Die Zwei von der Talkstelle

Gespräche aus der Selfpublisher- und Buchbubble

Buchpreis trifft Gabelstapler: Dinçer Güçyeter über Literaturbetrieb, Lesungen & Honorare

Dinçer Güçyeter ist Lyriker / Verleger, hat mit seinem Roman 'Unser Deutschlandmärchen' den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen und brachte 2022 durch ein Foto von sich auf dem Gabelstapler das Thema 'Bücher schreiben und Geld verdienen' in die Medien.

26.06.2025 61 min

Zusammenfassung & Show Notes

Dinçer Güçyeter ist Lyriker und Verleger, hat mit seinem ersten Roman 'Unser Deutschlandmärchen' den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen und brachte 2022 durch ein Foto von sich auf dem Gabelstapler das Thema 'Bücher schreiben und Geld verdienen' in die Medien.
Mit dem Schreiben fing er an, weil er sich Aufmerksamkeit wünschte. Heute erreichen ihn teilweise mehrere Leseanfragen wöchentlich. Auf dem Boden geblieben ist er trotzdem!
Bescheiden, offen und unglaublich sympathisch spricht Dinçer über seine Sicht auf den Literaturbetrieb, über Lesereisen, Honorare, was eigentlich ein Stadtschreiber tut und warum Deutsche Angst vor der Lyrik haben. Lass dich unbedingt inspirieren und höre rein! 

Gespräche über das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern, egal ob Selfpublishing oder Verlag. 


Dinçer Güçyeter ist Lyriker und Verleger, hat mit seinem ersten Roman 'Unser Deutschlandmärchen' den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen und brachte 2022 durch ein Foto von sich auf dem Gabelstapler das Thema 'Bücher schreiben und Geld verdienen' in die Medien.

Mit dem Schreiben fing er an, weil er sich Aufmerksamkeit wünschte. Heute erreichen ihn teilweise mehrere Leseanfragen wöchentlich. Auf dem Boden geblieben ist er trotzdem!

Bescheiden, offen und unglaublich sympathisch spricht Dinçer über seine Sicht auf den Literaturbetrieb, über Lesereisen, Honorare, was eigentlich ein Stadtschreiber tut und warum Deutsche Angst vor der Lyrik haben.

Lass dich unbedingt inspirieren und höre rein!

Links

Dinçer Güçyeter Verlag:
https://elifverlag.de/

Dinçers Roman:
https://mikrotext.de/book/dincer-guecyeter-unser-deutschlandmaerchen-roman/

Dinçer auf Instagram:
https://www.instagram.com/dincergucyeter/

TAZ-Artikel:
https://taz.de/Buecher-schreiben-und-Geld-verdienen/!5839628/

Dinçers Buchtipps:
'Die gläserne Stadt' von Natascha Wodin:
https://www.amazon.de/Die-gl%C3%A4serne-Stadt-Natascha-Wodin/dp/3869138416/

Gedichte von Octavio Paz:
https://www.suhrkamp.de/buch/octavio-paz-gedichte-t-9783518240533

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Transkript

Vera
00:00:00
In Folge 268 von Die 200 Talkstelle haben wir Dinschel Gücetär zu Gast. Er ist Lyriker, Verleger, Preisteger des Preises der Leipziger Buchmesse, Stadtschreiber von Bergen und Gabelstaplerfahrer. Was das alles zusammen zu tun hat, das hört ihr gleich.
Tamara
00:00:18
Ja, ich bin auch ganz selig. Ich fand dieses Gespräch so toll. So ein inspirierender und lieber Künstler. Also hört unbedingt rein. Die 2 von der, Ja, Folge 268 von Die 2 von der Talkstelle, dem Podcast rund ums Schreiben und Veröffentlichen im Verlag und im Self-Publishing. Vera, war das gut so? Nee, jetzt habe ich dich nicht vorgestellt. Mir sitzt gegenüber die wunderbare Vera Nentwig. Ich bin Tamara Leonhard. Habe ich das jetzt ordentlich gemacht mit der Einleitung?
Vera
00:01:06
Du hast das sowas von perfekt gemacht. Also absolut super. Und da sollte jetzt jeder, der zufällig auf uns geklickt hat, wissen, worum es geht. Und dieses Versprechen wollen wir heute ja auch erfüllen mit unserem Gast.
Tamara
00:01:23
Auf jeden Fall.
Vera
00:01:24
Wie ist es denn jetzt so? Wie läuft es denn mit Rock in Peace und dem Buchstart?
Tamara
00:01:32
Ich weiß gar nicht, wie ich das jetzt so beurteile. Also... Ja, genau.
Vera
00:01:41
Also so würde ich es auch sagen. Ich werde auch immer wieder gefragt, wie läuft denn der Buchstab?
Tamara
00:01:47
Also ich habe bisher nur gute Rezensionen bekommen. Ich kriege immer noch regelmäßig Nachrichten von Leuten, die es gelesen haben und die sich sehr begeistert zeigen. Das macht mich sehr happy. Ich habe ja schon eine erste Abrechnung von KDP bekommen, die auf jeden Fall, auch wenn ich damit jetzt nicht im Reichtum schwelgen kann, zumindest mal die beste Abrechnung ist, seit ich veröffentliche. Von daher würde ich mal sagen, die Richtung stimmt auf jeden Fall.
Vera
00:02:21
Ja, sehr schön. Das freut mich sehr.
Tamara
00:02:24
Parallel bin ich gerade noch dabei, diverse Goodies und kleine Geschenke für die DirektbestellerInnen zusammenzustellen. Das macht mir auch sehr viel Spaß.
Vera
00:02:33
Das heißt, du haust das Geld schon direkt wieder raus, ja?
Tamara
00:02:39
Ja, man muss ja investieren.
Vera
00:02:41
Naja. Wobei, KDP-Abrechnung, da sprichst du dir was an. Also ich gucke natürlich auch immer, wie es sich so entwickelt. Also meine KDP aber ja gut, also sie wird nicht die höchste die ich bisher hatte, definitiv nicht sie ist sogar, würde ich sagen für diesen Monat eher unter den Erwartungen, und grundsätzlich spielt ja bei Amazon gerade irgendwie alles verrückt also die haben ja, irgendein technisches Problem obwohl das ist ja immer so eine Blackbox, da sagt ja keiner was, so ich habe zur Unterstützung meines Buchstags habe ich so eine kleine Amazon Ads Aktion gemacht mit so ein paar Keywords und so auch mit eher geringem Budget. Ich dachte einfach nur so ein bisschen noch so. Ich meine, dann habe ich jetzt, Doch einige Klicks, aber nicht ein einziger Verkauf wird da angezeigt.
Tamara
00:03:36
Ja, toll.
Vera
00:03:37
Ja, und das macht einen ja strubbelig. Ich meine, das braucht eine Zeit, das weiß man ja. Aber ich sage mal so, als ich dann so erst einmal zehn Klicks hatte, dass bei zehn Klicks der auf mein Buch klickt und es dann nicht kauft, da muss ja was grundlegend schieflaufen. Da habe ich dann natürlich meine Buchseite bei Amazon nochmal angeguckt und den Klappentext und habe dann verglichen, ob da irgendwas ist. Ich habe auch eine super Rezensionsquote. Also ich kann beim besten Willen nichts erkennen. Und dann habe ich halt so die Diskussion mitbekommen. Und es steht zu vermuten, dass das mit irgendeinem technischen Bug zu tun hat, weil die auch, was den Verkaufsrang angeht, momentan Probleme haben. Ja, das finde ich auch. Auch die Verkäufe da richtig einzulasten. Mittlerweile, gerade heute, hat die April Winter mir da auch geantwortet, dass sie dasselbe Phänomen hat. Es beruhigt mich einerseits, weil ich dachte, vielleicht hast du wirklich so Scheiße da gemacht. Die Leute wollen das einfach alles nicht. Das scheint dem nicht so zu sein. Aber trotzdem so, dass man da so in der Luft hängen gelassen wird. Ich meine, ich bezahle für so eine Anzeige. Dass die nicht mal sich melden und sagen, wir haben gerade ein technisches Problem oder sowas. Also das ist schon eine große Sauerei da.
Tamara
00:04:56
Ja, also das ist mir tatsächlich ein Rätsel, wie bei so einem großen Unternehmen, wo so viel passiert, so wenig Verkäufer-Support da ist. Du hast mir versprochen, nach einer Woche ist mein KDP-Buch vorne, das passiert natürlich auch nicht. Also das ist alles wahnsinnig anstrengend.
Vera
00:05:20
Ja, also momentan, ja, das ist so, also wenn ein bestellender Kunde ein Problem hat, da reagieren sie ja schnell. Meistens, ja, sehr oft ja auch zu Lasten des Verkäufers, ne. So, da halten sie sich heraus. Aber wenn die irgendwas haben, so was Informationen geht, da ist das ja so eine Blackbox, ne.
Tamara
00:05:38
Ja, nee, aber auch so Sachen, ich meine jetzt, wenn du Anzeigen schaltest, das ist ja auch in deren Sinne, dass du weiter Anzeigen schaltest, dass die Anzeigen verkaufen, genauso wie es halt in deren Sinne sein müsste, dass das KDP-Buch von mir vorne ist und nicht das Traditionenbuch. Und trotzdem, ja, natürlich sind wir winzig kleine Lichter, aber... Ich verstehe es halt trotzdem nicht.
Vera
00:06:04
Nee, also das ist auch wirklich ärgerlich. Also das kann man nicht anders sagen, zumal ja auch wirklich Geld davon abhängt. Ich meine, wir investieren ja jetzt nicht wenig in so ein Buch. Und ja, also insofern stimme ich dir zu. Die Einschätzung des Buchstarts ist insofern dann etwas schwierig. Zumindest da, wenn es um die Amazon-Zahlen geht, die ja nun leider Gottes auch immer der größte Anteil der Einnahmen sind. Alles andere, die eher qualitativen Sachen sind natürlich prima. Ich habe auch super Rezensionen. Jetzt am Samstag, also wenn die Folge rauskommt, am nächsten Tag ist ja meine große Buchstartparty. Ich habe tolle Presseresonanz gehabt. Jetzt diese Woche wird die Welle Niederrhein noch ein Interview mit mir ausstrahlen, da war ich letzte Woche so und bin euch auch mehrfach angesprochen worden, also das läuft super, ich bin jetzt mal gespannt, ich hoffe jetzt auch sehr, dass natürlich dann auch viele Leute zur Buchstattparty kommen, das ist ja ein Rahmen so einer Kunst im Kern so einen ganzen Tag Kunstkultur in der Stadt, da gibt es natürlich auch viel anderes Programm Aber dennoch hoffe ich einfach, weil ich doch schon jetzt am lautesten da überall war und präsenter bin, dass da dann doch gut das gut besucht wird. Und ich dann natürlich da auch noch ein paar Bücher verkaufe. Also das läuft ganz gut und da muss man sich halt manchmal dran festhalten.
Tamara
00:07:41
Nee, auf jeden Fall. Also ich habe wirklich schon ganz, ganz viele liebe, tolle Rätis bekommen, aber ein Highlight war dabei, das muss ich jetzt echt kurz erzählen, und zwar von unserer lieben Autorenkollegin Tanja Liebermann, die übrigens auch gerade ein sehr spannendes Buch rausbringt, Tick nicht doch, wo es um Tourette-Syndrom geht. Und sie hat geschrieben oder gepostet auf ihrem Profil, Tamara Leonhardt, dir ist ein Meisterwerk gelungen.
Vera
00:08:17
Oh, wow.
Tamara
00:08:18
Also sowas habe ich noch nicht gelesen.
Vera
00:08:20
Das klingt ja wie die Blurbs, wo wir es mit der Martina Hefte hatten.
Tamara
00:08:27
Ja.
Vera
00:08:28
Ja, also, müsstest du jetzt auf deinem Umschlag schreiben hinten.
Tamara
00:08:32
Ja, ich werde auf jeden Fall mal noch schöne Aussagen sammeln. Ich muss ja auch noch meine A-Plus-Seite endlich machen. Da habe ich auch von der lieben Kollegin noch darauf hingewiesen. Und habe ich theoretisch auf dem Zettel. Aber ja, ich komme zu dem Schluss, dass ich manchmal einfach sagen muss, das muss jetzt ein bisschen warten. Ich schaffe nicht alles auf einmal.
Vera
00:08:51
Ja, man darf die Bedeutung auch nicht überbewerten. Also eine gewisse Gelassenheit macht da sicher Sinn. Ja, apropos Gelassenheit, habe ich jetzt noch ein anderes Thema. Da wollte ich mal deine Meinung zu haben. Und es war ein Bekannter, sprach mich an, der Arbeit ist in einem Förderverein für einen Zoo, und die wollen ein Kinderbuch rausgeben mit den Tieren aus dem Zoo, um einfach Geld für den Zoo einzusammeln. Und er sprach mich an, ob ich ihnen so Tipps geben kann, wo man die drucken lassen kann und so.
Tamara
00:09:30
Und Zoo. Und Zoo.
Vera
00:09:34
Und Zoo, genau. Und bei dem Gespräch kam dann raus, dass die den Text geschrieben haben, Aber die Illustrationen haben sie mit KI gemacht.
Tamara
00:09:45
Da-ding.
Vera
00:09:46
Da-ding. So. Da habe ich gesagt, wie reagierst du? Und ich habe dann mal zu Bedenken gegeben, eine Spendenaktion für so eine Institution wie ein Zoo, ganz offiziell, mit KI-generierten Bildern, Könnte womöglich einen ziemlichen Shitstorm auslösen, man das denn wirklich machen wollte. Ja, dessen war man sich so nicht bewusst. Wir hatten doch überlegt, ja, mit Urheberrecht, wie sind denn da die Rechte? Habe ich auch gesagt, naja gut, das ist alles geklaut.
Tamara
00:10:26
Ja, und ich meine, mir leuchtet natürlich ein, wenn man so eine Aktion macht, um Geld zu sammeln, dass man dann vielleicht kein Riesenbudget hat. Aber ich wage sogar zu behaupten, dass sich da ein oder zwei IllustratorInnen finden würden, die das im Sinne einer Soli-Aktion vielleicht auch spenden würden.
Vera
00:10:45
Ja, genau.
Tamara
00:10:46
Ich da bemühen würde, da könnte man sicherlich Kooperationen finden, die dann allen Seiten irgendwie was bringen.
Vera
00:10:52
Ja, genau. Habe ich auch so angeregt. Und ja, also ich habe zumindest zum Nachdenken angeregt. Ich weiß nicht, was sie weitermachen. Da ist auch so das Bewusstsein, obwohl der Bekannte nämlich auch, ist selbst Fotograf und ich weiß, wenn er Fotos macht, dann legt er immer größten Wert darauf, dass sein Name ordentlich genannt ist. Habe ich auch gesagt, naja, wie würdest du das denn machen, wenn jetzt plötzlich irgendwie dein verfremdetes Foto bei der KI auftaucht? Dann würdest du doch auch vielleicht sagen, das ist Mist. Ja, ja, also diese Sensibilisierung oder ist noch nicht so da. Die denken, oh, das ist schön einfach.
Tamara
00:11:32
Ja, ja.
Vera
00:11:34
Ja, so ist es. Also ich glaube, da sind wir schon in beiden Punkten voll beim Thema. Irgendwie ja doch beim Thema Geld.
Tamara
00:11:44
Auch das.
Vera
00:11:46
Ja, wir haben heute nämlich einen Gast bei uns, der sich sehr mit dem Thema Geld verdienen als Autor auskennt. Er ist Lyriker, Verleger, er ist mehrfacher Preisträger. Er hat zum Beispiel den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen, den Peter-Huchel-Preis und aktuell ist er sogar Stadtschreiber von Bergen. Wir freuen uns sehr, dass er heute hier ist. Dinsche Gütschete ist da. Hallo Dinsche.
Dincer
00:12:12
Hallo, Tamara, Vera. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung. Ja, schön, dass du da bist. Bei uns auf dem Gespräch.
Tamara
00:12:20
Ich wollte ja schon immer mal mit einem Stadtschreiber sprechen. Da bin ich mal gespannt, was du gleich zu erzählen hast. Aber die Vera hatte, glaube ich, eine Frage.
Vera
00:12:30
Ja, wir können auch da. Aber ich wollte eigentlich fragen, musst du noch Gabelstapler fahren, Dinsche?
Dincer
00:12:34
Liebe Vera, ich hatte eigentlich noch vor, weiter mit diesem Job zu machen, aber im Oktober 2023 habe ich einen Anruf von meiner Chefin bekommen und sie sagte, der Betrieb muss stillgelegt werden. Weil wir haben die Produkte aus der Ukraine bekommen. Die Produkte in der Ukraine. Und ehrlich gesagt, in der Zeit, wo ich zum Beispiel auch im Mai 2023 in Leipzig auf der Buchmesse war, war ich freigestellt, weil ja... Die Firma, die Leitung hatte nämlich immer noch die Hoffnung, dass es mit dem Krieg vorbei ist und dass wir weiter Waren bekommen haben. Aber dann im Oktober hat man gesagt, es hat gar keinen Sinn mehr. Die Halle bei uns in Nettetal ist nicht mehr tragbar und deshalb musste die aufgegeben werden. Denn ich hatte eine ganz besondere Chefin, die Sonja, die mir alles möglich gemacht hat. Die hat mir vor Jahren am ersten Tag einen Schreibtisch zur Verfügung gestellt und gesagt, also das ist dein Hauptjob, du kannst dir schreiben und nebenbei, wenn die LKWs kommen, kannst du die Ware abnehmen. So war unsere erste Behandlung. Und heute folgt sie mir immer noch bei Insta und ist mit allen sehr stolz. Sie freut sich, glaube ich, viel mehr als ich, als jede andere.
Vera
00:14:09
Das klingt nach einem Traumjob. Also schreiben und dann, wenn man mal eine Pause braucht, Gabelstapler fahren. Also das klingt für den...
Dincer
00:14:17
Ja, ja.
Vera
00:14:18
Also wirklich. Wobei, wir müssen jetzt vielleicht für unsere Hörer und Hörerinnen, die den Hintergrund nicht kennen, mal erklären.
Tamara
00:14:23
Ich wollte gerade sagen, erklär mal die Geschichte.
Vera
00:14:25
Der Hintergrund ist, dass 2020 ein Artikel, unter anderem in der Taz, erschienen ist, mit dir als 22, was? Ich meine, 2020, egal. Mit dir als Gabelstaplerfahrer zum Thema, wie schwierig es ist, als Autor, Autorin vom Schreiben zu leben und dass du halt um deinen Lebensunterhalt zu sichern, Gabelstapler fährst. Wie hat sich das denn jetzt so in den fünf Jahren danach verändert? Du hast gerade gesagt, du kannst nicht mehr Gabelstapler fahren, weil es die Firma nicht mehr gibt. Musst du jetzt was anderes machen oder funktioniert das jetzt mit dem Schreiben?
Dincer
00:15:04
Also ihr Lieben, zuerst mal will ich ganz offen sagen, ich habe mich nie beschwert, weil ich auch immer diesen Brot schockete. Es war für mich selbstverständlich, weil in meiner Familie war es nie selbstverständlich, dass man allein vom Schreiben lebt oder lebt.
Vera
00:15:26
Das ist doch schon selbstverständlich.
Dincer
00:15:28
Und ich weiß, dass einige Kolleginnen diese Erwartung haben. Ist auch legitim. Aber ich habe mit 15 mit meiner Berufsausbildung als Werkzeugmechaniker angefangen. Und seitdem bin ich immer irgendwo in einem Betrieb gewesen. Deshalb war es für mich nichts Neues. Ich habe meine Arbeit immer gerne gemacht. Ich war immer mit Schlossern oder mit Lkw-Fahrern immer wieder gerne zusammen, weil ich von diesen Menschen auch immer die andere Seite der Realität war. Kennengelernt oder erlebt habe und nicht nur in dem Literaturbetrieb unterwegs war. Und diese andere Seite der Realität oder eine andere Wahrnehmung hat mir auch sehr viel geholfen, meine Charaktere auszuarbeiten und deshalb, ich habe mich nie beschwert, aber damals war es wirklich aus zeitlichen Gründen sehr schwer, alles zu organisieren. Weil ich hatte alle zwei Tage eine Lesung. Es hat ja mit dem Band Mein Prinz, ich bin das Ghetto angefangen, mit dem Peter Hurelkreis. Und da gab es eine lange Lesereise. Und meine Bitte damals an Nicola war, ob wir unser Deutschlandmärchen nochmal ein Jahr verschieben können. Sie hat das abgelehnt, ich kann sie auch verstehen und bevor die eine Lesereise fertig war, fing die Lesereise mit unserem Deutschlandmärchen an und seitdem immer unterwegs und brauche keinen anderen Job. Also letztes Jahr kam auch dieses Stadtschreiberstipendium, nächstes Jahr steht was anderes an. Schauen wir mal, wir fahren bis der Tank leer ist, sagen wir mal.
Tamara
00:17:25
Das ist eine schöne Redensart. Ja, aber ich muss gestehen, ich war damals, als dieser Taz-Artikel kam, der, glaube ich, die Folge eines Facebook-Posts von dir war, da war ich einfach unheimlich dankbar, dass das mal so ein bisschen in der Öffentlichkeit alles besprochen wird, weil ja eben viele nicht drüber sprechen und auf Insta sind ja alle unfassbar erfolgreich und alles läuft immer so gut. Und gerade auch Leute, die jetzt nicht so in der Buchbubble drin sind, die gehen davon aus, oh, du hast schon vier oder fünf Bücher veröffentlicht, ja, dann bist du ja jetzt reich. Und da fand ich es einfach schön, dass da mal so transparent drüber gesprochen wurde.
Dincer
00:18:03
Es ist so, der Literaturbetrieb mag diesen Glanz.
Vera
00:18:09
Natürlich, davon lebt er ja auch ein bisschen, ne? Also...
Dincer
00:18:13
Das kann ich nicht beurteilen, aber ich bin eh dafür, dass wir ganz offen darüber kommunizieren und zwar über alles. Gerade habe ich auch das Gefühl, dass zum Beispiel über den Buchverkauf auch nicht offen kommuniziert wird, dass vieles schön geredet wird. Aber da gibt es gerade sehr viele Probleme und der Betrieb hat tausend Probleme und viele kennt ihr bestimmt auch. Aber ich bin immer dafür, dass wir so auf Augenhöhe und auch ehrlich, soweit es möglich ist, miteinander zu kommunizieren. Weil, wie gesagt, für mich war es immer eine Normalität. Und ich habe mich nie davor gescheut zu sagen, Leute, ich muss morgen früh in der Halle sein und ich erwarte aus Russland oder aus Polen einen LKW. Das gehört einfach zu meinem Alltag. Und auf diesen Festivals oder auf den Leseabenden, wenn ich mit anderen Kolleginnen zusammenkam, habe ich immer wieder gehört, wie anstrengend es für diese Kollegen diese Doppelrolle ist, aber in der Öffentlichkeit hat keiner darüber gesprochen und da war der Gedanke, ja, dann machst du vielleicht mal den ersten Schritt und dieser Facebook-Post hat ja auch zu diesem Brotschock-Buch geführt, das im Verbrecherverlag geschehen ist.
Vera
00:19:38
Jetzt sind wir beide ja, Tamara und ich, wir sind ja mehr so im Self-Publishing unterwegs, was ja nochmal so ein bisschen anders ist. Und wenn du jetzt so erzählst, du kriegst deinen Preis und dann gibt es die große Lesereise, sowas gibt es bei uns ja nicht, oder möglichst wenn wir es selbst organisieren, da würde ich gern so ein bisschen noch Einblicke bekommen in dieses Leben eines Autors, der Preise gewinnt und in den höchsten Sphären der Literatur da stattfindet. Wie umfangreich sind solche Lesereisen? Ich gehe mal davon aus, dass dann alles irgendwie vom Verlag organisiert. Wie aktiv musst du selbst sein, um sowas zu organisieren?
Dincer
00:20:22
Also wir arbeiten immer zweitgleisig. Der Verlag bekommt sehr viele Anfragen. Aber viele kennen mich auch, weil ich ja auch als Verleger unterwegs bin und auch sehr viele Connections habe, Kontakte habe. Allein diese Woche kamen, glaube ich, so um die fünf Anfragen. Wir haben erst Mittwoch. Und so langsam muss ich auch einiges ablehnen, weil mein Plan war, nächstes Jahr einen Gedichtband zu veröffentlichen. Und ganz einfach, ich sehe es als Arbeit. Es muss gut geplant werden, organisiert werden und da machen wir die Deutsche Bahn ab und zu.
Vera
00:21:06
Das Problem kenne ich.
Dincer
00:21:09
Und letztes Jahr ich kann mich daran erinnern, ich bin hier vier Stunden früher losgefahren ich bin es trotzdem nicht geschafft, rechtzeitig auf die Bühne zu kommen ich musste dann sofort ein Taxi nehmen und die Gäste mussten 15 Minuten warten, und das sind so Dinge, die mich belasten auf der anderen Seite ich liebe die Bühne.
Vera
00:21:34
Da bist du bei uns richtig.
Dincer
00:21:35
Also ich gehe auf die Bühne und fühle mich sehr geschützt und ich versuche aus jeder Bühne auch so ein Wohnzimmer zu basteln, wo ich mit Freunden, mit meinen Gästen im Wohnzimmer sitze, ein Glas Rake trinke oder ein bisschen Hummus mit Baguette esse oder geparktes Gemüse oder wir vierteln eine Wassermelone und Navarra. Dieses Gefühl möchte ich vermitteln, weil ich habe das Gefühl, dass das Leben für alle ein bisschen komplizierter wird. Also die Menschen, die ich auf der Straße treffe, alle sind ein bisschen belastet.
Vera
00:22:17
Ja, klar.
Dincer
00:22:21
Und die Frage war für mich vor Jahren schon, wie kann ich den Leuten einen schönen Abend anbieten? Natürlich soll die Literatur im Mittelpunkt sein. Natürlich trage ich meine Texte oder meine Gedichte sehr gerne vor. Aber ich nehme auch immer wieder so Anekdoten aus dem Alltag mit. Also die wissen und rede mit den Leuten darüber. Ich habe auch sehr oft über meinen Gabelstapler mit meinen Gästen gesprochen. Also, und ich denke, diese ehrliche Kommunikation öffnet den Menschen ganz neue Welten. Und es kommt auch dazu, dass die Menschen sich auch bei mir öffnen. So wären diese Literaturabende für mich noch angenehmer. Aber auf deine Frage jetzt, es ist natürlich nicht immer einfach, jeden Abend in einem anderen Hotelzimmer zu verbringen. Auch nicht jedes Hotelzimmer hat eine gute Matratze. Weil ich ein Problem am Rücken habe, brauche ich immer eine harte Matratze. Aber auf der anderen Seite die Frage, die Nicola von Mikrotext hat mir immer wieder gesagt, Ninja, du musst jetzt mal damit aufhören, also jetzt wird es wirklich zu viel. Ich habe es wirklich sehr gerne gemacht, aber jetzt, wo ich die Skizze mit dem neuen Gedichtband fertig habe, will ich mich doch ein bisschen zurückziehen. Ein paar Lesungen, wo ich es zugesagt habe, wird es noch bis Ende November geben und dann ziehe ich mich für sechs oder sieben Monate zurück. Was die Preise angeht, das war ja auch das Thema. Ich versuche mich eigentlich damit zu beschäftigen. Es freut mich natürlich. Ich gebe meinen Kindern die Urkunden weiter. Die sollen das bitte aufheben. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich jeden Morgen vor dem Spiegel stehe und mich geil finde.
Vera
00:24:25
Das habe ich jetzt auch nicht erwartet. Dafür wirkst du jetzt auch zu bodenständig. Aber jetzt muss ich ein bisschen noch nachhaken. Erstmal diese Nicola von, das habe ich nicht mitbekommen, wer ist diese?
Dincer
00:24:35
Nicola Richter vom Mikrotext Verlag.
Vera
00:24:37
Ach so, vom Verlag, okay. Die organisiert das, okay. So, wenn du so eine Lesung machst, darf ich mal fragen, was kriegst du so für so eine Lesung an Geld?
Dincer
00:24:52
Also, die Buchhandlungen bekommen immer einen anderen Preis, weil ich denke, wie es auch in der Natur ist, man muss sein eigenes Metier auch ein bisschen schützen. Die Buchhandlungen haben nicht diese Förderungen, die Subventionen wie die Literaturhäuser, aber im Durchschnitt sind es also 1000 Euro plus Mehrwertsteuer und Übernachtung und Fahrtkosten. Ausnahmen mache ich immer wieder, das muss ich auch ganz ehrlich sagen. Also zum Beispiel Unis, da mache ich immer eine Ausnahme, weil wenn die jungen Menschen mich einladen, kann ich nicht allein aus, also das Budget war noch nie ein Hindernis an dem Budget oder an dem Honorar, hat es noch nie gescheitert. Und dieser Preis oder dieses Honorar wurde damals auch vom Verlag festgelegt.
Vera
00:25:50
Aber ich muss mir das ja jetzt vorstellen, hat das dann wirklich, hat das erst so begonnen mit dieser Lesungsnachfrage nachdem du den ersten Preis gewonnen hast oder war das vorher schon so ich kenne ja viele Autoren, Autoren und Kolleginnen und viele uns beide eingeschlossen, wir würden gerne mehr bezahlte Lesungen machen, wobei unsere Gage sicherlich noch unter dem liegt, was du gesagt hast. Aber es ist natürlich auch extrem schwer da ranzukommen. Gleichzeitig kriegst du fünf Anfragen bis Mittwoch. Außer jetzt, dass du Preisträger bist und sicherlich super schreibst und tolle Lesungen machst, was machst du denn sonst noch besser als wir?
Dincer
00:26:39
Das kann ich hier nicht beantworten Also ich habe noch nie eine Lesung von dir besucht.
Vera
00:26:44
Da muss ich jetzt am Samstag noch willig kommen Da gibt es meine Buchstartparty, Ich wohne ja nicht weit von dir weg im Übrigen Meine erste Wohnung war übrigens in Lobberich, wollte ich nur gesagt haben Wir machen das im.
Dincer
00:27:00
Herbst Im Herbst, wenn es bei mir ruhiger ist lädst du mich auf eine Lesung von dir ein und ich komme dazu und danach reden wir einfach weiter.
Vera
00:27:09
So machen wir das, das ist ein Deal.
Tamara
00:27:11
Aber um die Frage mal ein bisschen allgemeiner zu formulieren, du hast das eben schon ganz schön angerissen, so ein bisschen Wohnzimmeratmosphäre. Was erwartet mich denn jetzt an einem typischen Abend, wenn ich da hinkomme, auf was darf ich mich da freuen?
Dincer
00:27:29
Also diese Wasserglaslesungen, wie man das auch so nennt, mache ich nicht. Ich gehe auch nicht als Literat auf die Bühne. Ich habe jeden Abend Texte in meinem Rucksack. Manchmal sind es auch ganz unterschiedliche Texte. Ab und zu sind die Gäste auch mal enttäuscht, weil ich weniger aus unseren Deutschlandmärchen lese und mehr neue Experimente dabei habe. Aber ich versuche auch für mich, diese ganze Reise spannend zu halten. Und wie eben schon gesagt, versuche ich das Gefühl zu geben, dass wir alle zusammen auf der gleichen Reise sind. Also diese Mauer zwischen der Bühne und den Stühlen darf es bei mir nicht geben, weil Literatur ist ja auch für mich zuerst mal die Frage, warum habe ich mit Schreiben angefangen? Diese Frage wird uns immer wieder gestellt und auf diese Frage geben wir immer wieder dumme Antworten und keine Antwort stimmt. Aber bei mir kann ich auch, ich wollte Aufmerksamkeit.
Vera
00:28:40
Ja, das ist bei mir genauso. Absolut, da sind wir uns einig, Ninja.
Dincer
00:28:45
Aufmerksamkeit. Und ich wollte ja auch mit Menschen über meine Wunden sprechen. Aber es sind ja nicht nur meine Wunden. Auf der anderen Seite gibt es ja auch Wunden. Und jeder Abend ist für mich auch so ein Versuch, den Gästen oder den Menschen das Gefühl zu geben, okay, wir sind alle ein bisschen hilflos in diesem Leben, aber wir sind auch nicht allein. Und dieses Gefühl ist für mich viel mehr wert, gerade jetzt, wo die halbe Welt untergeht, als alles andere.
Vera
00:29:21
Ja, nein, das ist absolut richtig. Ja, kann ich nur zustimmen. Also geht mir absolut genauso und ich meine Tamara, du auch.
Dincer
00:29:30
Es gibt in Gesellschaft noch dieses alte Dichterbild, also der Autor steht morgens auf, isst sein Kaviar oder was auch sein Orang und setzt sich an den Schreibtisch. Nein, bei mir läuft alles verrückt. Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Soll ich zuerst dass sie Post erledigen oder soll ich die erste Kinder zur Schule schicken. Okay, Aiche wollte noch, dass ich die Waschmaschine aktiviere und solche Sachen. Zwischendurch schreibe ich vielleicht mal ein Gedicht oder zwei Zeilen. So läuft es bei vielen und wie jeder andere haben wir auch unsere alltäglichen Sorgen, aber auch wir können auch kleinkariert sein. Also es ist nicht so, dass wir mit einem Glas Wein und so mit einer Kerzenflamme auf dem Schreibtisch, schreiben. Das Bild gibt es nicht mehr.
Vera
00:30:32
Ich weiß gar nicht.
Dincer
00:30:34
Was es gegeben hat.
Vera
00:30:36
Also ich war ja mal so im Sommerhaus von Thomas Mann und so, auch da sah es sehr nach Arbeit aus. Aber jetzt bist du ja in einem Genre unterwegs, also vom Grundsatz her, du bist ja eigentlich Lyriker und hast ja auch dein Elif Verlag ist ein Lyrik Verlag so wenn, ich kenne das immer wenn ich auf Buchmessen dann auf dem Stand vom Self-Babischer Verband stehe oder sonst wo und da kommt jemand mit seinem und schreibt Gedichte so das erste was man ja immer sagt, oh schwierig ne, schwierig so, jetzt scheint es bei dir ja funktioniert zu haben was gehört denn dazu um mit Lyrik Geld zu verdienen.
Dincer
00:31:15
Das weiß ich nicht. Also ein Kollege hat mir mal gesagt, Dinger, alles was du da auf der Bühne machst, das passt zu dir. Wenn ich es machen würde, wäre es sehr peinlich. Also manchmal, also das ist wie so ein Kleidungsstück, einem passt es, einem anderen passt es nicht. Jeder muss für sich selbst diese Lösung oder diese Antwort finden. Aber das hat schon von meinem Prinz, ich bin das Ghetto angefangen als ich die ersten oder die kleinsten Lesungen hatte in Düsseldorf oder in Aachen also mit dem Band aus Glut geschnitzt und bei mir war es so, jeder der mich eingeladen hat hat mich, ein Jahr später wieder eingeladen, und ich weiß nicht woran es liegt, das müsste man diesen Menschen fragen aber was ich nur dazu sagen kann wie eben schon gesagt, ich bin sehr gerne auf der Bühne.
Vera
00:32:13
Also das heißt, gehört das dazu, um mit Lyrik ja letztlich Geld zu verdienen, gehört das dazu, dann auf der Bühne zu sein und seine Lyrik vorzutragen? Rein Lyrik, Gedichtbände rausgeben, ist das in irgendeiner Form gewinnbringend?
Dincer
00:32:32
Also ich kann davon leben und also seit sechs Jahren habe ich keine finanziellen Schwierigkeiten. Und also hier dieser Job als Gabel, das war ja ein Teilzeitjob. Das war kein Job. Diesen Job habe ich damals gemacht, um ein bisschen Basis für die Kinder aufzubauen. Also wenn die mal studieren wollen. Das war wie so ein Sparkonto für mich. Und ihr Lieben, damals habe ich mir gesagt, wenn du dich eines Tages beschwerst, machst du diesen Job nicht mehr. Du gehst dann nicht mehr auf die Bühne, du veröffentlichst keine Gedichte mehr und das habe ich mir damals versprochen und ich halte mich auch bis heute daran. Ich will mich nie beschweren. Ich mache, was ich machen kann und es kann sein, das ist sehr schnell möglich, dass die Leute mich auch langweilig finden ab einem bestimmten Punkt. Es kommt gerade auch eine ganz junge Generation, die etwas. Sehr Neues, sehr Frisches anbietet, was ich auch sehr schätze. Und letztens hatte ich auch mit meiner Familie dieses Gespräch. Die Frage ist auch, wie lange will ich das noch machen? Oder so langsam habe ich auch das Gefühl, ich meine, Wir, also die jetzt seit ein paar Jahren unterwegs sind, sollten auch für unseren Betrieb einiges tun und jungen Menschen mehr die Bühne geben. Und daran arbeite ich auch seit drei Jahren. Da hatte ich eine Kooperation mit Haus für Poesie, das Gedicht von Hand zu Hand. Und ich veröffentliche mindestens zwei Debüts im Jahr im Edi-Verlag, in meinem kleinen Lyrik-Verlag. Und die sind auch erfolgreich. Jetzt, also Ozan Sekiria Keskinkiewicz, von dem wir den Prinzenbart veröffentlicht haben, sein Roman »Nur Sohn« erscheint jetzt im Sokamm-Verlag. Ich bin sehr stolz auf ihn und ich bin gespannt. Und ihr werdet sehen, die Leute, die Menschen werden diesen Roman und der Sohn lieben. Und auch andere, der eine weniger, die andere mehr, sind erfolgreich unterwegs. Und die Überlegung ist gerade, wie kann man es auf der Bühne umsetzen?
Tamara
00:35:06
Da würde ich tatsächlich ganz gerne die Frage von Vera mal andersrum aufstricken, weil jetzt muss ich ein bisschen ausholen. Vor wenigen Wochen hatten wir deine liebe Kollegin, die Martina Hefter, bei uns. Da habe ich schon angedeutet, dass ich gerade dabei bin, mich auch mal so ein bisschen mit Lyrik zu beschäftigen, was ich davor eigentlich immer von mir gewiesen habe, so Traumatisierung aus der Schule. Und habe das zwischenzeitlich auch getan. Und ich hoffe, ich sage jetzt nichts ganz Dummes oder Beleidigend. Auch so ein bisschen mehr mit Schwerpunkt Poetry Slam. Ich weiß nicht, ob es da irgendwelche Rivalitäten oder Freundschaften der beiden Disziplinen gibt. Aber auf jeden Fall ist mein Eindruck, worauf ich eigentlich hinaus wollte, Und das verstärkst du, glaube ich, mit dem, was du sagst, dass das Lyrik zu einem großen Teil vielleicht gar nicht so sehr, dass man das nicht so sehr als geschriebene Disziplin nur sehen muss, wie jetzt so ein Roman, wo halt wirklich das Buch so das Medium ist, sondern dass es eher was Lebendiges ist, was eben im Live-Betrieb passiert. Verstehe ich das richtig?
Dincer
00:36:22
Also der erste Punkt, ob es jetzt Poetry Slam ist oder Spoken Work, also wie in Amerika, für mich ist es die gleiche Gattung. Also ich sehe da gar keinen Unterschied. Ich schaue nur, was der Text mir sagt und mit diesem, ja, was es jetzt ist. Also ich mache ja auch gar keinen Unterschied zwischen Prosa und Lyrik. Und ich schmeiße auch so ein Prosa-Stück in das Gedicht rein und schaue, ob das funktioniert. Und es funktioniert, warum soll es nicht funktionieren? Und also ich habe von beiden Seiten immer sehr gute Rückmeldungen bekommen. Also besonders mein Prinz Ich bin das Ghetto war sehr erfolgreich, also was den Verkauf angeht. Und besonders junge Menschen, die den Band gelesen haben, haben mir E-Mails geschrieben, Briefe habe ich von denen bekommen. Ich bin auch sehr oft in Schulen oder Unis. Und von da höre ich immer wieder, welches Gedicht die sehr gut gefunden haben. Der eine kommt mit dem Poesiealbum des Lkw-Fahrers. Der andere sagt hier Oedipus. Also bei mir ist es so, ich gehe jetzt von mir aus, ich lese Gedichte sehr gerne. Ich seh mich in meine ruhige Ecke zurück, nimm mir ein Gedichtband und lese sehr, sehr gerne Gedichte. Und viele tun es auch. Die Angst, die wir hier in Deutschland haben, was die Lyrik angeht. Also es ist das gleiche Problem wie in vielen Fällen in Deutschland. Das ist die Angst. Irgendwann hat mal ein Idiot gesagt, dass die Lyrik etwas sehr, sehr Wertvolles, was sehr Hochkrätiges, was sehr Intellektuelles ist und alle haben daran geglaubt. Und seitdem läuft da sehr viel falsch.
Tamara
00:38:21
Weil man Angst hat, irgendeine Ebene nicht zu verstehen und sowas zu werden.
Dincer
00:38:27
Liebe Tamara, es sind unsere Gefühle, es sind unsere Emotionen. Was kann da so kompliziert sein? Also, und Lyrik ist auch eine Art Kommunikation. Ich meine die Geschichte, also von Brecht bis Nasem Hikmet, von Lorca bis, also Ahmadova, von Else Lasker-Schüler bis Bachmann. Wir haben doch all diese Gedichte bis in die Gegenwart, also in uns getragen. Und über dieses Problem rede ich auch mit Buchhändlerinnen, die die Gedichtbände immer ganz hinten irgendwo im Rekal stehen haben. Oder ich rede auch mit Menschen, die mir immer wieder sagen, dass die Angst haben. Vor Lyrik, dass die es nicht verstehen werden und ich denke, wir müssen uns von diesen Minderwertigkeitskomplexen also verabschieden. Nein, da gibt es natürlich gibt es wieder unterschiedliche Arten Lyrik. Manche sind zugänglicher, manche sind ein bisschen verkoppt, aber alles ist legitim. Aber man muss es zuerst mal anfangen und Das wollte ich immer erreichen. Ich wollte mit Gedichten Aufmerksamkeit, Geld und Ruhm haben. Und die Frage, warum es bei mir geklappt hat, das weiß ich nicht. Aber ich bin der Meinung, dass diese Barrikaden zu sehr vor uns stehen und dass wir die mal einfach zur Seite räumen müssen.
Vera
00:40:15
Ja, das kann man dir ja nur beipflichten und wir tun unser Bestes ein bisschen wegzuräumen.
Dincer
00:40:24
Entschuldigung, liebe Vera, dass ich dich jetzt unterbreche. Ich habe gerade auch allgemein das Problem in Deutschland. Also alles, was neu ist, was anders ist, wird gerade auch so abgelehnt.
Vera
00:40:35
Das ist absolut richtig. Da können wir ein Lied von singen.
Dincer
00:40:39
Also ich bin in Italien, in Griechenland, in Spanien, die Lyric-Festivals besuche. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie dort die Euphorie ist. Die Leute sprechen mit, die singen mit. Und das ist es.
Tamara
00:40:57
Ja, schön.
Dincer
00:40:59
Mehr nicht.
Vera
00:41:01
Wo wir jetzt neuen Dingen sind, ich habe ja vorhin schon mal erwähnt, Tamara und ich, wir kommen ja eher aus dem Self-Publishing-Bereich. Hast du jetzt als ja mittlerweile sehr erfolgreicher Verlagsautor, Lyriker, Verleger, hast du in irgendeiner Form Berührungspunkte mit Self-Publishing, hast du dich damit schon mal beschäftigt?
Dincer
00:41:24
Ja. So hat es ja bei mir auch angefangen.
Vera
00:41:28
Okay.
Dincer
00:41:28
Meine ersten Gedichtblende, Anatolien Blues, das war eine Self-Publishing.
Vera
00:41:34
Okay.
Dincer
00:41:36
Aber ich habe diesen Band später zurückgezogen, weil ich mit einigen Gedichten überhaupt nicht mehr einverstanden war.
Vera
00:41:47
Ja, das hat man schon mal.
Dincer
00:41:49
Ja, also wir waren nicht reif genug und das war allein der Grund, ich habe es auch überall erzählt und ich finde es auch sehr gut. Ich fand damals die Entscheidung sehr gut und heute genauso, weil immer wieder auf die Entscheidung von anderen zu warten, also das nervt.
Vera
00:42:15
Ja, das ist definitiv so.
Dincer
00:42:17
Deshalb habe ich auch diesen Verlag gegründet, den Edelfell. Und wenn alles mal wegfällt, dann habe ich immer noch diesen Edelfellag. Und wenn es ihn auch nicht mehr existiert, dann werde ich die Gedichte, ja, einzeln ausdrucken und verteilen. Es gibt immer wieder eine Lösung und ich habe nie verstanden, warum zum Beispiel die Self-Publisher sich für einen Preis oder für ein Stipendium nie bewerben durften. Das ist immer so in den Ausschreibungen, dass...
Vera
00:42:58
Ein großes Problem, absolut, ja.
Dincer
00:43:01
Wie eben schon gesagt, ich schaue, was die Texte mir sagen. Alles andere, auch was du eben gesagt hast, liebe Vera, Erfolg. Was ist Erfolg? Also die andere Seite wäre dann Misserfolg. Aber ich glaube ja nicht an den Misserfolg. Ich sage jedes Mal, es ist eine Reise auf eine bestimmte Dauer und es ist eine gestunderte Reise. Wir kommen auf die Welt, wir machen diese Reise und sagen irgendwann auch mal Tschüss. Und zwischen diesen zwei Polen kann man vieles experimentieren und 80% der Dinge, die ich versucht habe, sind gescheitert. Und deshalb glaube ich an Misserfolg. Man versucht es, man experimentiert.
Vera
00:43:52
So ist es, so ist es. Da muss ich jetzt gerade dran denken, weil ich da in deinem Heimatort die Buchhandlung, ich nenne den Namen nicht, da habe ich mich auch mal vorgestellt mit meinen Büchern, zumal ich ja Gräfrath-Gribbis schreibe, das ist der Nachbars auch. Und, So, und ich vergesse nie das Gesicht des Buchhändlers. Also, da ist es manchmal noch sehr schwierig, da als Self-Publisher, Self-Publisherin, selbst wenn man, wie ich, jetzt da schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und sicherlich einiges nachweisen kann, sichtbar zu werden. Da gibt es noch manchmal so Grenzen. Du organisierst ja auch ein Literaturfestival in Nettetal. Wie heißt das? Weltliteratur im Ghetto.
Dincer
00:44:36
Ja.
Vera
00:44:38
Mit sehr illustren Namenslisten. Hätten da Self-Publisher eine Chance, auch mal auf die Liste zu kommen?
Dincer
00:44:45
Natürlich. Also dieses Jahr vielleicht nicht, nein, aber 2023 hatte ich zwei Autorinnen.
Vera
00:44:53
Ach ja, tatsächlich, toll, super.
Dincer
00:44:58
Martina war ja auch 2023 da und sie hat einen Auszug aus Hey, guten Morgen, wie geht's dir? Daraus hat sie gelesen und einige haben nach dem Buch gefragt und meiner, es gibt gar kein Buch. Also das Buch ist noch nicht erschienen. Martina wusste auch nicht, also ob es jetzt bei Klettkotter erscheint. Es war alles noch nicht so festgelegt. Aber die Menschen haben den Text sehr gemocht und heute, wenn ich auf die Fußgängerzone gehe, sprechen die Menschen mich an und sagen, ach, Das war ja so schön. Du hast uns ja Martina damals vorgestellt und jetzt hat sie den deutschen Buchpreis. Ich bin der Meinung, dass wir Verleger da ein bisschen mutiger sein sollen. Ich bin auch der Meinung, dass besonders regionale Institute wie Buchhandlungen oder die Stadtbibliotheken da nicht zögerlich sein sollen. Die können auch ihre eigenen Autorinnen auf die Bühne bringen. Und das sehe ich immer als eine Bereicherung, weil die anderen in größeren Verlagen veröffentlichen, haben ja schon diese Vernetzung oder die Verlage, die haben es. Und wenn wir was Neues brauchen, dann müssen da auch die regionalen Häuser aktiv sein. Und ich habe immer darauf sehr viel Wert gelegt. Sehr schön. in die Türkei fliegen. Da im ägäischen Gebiet zähle ich mich in meine Höhle zurück, um ein bisschen zu schreiben. Und ab dem 15. August bin ich wieder zurück in Nettetal. Und es würde mich sehr freuen.
Vera
00:47:15
Dann treffen wir uns auf einen Kaffee oder Tee oder was immer. Sehr gerne. So, aber jetzt muss ich aber doch nochmal Tamaras Frage vom Anfang aufnehmen.
Tamara
00:47:27
Du bist ja noch auf brennenden, wie sagt man?
Vera
00:47:31
Kohlen. Brennende Kohlen, auf glühenden Kohlen. Du bist ja, wenn ich das richtig berechnet habe, noch aktuell Stadtschreiber von Bergen. Wieso erreichen wir dich denn überhaupt jetzt zu Hause und nicht in Bergen?
Dincer
00:47:45
Weil, als ich letztes Jahr den Anruf bekam von Nino Haratishwili, sie war letztes Jahr die Stadtschreiberin, habe ich gesagt, Aber liebe Nino, es ehrt mich sehr, aber ich muss es ablehnen. Nach dreieinhalb Jahren Lesereise kann ich nicht für ein ganzes Jahr in Bergen-Engheim. Das geht nicht. Und sie sagte mir, nein, es gibt keine Residenzpflicht. Und ich habe auch danach recherchiert und es ist tatsächlich so, dass du keine Verantwortung hast. Die sind dir sehr dankbar, wenn du vier bis fünf Veranstaltungen in Bergen-Enkheim machst. Die habe ich auch gemacht. Martina war auch im Februar oder nein, im April sogar mein Gast in Bergen-Enkheim. Jetzt am Samstag, am 28. Juni, habe ich meine letzte Veranstaltung und der Plan ist einfach, ich werde das Stadtschreiberhaus einfach öffnen und dann werden die Gäste Baklava und Hummus bekommen.
Vera
00:48:54
Toll.
Dincer
00:48:56
Weil auch die Nachbarn wissen es nicht, wie es in ihrem Haus aussieht. Die haben ganz seltsame Vorstellungen. Warum öffnen? Das Haus hat einen Garten oder einen Hof. Da können wir Stühle und Bänke hinstellen. Und da können die Leute trinken, essen, ein bisschen plaudern. Und dann gibt es ein bisschen Lyrik aus Island. Da habe ich meinen Autor Wolfgang Schiffer eingeladen. Deshalb bin ich jetzt nicht in Bergen-Enkheim, sondern in Nettertal. In zwei Tagen werde ich dort sein.
Vera
00:49:33
Ah ja, toll.
Tamara
00:49:34
Aber vielleicht kannst du mal so ein bisschen erzählen, warum sucht eine Stadt einen Stadtschreiber? Was bedeutet das? Was hat man davon? Das ist so eine Welt, die ist mir sehr fremd. Und trotzdem fasziniert sie mich total.
Dincer
00:49:56
Also meine Mutter, sie hat es bis heute auch nicht verstanden, warum ich irgendein Haus bekommen habe. Sie sagt, du hast doch nicht Tisch zu Hause, du hast doch nicht Stuhl zu Hause, Bier brauchst du nicht. Das ist eine ganz alte Tradition. Und sie hatte auch mal den Verdacht, dass ich sowas erfunden habe.
Tamara
00:50:23
Das ist doch alles Geldwäscherei.
Dincer
00:50:30
Ich weiß nicht mehr, wie genau sie das formuliert hat, aber damals habe ich es bei Facebook gepostet, glaube ich. Sie hatte den Verdacht, ich hätte mir in Bergen-Enkheim eine Wohnung gemietet und treibe dort ganz große Sexorgien.
Vera
00:50:46
Oh Gott.
Dincer
00:50:49
Und ich sitze da und lese Wolfgang Hilwig ein bisschen Anne Weber und versuche, meine Texte neu zu arrangieren. Aber damals hieß es, wie man es mir erklärt hat, in Bergen-Enkheim, der Herr Schneider, der diese Initiative ergriffen hat, er wollte den Autorinnen die Möglichkeit geben, ein Jahr lang ohne finanzielle Probleme an einem Text arbeiten zu können. Und das Haus war damals, glaube ich, frei und die haben es, glaube ich, schön gefunden, einen Autor oder eine Autorin in der Kleinstadt zu haben. Es ist auch das älteste Stadtschreiberhaus in Deutschland. Und viele Städte machen es gerade nach. Und ehrlich gesagt, ich habe es auch angenommen. Da brauche ich jetzt nichts zu verheimlichen, weil das Stipendium, also das Finanzielle sehr gut stimmte. Also es gibt auch Stadtschreiberstipendien, wo man drei Monate lang jeweils 1000 Euro bekommt. Das hätte ich zum Beispiel abgelehnt.
Vera
00:52:33
Ja, aber das kann ich gut verstehen. Wir hatten ja schon mal eine Preisträgerin da, die einen Monat lang in einem Fünf-Sterne-Hotel residiert hat und da geschrieben hat. Das fand ich auch sehr aufregend.
Dincer
00:52:48
Es ist schon ein ganz großer Unterschied, ob man mit so einem Stipendium einem Autor oder einer Autorin einen Gefallen machen möchte oder sich selbst damit schmücken möchte, so Altstadt. Also da gibt es einen riesengroßen Unterschied und den Unterschied erkennt man sofort, wenn man eine Erfahrung hat.
Vera
00:53:14
Okay.
Tamara
00:53:15
Und das ist aber, da hast du dich beworben oder wurdest du dann nominiert oder wie funktioniert das?
Dincer
00:53:21
Nein, nein. Also wir hatten jetzt vor drei Wochen die Jury-Sitzung. Ich war dieses Jahr auch mit in der Jury. Insgesamt waren wir sieben und jeder hat ein Buch vorgeschlagen und wir haben wirklich den ganzen Abend bis in die Nacht hinein, diskutiert.
Vera
00:53:47
Das heißt jeder der Jurymitglieder schlägt ein Autor, eine Autorin vor und dann wählt ihr aus.
Dincer
00:53:52
Und das Schöne ist in Bergen-Einkheim, alle Jurymitglieder müssen damit einverstanden sein. Und auch dieses Mal war es der Fall ich glaube letztes Jahr hat mich Nino vorgeschlagen, Nino Haratischwili und, Es gab keine lange Diskussion, so hat man es mir gesagt. Dieses Jahr war es auch fast genauso. Und auf der anderen Seite, alle sieben Bücher, die ich hier bei mir auf dem Tisch hatte, die ich auch sehr gerne gelesen habe, haben mich sehr berührt, haben mir sehr gut gefallen und alle sieben hätten es verdient.
Vera
00:54:42
Wenn man so weit schon mal in so eine Auswahl kommt dann ist das schon was da muss.
Dincer
00:54:46
Man auf faire Weise sagen manchmal liegt es wirklich so an einem kleinen Staubkorn.
Vera
00:54:53
Ja genau, ich war ja auch schon mal mehrfach in Buchpreisjuries und ich weiß wie das ist und was dann manchmal so entscheidend ist, ja lieber Dinsche, es ist faszinierend dir zuzuhören Und das sind gerade für uns, als die wir aus dem Self-Bubble gekommen sind, interessante Einblicke und auch, ich denke, auch mal für viele unserer Hörer und Hörer. So, du bist aber jetzt natürlich nicht entlassen, bevor du dich nicht den total kritischen Buch-Bubble-Fragen von Tamara gestellt hast. Tamara, leg los.
Tamara
00:55:31
Jawohl. Ich muss vorher kurz auch nochmal ein zusammenpassendes Danke sagen, weil du hast mir jetzt irgendwie über die letzte Dreiviertelstunde so schöne Künstler-Vibes gegeben, die trotzdem total auf dem Boden sind und total nahbar und lieb. Und das hat mir einfach gerade sehr gut getan, dieses Gespräch. Und da möchte ich einfach mal kurz Danke sagen. Und dann direkt umschwenken zu meiner ersten Frage, die da lautet, welches Buch hat dich denn zuletzt tränen, weinen oder lachen lassen?
Dincer
00:56:03
Oh, oh, oh, oh, oh. Ich habe nach langer, langer Zeit wieder das Debüt von Natascha Wodin gelesen und es hat mich sehr berührt. Es liegt, glaube ich, immer noch hier oder hat es schon eingepackt. Moment. Nee, ich habe es nicht mehr hier, sondern oben in meinem Regal, glaube ich.
Tamara
00:56:42
Wir verlinken es auf jeden Fall in den Show-Modell.
Dincer
00:56:44
Ja, ich komme nicht auf den Titel. Den Titel kann ich euch gleich per E-Mail schicken. Ich habe gerade viele schwarze Lücken im Gehirn. Ich vergesse alles. Das ist aber auch gut so. Man kann ja nicht auch alles mitnehmen. Und also es gibt viele, viele Bücher. Die Gedichte von Octavio Pass habe ich wieder gelesen in den letzten Tagen, aber die kann ich auch jen empfehlen.
Tamara
00:57:15
Sehr schön. Dann die zweite Frage. Welche Begegnung in der Buchbranche war für dich denn ganz besonders inspirierend?
Dincer
00:57:28
Aras Ören war für mich immer ein großer Meister. Er war für mich auch immer so eine Art Lehrer. Ich wollte immer wie Aras Ören schreiben.
Tamara
00:57:42
Okay.
Dincer
00:57:44
Und dann saß ich hier im Büro und dann hat das Handy geklingelt und auf der anderen Seite war Aras Ören. Er hat mein Prinz Ich bin das Ghetto gelesen.
Tamara
00:57:58
Wow.
Dincer
00:57:59
Und hat mich nach Berlin eingeladen.
Vera
00:58:03
Toll.
Dincer
00:58:04
Und ich gehöre, glaube ich, zu den wenigsten Autorinnen, die sein Haus betreten durften. Das war für mich, glaube ich, ein Highlight.
Vera
00:58:12
Mhm. Sehr schön.
Tamara
00:58:15
Und zum Schluss, welches Klischee möchtest du nie wieder in einem Buch lesen?
Dincer
00:58:28
Da kann ich auch hunderte Dinge aufzählen. Was ich nicht mehr lesen möchte, das kann ich euch sagen, ich weiß noch, ob es ein Klischee ist, diese wir oder ihr, diese schwarz-weiß-Denkweise, möchte ich nicht. Also unabhängig vom Geschlecht, Religion etc. Etc., Nationalität, bin ich der Meinung, dass die Literatur etwas Kosmopolitisches ist. Und diese regionalen Oasen und diese persönlichen, wie soll ich das formulieren, das stört mich gerade. Und zum Beispiel das Wort Trauma. Die sich gerade auch sehr ungern, weil ich habe irgendwie das Gefühl, alle wollen sich damit schmücken. Also 95% der Menschen haben ein Trauma. Aber wenn man sich die Welt anschaut, natürlich ist bei uns nicht alles in Ordnung. Also natürlich gibt es sehr viele Baustellen, aber wir leben immer noch in einem Land, wo wir vieles bewegen können. Wir haben noch die Möglichkeit. Und statt den Kopf in den Sand zu stecken, bin ich dafür, dass man sagt, hört mal Leute, dieses Arschloch-Ding mache ich jetzt nicht mehr so mit. Ich will es anders haben und setze mich dafür ein. Deshalb, also dieses, ja, menacholisch will ich es nicht nennen, Aber dieses Wehleidige, auch in literarischen Texten, lehne ich gerade ab.
Vera
01:00:33
Ja, sehr schön, lieber Dinschil. Du hast uns wieder mal voll aus dem Herzen gesprochen. Vielen, vielen Dank, dass du heute Zeit für uns hattest. An euch, liebe Hörerinnen und Hörer, ich bin sicher, ihr nehmt auch viel aus dem Gespräch mit. Ihr wisst, was ihr zu tun habt, uns zu folgen, wo immer es geht. Natürlich unser Buch-Bible-Bulleton zu abonnieren. und bleibt uns gewogen. Bis nächste Woche. Tschüss.
Tamara
01:01:00
Vielen, vielen Dank.
Dincer
01:01:01
Ich sage auch mal Danke.
Tamara
01:01:03
Tschüss.