Gesundheit & Innovation

Sanofi Deutschland

KI in der Medizinforschung

Wie Künstliche Intelligenz beschleunigt

30.07.2025 14 min Staffel 6 Episode 4

Zusammenfassung & Show Notes

Wie Künstliche Intelligenz beschleunigt
In dieser Podcast-Folge geben Soraya Hölper und Norbert Furtmann Einblicke, wie künstliche Intelligenz die Medizinforschung bei Sanofi beschleunigt. Sie erläutern die Herausforderungen bei der Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe, wie KI bei der Suche nach geeigneten Molekülen hilft und wie klinische Studien noch präziser vorbereitet werden können.

Transkript

Soraya Hölper
00:00:09
Ich bin der Überzeugung, dass KI die Medikamentenentwicklung nicht nur verbessern wird, sie wird sie definitiv auch fundamental neu definieren. Hierbei ist es natürlich so, dass sie auf der einen Seite schneller wird, aber auch personalisierter. Und das sind die Aspekte, die natürlich wichtig sind für den Patienten.
Sprecher
00:00:28
Neue Medikamente, die gut wirken? Therapien, die passgenau auf die individuelle Erkrankung zugeschnitten sind? Und das alles in immer kürzerer Zeit entwickelt? Was vor kurzem noch wie eine ferne Zukunftsvision klang, wird zunehmend Realität. Denn die kluge Verbindung von Automatisierung durch den Einsatz von Robotern und von Künstlicher Intelligenz verbessert die Entwicklung neuer Medikamente nicht einfach nur, sondern hebt sie gleich auf ein ganz neues Niveau. Und damit herzlich willkommen, zu „Gesundheit und Innovation", dem Podcast, in dem wir über wissenschaftliche Entdeckungen, medizinischen Fortschritt und moderne Fertigung berichten. Wir erklären, mit welchem Potenzial wir die Medizin verändern wollen, um für Millionen Menschen das Unmögliche möglich zu machen. In dieser Folge geht es um das enorme Potenzial, das moderne Technologie auf die Entwicklung neuer Medikamente hat. Denn bisher ist das ein langer und kostspieliger Prozess. Einen neuen Wirkstoff erst einmal zu finden, ihn anschließend zu entwickeln, zu erproben, richtig einzustellen und schließlich als zugelassenes Medikament auf den Markt zu bringen, kostet etwa zwei Milliarden Euro und dauert im Schnitt 13 Jahre. Eine Wartezeit, die für Patientinnen und Patienten lebensverändernd sein kann. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz will Sanofi diesen Zeitraum daher reduzieren. Das Gesundheitsunternehmen setzt dafür auf eine Strategie, die KI im großen Maßstab einsetzt, weiß Soraya Hölper.
Soraya Hölper
00:02:00
KI ist mittlerweile bei uns in Sanofi überall präsent und treibt die Innovation voran. Also ich glaube, ich kenne kein einziges Innovationsprojekt, wo KI keine Rolle spielt.
Sprecher
00:02:10
Die Biochemikerin ist bei Sanofi auf der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Das heißt, sie versucht diejenigen Moleküle zu finden, die all die Ansprüche erfüllen, dass daraus später tatsächlich Medikamente hergestellt werden können. Das Problem hierbei: Der molekulare Heuhaufen, den es zu durchsuchen gilt, ist gigantisch groß. Zum einen, weil es eine immense Anzahl an möglichen Molekülen gibt, bei denen Faktoren wie Zusammensetzung, Struktur und Komplexität die jeweiligen Eigenschaften bestimmen. Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe an Bedingungen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit ein potenzieller Wirkstoff tatsächlich am Ende auch in der Medizin eingesetzt werden kann. Denn selbst wenn es gelingt, ein Molekül zu identifizieren, das theoretisch wirken sollte, hilft dieser Wirkstoff wenig, wenn er sich praktisch nicht herstellen lässt. Oder viel zu schnell vom Körper abgebaut werden würde. Oder neben dem erwünschten Effekt auch unerwünschte Wirkungen erzeugt. Denn der menschliche Körper funktioniert wie eine ausgeklügelte Maschine, bei der viele Prozesse ineinandergreifen und voneinander abhängig sind. Will man hier an einer bestimmten Stelle mit Medikamenten eingreifen, muss man genau wissen, welche Folgen sich daraus ergeben.
Soraya Hölper
00:03:27
Das Zielprotein im Körper macht auf der einen Seite was Schlechtes, macht aber auf der anderen Seite auch viel Gutes. Das hat ja auch nicht nur eine Aufgabe, dieses Zielprotein. Aber wenn es zu viel da ist, dann sorgt es halt dafür, dass die schlechten Eigenschaften leider hervorkommen.
Sprecher
00:03:40
Bei chronischen Darmerkrankungen, an denen Soraya Hölper beispielsweise arbeitet, geht es also darum, dem Körper mit dem passenden Wirkstoff zu helfen das Zielprotein wieder in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Bei der Suche nach diesem Wirkstoff ist KI längst ein ungemein hilfreiches Werkzeug. Statt selbst nach der Nadel im Heuhaufen suchen zu müssen, lässt man den Computer arbeiten. Mit einem KI-Modell, dass mit allen bisher vorliegenden Daten trainiert wurde. Die Künstliche Intelligenz kann dann den virtuellen Heuhaufen nicht nur viel schneller durchsuchen, sondern mit jedem Durchgang lernt sie auch besser, wonach sie eigentlich genau suchen muss. Das spart wertvolle Zeit im Labor, die man früher mit vielen praktischen Trial-and-Error-Versuchen verbracht hat. Mit dem Wissen und den Daten, die man bisher gewonnen hat, sortiert nun die Künstliche Intelligenz im großen Maßstab vor, sagt Norbert Furtmann.
Norbert Furtmann
00:04:35
Also, wenn wir wissen, wie die Struktur unserer Moleküle aussieht und dann diese im Labor getestet haben und wissen okay, Molekül A hat folgende Struktur und bringt diese Eigenschaften mit. Molekül B hat eine andere Struktur und bringt eben andere Eigenschaften mit. Dann können wir damit KI-Tools trainieren, die dann lernen auf Basis von Molekülen, die wir in der Vergangenheit getestet haben. Wie sieht ein Molekül aus, was sich jetzt gut bezüglich der biologischen Aktivität verhält? Wie sieht ein Molekül aus, was sich gut oder schlecht bezüglich Stabilität verhält? Wie sieht ein Molekül aus, was sich gut oder schlecht bezüglich Nebenwirkungen verhält. Und dann können wir eben unterschiedliche KI-Modelle trainieren, die die Parameter vorhersagen und können dann im Prinzip den Heuhaufen virtuell filtern, bevor wir überhaupt ins Labor gehen.
Sprecher
00:05:19
Aus Millionen von durch die KI vorsortierten Molekülen bleiben so nur noch Tausende übrig, die dann im Labor überprüft werden, weil sie auf Grundlage ihrer Eigenschaften hohe Erfolgsaussichten in der experimentellen Testung haben. Norbert Furtmann arbeitet bei Sanofi in Deutschland schon seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Labor und Computer. Los ging es für ihn mit der 3-D-Modellierung von Molekülen, später kamen dann noch Automatisierung und der Einsatz von Robotern hinzu. Mittlerweile kümmert er sich um die KI-Innovation im Bereich großer Moleküle, also proteinbasierter Therapeutika. Künstliche Intelligenz ist für ihn nun wie ein weiteres Zahnrad, das, wenn alles gut ineinandergreift, enormes Potenzial freisetzen kann.
Norbert Furtmann
00:06:06
Also wir arbeiten in einem sehr spannenden Forschungsfeld, weil wir zum einen diese Laborautomatisierung und Robotik vorantreiben können und auf der anderen Seite aber eben auch diesen spannenden KI-Teil, die beide ganz eng miteinander verknüpft sind, wo wir eben Daten nutzen können, die wir durch Robotik generieren, KI-Modelle trainieren und dann praktisch diesen Kreislauf wieder schließen.
Sprecher
00:06:26
Schließlich ist KI für sich allein genommen nur begrenzt nützlich. Denn sie braucht Daten, um lernen zu können. Viele Daten. Und zusätzlich gilt: je besser die Datenpunkte systematisch erhoben und aufbereitet wurden, desto besser können schlussendlich auch die Ergebnisse der KI sein. Doch gerade die Verfügbarkeit von Daten ist im Bereich moderner Arzneimittel, wie den biotechnologisch hergestellten großen Molekülen, eine große Herausforderung. Zum einen gibt es sie noch gar nicht so lange und zum anderen fehlte es lange an den Möglichkeiten, in diesem speziellen Bereich systematisch große Datensätze für das KI-Training zu generieren.
Norbert Furtmann
00:07:06
Und jetzt gab es halt in den letzten Jahren neben den Fortschritten in der KI eben auch Fortschritte in Labortechnologien, die es ermöglicht haben, viele Sequenzen von möglichen Antikörpern zu generieren oder eben auch durch Robotik ganz viele Datenpunkte zu komplexen Molekülen zu generieren, sodass man irgendwann diese Schwelle erreicht hatte. Dass man einfach genug Daten hat, dass KI einen Einfluss haben kann oder einen Mehrgewinn erzielt.
Sprecher
00:07:29
Dafür haben Norbert Furtmann und sein Team die Erzeugung und Testung neuer Moleküle im Labor automatisiert und effizienter gestaltet, indem sie klassische Laborutensilien wie Reagenzgläser und Erlenmeyerkolben durch die Testung im sogenannte Plattenformat ersetzt haben.
Norbert Furtmann
00:07:48
Also man hat eine kleine Platte, die 96 Ausstülpungen hat. In jeder Ausstellung passen so ein, zwei Milliliter Flüssigkeit und da ist dann jeweils ein Molekül drin. Und wenn man auf einer Platte 96 Moleküle hat, dann können wir bis zu 100 Platten ungefähr in einem Lauf prozessieren. Da ist man dann bei 10.000 Molekülen grob über den Daumen. Das heißt, damals haben wir pro Zyklus 50 bis 100 Moleküle gemacht. Jetzt können wir in einem Zyklus bis zu 10.000 Moleküle machen. Also man kann sehr, sehr, sehr viel mehr Moleküle machen und spart dann am Ende die Anzahl an Zyklen, während man deutlich die Erfolgswahrscheinlichkeit verbessert, weil wir uns einfach viel mehr Kandidaten angucken können, als wir es vorher machen konnten.
Sprecher
00:08:25
Ein weiterer Vorteil ist zudem, dass der Einfluss des Menschen auf die Qualität der Daten minimiert wird. Denn gerade für standardisierte, sich wiederholende und mitunter monotone Aufgaben sind computergesteuerte Roboter und automatisierte Prozesse deutlich besser geeignet.
Norbert Furtmann
00:08:43
Das bedeutet nicht, dass wir jetzt keine Personen mehr brauchen, die das durchführen, sondern wir haben auch noch sehr viel jetzt sehr spezialisiertes Personal im Labor, was sich eben um diese Robotikanlagen kümmern. Also es haben sich die Arbeitsfelder, sagen wir mal eher digital verändert, sodass der Roboter die Operationen durchführt. Aber es gibt noch sehr viel Bedarf, dass halt eben die Roboter programmiert, gesteuert werden müssen und eben diese Laborprozesse erst mal etabliert werden müssen, bevor man sie auf so eine automatisierte Robotikanlage bringen kann.
Sprecher
00:09:11
Hinsichtlich der „All in on AI"-Strategie von Sanofi hat der Standort Frankfurt Hoechst diesbezüglich eine besondere Bedeutung. Rund 900 Mitarbeitende arbeiten hier in unterschiedlichen Bereichen der Forschung und Entwicklung KI-unterstützt an neuen, zielgerichteten Wirkstoffkandidaten.
Soraya Hölper
00:09:30
Der Bio-Campus in Frankfurt ist tatsächlich ein Paradebeispiel dafür, wie „All in on AI" in die Praxis dann tatsächlich umgesetzt wird. Also wir haben hier ein globales Kompetenzzentrum für KI-basiertes Medikamentendesign etabliert, das dann dafür sorgt, dass wir verschiedene Dinge auch miteinander verknüpfen können. Also ich meine, der Bio-Campus hat als Vorteil, dass hier die verschiedenen Disziplinen, die komplette Wertschöpfungskette abgebildet ist.
Sprecher
00:09:56
Doch beschränkt sich der „All in on AI"-Ansatz nicht darauf, KI nur in die Arbeit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu implementieren, sondern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternehmensweit kontinuierlich fit für die neue Technologie zu machen. Denn überall im Arbeitsalltag gibt es organisatorische Aufgaben, bei denen viele Parameter gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Als immer verfügbares Assistenzsystem kann KI seine Stärke hier voll ausspielen.
Soraya Hölper
00:10:26
Das ist mittlerweile für viele meiner Kollegen wie ein Partner, der immer zur Verfügung steht, wenn ich mal eine blöde Frage habe, zum Beispiel. Ich kann aber auch natürlich sagen, ich habe hier diese Tabelle mit Daten, kannst du mir das bitte in die Präsentationsform übersetzen? Also mein Alltag ist natürlich auch deutlich erleichterter, weil ich kann zum Beispiel auch sagen: „Ich habe die fünf Leute. Könntest du bitte einen Termin für die fünf Leute in den nächsten zwei Wochen mit dem besten Slot für mich buchen?" Also das ist wirklich ein Freund und Helfer, den wir da jetzt an die Seite gestellt bekommen haben.
Sprecher
00:10:56
Doch neben dem alltäglichen Freund und Helfer beindrucken vor allem Beispiele, wie die KI die Medizin mittlerweile transformiert. Für Soraya Hölper ist dabei eines der faszinierendsten der Einsatz sogenannter „digitaler Zwillinge".
Soraya Hölper
00:11:10
Das ist die virtuelle Version von echten Patienten, also der sogenannte Virtual Patient. Und da werden dann in diesem Virtual Patient halt die relevanten biologischen Merkmale abgebildet in einem Computermodell: Krankheitsverläufe, wie die Signaltransduktionswege sind, also wie verschiedene Proteine da miteinander interagieren. Also es ist tatsächlich so ein bisschen ein Metaverse des Menschen, im Prinzip. Also die virtuelle Version von uns.
Sprecher
00:11:35
Diese komplexen Computermodelle lassen sich dann wiederum einsetzen, um zu simulieren, wie sich ein Wirkstoff im Körper von Patientinnen und Patienten wohl verhält. Das ist insofern wichtig, als dass Krankheit nicht gleich Krankheit und jeder Mensch ein bisschen anders ist. Alter, Geschlecht, Gewicht, Gewohnheiten, Krankengeschichte – am Ende sind wir alle einmalig. Wie also ein Medikament finden, dass dennoch möglichst vielen Menschen gleichzeitig oder auch einem bestimmtem ganz besonders hilft? Was früher nur durch aufwendige und langwierige klinische Studien herausgefunden werden konnte, ist heute mit der Unterstützung durch KI deutlich effizienter möglich.
Norbert Furtmann
00:12:18
Also bevor wir jetzt in wirkliche klinische Studien gehen, haben wir Expertenteams, die versuchen, einen virtuellen Patienten zu generieren und vorherzusagen, diesen einen Wirkstoff, den wir jetzt hoch optimiert haben: In welcher Dosierung muss ich den einsetzen oder welchen Patienten hilft der am besten, sodass wir vorab eigentlich virtuelle klinische Studien durchführen können, um eben Dosierungen vorherzusagen, um vorherzusagen, welche Patientenpopulationen würden am besten auf diesen Wirkstoff ansprechen oder unter gewissen Voraussetzungen sogar vielleicht auf Teile von klinischen Studien komplett verzichten, weil wir eben virtuelle Vorhersagen machen können.
Sprecher
00:12:54
Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz lässt sich also ein Teil der bislang notwendigen klinischen Studien simulieren. Und die daraus gewonnen Erkenntnisse helfen dann, das Design der tatsächlich noch durchzuführenden Studien zu optimieren. Was auch bedeutet, dass sich auch die Anzahl der für die Durchführung benötigten Patientinnen und Patienten insgesamt reduzieren lässt. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Entwicklung neuer Medikamente ist daher nicht einfach nur eine kleine Verbesserung der Abläufe, sondern ein wirklich großer und bedeutsamer Schritt.
Soraya Hölper
00:13:29
Ich denke, wir sind hier jetzt wieder an so einem Punkt: Wir verbessern nicht das Licht der Kerze, sondern wir erfinden jetzt das elektrische Licht.
Sprecher
00:13:39
Und damit sind wir am Ende unserer Folge darüber, wie Künstliche Intelligenz die Medikamentenentwicklung grundlegend verändert. Alle bisher erschienenen Folgen von „Gesundheit und Innovation" finden Sie auf Sanofi.de und überall, wo es Podcasts gibt. Dort können Sie diesen Podcast auch abonnieren. Bis wir uns wiederhören, bleiben Sie gesund! Tschüss.