KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN

iDESkmu

#08 - Führung im IT-Projektmanagement und sozialverantwortliche Beschaffung

ExpertenTalk mit Klaus Jäde, Consultant, und anschließend mit Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit des LWL

24.01.2022 45 min

Zusammenfassung & Show Notes

Hören Sie heute den ExpertenTalk von Wolfgang Haase, externer Berater im Projekt iDESkmu, und Klaus Jäde über das Thema Führung im IT-Projektmanagement. Klaus Jäde verfügt über 20 Jahre Erfahrung als Projektleiter, ist PMI zertifiziert und er spricht über historisch gewachsene Systeme, die auf neue gesetzliche Anforderungen und  Herausforderungen treffen.
Außerdem diskutieren in unserem zweiten ExpertenTalk  Michael Grosse-Drenkpohl vom Inklusionsamt Arbeit des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und nochmals Wolfgang Haase über eine musterhafte DMS-Arbeitsplatz-Lösung für vernetztes Arbeiten 4.0 nach den Kriterien des Design4all.

Informationen zu den Beteiligten

Wolfgang Haase, Externer Berater im Projekt iDESkmu und Inhaber whts
Diplom-Ökonom mit Schwerpunkt Internationales Marketing und Management, arbeitet seit vielen Jahren als Unternehmensberater, Projektmanager und im Business Development in Deutschland, Frankreich und Spanien

Klaus Jäde, Freiberuflich, Consultant, Jäde Consulting
im Einsatz als Service Delivery Manager bei der gematik GmbH
Bis 2021, Senior Project Manager, IBM Deutschland GmbH
https://www.xing.com/profile/Klaus_Jaede/cv
linkedin.com/in/klaus-jäde-88141520b

Micheal Große-Drenkpohl, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) - Inklusionsamt Arbeit -Referat Teilhabe
LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe
48133 Münster
soziales@lwl.org
Telefonisches Informationsangebot montags bis donnerstags von 8 bis 20 Uhr
unter 0251 591-5115

Weitere Informationen

Sozialverantwortliche Beschaffung - iDESkmu
https://www.projekt-ideskmu.de/infos-angebote/fuer-KMU-Verbaende-undVerwaltungen/sozialverantwortliche-beschaffung

Barrierefreier DMS-Arbeitsplatz - iDESkmu
https://www.projekt-ideskmu.de/infos-angebote/fuer-nutzer/barrierefreier-DMS-Arbeitsplatz

Beschaffung - Ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Beschaffungswesen

Transkript

Nadia David, iDESkmu
00:00:03
KLARTEXT. Der Podcast FÜR IT OHNE BARRIEREN. Interessante Informationen und wertvolles Wissen zur digitalen Barrierefreiheit in der Arbeitswelt. Ein Podcast zum Forschungsprojekt iDESkmu, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Federführung des Blinden- und Sehbehinderten- vereins Hamburg.
Nadia David, iDESkmu
00:00:27
Hallo und herzlich willkommen zur Episode #08. Mein Name ist Nadia David. Hören Sie heute den ExpertenTalk von Wolfgang Haase, externer Berater im Projekt iDESkmu, und Klaus Jäde über das Thema Führung im IT-Projektmanagement. Klaus Jäde verfügt über 20 Jahre Erfahrung als Projektleiter, ist PMI zertifiziert und er spricht über historisch gewachsene Systeme, die auf neue gesetzliche Anforderungen und Herausforderungen treffen. Außerdem diskutieren in unserem zweiten ExpertenTalk Michael Große-Drenkpohl vom Inklusionsamt Arbeit des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, kurz LWL, und nochmals Wolfgang Haase über eine musterhafte DMS-Arbeitsplatz-Lösung für vernetztes Arbeiten 4.0 nach den Kriterien des Design for All. In den Shownotes finden Sie auch heute die Timecodes zu den Beiträgen und Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern und Gästen. Erneut starten wir in die Episode mit einem kurzen Auszug aus einem bekannten Märchen.
Screenreader
00:01:33
Hänsel und Gretel. Es war einmal ein armer Holzfäller, der mit seinen Kindern, Hänsel und Gretel, am Rande eines großen Waldes lebte. Ihre Mutter war gestorben und der Vater hatte wieder geheiratet. Eines Nachts hörten die Kinder wie die Stiefmutter heimlich zum Vater sprach: “All unsere Vorräte sind leer, wir haben nur noch einen halben Laib Brot. Die Kinder müssen fort, wir sollten sie tief in den Wald führen, damit sie den Weg nicht wieder herausfinden; sonst müssen wir alle verhungern." Dem Vater wurde es schwer ums Herz. Doch er gab nach und willigte ein. Als die Alten schliefen, begann Gretel zu weinen. Hänsel tröstete sie: “Weine nicht! Versuch zu schlafen, der liebe Gott wird uns schon helfen.” Am frühen Morgen bekam jedes der Kinder ein Stückchen Brot. Auf dem Weg in den Wald bröckelte es Hänsel in der Tasche und warf nach und nach unbemerkt eine Brotkrume auf die Erde. Die Kinder wurden tief in den Wald geführt und der Vater entzündete ein großes Feuer. Die Stiefmutter sprach: “Bleibt hier sitzen, wenn ihr müde seid, könnt ihr schlafen. Wir gehen Holz hacken, und heute Abend holen wir euch wieder ab.” Als es Mittag war, schliefen sie ein. Der Abend verging, aber niemand kam. 
Nadia David, iDESkmu
00:01:58
Das war "Hänsel und Gretel", gelesen von Stefan aus NVDA, einem Open Source Screenreader in der Geschwindigkeit 80, beschleunigt. Hören Sie nun unseren ExpertenTalk.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:02:13
Guten Tag und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des Podcasts KLARTEXT für IT ohne Barrieren des Projektes IDESKMU. Wir sprechen heute mit Klaus Jäde über das Thema Führung und die damit verbundenen Themen. Damit Sie zunächst einen groben Überblick über seine Vita bekommen, zum Einstieg einige Schlaglichter. Er hat mehr als 20 Jahre Projektleitungs- erfahrung für ein großes internationales IT-Beratungsunternehmen sowie für mittelständische Internet Access Unternehmen in diversen Positionen vom Projektleiter bis zum Programm-Manager. Er ist Senior Projektmanager, PMI zertifiziert, verfügt über langjährige Erfahrung in komplexen System- Integrationsprojekten und organisationsweiten Veränderungs- programmen, darunter auch Themen wie die Einführung von Projektmanagement- Methoden und Projektmanagement-Coaching. Herr Jäde ist mit verschiedenen Branchen vertraut, insbesondere der Versicherungsbranche, der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch den privaten Krankenversicherungen und auch Behörden. Aktuell ist er im Umfeld der elektronischen Patientenakte und des E-Rezepts für die gematik tätig. In den Shownotes finden Sie Links zu seinem Xing- und LinkedIn-Profil.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:03:29
Herr Jäde, ich begrüße Sie und freue mich, dass Sie heute zu uns gekommen sind.
Klaus Jäde, Projektmanager
00:03:34
Guten Tag, Herr Haase. Ich freue mich auch, dass ich hier an dem Podcast teilhaben kann und das Thema mit ihnen besprechen kann.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:03:42
Sehen wir uns zunächst die aktuellen Rahmenbedingungen für die Unternehmen an. Mich würde vor allem interessieren, wie sich die Anforderungen, mit denen sich die Unternehmen konfrontiert sehen, im Projektmanagement niederschlagen.
Klaus Jäde, Projektmanager
00:03:55
Da muss man zunächst einmal schauen, wie sich die Anwendungen in den letzten Jahren entwickelt haben, den letzten Jahrzehnten. Die Komplexität, die wir dort finden, ist stark angestiegen. Wir haben neue Cloud-Lösungen, wir haben Artificial Intelligence Lösungen, die Apps nehmen immer mehr überhand und Sicherheitsthemen sind relevant. Es kommen aber auch regulatorische Themen hinzu. Die Datenschutz-Grundverordnung hat viele beschäftigt in der Vergangenheit. Regulatorische Anforderungen, wie auch den European Accessibility Act, worum es ja auch hier zum Teil geht, sind es, die das Unternehmen beschäftigen. Hier geht es dann insbesondere auch darum, dass diese Anforderungen auf historisch gewachsene Anwendungen treffen und in diesem Zusammenhang Architektur-Anforderungen aus der Vergangenheit nicht entsprechend berücksichtigt worden sind. Die Weiterentwicklung der Architekturen haben sich nicht niedergeschlagen in vielen Anwendungen. Wir haben neue Deployment-Verfahren, wir haben neue Testverfahren. Wir haben Möglichkeiten, auch effizienter zu arbeiten. Und das sind natürlich Herausforderungen bzw. Möglichkeiten, die für das Unternehmen neu sind und die jetzt zu diesen ganzen gesetzlichen Anforderungen auch noch hinzukommen und umgesetzt werden müssen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:05:17
Oh ja, das klingt sehr komplex. Welche Implikationen ergeben sich dann daraus für die Unternehmen?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:05:24
Ja, es entsteht in vielerlei Weise auch ein renovierungsbedürftig. Also die Anwendungen sind in der Weiterentwicklung auf einem Stand, wo es zu überlegen gilt, ob man dann auch die entsprechenden Architekturen ändern sollte. Also die Anwendungs-Architektur an sich, habe ich eine System-Architektur dahinter, wie zum Beispiel Cloud, die ich nutzen kann, die Vorteile für mich bieten. Ich kann Betriebsanforderungen heutzutage besser umsetzen. Es sind aber auch zum Teil organisatorische Aspekte, die dabei eine Rolle spielen und berücksichtigt werden müssen. Und in diesem Zusammenhang ist es jetzt so, dass das eine Beurteilung ist, die natürlich den gesamten ... die gesamte Anwendung betrifft und dort auch vom Projektleiter gemanagt werden müssen. All diese Anforderungen bzw. Aspekte müssen von ihm berücksichtigt werden, sodass er gar nicht mehr so fokussiert ist auf den reinen Anwendungsentwicklung-Anteil, sondern im Grunde genommen ein ganzes Programm leitet. Vielfach führt es dazu, dass er auch nicht mehr in die Fachlichkeit so tief involviert sein kann, weil andere Aspekte zu berücksichtigen sind und damit auch letztendlich der Projektleiter ja andere Aufgaben wahrnimmt. Wenn man jetzt auch noch guckt, was sein eigentliches Handwerkszeug angeht, das Entwicklungsvorgehen, das vielleicht noch historisch auf Basis des Wasserfall- Modells ausgerichtet ist, vielleicht sogar schon iterativ inkrementelle, dann ist trotzdem jetzt ein neuer Aspekt in die agile Projektmanagement- Vorgehensweise, die eventuell auch noch zusätzlich umgesetzt werden sollte. Wir sehen dort große Vorteile, weil auch diese Vorgehensweisen sehr eng gekoppelt sind mit den Architekturänderungen, mit den Anwendungskomplexitäten, die ich gerade eingangs genannt hatte.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:07:21
Es geht also um ein ganz breites Spektrum von Themen und Bereichen. Aber was bedeutet das konkret für das Unternehmen als auch die Mitarbeiter und vor allem natürlich auch für den Projektleiter?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:07:33
Ja, wenn wir uns jetzt im agilen Projektmanagement anschauen, wie die Rolle des Projektleiters ist, das ändert sich natürlich. Es ist nicht mehr der Projektleiter der eigentliche Ansprechpartner im Team für die fachlichen Themen. Wir haben den Scrum-Master, der dort das Team leitet und das Team ist selber auch häufig sehr stark in der Fachlichkeit. Sie haben Erfahrungen mit Anwendungs- architekturen, moderner Anwendungsarchitekturen. Diese Mitarbeiter sind in der Ausbildung, in der Universität oder auch in der Erfahrung, die sie im Beruf gesammelt haben, sehr stark und damit auch sehr begehrt am Markt. Es entsteht sozusagen ein Kampf um die Ressourcen, auch wenn ich es nicht so gerne verwende. Aber bei den Mitarbeitern ist auf jeden Fall ein Markt entstanden, das die von den Unternehmen gesucht sind. Und das wissen natürlich auch die Mitarbeiter.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:08:32
Ja, das klingt in der Tat herausfordernd. Worauf kommt es da besonders an oder wovon hängt es ab, ob ein Unternehmen erfolgreich ist dabei?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:08:42
Ja, ich glaube, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter dann eine ganz große Rolle spielt. Wir wollen letztendlich erreichen, dass die gehalten werden, dass sie im Unternehmen auch gebunden sind, dass sie in den Projekten sich auch selber einbringen können. Und das hat auch viel mit Agilität zu tun. Das, was heutzutage eben auch in dem Markt von den Mitarbeitern erwartet wird. Sie wollen und sollen eigenverantwortlich arbeiten und sie wollen dort auch sich einbringen können mit ihrer Erfahrung. Und insofern, das ist auch vielleicht wieder diese Aufgabe, muss ein Team geformt werden, das dann in dem ... ja in dem aktuellen Projektkontext oder in dem Unternehmen aus verschiedenen Charakteren Erfahrung herausgebildet werden. Wir haben sowohl die erfahrenen Mitarbeiter, die die Fachlichkeit sehr gut kennen, die auch aus der Historie heraus wissen, was der Kunde braucht. Wir haben auch die jungen Mitarbeiter, die dann die Anwendungsarchitekturen gelernt haben und wissen, wie sie einzusetzen sind und auch mit modernen Projektimplementierungs- möglichkeiten vertraut sind und da einen sehr großen Nutzen auch bringen, weil sie diese Verfahren eben auch schnell einbringen können ins Projekt. Zusätzlich haben wir die Aspekte, dass natürlich auch die Führungsaufgaben verteilt werden. Anders verteilt werden. Also auch ein Mitarbeiter Lead Aufgaben, Developer Aufgaben wahrnehmen möchte. Das möchte nicht jeder. Es gibt auch die anderen, die sozusagen einfach nur die Arbeit erledigen wollen, ohne dass sie jetzt den Führungsanspruch haben. Häufig werden die Projektteams ergänzt durch freie Mitarbeiter, dass dann das Team größer werden kann, wenn der Bedarf da besteht und letztendlich dazu auch unterschiedliche Ausbildungswege mit reinbringen. Also im Grunde genommen muss man sagen, dieses Team wird sehr divers aufgestellt und es sollte sehr divers aufgestellt werden. Wo ich persönlich sehr gute Erfahrungen mit habe, weil man dann auch aus den unterschiedlichen Erfahrungskontexten heraus, den - ich sage mal auch - das Teaming selber positiv beeinflussen kann.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:10:50
Hier tauchte der Begriff Eigenverantwortung, also das ist ja wohl so im Sinne des selbständigen Arbeitens zu verstehen, auf. Und mir stellt sich die Frage worin besteht dabei die zentrale Aufgabe des Projektleiters? Oder ganz provokant gefragt: Wozu braucht man dann überhaupt noch einen Projektleiter?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:11:11
Ja, berechtigte Frage. Natürlich haben wir in der agilen Welt den Scrum-Master, wie schon gesagt, der das Team eigentlich inhaltlich führt. Nichtsdestotrotz braucht man einen Projektleiter in einer bestimmten Größenordnung natürlich weiterhin. Also in den Vorhaben, wie ich sie jetzt geschildert habe, wenn Sie größerer, nicht nur funktionaler Weiterentwicklung, sondern auch eine Größenordnung annehmen, dass diese Architektur oder organisatorischen Aspekte berücksichtigt werden, ist das natürlich umso mehr notwendig, dass auch jemand oben über den Themen hinweg eine steuernde Funktion wahrnimmt, auch Probleme aus dem Weg räumt, die vom Team nicht selber gelöst werden können. Die übergreifende Kooperation mit anderen Projekten wahrnimmt. Auch die klassischen Projektmanagement- Disziplinen würde ich jetzt nicht außen vor lassen. Risikomanagement. Also Risiken identifizieren und Risiken managen und nicht zuletzt auch eine Kommunikationsaufgabe letztendlich nach außen, gegebenenfalls im Kontext eines Steuerungskreises oder bei dem Aspekt auch Kunden oder Verbände oder ähnliches zu informieren. Auch da hat der Projektleiter eine zuliefernde oder auch agierende Rolle und dementsprechend ist er schon vonnöten.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:12:27
Okay!
Klaus Jäde, Projektmanager
00:12:29
Ich habe auch ... ... Den Projektleiter so als dedizierte übergeordnete Instanz sehe ich nicht, sondern er agiert letztendlich im Teil eines Führungsteams. Dazu gehören auch, wie schon der Scrum-Master, der Product-Owner oder klassisch gesehen die Architekten, die Lead-Developer. Und insofern ist es auch Aufgabe des Projektleiters, dieses Team zu formen, eine Führungsmannschaft daraus zu machen und diese Führungsmannschaft dann mit dem Team auch zu verbinden und dann den Kontakt herzustellen. Die Aufgaben in dem Expertenteam zu verteilen und damit auch wieder die Eigenverantwortung im Team zu stärken und auch zu zeigen, das Vertrauen zu geben, dass das Projekt diese Verantwortung wahrnehmen darf, ist zu autorisieren, diese Verantwortung zu übernehmen und auch auszubilden. Und im Grunde genommen steckt dahinter, auch wenn man jetzt von den Führungsstile ausgeht, das Kooperative, der kooperative Führungsstil, die Zusammenarbeit zu fördern, enge Zusammenarbeit über die Ebenen hinweg zu fördern, die Rollen im Projekt zu managen, Initiativen aufzugreifen, Eigeninitiativen zu fördern, damit auch Kreativität freizusetzen und letztendlich in der Kommunikation auch offen zu sein, konstruktive Kritik entgegenzunehmen. Und damit wird auch der Respekt im Team gegenseitig gefördert. Das Vertrauen wird gefördert und ich glaube, das ist das Hauptziel, das man letztendlich auch in dem Führungskreis und insbesondere als Projektleiter, auch als formaler Kopf - irgendwo bleibt er ja das: Verantwortlich im Sinne Vertrag auch und die Leistung als verantwortlicher Kopf - diese, ja diese Führung umzusetzen in den Teams.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:14:20
Ja, Sie hatten ja gerade den kooperativen Führungsstil angesprochen. Ich habe den Eindruck, dass sich die ein oder andere Führungskraft damit noch schwer tut, das umzusetzen oder so zu denken. Deshalb eine Frage damit verbunden: Kann man von kooperativen Führungsstil eigentlich lernen?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:14:40
Oh ja, sehr, sehr schwieriges Thema. Man kann sehr viel lernen, aber hier ist es ja eigentlich ein Veränderungsthema an sich selbst und das ist nicht so ohne Weiteres umzusetzen. Also ich kann jetzt nicht aus dem Bullen ein Lamm machen oder aus dem Lamm den Löwen machen. Ich habe meine eigene Persönlichkeit und ich will die ja auch nicht vollkommen aufgeben. Ich will sie ja nicht so über Bord schmeißen und sagen, jetzt bin ich von heute auf morgen ein anderer Mensch. Das heißt also, ich kann diesem Veränderungsprozess nicht dadurch machen, dass ich ein Buch lese oder eine Schulung besuche, sondern ich muss zunächst einmal selber die Bereitschaft haben, in meiner eigenen Rolle, in meinem eigenen Beobachten meines Führungsstils auch Veränderungen zu akzeptieren, Veränderung zu adressieren und auszuprobieren, Dinge auszuprobieren, einfach auch. Und letztendlich zu reflektieren, ob es den gewünschten Effekt erzielt hat. Das ist auch im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung kein Schritt, den ich von heute auf morgen durchführe, fertig! Sondern immer dieses Wechselspiel zwischen Ausprobieren, Reflektieren, Verändern. Und ganz wichtig immer mit dem Team zusammen zu gehen, das Feedback aus dem Team einzuholen und dieses Feedback auch sozusagen in die eigene vorhandene, eigene Führungsweise dann zu überführen und auch zu ändern, wiederum in kleinen Schritten. Das zieht das Team. Also gerade dadurch wird aus meiner Sicht viel Respekt auch entwickelt, wenn man aus einer bestimmten Führungs- situation heraus sich dem agilen Projektmanagement im agilen Teams hin wendet, auch seine eigenen Handlungen, seine eigene Führungsweise zu verändern. Das honoriert das Team, das erzeugt Vertrauen und ich glaube das ist der wesentliche Baustein, um Teambildung zu vollziehen und das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Bindung, von der ich anfangs gesprochen habe, auch zu erreichen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:16:46
Wir haben über eine ganze Reihe von Themen gesprochen. Die Komplexität der heutigen Welt, der Renovierungsbedarf von Anwendung, der Kampf um die Mitarbeiter - ist wichtig. Wie man Teams bilden sollte und auch den kooperativen Führungsstil. Und was lässt sich daraus ableiten? Können Sie uns zum Schluss noch ein paar Empfehlungen mit auf den Weg geben?
Klaus Jäde, Projektmanager
00:17:06
Ja, es ist schwierig natürlich, jetzt sehr konkrete Empfehlungen zu geben. Die Situation ist ja in jeder Unternehmung anders und man muss immer individuell beurteilen, von welcher Situation gehe ich jetzt aus? Wie ist mein Status quo? Das sollte ich jetzt erst mal analysieren, insbesondere den Renovierungsbedarf feststellen. Auch dort zu sehen, was ist denn überhaupt der nächste beste Schritt? Aus meiner Sicht muss man diese Veränderung als Chance begreifen. Also auf die Veränderung eingehen und prüfen, welchen Vorteil hat sie für mich als Unternehmen, für das Projekt, für das Team? Und in jedem Fall glaube ich, sollte man vermeiden, diesen disruptiven Ansatz zu wählen, altes vollständig über Bord zu werfen und neu zu machen. Das überfordert viele, weil das Risiko dahinter natürlich auch nicht gering ist, dass man dann in einer Weiterentwicklung zu sehr in eine Sackgasse reinläuft. Deswegen muss man hier die Schritte bewusst wählen und in den entsprechenden Entwicklungsschritten auch sehen, dass man Zwischenergebnisse produziert, die für das Unternehmen, für die Anwendung, für die Mitarbeiter, für das Projekt einen Vorteil darstellen. In Summe kann man sagen, dass das Fazit eigentlich ist, frühzeitig anzufangen, das Projekt nicht unter einen Handlungsdruck gerät, weil gesetzliche Termine auf einmal anstehen und umgesetzt werden müssen und dann auf eine Vorgehensweise, die schnell, aber vielleicht nicht zukunftsgerichtet ist, eingegangen wird, sondern nehmen sie den Handlungsdruck raus. Prüfen Sie frühzeitig die Alternativen und haben damit auch die Möglichkeit, einen langfristigen Entwicklungsprozess und Veränderungsprozess aufzusetzen. Das wäre so ungefähr meine Empfehlung, die ich hier in einer etwas allgemeineren Form geben könnte.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:19:13
Herr, Jäde. Vielen Dank für diesen tiefen Einblick. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wenn der Wille zur Veränderung da ist, an vielen Stellen angesetzt werden kann, um trotz immer komplexerer Anforderungen gemeinsam mit allen Mitarbeitern erfolgreich zu sein. Vielen Dank und auf Wiedersehen!
Klaus Jäde, Projektmanager
00:19:29
Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen!
Nadia David, iDESkmu
00:19:35
Kommen wir nun zum Quiz und der Antwort auf die Frage aus der letzten Episode. Stimmt es, dass agiles Projektmanagement das Problem der Barrierefreiheit in IT-Projekten löst? Wolfgang Haase gibt uns hierzu die Antwort.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:19:48
Keine Projektmanagement Methode kann per se die Einhaltung der IT-Barrierefreiheit garantieren. Es bleibt unabdingbar, alle Beteiligten an die Hand zu nehmen und mit einzubeziehen. Beim agilen Projektmanagement mit Scrum sind zum Beispiel nicht nur einzelne, sondern alle Projektmitarbeiter mit dem Thema Barrierefreiheit konfrontiert. So kann man voneinander lernen und die zeitlich begrenzten Sprints auch dazu nutzen, bei eventuellen Fehlentwicklungen frühzeitig gegenzusteuern.
Nadia David, iDESkmu
00:20:16
In der nächsten Episode beantworten wir Ihnen die folgende Frage: Es geht um die Gewährleistung der IT Barrierefreiheit bei der Vergabe. Wie kann erreicht werden, dass als Resultat des Vergabeverfahrens ein barrierefreies Produkt bzw. eine barrierefreie Dienstleistung steht? Antwort A: Die Kriterien der IT-Barrierefreiheit müssen klar in allen Phasen definiert und kommuniziert werden. Dazu gehören unter anderem die einzuhaltenden Standards und Mindest- kriterien, die Vergabe- und Ausschlusskriterien sowie die geforderte Kompetenz des Anbieters. Antwort B: Da die Gewährleistung der IT -Barrierefreiheit in Vergabeverfahren sehr komplex ist, sollte unbedingt ein Experte oder eine Expertin beauftragt werden. Nur so kann vermieden werden, dass Anbieter potentielle Schlupflöcher nutzen und am Ende ein Produkt bzw. eine Dienstleistung den Zuschlag erhält, die nicht barrierefrei ist. Antwort C: Die gesetzliche bzw. rechtliche Lage insgesamt ist noch nicht eindeutig genug. Es gibt noch zu viele Schlupflöcher. Daher ist derzeit leider die Gewährleistung der Barrierefreiheit in Vergabeverfahren nur unzureichend möglich. Hören Sie nun unseren nächsten ExpertenTalk.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:21:38
Hallo Herr Grosse-Drenkpohl!
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:21:40
Hallo Herr Haase!
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:21:41
Wir haben heute die Gelegenheit, einen Einblick in die Beratungsarbeit vor Ort zu geben. Also bezogen auf die Gestaltung barrierefreier IT-Arbeitsplätze. Aber bevor wir starten, sollten wir uns unseren Zuhörerinnen und Zuhörern vielleicht kurz vorstellen. Möchten Sie anfangen?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:21:58
Ja, mach' ich gerne. Mein Name ist Michael Große-Drenkpohl. Ich bin von der Ausbildung Ingenieur, habe 1982 ein Studium abgeschlossen im Bereich Nachrichtentechnik, bin seit 1983 im Hilfsmittelbereich unterwegs, speziell im Schwerpunkt "Assistive Technik für blinde und sehbehinderte Menschen" und arbeite seit 2002 im LWL, Inklusionsamt Arbeit. Dort ist die Aufgabe Menschen mit Behinderung im beruflichen Kontext zu unterstützen und deren Arbeitgeber. Und dort speziell im Fachdienst für Menschen mit Sehbehinderung.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:22:37
Prima! Danke! Dann schließe ich mich dem gleich mal an. Mein Name ist Wolfgang Haase, ich bin von der Ausbildung her Diplom-Kaufmann mit einem Fokus auf Unternehmensführung und internationales Marketing. Ich beschäftige mich mit der Entwicklung von Projekten rund um das Thema "Wissen in Organisationen" und berate Unternehmen und Organisationen auch in diesem Umfeld. Steigen wir doch gleich in den Beratungs- alltag des Integrations-Fachdienstes ein. Das ist sehr interessant! Was erleben Sie denn jeden Tag? Was sind so typische Situationen und wo liegen die meisten Probleme?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:23:11
Vielleicht doch noch mal kurz ein Wort auf die Beratungs-Infrastruktur. In unserem Bundesland in NRW selbst da gibt es noch eine Zweiteilung zwischen dem Bereich Rheinland, da ist der LVR zuständig, und Westfalen-Lippe, LWL. Die Integrations-Fachdienste sind tatsächlich Dienste, die in unserem Auftrag arbeiten und eben wie gesagt direkt vor Ort betroffene Menschen unterstützen. Wir stehen und verantworten die Infrastruktur, sind aber auch als Spezialisten in Einzelfällen drin und haben noch ein Beratungszentrum, wo man eben betroffene Menschen unterstützt. Und dies Beratungszentrum ist auch unter anderem in der Lage Softwaretests durchzuführen. Was erleben wir jeden Tag? Bei uns nennt sich das "begleitende Hilfe im Beruf" und ist tatsächlich auch so gemeint, dass wir im Grunde ab einer gewissen Zeit, wo Menschen eben im Berufsleben einsteigen, tatsächlich bis zur Verrentung für die Zugänglichkeit zu Informationstechniken, für Unterstützung an Arbeitgebern, viele andere Dinge zuständig sind, da helfen können. Und das müssen wir natürlich mit entsprechendem Fach-Know-how unterstützen, weil die Anforderungen da sehr divers sind - kann man sich ja vorstellen: wo Menschen, die im Gartenbau arbeiten, bis zu Juristen, Richtern, auch im Medizinbereich ein sehr breites Spektrum mit sehr unterschiedlichen Anforderungen. Was man vielleicht in allen Bereichen feststellt, muss man sagen, es gibt ja kaum Menschen, die nicht mit Informationstechnik umgehen. Und sei es das Smartphone. Und da gilt es dann natürlich auch zu schauen, wie denn diese Informationstechnik zugänglich zu gestalten ist. Und das macht tatsächlich einen großen Teil unserer Arbeit aus.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:25:01
Gibt es denn da so typische Entwicklungen oder Tendenzen? Sie machen das ja eine ganze Weile schon. Und da gibt es ja sicherlich auch Änderungen, kann ich mir vorstellen, in den letzten 10 bis 15 Jahren.
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:25:12
Ja, absolut. Ich verfolge das ja jetzt schon fast seit 40 Jahren. Und es ist tatsächlich so, dass es am Anfang beim Einzug der EDV in Verwaltungen zum Beispiel häufig blinde und sehbehinderte Menschen die ersten waren, die überhaupt einen Computer hatten. Das hat sich natürlich mittlerweile ... Ja, ist schon lange nicht mehr so. Es ist einfach integraler Bestandteil an den Arbeitsplätzen. Aber mit der Einführung grafischer Oberflächen ergab sich natürlich auch gleich die Herausforderung, wie kann ich denn als Mensch mit einer Sprachausgabe, Braillezeile oder auch einer Vergrößerung da gut mitarbeiten? Und gerade bei den grafischen Oberflächen ist es tatsächlich eine große Herausforderung. Da wurden Screenreader entwickelt, die dann den Zugang ermöglichen. Es ist aber auch eine etwas andere Bedien- form, auf die man sich einstellen muss. Und in den letzten Jahren hinzugekommen ist neben den Anforderungen an die Barrierefreiheit auch noch die technische Infrastruktur. Also der klassische PC am Arbeitsplatz verschwindet und da haben wir dann häufiger mit Terminal-Server-Lösungen zu tun. Remote-Lösungen, die dann auch noch neben dem Zugang selber zur Anwendung ja auch noch im Umfeld besondere Herausforderungen an assistive Technik stellen. Also ganz konkret, man kann es ja mal an einem Beispiel machen: das, was früher mal in größeren Verwaltungen so der zentrale Rechner war, da gab es so Terminals, Terminal-Lösungen, da wurde auf dem PC ein Terminal simuliert. Dieses Terminal hatte schön 80 Zeichen und 25 Zeilen. Deswegen sind die Braillezeilen auch häufig 80 Zeichen lang, die heute eingesetzt werden. Das ist unter grafischen Oberflächen - eigentlich wäre es nur eine zufällige Länge - aber die basiert ... kommt halt aus der Zeit, als man noch den klassischen 80 mal 25 Bildschirm hatte, mit Zeichen. Und das hat sich ja komplett verändert. Und ganz selten findet man das tatsächlich noch mal wieder, dass es alte Arbeitsplätze oder Arbeitsplätze gibt, an denen noch so alte Anwendungen überlebt haben. Und das ist nicht mehr der Standard. Standard sind heute: diverses Umfeld von Webanwendung, von klassischen Anwendungen oder auch Apps, die genutzt werden, um eben auch aus der Ferne Daten aufzunehmen. Es wird immer bunter. Also so bunt wie die Welt ist, so bunt sind auch die Anforderungen an den Zugang über assistive Technik.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:27:49
Das ist sehr, sehr vielfältig. Der Ansatz. Also ich entsinne mich auch an meinen ersten Kontakt mit diesen ganzen Beritt barrierefreie IT. Und da ging es auch um die Kompatibilität von Betriebssystemen, von Browsern mit Hilfsmitteln. Und ich höre auch, dass heutzutage deutlich weniger Probleme bestehen, also dass das, was damals mit Windows XP oder oder wie sie alle hießen, Windows 2000, einfach auch noch sehr viel komplizierter war. Es ist heute wohl deutlich stärker schon verankert, also dieser ganze Gedanke der Barrierefreiheit in den Betriebssystemen. Wie ist denn so dieser Trend? Kann man da was sagen?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:28:33
Ja, die einen sagen so, die anderen so. Also das mit dem Verankern und Barrierefreiheit, da gibt es verschiedene Entwicklungen. Es gibt sehr positive Entwicklungen. Dazu gehören die verbesserten Zugangsmöglichkeiten in den Standard- Betriebssystemen, also die gerade wenn man auf den großen Standard in den Büros schaut (Bei Anwendungen reden wir ja über Windows) und dort ist eben im Betriebssystem tatsächlich auch mittlerweile ein Screenreader enthalten, der leidlich gut funktioniert. An vielen Stellen reicht es noch nicht aus, muss man noch auf kommerzielle Produkte zurückgreifen? Aber der wird ständig besser. Das ist tatsächlich eine sehr positive Entwicklung und auch Sprachausgabe ist integriert und eine Großschrift- Lösung, die auch deutlich besser ist. Mit dieser Lösung gestalten wir tatsächlich mittlerweile viele Arbeitsplätze. Das sehr positiv. Was tatsächlich noch nicht so durchdrungen ist, sagen wir mal eine grundsätzliche Haltung im Bereich der inklusiven Gestaltung, dass man also sagt: So, grundsätzlich schaffen wir nur noch Software an, die auch barrierefrei ist und gebrauchstauglich. Und da sind wir noch ein ganzes Stück davon entfernt. Und das macht auch einen wesentlichen Teil unserer Beratungsleistungen aus in dem Bereich.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:29:53
Was bedeutet denn inklusive Software, wenn wir das als Schlagwort nochmal kurz erläutern?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:29:58
Inklusiv bedeutet ja, dass man also Voraussetzungen schafft, so dass jederzeit alle Menschen mit allen Anforderungen tatsächlich so mit den Produkten auch arbeiten können. Es ist ja tatsächlich heute immer noch so, dass man auf eine konkrete Situation reagiert: also es gibt nur Rollout. Eine neue Software wird eingesetzt und man stellt fest, ach wir haben wir noch Menschen mit Handicap, die einen besonderen Bedarf haben. Und dann guckt man sich das erst an, wenn die Software eigentlich schon ausgespielt wird, was natürlich zu spät ist. Und Inklusion? Inklusion würde bedeuten, dass man sagt: Ja, ich habe hier eine Bewerbung für ein Praktikum. Da möchte mal jemand ein Praktikum bei uns machen, kann aber nicht sehen und ist angewiesen auf Assistenztechnik, dass man von vornherein sagen kann, ist kein Problem. Wir haben eine inklusive Software, die ist robust, da können wir einen Screenreader einschalten oder benutzen die Windows-Lösung, weil wir wissen, die funktioniert. Und dann können sich auch betroffene Menschen mit ihrer assistiven Technik einschalten und es geht. Also das wäre der inklusive Ansatz. Das sieht heute schon noch ... an einigen Stellen funktioniert's, aber an vielen Stellen muss man noch ein bisschen nacharbeiten und vor allen Dingen halt auch reagieren. Und dieses Nachziehen ist natürlich immer aufwendig - und ja, ist selten eine perfekte Lösung. Sowieso ein großes Wort. Aber an richtig gute Lösungen kommt man natürlich dann, wenn man es von vornherein mit eingeplant.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:31:25
Ja, das ist glaube ich ein Thema der Kommunikation. Sicherlich. Oder der Priorisierung im Unternehmen. Da würde ich gleich vielleicht nochmal daraufkommen. Aber ich finde, dass klingt ja schon wie so ein eigentlich Idealzustand. Zu sagen, es ist völlig egal, ob ich irgendwelche besonderen Bedarfe habe. Man kann sich eigentlich immer mit den Mitteln, mit den assistiven Techniken verbinden und kann arbeiten.
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:31:50
Das ist schon ein hehres Ziel. Ja, genau! Aber wir haben ja Beispiele, wo sich das so umsetzt, wenn ich so an den physischen Zugang zu Gebäuden denke. Es ist tatsächlich so bei Architekten und Planern ja mittlerweile auch gerade in dem Bereich völlig normal. Ich baue da, wenn ich Erhöhung habe, eine Rampe heran. Ich habe ja Aufzüge. Also Menschen, auch mit körperlichen Einschränkungen, kommen überall hin. Und das mache ich von vornherein, ohne dass ich jetzt vielleicht einen konkreten Fall habe, an dem das passiert. Und das ist natürlich auch die Idee, dass sich so etwas letztendlich durchsetzt im Bereich der Software und sagt: Ja, ich weiß ja gar nicht, wer morgen mit diesem Programm arbeitet, aber ich habe alle Voraussetzungen, damit es a) gut geht mit Menschen, die vielleicht auch nur eine leichte Verschlechterung haben im Sehvermögen, Hörvermögen, vielleicht auch motorisch, ist gerade das Thema Usability. Man fragt sich immer, wofür macht man es? Das Ziel ist ja immer, so auch mit Design for all, das so zu machen, dass es wirklich für alle Menschen gut ist. Und es ist häufig der Effekt, dass dann eben tatsächlich auch gut funktionierende Software nicht nur dann von betroffenen Menschen gut genutzt werden kann, sondern von allen. Und ja, das ist so die Herausforderung, das Ziel letztendlich, was man ja auch fordern und definieren können mit all den Kompromissen, die man auf dem Weg dahin so auch eingehen muss.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:33:21
Ja, natürlich! Genau das! Diese Gewöhnung, genau das, was sie hatten schon, diese Thematik, dass es mittlerweile selbstverständlich ist, dass ich Aufzüge und Treppen und Zugänge so gestalte, dass jeder auch - ohne, dass konkreter Bedarf darauf besteht - sie nutzen kann. Und das setzt sich langsam eben auch durch bei der IT, wenn man sieht, dass es eben genau so notwendig ist, sich da zu engagieren. Ja, das war so ein kleiner Einblick in diese technischen Entwicklungen. Aber es gibt ja auch noch andere Aspekte, die da eine Rolle spielen. Ich denke zum Beispiel die Kommunikation im Unternehmen. Welche Ansatzpunkte für die Entwicklung barrierefreier IT-Arbeitsumgebungen bieten sich denn da? Und worauf kommt es da vor allem an?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:34:10
Ja, das ist letztendlich auch nicht mit einem Satz zu beantworten. Es ist sehr divers an der Stelle. Aus unserer Erfahrung ist es natürlich immer gut, wenn das ... Wenn es zum Beispiel eine Integrationsvereinbarung gibt in Unternehmen, die sagt: Ja, wir verpflichten uns tatsächlich eben, Arbeitsplätze auch inklusiv zu gestalten. Das ist eine gute Lösung. Nicht selten ist es so, dass Schwerbehindertenvertretungen da gute Arbeit leisten. Und das muss aber dann eine Entscheidung sein, die von allen getragen wird. Und zum Tragen gehört natürlich auch das Verstehen. Und das ist tatsächlich etwas, wo man in der Kommunikation tatsächlich auch noch arbeiten kann und muss. Denn das empfinden ja viele - gerade so Projektmanager-, -Managerinnen im Verlauf so auch als Last so nach dem Motto: Ach! Barrierefreiheit müssen wir auch noch machen. Aber wir haben keine Zeit. Das Projekt muss fertig werden, sind sowieso schon oben drauf und mit der Zeit haben wir ein Problem. Und dann kommt im Nachhinein vielleicht noch so eine Forderung an die man gar nicht gedacht hat. Und das erzeugt natürlich gleich Widerstände. Und muss das sein? Oder welche Kompromisse können wir eingehen? Das ist tatsächlich dann die Herausforderung, das gut zu kommunizieren. Also je früher man einsteigt in die Projekte, desto besser ist es natürlich. Das ist grundsätzlich eine Frage der Haltung, natürlich. Ich sage, es ist für mich ist es wichtig, dass dieses Thema Integrationsvereinbarung angesprochen ist. Es gibt im Projekt iDESkmu eine freiwillige Selbstverpflichtung, die heißt Commitment barrierefreie IT. Und die soll genau das eben auch anregen. Das ist wirklich eine freiwillige Sache ist und dass eben alle im Prinzip das auch wollen. Und da kommen wir wieder zu dem ganzen Thema Haltung. Es geht weniger darum, dass von oben irgendwas befohlen wird, sondern dass Mitarbeiter grundsätzlich in Entscheidungen mit einbezogen werden und auch selber mitgestalten können. Das ist auch ein wesentlicher Punkt, der dazu gehört.
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:36:23
Es ist leider noch ein bisschen exotisches Thema und es gibt gar nicht so viel Beratungskapazität in diesem Umfeld. Das stellen wir auch immer fest. Also wir können das machen vom LWL Inklusionsamt Arbeit für Menschen mit Sehbehinderung, weil wir uns halt auch seit vielen Jahren intensiv mit assistiver Technik gerade im IT-Bereich auseinandersetzen. Und immer dann, wenn betroffene Menschen dann auch von Veränderungen betroffen sind, ist das ja unser gesetzlicher Auftrag, da einzusteigen. Es ist aber auch im gesamten Bundesgebiet bei den unterschiedlichen Ämtern auch sehr unterschiedlich gehandhabt. Es kann natürlich auch Dienstleistung einkaufen in dem Bereich. Das sorgt aber unter Umständen für Zeitverzögerung und ja, für zusätzliche Aufwendungen, die natürlich in irgendeiner Form auch finanziert und getragen werden müssen. Besser ist es wie gesagt, wenn man von vornherein so was in den Planungen mit drin hat. Und wir begrüßen das natürlich, dass so ein Einstieg überhaupt stattfindet, auch mit dem Ziel, dass man das über ein einzelnes Projekt auch dauerhaft verankert in Unternehmen, Behörden etc., sodass da das Thema Inklusion, was an der Stelle vielleicht gar nicht so im Fokus ist, weil Menschen, die assistierte Technik brauchen, wirklich auch darauf angewiesen sind. Das ist ja eher unter der gesamten Gruppe der Menschen mit Behinderung eine Minderheit. Und die, ja die hat man einfach nicht im Fokus, dann geht das auch schnell mal unter. Deswegen genau über ein Projekt schauen, das man dann so etwas dauerhaft verankert.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:38:08
Ich würde gerne kurz noch mal auf den Muster-Arbeitsplatz kommen, den wir beispielsweise kurz erwähnt hatten. Der ist ja eines der Ergebnisse des Projektes iDESkmu. Der Muster-Arbeitsplatz; kurze Erklärung: Es ist kein physischer Arbeitsplatz, sondern es geht darum, dass die grundlegenden Elemente eines Dokumentenmanagementsystems hier abgebildet werden und in Form von good practice-Umsetzungsbeispiel an verschiedenen Arbeitsplätzen entlang der Prozessketten abgebildet werden. Und hier werden natürlich auch Kriterien für vernetztes Arbeiten 4.0 und Design4All und diese ganzen konkreten Anforderungen berücksichtigt. Welche - das würde mich mal interessieren - welche Bedeutung kann so ein Musterarbeitsplatz für die Arbeit des Integrationsfachdienstes haben?
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:39:01
Ja, insgesamt ist es natürlich, wenn man sich in einem komplexen Beratungsumfeld befindet, so dass good practice- Beispiele immer helfen. Denn auch in der, auch für die Beratung, um eben komplexe Sachverhalte an einem konkreten Beispiel einfacher zu erklären. Parallel vielleicht das, was seit vielen Jahren ja eine Möglichkeit ist, zum Beispiel als blinder Mensch mit einem Smartphone zu arbeiten, wissen ja wenige. Aber viele haben ein geeignetes Smartphone in der Tasche. Tatsächlich ist es gar kein so exotisches Thema, weil wenn man das möchte oder auch braucht, dann kann man das jederzeit einschalten. Und wie zeigt man, wie und wo? Und dann wird es auf einmal ein ganzes Stück konkreter, weil diese Zugangsmöglichkeiten, die sich dadurch ergeben, anhand dieser Beispiele einfach konkret werden im Sinne von "Ich kann mir das selber mal anschauen und gucken, wie das funktioniert." Und das ist natürlich ein großer Vorteil für die Beratung an den Stellen, dass eben nicht nur über eine Norm weiterzugeben, sondern sozusagen so: Folgende Auswirkungen sind damit verbunden und so kann man sich das auch mal anschauen. Es ist auch ein Baustein von vielen. Es hilft auch häufig zu demonstrieren, was macht es denn für betroffene Menschen, wenn man einfach mal sieht, welche Auswirkungen Barrieren haben, dass man tatsächlich da nicht weiterarbeiten kann an bestimmten Stellen und dass Integrationsämter oder Inklusionsämter dann gefordert sind, um Vorlesekräfte für den Bildschirm zu finanzieren, weil die Software nicht barrierefrei ist. Also tatsächlich ein deutlicher Rückschritt, was wir auf jeden Fall vermeiden wollen. Denn überall da, wo betroffene Menschen selber autonom in eigener Kompetenz arbeiten können, sollen die das auch machen. Und der Arbeitgeber hat ja auch eine Pflicht, es letztendlich zu machen. Und die meisten engagieren sich ja auch dafür. Es ist schon so, dass man sagt, der Wille ist da, aber der Weg dahin ist steinig. Was müssen wir machen? Also das bedarf natürlich ein Stück weit Begleitung und Beratung.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:41:23
Ja, das ist in der Tat so. Aber mir wird mal wieder deutlich, wie viele Ansatzpunkte es bei diesem Thema gibt. Das, finde ich, ist eine gute Nachricht, dass es nicht nur einen einzigen, sondern viele Wege gibt, die nach Rom führen. Und jeder dieser Wege bietet Möglichkeiten, sich zu verbessern und auch positive Effekte wie Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung zu schaffen. Und das ist eben auch völlig unabhängig von dem Thema Barrierefreiheit oder noch spezieller IT-Barrierefreiheit.
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:41:54
Ja, und es ist essenziell auch für die Entwicklung betroffener Menschen und Unternehmen. Wir erleben das natürlich schon, dass sagen wir mal Einsatzbereiche definiert werden durch den Grad der Barrieren von Anwendungsprogrammen. Dass einige betroffene Menschen in bestimmten Bereichen gar nicht arbeiten können, weil dort Programme eingesetzt werden, die nicht zugänglich sind. Und das gilt es natürlich dauerhaft zu vermeiden. Es ist tatsächlich dann auch der Ansatz eben mit dem Potenzial, das ja letztendlich auch da ist, auch für Unternehmen zu wachsen und es letztendlich auch auszuschöpfen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:42:31
Ich glaube, wir haben einige Bereiche gestreift, die hier ganz interessant sein können auf dem Weg zur IT-Barrierefreiheit im Unternehmen. Und ich glaube, wir sollten auch damit unsere kleine Runde hier beschließen. Und es gibt ja in diesem Kontext noch andere Podcasts und Beiträge, die dieses Thema ergänzen. Und ich bedanke mich an dieser Stelle für Ihre Bereitschaft und freue mich, wenn wir uns hier wieder hören. Und auf diesem Kanal.
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:42:57
Ja sehr gerne. Vielen Dank für's Interesse. Und Streifen stimmt, weil man kann natürlich zu jedem Punkt noch deutlich mehr machen. Aber das ist ja nur ein Anreißen und keine Beratung, die wir im Rahmen eines Podcast durchführen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:43:15
Genau das ist nicht das Ziel der ganzen Sache. Vielen Dank!
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:43:19
Ja, gerne, Herr Haase. Alles Gute!
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:43:21
Danke Ihnen! Bis dann!
Michael Große-Drenkpohl, Inklusionsamt Arbeit
00:43:23
Bis bald!
Nadia David, iDESkmu
00:43:26
Das Team von iDESkmu bedankt sich bei Klaus Jäde und Michael Große-Drenkpohl für die Unterstützung des Projektes iDESkmu durch ihre Beiträge. Und wieder der Hinweis auf unsere Shownotes: Sie finden dort neben den Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern grundsätzlich immer umfangreiche Quellenangaben und Tipps rund um die Beiträge und Themen dieser Episode. In der nächsten Episode spreche ich mit Stefan Schnürer vom Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern über Standards und Mindeskriterien in der Beschaffung von IT-Dienstleistungen und -Produkten sowie das Verfassen von Leistungsbeschreibungen und Vergabekriterien. Im Anschluss befrage ich Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu, zum BITV-Test, dem BITi-Anwendungstest und weiteren Verfahren zur Prüfung von Anwendungssoftware auf Barrierefreiheit. Wir freuen uns, wenn wir Ihr Interesse wieder geweckt haben. Abonnieren Sie diesen Podcast und teilen Sie ihn mit Ihrem Netzwerk und folgen Sie uns auf Facebook und Twitter. Lernen Sie uns noch besser kennen und besuchen Sie unsere Webseite unter www.projekt-ideskmu.de Sollten Fragen offen geblieben sein oder haben sich neue Fragen für Sie ergeben? Dann senden Sie uns gerne eine Nachricht. Wir freuen uns darauf. Das war die Episode #08, der Podcast Serie KLARTEXT für IT ohne Barrieren zu dem Projekt iDESkmu. Mein Name ist Nadia David. Vielen Dank für Ihr Zuhören.