KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN

iDESkmu

#02 - Rechtslage zur IT Barrierefreiheit und Proaktives Mitarbeitermanagement

LawTalk mit Christiane Möller vom DBSV und anschließend H. Hansen (Projektleiter) im Expertentalk mit W. Haase (externer Berater)

18.10.2021 41 min iDESkmu

Zusammenfassung & Show Notes

Hören Sie den LawTalk mit Christiane Möller vom DBSV zur rechtlichen Situation der BF in Deutschland und in der EU mit Wolfgang Haase, externer Berater im Projekt. Anschließend den Expertentalk zwischen Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu, und Wolfgang Haase, externer Berater im Projekt, zum Thema Mitarbeitereinbindung und Commitment barrierefreie IT

Informationen zu den Beteiligten
Christiane Möller, DBSV
Vita:
  • Seit 2015: Justiziarin beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
  • 2009-2014: Rechtsassessorin bei der Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen“
  • 2000-2009: Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Adelaide (Australien) sowie Referendariat
Wolfgang Haase, Externer Berater im Projekt iDESkmu und Inhaber whts
Diplom-Ökonom mit Schwerpunkt Internationales Marketing und Management, arbeitet seit vielen Jahren als Unternehmensberater, Projektmanager und im Business Development in Deutschland, Frankreich und Spanien.

Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu
Projektleiter iDESkmu, war langjährig als Geschäftsführer in der Privatwirtschaft für Berufliche Rehabilitation im gesamten Bundesgebiet tätig. Er entwickelte individuelle Konzepte und etablierte eine enge Kooperation mit mittelständischen Unternehmen, um Menschen mit neurologischen und psychischen Beeinträchtigungen sowie gehörlose Menschen beruflich zu integrieren. Im gesamten Bundesgebiet organisierte er den Aufbau und die Entwicklung von Reintegrations-Teams. Für das Projekt iDESkmu hat er die Projektleitung übernommen.

Informationen
REHADAT - Ursachen und Arten von Behinderungen

Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV)

RICHTLINIE (EU) 2016/2102 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen

Hier finden Sie die Links zu allen rechtlichen Vorgaben zur EU zur digitalen Barrierefreiheit von öffentlichen Stellen seit dem Jahr 2016

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0; Autorisierte Deutsche Übersetzung

Quelle zum Märchen






Transkript

Nadia David, iDESkmu
00:00:03
KLARTEXT Der Podcast für IT ohne Barrieren. Interessante Informationen und wertvolles Wissen zur digitalen Barrierefreiheit in der Arbeitswelt. Ein Podcast zum Forschungsprojekt iDESkmu. Gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Federführung des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg.
Nadia David, iDESkmu
00:00:27
Hallo und herzlich willkommen zur Episode #02! Mein Name ist Nadia David. Hören Sie heute den LawTalk zwischen Christiane Moeller, Rechtsreferentin beim Deutschen Blinden- und Sehbehinderten Verband e.V. in Berlin, und Wolfgang Haase, einem unserer externen Berater im Projekt iDESkmu. Sie sprechen über Agenden und Vorhaben zur IT Barrierefreiheit, die sich in nationalen bzw. europäischen Gesetzen, Verordnungen und Vereinbarungen niederschlagen können. Im anschließenden ExpertenTalk unterhalten sich Wolfgang Haase und unser Projektleiter Harald Hansen über die Themen Paradigmenwechsel, verstärkte Mitarbeiterbeteiligung und Corporate Social Responsibility, abgekürzt CSR. In den Shownotes finden Sie die Timecodes zu den Beiträgen und Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern und Gästen. Zum Einstieg in die Episode hören Sie auch heute einen kurzen Auszug aus einem bekannten Märchen.
Screenreader
00:01:27
Aschenputtel. Es war einmal ein Mädchen, dem war die Mutter gestorben. Ihre neue Stiefmutter hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, und sie waren alle sehr gemein zu ihr. Sie musste den ganzen Tag schwer arbeiten, früh aufstehen, Wasser tragen, Feuer machen, kochen und waschen. Abends, wenn sie müde war, musste sie sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil sie darum immer staubig und schmutzig war, nannten sie es Aschenputtel. Es begab sich, dass der König ein großes Fest veranstaltet, auf dem sich der Prinz eine Gemahlin aussuchen sollte.
Nadia David, iDESkmu
00:01:47
Das war Aschenputtel, gelesen von Petra aus der Mac-internen Screenreadersoftware Voice-Over in der Geschwindigkeit 70 von 100. Kommen wir jetzt zu unserem LawTalk.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:02:05
Guten Tag, wir sprechen heute mit Christiane Möller vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem DBSV. Hallo Frau Müller, bevor wir beginnen, geben Sie uns bitte einen kurzen Abriss Ihres beruflichen Hintergrundes.
Christiane Möller, DBSV
00:02:18
Ja, gerne. Ich bin beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband als Rechtsreferentin angestellt, bin also Volljuristin und jetzt seit über 10 Jahren berufstätig, war zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn bei einer Rechtsberatungsgesellschaft, die blinde und sehbehinderte Menschen berät und vertritt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, das ist die Rechte behinderter Menschen gGmbH. Und seit 2015 bin ich nunmehr beim deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und habe dort ganz, ganz viel mit rechtspolitischer Arbeit zu tun.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:02:56
Vielen Dank, Frau Möller. Lassen Sie uns mit einer ganz grundsätzlichen Frage beginnen: Warum sollte sich ein Unternehmen überhaupt mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigen?
Christiane Möller, DBSV
00:03:07
Ja, aus unserer Sicht gibt es da verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Das eine ist natürlich, dass Barrierefreiheit verstanden werden sollte als Qualitätsmerkmal, also nicht als ein lästiges Add on, was man vielleicht mal mit behinderten Menschen in Verbindung bringt, sondern wirklich als Qualitätsmerkmal, was dann wiederum auch zu einem Wettbewerbsvorteil führen kann für das Unternehmen nach außen, für die Produkte und Dienstleistungen, die es anbietet. Es ist aber auch nach innen wichtig, einmal was die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeht. Denn Barrierefreiheit führt letztlich auch zu einer besseren Nutzbarkeit für alle. Es geht um Fachkräftesicherung auf Dauer. Und es gibt natürlich auch ein paar rechtliche Grundlagen, gesetzliche Verpflichtungen zur Barrierefreiheit. Also ein Blumenstrauß an Gründen, warum Barrierefreiheit ein Thema für Unternehmen sein sollte.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:04:07
Das ist in der Tat ein breites Spektrum an Argumenten. Bevor wir auf die einzelnen Aspekte näher eingehen, würde ich gern noch definieren, was barrierefrei denn nun eigentlich heißt und auch, was das also ganz praktisch im Alltag bedeutet.
Christiane Möller, DBSV
00:04:22
Barrierefreiheit hat sogar in Deutschland eine gesetzliche Definition im behinderten Gleichstellungsgesetz in Paragraph 4 und ich fasse das einfach mal zusammen. Ich zitiere jetzt nicht genau den Gesetzes- wortlaut, aber das sind im Prinzip alle Anlagen, Informationsquellen, Kommunikationseinrichtungen, die in allgemein üblicher Weise grundsätzlich ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, bedienbar und nutzbar sind. Das heißt, alle Menschen sollen eine Dienstleistung oder ein Produkt oder einen Prozess oder eine Verkehrsanlage gleichermaßen nutzen können wie alle, ja alle Menschen. Und was bedeutet das ganz praktisch im Alltag? Das kann zum Beispiel sein, dass eine Lichtsignalanlage, eine Ampel, eben nicht nur Rot und Grün anzeigt, sondern auch ein Piep-Signal und ein Reparationssignal hat, dass ich eben auch eine Straße überqueren kann, wenn ich die Ampel nicht sehen kann. Oder was eine Website angeht, wenn ich eine gut strukturierte Webseite habe, die Bilder zum Beispiel mit Bildbeschreibungen hinterlegt hat und eine gute Struktur hat, so dass ich sie eben auch benutzen kann, wenn ich sie nicht sehen kann und auf Hilfsmittel Technologie angewiesen bin.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:05:46
Doch schon sehr konkret die Definition, was Barrierefreiheit wirklich bedeutet. Lassen Sie uns noch einmal zurück zum Anfang gehen, bitte. Unternehmen sehen sich gerade jetzt mit großen Herausforderungen und auch Unsicherheiten konfrontiert. Und warum sollten Sie sich da zusätzlich auch noch mit Barrierefreiheit beschäftigen und das vor allem als Qualitätskriterium begreifen?
Christiane Möller, DBSV
00:06:06
Ja, also Barrierefreiheit hat einen Mehrwert für alle Menschen innerhalb des Unternehmens, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber eben auch dafür, was ich als Kundenkreis erschließen kann. Und Barrierefreiheit, wenn es wirklich ernst genommen wird, verbessert mein Produkt, verbessert meine Dienstleistung. Also, wenn ich jetzt zum Beispiel eine Webseite mir überlege, die gut strukturiert ist, das ist ja schon der erste Schritt zur Barrierefreiheit - eine gute Strukturierung - wenn Bilder ordentlich beschrieben sind, dann kann diese Website eben auch von allen Menschen leichter benutzt werden. Und ja, meine Dienstleistung, mein angebotenes Produkt ist eben auch einfach ein besseres Produkt. Und ich glaube, so muss man auch Barrierefreiheit verstehen, dass man es eben nicht als lästige Pflicht erkennt. Sondern als wirklich etwas, womit man allen einen Mehrwert auch gibt. Und es ist ... Ich bin kein Techniker, aber ich habe mir sagen lassen, wenn man einmal eine Webseite zum Beispiel barrierefrei programmiert und es ordentlich strukturell durchhält, dann ist es auch später, wenn ich das relaunchen muss, viel, viel leichter, das ordentlich strukturiert zu tun.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:07:29
Sie hatten gerade das Thema Kunden angesprochen. Was bedeutet denn das in puncto Kundenkreis und vor allem auch in Bezug auf dieses ganze Thema Fachkräftesicherung?
Christiane Möller, DBSV
00:07:39
Also, zunächst einmal zum Kundenkreis. Wir haben allein in der Europäischen Union ein Sechstel der Bevölkerung, die in irgendeiner Form eine Beeinträchtigung, eine Behinderung hat. Das ist ja ein sehr großer Anteil, ein viel größerer Anteil, als man das vielleicht als unbedarfter Mensch vor Augen hat. Und das ist natürlich eine große Anzahl von Menschen, die auch Kunden sind, die natürlich auch Produkte und Dienstleistungen nutzen wollen, sie auch kaufen wollen, sie auch beruflich nutzen wollen. Also, das heißt, es ist kein Thema für irgendeine Randgruppe, sondern wir sprechen von einem großen Kundenkreis. Das zweite ist: Wir haben international gesehen, gerade wenn man auch Richtung USA schaut (da kommen wir vielleicht später noch mal drauf), schon Vorgaben zur Barrierefreiheit. Und wenn ich als innovatives Unternehmen hier in Europa diese Dinge nicht mit berücksichtige, habe ich natürlich international gesehen auch einen Wettbewerbsnachteil. Oder andersherum gesagt: Wenn ich mich gut um Barrierefreiheit kümmere, habe ich einen Wettbewerbsvorteil, weil ja ich mein Produkt schon so anbieten kann, wie es STANDARD sein sollte. Das ist so der Bereich des Kundenkreises. Und man muss hier auch noch berücksichtigen, dass unsere Gesellschaft gerade in Deutschland, in Europa, dass wir eine älter werdende Gesellschaft sind und damit auch mehr Menschen haben, die im Laufe ihres Lebensalters eine Beeinträchtigung bekommen und dann natürlich auf barrierefreie Produkte und Dienstleistungen angewiesen sind. Das heißt, es ist eine absolute Kundenorientierung, sich hier darum zu kümmern. Was die eigene Mitarbeiterschaft angeht, müssen wir natürlich auch berücksichtigen, dass wir eine Fachkräfteentwicklung haben und eine Fachkräftesicherung betreiben müssen, weil wir weniger Menschen zur Verfügung haben, die die Arbeit leisten können. Wir haben mehr ältere Menschen, die schon in Rente sind, weniger jüngere Menschen, die die Arbeit leisten müssen. Und natürlich sind auch Unternehmen auf die gute Arbeit von Menschen mit Behinderung angewiesen. Und es gibt natürlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Laufe ihres Berufslebens eine Behinderung erwerben. Das heißt, es ist auch im Interesse des Unternehmens, für die Mitarbeiterschaft gute Rahmenbedingungen zu bieten, um Fachkräftesicherung auch zu betreiben. Ganz davon abgesehen: Das ist natürlich auch ein Mehrwert für alle Mitarbeitenden hat, wenn wir zum Beispiel gutes Intranet, gute Abläufe in der elektronischen Arbeit haben, um dort eine gute Arbeitsfähigkeit herzustellen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:10:32
Ja, das klingt alles sehr einleuchtend. Vor allem diese beeindruckende Zahl, das ist ein Sechstel der Bevölkerung in der EU hat eine Behinderung in irgendeiner Art und Weise. Das ist schon sehr beeindruckend.
Christiane Möller, DBSV
00:10:43
Ja, genau. Und hinzu kommen ja noch die Menschen, die temporär eine Beeinträchtigung haben. Also wenn wir jetzt mal vom Digitalbereich weggehen und mal in den Baubereich gehen, da haben wir natürlich Menschen, die mit Kinderwagen unterwegs sind. Da haben wir Menschen, die sich mal verletzen und auf Krücken unterwegs sind. Also es gibt eben auch temporär die Menschen, die temporär auf Barrierefreiheit angewiesen sind.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:11:10
Ja! Lassen Sie uns abschließend noch mal auf die rechtliche Seite kommen. Welche Regelungen spielen denn hier eine Rolle oder insbesondere eine Rolle?
Christiane Möller, DBSV
00:11:20
Ja, es sind einige und wir müssen leider... Also ich habe ja jetzt hier ein bisschen Werbung für Barrierefreiheit gemacht, warum es vernünftig ist, Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Aber wir wissen auch, dass das Setzen allein auf ja "good will" nicht so viel bringt, sondern letztlich passiert ganz viel, wenn man eine gesetzliche Vorgabe hat. Wir haben in Deutschland ein paar gesetzliche Vorgaben, die noch nicht ausreichend sind, aber doch sich so ein bisschen auch aufsummieren. Wir haben zum einen die Behindertengleichstellungsgesetze von Bund und Ländern. Der Bund hat ein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz und die Länder haben das auch noch mal 16 Mal in ihren Ländern. Und dieses Gesetz soll eben dazu dienen, Benachteiligungen abzubauen, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung auch zu stärken. Diese richten sich erst einmal an Behörden eben auf Bundes oder Landesebene, aber auch an Institutionen, die in irgendeiner Form staatliche Aufgaben übernehmen, obwohl sie nicht Behörden sind, also zum Beispiel institutionell geförderte, privatrechtliche agierende Unternehmen oder eben auf kommunaler Ebene Unternehmen, die Daseinsvorsorge betreiben etc. Und in diesen Behindertengleichstellungsgesetzen gibt es eben ganz klare Regeln, die zur Barrierefreiheit auch verpflichten. Und im Digitalbereich im Bund ist es so und auch auf Länderebene, dass wir eine europaweit geltende Richtlinie schon umgesetzt haben in Deutschland: die EU Webseiten Richtlinie, die eben öffentliche Stellen, also das sind Bund, Länder, Kommunen, aber eben auch Unternehmen, die von diesen kontrolliert werden zum Beispiel, verpflichten, ihre Websites einschließlich des Intranet und auch mobile Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Wie das Ganze funktioniert, wird vor allen Dingen über die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (das ist eine Rechtsverordnung) geregelt und dort wiederum gibt es dann eben auch europäische Standards, die dann greifen, wie das Ganze praktisch umzusetzen ist, also technisch auch umzusetzen ist. Und der Bund ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat gesagt: Wir verpflichten uns selbst bis 2023 unsere elektronisch gestützten Verwaltungsabläufe auch barrierefrei zu machen. Die arbeiten da auch gerade dran. Ein ganz wichtiger Punkt. Was interessiert das jetzt nun, ein privates Unternehmen? Fragt man sich oder fragen sich vielleicht einige. Auch dort gibt es Dinge zu berücksichtigen. Zum einen, wenn das private Unternehmen Aufträge übernimmt, die es für den Staat erledigt. Also wenn es sich an Ausschreibungen beteiligt, dann ist es nämlich so, dass wir auch dank europäischer Vorgaben Regelungen haben, die sagen in einer Leistungsbeschreibung, also das ist ja sozusagen die Grundlage bei Ausschreibungen, sind auch die Belange von Menschen mit Behinderungen im Wege der Zugänglichkeitsvorschriften oder das Design for all zu berücksichtigen. Das heißt, wenn ich mich bewerbe auf einen Auftrag und mitbieten möchte, dann muss ich mich mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzen. Ein weiterer Punkt, der eine Rolle spielt, sind natürlich auch die Vorgaben, die man hat aufgrund des Schwerbehinderten rechts, also des SGB IX, Teil III. Arbeitgeber sind ja verpflichtet, ab einer gewissen Größe Menschen mit Behinderung einzustellen. Und sie sind auch verpflichtet, dann einen Arbeitsplatz behindertengerecht einzurichten und auszustatten, natürlich mit Unterstützung der jeweiligen Rehabilitationsträger, also Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft etc. Aber auch dort spielt es eine Rolle, wie denn eigentlich gearbeitet wird insgesamt im Unternehmen. Hier können auch Inklusionsvereinbarungen geschlossen werden, um hier die Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Und auch hier, spätestens hier kommt der Punkt, sich mit Barrierefreiheit zu befassen. Jetzt ist es allerdings so, was wir leider nicht in Deutschland haben bislang ist sowas wie eine Art, ich nenne es mal "präventive Barrierefreiheit". Also, dass ein Unternehmen sich schon mit der Frage auseinandersetzt, wie funktioniert denn mein Intranet? Wie funktionieren meine digitalen Arbeitsabläufe? Bevor man einen Menschen mit Behinderung einstellt, also ganz präventiv. So weit sind wir für private Arbeitgeber in Deutschland leider noch nicht. Das wäre aber der sinnvolle Weg, den zu beschreiten, weil es dann natürlich für Menschen mit Behinderung viel leichter ist, sich auch zu bewerben, so dass es rein um die fachliche Qualifikation geht und nicht darum, wie können wir das denn jetzt eigentlich vor Ort organisieren. Da kommt jetzt noch ein Punkt dazu, ganz aktuell. Das ist in Deutschland umgesetzt in einem Bundesgesetz, was gerade im Bundestag verhandelt wird. Das ist nämlich das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Auch hier wieder aus Europa kommend Regelungen, die eine europäische Richtlinie umsetzen. Die Richtlinie 2019 882 über barrierefreie Produkte und Dienstleistungen. Da wird erstmals die Privatwirtschaft umfassend verpflichtet, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Also auch hier: Wenn ich zum Beispiel einen Online-Shop betreibe, muss ich dann künftig diesen Online-Shop auch barrierefrei zugänglich machen. Also der Trend, der Weg geht definitiv in die Richtung, endlich Barrierefreiheit ernst zu nehmen. Es ist ein großer Kampf für uns, das auch durchzusetzen. Aber es ist letztlich die Grundlage, dass alle Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung, gleichberechtigt teilhaben können.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:18:07
Ja klar, das macht Sinn. Bis wann muss denn diese Richtlinie umgesetzt werden? Die Richtlinie 2019 882?
Christiane Möller, DBSV
00:18:17
Der European Accessibility Act muss umgesetzt werden bis nächstes Jahr im Juni. Wir haben aber jetzt Bundestagswahlen. Das heißt, es muss eigentlich jetzt noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, also quasi in deutsches Recht gegossen werden. Und gelten wird das Ganze aber dann erst ab Juni 2025. Da ist dann sozusagen der Rahmen, ab wann es praktisch soweit ist, dass Barrierefreiheit auch umgesetzt werden muss. Aber da muss es im Prinzip umgesetzt sein schon.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:18:51
Das heißt, ein Online-Shop muss zu dem Zeitpunkt dann schon barrierefrei sein?
Christiane Möller, DBSV
00:18:55
2025 muss man. Ja, genau. Da muss dann der Online-Shop barrierefrei zugänglich sein für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:19:05
Sie hatten vorhin das Thema USA gestreift am Rande. Da ging es um gesetzliche Regelungen oder was war da der Kontext?
Christiane Möller, DBSV
00:19:14
Na ja, wir haben in den USA eine Tradition oder eine ganz andere Tradition, auch in die Privatwirtschaft hinein zu wirken. Da hat man sich ja in Deutschland sehr, sehr lange sehr schwergetan. Und man muss auch sagen, wenn jetzt nicht Europarecht vor der Tür gestanden hätte, dann hätten wir in Deutschland auch noch immer keine Regelungen, um auch die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen mit dem Thema Barrierefreiheit zu konfrontieren. Das ist in den USA ein bisschen anders. Dort gibt es Regelungen schon lange, die dazu verpflichten. Und das hat dann ganz praktisch dazu geführt, dass zum Beispiel die Firma mit dem Äpfelchen ihre Smartphones schon mal so programmiert, dass ich die als blinder Mensch natürlich auch gleich bedienen kann. Also, ich kaufe dieses Gerät und kann es ohne eine Zusatzsoftware, die ich mir auch teuer kaufen muss, aber direkt benutzen. Oder das hat auch ganz praktisch dazu geführt, dass vor ein paar Jahren Fluggesellschaften die USA nicht mehr anfliegen durften, die keine barrierefreien Webseiten hatten. Ich weiß, dass die Lufthansa damals sehr laut geschrien hat und gesagt hat: Ja, dann machen wir das halt und wir hätten das ja schon lang gemacht, wenn wir das einfach gewusst hätten. Wenn wir in Deutschland eine Regel gehabt hätten, dann wäre das ja einfach so gewesen. Und dann sage ich: Ja, und genau das wäre gut. Und das zeigt auch wieder diesen internationalen Wettbewerbsvorteil, dass wir auch schon wahrgenommen haben. Es gibt durchaus auch Unternehmen, die sagen sich, wir wünschen uns eigentlich gewisse Vorgaben, damit wir überhaupt wissen, was wir da an dieser Stelle tun sollten, was wir leisten müssen, damit es einfach klar ist. Und das war so ein Beispiel, wo ich denke, dass es längst an der Zeit ist, dass wir auch hier in Deutschland gute Regelungen haben, die einfach ganz klar definieren, was ist zu tun und was ist nicht zu tun, weil nur freiwillig funktioniert es leider nicht.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:21:28
Frau Möller, vielen Dank für diesen vertieften Einblick. Es ist wirklich sehr aufschlussreich zu sehen, dass das Thema Barrierefreiheit für Unternehmen nicht nur Verpflichtung, sondern vor allem auch enorme Potenziale birgt. Also vielen Dank noch einmal.
Christiane Möller, DBSV
00:21:43
Sehr gerne!
Nadia David, iDESkmu
00:21:47
Jetzt erhalten Sie die Antwort auf die Frage aus der letzten Episode: Rund um das Thema Barrierefreiheit in der IT gibt es nationale, europäische und internationale Gesetze, Verordnungen und auch Vereinbarungen. Wie genau stehen diese drei Bereiche hierarchisch in Beziehung zueinander? Nach unserem LawTalk mit Christiane Möller ist die Antwort nicht schwer. Harald Hansen, unser Projektleiter, klärt die Frage nach der hierarchischen Beziehung für Sie auf.
Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu
00:22:14
Die rechtliche Anwendbarkeit von Gesetzen, Verordnungen und Vereinbarungen ist klar hierarchisch gegliedert. Zuoberst steht das internationale Recht mit seinen UN-Konventionen, wie zum Beispiel die UN-Behindertenrechtskonvention bereits von 2008. Dann folgt das europäische Recht mit EU-Richtlinien und auch EU-Verordnungen. Erst dann folgt das nationale Recht mit Gesetzen, wie zum Beispiel dem Grundgesetz und dem Behindertengleichstellungsgesetz. Und dann die Verordnungen, wie zum Beispiel die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung 2.0. Und schließlich die Regeln, wie zum Beispiel die technischen Regeln für Arbeitsstätten, kurz ASR abgekürzt.
Nadia David, iDESkmu
00:23:10
Kommen wir jetzt zu der Frage, die wir Ihnen in der nächsten Episode beantworten wollen. Welches sind die bisher geltenden Kriterien für die Standardkonformität von DMS bzw. ECMS? Antwort A: Zu beachten sind hier die funktionalen Anforderungen wie Archivierung, Workflow, Datensicherheit und Dokumentenmanagement, System -Architektur und natürlich die organisatorischen Anforderungen innerhalb des Unternehmens. Antwort B: Die geltenden Standards fokussieren die Bereiche Geräteunabhängigkeit, Widgets, Screen-Design und verständliche Inhalte. Antwort C: Die wichtigsten Prüfverfahren stützen sich auf vier globale Prinzipien, um Barrierefreiheit sicherzustellen. Das sind Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Sie hören jetzt den ExpertenTalk. Harald Hansen und Wolfgang Haase sprechen über IT Barrierefreiheit im Unternehmen, und zwar nicht aus der technischen Perspektive, sondern über die Bedeutung für die gesamte Unternehmung.
Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu
00:24:18
Guten Tag, mein Name ist Harald Hansen, ich leite das Projekt iDESkmu. Wir wollen heute ein wenig beleuchten, warum IT Barrierefreiheit so wesentlich für das gesamte Unternehmen ist. Leider wird das Thema IT Barrierefreiheit oft links liegen gelassen oder zumindest stiefmütterlich behandelt. Aber damit werden auch alle Potenziale, die eine Barrierefreiheit mit sich bringt oder mit sich bringen würde, unter den Tisch fallen gelassen. Eine der hinderlichen Mythen ist, dass behauptet wird, Barrierefreiheit sei viel zu aufwendig und außerdem viel zu teuer.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:25:03
Oh ja, das ist in der Tat ein weit verbreiteter Mythos. Aber erst mal guten Tag auch von meiner Seite. Wolfgang Haase. Das Projekt iDESkmu berate ich als externer Berater in den Bereichen Unternehmenskommunikation, Know-how-Management und Potenzialanalyse für barrierefreie Dokumentenmanagementsysteme. Bevor wir über die Potenziale sprechen und diesen Mythos hinterfragen, wollen wir eine grundsätzliche Frage stellen: Lohnt es sich überhaupt, über Barrierefreiheit in der IT nachzudenken und sie auch konsequent umzusetzen? Die Antwort ist eindeutig Ja, und der Grund dafür denkbar einfach. IT Barrierefreiheit ist keineswegs nur für Menschen mit Behinderung relevant. Bei barrierefreier IT geht es im Prinzip um nichts anderes als um die gute Nutzbarkeit einer Software für alle Nutzer. Und dabei ist es eben unerheblich, ob sie aufgrund einer Behinderung besondere Bedarfe haben oder nicht. In diesem Zusammenhang möchte ich die Schlagworte Accessibilit, Usability und User Experience kurz erläutern. Während die Accessibility die technische Zugänglichkeit einer Software oder Webseite beschreibt, geht es bei der Usability um die Nutzbarkeit einer Software. Also hier spielen auch die Aspekte der Benutzerfreundlichkeit eine Rolle. Die User Experience schließlich geht noch einen Schritt weiter und umfasst das gesamte Nutzungserlebnis. Also das: wie gut lässt sich eine Software nutzen? Und entsteht dabei vielleicht sogar so etwas wie Vertrauen und Spaß bei der Nutzung? Diese Themen werden in anderen Beiträgen innerhalb dieser Reihe detailliert behandelt. Es soll an dieser Stelle nur um einen Abriss gehen, der zeigt, dass man mit diesen Themen nicht zwangsläufig Behinderung in Verbindung bringt, sie für Menschen mit Behinderung aber essenziell sind. Es gibt externe und interne Einflussfaktoren auf die Barrierefreiheit. Externe Einflussfaktoren sind z. B. politische und die gesellschaftliche Ebene. Hier sei das Thema Arbeit 4.0 genannt. Das ist ein Wort, das in aller Munde ist. Ein Konzept, das die Digitalisierung des Arbeitsalltags massiv vorantreibt, mit allen Konsequenzen für barrierefreie IT Prozesse und Mitbestimmung. Die Auswirkungen auf die Unternehmen und die konkreten Anforderungen werden noch oft unterschätzt. Dann gibt es noch die CSR, sprich die Corporate Social Responsibility, also die soziale Verantwortung eines Unternehmens für die Gesellschaft, die zunehmend mit den politischen Anforderungen verschmilzt. Arbeit 4.0 zum Beispiel steigt hier sehr stark in dieses Thema ein. Weiterer Bereich sind die internen Einflussfaktoren. Das ist zum Beispiel die Mitarbeiterloyalität. Es geht hier um die Potenziale, die sich ergeben, wenn im Unternehmen entsprechende Werte gemeinsam entwickelt und gelebt werden. Damit verbunden sind alle Vorteile, die sich durch loyale Mitarbeiter ergeben. Und die sind sehr zahlreich. Als Beispiel gibt es die hohe Motivation, loyale Mitarbeiter arbeiten gewissenhaft und machen eben mehr als nur diesen Dienst nach Vorschrift. Sie sind aktiv an der Erreichung der Unternehmensziele beteiligt, bringen eigene Ideen ein und so weiter. Vor allem aber, und das ist ganz wesentlich, spiegeln sie das Unternehmen positiv nach außen, was wiederum die Loyalität des Kunden mit sich bringt. Die Kunden sind einfach viel stärker ans Unternehmen gebunden dadurch. Hier greifen dann die bekannten Effekte, die sich aus der Verbundenheit des Kunden ergeben, also zum Beispiel hohe Unternehmenstreue, Zusatz- und Folgekäufe und natürlich auch Weiterempfehlung. Unabhängig davon liegt ein zusätzliches Potenzial der barrierefreien Software Gestaltung in der Erschließung völlig neuer Kundengruppen. Für alle diesen positiven Effekte sind gemeinsame Werte und Ziele die beste Ausgangsbasis.
Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu
00:28:42
Ja, das stimmt. Deswegen wollen wir Ihnen hier einen ganz kurzen Werte-Exkurs zumuten bzw. auch anbieten. Ja, wie kommt ein Unternehmen zu gemeinsamen Werten und Zielen, von denen Wolfgang Haase soeben sprach? Es sollen hier in der Kürze nur folgende Werte beispielhaft hervorgehoben werden: Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen, transparente Kommunikation. Und es gibt noch viel mehr. Sie erkennen, dass es sich um Werte handelt, die auch im privaten und familiären Zusammenleben ihre volle Geltung haben. Diese Werte sind der Kitt, der alles zusammenhält, insbesondere in einer Zeit, in der Ihre Mitarbeiter aus unterschiedlichen Ethnien und sozialer Herkunft stammen. Werte sind eben das Fundament des Unternehmens wie der Familie und der Gesellschaft. Zu Recht sind hier die Geschäftsführungen und die Führungskräfte die Vorbilder. Sie bestimmen das Klima mit ihrer Haltung, mit ihrem Coaching und dem Reflektieren ihrer Handlungen. Werte stärken das WIR, das WARUM und Ihre Unternehmensziele. Die Unternehmenswerte sollten allerdings keine Worthülsen sein oder einfach von oben festgelegt werden, sondern wie auch das Thema Barrierefreiheit gemeinsam mit den Mitarbeitern erarbeitet werden. Und wie ein solcher Weg aussehen kann, will ich nun anhand des Themas Barrierefreiheit für die Anwendung von IT Produkten skizzieren. Wie kann also und wie sollte das jeweilige Unternehmen einen entsprechenden Prozess auf den Weg bringen? Was muss das Unternehmen tatsächlich dafür tun, um Barrierefreiheit in der Anwendung von eben diesen IT Produkten zu erreichen? Vorab will ich anmerken: Nicht alles muss sofort umgesetzt werden oder auch nicht alles muss gleichzeitig auf den Weg gebracht werden. Die IT Barrierefreiheit sollten Sie als einen Prozess begreifen. Man kann ihn auch als meinetwegen Change Management Prozess verstehen. Also es geht darum, den Weg und das Werden als Ziel zu verstehen. Insofern ist es fast wie im richtigen Leben. Dabei geht es im Prinzip um zwei Ebenen. Erstens um die Implementierung und zweitens um die Sicherstellung der Barrierefreiheit in den laufenden Prozessen. Nun zum Ersten, also zur Implementierung bzw. zum Einstieg in die Umsetzung. Zunächst sollte die Geschäftsführung gemeinsam mit den Führungskräften das gesamte Vorhaben und die damit verbundenen Zielsetzungen und den Nutzen für Mitarbeiter und das Unternehmen diskutieren. In einem oder auch in mehreren Folgeschritten je nach Unternehmensstruktur gilt es, die Mitarbeiter an Bord zu holen, gemeinsam wiederum Geschäftsführung und Führungskräfteebene. So kann eine gemeinsame Entwicklung einer Vision zur barrierefreien IT Anwendung entwickelt und auf den Weg gebracht werden. Die Einbindung und Sensibilisierung der Mitarbeiter ist allerdings essenziell, wenn wir Motivation und Nachhaltigkeit erreichen wollen. Ja, nun zum Zweiten. Gewährleistung und Sicherstellung des Prozesses des Ergebnisses. Wie kann und wie sollte die Nachhaltigkeit des Vorhabens erreicht werden? Bedingung für den Erfolg dieses Prozesses ist eine tiefgreifende Verankerung im Unternehmen. Zum Beispiel in das Qualitätsmanagement und oder in Form eines unternehmens internen Commitments, einer Verabredung für barrierefreie IT. Fehlt diese Verankerung aber, folgt wie so oft die Frustration. Man weiß aus der Beratungspraxis, dass Change Management Prozesse, die diese Aspekte nicht berücksichtigen, zum Scheitern verurteilt sind. Und das betrifft leider um die 80 Prozent aller solcher Change Management Prozesse. Von daher muss die Geschäftsführung und müssen die Führungskräfte echt und überzeugend kommunizieren. Eine mitnehmende, eine positive Haltung für die vereinbarten Zielsetzungen soll spürbar sein. Das Team muss den Eindruck gewinnen und das Gefühl entwickeln können, dass alle in einem Boot nicht nur sitzen, sondern auch rudern oder meinetwegen segeln. Diese, ich will einmal sagen "Vorarbeit" und "mentale Ausrichtung" ist der beste Garant für den Erfolg. Auch den geschäftlichen natürlich. Das Commitment soll als Bestätigung des Denkens und Handelns wirken und empfunden werden. Das Für und das Wider wird natürlich intern abgewogen. Doch letztlich gibt es keine Argumente dafür, die Software nicht barrierefrei zu gestalten. Und abgesehen davon entspräche eine nicht barrierefreie Software nicht mehr den geltenden Standards, den Normen und auch den Rechtsprechungen. Was nun nur noch dafür benötigt wird, ist eine geeignete Methode, eine geeignete Projektmanagement Methode. Wir empfehlen zum Beispiel Scrum, eine Methode, die besonders interaktiv ist und von daher einen hohen Beteiligungsgrad und kurze, effiziente, ergebnisorientierte Kommunikationswege gewährleistet. Aber dazu bieten wir Ihnen einen gesonderten Podcast an. Das sind zwei wesentliche Punkte. Das eine ist, die geeignete Projektmanagement Methode zu wählen und natürlich auch das Erreichte zu sichern, damit man nicht immer wieder von vorne anfängt. Wir wollten ja noch kurz eingehen auf den Mythos des Mehraufwandes für die IT Barrierefreiheit. Das Missverständnis und damit auch die Hauptursache für Zusatzkosten für IT Barrierefreiheit liegt an mangelnder Planung. Von Anfang an. Es wird einfach oft viel zu spät an die Barrierefreiheit gedacht und dann muss irgendwann auf der Zielgeraden überarbeitet werden. Und Überarbeitungen sind nunmal immer und überall teuer, egal ob bei einer Software oder am Bau. Das ist eben ganz unabhängig von der Barrierefreiheit. Sie bauen ja auch kein Haus und nach der Fertigstellung fällt ihnen ein, dass eigentlich ein Fahrstuhl eingebaut werden sollte. Also Barrierefreiheit muss von Anfang mit bedacht und mit eingeplant werden und Bestandteil des IT-Projektmanagements werden. Wie Herr Hansen eben schon ausgeführt hat. Und ja, Scrum ist zum Beispiel geeignet, aber es gibt neben Scrum weitere geeignete Methoden, um dieses Thema bei der Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Podcast Reihe wird auch einen Beitrag zu diesem Thema enthalten. So, und nun endlich zum Thema Mehrkosten. Fakt ist, dass IT Barrierefreiheit tatsächlich nur geringe Mehrkosten oder sogar gar keine mit sich bringt. Wenn - und das ist eben die Bedingung - wenn sie bereits in der Planungsphase in die Softwareentwicklung integriert wird. Ein Entwicklungsleiter eines großen Softwareherstellers, der seit Jahren die IT Barrierefreiheit als selbstverständliches Feature seiner Produkte sieht, sagte uns, dass die Mehrkosten für IT Barrierefreiheit bei unter 5 Prozent liegen. Aber mal ganz abgesehen vom tatsächlichen oder angeblichen Mehraufwand: Was oft untergeht bei der reinen Kostenbetrachtung ist der Nutzen für das ganze Unternehmen, also die Mitarbeitermotivation, loyale Kunden, neue Kunden und so weiter. Wie eben schon aufgeführt. Das ist wirklich ein wesentlicher Punkt. Und diese Effekte sind nicht nur monetär messbar, sondern auch nachhaltig und bilden eine stabile Basis für die Zukunft des Unternehmens.
Harald Hansen, Projektleiter iDESkmu
00:37:15
Ja, ich will den Ball von Herrn Haase mal aufnehmen und nun ein kurzes Resümee versuchen. Also, warum ist IT Barrierefreiheit so wesentlich wie wir meinen? Wie bereits vorab dargelegt wird die Nutzbarkeit der IT Produkte für alle Mitarbeiter besser und leichter. Die Mitarbeiter-Variabilität wird dadurch klar erweitert und darüber hinaus entstehen parallel höchst wirksame Mitnahmeeffekte, die den Mehraufwand allein schon legitimieren. Abschließend will ich fünf solcher Effekte benennen. 1. Es erfolgt ein Know-how-Aufbau für das Unternehmen und die Mitarbeiter gleichermaßen. 2. Sie erfahren auf dem Weg im Prozess der Umsetzung den Identifizierungsgrad der Mitarbeiter mit Ihrem Unternehmen. 3. Sie erreichen über das gemeinsame, sozusagen "committete" Vorhaben eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, die wiederum eine höhere Motivation und Loyalität bewirkt. Denken Sie an seriöse Umfragen, aus denen oft überraschende, aber niederschmetternde Ergebnisse hinsichtlich der Mitarbeiterzufriedenheit hervorgehen. 4. Zufriedene und loyale Mitarbeiter haben nicht nur nach innen, sondern auch nach außen Strahlkraft und bewirken eine höhere Kundenzufriedenheit und Loyalität. Ergo führt das zu einer höheren Kundenbindung und einer klaren Image- Aufwertung für Ihr Unternehmen. Denn die Barrierefreiheit hat einen inzwischen hohen gesellschaftlichen Wert erreicht, der von allen Beteiligten immer aufmerksamer beachtet wird. 5. und last but not least weisen wir auf die steigende Produktivität hin, die über die Zielsetzung und den erfolgreichen Übersetzungsprozess erreicht werden wird.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:39:22
So, das ist eine Menge Input in kurzer Zeit. Gut, dass Sie sich das immer wieder anhören können. Nein, im Ernst, Sie können uns natürlich gerne auch direkt kontaktieren. Wir stehen Ihnen im Projekt iDESkmu für Ihre Fragen jederzeit und auch gerne zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Fragen. In diesem Sinne vielen Dank und einen schönen Tag.
Nadia David, iDESkmu
00:39:44
Vielen Dank an Christiane Möller für die Unterstützung des Projektes iDESkmu durch den Beitrag. Sie finden in unseren Shownotes wie immer neben den Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern grundsätzlich umfangreiche Quellenangaben und Tipps rund um die Beiträge und die Themen dieser Episode. In der nächsten Episode hören Sie einen Vortrag von Anne-Marie Nebe der T-Systems Multimedia Solutions GmbH. Sie ist Acccessibility und Usability Expert und spricht über Kriterien für die Standardkonformität von DMS und ECMS. Anschließend spricht Wolfgang Haase mit Vanessa Matz, freier Beraterin, über das Thema "Erfolgreiche Führung in IT Projekten". Wir freuen uns, wenn wir Ihr Interesse geweckt haben. Abonnieren Sie diesen Podcast und teilen Sie ihn mit Ihrem Netzwerk und folgen Sie uns auf Facebook und Twitter. Lernen Sie uns noch besser kennen und besuchen Sie unsere Webseite unter www.projekt-ideskmu.de. Sind Fragen offen geblieben oder haben sich neue Fragen für Sie ergeben? Dann senden Sie uns eine Nachricht. Wir freuen uns darauf! Das war die Episode #02 der Podcast Serie KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN zu dem Projekt iDESkmu. Mein Name ist Nadia David. Vielen Dank für Ihr Zuhören.