Gesundheit & Innovation

Sanofi Deutschland

100 Jahre Insulinproduktion "made in Frankfurt"

Fortschritt für eine bessere Versorgungszukunft

06.07.2023 15 min Staffel 4 Episode 2

Zusammenfassung & Show Notes

Die Geschichte des Insulins - von dessen Entdeckung bis hin zur Entwicklung zu einer Therapie, die heute Millionen Menschen jeden Tag das Leben rettet.

MAT-DE-2302626-1.0-06/2023

Transkript

Dieter Paar
00:00:03
Da gibt es eine alte Faustregel: Um einen Menschen mit Diabetes eine Woche mit Insulin zu versorgen, braucht man die Bauchspeicheldrüse eines Schweins, damals. Das heißt, man hätte 52 Schweine benötigt, um einen Typ-1-Diabetiker ein Jahr zu behandeln. Und das zeigt schon, dass das ohne industrielle Insulinproduktion nie funktioniert hätte.
Sprecher
00:00:24
Diabetes und Insulin – zwei Begriffe, die heute eigentlich jeder und jede von uns kennt. Denn statistisch haben wir alle jemanden in der Familie oder dem Bekanntenkreis, der oder die an der sogenannten „Zuckerkrankheit“ leidet und daher höchstwahrscheinlich auf Insulin angewiesen ist. Ein einfacher und alltäglicher Vorgang, der auf den ersten Blick eigentlich nichts Besonderes ist. Doch dabei vergessen wir nur allzu leicht, dass Diabetes absolut keine harmlose, sondern eine lebensbedrohende Erkrankung ist. Und dass erst der Beginn der industriellen Produktion des Hormons Insulin vor 100 Jahren dazu führte, dass man Diabetes mittlerweile tatsächlich sehr gut behandeln kann. Und damit herzlich willkommen, zu „Gesundheit und Innovation“, dem Podcast, in dem wir über wissenschaftliche Entdeckungen, medizinischen Fortschritt und moderne Fertigung berichten. Wir erklären, mit welchem Potenzial wir die Medizin verändern wollen, um für Millionen Menschen das Unmögliche möglich zu machen. In dieser Folge geht es also um die Geschichte des Insulins - von dessen Entdeckung bis hin zur Entwicklung zu einer Therapie, die heute Millionen Menschen jeden Tag das Leben rettet. Dieter Paar ist jemand, der die Bedeutung von Insulin sehr gut kennt. Bei Sanofi in Deutschland ist er Medizinischer Direktor des Geschäftsbereiches „General Medicines“. Damit arbeitet er in einem Bereich, in dem die Behandlung von Diabetes, also einer krankhaften Störung des Zuckerstoffwechsels, eine große Rolle spielt.
Dieter Paar
00:01:56
Bei jedem von uns wird dieser Zuckerstoffwechsel, also Blutzucker kann man ja messen, der wird durch Hormone reguliert. Und das Organ im Körper, das das macht, das ist die Bauchspeicheldrüse. Und die bildet unter anderem zwei ganz wichtige Hormone. Das eine ist das Insulin und das andere ist das Glucagon. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und Glucagon erhöht den Blutzuckerspiegel. Das ist wie so Zügel sozusagen, mit denen der Körper reagiert in einer atemberaubenden Art und Weise. Insulin wird in so kleinen Spitzen ausgeschieden und wenn das nicht funktioniert, dann ist der Blutzuckerspiegel zu hoch und dann hat man Diabetes.
Sprecher
00:02:30
Über acht Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an dieser Störung des Zuckerstoffwechsels. Doch gibt es dabei zwei unterschiedliche Typen von Diabetes. In beiden Fällen gelingt es dem Körper nicht, den Blutzucker, also die Energie, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen und die dann über den Verdauungstrakt in den Blutkreislauf gelangt, dorthin zu bringen, wo sie schlussendlich gebraucht wird. in die vielen Billionen Zellen, aus denen der menschliche Körper besteht. Verantwortlich hierfür ist das Hormon Insulin, dessen spezielle Aufgabe es ist, den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu bringen, damit diese ihn verwerten können und der Blutzuckerspiegel dadurch wieder sinkt. Warum dieser Zuckerstoffwechselprozess nun jedoch nicht richtig funktioniert – hierbei unterscheiden sich die beiden Diabetes-Varianten. Bei Diabetes Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die vor allem in jungen Jahren auftritt und dazu führt, dass der Körper schlichtweg die Fähigkeit verliert, eigenes Insulin zu produzieren.
Dieter Paar
00:03:32
Das hängt damit zusammen, dass der Körper selber - man weiß noch nicht genau warum - aber dummerweise bildet er Antikörper gegen Beta-Zellen, das sind Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Dann gehen die auch vereinfacht gesagt kaputt und dann ist kein Insulin mehr da.
Sprecher
00:03:47
Das eigene Immunsystem greift also die Insulin-produzierenden Zellen an und vernichtet sie. Die Folge: Ohne die regulierende Funktion des körpereigenen Insulins bleibt der Blutzucker dauerhaft hoch. Viel zu hoch. Und zu hohe Blutzuckerwerte führen zu Schäden an Organen und Gefäßen. Um das zu verhindern, versucht der Körper den Blutzuckerspiegel notfalls auf anderem Wege zu senken. Typ 1-Diabetes geht daher einher mit einer Kombination aus charakteristischen Symptomen wie häufigem Wasserlassen, ständigem Durst, einer kontinuierlichen Gewichtsabnahme und steter Müdigkeit.
Dieter Paar
00:04:24
Das Wasserlassen kommt einfach daher, dass der Körper versucht, diesen Zucker loszuwerden und dann sehr viel Wasser ausgeschieden wird. Wenn ich viel Wasser lasse, dann kriege ich viel Durst. Das ist dann der nächste Punkt. Wenn der Blutzucker nicht in die Zellen aufgenommen werden kann. Dann können die Kinder oder die jungen Menschen auch gar nicht an Gewicht zunehmen. Dadurch kommt diese Gewichtsabnahme und diese Müdigkeit ist am Ende Folge von dieser fehlenden Versorgung der Zellen mit Zucker und auch der fehlenden Flüssigkeit.
Sprecher
00:04:51
Die übermäßige Ausscheidung von Zucker über den Urin gab der „Zuckerkrankheit“ letztlich auch ihren offiziellen Namen: Diabetes mellitus. Übersetzt bedeutet das so viel wie „honigsüßer Durchfluss“. Bekannt ist Diabetes aufgrund dieser auffälligen Symptomatik schon lange. Die frühesten Schilderungen dieser zwischenzeitlich auch „Durstkrankheit“ oder „nächtliche Wassersucht“ genannten Erkrankung reichen mehr als dreieinhalb-tausend Jahre zurück bis ins alte Ägypten. Doch sollte der niedliche Name nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich über all die Zeit hinweg um eine absolut tödliche Krankheit handelte. Wer an Diabetes erkrankte, hatte noch bis vor rund 100 Jahren eine verbleibende Lebenserwartung von gerade einmal ein bis zwei Jahren. Heute unterscheiden wir noch eine weitere Art Diabetes, genannt Typ 2. Im Gegensatz zum Typ 1-Diabetes entwickelt sich dieser in den meisten Fällen deutlich langsamer und die Ursache für den hohen Blutzucker ist zunächst kein Insulinmangel, weil der Körper keines herstellen könnte. Im Gegenteil – die Insulinproduktion läuft vielmehr über lange Zeit viel zu hoch.
Dieter Paar
00:06:02
Der Typ 2, das ist das, was man früher ja so den Altersdiabetes nannte. Den kriegt man so im Alter. Das sind meistens ja ältere Menschen, so ein bisschen Übergewicht oder vielleicht auch heftiges Übergewicht. Und bei denen ist es eigentlich so, dass die über ganz, ganz viele Jahre nicht zu wenig, sondern viel zu viel Insulin haben. Der Lebensstil passt nicht. Die Bauchspeicheldrüse arbeitet unter Volllast dagegen an und irgendwann kann die auch nicht mehr. Und dann passiert noch was zweites: Die Zellen, die Muskelzellen, die das Insulin-Signal aufnehmen, die werden resistent.
Sprecher
00:06:35
Diese Insulinresistenz ist quasi eine Art Gewöhnungseffekt, der jedoch zu einem Teufelskreis führen kann. Ein ungesunder Lebensstil – zu viel ungesundes Essen, zu wenig Bewegung, Rauchen und andere Faktoren – führt zu einem Überangebot an Energie im Stoffwechsel. In Form von permanent hohen Blutzuckerwerten. Um diese abzubauen, produziert die Bauchspeicheldrüse beständig große Mengen Insulin. Der dauerhaft erhöhte Insulinwert im Blut führt jedoch dazu, dass die Zellen immer weniger sensibel auf das Hormon reagieren und den Zucker dadurch schlechter aus dem Blut aufnehmen. Trotz Insulins bleibt der Blutzuckerspiegel damit hoch. Das wiederum regt die Bauchspeicheldrüse allerdings dazu an, noch mehr Insulin auszuschütten, was jedoch die Insulinresistenz der Zellen nur weiter verstärkt. Ein Teufelskreis, der – wenn man nicht aktiv eingreift – im schlimmsten Fall dazu führt, dass die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse durch die permanente Überlastung erschöpfen, in einen chronischen Entzündungszustand kommen und damit schlussendlich zugrunde gehen. Im Gegensatz zum Typ 1, wo die Zerstörung der Beta-Zellen bislang unabwendbar ist, kann das bei einem Typ 2-Diabetes also durchaus verhindert oder zumindest signifikant verzögert werden. Vor allem der Wandel des Lebensstils spielt hierbei eine maßgebliche Rolle. Zusätzlich können jedoch auch Medikamente helfen.
Dieter Paar
00:08:07
Es gibt moderne Tabletten, die dazu unterstützen, dass dieser Zucker ausgeschieden wird. Es gibt moderne Medikamente, die auch positiv sich auf das Gewicht entwickeln. Und am Ende des Tages ist natürlich auch dort dann das entscheidende: Insulin. Wenn die Zellen irgendwann gar nicht mehr können, weil sie über Jahre überfordert sind, haben auch die Typ 2-Patienten einen Insulinmangel und dann brauchen auch die Typ 2-Patienten, genau wie die Typ 1-Patienten, einfach Insulin.
Sprecher
00:08:34
Und heute bekommen sie es. Zum Beispiel in kleinen Fläschchen, aus denen Spritzen befüllt werden können oder auch in sogenannten Pens, die das Spritzen des lebensnotwendigen Hormons immer einfacher machen. Der Standort Frankfurt Hoechst spielt hierbei seit nunmehr 100 Jahren eine ganz besondere Rolle. 1923 begann hier die industrielle Produktion von Insulin. Nur zwei Jahre zuvor war es den kanadischen Forschern Frederick Banting und Charles Best gelungen, Insulin aus tierischem Gewebe zu isolieren und dessen blutzuckersenkende Wirkung an einem diabetischen Tier nachzuweisen – ein Meilenstein der Diabetes-Forschung für die später auch der Medizin-Nobelpreis verliehen wurde. Doch war das erst der Anfang. Denn obwohl man nun besser verstand, was Insulin ist, wo es gebildet wird und welche Funktionen es hat, war es noch ein weiter Weg, bis man Menschen mit Diabetes auf der ganzen Welt damit auch tatsächlich verlässlich versorgen konnte.
Dieter Paar
00:09:36
Da gibt es eine alte Faustregel: Um einen Diabetiker eine Woche mit Insulin zu versorgen, braucht man die Bauchspeicheldrüse eines Schweins, damals. Das heißt, man hätte 52 Schweine benötigt, um einen Typ-1-Diabetiker ein Jahr zu behandeln. Und das zeigt schon, dass das ohne industrielle Insulinproduktion nie funktioniert hätte.
Sprecher
00:09:56
Frankfurt Hoechst war hierbei einer der Standorte, die maßgeblich dazu beitrugen, diese industrielle Produktion aufzubauen und über die Jahre immer weiterzuentwickeln. Los ging es 1923 zunächst mit Insulin, das aus den Bauchspeicheldrüsen von Kälbern und Rindern gewonnen wurde. Weil es näher am menschlichen Insulin ist, wurde es bis 1976 dann mit immer besseren Verfahren aus Schweinen gewonnen und vermarktet. Doch auch das war nur ein Schritt in der weiteren Entwicklung immer besseren Insulins.
Dieter Paar
00:10:30
Dann hat man Jahre später verstanden, Schweine-Insulin sozusagen umzubauen. Da muss man nicht viel Aminosäuren umbauen. Ehrlich gesagt nur eine. Aber der Weg war nicht so leicht, um dann das humane, also menschliche Insulin nachzubauen. Und dann kamen ja die nächsten Dinge, Gentechnologie, wo man dann auch immer mehr Mengen machen konnte. Und das ist, glaube ich, das Faszinierende, diese Verbindung von Forschung in Frankfurt Hoechst an der Erkrankung, an dem Molekül bis hin zu dieser industriellen Produktion am Ende.
Sprecher
00:11:03
Heute wird Insulin in Frankfurt schon lange nicht mehr aus Tieren gewonnen, sondern mithilfe von speziell gezüchteten E. coli-Bakterien. Insulin gilt damit als das erste gentechnisch hergestellte Medikament der Welt und ist somit der Vorläufer einer Vielzahl anderer moderner Medikamente, die heute unter dem Begriff „Biologika“ bekannt sind. Und wie die komplexe Insulinherstellung aussieht, das weiß Anne Reuschenbach, die für alle industriellen Insulinaktivitäten bei Sanofi verantwortlich ist.
Anne Reuschenbach
00:11:35
Also die Insulinproduktion hat drei große Bestandteile im Bereich der Produktion: Einmal die Wirkstoffherstellung, dann die Abfüllung, also die sterile Abfüllung und der Bereich der Devices, also das zur Verfügung stellen eines Pens oder eines Autoinjektor für die Applikation.
Sprecher
00:11:51
Und obwohl in Frankfurt nun mittlerweile schon seit 100 Jahren Insulin produziert werde, gebe es aus ihrer Sicht noch immer Möglichkeiten die Herstellung zu optimieren.
Anne Reuschenbach
00:12:01
Das Insulin ist weit ausgereift und wir produzieren es im Grundsatz auch so, wie es auch in den letzten 20 Jahren produziert worden ist, nur halt eben mit effizienteren Methoden und auch mit neuen Technologien, um einfach das Insulin qualitativ und quantitativ hochwertiger zu machen.
Sprecher
00:12:18
Versorgung der Menschen mit Diabetes mit Insulin, Verbesserung der Produktionsprozesse und eine höhere Ausbeute, das alles sind Themen, mit denen sich der Sanofi BioCampus in Frankfurt beschäftigt und beständig weiterentwickelt. Die Bündelung von Forschung und Produktion an einer Stelle hat sich auch über das Insulin hinaus besonders für biotechnologisch produzierte Arzneimittel als enormer Vorteil erwiesen.
Anne Reuschenbach
00:12:45
Das ist ein High-Tech-Prozess, der viele technologischen Schritte auch vereint. Und je mehr wir über das Insulin wissen, auch von der technologischen Weiterentwicklung, desto effizienter können wir das Insulin auch herstellen.
Sprecher
00:12:55
Für Sanofi ist Frankfurt daher weltweit der bedeutendste Standort für die Insulinherstellung. 95 Prozent der Insuline des Unternehmens kommen von hier. Für Anne Reuschenbach ist das nicht verwunderlich, sondern eine logische Entwicklung.
Anne Reuschenbach
00:13:11
Ja, ich glaube, der Standort profitiert ganz stark von der Erfahrung unserer Mitarbeitenden. Wir haben auch sehr viele langjährige Mitarbeiter, die mit den Insulinen großgeworden geworden sind, und auch mit der Technologie dahinter. Wir in Deutschland haben natürlich einen hohen Technologisierungsgrad, aber auch einen hohen Qualitätsstandard, der in anderen Ländern schwieriger zu erreichen ist. Und somit ist der Standort Frankfurt weiterhin halt einer der wichtigsten und auch der langjährig halt im Netzwerk bleibt.
Sprecher
00:13:36
Und das ist auch gut so. Denn auch wenn die Therapien immer besser werden, ist Diabetes noch immer eine lebensbedrohende Krankheit und viele Millionen Menschen sind auf die sichere Versorgung mit Insulin angewiesen. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2030 rund 600 Millionen Menschen weltweit an Diabetes leiden werden. 2040 sogar jeder zehnte Mensch, wobei Diabetes Typ 2 dabei den überragenden Großteil der Erkrankungen ausmacht. Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend zu wissen, dass auch nach nunmehr 100 Jahren bei Sanofi in Frankfurt das lebenswichtige Hormon weiterhin zuverlässig und immer effizienter hergestellt wird. Und damit sind wir am Ende unsere Folge zu 100 Jahren Insulinproduktion angekommen. Alle bisher erschienenen Folgen von „Gesundheit und Innovation“ finden Sie auf Sanofi-Punkt-D-E und überall, wo es Podcasts gibt. Dort können Sie diesen Podcast auch abonnieren. Bis wir uns wiederhören: Bleiben Sie gesund. Tschüss.