KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN

iDESkmu

#14 - Konzept zur effizienten Nutzung von Softwareschnittstellen und Interview zum Thema „Funktionierende Zusammenarbeit in Organisationen“

Vortrag von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu und Interview mit Karen Zoller vom Schultz von Thun Institut in Hamburg

19.04.2022 34 min

Zusammenfassung & Show Notes

Heute hören wir einen Vortrag von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDEskmu, zum Thema Konzept zur effiziente Nutzung von Softwareschnittstellen.
Im anschließenden Gespräch interviewt Wolfgang Haase, ebenfalls externer Berater im Projekt iDEskmu,  Karen Zoller vom Schultz von Thun Institut in Hamburg  zu dem Thema "Wie können Menschen unter dem Dach von Organisationen zusammenarbeiten und was braucht es auf menschlicher und zwischenmenschlicher Ebene, damit das funktioniert.

Detlef Girke
BITV-Consult
girke@bitvconsult.de
https://bitvconsult.de

Wolfgang Haase
wolfgang haase tailored solutions
wh@whts.eu

Karen Zoller
http://www.zoller-kommunikation.de

Märchen
https://kurzemaerchen.de/maerchen/fuer-kinder/

Transkript

Nadia David, iDESkmu
00:00:03
KLARTEXT. Der Podcast FÜR IT OHNE BARRIEREN. Interessante Informationen und wertvolles Wissen zur digitalen Barrierefreiheit in der Arbeitswelt. Ein Podcast zum Forschungsprojekt iDESkmu, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter der Federführung des Blinden- und Sehbehinderten- vereins Hamburg. Hallo und herzlich willkommen zur Episode #14 - der vorerst letzten Folge unserer Podcastserie. Mein Name ist Nadia David. Heute hören wir einen Vortrag von Detlef Girke, externer Berater im Projekt iDESkmu, zum Thema "Konzept zur effizienten Nutzung von Software-Schnittstellen". Im anschließenden Gespräch interviewt Wolfgang Haase, ebenfalls externer Berater im Projekt iDESkmu, Karen Zoller vom Schulz von Thun Institut in Hamburg. Und dies zu dem Thema: Wie können Menschen unter dem Dach von Organisationen zusammenarbeiten und was braucht es auf menschlicher und zwischenmenschlicher Ebene, damit das funktioniert? In den Shownotes finden Sie die Timecodes zu den Beiträgen und Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern und Gästen. Auch in dieser Episode hören Sie zum Einstieg einen kurzen Auszug aus einem bekannten Märchen.
Screenreader
00:01:37
In den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die Jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich wunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schloss des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen. An heißen Tagen ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens. Wenn sie Langeweile hatte, nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; dieses Spiel hatte sie am liebsten. Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter schaute ihr nach, aber die Kugel verschwand. Der Brunnen war tief, so tief, dass man keinen Grund sah. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu: “Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erweichen möchte.” Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken Kopf aus dem Wasser streckte. 
Nadia David, iDESkmu
00:01:39
Das war "Der Froschkönig", gelesen von Grandpa aus JAWS in der schnellsten Geschwindigkeit, die wir einstellen konnten. Hören wir nun unseren Vortrag.
Detlef Girke, Externer Berater
00:01:56
Ja, schönen guten Tag! Detlef Girke mein Name! Ich erzähle Ihnen heute etwas zu unserem Konzept, also dem iDESkmu internen Konzept zur effizienten Nutzung von Software-Schnittstellen. Da muss man natürlich erst mal ein bisschen ausholen. Denn was soll eine Software-Schnittstelle im Bereich der barrierefreien IT eigentlich leisten? Sie soll im Idealfall das, was wir auf dem Bildschirm sehen, seien es jetzt Eingabefelder, seien es Bilder, seien es Texte, Absätze, Überschriften, Buttons, Listen, Ausklapp- listen und so weiter, das alles soll an eine Software- Schnittstelle so weitergegeben werden, dass es hörbar wird oder dass man es theoretisch hörbar machen kann. Das machen Screenreader. Ein Screenreader übersetzt das, was an eine Software-Schnittstelle geliefert wird, in eine für blinde Menschen verständliche Sprache. Ich will jetzt nicht zu weit ausholen, aber Screenreader funktionieren natürlich noch auch ganz ganz anders. Es gibt auch das sogenannte Off Screen-Modell, was bedeutet, dass all die Dinge, die sich auf dem Bildschirm befinden, auch noch über einen anderen Kanal an Nutzerinnen und Nutzer weitergegeben werden. Und es gibt auch Software, die genau auf diese Technik setzt, die heutezutage teilweise schlechter funktioniert als früher, weil Sicherheitseinstellungen vor allen Dingen unter Windows es mittlerweile verhindern, dass dieses Off Screen- Modell sozusagen auch richtig greift. Das heißt also die Software-Schnittstellen, die sogenannte Accessibility API, die wird immer wichtiger und ohne diese Software-Schnittstelle kann heutzutage eine Anwendungssoftware nicht mehr richtig funktionieren. Und jetzt gehen wir mal von zwei oder drei typischen Elementen aus. Nehmen wir doch mal eine Ausklappliste zum einen, dann nehmen wir einen Submit Button vielleicht und dann nehmen wir vielleicht noch einen Button zum Schließen eines Fensters, dieses typische X. Diese drei Elemente. So, das eine Element, diese Ausklappliste, wird als Kombinationsfeld angekündigt oder sollte als Kombinationsfeld vom Screenreader angekündigt werden. Und je nachdem, welche Möglichkeiten ich habe, mit diesem Feld zu interagieren, ob ich jetzt zum Beispiel Text noch eingeben kann in das Feld und sich dadurch die Ergebnisliste oder die Ausklappliste ändert, ist es entweder ein Kombinations- feld alleine oder ein Kombinations- feld mit Autovervollständigung. So nennt ein Screenreader das dann. Das ist das, was an die Accessibility API oder eben an die Software-Schnittstelle geliefert wird. Das nächste Element ,was ich sagte, ist ein Submit Button. Dieser Submit Button hat eine Beschriftung, auf dem steht zum Beispiel "Suche starten" und dann muss das natürlich auch geliefert werden. Also es muss "Schalter" geliefert werden an die Software- Schnittstelle und eben der Name des Schalters "Suche starten". Das letzte Element, dieses X, das braucht auch noch eine Bezeichnung, nämlich "Anwendung schließen". Das heißt also, wenn ich mit dem Screen- reader da drüber gehe, da sagt der Screenreader mir nicht "X", sondern er sagt "Anwendung schließen". Das muss auch festgehalten werden. Das ist dann der sogenannte "Accessible Name", den das Element haben muss. Und gehen wir noch mal zurück zu dem Kombinationsfeld mit oder ohne Autovervollständigung. Das kann ja aufklappen und es kann zuklappen, das heißt, es hat einen gewissen Status. Das nennt sich dann "erweitert" oder "reduziert". "expanded" oder "collapsed" würde dann in der Software-Schnittstelle oder der Accessibility API des Betriebssystems ankommen. Und es werden natürlich noch viel mehr Elemente gerne verwendet. Aber ich wollte es anhand dieser drei Elemente erst einmal erklären, was überhaupt mit so einer Accessibility API passiert und warum das so wichtig ist, dass wir das, was wir am Bildschirm sehen können, auch in geeigneter Form auf eine Abstraktionsebene bringen. Und diese Abstraktionsebene kennt eigentlich vier Kernbegriffe, anhand derer wir so ein Element definieren können. Das ist der Name des Elements. Das ist die Rolle des Elements (bin ich ein Schalter, bin ich ein Eingabefeld, bin ich ein Kombinationsfeld, bin ich ein Bild oder sonst irgendetwas?). Und natürlich den Wert des Elements. Also wenn ich ein Eingabefeld habe und dort etwas eingeben kann, oder wenn ich ein Kombinationsfeld habe und dort etwas aussuchen kann aus unterschiedlichen Optionen, dann ist das der Wert des jeweiligen Elements. Und wenn ich dann noch sage, welchen Status habe ich also bei einer Checkbox zum Beispiel. Ist sie markiert oder ist sie nicht markiert? Oder ein Radiobutton. Markiert, nicht markiert? Das ist dann der jeweilige Status oder bei einem Kombinationsfeld ist der Status eben "erweitert" oder "reduziert". Also diese vier Bereiche Name, Rolle, Wert und Status - damit kann man schon ganz, ganz viel machen. Wenn auf diese vier Bereiche auch bei der Programmierung geachtet wird, dass diese vier Dinge grundsätzlich an die Software- Schnittstelle geliefert werden, dann hat man schon ganz, ganz viel gewonnen. Es gibt immer noch mehr, man kann immer noch mehr machen. Man kann immer zum Beispiel auch entsprechende Hilfe Texte definieren. Gute Erläuterung dafür, was das Element macht und so weiter und so fort. Aber wenn diese vier Dinge Name, Rolle, Wert und Status an die Accessibility API des Betriebssystems geliefert werden, dann hat man schon ganz, ganz viele Möglichkeiten der barrierefreien Gestaltung. Jetzt kann man dabei natürlich auch Fehler machen und das wird sehr gerne gemacht. Ein Minimalfehler ist zum Beispiel, dass man anstelle eines Kombinationsfelds ein Eingabefeld definiert. Dann gibt es manchmal zum Beispiel Eingabefelder mit Autovervollständigung. Das dürfte eigentlich gar nicht einen so großen Unterschied machen. Ich habe ein Eingabefeld, ich gebe etwas ein, es klappt was aus, das wir mir angesagt, dass was ausklappt. Ich kann es aussuchen. Soweit so gut. Aber wie kann ich aussuchen? Beim Kombinationsfeld ist es so, dass ich mit den Pfeiltasten durch die Liste gehe. Das ist Nutzergewohnheit. Und von dieser Nutzergewohnheit sollte man auch tunlichst nicht abweichen, weil wenn das passiert, dann geschieht es auch schnell, dass man sich verirrt in der Anwendung. Und bei so einem Eingabefeld mit Autovervollständigung kann es nur so programmiert sein, dass ich jetzt nicht die Pfeiltasten benutzen kann, sondern ich muss die Tab-Taste benutzen, um dann zu den einzelnen Ergebnissen zu kommen. Tja, und schon hat man das Problem, dass ein blinder Mensch zum Beispiel nicht wüsste, was er tun soll. Oder ich habe noch ein anderes Beispiel: Es wird gerne gemacht, dass man Akkordeons so aufbaut - also Akkordeons sind ja diese Elemente auf Internetseiten oder auch in Anwendungen, da steht ein Pfeil nach unten zum Beispiel oder ein Pluszeichen daneben, ich klicke dadrauf und dann klappt das auf. So ein Akkordeon enthält eben dann zusätzlich zu einer Überschrift, die es hat, noch mal weitere Informationen. Wenn man die sehen möchte, drückt man aufs Pluszeichen, um das aufzuklappen. Wenn man es nicht sehen möchte, klickt man wieder drauf und macht das zu. Das sind natürlich keine Reiter. Also so eine Reiter-Navigation ist ja nebeneinander, das sind so einzelne Tabs. Nun, ich kann dann mit den Pfeiltasten durchgehen, das ist wiederum Nutzergewohnheit. Aber diese Akkordeon Elemente werden ganz, ganz oft auch als Reiter angekündigt. Die stehen aber untereinander und ich kann auch nur mit den hoch runter Tasten navigieren. Bei der Reiter-Navigation erwartet ein blinder Mensch aber, dass er die links / rechts Tasten benutzt. Tja, und dann verirrt man sich schon wieder, weil etwas nicht funktioniert. Und darauf muss immer geachtet werden. Und deswegen ist eben auch die Rolle des Elements so immens wichtig. Ich darf nicht einem Akkordeon Element die Rolle eines Reiters zuordnen. Das ist brandgefährlich für die spätere Bedienung. Und extrem wichtig ist es auch, nicht zu komplexe Elemente zu verwenden. Das geht manchmal natürlich nicht anders. Aber es gibt Frameworks, die kombinieren von den eben aufgezählten Elementen - oder noch mehr gleich vier, fünf, sechs - zu einem neuen Element. Und da hat man so ein super Element, was man dann je nachdem, welchen Schalter man da setzt, sozusagen dann diesen oder jenen Zweck einsetzen kann. Der große Nachteil ist aber, es verhält sich dann nicht mehr unbedingt so, wie das Element, was ich beabsichtigt habe zu programmieren. Ich habe bei der Programmierung viele, viele Klicks und viele, viele Eingabezeilen weniger, aber bei der späteren Nutzung steht ein blinder Mensch sozusagen wie der Ochs vorm Berg und weiß nicht, was er tun soll. Und das gilt es natürlich zu vermeiden. Das heißt also, eine effiziente Nutzung von Software-Schnittstellen muss sich erst mal dahingehend orientieren, dass man sich fragt: 1. Welche typischen Elemente brauche ich? Kann ich das, was ich mache, auch mit weniger komplexen, weniger komplizierten Elementen durchführen? Wo kann ich noch die Übersichtlichkeit steigern? Und dann kann ich mich ran machen und eine übersichtliche und sehr effiziente Anwendung programmieren. Manchmal ist es sogar so, dass man dann auch auf die Verwendung von Frameworks verzichten kann, denn dann ist es manchmal sogar viel, viel leichter, einfach nur mit den nativen Elementen zu arbeiten. Das gilt sowohl bei der Programmierung von Anwendungssoftware, klassisch mit Programmierumgebungen und so weiter, als auch bei der Programmierung von Web-Anwendung, also Browser basierter Software. Gut. Und wenn ich das mache, wenn ich dann auf Frameworks verzichte, habe ich noch einen ganz, ganz großen Vorteil, weil solche Frameworks, die sind ja eingekauft, die enthalten oder erhalten in regelmäßigen Abständen Updates und mir kann es dann passieren, dass wenn ich ein Update erhalte, dass die ganze Anwendung, die ich vorher mühevoll barrierefrei gemacht habe, über Tricks und Kniffe im Framework, dass all das wieder kaputt geht, nur weil ich ein Update gefahren habe. Und dieses Risiko habe ich dann natürlich nicht, wenn ich einfach nur darauf gucke, auf was kann ich mich reduzieren? Was macht die Anwendung übersichtlicher, leichter bedienbar? Was führt zu mehr Nutzerzufriedenheit. Und dann habe ich auch noch ja sozusagen sprechende Elemente auf meiner Benutzeroberfläche, die allen Menschen eingängig, verständlich, ja und am Ende gut nutzbar sind. Das ist so ein Konzept zur effizienten Nutzung von Software-Schnittstellen, was auch das Risiko eingeht, dass vielleicht ein wenig mehr zu Fuß programmiert werden muss, dafür aber wesentlich nachhaltiger. Vielen Dank!
Nadia David, iDESkmu
00:13:04
Jetzt erhalten Sie die Antwort auf die Frage aus der letzten Episode: Welche Bedeutung haben Name, Rolle, Wert und Status eines Elementes bei der Programmierung einer Software für die Barrierefreiheit? Nach dem Vortrag von Detlef Girke erklärt Sven Bittenbinder, Diplom Wirtschaftsinformatiker an der Universität Siegen und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt iDESkmu, die Bedeutung der vier Begriffe.
Sven Bittenbinder, Universität Siegen
00:13:29
Diese vier Informationen müssen mindestens an die Accessibility API bzw. Schnittstellen geliefert werden, um Barrierefreiheit sicherzustellen. Nur dadurch ist es möglich, etwas, was am Bildschirm sichtbar ist, auf andere Abstraktionsebene zu bringen.
Nadia David, iDESkmu
00:13:45
Da Sie heute die vorerst letzte Episode aus unserer Podcast-Serie KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN hören, haben wir leider keine neue Quizfrage für Sie. Es geht somit weiter mit dem Interview.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:14:01
Guten Tag, wir sprechen heute mit Karin Zoller. Frau Zoller, bevor wir einsteigen, könnten Sie uns bitte einen kurzen Einblick in Ihren beruflichen Hintergrund geben?
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:14:11
Ja, gerne! Karin Zoller mein Name. Ich bin Diplom-Psychologin mit einer Fachrichtung, die nennt sich Kommunikationspsychologie, begründet durch Friedemann Schulz von Thun, der hier in Hamburg an der Universität lange Zeit am Fachbereich Psychologie einen Lehrstuhl hatte. Und ich bin auch Mitarbeiterin am Schulz von Thun Institut hier in Hamburg und beschäftige mich ganz viel mit der Frage: Wie können Menschen unter dem Dach von Organisationen zusammenarbeiten und was braucht es auf menschlicher und zwischenmenschlicher Ebene dafür, dass das gelingt? Und das kennt ja jede und jeder. Wenn wir zusammenarbeiten, steht nicht nur die Sache, das Thema, das Projekt, das Ziel im Vordergrund, sondern manchmal kriegt man es auch mit den menschlichen und zwischenmenschlichen Unwägbarkeiten, Konflikten, Stimmungen, Befindlichkeiten zu tun. Und in der Regel sind wir gar nicht so geübt, darüber zu sprechen und das zur Sprache zu bringen. Das ist quasi mein täglich Brot, sei es über Training, sei es über Prozessbegleitung, Moderationen. Damit beschäftige ich mich.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:15:22
Super. Das passt sehr gut in unser Thema, in unser Projekt rein. Wo das Thema Kommunikation oder die richtige Kommunikation ja auch ein ganz wesentlicher Punkt zum Erfolg sein kann. Unabhängig von der Organisation erst mal habe ich so den Eindruck, dass in der Regel die meisten Menschen keinen direkten oder vor allem regelmäßigen Kontakt mit Menschen haben, die eine Behinderung oder irgendeine Beeinträchtigung haben. Und in der Folge reagieren viele Leute oft unsicher, wenn sie dann doch mal auf einen Menschen mit z. B. mit einer Sehbehinderung treffen. Woran kann das liegen? Was sind das oder sind das Ängste, die da eine Rolle spielen?
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:16:04
Also ich habe mal in Vorbereitung auf dieses Gespräch überlegt, wie geht es mir selber eigentlich und wie reagiere ich eigentlich, wenn ich auf einen Menschen mit einer Behinderung treffe? Ich lasse jetzt mal offen, in welcher Weise. Wenn ich so die Begegnungen in den letzten Wochen oder Monaten Revue passieren lasse, dann merke ich, dass quasi verschiedene innere Stimmen, verschiedene Gedanken, verschiedene Impulse in mir drin sind. Ein Impuls ist, mich berührt das. Mich berührt das, wenn ich einen Menschen sehe, der in irgendeiner Form gegenüber dem, was ich sehen oder tun oder machen kann, aus meiner Interpretation heraus so etwas wie eine Einschränkung hat, sei es eine fundamentale oder eine kleinere Einschränkung. Das ist etwas, was mich berührt im Sinne von: Oh, dieser Mensch ist vor Herausforderungen oder Aufgaben gestellt worden, hat sich vermutlich häufiger im Leben auch in dieser besonderen Position gefühlt. So mindestens meine Interpretation. Und das ist etwas, was mich berührt. Gleichzeitig taucht vielleicht ganz schnell auch sowas auf wie ja, so eine innere moralische Instanz in mir, die sagt, du musst dich jetzt aber richtig verhalten und jetzt auf gar keinen Fall etwas tun, was irgendwie für den anderen beschämend ist. Dann kommt aber sofort an dritter Stelle noch eine Stimme in meinen Kopf, die mich befangen macht und sagt: Oh Gott, oh Gott. Wenn ich mich nicht auskenne und wenn ich mich richtig verhalten will, wie mache ich das denn jetzt? Ich möchte auch bloß nichts falsch machen. Und dann mag es manchmal auch noch so einen Anteil in uns geben, mindestens in mir gibt es denn auch. Und auf den bin ich nicht stolz, muss ich ehrlicherweise sagen. Nämlich so eine bequeme und die Bequeme in mir, dieser bequeme Anteil, der scheut sich vor der Anstrengung, sich mit dem Neuen und Fremden und Anderem auseinander zu setzen. Und das heißt nicht, dass ich diesen Impuls folgen sollte. Aber es ist erstmal wichtig, ihn wahrzunehmen, weil der gehört auch zu mir dazu. Und dann zu gucken, ja, dass ich vielleicht nicht sage: Und jetzt wende ich mich ab. Oder: Jetzt setze ich mich zum Beispiel mit dem Thema "Gestaltung von Arbeitsplätzen für Menschen mit bestimmten Einschränkungen" setze ich mich garnicht auseinander. Also erst mal wahrzunehmen als: Ja, das ist menschenmöglich, dass man auch mit diesem Impuls des Bequemen auf so eine Situation reagiert. Das sollte nicht federführend werden. Aber es ist menschlich.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:18:32
Ja, menschlich auf alle Fälle. Das stimmt ja klar.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:18:35
Und meine Erfahrung ist, wenn ich einem anderen Menschen mit dieser Haltung begegne: ich gehe erst mal davon aus, dass das, was in dir vor sich geht, deine Befangenheit, vielleicht auch deine Ängste, deine Sorge, dass das gute Gründe hat und dass das legitim ist. Dann entsteht häufig ein Kommunikationsraum, gerade über das Schwierige. Zum Beispiel über die Skepsis. Das, womit sie sich in ihrem Beruf beschäftigen. Wie können wir das schaffen, Unternehmen, Ansprechpartner in Unternehmen, Entscheider zu öffnen dafür, dass sie sich mit diesem Thema "Andere Gestaltung von Arbeitsplätzen" auseinandersetzen. Und die Erfahrung, die ich mache, ist, wenn wir da sozusagen nicht tabuisieren im Sinne von "so was wie Bequemlichkeit oder so was wie Befangenheit, das lassen wir gar nicht gelten", wenn wir das nicht tabuisieren, sondern als selbstverständlichen Teil des Ganzen ansehen, dass wir dann doch vielleicht den einen oder anderen Menschen etwas mehr aufschließen auch, etwas Offenheit erzeugen können für das, was eher sonst mit ein bisschen Skepsis betrachtet wird.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:19:38
Das ist ganz interessant. Dieser Differenzierung zwischen dem Individuum, was diese Berührungsängste hat, oder diese Bequemlichkeit - ich denke die ganze Zeit über dieses Wort nach - und dem, was man sagt: Im Privaten darf man, ich setze das auch mal in Anführungszeichen, seine Bequemlichkeit haben. Das ist ein guter Grund. Während man im Unternehmen, idealerweise weil man die Haltung hat dazu und einfach sagt: Nö, das lassen wir nicht gelten, wir wollen das nicht, das ist nicht gut. Hier bei uns wird anders kommuniziert. Wir erklären das im Prinzip als nicht validen Grund, sich nicht mit diesem Thema zu beschäftigen, also Arbeitsplätze anders zu gestalten oder entsprechend zu kommunizieren oder im Idealfall natürlich auch jemanden einzustellen, der irgendeine Art von Behinderung hat. Das könnte, kann ich mir vorstellen, auch im positiven Fall eben auch abfärben auf das Privatleben, so dass man damit diese, um wieder zu dem Schlagwort "Bequemlichkeit" zurückzukommen, auch abzustellen. Und zu sagen, eigentlich stimmt das, das muss ich garnicht.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:20:32
Ja, darin steckt ja eine Kommunikationschance. Also wenn ich zum Beispiel, wenn ich mich dafür interessiere und erst mal davon ausgehe, ja, da treffe ich jetzt auf jemanden, der hat viel um die Ohren, der hat einen vollen Arbeitsalltag, der ist froh um alles, was nicht noch obendrauf kommt und dessen Vorabbereitschaft, sich auseinanderzusetzen mit den Informationen und den Angeboten, die sie vielleicht in petto haben und die ganz lohnend und wertvoll sind, dessen Bereitschaft ist vielleicht erst mal begrenzt. Und in diesem Sinne dieses Bequeme, das klingt ja jetzt so ein bisschen negativ, dieses Bequeme ist auch etwas, was uns davor schützt, sozusagen uns zu viele Themen, Aufgaben ins Haus zu holen, heran zu holen, die wir dann anschließend ja irgendwie auch weiter bearbeiten müssen. Und gleichzeitig darin steckt eine Chance, weil das ja genau der Punkt ist, wo sie ansetzen und wo sie sagen: Na ja, wir können mal eine Aufklärung darüber machen. Wie schwierig, wie aufwendig ist das denn tatsächlich? Denn bis zu dem Zeitpunkt, wo Sie mich aufklären, bin ich erst mal mit meinen Fantasien, meinen Vermutungen, meinen Interpretationen, meinen Bildern darüber - über diese andere Arbeitsplatzgestaltung zum Beispiel - bin ich unterwegs und das muss vielleicht überhaupt nicht der Realität entsprechen.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:21:51
Ich glaube, dass dieses ganze Thema das ist schon vielfältig und auch sehr, sehr komplex an diesen ganzen Bereich heranzugehen, weil es auch eine ganz interessante Erfahrung ist, die ich hatte, zum Beispiel mit jemanden, der blind war und der mit seinem Screenreader, also einem ... Das war garnicht der Screenreader ... der mit seiner Braille-Tastatur, mit der man Dokumente lesen kann, es war ein sehr einschneidendes Erlebnis zu sehen, wenn jemand, der eine normal bedruckte A4-Seite wirklich in zehn Sekunden komplett durchliest, komplett durchliest und wie gesagt alles verstanden hat und ganz genau weiß, wo was ist. Eben weil diese Konzentration auf diesen Text eine ganz andere ist, als wenn im Prinzip auch noch das Visuelle ablenkt. Das fand ich derartig beeindruckend. Das hat bei mir jede Menge Respekt ausgelöst und mir eben auch gesagt, das Leben ist nicht nur so, wie man sich das selber aus seiner oder seiner bekannten, aus seinem gewohnten Umfeld vorstellt. Sondern das Leben ist genauso valide eben aus einer anderen Perspektive heraus. Und das zusammenzubringen, also in diesem konkreten Fall auch diese Potenziale zu nutzen, die sich daraus ergeben, das ist doch beachtlich. Und es ist auch oft so, dass das Unternehmen, die Menschen mit Behinderung zum Beispiel in diesem Schwerpunkt - also Sehbehinderung und Blindheit beschäftigen - auch noch eine ganz andere Mitarbeiterbindung haben, in der Folge natürlich eine andere Kundenbindung. Und dass das Klima auch ein ganz anderes ist in den Unternehmen.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:23:18
Ja, ich kann mir vorstellen, wenn Sie das so sagen. Also erstmal finde ich auch dieses Beispiel sehr eindrücklich und ich merke an meiner inneren Reaktion sofort, dass da sofort ein Interesse entsteht, dass da sofort meine Ohren aufgehen, wenn sie aus einer persönlichen Erfahrung berichten, von der eigenen Überraschung berichten, dass da für mich eine Möglichkeit besteht, anzuknüpfen an dieses Thema, was vielleicht sonst für mich in meinem Leben erst mal ganz abstrakt ist. Und ich kann mir vorstellen, diese Brücke, die Sie da gerade geschlagen haben, wenn eine Organisation Werte hat oder verfolgt oder fördert, oder sich daran ausrichtet, die damit zum Beispiel zu tun haben, wie können wir für Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen erst mal fernab vom Thema Behinderung, wie können wir für Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen einen guten Rahmen für Kooperation, Kollaboration, Zusammenarbeit schaffen? Das fängt ja schon auf der Ebene der persönlichen Unterschiede an. Der eine ist strukturiert, der andere ist ein Brainstormer. Der eine braucht ganz viel persönlichen Austausch, der andere arbeitet gerne autonom. Also dieses Thema "Menschen treffen in ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander" ist ja erst mal ein Thema, was noch gar nicht unbedingt sofort mit Behinderung oder nicht Behinderung einhergeht, sondern einfach mit dem Thema Persönlichkeit. Und ich kann mir vorstellen, wenn jetzt ein Unternehmen darauf besonderen Wert legt, zu sagen: Jeder, der hier arbeitet, hat bestimmte Stärken, die er mitbringt, bestimmte Ressourcen. Jeder, der hier arbeitet, ist aufgrund dieser Stärken vielleicht auch manchmal in Gefahr, ein bisschen einseitig zu werden. Und wie kann das jetzt gehen in unserer Unternehmenskultur, dass wir das, was an Stärken da ist, ausbauen und vielleicht auch nutzen, um gegenseitig, ja uns uns vielleicht ein Stückchen auch in unseren Schwächen zu kompensieren? Um ein Beispiel zu machen, wenn Sie jetzt ein Team haben aus lauter hoch strukturierten Menschen, die sehr planerisch und sehr gründlich arbeiten, dann wird das wahrscheinlich nicht das Team sein, was einen Innovationsfeuerwerk produziert.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:25:28
Genau das ist das.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:25:29
Also dafür brauchen Sie wieder andere und diese beiden können aber nur gut zusammenarbeiten, wenn sie eben auch eine gewisse Toleranz und Offenheit für das Andere mitbringen. Und ich kann mir gut vorstellen, wenn über dieses Thema Menschen mit Einschränkungen beispielsweise was das Sehen angeht, wenn ein Unternehmen darauf einen Fokus setzt und sagt, wir wollen gerne die Chancen, die Potentiale, die Möglichkeiten, die da drin stecken, die wollen wir gerne unterstützen, nutzen, ausbauen, dass das auch ein kulturelles Signal ist, das kann ich mir gut vorstellen. Wenn es entsprechend auch begleitet wird. Begleitet in dem Sinne, dass zum Beispiel auch vielleicht Befangenheit, die auftauchenden Ängste, die auftauchen bei Mitarbeitenden, dass das etwas ist, was nicht tabuisiert wird, sondern ein selbstverständlicher Teil eines solchen Prozesses sein kann. Fragen zu stellen, ins Gespräch zu kommen, vielleicht auch über Befürchtungen, die abzubauen. Also überall da, wo wir befangen sind, ist das Mittel der Wahl, Kontakt herzustellen, Kontakt zu ermöglichen und gleichzeitig auch zu ermöglichen, dass jeder Mensch in seiner eigenen Zeit einen Zugang zu einem Thema oder zu einer Situation finden kann. Deswegen meinte ich, es wäre wichtig, dass das in irgendeiner Form nicht nur einfach implementiert wird, technisch implementiert wird. Denn neben der technischen Seite, die vielleicht viel einfacher zu lösen ist, muss die menschliche Integration auch stattfinden. Von allen Seiten.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:26:53
Genau. Wenn ich zusätzlich noch berücksichtige, was ich an positiven Effekten ins Unternehmen bringe, an Motivation, an Bindung, an Loyalitätspotential letztlich auch, und das ist schon immens. Dieses Potenzial und diese ganzen Effekte tragen sich natürlich auch wieder nach außen. Das ist schon doll, was man erreichen kann. Und das sind Sachen, die ich in Projekten eben auch erlebe. Das geht teilweise - fand ich auch anfangs sehr bemerkenswert, wenn man denkt, aber das dauert eine ganze Weile, bis man irgendwas in Bewegung bringt, bis die Leute dann wirklich miteinander reden. Die sind so begeistert, dass man anfängt im Projektmanagement Änderungen zu implementieren. Und ja, diese Leichtigkeit im Umgang mit diesem Thema überträgt sich eben auch auf die Kommunikation insgesamt.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:27:40
Interessanter Effekt. Ja, wie so eine Strahlkraft dann auch in die Organisation hinein, so wie Sie das beschreiben.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:27:49
Die hat es ganz sicher.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:27:50
Ja, und das ist sicherlich ein Balanceakt auf der einen Seite, dass die Entscheider - häufig die Inhaber, Geschäftsführer im kleineren Unternehmen oder in größeren Unternehmen, dann jeweils die entsprechende entscheidende Führungsebene - dass die in Klarheit sich bekennen dazu, was ihre Vorstellung ist für die Zukunft, wie zusammengearbeitet werden soll und dass zum Beispiel auch die Erwartung ist, eine Offenheit zu haben für zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Menschen, die eine Behinderung mitbringen. Dass die Entscheider an so einer Stelle auch deutlich machen, warum ist ihnen das wichtig. Warum fördern sie das? Und warum erwarten sie auch von der Belegschaft, von den Mitarbeitenden, dass die dafür eine Grundoffenheit mitbringen? Also auf der einen Seite ein klares Signal zu setzen: Das ist das, wo ich mit euch hin möchte. Und auf der anderen Seite aber deutlich zu machen: Die Erwartung ist nicht, dass das von jetzt auf gleich geht, sondern dass das für alle Beteiligten ein gemeinsamer Prozess ist, wo es Stolpersteine geben wird und Irritationen geben wird und vielleicht auch ja immer wieder mal Momente geben wird, wo jemand merkt, dass er seinen eigenen Ansprüchen vielleicht nicht gerecht wird. Und wenn das möglich ist, darüber in Dialog zu gehen, dann glaube ich, ist ein Potential dafür da, auch für eine Entwicklung da. Also das würde zum Beispiel auch bedeuten, mal nicht sofort, wenn jemand sagt "Oh, das ist mir zu anstrengend", zu sagen: "Das ist doch aber doch gar nicht anstrengend. Guck doch mal erstens, zweitens, drittens folgende Vorteile." Sondern zu sagen: "Was genau ist denn eigentlich dein Vorbehalt?" Also sprich, nicht mit einer Gegenrede zu reagieren, sondern mit einer Frage und sich zu interessieren. Und das, denke ich, ist etwas, das wird uns an ganz vielen Stellen, auch in der Gesellschaft, auch in den Organisationen gut tun. Dass wir manchmal weniger interpretieren, sondern mehr fragen, dass wir manchmal mehr den guten Grund unterstellen, den es zu erkunden gilt, statt dass wir glauben, den schon zu kennen und mit einem Gegenurteil dagegenhalten. Und am Ende doch die Frage steht: Wer setzt sich hier gerade durch? Und gleichzeitig: Ich finde auch wichtig den Punkt, dass zum Beispiel ein Geschäftsführer eben wirklich ein klares Bekenntnis auch dazu abgibt und sagt: "Ich möchte ein Unternehmen leiten und ich möchte ein Unternehmen voranbringen, was vielleicht einen ganz bestimmten Wertekanon hat, zu dem eben auch gehört, dass Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung zusammenarbeiten" und dass damit auch die Erwartung einhergeht, "wer Teil dieses Unternehmens ist, der muss mindestens sich mit diesem Thema ein Stück auseinandersetzen." Nicht mit der Folge, dass alle am Ende die gleiche Haltung dazu haben, aber schon mit der Grundlage, das Profil dieses Unternehmens ist eines, in dem das ein Thema ist.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:30:40
Aber das ist ja gleichzeitig auch eine Orientierung für alle Mitarbeiter. Man weiß ganz genau, in welche Richtung dieses Schiff segelt oder wie auch immer man das nennen möchte.
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:30:48
Ja, und da hat sicherlich auch die entsprechende Führungskraft, Geschäftsführung, wer auch immer dann da der Entscheider ist, eine ganz wichtige Modellfunktion und Modellvorbildfunktion. Nicht in dem Sinne erst alles richtig zu machen, denn dann wird demjenigen sofort auf die Finger geguckt: Wo bist du aber selber mit Vorbehalten unterwegs oder wo gehst du selber einer Situation aus dem Weg? Sondern Modell- und Vorbildcharakter in dem Sinne, dass auch Ambivalenzen, auch Befindlichkeiten, auch Vorsicht, auch Skepsis, auch das Lernen, sich herantasten, noch nicht genau wissen, wie funktioniert das, dass das Platz haben kann in einem solchen Prozess. Und das ist ja letzten Endes nicht nur bei dem Thema Umgang mit Behinderungen der Fall, sondern wann immer Menschen mit Veränderungen in Organisationen konfrontiert sind, ist das ja ein Thema. Und was ich häufig erlebe ist, dieser Wunsch danach: "Wir haben eine Veränderung, etwas Gutes vor uns, an das wir glauben. Und wir wollen bloß keine kritischen Stimmen, keine Vorbehalte, keine Ressentiments dazu aufkommen lassen." Wehret den Anfängen! Und dann hält man das unten, um das Gute und Schöne nicht schwach zu reden. Und der Effekt ist häufig das Gegenteil, nämlich die Menschen gehen mit ihren Ressentiments, mit ihren Bedenken in den Flurfunk. Das ist also sozusagen raus aus der offiziellen Kommunikation und damit aber auch nicht mehr behandelbar, damit nicht mehr besprechbar. Und wenn man solche Ambivalenzen als einen ganz selbstverständlichen Teil von Entwicklungsprozessen nimmt, und zwar bei jedweden Veränderungen, dann ist die Chance, dass man auch viel mehr Menschen mitnehmen kann, weil eben die Integrität nicht auf der Strecke bleiben muss, weil ich mich selber nicht verbiegen muss. Und da denke ich, liegt ein ganz großer Schlüssel in der Kommunikation in Organisation.
Wolfgang Haase, Externer Berater
00:32:37
Es ist schon erstaunlich, wie zentral auch hier das Thema Integrität ist, also die höchstmögliche Übereinstimmung von Idealen und Werten im täglichen Leben und damit natürlich auch im beruflichen Kontext. Frau Zoller - Wir sind am Ende dieses Beitrags angekommen. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Auf Wiedersehen!
Karen Zoller, Schultz von Thun Institut
00:32:54
Gerne!
Nadia David, iDESkmu
00:32:57
Das Team von iDESkmu bedankt sich bei Karin Zoller und Detlef Girke für die Unterstützung des Projektes durch ihre Beiträge. Hier nochmals der Hinweis auf unsere Shownotes. Sie finden dort neben den Hintergrundinformationen zu unseren Gesprächspartnern grundsätzlich umfangreiche Quellenangaben und Tipps rund um die Beiträge und Themen. Das war unsere vorerst letzte Episode der Podcastserie KLARTEXT FÜR IT OHNE BARRIEREN zu dem Projekt iDESkmu. Es freut uns, wenn Sie unser Projekt weiterverfolgen. Besuchen Sie dafür unsere Webseite unter www.projekt-ideskmu.de und lassen Sie sich in unseren Newsletter-Verteiler aufnehmen. Oder sprechen Sie uns einfach direkt an. Wir freuen uns darauf! Mein Name ist Nadia David. Vielen Dank für Ihr Zuhören!