KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN

iDESkmu

#05 - Nationale UND Europäische Normen und Standards zur IT-Barrierefreiheit

Interview mit Michael Wahl (Überwachungsstelle des Bundes) und anschließend mit Johannes Fischer(Überwachungsstelle Sachsen)

29.11.2021 53 min

Zusammenfassung & Show Notes

Hören Sie das Interview von Detlef Girke, externem Berater im Projekt iDESkmu, mit Michael Wahl, dem Leiter der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik, über Agenden und Vorhaben sowie Nationale Normen und Standards zur Barrierefreiheit.
Im anschließenden Gespräch spreche ich mit Johannes Fischer. Er ist tätig im Bereich Leitung, Prüfung, Beratung, Schulung für die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik im Freistaat Sachsen. Wir sprechen über seine Aufgaben und Erfahrungen, die auch Onlineshops, Banken und Anwendungen rund um die  Mobilität betreffen.

Informationen zu den Beteiligten

Michael Wahl
Leiter Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik
Tel. +49 (30) 8441489-10  

Johannes Fischer
Leitung, Prüfung, Beratung, Schulung
Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik im Freistaat Sachsen (BfIT Sachsen)
Abteilung Produktion | Verlag
Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen)
Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig
Tel. +49 (341) 7113-162
bfit-sachsen@dzblesen.de

Detlef Girke
BITV-Consult
Tel. +49 931 4173 9070
girke@bitvconsult.de
https://bitvconsult.de

Hintergrundinformationen und Quellen

Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV)
http://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/

RICHTLINIE (EU) 2016/2102 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32016L2102

Vorgaben der EU - Links zu allen rechtlichen Vorgaben zur EU zur digitalen Barrierefreiheit von öffentlichen Stellen seit dem Jahr 2016.
https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Themen/EU-Webseitenrichtlinie/Vorgaben-EU/vorgaben-eu_node.html

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0; Autorisierte Deutsche Übersetzung:
https://www.w3.org/Translations/WCAG20-de/

Erklärvideos zur Digitalen Barrierfreiheit in barrierefreier Form
https://www.bfit-bund.de/DE/Ueberuns/Videos/erklaervideos.html

Digitale Barrieren erfolgreich melden in Sachsen
https://www.durchsetzungsstelle.sachsen.de/Aktuelles.html

Download NVDA unter
www.nvaccess.org/download

Download CCA - Color Contrast Analyser
https://github.com/ThePacielloGroup/CCA-Win/releases/

PDF Accessibility Checker Download
https://www.access-for-all.ch/ch/pdf-accessibility-checker-pac/download-pac-3.html

Märchen
https://kurzemaerchen.de/maerchen/fuer-kinder/

Transkript

Nadia David, iDESkmu
00:00:03
KLARTEXT. Der Podcast FÜR IT OHNE BARRIEREN. Interessante Informationen und wertvolles Wissen zur digitalen Barrierefreiheit in der Arbeitswelt. Ein Podcast zum Forschungsprojekt iDESkmu, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Federführung des Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg.
Nadia David, iDESkmu
00:00:27
Hallo und herzlich willkommen zur Episode #05. Mein Name ist Nadia David. Sie hören heute das Interview von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu, mit Michael Wahl, dem Leiter der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik über Agenden und Vorhaben sowie nationale Normen und Standards zur Barrierefreiheit. Im anschließenden Gespräch interviewe ich Johannes Fischer. Er ist tätig im Bereich Leitung, Prüfung, Beratung und Schulung für die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik im Freistaat Sachsen. Wir sprechen über seine Aufgaben und Erfahrungen, die auch Online-Shops, Banken und Anwendungen rund um die Mobilität betreffen. In den Shownotes finden Sie wie in jeder Episode die Timecodes zu den Beiträgen und Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern und Gästen. Zum Einstieg in die Episode hören Sie einen kurzen Auszug aus einem bekannten Märchen.
Screenreader
00:01:29
Rumpelstilzchen. Es war einmal ein Mädchen, das die Tochter eines armen Müllers war. Zufällig traf der Müller den König und vor lauter Verzweiflung sagte er zu ihm: „Meine Tochter kann Stroh zu Gold spinnen.“ Der König dachte: „Eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht mehr.“ Und sprach zur ihr: „Wenn du so geschickt bist, wie dein Vater sagt, dann komme mit auf mein Schloss, dort möchte ich dich auf die Probe stellen.“ Das Mädchen folgte ihm und der König führte sie in eine Kammer, die gefüllt war mit Stroh, gab ihr ein Spinnrad und sagte: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du morgen früh dieses Stroh zu Gold versponnen hast, sollst du meine Gemahlin werden. Gelingt es dir aber nicht, so wird dein Vater für seine Lüge in den Kerker gesperrt werden.“ Darauf schloss er die Kammer ab, und ließ sie allein zurück. Da saß das arme Mädchen und wusste keinen Rat. 
Nadia David, iDESkmu
00:01:49
Das war Rumpelstilzchen, gelesen von Katja aus NVDA, einem Open Source Screen Reader in der Geschwindigkeit 50 - beschleunigt. Kommen wir zu unserem heutigen Interview.
Detlef Girke, Externer Berater
00:02:08
Ja, wunderschönen guten Tag, Herr Wahl!
Michael Wahl, bfit-Bund
00:02:10
Guten Tag, hallo! Ja, erst einmal danke, dass wir heute oder dass ich heute da sein darf. Das ist sehr schön, dass wir auch mit ihnen sprechen können. Gerade mit der Reihe, in der Sie ja tätig sind, ist es glaube ich auch eine ganz wichtige, also ganz wichtiger Kanal für uns, um da so ein bisschen unsere Arbeit, unsere Standpunkte reinzubringen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:02:30
Ok, ich bau mal eine kleine Brücke zum Stand der Technik. Den Stand der Technik beschreibt ja zum Beispiel auch die BITV in ihrem Paragraph 3 Absatz 2, glaube ich. Der Absatz 3 beschreibt den Stand der Technik.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:02:47
Genau, im Dreier steht das drin.
Detlef Girke, Externer Berater
00:02:48
Und als Stand der Technik wurde ja durch einen Durchführungssbeschluss der EU dann irgendwie ja so halbwegs zumindest die EN 301 549 definiert. Und das wird ja, sagen wir mal, ein wenig aufgehoben, wenn es jetzt um zentrale Navigations- und Einstiegsangebote und Angebote geht, die Nutzerinteraktion ermöglichen. Beispielsweise eben Formulare und die Durchführung von Authentifizierung-, Identifizierung- und Zahlungs-Prozessen. Das ist ja ein sehr weitreichender Bereich. Also da wurde ich schon häufiger auch gefragt von Anbietern. Ist das jetzt wirklich so? Müssen unsere Formulare tatsächlich Triple-A, also dreifach A der WCAG erfüllen? Wie ist das? Was? Was können wir tun? Sozusagen. Können Sie dazu was sagen?
Michael Wahl, bfit-Bund
00:03:37
Ja, das spielt jetzt hier vor allen Dingen auf den Absatz 4 an, auf das höchstmögliche Maß der Barrierefreiheit.
Detlef Girke, Externer Berater
00:03:43
Ja, genau.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:03:44
Und der Absatz 2, wie Sie gesagt haben, verpflichtet quasi die harmonisierte EN Norm. Also, da wären wir ja bei AA, weil das ist ja gerade so der Standard der EN, der auf die WCAG wieder verweist. Genau, dann haben wir den Absatz 3, also der sagt dann so was wie: Alles, was in dieser Norm nicht geregelt ist, das soll dann dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Und dieser Begriff ist, da wird es nämlich wirklich schwer, der ist eigentlich über eine bloße Normierung sogar noch hinausgehend. Also wir hatten das mal, wir haben das ein bisschen recherchiert und auch ein bisschen mit Juristen gesprochen. Ist natürlich jetzt ein sehr auslegungs- bedürftiges Feld, aber tatsächlich - die Änderung sind die anerkannten Regeln der Technik. Klar. Normungsinstitutionen haben da europaweit sich bemüht und aktualisieren das auch. Der Stand der Technik geht tatsächlich noch ein bisschen darüber hinaus. Ich sag mal so, was ist technisch a) möglich und b) irgendwie auch im weit möglichsten Gebrauch. Also, das ist dann natürlich eine sehr gefühlte Wahrheit. Und jetzt kommen wir, ... Jetzt sind wir im Absatz 4 sogar bei den interaktiven Anwendungen und da haben wir sogar das höchstmögliche Maß der Technik. Und das ist etwas, was irgendwo zwischen - und jetzt kommt noch ein komplizierter Begriff - zwischen dem Stand der Technik als quasi Level 2. Also Level 1 ist anerkannte Regel der Technik. Level 2 ist aktueller Stand der Technik. Level 3 wäre jetzt tatsächlich das höchstmögliche Maß der Technik. Das ist aber jetzt nur so ein bisschen meine Fantasie. Und Level 4 wäre Stand der Wissenschaft, das wäre das Allerhöchste, also alles was theoretisch schon mal geht und noch mehr.
Detlef Girke, Externer Berater
00:05:27
Ja. Das ist das Zwiebelmodell.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:05:27
Genau. Und ich würde diesen Absatz 4 tatsächlich auf dieses, auf diese dritte Ebene - also schon sehr hoch mit höchstmögliches Maß der Barrierefreiheit - würde aus meiner Sicht (wie gesagt Vorsicht, ich bin kein Jurist), aber das wird sicherlich auch immer mehr dann ... Die Jurisprudenz guckt ja immer dann, wenn es Problemfälle gibt, wie man das auslegen kann. Also ich würde da von Triple A ausgehen, weil Triple A ist ja sogar in Anführungszeichen, nur Stand der Technik, weil die WCAG es ja irgendwo ausformuliert hat. Es ist noch nicht normiert, die WCAG sind ja keine Normungsinstitution, aber das ist ja so das, was die Expertinnen und Experten in den letzten Jahren herausgegeben haben und da würde ich, da das Level 2 der Zwiebel ist nicht Level 3, würde ich definitiv davon ausgehen, vielleicht sogar noch plus X, wobei ich nicht sagen kann, was X ist. Ja, Triple-A würde ich da tatsächlich anerkennen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:06:19
Ja, okay, alles klar. Und das, was ich interessant finde daran: hier wird gesprochen von einem Stand der Technik. Aber eigentlich ist ja die WCAG technikneutral geschrieben und die Technics, die es in WCAG gibt, die sind ja nicht bindend, das sind ja nur Vorschläge.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:06:37
Und ja, genau das stimmt. Ich habe noch eine Sache vergessen beim Absatz 4, das ist ganz wichtig, weil natürlich, wenn jetzt jemand sagt, das ist verpflichtend, sprich es ist eine Soll-Regelung der Absatz 4, das wird natürlich schnell überlesen, aber das ist das erste, wo der Jurist hinguckt ist: steht da "muss" oder "soll". In dem Fall steht "soll" da, so dass man, wenn man jetzt - sag ich mal - sparsam mit der Barrierefreiheit oder Accessibility umgehen möchte, wieder auf Level 1, also sprich den Absatz 2 zurückfallen könnte oder Level 2 ab Absatz 3. Es ist eine Soll-Regelung. Also wir müssen da das technisch und das juristische beide zusammenbringen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:07:10
Vor allen Dingen steht, da "soll" ein höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit "angestrebt werden".
Michael Wahl, bfit-Bund
00:07:16
Richtig!
Detlef Girke, Externer Berater
00:07:17
Es wird angestrebt und wenn man es nicht schafft, ist es auch nicht schlimm heißt es dann im Umkehrschluss.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:07:22
Ja, wenn man wirklich sparsam umgehen will und sage ich mal, keine Lust auf Barrierefreiheit hat, dann kann man das so lesen, ja.
Detlef Girke, Externer Berater
00:07:27
Dann kann man das so lesen.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:07:29
Da würde sich auch jeder, der nicht motiviert ist, darauf zurückziehen. Ich versuche das immer sparsam ins Land zu streuen, weil wir Interesse haben, dass es möglichst barrierefrei sein soll und wir die Leute auch motivieren sollen und es im Endeffekt ja eigentlich auch im Sinne der öffentlichen Stelle auch ist. Ich habe ja wahrscheinlich wenig Lust, wenn ich ein Formular ins Netz stelle und erkläre die Fehler-Rückschleifen nicht ordentlich, dann rufen die Leute mich ja ohnehin an. Also, dann habe ich ... Also dann programmiere ich es lieber einmal sauber und habe dann die Feedbackschleifen nicht mehr. Da muss man ein bisschen den vernünftigen Menschenverstand irgendwie einschalten.
Detlef Girke, Externer Berater
00:08:02
Ja, genau, genau. Und das führt mich jetzt zum Nächsten. Also Angebote, die eine Nutzer-Aktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierung-, Identifizierungs- und Zahlungs-Prozessen. Das ist ja fast alles. Also Nutzerinteraktion habe ich doch fast überall.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:08:21
Es ist wirklich ein weiter weiter Begriff. Also eigentlich habe ich Nutzer- interaktion, sobald ich irgendwo ein Feld ausfüllen muss oder eine Checkbox anklicken muss. Das ist Interaktion und das ist tatsächlich weit auszulegen. Wir dürfen ja nicht vergessen, es ist halt wieder diese Soll-Regelung.
Detlef Girke, Externer Berater
00:08:36
Ja, ja, ich weiß.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:08:38
Der Gesetzgeber hat schon irgendwie... Ich finde das relativ schlau, was er gemacht hat, weil er sagt, er sagt erstmal "Macht das mal. Wir definieren das." Und normalerweise geht dann auch ein Gesetzgeber nicht mehr dahinter zurück. Also das würde dann auch ja Ärger geben. Zu Recht, wenn man sagt: Na ja, gut, wenn es jetzt zu viel ist. Machen wir. Die Interaktion definieren wir mal anders. Hat natürlich aber auch, um es beherrschbar zu halten, ein "Soll" reingeschrieben. Und er kann natürlich gerade wenn wir Feedbackschleifen, die ja auch auf europäischer Ebene laufen, also auch die WADEX, also die Kommissionsgruppe, die sich um die EU-Webseitenrichtlinie kümmert, die sammeln ja genau diese Information. Und dann wird mit ziemlicher Sicherheit rauskommen, dass diese Regelungen - die stammt ja auch aus EU-Richtlinien? Und muss mal überlegen. Nein, stammt sie nicht. Es ist eigentlich eine deutsche Sonderangelegenheit. Aber auch die BITV wird ja novelliert. Also dass man dann vielleicht auch mal schaut - ich kann jetzt natürlich nicht in die Glaskugel der politischen Verantwortlichen schauen - aber dass aus dem "Soll" mal irgendwann dann doch vielleicht ein "Muss" wird oder ein wie auch immer, weil man dann irgendwann merkt: Na gut. Darum geht es ja auch. Es bringt ja nichts, wenn ich eine Website nur da barrierefrei mache, wo es dann für die Nutzergruppe halt keinen Effekt hat.
Detlef Girke, Externer Berater
00:09:53
Ich habe noch eine kleine andere Frage, und zwar die EN hat ja Teile - den Teil 9 oder Kapitel 9, was sich auf Webauftritte bezieht, und Kapitel 11 eben, was sich auf Software bezieht und die Tabellen im Anhang A1 und 2 beziehen sich ja zunächst nur auf Webauftritte und eben mobile Apps. Und so ist es ja auch festgehalten in der Richtlinie in der EU-Richtlinie von 2016, 2102 war das. Ich finde es immer schwierig, wenn ich die EN lese, Software von Webseiten abzugrenzen, weil in Kapitel 9 der Begriff Webseite ja auch Webanwendungen mit einschließt. Ich habe da so meine persönliche Definition, dass ich mir denke: Nein, so was wie Google Docs oder sonst irgendwas, das ist keine Webseite mehr, das ist eine komplette Anwendung und ich würde immer Kapitel 11 ansetzen dadrauf. Aber so richtig scharf voneinander abgegrenzt sehe ich das nicht in der EN. Wie sehen Sie das?
Michael Wahl, bfit-Bund
00:10:58
Komplett wie sie. Ich würde auch Google Docs absolut als Software ansehen. Da das Problem kennen wir. Also das ist so. Das ist genauso ein Klassiker, wo bei der Novellierung des BGG und der BITV dann in diesem Zuge auch der Gesetzgeber, ... Der hat sich ja schon Mühe gegeben zu definieren, was ist seine Website. Aber das ist technisch noch nicht hinreichend. Und ja, wir haben da ganz oft diese Frage auch von öffentlichen Stellen, auch von den Kolleg*innen in den Ländern, mit denen wir zusammen Standards für die Überwachung erarbeiten. Also wie wir konkret überwachen, in der Methodik und auch in der Auswahl. Und wir haben so eine Faustregel etabliert, die haben wir auch mal ein bisschen in den Experten Raum geschmissen. Das war das eine. Er hat ganz viele Ideen und die, die dabei rauskommt, ist tatsächlich, dass die zentrale Frage ist: Ab wann kann ich es als eine Software bewerten? Ab wann kann ich es als eine, als - wir sagen immer Web-Auftritt, weil Webseite kann durcheinander gehen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:11:59
Ist also ein Missverständnis. Web-Auftritt! Okay, ja.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:12:03
Webauftritt oder Webpräsenz. Wir haben uns mal irgendwann für das Wording "Webauftritt" entschieden. So, und tatsächlich sind wir davon ausgegangen, dass wir die Prozesse anschauen. Wir hatten erst gedacht, gucken wir mal die Anzahl der Prozesse. Das war aber auch nicht zielführend und haben dann gesagt, es geht um die Interdependenz, also die Komplexität, in der diese Prozesse miteinander zusammenhängen. Und je komplexer die sind, zum Beispiel Google Docs. Also ich schreib einen Text, ich kann den Text formatieren, ich kann ihn teilen, ich kann eine Tabelle einbauen, ich kann Überschriften setzen, ich kann auch Dokumente verlinken, wie auch immer. Dann ist eher von einer Software auszugehen und bei allen "etwas anderen" - ich möchte mal als Beispiel jetzt vielleicht wirklich nur eine Online Bank nehmen, da haben wir ja auch immer ein Beispiel - dass man da zwar auch mehrere Prozesse hat, die aber nicht unbedingt zusammenhängen. Also bei einer Online Bank, das kennen alle ja aus dem Alltag, das meiste, was ich da mache, ist ich meine Online-Überweisung, vielleicht noch mal einen Dauerauftrag und gucke meine Kontoauszüge an. Gut, da kann ich noch eine Menge Schnickschnack kaufen, aber das ist alles getrennt sozusagen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:13:14
Ja, richtig!
Michael Wahl, bfit-Bund
00:13:15
Da würden wir auch, weil die so ein bisschen autarker sind, die Prozesse, dann eher von der Website ausgehen, weil sonst hätten sie ja auch das Problem, wenn sie online ... Also sagen wir mal, Sie wollen ihren Führerschein bei der Stelle sonstwie beantragen. Wenn man es jetzt böse auslegen wollen würde, würde man sagen: "Na ja, da sind Aktionen drin, da ist ein Prozess drin, ich bestell den Führerschein. Ist ja irgendwie ... Warum soll das noch eine Webseite sein?" Könnte man machen. Und deswegen haben wir die Zuordnung so vorgenommen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:13:43
Das ist super, ja. Das heißt also zum Beispiel auch so ganz einfach Shopsysteme oder typische E-Government Anwendungen eigentlich fast durch die Bank gelten dann alle als Werbeauftritt.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:13:56
Ja, soweit sie noch so einfach sind, würde ich sagen: "Ja". Natürlich ..." Jetzt kommt der Jurist, der ich nicht bin in mir: "muss man auf den Einzelfall gucken". Aber klar. Also wenn ich jetzt in Anführungsstrichen "E-Government Anwendung" habe oder wenn wir ins OZG gucken, würde ich da schon noch eher von der Website (Web-Auftritt) ausgehen. Sobald es aber jetzt komplexer ist, also nehmen wir so etwas wie Moodle. Es ist ganz spannend, da kommen wir ganz oft in den Bildungskontext, weil die Hochschulen das ja auch machen wollen. Bei Moodle finde ich schon wieder so einen Grenzfall, aber auch da, wenn Moodle noch so ist wie bei Elster, weil das habe ich also auch seit zehn Jahren nicht mehr gemacht - da hat man ja Gruppenchats, da hat man dann Referate, die man hin und her schiebt, man hat eine Datei-Ablage, man arbeitet zusammen an Dateien. Da fände ich es dann schwer nur von einer Webseite auszugehen.
Detlef Girke, Externer Berater
00:14:40
Ja, also Moodle oder auch ja oder auch Elster zum Beispiel.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:14:44
Ja, ja, es ist wirklich eine Software, weil sie so komplex ist. Und sie kriegen ja dann auch je nachdem, sie können ja da also irgendwelche Sonderausweisung vornehmen. Oder wenn Sie dann Aktien versteuern müssen, haben Sie vielleicht noch ein anderes Blatt, was da reinklinken müssen. Oder Hausbesitzer sind oder wie auch immer.
Detlef Girke, Externer Berater
00:15:03
Ja. Verlangt auf jeden Fall sehr, sehr viel Interaktion und es gibt sehr viel Interdependenz. Okay, wir sind fast am Ende. Ich würde aber trotzdem noch gerne eine kleine Frage loswerden. Ich hoffe, dass Sie dafür ... Ja, möglicherweise müssen Sie ganz schnell ausholen dafür. Aber ich frage trotzdem mal genau.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:15:22
Das macht ja Spaß. Ich rede gern darüber.
Detlef Girke, Externer Berater
00:15:25
Alles klar! Und zwar die Frage nach Dokumenten und den Umgang mit nicht barrierefreien PDFs? Ich persönlich habe dazu immer so ein bisschen eine entspannte Haltung und denke mir "Na ja, es gibt auf jeder größeren Webpräsenz, auf jedem größeren Webauftritt eine Anzahl von ca. im Mittel circa 1 000 PDFs. Dass diese PDF-Dokumente nicht alle barrierefrei sind ist selbstredend. Die wurden sonst irgendwie erzeugt. Sind teilweise älter als 2005 oder sonst irgendwas und die können gar nicht barrierefrei sein." Ich fahre da gerne auch einen pragmatischen Ansatz, dass ich mir sage, solange das Dokument einigermaßen getagt ist und ich die Inhalte so erfassen kann, das ich wirklich von keiner der Informationen, die sich in dem Dokument befinden, ausgeschlossen bin, egal ob ich sehbehindert bin, blind, motorisch eingeschränkt und so weiter und so fort, dann spreche ich zwar nicht von einem barrierefreien PDF, aber ich beklage mich auch nicht. So würde ich damit umgehen. Wie ist Ihr Umgang damit als Überwachungsstelle?
Michael Wahl, bfit-Bund
00:16:40
Ja, wir sehen das ähnlich. Also man müsste vielleicht trennen zwischen wie wir überwachen und wie wir beraten. Und ich finde das Beraten ist fast noch wichtiger, deswegen macht man halt das gleich, aber das Überwachen. Wir haben uns jetzt tatsächlich, weil auch in der PDF Community auch einige Bewegung drin ist, der PAC wird ja erneuert oder soll erneuert werden. Der soll auch weg vom UA und vom Matterhorn Protokoll. Oder nicht weg, aber er soll auch mehr auf die EN eingehen. Das ist zumindest unsere Informationen aus der Schweiz. Dass wir in der Prüfung, in der vereinfachten Prüfung, das wird ja im Bericht dann stehen, das kann man jetzt auch schon mal als kleinen Teaser sozusagen lüften. In der Vereinfachten haben uns darauf geeinigt, den PAC zu nutzen, der ja eher von der technischen Komponente kommt. Und die inhaltliche Überprüfung nehmen wir dann in der eingehenden Überwachung durchaus auch vor. Also auch da sehen Sie, da ist der Ansatz schon pragmatisch. In der Beratung, was viel wichtiger ist, fahren wir - vielleicht kann ich mal den Ansatz der KBS (wir sind ja bei der Knappschaft Bahn See) also da sind wir angesiedelt und wir haben eine sehr rührige Abteilung, die sich um PDFs auch gekümmert hat. Da hat sich dann, weil die ja auch ganz viele PDFs haben und da versuchen wir immer strategisch zu beraten und a) immer zu sagen: "Schauen Sie doch mal, welche PDFs wirklich für Ihre Kunden und Kundinnen wichtig sind." Das sind im Zweifel natürlich die neueren und nicht die von 1990 oder so und dann auch wirklich ein Fokus zu sagen, zu investieren in die Schulung. Das passiert jetzt hier auch. Also wirklich zu sagen, wir holen uns eben - da gibt es ja verschiedene Bildner und Fortbildner - auch Menschen, die selbst blind sind oder Einschränkungen haben, die sagen: Okay, wie mache ich dieses? Da kommen wir also zu dem, was Sie gesagt haben, dem getagten Dokument. Also wie mache ich das mit Word, mit Bordmitteln?
Detlef Girke, Externer Berater
00:18:30
Ja.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:18:30
Da muss man wieder differenzieren. Desto neuer ist es kein Werbeblock ist aber Realität. Desto neuere Microsoft Version Sie haben, desto besser funktioniert das intuitiv, weil sie den Barriere-Checker haben. Aber es geht auch mit den älteren Versionen und dadurch können Sie schon eine Menge abfangen, weil dann einfach der ganze neue Informationsfluss schon mal barrierefrei ist. Und ja, und wir sind auch dabei mit Kollegen und Kolleginnen aus ganz Deutschland - und das wird aber noch dauern - einen Standard zu erarbeiten, der vermitteln will zwischen PDF UA und EN. Weil diese Frage auch immer wieder aufkommt: Müssen wir beides? Rechtsauffassung ist mittlerweile: Ja, müssen wir! Und das ist natürlich schwierig, weil die widersprechen sich nicht wirklich. Es gibt so ein paar Punkte, wo die hakelig sind, aber sie sind auch nicht ganz deckungsgleich, sodass man auch schon mal zusammenbringen muss, was wirklich ein wirklich barrierefreies PDF ist und von beiden zu einem denken. Und in diesem Standard werden wir aller Voraussicht nach, das müssen wir aber noch abstimmen, so drei Stufen einführen. Die eine ist absolut barrierefrei, die andere ist ... kann man vergessen, sie ist nicht barrierefrei. Und die mittlere Stufe ist sozusagen lesbar. Also alle relevanten Informationen sind anwendbar und lesbar.
Detlef Girke, Externer Berater
00:19:44
Ja.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:19:44
Und bedienbar. Also da wird glaube ich auch ... Ich denke auch, dass die WCAG sich dahin bewegen wird, weil gerade im Matterhorn Protokoll steht ganz viel zu irgendwelchen Videoaufspiel- geschwindigkeiten im PDF. Ich weiß nicht, aber Sie sind im Web und als Tester noch mehr unterwegs als ich das je gewesen bin, aber ich kenne noch kein PDF, wo ein Video drin war. Da wollen wir uns auch ein bisschen .... sozusagen pragmatisch herangehen. Und was wir eben auch noch dann immer sagen bei diesen strategischen Dingen "wie beraten wir", auch noch mal zu sagen, also Schulung ist wichtig und auch natürlich mal, dass man einmal vielleicht auch an ein schwieriges PDF rangeht, vor allen Dingen mit den Agenturen, mit denen man zusammenarbeitet. Ich denke jetzt mal an solche Sachen wie Jahresberichte, wie es ja oft gibt oder Drucksachen, gerade im parlamentarischen Umfeld der Bundesregierung ziemlich gut. Ich habe da auch schon beraten. Die haben da sehr, sehr viel dazugelernt, dass da eben einfach Workflows etabliert werden und man auch tatsächlich kritisch war. Da kommt die Frage "Na ja, gut, ich geb da einen Jahresbericht nach außen, da haben wir eine Agentur XY und dann kommt er zurück. Und dann sagen die "Ja, ist barrierefrei." Und dann haben wir tatsächlich noch mal einen Versuch mit Screenreader drüber laufen lassen. Und die fand das aber gut oder auch nicht gut. Auch da muss man ja gucken, wie gut ist dieser Tester, diese Testerin und welchen Screenreader hat die benutzt? Kann die wirklich alle Moves, die man so kennen könnte? Oder gehen wir vom normalen Nutzer aus, wo ich immer davon denke? Also man kann ja sehr sehr viel mit JAWS und NVDA machen, aber der normale Nutzer kennt das vielleicht nicht unter anderem. Auch da sind Tests wieder sehr relativ zu sehen. So gehen wir immer strategisch vor, also durchaus auch mal die Barrierefreiheit hochzuhalten in solchen zentralen Dingen, aber vielleicht auch - ich sage es mal so - den lieben Gott einen guten Mann sein lassen bei PDFs aus 1995. Sonst schaffen sie das nicht. Und dann hätten wir - der letzte Satz dazu - dann hätten wir die Tendenz. Dann würden natürlich Leute sagen, das ist mir alles zu anstrengend mit PDFs, dann mache ich keine PDFs mehr, sondern setzt alles auf die Webseite. Das kann es ja auch nicht sein. Also da muss man auch ein bisschen von den Anbietern denken.
Detlef Girke, Externer Berater
00:21:41
Es gibt teilweise ja wirklich nur diese Inhalte in PDF-Form und die müsste man dann mühevoll sozusagen daraus extrahieren und erst mal wieder auf die Webseite bringen in HTML Form. Ich finde, wenn es etwas bereits in HTML Form auf der Webseite gibt, dann ist es höchstens zum Ausdrucken wichtig. Vielleicht für einige Leute das als PDF zu haben. Und dann finde ich, spielt Barrierefreiheit bei diesem PDF tatsächlich keine Rolle, weil es eben schon das HTML dazu gibt. Aber im umgekehrten Fall, dann ist es wichtig
Michael Wahl, bfit-Bund
00:22:10
Ja.
Detlef Girke, Externer Berater
00:22:12
Und momentan haben wir natürlich auch noch eine Zwitter Situation. Wir haben momentan den Standard PDF 2.0. Das aktuelle MS Word zum Beispiel exportiert PDFs nach diesem STANDARD 2.0. Und wenn ich das mit dem aktuellen PAC zum Beispiel prüfe, mit dem PDF Accessibilit Checker, der testet nur nach PDF 1.7 und wenn ich dann einen Artefakt-Tag habe zum Beispiel in dem Dokument, dann wird das als Fehler gewertet, obwohl es korrekt ist nach PDF 2.0.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:22:39
Ja, genau das sind sie. Das sind solche Stilblüten, die dann rauskommen und die natürlich so einen armen Redakteur /Redakteurin, der sagt, ja jetzt nehme ich den PAC und jetzt habe ich da 100 000 rote X.
Detlef Girke, Externer Berater
00:22:47
Genau.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:22:48
Warum? Und das Gefühl der Tester sagt: Ja, aber nu ist ja alles wunderbar. Also das ist einfach ... ja, da haben wir diese Interdependenz von verschiedenen Technologien, die halt nicht aufeinander abgestimmt sind. Ist ja auch klar. PDF wurde ja ursprünglich eigentlich mal, .... Das ist ja auch deswegen das Schwerste, finde ich. Und das hat mal jemand aus diesem Umfeld sehr treffend beschrieben, der meinte: Wissen Sie, PDF ist dafür gemacht worden, dass man etwas in Stein meißelt für den Drucker oder auch für Archive und so weiter (darf keiner was daran verändern), und jetzt kommen Sie mit diesen Screenreadern und sagen: Ich hätte gern einen Zugang. Und das ist halt nicht so einfach.
Detlef Girke, Externer Berater
00:23:17
Das ist tatsächlich nicht so einfach. Aber da sind wir ja insgesamt seit ca. 20 Jahren auf einem guten Weg, finde ich. Gerade mit dem Tagging. Das sind tatsächlich schon 20 Jahre seit Acrobat 5 und dem ersten Plugin dafür fürs Tagging sozusagen.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:23:33
Wahnsinn, da habe ich 'grad Abitur gemacht. Okay.
Detlef Girke, Externer Berater
00:23:38
Ja, okay, Herr Wahl. Ich glaube, das war ein ganz guter Rundumschlag, um sagen wir mal, was gibt es an Standards und Normen in Deutschland? Und wie geht man eigentlich ja pragmatisch von der beratenden Seite und so weiter her damit um. Ganz, ganz vielen Dank dafür. Ich glaube, das war ein sehr, sehr informativer Austausch für unsere Zuhörer.
Michael Wahl, bfit-Bund
00:23:59
Ich bedanke mich auch. Es hat mir auch wirklich Spaß gemacht. Schönes Gespräch und ich hoffe, wir konnten Ihnen und den Zuhörern und auch auf dem Weg zu einem barrierefreien Arbeitsplatz ein bisschen weiterhelfen. Und ich denke, dass da sich sehr viel Positives tun wird in Zukunft. Das hoffen wir zumindest.
Detlef Girke, Externer Berater
00:24:15
Das hoffe ich auch. Vielen, vielen Dank! Danke auch.
Nadia David, iDESkmu
00:24:21
Nun zu unserem Quiz und der Antwort auf die Frage aus der letzten Episode: In der Barrierefreie-Informationstechnik -Verordnung, kurz BITV 2.0, gibt es die Anforderung: "Es ist das höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit anzustreben." Was ist darunter zu verstehen? Sven Bittenbinder, Diplom Wirtschaftsinformatiker an der Universität Siegen und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt iDESkmu, fasst die Ausführungen von Michael Wahl hierzu für Sie zusammen.
Sven Bittenbinder (Dipl.-Wirt.Inform.), Universität Siegen
00:24:50
Die Einhaltung der folgenden Kriterien wird von der BITV konkret gefordert und stellt das höchstmögliche Maß an Barrierefreiheit dar. A) Die Auflösung von Bildern, Videos und Textpassagen beträgt mindestens 320 mal 240 Pixel. B) die Verwendung von kurzen gebräuchlichen Begriffen und Redewendungen und C) der zwingende Einsatz von Gebärdensprache in Videos in jeder Anwendung.
Nadia David, iDESkmu
00:25:16
Und hier die Frage, die wir Ihnen in der nächsten Episode beantworten werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention besagt, dass IT für Menschen mit Beeinträchtigung zugänglich sein muss. Welche Auswirkungen hat das auf einen IT-Arbeitsplatz in Deutschland? Antwort A) Das mag schon sein, aber Völkerrecht ist in den einzelnen Staaten nicht maßgeblich. Maßgeblich für den deutschen Gesetzgeber ist nationales bzw. europäisches Recht. Hier ist alles ausschlaggebende zur Arbeitplatzgestaltung geregelt. Antwort B) UN-Konventionen, wie auch diese, haben lediglich Empfehlungscharakter. Ob und wie die Staaten diese Empfehlung umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Im Übrigen wird die Gestaltung von IT Arbeitsplätzen in Deutschland durch diverse Arbeitsschutzgesetz und ergonomische Richtlinien detailliert geregelt. Antwort C) Die UN-Behindertenrechtskonvention ist maßgeblich für den deutschen Gesetzgeber, der sie umsetzen muss. Das bedeutet, dass die Inhalte der UN-Behindertenrechtskonvention sehr wohl bindenden Charakter haben für die Gestaltung eines IT-Arbeitsplatzes in Deutschland. Hören Sie nun das Interview von Johannes Fischer. Ich begrüße Johannes Fischer heute bei unserem Podcast und bitte Sie gleich, Herr Fischer, sich uns kurz vorzustellen mit Ihrem beruflichen Hintergrund und Ihren Aufgabenbereichen.
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:26:51
Ja, schönen guten Tag! Mein Name ist Johannes Fischer. Ich arbeite im Deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen in Leipzig, beschäftige mich seit etwa fünf Jahren mit dem Thema Barrierefreiheit von Webseiten, hab mich jetzt auch näher mit dem Thema Barrierefreiheit von Dokumenten beschäftigt und auch Apps und am Rande auch Software, also Dokumentenmanagement- systeme oder andere installierbare Programme. Und seit etwa eineinhalb Jahren bin ich in der Überwachungs Stelle tätig. Das ist ein eigener Bereich bei uns im DZB Lesen, so wie das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen auch genannt wird.
Nadia David, iDESkmu
00:27:38
Was genau ist die Aufgabe dieser Überwachungsstelle?
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:27:42
Ja, vielleicht erst mal der Hinweis, wir haben neben der Überwachungsstelle noch einen zweiten Bereich bei uns im DZB Lesen, der sich mit Barrierefreiheit im digitalen Bereich beschäftigt. Also es gibt die Überwachungsstelle und es gibt die Prüfstelle  BIKOSAX. Beide separat, wie gesagt, voneinander, unterstützen öffentliche Stellen in Sachsen dabei digitale Barrierefreiheit umzusetzen, also für Webseiten, für Dokumente. Und ja, die Zuständigkeit ist so: BIKOSAX arbeitet eher auftragsbezogen, während die Überwachungsstelle durch die EU-Gesetzgebung entstanden ist und nicht kommerziell überprüft, ob gesetzliche Anforderungen erfüllt sind. Da ist es so, dass vor allem der öffentliche Bereich betroffen ist zurzeit. Es wird in den nächsten Jahren auch dazu kommen, dass der Privatsektor auch noch ein bisschen mehr einbezogen wird. Kann auch sein, dass das durch die Überwachungsstelle durchgeführt wird. Muss man mal sehen. Da es von der EU her vorgegeben der European Accessibility Act, der in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungs- gesetz umgesetzt wird. Und da wird es dann so sein, dass zum Beispiel der Onlinehandel auch von Barrierefreiheit betroffen ist. Also jeder der dann einen Onlineshop betreibt, muss diesen auch barrierefrei gestalten. Genauso jeder, der irgendwie was mit Bankdienstleistungen macht oder mit Mobilität, sei es im Fernbus, sei es irgendeine Schifffahrt auf dem Rhein oder so, da muss alles barrierefrei sein. Und das betrifft dann übrigens auch nicht mehr nur Webseiten, also diesen Bereich, an denen man direkt denkt, sondern auch irgendwelche Terminals, also Abfahrtsterminals im Nahverkehr, an Haltestellen oder Geldautomaten, also auch irgendwelche physischen Maschinen, Geräte, die irgendwo rumstehen, die müssen auch barrierefrei bedienbar sein.
Nadia David, iDESkmu
00:29:51
Vielleicht können Sie uns einen typischen Ablauf darstellen, wie Ihr Institut arbeitet.
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:29:58
Ja, die Überwachungsstelle arbeitet wie gesagt nicht kommerziell, die achtet nur darauf, dass die Anforderung eingehalten wird und dementsprechend ist es zufällig, welche Webseite oder welche App jetzt überprüft wird. Also es gibt in Deutschland auf Bundesebene eine Überwachungsstelle und es gibt auch in den einzelnen Bundesländern jeweils eigene Überwachungsstellen. Und da ist es so, dass die Bundes- überwachungsstelle erst mal die Bundesbehörden überprüft, während die in den Bundesländern die Stellen übernehmen, dann Landeswebseiten, kommunale Webseiten. Wobei man auch darauf achtet, dass man verschiedene Kategorien, Bereiche des Lebens überprüft, also beispielsweise was mit Gesundheit zu tun hat, mit Freizeit, mit Bildung, Verkehr, dass man da irgendwie eine Ausgewogenheit hat. Und es ist so, es wird zufällig dann eine Seite ausgewählt, es wird der Webseitenbetreiber oder der Betreiber von der jeweiligen App kontaktiert. Also in Sachsen machen wir das so, dass wir eine E-Mail schreiben und dann vielleicht auch noch mal abfragen bestimmte Daten, die man braucht. Es kann sein, dass es in einer App oder auf einer Webseite einen Login-Bereich gibt, wo man dann Testdaten braucht, um sich da überhaupt anzumelden. Und dann ist es so, die eigentliche Prüfung, die kann in zwei Arten stattfinden. Also es gibt die vereinfachte Prüfung, da schaut man sich erst mal die groben Barrieren an und schaut, dass überhaupt sich wenigstens die wichtigsten Sachen barrierefrei verhalten bzw. dass sich da eben auch noch was verbessert. Und auf der anderen Seite gibt es dann die eingehende Prüfung oder man kann auch sagen komplette Prüfung, wo man wirklich repräsentativ den ganzen Auftritt sich anguckt und da auch alle Anforderungen, die gesetzlich vorgesehen sind, in die Prüfung mit rein nimmt. Und dann nach der Prüfung ist es so, die öffentliche Stelle erhält dann einen Prüfbericht. Da werden die Barrieren beschrieben. Es wird auch beschrieben, wie man diese lösen kann. Und sollte die öffentliche Stelle damit jetzt auch noch nicht allein zurechtkommen, kann sie auch eine Beratung kostenlos bekommen von der Überwachungsstelle. Das heißt die Stellen sind dann auch nicht allein gelassen damit und die Überwachungsstelle ist nicht nur in der Rolle, ich hab jetzt mal den Zeigefinger und es muss umgesetzt werden. Sondern die Überwachung soll schon auch unterstützen. Es ist ja wichtig, dass für die Menschen mit Behinderungen sich etwas verbessert und da sollten alle gut miteinander zusammenarbeiten.
Nadia David, iDESkmu
00:32:59
Sie sind ja jetzt schon tatsächlich einige Zeit tätig als Überwachungsstelle. Gibt es denn so typische Probleme, die zu nennen wären, auf die Sie häufiger stoßen bei der Überwachung?
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:33:10
Ja, man kann erst mal unterscheiden, wenn man sich Webseiten anguckt, gibts ja Webseiten, die enthalten einfach viel Text, viel Information und dann gibt es Webseiten, die auch viel Interaktion haben. Also wo ich mit der Maus viele Links anklicken kann, wo ich mit der Maus in Formularfelder klicken kann und diese ausfüllen kann oder wenn man an richtige Web-Anwendungen oder installierbare Programme denkt, da hat man dann häufig Symbolleiste mit dabei, wo man verschiedenste Sachen anklicken kann, verschiedene Interaktionen haben kann. Und da ist so ein Hauptproblem, dass die Tastaturbedienbarkeit oft nicht gegeben ist, dass die einfach vergessen wird, weil die nicht eingeschränkten Menschen ja einfach die Maus nutzen können. Aber wenn ich eine zittrige Hand hat oder vielleicht eine Lähmung habe, kann ich keine Maus bedienen und dann muss ich auf die Tastatur ausweichen. Und so kann man sich so vorstellen, ich drück einfach öfter die Tabulatortaste, also die Taste links neben dem Q auf der Tastatur. Und da muss ich wirklich zu allen Elementen hinkommen, allen Links, allen Schaltern, allen mausbedienbaren Elementen und was zusätzlich wichtig ist: ich muss auch wissen, wo befinde ich mich gerade. Also wenn ich mit der Maus die Seite bediene, dann habe ich ja immer den Mauszeiger. Der zeigt mir an: Bin ich jetzt über einem bestimmten Symbol oder wo bin ich eigentlich? Das habe ich ja bei der Tastaturbedienung nicht, sondern da muss ich wirklich einen Rahmen oder eine farbliche Hinterlegung haben, damit ich auch sehe, wenn ich jetzt die Eingabetaste drücke, dann wird genau dieses Symbol hier ausgelöst. Und auch daran wird natürlich dann entsprechend weniger geachtet. Manchmal ist es sogar so, dass der Fokus, den ein Webbrowser bereitstellt, dass der sogar blockiert wird. Das ist dann natürlich das größte Problem. Das sind so die Tastatur bedienbarkeit, Tastaturfokus. Wenn man dann an seheingeschränkte Menschen denkt sind Kontraste wichtig. Da kann man sich praktisch vorstellen, wenn ich gelben Text auf weißem Hintergrund lesen muss, dann fällt es mir persönlich schon schwierig, auch wenn ich nicht eingeschränkt bin. Und für Menschen, die hier schlecht sehen können, ist es natürlich umso problematischer. Und vielleicht noch was, wenn man jetzt noch an blinde Menschen denkt, gerade so Symbole in der Symbolleiste, ein Drucken- Symbol beispielsweise, was bloß ein Drucker darstellt, kann natürlich ein blinder Mensch das nicht erkennen. Und da muss dann im Quellcode entsprechend auch dieses Drucken, diese Funktion Drucken hinterlegt sein, so dass ein Mensch, der jetzt - also ein blinder Mensch nutzt meistens ein Screenreader, das ist so eine Sprachausgabesoftware, die ihm eben vorliest, was am Bildschirm zu sehen ist. Und dieser Screenreader, der muss dann natürlich diesen Text auslesen können. Nur anders funktioniert das nicht. Pixel können nicht vom Screenreader erkannt werden und dann zu einem Symbol zusammengesetzt werden. Genau ja. Also als Alternativtext kann man das bezeichnen und den Alternativtext, den sehen normalsichtige Menschen normalerweise nicht. Außer, es ist so, dass bei einem Symbol direkt der Text darunter oder daneben hinterlegt ist, dann würde das auch sicherlich in vielen Fällen als Alternativtext verwendet werden. Aber in den meisten Fällen ist es unsichtbar für den normal sehenden Nutzer.
Nadia David, iDESkmu
00:37:15
Sie erwähnten selbst schon das Stichwort Formulare, die uns natürlich gerade auf Webseiten sehr häufig begegnen. Welche speziellen Anforderungen ergeben sich denn in diesem Bereich?
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:37:28
Bei Formularfeldern ist es so, wenn ich zum Beispiel ein Kontaktformular habe, was vielleicht die meisten kennen, dann muss ich fürs Vornamefeld, Geburtsdatumfeld und so weiter, muss ich erst mal eine Beschriftung haben. Die sollte nicht nur als Platzhalter vorhanden sein, sondern die sollte die gesamte Zeit sichtbar sein. Also auch wenn ich jetzt einen Wert eingetragen habe. Denn es gibt auch geistig eingeschränkte Menschen, die dann auch sehen wollen, was was habe ich ... Wofür steht dieses Feld? Es muss aussagekräftig sein. Also ich muss was anfangen können mit der Beschriftung und die Beschriftung muss verknüpft sein. Das ist vor allem wichtig jetzt wieder wenn ich mit dem Screenreader durch die Formularelemente gehe, zum Beispiel Geburtsdatumfeld, muss mir der Screenreader das auch vorlesen. Und wenn ich also mit Tabulator da rein gehe und das ist nicht verknüpft, dann müsste ich jetzt als Nutzer mal um das Feld herum suchen und mir überlegen, na ist die Beschriftung richtig, die Geburtsdatumüberschrift, oder vielleicht Straße und Hausnummer. Und dann komme ich in Probleme, wenn es eben ... Das ist dann bloß ein Ratespiel noch, wenn es nicht richtig verknüpft ist. Das sind so erst mal im Standardfall die Sachen. Jetzt kann es aber auch noch sein, dass Fehlermeldungen vom Formular produziert werden, wenn ich beispielsweise nicht alles ausgefüllt habe. Und dann ist es wichtig, dass diese Fehlermeldungen auffindbar sind, also dass die zum Beispiel, dass sich die Beschriftung von dem Eingabefeld ändert, dass dieses Feld eben auszufüllen ist oder dass die Fehlermeldung vor dem Formular ist. Und natürlich muss ich auch was anfangen können mit der Fehlermeldung. Also wenn da jetzt nur steht "Bitte prüfen Sie Ihre Angaben", weiß ich nicht genau, was ich falsch gemacht habe. Dagegen wenn da steht, das E-Mail Feld ist nicht ausgefüllt oder das muss ausgefüllt werden, dann weiß ich konkreter, was ich zu tun habe.
Nadia David, iDESkmu
00:39:37
Jetzt nimmt ja die Nutzung von mobilen Geräten wie Tablets oder Smartphones erheblich zu. Gibt es denn hier in diesem Bereich etwas, was besonders zu beachten ist?
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:39:49
Also erst mal ist es so, die gleichen Dinge sind oft auch am Smartphone oder Tablet zu beachten. Das heißt, ich muss auch eine Seite mit Tastatur bedienen können, denn es kann sein, dass ich mit Touch- bedienung halt auch Probleme habe als Mensch mit Behinderung und mir dann eine Bluetooth-Tastatur zum Beispiel anschließe. Also das muss genauso gegeben sein am mobilen Gerät auch natürlich Alternativtexte für einen Screenreader müssen vorhanden sein und vielleicht kann man sich vorstellen an einer Webseite, die Smartphoneansicht die ist nämlich häufig auch so die vergrößerte Ansicht, die ich am Desktop Rechner habe. Also wenn ich am Desktop Rechner oder am Notebook Steuerung und Plus-Taste drücke, dann kann ich mir die Ansicht vergrößern. Und wenn ich da häufig genug Steuerung und Plus-Taste drücke, dann wird irgendwann die Ansicht vom Smartphone dargestellt. Das hängt damit zusammen, dass der Browser das wie eine geringere Fensterbreite ansieht. Also man kann auch die Webseite, die jetzt so in der vollen Breite vielleicht in drei Spalten dargestellt ist, da kann man das Fenster sich mal schmal ziehen und man wird dann merken, wenn die Seite passend programmiert ist, dass irgendwann die Smartphoneansicht zu sehen ist, wo die Inhalte eben nicht mehr nebeneinander stehen, sondern übereinander. Und das sollte auch so sein. Deswegen, da das meistens so funktioniert, ist also jetzt eine Vergrößerung am Desktop Rechner weniger ein Problem. Allerdings, was in Bezug auf die Vergrößerung ein Problem sein kann, ist, dass bestimmte Funktionalitäten nicht mehr vorhanden sind. Also wenn wir an ein Dokumenten- managementsystem denken, wo wir vielleicht nach Dokumenten suchen können oder wenn wir an einer Bibliotheks- recherche denken, da können wir nach Titel und Autor sortieren. Bei den Dokumenten können wir vielleicht nach Erstelldatum, Änderungsdatum oder ähnlichem suchen und sortieren, meine ich. Und wenn diese Sortierfunktion dann nicht mehr vorhanden ist, dann ist natürlich eine wesentliche Funktion, die ich am normalen Rechner habe, plötzlich am Smartphone nicht mehr da. Und das ist dann eine Benachteiligung. Erst mal natürlich für die Menschen, die vielleicht ohne Einschränkung das Smartphone bedienen und dann eben auch für die Menschen, die diese Smartphoneansicht durch Vergrößerung an Ihrem Desktop Rechner sehen und deswegen muss man eben auch drauf achten, sind jetzt alle Funktionen, die ich am Desktop Rechner habe, auch in der Smartphoneansicht oder Tabletansicht vorhanden. Das ist so eines der Probleme die öfter da mal auftreten.
Nadia David, iDESkmu
00:42:49
Hmmm ja, damit haben wir einen ganz guten Einblick von Ihnen bekommen über so häufig auftretende Phänomene und was Ihnen in Ihrer Arbeitspraxis dann wohl auch häufiger mal begegnet. Vielleicht können Sie zum Abschluss unseres Gespräches für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer noch ein paar Tipps formulieren. Vielleicht eine Handlungsempfehlung, worauf zu achten ist, wenn es um die Erstellung solcher barrierefreier Seiten geht, aus Ihrem Erfahrungsschatz heraus einfach?
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:43:24
Ja, gern. Also wichtig ist vor allem erstmal, dass man immer die vorhandene Funktionalität von der Quelltextsprache, von der Programmiersprache nutzt, in der man jetzt diese Anwendung oder die Webseite programmiert. Also wenn ich HTML nutze, dann kann ich für eine Schaltfläche das Button-Element nutzen, was eben semantisch sagt, das ist jetzt eine Schaltfläche. Und was für ein Screenreader zum Beispiel wichtig ist, damit er das auch weiter an den Nutzer geben kann. Genauso, wenn ich jetzt in Java oder in C++ programmiere oder in irgendeiner anderen Sprache. Auch da gibt es immer für so eine Button- Schaltflächen, für eine Schaltfläche, so eine Button-Komponente und auch vorgesehene Beschriftungsmechanismen. Also das heißt, dass ich die Beschriftung auch verknüpfen kann. Meistens ist es dann so eine Eigenschaft von dieser Komponente, wo ich jetzt die Beschriftung reinsetzen kann und die sollte ich dann entsprechend nutzen. Das ist also quasi Semantik hinterlegen. Das ist so die wichtige Basis von allem. Dann sollte ich einfach mal, wenn ich meine Anwendung entwickle oder fertiggestellt habe, sollte ich nicht nur die Maus benutzen, sondern ruhig mal mit Tabulatortaste oder bei komplexen Komponenten, bei größeren Komponenten eventuell auch die Pfeiltasten zu Hilfe nehmen und gucken. Sehe ich überall wo ich bin? Komme ich zu allen mausbedienbaren Elementen hin und sind die auch mit der Eingabe-Taste auslösbar? Wenn ich jetzt vielleicht eine Windows- Anwendung programmiere, kann ich auch noch drauf achten, wenn ich so Fenster Bereiche habe, also wie im Windows Explorer gibt es ja beispielsweise den Menü Bereich. Da gibt es den Navigationsbaum und da gibt es den Datei-Inhaltsbereich oder die Status zeile, dass ich zu solchen Fenster bereichen vielleicht nicht nur mit Tabulator-Taste gelange, sondern auch mit der F6-Taste. Oder bei Webseiten kann ich dafür Sprung-Links nutzen. Das heißt, ich verlinke einfach bestimmte Regionen innerhalb der Seite und kann dann - das es eben auch für Tastaturbedienung dann so eine Vereinfachung - dass ich schnell zu bestimmten Bereichen hin springen kann. Und einfach diese also sich quasi hineinversetzen: wie ist es, wenn ich so ein Tastaturnutzer wäre? Kann ich dann auch alles bedienen? Einfach das ausprobieren. Dann hatte ich ja auch angedeutet, die Kontraste sind häufig ein Problem. Die sollte man einfach mal mit Kontrast-Werkzeugen prüfen, also kontrollieren, ob da die Werte stimmen. Da wird meistens auch angegeben, ist das ein guter Kontrast oder ist das ein schlechter Kontrast. Da gibt es im Internet jede Menge Kontrast- Werkzeuge herunterzuladen, die man eigentlich alle nutzen kann. Eine Möglichkeit ist der Color Contrast Analyser. Es gibt aber auch andere. Und einfach, dass man da auch sensibilisiert ist dafür und das Thema nicht aus den Augen lässt. Und wenn es so sein sollte, dass man irgendwelche Farben unbedingt benutzen muss, weil die vielleicht zur Corporate Identity gehören oder ähnliches, dann sollte man zumindest eine Einstellmöglichkeiten bieten, wo man dann höhere Kontraste für den Nutzer ermöglicht, sodass man da eben quasi einen Modus hat, wo es auch für Menschen, die schlecht sehen können, dann möglich ist. Und vielleicht dann eben jetzt noch einen vierten Punkt. Noch mal zu den Alternativtexten. Also wenn ich wirklich eine Symbolleiste habe mit vielen Bedienelementen, die nur grafisch sind, dann sollte ich da einen aussagekräftigen Alternativtext hinterlegen und dabei darauf achten da nichts kryptisches zu verwenden. Also wenn da jetzt irgendwie nur CMD 01 steht, steht für vielleicht so eine Abkürzung - für Command Button 01, was jetzt quasi Entwickler Sprache ist. Damit könnte dann ein Screenreader nichts anfangen. Oder der blinde Nutzer, der dann davor sitzt. Und auch das kann man ausprobieren. Man kann einfach mal mit einem Screenreader durch die Seite oder durch die Anwendung durchgehen. Also beispielsweise völlig kostenfrei ist der Screenreader in NVDA. NVDA kann man auch sagen, den kann man kostenlos downloaden. Ich kann mal die Webseite sagen, die findet man aber auch im Internet leicht, findet man unter www.nvaccess.org/download/ und da kann man einfach mal den installieren und dann nimmt man entweder die Tabulator Taste bzw. wenn man auch einfache Texte durchgehen will, einfach mal mit Pfeil nach oben, Pfeil nach unten, schaut man, ob man durch alle Inhalte durchkommt und wie die vorgelesen werden. Und dann würde einem so ein kryptischer entwicklerseitiger Überrest - CMD 01 oder irgendwas - würde einem dann auch gleich auffallen, so dass man das dann auch wieder zurückgeben kann oder korrigieren kann entsprechend. Und das sind so ein paar Dinge. Wenn man die beachtet, dann hat man schon einen großen Schritt gemacht und dann ist die Anwendung wesentlich besser für Menschen mit Behinderung nutzbar. Und die werden dann auch entsprechend mehr Freude daran haben und das vielleicht auch entweder sagen, auf die Seite gehe ich öfter, die Seite besuche ich öfter, da bin ich nicht frustriert und gebe auf. Oder wenn ich ein Programm habe, was ich zu installieren habe, dass man das vielleicht auch anderen weiter empfehlen kann, dass das Image dann auch entsprechend besser ist dann in der Gesellschaft quasi.
Nadia David, iDESkmu
00:49:28
Ein wichtiger Aspekt, um das Thema Barrierefreiheit vielleicht auch ins Bewusstsein zu heben. Die Bedienbarkeit wird im Grunde ja für alle Nutzerinnen und Nutzer erheblich verbessert. Es geht ja eigentlich bei der Barrierefreiheit nicht nur um Menschen, die eingeschränkt sind aufgrund einer Behinderung, sondern im Grunde ist diese Verbesserung für eine große Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern ja von Vorteil.
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:49:56
Ja, das ist richtig. Man kann sich vorstellen, man bricht sich irgendwie beim Skifahren den Arm und kann dann auch eine gewisse Zeit lang nicht die Maus bedienen, hat Schwierigkeiten beim Schreiben ja auch. Und genauso kann man auch eine Augenoperation haben, wo das Auge mal abgedeckt ist, wo es vielleicht auch nicht so einfach ist, was zu sehen. Im Alter. Bei Senioren werden die Sinne schwächer. Die haben auch nicht gleich eine Behinderung deswegen, aber sind zum Beispiel durch gute Kontraste ist denen dann auch schon geholfen. Es ist schon so, dass man bis zu 30 Prozent den Nutzern dann auch wirklich helfen kann. Damit und das ist doch ein gewichtiger Teil, würde ich sagen.
Nadia David, iDESkmu
00:50:46
Ja, Herr Fischer, ganz herzlichen Dank für den Einblick in die Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der Überwachungsstelle und besonders in Ihren Erfahrungsschatz - die interessanten Tipps für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer. Ich bedanke mich, dass Sie unser Projekt mit diesem Beitrag unterstützen und freue mich auf weitere Kontakte und möglichen Austausch. Für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer geben wir natürlich weitere Informationen in unsere Shownotes. Da wird es dann auch einen Link geben für den von Ihnen erwähnten Contrast Analyzer. Also ganz herzlichen Dank an Sie.
Johannes Fischer, Überwachungsstelle Sachsen
00:51:22
Ja, ich bedanke mich auch und wünsche viel Erfolg bei der Entwicklung der nächsten Webseite oder der nächsten Anwendung.
Nadia David, iDESkmu
00:51:31
Danke! Das Team von iDESkmu bedankt sich bei Michael Wahl und Johannes Fischer für die Unterstützung des Projekts durch ihre Beiträge in dieser Episode. Hier nochmals der Hinweis auf unsere Shownotes. Sie finden dort neben den Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern grundsätzlich umfangreiche Quellenangaben und Tipps rund um die Beiträge und Themen der Episode. In der nächsten Episode spricht Wolfgang Haase, externer Berater im Projekt iDESkmu, mit Uwe Boysen, Jurist, Diplom, Sozialwissenschaftler und ehemaliger Vorstand des DVBS und Richter am Bremer Amts-, Landes- und Oberlandesgericht über europäisches und internationales Recht bzw. Völkerrecht und Barrierefreiheit. Anschließend unterhalten sich Detlef Girke, ebenfalls externer Berater, und Joachim Voss von der Scientec Internet Applications and Media GmbH über internationale Normen und Standards zur IT Barrierefreiheit. Sollten wir Ihr Interesse geweckt haben, abonnieren Sie diesen Podcast und teilen ihn mit Ihrem Netzwerk und folgen Sie uns auf Facebook und Twitter. Lernen Sie uns noch besser kennen und besuchen Sie unsere Webseite unter www.projekt-ideskmu.de. Wenn Fragen offen geblieben sind oder sich neue Fragen für sie ergeben haben, dann senden Sie uns gerne eine Nachricht. Wir freuen uns darauf. Das war die Episode #05, der Podcast Serie KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN zum Projekt iDESkmu. Mein Name ist Nadia David. Vielen Dank für Ihr Zuhören!