Neu im Club

Marie Binder

#6: Gemeinsam durch Höhen und Tiefen

Familienleben mit ADHS

11.03.2024 31 min

Zusammenfassung & Show Notes

Sicherlich kennst du die Kinder, die im Unterricht immer dazwischen sprechen, mit ihren Zappeleien alle stören, laut und unkonzentriert sind und manchmal auch Ärger verursachen. Diese Kinder, die mit ihrem Verhalten oft nicht in unser Schulsystem passen und die von der Norm abweichen, haben oft die Diagnose ADHS. Doch diese Kinder sind weit mehr als nur Störenfriede. Wie wir lernen können, mit diesen besonderen Kindern umzugehen, darüber spricht Nina in meiner Folge „Gemeinsam durch Höhen und Tiefen - Familienleben mit ADHS“.
Nina ist die Mutter eines Sohnes mit ADHS und kennt den Druck, der auf diesen Kindern lastet, und die Probleme, mit denen sich auch die Eltern konfrontieren müssen. Sie gibt wertvolle Einblicke in den Alltag und teilt Tipps und Tricks, wie das Leben mit ADHS für alle Beteiligten positiver gestaltet werden kann.

Doch nicht nur Kinder sind von ADHS betroffen, auch Erwachsene können die Symptome aufweisen. Interessanterweise gibt es viele berühmte Persönlichkeiten, die ADHS haben oder hatten, wie z.B. Emma Watson oder Steve Jobs. Diese Persönlichkeiten sind ein lebender Beweis dafür, dass ADHS nicht unbedingt eine Begrenzung sein muss, sondern dass man trotz der Diagnose unglaubliche Dinge erreichen kann.
ADHS kann definitiv eine Herausforderung sein, sowohl für die betroffenen Kinder als auch für die Eltern und Lehrer, die sie betreuen und unterrichten. Aber durch Verständnis, Bildung und Unterstützung kann das Leben mit ADHS bewältigt werden. Es ist wichtig, zu erkennen, dass Kinder mit ADHS nicht einfach nur „schwierig“ sind. Sie sehen und erleben die Welt auf eine andere Weise und benötigen vielleicht nur ein wenig mehr Unterstützung und Verständnis, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Nina teilt in dieser Folge ihre persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, um anderen Eltern und Betreuungspersonen zu helfen, die sich mit den gleichen Herausforderungen auseinandersetzen. Sie spricht offen über die Schwierigkeiten, aber auch über die Freuden, die das Leben mit einem Kind mit ADHS mit sich bringt.
Dieses Gespräch ist für alle, die mehr über ADHS erfahren möchten, sei es, weil sie selbst betroffen sind, weil sie ein Kind mit ADHS betreuen oder einfach nur, weil sie mehr über diese oft missverstandene Erkrankung erfahren möchten.

Transkript

Hallo und herzlich willkommen zurück bei einer ganz neuen, frischen Folge von Neu im Club, deinem Podcast rund um Alltagswahnsinn, Familie und Leben mit Kindern. Ich bin deine Marie und wenn du mehr zu mir wissen willst, hör dir doch einfach mal die Folge 0 an, da erzähle ich so ein bisschen was über mich und um die Themen, wie es hier im Podcast so geben wird oder geben sollte. Und jetzt starten wir gleich rein in das Thema der Woche und da frage ich dich jetzt mal, wenn du gerade mal nachdenkst, was haben denn Justin Timberlake, Justin Bieber, jetzt außer dem Vornamen, Steve Jobs, Emma Watson, was haben die alle gemeinsam? Du weißt es nicht, außer dass sie berühmt sind. Sie sind alle bekennende Menschen mit ADHS, also mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Und bestimmt kennst du auch das ein oder andere Kind, vielleicht aus der Schule, aus der Nachbarschaft, oder ja auch von früher, bei dem man gesagt hat, das ist so ein richtiger Zappelphilip, dieses Kind hat ADHS. Das sind Kinder, die sich nicht gut konzentrieren können, die auffällig sind, zum Beispiel im Schulunterricht, immer reinschreien, oft stören, eigentlich ja für viele so kleine Störenfriede, oder? Aber dass ADHS-Kinder auch wirklich tolle Kinder sind und wie man vielleicht auch lernen kann, mit ihnen und ihrer Besonderheit besser umzugehen und besser zu leben, das erfahrt ihr hier im Gespräch mit Nina. Nina war bei mir zu Gast und wir haben ein sehr intensives Gespräch geführt über ihr Leben mit einem Kind außerhalb der Norm, denn Ninas Rafi, der hat ADHS und das schon seit vielen Jahren und sie hat mir ganz offen und ehrlich mal erzählt, welche Höhen und Tiefen sie mit dem Rafi da so erlebt hat, auch im Zusammenhang mit anderen Eltern, mit den Lehrkräften in der Schule und, und, und, und welche Schlüsse Nina für sich und ihre Familie daraus gezogen hat. Sie hat nämlich etwas ganz Tolles dann selber auf die Beine gestellt und kann uns deswegen gleich auch noch richtig gute Tipps an die Hand geben, wie wir und auch unsere Kinder besser mit dem Thema ADHS umgehen können. Und jetzt geht's auch schon rein ins Interview. Hallo und herzlich willkommen Nina zum zweiten Mal. Es ist reales Leben bei mir hier bei der Podcast-Aufnahme. Die Nina tut mir jetzt schon leid. Nina, du bist heute mein Gast und hast gleich mal hier Aufnahmeproblem, unstörende Kinder und alles live miterlebt und jetzt hoffe ich, dass wir über das wirklich wichtige und total interessante Thema, weswegen du heute da bist, in Ruhe sprechen können. Die Spannung in meinem Körper bleibt, ob die Küchentür gleich nochmal aufgeht oder nicht, aber jetzt bin ich positiv. Das klappt jetzt. Nina, du bist da und du stellst dich jetzt bitte einfach mal ganz kurz für alle, die zuhören, einmal vor. Okay, also wir machen den zweiten Anlauf. Das ist auch für mich eine coole Erfahrung und es klappt jetzt sicherlich. Ja, liebe Marie, ich danke dir, dass ich hier sein darf, dass du mich dazu einlädst, dass ich die Möglichkeit bekomme, über mein brennendes Thema zu sprechen. Genau, ich bin Nina, Mama von drei Kindern und im Speziellen mit einem Kind, das außerhalb der Norm ist und nicht von dieser Welt zu sein scheint. Der Rafi. Der Rafi ist 13 und der Rafi hat die Diagnose ADHS bekommen. Wann habt ihr die Diagnose gestellt bekommen? Oh, da muss ich jetzt gerade mal nachdenken. Das war, als er in der ersten Klasse war, also mit sechs Jahren. Genau, das heißt jetzt ist er 13, seitdem ist einiges vergangen, wahrscheinlich mit vielen Höhen und Tiefen, die mit dem Ganzen verbunden sind. Als Elternteil von einem Kind mit ADHS bekommt man sehr viel Druck von außen, also nicht nur das Kind, sondern auch gerade wahrscheinlich die Eltern, weil immerhin bist du verantwortlich dafür, dass dein Kind nicht stört, dass dein Kind nicht auffällt, dass dein Kind sich benimmt und wahrscheinlich hast du alles falsch gemacht, oder Nina? Ja, also gefühlt, wenn ich auf alles hören würde, was die Außenwelt mir so sagt, dann mache ich eigentlich in meinem Leben nichts richtig. Dann mache ich alles verkehrt. Genau, also viele Menschen, die mir in meinem bisherigen Leben schon gemeint haben, sie müssten mir sagen, wie ich irgendwas zu tun habe. Und ja, ich bewerte das alles nicht, was mir andere Menschen sagen, sondern ich nehme es für mich auf und versuche das zu reflektieren. Aber dennoch das zu tun, was mir entspricht und wo ich denke, ich mache das so, wie es doch für mich und meine Familie am besten ist und vor allen Dingen für unser Kind. Ja, und die Meinungen der anderen, die dürfen da sein, die haben ihre Berechtigung, aber ich gehe so mit meiner Familie den Weg, der für uns der richtige ist. Jetzt können dich die anderen nicht sehen, aber ich beschreibe euch mal die Nina, wie ich sie immer mitkriege. Die Nina hat immer total fröhliche Farben an sich, immer total bunte Klamotten, immer ein Strahlen, immer hübsch hergerichtet. Also du lässt dich auf jeden Fall nicht unterkriegen und ich glaube, was dich ausmacht, ist, dass du ein ganz positiver Mensch bist, dass du schon versuchst, aus den Steinen, die dir so ins Leben geworfen werden, aus dem baust du lieber irgendwas, oder? Das ist richtig und ich glaube, das mache ich auch derzeit. Nichtsdestotrotz muss man an den Punkt auch erst mal kommen, weil selbst ich als total positiver, lebensbejahender Mensch war auch in meinem Leben an einem Punkt, wo es nicht mehr vorwärts und auch nicht mehr zurückging, wo der Druck von außen einfach so unfassbar groß war und was ich aber auch als Riesenschance angesehen habe, dass diese Tiefpunkte eigentlich so wichtig sind im Leben, weil nur dann kannst du wieder nach oben schießen und das Beste daraus machen. Was du alles gemacht hast, damit es bei euch vorwärts geht und nicht rückwärts und damit du auch für den Raffi so die besten Grundlagen legst, darüber sprechen wir gleich. Aber vielleicht wäre es ganz wichtig für alle, die entweder mit ADHS noch gar nicht so richtig in Berührung gekommen sind und für vielleicht auch die Eltern, die schon länger ab und zu überlegen, ob denn ihr Kind da in die Richtung eventuell Probleme haben könnte. Wollen wir mal ganz kurz über das Thema ADHS sprechen. ADHS bedeutet ja Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Wenn man jetzt beim Bundesministerium mal nachschlägt, dann gibt es die Definition, dass zwei bis sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen hier in Deutschland wahrscheinlich unter und ich zitiere jetzt, ja dieser Störung leiden. Du selber sagst, als Störung möchtest du es nicht bezeichnen, sondern ja, wie wollen wir es nennen? Also ich habe vorher bei unserem ersten Kontakt von einer Beeinträchtigung gesprochen, mir ist jetzt aber noch was eingefallen, was eigentlich viel besser zutrifft und zwar, ich nenne es einfach eine besondere Form der Persönlichkeit. Ja und das bedeutet für Kinder oder Jugendliche und es gibt auch Erwachsene mit ADHS, also es ist nicht nur den jungen Menschen der Gesellschaft vorbehalten. ADHS bedeutet, man hat es früher das Zappelphilips-Syndrom genannt, das sind Menschen, die können sich oft nicht so gut konzentrieren auf eine Sache. Die sind vielleicht nicht so die, die ruhig sitzen können in der Schule, die sich auf eine Sache konzentrieren können, aber meistens haben sie total, man sagt auch ganz gern mal Inselbegabungen, also dass sie eben in anderen Bereichen extrem gut sind. Also auch mein Ältester oder unser Ältester hatte die Diagnose ADHS und wir hatten auch Zeiten in der Schule, da war es wirklich Horror für mich. Ich hatte die Nummer von seinem Grundschullehrer per WhatsApp als Kontakt drin, ich meine, das hat man normalerweise auch nicht und wenn ich gesehen habe, also es war fast täglich der Fall, dass der mich anruft, dann ach, was ist denn jetzt schon wieder, das gibt's doch nicht. Also es war eine schwere Zeit, aber andererseits gab es dann im normalen Leben mit ihm so viele Momente, wo ich mir gedacht habe, Wahnsinn, da ist der so toll, das macht der so super. Wenn der zum Beispiel Lego gebaut hat als Kind, der hat das mit einer Kreativität und mit einer Ausdauer, also der war da in seiner Welt, der hat da gebaut, da habe ich immer gesagt, der wird mal Architekt, wird er jetzt leider nicht, aber man hat gemerkt, die haben ihre Begabungen und du hast es schon angesprochen, wahrscheinlich ist oft das Problem, dass gerade diese Kinder nur auf ihre Schwächen angesprochen werden oder reduziert werden und dass man dann, wenn sie eben zum Beispiel den Unterricht stören, weil sie nicht still sitzen können, dass das, das ist was das Kind definiert für andere und dass dann überhaupt nicht gesagt wird, was ist denn alles toll an dem, was kann der aber besonders gut. Genau und ich glaube, da liegt einfach auch das dahinter, was ich in die Welt bringen möchte, dass man sich im Leben generell und im Besonderen in Bezug auf diese Kinder auf das Positive fokussiert und nicht nur auf dem rumhackt, was vermeintlich nicht funktioniert. Denn das, was da ist und was an Stärken da ist, das ist überragend und das muss und darf gefördert werden und das ist wahrscheinlich ein Problem in unserer Gesellschaft. Also es sind ja aktuell die neuen PISA-Studien wieder rausgekommen und da kam ja raus, dass wir unfassbar schlecht sind. Also jetzt soll ja Kunst, Musik und Werkunterricht, das soll jetzt alles nochmal gekürzt werden und da schreien auch viele Eltern auf, weil eben nicht nur, klar, Mathe, Deutsch, alles wichtig, aber dieses Künstlerische oder diese anderen Begabungen, die sind ja für die Entwicklung der Persönlichkeit und für die Stärken auch wichtig und was ich da ganz besonders finde und vielleicht, Nina, stimmst du mir dazu und vielleicht auch jemand, der zuhört. Das Problem in unserer Gesellschaft ist ja oft, wenn jemand super toll ist im Zeichnen, aber unfassbar schlecht in Mathe, dann wird immer nur gesagt, lern Mathe, lern Mathe, lern Mathe. Dann wird aber nicht gesagt, mal mehr. Also ich habe da mal was ganz Tolles gehört, die Dame ist leider schon verstorben. Sie hat sehr viele Videos und Berichte gemacht über den Menschen an sich, wie der so funktioniert und die hat mal ein Beispiel genannt. Die hat gesagt, die Ente konnte super gut schwimmen, aber die Ente, die konnte nicht gut klettern und dann haben alle anderen Tiere gesagt, du musst klettern üben, weil im Klettern bist du so schlecht. Dann hat die Ente jeden Tag klettern geübt, aber die Ente ist überhaupt nicht besser geworden im Klettern. Was aber passiert ist, sie wurde immer schlechter im Schwimmen, weil sie ja überhaupt nicht mehr schwimmen gegangen ist und dann konnte sie beides nicht. Also das ist schon so ein bisschen auch der Blick der Gesellschaft, oder? Dass man vielleicht mehr auf dem rumhackt, was schlecht ist, anstatt das zu fördern. Wenn du jetzt an deinen Raffi denkst, also was waren seine Auffälligkeiten, wo du sagst, das haben die Leute immer gesagt, boah, das macht der Raffi, das ist furchtbar, das stört uns, das ist nicht der Norm entsprechend. Also ich glaube, dass einfach das Stören ein großes Problem ist, das unkontrollierte Reinrufen. Also wenn man das jetzt mal auf den Schulsektor hier, wenn man da drauf mal eingeht, was eigentlich auch die größte Herausforderung ist in dem Leben mit dem Raffi, ja, das Stören, das Lautsein, das so völlig drüber zu sein, weil er für irgendwas gerade brennt und das einfach so ausgelegt wird, ja, dieses nicht so in seiner inneren Mitte zu sein, ausfallend zu sein, frech zu sein, ja, so, das sind wohl so die schlimmsten oder die negativen Dinge, die es gibt. Hat er dann auch manchmal aggressives Verhalten zum Beispiel gezeigt? Ja, also Aggressivität kommt dann ins Spiel, wenn er halt von außen signalisiert wird, du gehörst nicht dazu, wir wollen dich nicht, du hast nicht das Recht dabei zu sein. Also wenn wirklich das so alles, ja, so zunichtegemacht wird. Und das ist dann halt, wenn man sich das vorstellt für uns Erwachsene, wenn du immer den halben Tag oder den dreiviertel Tag nur gesagt bekommst, du kannst das nicht, du machst das nicht richtig, reiß dich da zusammen, das funktioniert nicht, sei leise, du bist nicht gut, so wie du bist, dann ist das für die seelische Entwicklung des Kindes, können wir uns alle vorstellen, es ist richtig, richtig schlimm und es hinterlässt einfach Spuren fürs ganze Leben. Und jetzt bist du wahrscheinlich aber keine Mama, die sagt, ach, mich stört's nicht, wenn der Raffi reinruft und mich stört's nicht, wenn er aggressiv wird. Du siehst die Probleme schon, aber du sagst, der Ansatz muss ein anderer sein, damit umzugehen. Genau, also ich glaube, dass ich die Fähigkeit besitze, immer dahinter zu schauen. Also warum reagiert er jetzt gerade so? Und das ist essentiell wichtig im Umgang mit diesen Kindern, dass du schaust, warum reagiert er so? Das hat einen Grund. Und was will er mir damit eigentlich sagen? Was steckt dahinter? Und damit musst du einfach mit ihm ins Gespräch gehen, in Kommunikation bleiben, ja, in ruhigen Momenten versuchen, dass du an ihn rankommst, dass du die Bindung zu ihm nicht verlierst und dass man einfach nach Lösungen sucht und ihm die Chance gibt, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und an dem hakt's auch so da draußen, weil einmal Fehler und du bist abgeschrieben. Und das ist das, was ich auch so schlimm finde. Und ich versuche immer, die Menschen danach nicht zu bewerten, weil sie haben ihren Grund, warum sie so reagieren, weil sie oftmals kein anderes Verhalten selber zur Verfügung haben. Aber wir alle machen doch Fehler. Keiner ist doch perfekt und jeder hat doch auch die Chance verdient, es beim nächsten Mal zu zeigen, dass es besser funktioniert. Und ich glaube, da drauf sollten wir den Fokus legen, egal ob jetzt im Privatleben oder in der Schule, dass diese Kinder einfach gesehen werden, in dem, wie sie sind und dass sie auch gut sind, so wie sie sind. Auch wenn sie nicht alles richtig machen, weil das tut auch ein "normales" Kind nicht. Absolut. Und ihr habt einen Test machen müssen, irgendwann in der Grundschule, ob er ADHS hat. Also da wurde dir nahegelegt, lass ihn doch mal bitte untersuchen. Wie findest du diese Tests? Wie waren da, was wurde da so gefragt? Also es ist sehr standardisiert und diese Tests, die sind halt, ja es gibt halt diesen Katalog an Fragen und der wird ja bei jedem Kind abgefragt. Ich weiß nur, dass diese eine Frage ist, kann ihr Kind über mehrere Stunden in Ruhe sitzen und zuhören? Und mein erster Gedanke war, das kann ja ich schon fast nicht. Wie, wie bitte soll denn das ein sechs, sieben, achtjähriges Kind oder besser gefragt, welches normale Kind? Kinder, die sind doch so, ich laufe da, ich laufe dort, da ist ein Vogel am Fenster vorbeigeflogen, cool. Das ist doch kein normales Kind, das ist doch keiner, der stundenlang sitzen kann, oder? Ne und ich finde auch, also wenn jeder den Fragenbogen ausfüllt, da würde bei jedem irgendwo wahrscheinlich ein einfaches ADHS rauskommen. Also ja, die Kinder müssen da über mehrere Termine einfach Fragen beantworten und da geht's auch wieder drum, sie müssen da still sitzen, sie müssen sich konzentrieren. Und den Kindern fällt es auch oftmals ja so schwierig, auch sich mit sich selber auseinander zu setzen und die sollen da Fragen über sich beantworten, wie sie sich selber einschätzen und es hat seine Berechtigung bestimmt und ich sage jetzt auch nicht, dass das alles schlecht ist oder dass das alles nicht auch da sein darf. Ja, aber ich persönlich mag eigentlich so diese Gänge zu diesen Psychiatern, die meide ich mittlerweile auch, weil ich versuche mit dem, was ich in den letzten Jahren mitgenommen habe, mit den Menschen, die mir begegnet sind, dass ich daraus einfach das so passend für mich finde, dass ich einen guten Umgang finde und dass man einfach mit den Menschen, die nahe am Raffel dran sind, Lösungen und Strategien findet, abseits von dem ganzen Ärzte-Thema, weil das halt auch den Kindern, finde ich, immer das Gefühl gibt, mit dir stimmt was nicht, du bist krank, du bist nicht normal und ja, das macht was mit den Kindern. Jetzt lebt ihr schon einige Jahre mit der Situation, dass ihr diese Diagnose habt und dass ihr immer wieder mal wahrscheinlich auch mit Problemen zu kämpfen habt, also dass immer mal wieder gesagt wird, dies passt nicht, das passt nicht oder dass es auch mal wirklich Ärger gibt oder vielleicht stellt der Raffael auch manchmal was an, wo du sagst, hey Raffael, ich liebe dich, aber es geht nicht, das kannst du nicht machen. Jetzt gibt es bestimmt Eltern, die das hören, die vielleicht auch sagen, mein Kind hat ADHS oder das Nachbarskind hat ADHS und das regt mich total auf. Jetzt hast du doch bestimmt Tipps für uns, wie kann ich denn mit Kindern mit ADHS so umgehen, dass ich das weder ignoriere noch gutheiße, wenn sie ein Verhalten zeigen, also keine Ahnung, vielleicht gibt es ADHS Kinder, die ticken vielleicht mal draußen beim Spielen aus und ich spreche aus Erfahrung, die nehmen einen Schuh und ziehen den dem anderen über den Kopf. Das ist jetzt auch nichts, wo ich eine Urkunde für ausstelle, aber wie gehe ich denn mit solchen Kindern so um, dass ich zwar einerseits das Verhalten nicht als positiv darstelle und sage, hey, das ist okay, das darf man, zieh ruhig anderen den Schuh über den Kopf, wenn es dir nicht gefällt, was er sagt oder tut, aber dem Kind auch nicht das Gefühl zu geben, du bist ein schlechter Mensch. Ja, ich glaube, da möchte ich einsteigen in dem, was im Speziellen mir so geholfen hat und was ich durch das, dass ich es bei mir selber anwende, auch natürlich versuche an dieses Kind weiterzugeben und auch fortzuleben. Und zwar ist das einfach das Thema Resilienz. Ja, Resilienz sagt man ja, ist die psychische Widerstandsfähigkeit und dass man sich einfach von dem Außen nicht triggern lässt, dass es bestimmt manchmal doch passiert, es Handlungen daraus entstehen bei dem Raphael, die so nicht in Ordnung sind. Und dann muss man das natürlich aufgreifen und darüber sprechen. Aber mein Ziel ist immer, dass es überhaupt gar nicht so weit kommt, dass die Emotionen so weit überkochen, sondern dass er vorher merkt, entweder er geht jetzt aus der Situation raus, man gibt ihm Hilfestellung, man geht vielleicht auch dazwischen. Aber ja, so immer dieses vorausschauende Handeln, es ist so essentiell wichtig, dass du es abschätzen kannst und das kannst du irgendwann. Wann braucht er mich jetzt, wann kann er es selber regeln? Das ist oftmals so eine Gratwanderung, aber ich glaube, wir bekommen es mittlerweile ganz gut hin. Ja, und dass es so ein Gespür für sich selber bekommt. Also wann ist es zu viel? Ja, habt ihr da, wenn ich mal so fragen darf, hat der Raphael da jetzt zum Beispiel so Strategien an der Hand, die ihr ihm beigebracht habt, wenn er merkt, seine Emotionen zum Beispiel kochen über? Und was kann er dann machen? Was sind so deine Tipps für ihn, um es selber regeln zu können und wenn es nicht klappt, wie hilfst du ihm dann? Genau, also womit wir einfach sehr viel arbeiten ist, dass ich ihm immer sage, also nur weil jemand anders dich jetzt provoziert oder beleidigt, was ja da draußen unter Kindern so fast normal ist, provoziert oder beleidigt zu werden, dass er lernt, es nicht auf sich zu beziehen. Da ist eben die Strategie, die wir ihm auch, finde ich, antrainiert haben, es sind Meinungen und die darf derjenige auch haben. Es heißt aber nicht, dass das so stimmt, sondern es ist eine Meinung und oder jeder Mensch hat eine Meinung und jetzt kommt es halt darauf an, wie gehe ich damit um? Also beziehe ich es auf mich oder halt nicht? Und wenn ich für mich weiß, ich bin doch gar nicht blöd, aber jemand anders sagt es zu mir, ich weiß aber ich bin nicht blöd, dann tut mich das auch überhaupt gar nicht berühren, dann triggert mich das auch nicht und dann kochen auch keine Emotionen mehr hoch, weil die gibt es ja dann gar nicht mehr. So und das ist eigentlich so eine Strategie, die unfassbar viel bewirkt, weil er dadurch ja viel, viel ruhiger bleiben kann in sich. Ich glaube, das trifft jetzt auch auf alle Kinder zu. Das ist schon so ein Punkt, ich nenne da immer ganz gern die bedürfnisorientierte und vor allem bedingungslose Erziehung und bedingungslose Liebe, die ja, ich nenne es jetzt auch mal Kindern, der Norm oft fehlt. Und das sind dann oft Kinder oder später auch Erwachsene, die sehr viele Selbstzweifel haben, die sehr unsicher sind, die vieles auch auf sich beziehen. Ich nenne da jedes Mal das Beispiel von "vielleicht hatte der andere einen eingewachsenen Zehennagel und deswegen schlechte Laune, weil er Schmerzen hatte und es hat überhaupt nichts mit dir zu tun gehabt", sondern dieses bedingungslose Lieben und dieses dem anderen, nicht nur Kindern, vielleicht auch mal dem Partner oder auch mal der besten Freundin oder dem besten Freund oder wem auch immer, das Gefühl zu geben, so wie du bist, so bist du super mit all deinen Ecken und Kanten und so akzeptiert zu werden. Und wenn man sich selber auch damit akzeptieren kann. Also zu mir haben immer alle Leute gesagt "Boah Marie, du redest so viel". Ja, genau. Ich rede unfassbar viel und dann muss man das Beste daraus machen, ein Podcast zum Beispiel, indem man die ganze Zeit reden darf. Also indem man vielleicht auch seine vermeintlichen Schwächen zu stärken macht und indem man eben Leute an der Seite hat, die einem sagen "Hey, lass die Leute reden" oder "Steh zu dir selber". Richtig und ich glaube, das ist eines der wichtigsten Werkzeuge, die wir überhaupt für uns erlernt haben und die einem auch keiner mehr nehmen kann, dieses so fällige bei sich anzukommen, du selbst zu sein und nicht abhängig sein von den Meinungen der anderen. Und das ist ja auch das, was ich dem generell allen meinen Kindern beibringe. Es ist nicht alles richtig, was die anderen über dich sagen und wenn du das für dich schaffst, dich nicht davon abhängig zu machen, was jemand anders zu dir sagt oder wie er über dich denkt, dann kannst du eigentlich so frei für dich leben. Und das ist ja auch das, was das Kind merkt und was du deinem Kind ja vorlebst. So dieses Wertungsfreie und nur weil jemand anders jetzt was Blödes zu dir sagt, ist der aber nicht gleichzeitig auch blöd, sondern schon auch immer das Signal an das Kind, der ist gerade echt schlecht drauf, der hat was Blödes erlebt, so wie du vorher das mit dem eingewachsenen Zehner gesagt hast. Genau, ich versuche immer den Kindern zu erklären, es hat bestimmt irgendeinen Grund, warum der gerade echt mies drauf ist. Du bist gerade da und du kriegst es ab. Du wirst jetzt quasi getestet, gehst du drauf ein oder nicht und du kannst ja Spaß haben. Der Spaß ist ja meistens vorbei, wenn man nicht drauf eingeht, dann ist es ja für den anderen auch überhaupt nicht mehr so lustig, den zu ärgern. Und du hast schon gesagt, der Raffi ist über die letzten Jahre damit auch viel ruhiger geworden. Also ich kenne ihn ja auch persönlich und ich muss sagen, wenn ich ihn treffe, also ich habe früher schon so einige Geschichten auch gehört, was er mal angestellt hat oder so und habe mir immer gedacht, das ist bestimmt nicht einfach, auch für die Eltern gerade. Aber wenn ich ihn sehe, also er grüßt mich immer super lieb und ist immer super freundlich. Also von dem her, mir ist in letzter Zeit überhaupt nichts aufgefallen. Und du hast ja jetzt sogar wahrscheinlich durch die ganze Geschichte mit Raffi eine Umschulung gemacht oder eine Ausbildung für dich. Stark ohne Muckis heißt das ganze Thema. Genau, also ich war mutig und habe nach über 20 Jahren meinen sicheren Hafen verlassen. Ja, das war für mich ein sehr großer Schritt. Und mir war es wichtig oder ich habe mir immer gedacht, aus dem, was ich erlebe, da muss man irgendwas rausholen, was anderen Menschen auch helfen könnte. Und in erster Linie natürlich uns als Familie, das hat ja auch mal den Grund, genau. Dann auch was, wo man einfach anderen Menschen damit helfen kann. Und ich bin auch stark, auch ohne Muckis getroffen, genau. Als Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin, das war meine erste Ausbildung und ich durfte da so unfassbar viel lernen. Für mich, für die Arbeit, den Umgang mit meinem Kind, genau. Es geht um das Thema Mobbing, aber im Grunde ist es einfach ausgerichtet auf das, dass wir Mobbing in den nächsten Jahren in Liebe und Achtsamkeit verwandeln. Das heißt, dass wir alle wieder lernen, respektvoll miteinander umzugehen und nicht alle gegeneinander zu sein, uns zu beleidigen, uns zu schlecht zu reden. Ja, und begonnen hat das Ganze, dass du einfach erstmal in die Arbeit mit dir selber gehst, dich selber kennenlernst. Und das finde ich, das ist so der Schlüssel zu allem im Leben, wenn du dich selber kennst, wenn du weißt, was du brauchst, damit es dir gut geht, egal ob andere das gut finden oder nicht. Genau, und diese Ausbildung ist darauf ausgerichtet, eben auch in die Schulen zu gehen, in diesen Trainings das den Kindern zu vermitteln. Ja, und da bin ich jetzt gerade dran, das einfach nach draußen zu tragen, das in die Schulen zu bringen. Und genau im zweiten Teil bin ich noch in eine Beraterausbildung gegangen für die Eltern und Pädagogen. Und da will ich mich einfach auf den Schwerpunkt Umgang mit ADHS-Kindern spezialisieren und auch das nach draußen bringen. Eltern stärken, die wirklich auch am Boden sind, so wie wir das auch waren. Dass sie wieder ihre Kraft finden, dass sie lernen, was man auch Gutes rausholen kann und vor allem Aufklärungsarbeit in den Schulen und in der Gesellschaft zu leisten. Ja, dass man einfach einen anderen Blick und eine andere Haltung gegenüber diesen Kindern bekommt, weil sie sind einfach großartige Wesen und sie gehören dazu. Sie sind da. Man kann sie nicht einfach wegschieben, ausgrenzen, sondern man darf Wege finden, wie es uns allen damit besser geht und wie sie einfach integriert werden und man alles Schöne auch sieht, was sie so mitbringen. Und wenn jetzt jemand sagt, Wahnsinn, das Thema interessiert mich oder das würde ich gerne weiter für meine Schule vorschlagen, wo findet man da Infos, an wen kann man sich da wenden, wie läuft sowas ab? Genau, also es ist gerade alles im Aufbau, es ist auch total aufregend. Also ich bin jetzt in die Selbstständigkeit gestartet und jetzt wird gerade ein Logo für mich entworfen, eine Webseite, also das ist alles am Aufbau, Flyer werden erstellt und im Moment kann man mich unter meiner E-Mail-Adresse erreichen oder kontaktieren, also wenn da jemand Interesse hat. Also wer noch weitere Tipps braucht, der schreibt einen Hilferuf per E-Mail nieder. Genau, und ja, das ist so mein Herzensprojekt einfach, die Leute da draußen zu stärken, denen es genauso geht wie uns und das heißt nicht, dass wir alles im Griff haben, das heißt nicht, dass wir jetzt die Lösung schlechthin haben, aber ja, das, was ich da erlernt habe, das ist für mich so der Schlüssel zu vielem anderem und dass man einfach auch mit einem sehr anstrengenden und herausfordernden Kind ein leichtes Leben führen kann. Genau, und da möchte ich einfach die Leute darin bestärken und ihnen aufzeigen, hey, das geht doch. Man muss nur bereit sein, sich mit sich selber zu beschäftigen. Und jetzt als abschließende Frage an dich, Nina, hast du das Gefühl, dass es dem Rafi seitdem auch besser geht, von seiner Seele her? Ja, total. Also er erlebt immer noch Sachen, die nicht schön sind, er erlebt auch immer wieder Ausgrenzungen, aber durch das, dass wir ihm das vorleben, nimmt er so viel für sein Leben mit und auch wie wir mit dem umgehen, wie andere Menschen ihm begegnen, weil ich bewerte sie nicht, sie handeln aus ihrer besten Version, aber ich sage halt auch, es ist so nicht okay, es könnte besser sein, aber deshalb sind sie nicht alles schlechte Menschen. Ich hoffe, dass du aus diesem Gespräch dasselbe herausnehmen kannst wie auch ich, nämlich dass man auch mit Kindern, die nicht der Norm entsprechen, auf jeden Fall einen guten und positiven Umgang pflegen kann. Und die Tipps von Nina, die können wir uns alle zu Herzen nehmen, um vielleicht auch mehr Verständnis für Eltern zu haben, die mit ein bisschen schwierigeren Kindern ihr Leben meistern und dass man eben nicht immer nur den Fehler bei anderen sucht, sondern auch das Positive heraus sucht. Ich finde, das Gespräch war wirklich wieder total ausschlussreich, hat auch wieder einen sehr tiefen Einblick in das Leben einer Familie gegeben. Das finde ich immer besonders schön und das ist auch mit ein Grund, warum ich diesen Podcast mache, weil ich finde es einfach interessant, dass man mal erfährt, wie ist denn das Leben mit einem Kind mit ADHS, wie ist denn das Leben mit einer Familie, wenn ich selber krank bin, wie ist das alles, was ich nicht kenne vielleicht auch. Nina, vielleicht hast du jetzt zugehört und gemerkt, genau wie Nina, so geht es mir auch mit meinem Kind, denn auch mein Kind hat ADHS. Dann hoffe ich, dass du dich jetzt verstanden gefühlt hast und vielleicht sogar ein paar Ideen und Tricks noch hast oder eben auch so ein bisschen Ideen, wie du mit dem Ganzen noch mal besser umgehen kannst. Und das war es dann auch schon mit dieser Folge. Und heute habe ich überhaupt gar keine großen Abschlussworte. Ich wünsche dir einfach eine wunderschöne Woche. Ich freue mich, dass du wieder dabei gewesen bist und ich hoffe, dass du auch bei der nächsten Folge neu im Club wieder einschaltest. Von dem her alles Liebe und bis zum nächsten Mal. Ciao, deine Marie. [Musik] [Musik]