In der letzten Folge hatte ich von zwei Schlüsselmomenten in meinem eigenen Prozess der Körperakzeptanz erzählt.
Was dort schon anklang: Körperakzeptanz ist ein langer Prozess - ich würde sagen, ein lebenslanger. Zu diesem Prozess gehören auch immer wieder Unsicherheiten und Zweifel. Genau darum soll es in dieser Folge gehen.
Ich erzähle von 3 Beispielen aus meinem Leben, wie ich damals mit Unsicherheiten umgegangen bin und was diese Erfahrungen für den Prozess der Körperakzeptanz bedeuten.
Am Ende der Folge biete ich dir wieder ein paar Fragen an, wenn du selbst über deinen eigenen Prozess nachdenken möchtest.
Inhalte:
00:00 Einstieg
01:26 3 Beispiele
09:55 Was das bedeutet für den Prozess der Körperakzeptanz
12:23 Reflexionsfragen
Zu dieser (und zur letzten) Podcastfolge gibt es auch einen Blogartikel, den du hier lesen kannst:
Willkommen beim Podcast Körper und Gesellschaft, dem Podcast für dasThema Körperakzeptanz. Mein Name ist Ira Schumann.In der letzten Folge hatte ich von zwei Schlüsselmomenten in meinemeigenen Prozess der Körperakzeptanz erzählt. Und was dort schonanklang, war, dass Körperakzeptanz ein langer Prozessist. Also, ich würde sogar sagen, ein lebenslanger Prozess.Und dass zu diesem Prozess eben auch immer wieder Unsicherheiten und Zweifelgehören. Und genau darum soll es in dieser Folge gehen.Ich werde von drei Beispielen aus meinem Leben erzählen, wie ichdamals mit diesen Unsicherheiten umgegangen bin und was diese Erfahrungenfür den Prozess der Körperakzeptanz bedeuten. Und am Ende derFolge biete ich dir wieder ein paar Fragen an, wenn du selbst über deinen eigenenProzess nachdenken möchtest. Okay, lass uns starten. Untertitel imAuftrag des ZDF für funk, 2017 Nachdem ichalso mit Mitte 20 entschieden hatte, dass ich keine Diäten mehr macheund dass ich nicht mehr versuche dünn zu werden oder überhaupt dünn näher zuwerden, gab es in den letzten 20 Jahren trotzdem immer wiederMomente, in denen der Gedanke aufblitzte, dass ich halt doch nochmalversuchen könnte abzunehmen. Und ich erzähle euch jetzt von dreiBeispielen, wo dieser Gedanke immer wieder aufblitzte oder wo er da war undwie ich damit umgegangen bin. Das ersteBeispiel, wenn ich versucht habe in Geschäften Kleidung zu kaufenund sah, wie viel spannende Auswahl es in den Größen gab, in die ich nichtreinpasse. Das ist eine Situation, dieich zwischen Mitte 20, Anfang 30 immer wieder erlebt habe.Und ich verbinde diese Erfahrung, diese Erlebnisse ganzstark vor allem mit H&M. Nicht, weil diese Kette jetzt soextrem großartige Mode hat, sondern weil das damals eben einer derwenigen Läden war, wo ich überhaupt was inmeiner Größe kaufen konnte. Die Alternative war damals C&A,was jetzt ganz vorsichtig formuliert nicht besser war. Undbei H&M war das damals so, dass es in denmeisten Geschäften, also in den größeren Geschäften,eine kleine Ecke gab mit Kleidung in großen Größen. Und ichglaube, das hieß sogar große Größen. Und die Kleidung,die dort hing, die sah für mich meistens langweilig aus. Ichfand sie nicht so toll geschnitten. Und die führte sich fürmich auf die Plastik ein. Also so ganz, es war auch so unangenehm Materialiengemacht. Also unangenehm für mich die Materialien.Und diese kleine Ecke drumherum gab es dann immer ganz viel andere Kleidungmit viel schöneren Farben oder überhaupt in leuchtenderen Farbenund viel aufregender geschnitten, aber eben leider nicht in meiner Größe.Und in diesen Momenten kam immer mal wieder bei mirder Gedanke, dass ich abnehmen werde, in diese schönere,aufregendere Kleidung zu passen, einfach auch mehr Auswahl zu haben.Und was mir geholfen hat damals, war mir immer wieder klarzumachen,dass nicht mein Körper falsch ist, sondern dass die Modeindustrie falschist. Und dass ich nicht meinen Körper verändern werde, in kaputteStrukturen reinzupassen.Und jetzt, also heute, diese Situation, dieseArt von Situation ist für mich verschwunden, seitdem ich meine Kleidung eigentlich fastausschließlich online kaufe. Und ich glaube, was halt hilft, ist,dass ich Anfang 30 Online-Shops gefunden habe, oder dass es sieüberhaupt gab. Also Online-Shops mitmehr und besserer Auswahl. Und dass ich mir dortdirekt nur Sachen anschaue, die es in meiner Größe gibt. Alsoich filtre halt direkt nach meinen Größen oder ich bin inShops unterwegs, wo es überhaupt nur größere Größen gibtund sehe dadurch quasi den Rest nicht mehr.Und aus heutiger Sicht schaue ich da eben auch drauf und denke, ja klar, dassdas immer wieder auch eine schlechte Erfahrung war und auch irgendwie immer wiederUnsicherheiten ausgelöst hat, weil ich war ja damals in diesenGeschäften an einem Ort, der Begehrlichkeiten weckt. Also man soll jakonsumieren und dann konnte ich aber fast nichts davonhaben. Das ist ja irgendwie auch nur ganz extrem frustrierendeErfahrung. Und ja, dick sein bedeuteteben auch, grundsätzlich weniger Zugangs- und Teilhabemöglichkeitenzu haben in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen. Und dort in diesenSituationen wurde das eben extrem greifbar, weil ich ja das, wasich nicht haben konnte, direkt auch vor mir gesehen habe. Daszweite Beispiel war mit Anfang 30 und daswar eine Situation Monate vor einer Sommerakademie, die ichgeleitet habe. Vielleicht ein bisschen Hintergrundinfo.Zwischen 29 und 33 habe ich mehrmals,also meine Beführung klingt wie 1929, 1939, alsozwischen meinem 29. Und meinem 33. Lebensjahrhabe ich mehrmals eine Sommerakademie geleitet, wo über 100 SchülerInnenwaren und dazu noch ein Team von circa 15Erwachsenen. Und als Leitung war es unteranderem mein Job, jeden Tag vor der gesamten Gruppe zu stehen undInfos weiterzugeben. Also wirklich jeden Tag vor über 100 Menschen zu stehenund sehr sichtbar zu sein. Undja, als dicke Frau ist eben auch meine Erfahrung, also schon ganzlange, dass ich, wenn ich in neue Räume reinkomme, dass ich dann direktsehr sichtbar bin, sehr auffällig bin. Undja, dass ich durchaus auch die Erfahrung mache, dass ich sofort beurteilt werde aufgrundmeines Körpers. Also, dass mir Dinge zugeschrieben werden, einfachnur auf der Grundlage dessen, wie mein Körper aussieht. Also zum Beispielgibt es ja eine Zuschreibung, dass dicke Menschen einfach wenigerfähig sind, weniger kompetent, weil sie ja oft alsundiszipliniert gesehen werden nach dem Motto, wenn die sich nur anstrengen würden, wir könnten sieja abnehmen. Und da steckt ja die Annahme von Inkompetenz drin. Und das isthalt eine der Zuschreibungen, von denen ich weiß, dass ich mit denen immerumgehen muss, wenn ich in Räume reinkomme. Unddiese Sommerakademie war eben ein sehr großer Raum, in dem sehr vieleMenschen waren, die mich sehen und beurteilen würden. Unddann eben, genau, gab esdiese Situation Monate vor einer dieser Sommerakademien,da war dann eben dieser Gedanke sehr stark wieder, dass ich dünner sein will zumStart der Akademie. Also mir war klar, ich würde nicht komplett dünn sein,aber es war die Idee da, ich würde Gewicht abnehmen. Undwas mir damals geholfen hat war, irgendwann zu verstehen, esgeht gar nicht wirklich darum, dünn sein zu wollen,sondern es ging den Wunsch, nicht aufgrund meines Körpersabgewertet zu werden, an einer Situation, die mich sowieso schonnervös gemacht hat oder so ein bisschen unsicher gemacht hat. Undaus heutiger Sicht, also mehr als zehn Jahre später, würde ichaußerdem noch hinzufügen,dass es auch mein Bedürfnis nach mehr Kontrolle ging. Also dazur Erklärung, im 1-zu-1-Coaching arbeite ich öfter mit dem Modellder psychologischen Grundbedürfnisse. Und die ganz grobe Idee dahinterist, wenn eines der vier Grundbedürfnisse nicht oder nur sehr wenigerfüllt ist, dann geht es Menschen nicht gut oder dann sind sie auch oft inKrisen. Und eins dieser Grundbedürfnisse ist dasBedürfnis nach Kontrolle und Orientierung. Und wenn ich jetzt ebenzurückschaue, kann ich gut sehen, dass in meinem Leben mit Anfang30 vieles in der Schwebe war. Und aus heutiger Sicht würde ichsagen, ja, dass mein Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung in dieserLebensphase eher wenig erfüllt war.Und der Wunsch abzunehmen war also dann auch eherein Wunsch, etwas kontrollieren zu können. Also einerseits mein Gewichtund den ersten Eindruck, den andere Menschen von mir habenwürden. Ich hätte das damals nicht mit diesen Worten beschreiben können wieheute, aber ich habe eben auch damals schon gemerkt, dass es eigentlich nicht meinGewicht geht und habe dann letztendlich auch nicht versucht abzunehmen.Klammer auf, die Akademie lief übrigens total gut, Klammer zu.Beispiel Nummer 3. Das war, als ichim Sommer 2020 festgestellt habe, dass ich innerhalbkurzer Zeit wirklich mehrere Kilo zugenommen hatte und dass einige Kleidungsstückenicht mehr so richtig gut passten oder einfach viel, viel enger waren als vorher.Und in dieser Situation damals führte sich Abnehmen im erstenMoment wie eine vermeintlich einfache Lösung an, also weil es mir immerersparen würde, eine Kleidergröße höher zu wandern, neue Kleidung zukaufen etc. Und was mir damalsgeholfen hat, war zu akzeptieren, dass mich mein Körpervorher in einer sehr herausfordernden Zeit, nämlich in den ersten Monaten einerPandemie, die ja einfach gesellschaftlich auch eine absolute Krisenzeitwar, dass mein Körper mich in der Zeit am Leben erhalten hat und in dieserZeit eben dann ein paar Kilo schwerer geworden ist.Und für mich war außerdem hilfreich, mir meine Gefühle genaueranzuschauen. Also da war Unwohlsein und auch Scham.Und diese Gefühle tauchten eben auf bei dem Gedanken, dass ich nun noch einegrößere Kleidergröße brauche. Und eben, weil es ja auchhieß, dass ich noch dicker geworden bin. Undso ganz nach und nach, also das dauert auch ein bisschen, aber nach und nachkonnte ich mir auch klar machen, dass hier dann eben auch meine verinnerlichteFettfeindlichkeit eine Rolle spielt und dass es ebennichts Schlimmes ist, dicker zu werden, sondern dass es okay ist.Was mir noch geholfen hat, war mich eben daran zu erinnern, wie ich mit meinemKörper umgehen möchte. Also, dass ich gut für ihnsorgen möchte und das eben unter anderem damit tue, indem ichKleidung trage, in der ich mich wohlfühle und die bequem ist.Und dann war irgendwie klar, wenn ich jetzt also zukünftig meine Kleidung in einer größerenGröße kaufe, sorge ich dafür, dass es mir in meinem Körper weiterhin gutgeht. Okay,das waren die drei Beispiele. Ich würde so ganz kurzdarauf schauen, was bedeutet das für das ThemaKörperakzeptanz oder für diesen Prozess der Körperakzeptanz?Was lässt sich daran vielleicht auch sehen? Und ich würde sagen, dieBeispiele zeigen, dass die bewusste Entscheidung, den eigenen Körper sozu akzeptieren, wie er ist, dass das nichts Einmaliges ist, sondern eben einProzess. Und das bedeutet auch,es geht nicht kontinuierlich nach vorne, sondern es geht eben mal zweiSchritte voran und dann geht es auch wieder einen Schritt zurück und vielleicht auch manchmaleinen größeren Schritt zurück. Und das ist eben völlignormal für, und ich würde sagen, das ist, also ich begleite ja Entwicklungsprozessein verschiedenen Situationen als Coach, als Prozessbegleitung.Das ist normal für alle Entwicklungsprozesse.Und für den Entwicklungsprozess hin zu mehr Körperakzeptanzgibt es eben noch eine zusätzliche Herausforderung. Also da gibt es was, was es ebenauch zusätzlich schwer macht. Nämlich nur weil ich mich entschieden habe,mit meinem Körper anders umzugehen, heißt es ja nicht, dass der Rest der Welt sichgeändert hat. Also was ich damit meine ist, Körperakzeptanzbedeutet, in einer Welt zu leben, die einem ständig sagt, dass mandünner, fitter, schöner etc. Sein sollte, als man es istund sich diesen Botschaften aber eben immer wieder auch diesen Botschaften gegenüberimmer wieder abzugrenzen und es bewusst anders zu machen. Also in dieser Welt leben wiralle, aber Körperakzeptanz bedeutet ja eben auch nicht mehr mitzumachen.Und ja, das wäre irgendwie seltsam, wenn ich es dann so beschreibe, wäre es irgendwieseltsam, wenn das nicht anstrengend wäre Und wenn das nicht dazu führen würde, dass auchimmer wieder Zweifel aufkommen an diesem eigenen Weg.Und wie ich in den Beispielen beschrieben habe, hilft es mir, in solchenMomenten immer wieder genau hinzuschauen, was gerade bei mir los ist in meinemLeben. Und warum dünn sein oder dünnersein gerade wieder so attraktiv wirkt. Und wenn ich dasbesser verstehe, dann versuche ich eben michdas zu kümmern, was so darunter liegt. Also die Gefühle, Bedürfnisseoder vielleicht auch Glaubenshätze. Und mir hilft es ebenaußerdem, mich immer wieder auf meine Werte zu besinnen, auf die Dinge, vondenen ich überzeugt bin. Also wie zum Beispiel vorhin bei diesem ersten Beispiel.Ich habe eine ganz tiefe Überzeugung, dass ich meinen Körpernicht kaputten Systemen anpassen möchte, sondern dass ich lieber daranmitarbeiten möchte, also in so einer ganz kleinen Nischedaran mitarbeiten möchte, dass diese kaputten Systeme sich ändern. Okay, zumAbschluss. Wenn du für dich über diesesThema auch nachdenken möchtest, reflektieren möchtest, dann sind hier ein paarFragen, die dich dabei unterstützen können. Ich lese diejetzt nach und nach in Ruhe vor, aber die findest du auch im Transkript aufder Podcast-Webseite. Ich packe einen Link dazu in dieShownotes rein.In welchen Situationen ist bei dir in letzter Zeit oder in den letzten Jahren derWunsch aufgetaucht abzunehmen und dünner zu werden?Oder in welchen Situationen ist der Wunsch aufgetaucht, deinenKörper zu verändern, Also falls es nicht darum ging, Gewicht zu reduzieren.Wenn du da zurückdenkst, was war da zu dieser Zeit los in deinem Leben?Wie ging es dir zu dieser Zeit?Und angenommen, also eine hypothetische Frage, mal angenommen, das hinter demWunsch abzunehmen oder deinen Körper zu verändern, dass da eigentlich andere Bedürfnissedahinter standen. Welche Bedürfnisse könnten dassein? Und wie bist du damals mit diesenBedürfnissen umgegangen? Und angenommen,dass du heute wieder in eine ähnliche Situation kommenwürdest, wie würdest du jetzt heute mit diesen Bedürfnissen umgehen?Damit verabschiede ich mich für heute, wünsche dir eine schöne Zeit undbis zur nächsten Folge. Tschüss!