KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN

iDESkmu

#10 - Handreichung zur Identifikation von Software-Accessibility-Mängeln ohne Vorkenntnisse sowie Unternehmenskommunikation

Vortrag von Detlef Girke über Projektergebnisse von iDESkmu & Cornelia Dill mit Tipps für eine gute Unternehmenskommunikation

21.02.2022 28 min

Zusammenfassung & Show Notes

Hören Sie einen Vortrag von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu, zum Thema 
Handreichung zur Identifikation von Software-Accessibility-Mängeln in der Praxis ohne besondere technische Kenntnisse.
Im Anschluss gibt uns Cornelia Dill Einblicke in Ihre Erfahrungen als Business Trainerin und Systemischer Management Coach im Bereich Unternehmenskommunikation.


Transkript

Nadia David, iDESkmu
00:00:04
KLARTEXT. Der Podcast für IT OHNE BARRIEREN. Interessante Informationen und wertvolles Wissen zur digitalen Barrierefreiheit in der Arbeitswelt. Ein Podcast zum Forschungsprojekt iDESkmu, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, unter der Federführung des Blinden- und Sehbehinderten- vereins Hamburg.
Nadia David, iDESkmu
00:00:27
Hallo und herzlich willkommen zur Episode #10! Mein Name ist Nadia David. Hören Sie einen Vortrag von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu zum Thema Handreichung zur Identifikation von Software-Accessibility- Mängeln in der Praxis ohne besondere technische Vorkenntnisse und im Anschluss gibt uns Cornelia Dill Einblicke in ihre Erfahrungen als Business Trainerin und Systemischer Management Coach im Bereich Unternehmenskommunikation. In den Shownotes finden Sie die Timecodes zu den Beiträgen und Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern. Zum Einstieg in die Episode hören Sie einen kurzen Auszug aus einem bekannten Märchen.
Screenreader
00:01:15
Der Wolf und die sieben Geißlein. Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein. Eines Tages wollte sie in den Wald gehen, um Futter zu holen und sprach: “Liebe Kinder, seid auf der Hut vor dem Wolf, wenn er hereinkommt, dann frisst er euch alle mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner rauen Stimme und an seinen schwarzen Füßen könnt ihr in leicht erkennen.” Die Geißlein erwiderten: “Liebe Mutter, wir wollen uns in Acht nehmen, du kannst ohne Sorge in den Wald gehen.” Da meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg. Es dauerte nicht lange, da klopfte jemand an die Haustür und rief: „Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von Euch was mitgebracht.“ Aber die Geißen hörten an der rauen Stimme, dass es der Wolf war, „Wir machen nicht auf,“ riefen sie, „du bist nicht unsere Mutter, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber deine Stimme ist rau. Du bist der Wolf.“
Nadia David, iDESkmu
00:01:27
Das war "Der Wolf und die sieben Geißlein", gelesen von Katja aus NVDA, einem Open Source Screenreader in der Geschwindigkeit 90, beschleunigt.
Nadia David, iDESkmu
00:01:42
Kommen wir zu unserem ersten Vortrag.
Detlef Girke, Externer Berater
00:01:44
Schönen guten Tag, mein Name ist Detlef Girke und ich erzähle Ihnen heute etwas zu einem projektinternen Projekt im Rahmen von iDESkmu -  inklusive Dokumentenmanagementsysteme und Enterprise Content Managementsysteme in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Und zwar ... Es geht um Handreichungen. Handreichungen zur Identifikation von Barrierefreiheit ohne technische Vorkenntnisse. Ohne technische Vorkenntnisse deswegen, weil mir im Laufe meiner Arbeit, in meiner beruflichen Betätigung, Prüfungen und vor allen Dingen Begegnungen mit Menschen mit Behinderung oder auch ohne Behinderung immer wieder aufgefallen ist: "Mensch, es gibt unglaublich viele Barrieren, für die braucht man keine technischen Vorkenntnisse, für die muss man sich nur ja anständig ärgern können und anständig merken können, liegt es an mir oder liegt es jetzt an der Anwendung, die ich gerade benutze?" Das sind ein paar Beispiele, wenn ich zum Beispiel zu kleine Schriften sehe in einer Anwendung und diese kleinen Schriften nicht vergrößern kann, das passiert manchmal (eine ältere UI Technik zum Beispiel aus den 90er oder Anfang 2000er Jahren. Das ganze transportiert in eine Windows Umgebung der heutigen Zeit und schon lässt sich nichts vergrößern) man muss mit sehr kleinen Schriften leben oder eben, ich habe sogar gehört, dass man selbst wenn man die Auflösung verändert, es sich nicht ändert. Das ist also eine sehr fatale Situation. Oder Schriften, die zu dünn sind. Da werden Standardschriften zwar genommen, also unter Windows 10 ist das jetzt zum Beispiel die "Segoe UI" Schrift. Und dann gibt es ja so was wie eine von font-weight. Das wird im Webbereich im Style Sheet zum Beispiel festgelegt und eine normale Schriftdicke fängt so bei 500 an. Bei 600 wird es schon ein bisschen viel dicker, aber 500 sollte schon eingehalten werden. Aber die Schritte sind relativ krass. Wenn man also nur auf 400 zum Beispiel runtergeht, dann kann es passieren, dass die Schrift sehr, sehr dünn dargestellt wird. Und obwohl sie sämtliche Kontrast- anforderungen erfüllt, wird sie dann von Menschen mit Sehbehinderung als grau wahrgenommen. Und das kann man einfach sehen, während man eine Anwendung benutzt. Und sobald man sich dessen bewusst wird, kann man sich das notieren. Das braucht kein Expertenwissen, das kann einfach so geschehen. Kontraste, die zu gering sind. Also entweder entstanden durch zu dünne Schriften oder eben auch durch andere Dinge, die können einem natürlich auch auffallen. Symbole ohne Erklärung sind auch so ein Beispiel. All das sind Dinge, die man direkt festhalten kann und ohne technische Vorkenntnisse ja den entsprechenden Prüfschritten zuordnen kann. Manchmal ist es aber auch so: Die Symbole ohne Erklärung, ohne eingehende Erläuterungen, die gehen schon genau in diese Richtung. Manchmal haben wir gar keinen richtigen Anhaltspunkt, bemerken irgendetwas stimmt nicht, irgendwas ist nicht in Ordnung, ich komme in dieser Anwendung nicht so gut klar, wie ich es gerne hätte, aber ich weiß einfach nicht, woran es liegt. So, also Symbole ohne Erklärung sind ein ganz typisches Beispiel dafür. Nehmen wir zum Beispiel eine App, eine mobile App und mobile Apps arbeiten gerne nur mit Symbolen. Und ich merke: "Hm, wenn ich jetzt mit dieser App klarkommen möchte, dann muss ich ausprobieren. Wenn ich aber ausprobiere, könnte ich was kaputt machen. Ich will aber nichts kaputt machen" und so weiter und so fort. Und sobald man an dieser Stelle ist, könnte man spätestens merken: "Okay, das ist jetzt etwas, was nicht an mir liegt, sondern ich bin hier gezwungen, etwas auszuprobieren, was ich eigentlich noch gar nicht ausprobieren möchte." Und schon hat man wieder eine neue Barriere entdeckt. Symbole ohne Erläuterung, keine Alternativtexte und so weiter. Wenn wir also irgendwie das Gefühl bekommen, dass wir keine Kontrolle mehr über das haben, womit wir gerade arbeiten, wenn wir dieses Unbehagen spüren irgendwas stimmt hier nicht. Irgendwie tut der Computer gerade so, als wenn ich schuld wäre, dann genau dann ist der Moment da, wo wir eine Barriere höchstwahrscheinlich entdeckt haben. Und dann ist es sinnvoll, sich wirklich näher damit zu beschäftigen und zu schauen, was macht mir eigentlich genau dieses Unbehagen? Und dieses Unbehagen ist ein sehr, sehr weitreichendes oder ein hinreichendes Indiz für mögliche Barrieren. Ja, Symbole ohne Beschriftung haben wir schon gesagt. Also mobile Apps. Aber dazu kommt auch noch ein z. B. unübersichtlicher Aufbau. Ich habe schon so viele Anwendungen gesehen, die ... Ja, die eigentlich gar nicht so komplex waren, aber unglaublich komplex wirkten auf den ersten Blick. Und dann fing ich an, ja das zu bearbeiten und merkte auf einmal: "Hm, das ist ja alles gar nicht so schwer." Aber zunächst mal war ich wirklich abgeschreckt. Und dieser unübersichtliche Aufbau bedeutet häufig auch, dass viel zu viele kleine einzelne Bereiche definiert wurden, die man eigentlich zusammenfassen könnte zu einem logischen Etwas und schon hätte man eine größere Übersichtlichkeit und diese kleinen Einzelbereiche, wenn einem so was auffällt - die Chance stets sagen wir mal 70 zu 30 ungefähr, dass diese kleinen Bereiche keine Namen besitzen und schon kann man auch wieder sagen: "Hier bitte mal checken. Haben diese Bereiche überhaupt Namen? Und warum ist das überhaupt so unübersichtlich aufgebaut?" Und schon hat man Prüfschritte in Form von Tastaturbedienungs-Reihenfolge, dann Orientierung, dann fehlende Bezeichnungen usw. Also schon drei Prüfschritte - rein technische Rückschritte -, die einfach nur aus der Intuition heraus ja bewältigt worden sind. Genauso leitet das natürlich über zu dem Thema komplizierte Bedienung. Wenn ich drei oder vier Klicks machen muss, um eine Aktion durchzuführen, dann ist das zu kompliziert. Und wenn ich dann dazu noch zum Beispiel auf so unerwartete Kontextänderung stoße. Das ist in sich schon zwei Prüfschritte. Also es gibt die unerwartete Kontext- änderung bei Maus-Bedienung und eben die unerwartete Kontextänderung bei Fokus durch eben den Tastatur-Fokus. Wenn das passiert und zum Beispiel oberhalb eines Buttons oder eines Tabellenkopfes plötzlich bei Fokussierung des Tabellen- kopfes ein neuer Bereich aufgeht, dann kann zum Beispiel ein Mensch, der blind ist, damit nichts anfangen. Aber auch sehende Menschen sind meistens eher unangenehm überrascht, wenn das, woran sie sich vorher gewöhnt haben, von der Nutzung her plötzlich komplett anders aussieht. Das bedeutet ja auch, man muss sich erst mal wieder neu mit etwas beschäftigen, mit dem man sich eigentlich gerade gar nicht beschäftigen wollte, sondern man wollte sich mit einer Tabelle beschäftigen. Jetzt muss man sich plötzlich wieder mit dem beschäftigen, was sich oberhalb der Tabelle befindet. Und auch so was ist anstrengend. Und es ändert natürlich dann auch die Bedienweise und führt zu weiteren Irritationen. Auch eben etwas, was sich technisch festhalten lässt anhand von harten Kriterien, was aber gespürt werden kann. Einfach nur so im Alltag, während man eine Anwendung nutzt. Deswegen machen wir diese Handreichung, damit das identifiziert, aufgeschrieben werden kann und in Kommunikation mit der Entwicklungsabteilung hoffentlich dann auch behoben werden kann. Ja, was können wir denn tun? Ja, man kann natürlich Bedienungsanleitungen lesen. Wer will das schon? Also ich persönlich bin ja jemand, ich lese gerne Bedienungsanleitungen. Mir macht das Spaß, weil ich wissen will, was kann meine Anwendung und was, wie kann ich mehr in die Tiefe drängen? Aber ich bin da wirklich nach hunderten von Gesprächen mit Freunden und Kunden, ich bin da wirklich die rühmliche Ausnahme. Kein Mensch oder fast keiner liest gerne Bedienungsanleitungen und das sollte auch die Regel bleiben. Eine Anwendung sollte zumindest in ihren Basisfunktionen auch ohne Bedienungsanleitung bedienbar sein. Dann gibt es natürlich die Möglichkeit, wenn man auf eine solche Barriere stößt oder nicht mehr weiterkommt oder anfängt sich unwohl zu fühlen mit der Anwendung, man kann den Support anrufen. Ja, aber dann kommt immer die große Frage: "Darf ich den Support überhaupt anrufen oder ist mein Vorgesetzter dann sauer? Kostet das was? Erzeuge ich dann ohne Wissen meiner Vorgesetzten irgendwelche Kosten, für die ich dann nachher Ärger bekomme?" und so weiter. Und weil niemand diesen Ärger will, ruft er erst mal natürlich nicht den Support an. "Und weiß ich überhaupt, welche Supportmöglichkeiten es gibt. Oder muss ich mich dafür auch erst mal erkundigen?" Also es ist schon besser, solche Dinge intern zu sammeln und intern gezielt zu protokollieren und das dann intern auch zu kommunizieren. Und wer dann den Support anruft, wer sich dann noch Unterstützung holt, das kann man dann zu einem späteren Zeitpunkt sehen. Auf jeden Fall erhalten Sie genau für das, was ich eben beschrieben habe, Unterstützung durch iDESkmu. Wir sorgen nicht nur dafür, dass Ihre Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens sich verbessern. Wir sorgen auch dafür, dass Sie gute Möglichkeiten haben, Ihr Unwohlsein bei der Nutzung von Anwendungsoftware zu protokollieren und so gezielt auszudrücken, dass es auch innerhalb Ihres Unternehmens perfekt kommunizierbar ist und ja im Idealfall zu einer besseren Anwendung führt und vor allen Dingen zu einem besseren Lebensgefühl am Arbeitsplatz. Und jetzt erhalten Sie die Antwort auf die Frage aus der letzten Episode: Ist es möglich, Software-Accessibility- Mängel im beruflichen Alltag zu erkennen, ohne über besondere technische Kenntnisse zu verfügen? Wolfgang Haase fasst die Ausführungen von Detlef Girke zusammen und gibt uns die Antwort auf die Frage.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:12:10
Ja, denn selbst wenn auf diese Weise keine erschöpfende Einschätzung der Barrierefreiheit einer Anwendung möglich ist, können bereits viele wesentliche IT-Barrieren erkannt werden. Dazu zählen insbesondere zu kleine und feine Schriften, zu geringe Kontraste, Symbole ohne Erklärungen und fehlende Alternativtexte. Diese Mängel der Barrierefreiheit sind den entsprechenden Prüfschritten der Prüfverfahren zuordenbar und das ganz ohne technische Vorkenntnisse.
Nadia David, iDESkmu
00:12:38
Und hier die Frage, die wir Ihnen in der nächsten Episode wieder beantworten werden. Unternehmensinterne und auch unternehmens- übergreifende Zielvereinbarungen bieten zahlreiche Potenziale zur dauerhaften Sicherstellung der IT- Barrierefreiheit im Unternehmen. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit geeignete Zielvereinbarungen ausformuliert, abgeschlossen und umgesetzt werden können? Antwort A: Die Ausarbeitung von Zielvereinbarungen sowie deren Ziele und Inhalte erfolgt auf Anordnung der Geschäftsleitung. Sie allein legt fest, was hier enthalten sein soll und beschreibt auch empfohlene Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Antwort B: Zielvereinbarung sind das Ergebnis von multilateralen Verhandlungen zwischen der Geschäftsführung, Belegschaftsvertretern und auch Interessenvertretern. Sie alle erarbeiten und beschließen gemeinsam die Ziele und Inhalte einer Zielvereinbarung. Dieser Prozess erfolgt offen und transparent für die gesamte Belegschaft. So wird sichergestellt, dass alle im Boot sind und auch auf potenzielle Widerstände kann frühzeitig reagiert werden. Antwort C: Bei Zielvereinbarungen liegt die Tücke im Detail. Eine unklare Regelung kann die ganze Vereinbarung zum Kippen bringen. Um dies zu vermeiden, sollte die Geschäftsleitung unbedingt externe Kompetenz einbeziehen. Gemeinsam mit diesen Experten kann dann eine wasserdichte Lösung erarbeitet und implementiert werden.
Nadia David, iDESkmu
00:14:15
Hören Sie nun den Vortrag von Cornelia Dill.
Cornelia Dill, Business Trainerin
00:14:19
Schönen guten Tag, mein Name ist Cornelia Dill. Als Business Trainerin und Coach unterstütze ich seit vielen Jahren Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen. Dabei steht ein Thema immer wieder im Mittelpunkt. Wie kommuniziere ich mit meinen Kolleg*innen, mit Mitarbeiter*innen, mit Kund*innen, mit Patient*innen und natürlich auch, wie kommuniziere ich im privaten Bereich? Führungskräfte fragen mich häufig, wie sie positive und negative Nachrichten transportieren können, wie sie Feedback geben, wie sie ihre Mitarbeiter*innen motivieren, wirkungsvoll Kritik äußeren, Veränderungen ansprechen und andere Themen. Im Vertrieb taucht beispielsweise die Frage immer wieder auf: "Wie gehe ich mit schwierigen Kunden um?" Das heißt, die Frage "Wie sprechen wir miteinander?" ist in der Führung, im Vertrieb und in der Zusammenarbeit sehr präsent. Heute möchte ich Sie für das Thema Kommunikation sensibilisieren. Vor einigen Jahren hieß es, das Thema Kommunikation ist im Trainings- und Coaching Bereich gesättigt. Ich habe diese Aussage, die aus einer Studie stammt, für mich damals so übersetzt, dass Kommunikation in den Unternehmen gut klappt. Ich erlebe häufig andere Situationen und immer wieder höre ich von unglaublich vielen Menschen den Ruf nach mehr Kommunikation, besserer Kommunikation oder zielgerichteter Kommunikation. Kommunikation findet in Unternehmen täglich statt und ist in meinem Erleben wichtiger denn je. Ich habe Ihnen zwei Beispiele dazu mitgebracht. Im ersten Beispiel geht es darum, wie wir in alltäglichen Situationen miteinander sprechen. Zum Beispiel unter Kolleg*innen in Meetings, mal kurz auf dem Flur, in der Mittagspause, in der Kantine oder in anderen Situationen. In dem Unternehmen, von dem ich Ihnen jetzt gleich berichte, erlebte ich oft einen recht rauen und direkten Umgangston. So fragte zum Beispiel eine neue Kollegin in eine Gruppe auf dem Flur, da standen also einige Kolleg*innen zusammen, "Wo befindet sich in diesem Teil der Firma eigentlich die Toilette?" Die Antwort kam prompt: "Immer der Nase nach. Wirst du schon finden." Begleitet von Gelächter. Ich war gespannt auf die Fortsetzung und war doch überrascht, dass wenig passierte. Die Gruppe der Kolleg*innen wendete sich wieder ihren Themen zu und die junge Frau, die gefragt hatte, stand auf dem Flur ... Ja, etwas ratlos und ging einfach weiter. Ich habe viele ähnliche Situationen in diesem Unternehmen erlebt und zunächst habe ich mich gefragt: "Liegt es an mir? Bin ich sehr sensibel in diesem Bereich oder hört es sich einfach für meine ich sag mal externen Ohren etwas drastisch an?" Auf meine Nachfrage hieß es dann auch gleich: "Nein, nein, Frau Dill. Bei uns ist alles in Ordnung. Das ist alles nur Spaß." Mir hat das mit dem Spaß keine Ruhe gelassen und ich habe viele verschiedene Menschen gefragt, wie erleben sie diese Art und Weise der Kommunikation? Und für mich wenig überraschend, hat mehr als die Hälfte geantwortet, dass sie mit diesen ständigen Frotzeleien, mit der Ironie bis hin zum Sarkasmus nicht so gut zurecht kommt. Die Folge: In diesem Unternehmen litt die Zusammenarbeit, und zwar an dieser besonderen Art und Weise der Kommunikation. Viele der Mitarbeiter*innen fühlten sich nicht wohl, fühlten sich nicht gut verstanden. Das ging so weit natürlich über eine längere Zeit, dass einige Mitarbeiter*innen überlegten, das Unternehmen zu verlassen. Ich gehe davon aus, dass Sie alle das Eisberg-Modell kennen. Sie wissen, wir haben eine Sachebene und auf der Sachebene wäre es in unserem Beispiel ganz einfach gewesen, zu der Kollegin zu sagen: "Geh einfach den Flur runter, am Ende links findest du die Toilette." Sie haben noch im Ohr, was der Kollege geantwortet hat. Auf der Beziehungsebene können dabei verschiedene Dinge passieren. Vielleicht sagt die Kollegin innerlich: "Ja, bei Gott nicht so dramatisch", winkt ab und sucht einfach weiter. Es kann auch zu einer anderen Reaktion führen. Vielleicht fühlt sie sich einfach nicht gut verstanden, nicht gut abgeholt und reagiert innerlich leicht verärgert. Das wird in diesem Moment nicht gleich zum Drama führen. Es sammeln sich so kleine Punkte. Auch eine andere Situation ist noch denkbar. Vielleicht verunsichert ist die junge Frau, die gefragt hat und es bleibt ein unangenehmes Gefühl zurück. Deshalb mein Tipp: Ja, Spaß gehört dazu. Wichtig dabei ist, dass alle Beteiligten es als Spaß erleben. Das bedeutet, wir kennen uns gut genug, um genau einzuordnen, meine Kollegin oder mein Kollege macht jetzt einen kleinen Spaß. Was nicht passieren darf, ist, dass dieser Spaß auf Kosten einzelner Personen stattfindet. Manchmal ist es gut, auf einen Spruch zu verzichten und einfach eine klare Antwort zu geben. So, das war unser erstes Beispiel. Kommen wir zum Zweiten. In unserem zweiten Beispiel geht es um eine Führungskraft. Ich selbst erlebe diese Führungskraft als sehr ziel- und prozessorientiert. Die Gespräche mit den Mitarbeiter*innen drehen sich fast ausschließlich um Zahlen, Daten, Fakten, um Aufgaben, um Fehler und Versäumnisse. Positives kommt nicht allzu häufig vor und wenn überhaupt in kurzen Nebensätzen wie zum Beispiel: "Das war ja schon ganz gut." Die Mitarbeiter*innen fühlen sich nicht wertgeschätzt, nicht wahrgenommen, nicht gehört und verhalten sich entsprechend. Die Führungskraft sprach mich darauf an und stellte mir die Frage: "Frau Dill, wie soll ich mit diesen schwierigen Mitarbeiter*innen umgehen?" In den folgenden Coachings haben wir intensiv an der Art und Weise der Kommunikation der Führungskraft gearbeitet. Ausgangspunkt einer solchen Zusammenarbeit ist die Frage: "Was ist mein Anteil?" Also aus der Situation, aus dem Blick der Führungskraft betrachtet. "Was ist mein Anteil an der Situation? Was aus meiner Kommunikation kann so bleiben? Was kann ich übernehmen und welche Punkte sind zu verbessern?" Manchmal sind es nur ganz kleine Nuancen, die helfen, dass wir besser miteinander kommunizieren. Ein Tipp, den ich dieser Führungskraft gegeben habe, richtet sich an die kognitive Empathie. Kognitive Empathie ist ein wirksames Tool, um gut mit Mitarbeiter*innen zu kommunizieren. Eine gute Botschaft nebenbei. Kognitive Empathie ist teilweise erlernbar. Wenn wir über kognitive Empathie verfügen, haben wir die Fähigkeit, uns in die Gedanken und Gefühle eines anderen Menschen hineinzuversetzen, in seine Rolle. Und ja, wir können die Dinge aus seiner Sicht betrachten. Mit kognitiver Empathie können wir die Gefühle unseres Gegenübers nachvollziehen und gleichzeitig lassen wir uns nicht anstecken. Oder anders gesagt: Wir leiden nicht mit. Mit dieser Art und Weise der Kommunikation eröffnen wir Raum für kreative Ideen, für Lösungen und für die Suche nach neuen Perspektiven. Kognitive Empathie nimmt einen ausgesprochen positiven Einfluss auf unsere Art und Weise zu kommunizieren, und wir werden gemeinsam erleben, dass wir mit dieser Art und Weise deutlich weiterkommen. Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein kurzes Fazit geben. Kommunikation findet täglich fast überall statt. Mit einer guten Kommunikation können wir unglaublich viel erreichen. Auf der anderen Seite bietet Kommunikation auch ja sehr viele Risiken. Es können Hürden und Herausforderungen entstehen, die über Missverständnisse bis zu Konflikten führen. Ein paar Tipps, wie Sie Ihre Kommunikation gut unterstützen können und gegebenenfalls verbessern können: Ein erster wichtiger Punkt ist echtes Interesse an meinem Gesprächspartner. Und damit meine ich nicht nur, dass ich es nach außen zeige, sondern dass ich es innerlich auch fühle. Ich interessiere mich für dich bzw. für Sie. Hören Sie zu! Was sagt mein Gegenüber wie? Achten Sie darauf - und dafür ist dieses Zuhören extrem wichtig - achten Sie auf die Zwischentöne. Achten Sie auf das, was gesagt wird, mit welcher Betonung und achten Sie auch auf die Körpersprache. Zielführend für eine gute Kommunikation ist, wenn ich mich bewusst auf mein Gegenüber einstelle, wenn ich mein Gegenüber gut kenne, dann habe ich eine Idee, wie tickt diese Person, wenn ich das mal so allgemein sagen darf. Welche Bedürfnisse hat diese Person, welche Werte, welche Motive? Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Nehmen Sie sich Zeit für ein Gespräch. Wenn ein Gespräch ein bis zwei Minuten länger dauert, verpassen wir da nicht so sehr viel und es besteht gleichzeitig die Chance, aus einem mittelmäßigen Gespräch ein gutes Gespräch zu machen. Immer wieder höre ich von Menschen: Ja, ich kürze das ab. Ich habe keine Zeit." Meine Hinweis: Nehmen Sie sich die Zeit, denn ein paar, manchmal nur Sekunden, manchmal Minuten, können hier eine Menge bewirken. Wenn Sie die Chance haben, sich auf ein Gespräch vorzubereiten - es gibt ja einige, die ad hoc stattfinden und manchmal machen wir uns Termine, es geht um Meetings, es geht um Gespräche, die wir führen wollen - bereiten Sie sich vor. Fragen Sie sich immer: Was ist eigentlich Inhalt des Gespräches? Was sind die Ziele? Was sind meine Ziele? Wie will ich vorgehen? Was erwarte ich von meinem Gegenüber? Wie wird mein Gegenüber auf gewisse Dinge reagieren? Welche Argumente habe ich und welche Möglichkeiten habe ich, das Gespräch zu unterstützen? Das waren einige Tipps, um unsere Kommunikation zu verbessern. Natürlich gibt es viele weitere Bausteine, wenn Sie an Ich-Botschaften denken, wenn Sie daran denken, Feedback zu geben bzw. einzufordern, wenn Sie an die vielen kleinen Dinge denken aus der Sprache. Es geht um einzelne Worte. Manchmal ist es gut, sie auch wegzulassen, wie zum Beispiel das "aber". Es geht um die Dinge, die wir mit der Stimme machen können, wie Betonung zum Beispiel. Und es geht natürlich um unsere Körpersprache. Achten Sie bewusst auf Ihre Art und Weise der Kommunikation. Verwenden Sie die Impulse, die ich Ihnen genannt habe. Dabei wünsche ich Ihnen Erfolg und natürlich auch Spaß. Bei Fragen melden Sie sich gerne bei mir. Herzlichen Dank!
Nadia David, iDESkmu
00:25:46
Vielen Dank an Cornelia Dill und Detlef Girke für die Unterstützung des Projektes iDESkmu durch Ihren Beitrag. Hier nochmals der Hinweis auf unsere Shownotes. Sie finden dort neben den Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern grundsätzlich umfangreiche Quellenangaben und Tipps rund um die Beiträge und Themen der Episode.
Nadia David, iDESkmu
00:26:07
In der nächsten Episode spricht Christa Schmidt-Klevenow, Diplom-Psychologin und Psychodrama- Therapeutin aus Hamburg, mit Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu, über das Thema Zielvereinbarungen und ihre Erfahrung hiermit im Rahmen ihrer Tätigkeit für den NDR. In unserem zweiten Beitrag spricht Andreas Werner, Prokurist und Team Leader der PDV GmbH, mit Christian Burkamp der Ceyoniq Technology GmbH. Sie tauschen sich aus über ihre ersten Berührungen mit IT-Barrierefreiheit, Erfahrungen mit Vorgaben und Machbarkeit sowie die Notwendigkeit, dieses Thema auch in die Ausbildung von Entwicklerinnen und Entwicklern aufzunehmen. Beide Unternehmen sind Kooperationspartner im Projekt iDESkmu.
Nadia David, iDESkmu
00:26:50
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