Recht Kurz

Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann
Since 04/2020 57 Episoden

Folge 049: Verjährung

11.07.2024 11 min

Zusammenfassung & Show Notes

Tischler und Petermann besprechen in Folge 049 von „RECHT kurz“ die Verjährung. Was bedeutet „Verjährung“ und wie kann man sie verhindern? Schnell reinhören, bevor es zu spät ist.

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Transkript

Moin und herzlich willkommen zu Recht Kurz. Moin Markus, grüß dich.
Tischler
00:00:24
Hi Tim, grüß dich.
Petermann
00:00:26
Markus, was ist unser Thema heute?
Tischler
00:00:28
Wir wollen heute mal über das Thema Verjährung sprechen.
Petermann
00:00:32
Ganz genau. Und zwar wollen wir nur einen kurzen Überblick geben, worum handelt es sich dabei, welcher Sinn und Zweck steckt dahinter, was gibt es für Arten von Verjährung und kann man vielleicht was dagegen tun?
Tischler
00:00:44
Oder gibt es auch Ansprüche, die gar nicht verjähren?
Petermann
00:00:47
Oder auch das, richtig. Fangen wir mal an. Markus, was bedeutet Verjährung denn eigentlich?
Tischler
00:00:53
Also zunächst mal bedeutet, ganz groß vor die Klammer gezogen, Verjährung die fehlende Durchsetzbarkeit eines Anspruchs bzw. der Verfolgbarkeit einer Straftat durch Zeitablauf.
Petermann
00:01:05
Ganz genau. Grundsatz ist also, wir haben einen Anspruch, der besteht. Jemand steht einem Anspruch zu und der löst sich irgendwann durch Zeitablauf auf.
Tischler
00:01:19
Ja, ich muss mich als Gegner schon auf die Verjährung berufen. Also gerade, wir kennen es aus dem Kaufrecht bei Gewährleistungsansprüchen, aber auch bei Schadenersatzansprüchen oder anderen Herausgabeansprüchen.
Petermann
00:01:33
Das ist im Zivilrecht oder eben, wie du schon sagtest, im Strafrecht die Verfolgung oder die Vollstreckung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder eben auch die Verjährung im öffentlichen Recht, zum Beispiel bei Verwaltungsakten etc. Das bedeutet ja, dass.
Tischler
00:01:50
Und jetzt kommt mein Lieblingssatz, die Verjährung etwas Gutes, aber für die andere Seite auch etwas Schlechtes sein kann.
Petermann
00:01:56
Absolut, bleiben wir im Zivilrecht, ich habe einen Zahlungsanspruch gegen dich und der ist verjährt, das ist für mich denkbar ungünstig.
Tischler
00:02:04
Erstmal noch nicht so ungünstig, ich muss mich ja darauf berufen.
Petermann
00:02:08
Du kannst dich aber darauf berufen und wenn du das tust, dann besteht der Anspruch, so nennen wir Juristen das, zwar dem Grunde nach, aber er ist nicht mehr durchsetzbar aufgrund des Zeitablaufs. Stellt sich doch die Frage, Markus, warum ist das so?
Tischler
00:02:25
In erster Linie soll Rechtsfrieden und Rechtssicherheit hergestellt werden.
Petermann
00:02:29
Ganz genau. Vereinfacht steckt der Gedanke dahinter, irgendwann ist aber auch mal Schluss mit deinem Recht. Irgendwann soll der Rechtsfrieden dadurch hergestellt werden, dass man sagt, okay, der Anspruch besteht zwar oder bestand zwar, du hattest auch genügend Zeit, deinen Anspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Das hast du in der gegebenen Zeit innerhalb der Verjährungsfrist nicht getan und deswegen ist jetzt Schluss.
Tischler
00:02:52
Das ist der Schuldnerschutz. Also handelt es sich bei der Verjährung um ein Rechtsinstitut zur Wahrung von Schuldnerinteressen.
Petermann
00:03:00
Ganz genau. Kleiner Nebeneffekt vielleicht ist, dass durch die Verjährung natürlich auch Rechtsstreitigkeiten vermieden werden oder zumindest vorzeitig beendet werden können. Das heißt, in gewisser Weise sorgt das vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle für eine Entlastung der Gerichtsbarkeit.
Tischler
00:03:21
Okay, welche Arten von Verjährung oder welche Fristen gibt es denn überhaupt?
Petermann
00:03:26
Wir kennen die Verjährungsfristen aus dem allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches. Da ist zum einen die regelmäßige Verjährungsfrist, die grundsätzlich für alle möglichen Arten von Ansprüchen gilt.
Tischler
00:03:38
Vielleicht nochmal vorweggeschickt, wir beschränken uns jetzt in erster Linie hier aufs Zivilrecht.
Petermann
00:03:43
Ja, sollten wir tun.
Tischler
00:03:45
Strafrechtliche Vorschriften gibt es ja auch, jeweils abhängig vom Strafrahmen, bestimmte Verjährungsfristen, aber wir beschränken uns mal aufs Zivilrecht.
Petermann
00:03:53
Und im Zivilrecht gibt es vor allen Dingen die regelmäßige Verjährungsfrist, die beträgt drei Jahre und zwar nicht ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, wie man vielleicht denken kann, sondern ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Was dann, wenn man das dann weiterrechnet, auch dazu führt, dass die regelmäßige Verjährungsfrist, wann endet?
Tischler
00:04:19
Mit Ablauf des 31.12. Also nicht am 31.12., sondern mit Ablauf dieses Tages. Ganz wichtiger Unterschied. Zur Folge, dass Juristen häufig kurz vor Weihnachten oder kurz vor Silvester noch viel zu tun kriegen, weil ein Mandant gerade mal wieder um die Ecke kommt mit der Bitte um Prüfung, ob nicht irgendwas zu verjähren droht. Das kommt immer mal wieder vor. Kleiner Funfact, in diesem Jahr war es so, oder man muss ja sagen im letzten Jahr, also 2023, da der 31.12. auf ein Wochenende fiel und der 1.1. auch ein Feiertag ist. endet die Verjährung erst mit Ablauf des 2. Januars. Etwas ungewöhnlich. Jetzt steigst du schon ganz tief ein.
Petermann
00:05:04
Genau, denn das ist eine Regelung aus dem Zivilrecht ebenso. Wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag fällt oder einen Feiertag, dann verlängert sich die Frist automatisch bis zum nächsten Werktag. Was ich gerne noch ergänzen wollte, ist wir sprechen immer von der dreijährigen Verjährungsfrist. Dadurch, dass diese aber erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, kann die dreijährige Verjährungsfrist tatsächlich bis fast vier Jahre dauern, denn wenn der Anspruch nämlich als solcher am 2.1. entsteht, fängt die Frist erst am 1.1. des Folgejahres an.
Tischler
00:05:42
Wir machen es noch etwas komplizierter, aber dann machen wir auch einen Strich drunter. Es geht nicht nur um die Anspruchsentstehung, sondern ich muss auch Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen haben, beziehungsweise … Du nicht.
Petermann
00:05:59
Aber der Anspruchsinhaber.
Tischler
00:06:00
Genau.
Petermann
00:06:03
Ja, okay, das ist die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Was gibt es noch, Markus?
Tischler
00:06:08
Ja, mir fällt jetzt noch ein, es gibt natürlich auch ein paar Ausnahmen. Wir kommen vielleicht gleich nochmal aufs Zivilrecht zurück. Eins wollte ich nur vorweg schicken. Mord zum Beispiel jetzt im Strafrecht verjährt nie. Völkermord auch nicht übrigens. Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch nicht und Kriegsverbrechen auch nicht.
Petermann
00:06:27
Dafür, dass du im Zivilrecht bleiben wolltest.
Tischler
00:06:29
Das musste ich loswerden. So, was noch? Wir haben uns jetzt die regelmäßige Verjährungsfrist angeschaut. Was ist denn aber zum Beispiel mit der kaufvertraglichen Verjährung, Tim, oder mit der Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen?
Petermann
00:06:46
Genau, wenn ich eine Sache kaufe, also einen Kaufvertrag schließe, dann muss der Verkäufer ja für Mängel haften. Und diese Mängelansprüche, die ein Käufer möglicherweise hat, die verjähren innerhalb von zwei Jahren nach Übergabe der Kaufsache. Ja, das ist also nicht die dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist und im Unterschied dazu beginnt hier diese zweijährige Gewährleistungsfrist, so nennt man sie, nicht erst mit dem Schluss des Jahres, in dem ich den Kaufvertrag geschlossen oder die Kaufsache übernommen habe, sondern tatsächlich mit dem Tag der Übergabe der Kaufsache. Das heißt, die Frist endet dann eben auch unterjährig.
Tischler
00:07:32
Genau, genauso ist es bei Werkverträgen, da kommt es aber nicht auf die Übergabe der Kaufsache an, die gibt es ja bei Werkverträgen nicht, sondern da geht es um die Abnahme.
Petermann
00:07:41
Korrekt, ganz genau.
Tischler
00:07:43
So, was haben wir noch? Kann die Verjährung vielleicht auch verlängert werden? Ja. Kann man bestimmte Regelungen treffen, um den Lauf der Verjährung in irgendeiner Form zu beeinflussen?
Petermann
00:07:58
Du meinst, ob man was dagegen tun kann, dass man über den Anspruch irgendwann abhanden kommt durch die Verjährung? Ja, es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Verjährung zu durchbrechen. Insbesondere kommt eine Hemmung der Verjährung in Betracht, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Da sieht das Gesetz eine ganze Reihe von Möglichkeiten vor. Unter anderem wird zum Beispiel die Verjährung gehemmt, wenn die beiden Parteien, also Gläubiger und Schuldner des Anspruchs, über den Anspruch verhandeln.
Tischler
00:08:30
Ja und dieses Verhandeln wird relativ weit gefasst. Es gibt dann auch noch eine ganze Latte an Maßnahmen, die man ergreifen kann, um die Verjährung zu hemmen, nämlich die Beantragung eines Mahnbescheides oder die Erhebung der Klage und so weiter und so fort. Da müssen wir nicht ins Detail gehen.
Petermann
00:08:47
Müssen wir nicht ins Detail gehen, aber das ist eben wichtig, wenn ich den Anspruch verfolge, dann kann ich eben auch am letzten Tag der Verjährungsfrist eine Klage noch einreichen oder einen Mahnbescheid beantragen und hämme dadurch die Verjährung.
Tischler
00:09:01
Wenn die Klage denn dann zeitnah oder der Mahnbescheid zugestellt wird.
Petermann
00:09:05
Demnächst zugestellt wird.
Tischler
00:09:06
Genau.
Petermann
00:09:07
Ganz genau.
Tischler
00:09:08
Es gibt auch die Möglichkeit, ich habe das eben schon angedeutet, dass die Parteien eine Vereinbarung darüber treffen, dass die Verjährung verlängert wird, beziehungsweise auf die Einritte der Verjährung für einen bestimmten Zeitraum verzichtet wird.
Petermann
00:09:24
Genau, das kommt in der Praxis immer mal wieder vor, wenn zwischen den Parteien eben Gespräche stattfinden und man ganz sicher gehen will, nachher nicht eine Verjährungsunterbrechung durch Verhandlungen berechnen zu müssen, dass ein solcher Verjährungsverzicht erklärt wird, um sich selbst genügend Zeit zu verschaffen, ohne die Verjährung fürchten zu müssen, über den Anspruch eine Einigkeit erzielen zu können.
Tischler
00:09:53
So Tim, ich glaube, das ist als erster Rutsch durch die Verjährung schon mal so gut wie alles gewesen. Vielleicht können wir am Ende noch einmal festhalten, dass sich anhand des Schutzzwecks doch gezeigt hat, dass es ein relativ wichtiges Institut in der Rechtsordnung ist, die Verjährung. Und worauf müssen wir achten?
Petermann
00:10:18
Worauf müssen wir achten? Wir müssen die Fristen im Blick behalten. Das ist wirklich wichtig, um dann möglicherweise Ansprüche nicht zu verlieren, beziehungsweise die Möglichkeit ihrer Geltendmachung.
Tischler
00:10:34
Das bedeutet, dass man sich zum Beispiel bei Kaufverträgen nach dem Kauf oder nach der Übergabe, um genauer zu sein, den Unterschied hatten wir ja vorhin schon, vielleicht mal im Handy notiert, dass man 23 Monate später mal guckt, ob irgendwas geltend zu machen ist. Genau.
Petermann
00:10:55
Wichtig ist sicherlich, dass man einen kleinen Puffer lässt, damit man nicht nur Nachmittag Zeit hat, um zu entscheiden, muss ich Klage erheben oder sonstige verjährungshemmende Maßnahmen einnehmen.
Tischler
00:11:03
Zwei Jahre haben ja auch vier Monate und nicht 24 Monate und nicht nur 23.
Petermann
00:11:07
Das ist richtig.

2024 - Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann