Recht Kurz

Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann
Since 04/2020 58 Episoden

Folge058: PrePack

14.11.2024 9 min

Zusammenfassung & Show Notes

Das Pre-Pack-Verfahren - ein Game Changer? Heute wenden sich Tischler und Petermann in ihrem Podcast wieder einmal einem brandaktuellen Thema zu. Was hinter dem Begriff „Pre-Pack“ steckt und was daran wirklich neu ist, erfahren Sie in Folge 058 von „RECHT kurz“.

Transkript

Moin und herzlich willkommen bei Recht Kurz. Moin Markus.
Tischler
00:00:24
Moin Tim, hi, grüß dich.
Petermann
00:00:26
Grüß dich. Markus, worüber wollen wir heute sprechen?
Tischler
00:00:29
Wir haben uns heute mal das Thema Pre-Pack-Verfahren ausgesucht.
Petermann
00:00:33
Aha, Pre-Pack.
Tischler
00:00:36
Was ist denn darüber zu verstehen?
Petermann
00:00:38
Ja, das Pre-Pack-Verfahren ist ein im Vorfeld der Insolvenz vorbereiteter Unternehmenskauf, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird. Der Verkauf des Unternehmens wird also vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem Dritten verhandelt und die Übernahme verbindlich so vorbereitet, dass der Unternehmenskauf unmittelbar dann nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens umgesetzt werden kann.
Tischler
00:01:01
Vielleicht nochmal vorweg, entwickelt ist das Ganze oder es kommt wohl aus den Vereinigten Staaten beziehungsweise dem Vereinigten Königreich und im Prinzip haben wir es ja mit einem Unternehmensverkauf zu tun, der jetzt mal ganz einfach gesprochen irgendwie im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren eines Unternehmens steht.
Petermann
00:01:19
So ist es. Und wir haben uns den Begriff mal rausgegriffen, weil ein Richtlinienentwurf von Ende 2022 vorliegt von der EU-Kommission und darin geht es eben um das Pre-Pack-Verfahren.
Tischler
00:01:35
Und die Richtlinie soll zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts dienen oder beitragen und damit gläubiger Anleger und Investoren oder für gläubiger Anleger und Investoren ein einheitlicher Investitionsschutz geschaffen werden.
Petermann
00:01:51
Genau, Ziel der Richtlinie ist die Förderung der Kapitalmarktunion in Europa und die Stärkung des EU-Binnenmarkts. Es sollen Unterschiede zwischen nationalen Insolvenzgesetzen verringert werden und damit die Vorhersehbarkeit für grenzüberschreitende Anleger und der Abbau von Hindernissen für den freien Kapitalverkehr gefördert werden.
Tischler
00:02:09
Genau, derzeit ist es nämlich alles noch so eine Art Flickenteppich.
Petermann
00:02:14
Genau, viele nationale Insolvenzregelungen, die teilweise aber nicht zwingend vollständig beeinstimmen.
Tischler
00:02:20
Sinn und Zweck des Pre-Pack-Verfahrens ist ja zunächst mal die Verkürzung der Dauer eines Insolvenzverfahrens und auch die Vermeidung des insbesondere auch in Deutschland im Vergleich zu den Vereinigten Staaten immer noch bestehenden Insolvenzstigma und auch die Verhinderung einer kostspieligen Unternehmensfortführung.
Petermann
00:02:38
Genau. Das Pre-Pack-Verfahren gliedert sich im Wesentlichen in zwei Phasen, nämlich die Vorbereitungsphase und die Liquidationsphase.
Tischler
00:02:48
In der Vorbereitungsphase, wie der Name schon sagt, wird die Veräußerung vorbereitet. Das ist ein Eröffnungsverfahren ohne Bekanntmachung. Üblicherweise, wir kommen nachher aber auch nochmal zu den Unterschieden, üblicherweise werden Insolvenzeröffnungsverfahren unter insolvenzbekanntmachung.de in Deutschland zumindest angekündigt, sodass jeder Gläubiger auch davon Kenntnisse erlangen kann. Und die Vorbereitungsphase beginnt mit einem gerichtlichen Antrag des Schuldners auf Ernennung eines Sachwalters.
Petermann
00:03:16
Genau, wichtig ist, dass in dieser Vorbereitungsphase die Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte und die Geschäftsführungsbefugnis beim Schuldner verbleiben. Der Verkaufsprozess wird von einem Sachwalter begleitet, der den Verkaufsprozess dokumentiert und die Kontrolle von Markt- und Wettbewerbsstandards überwacht.
Tischler
00:03:37
Was hierbei wichtig ist, das ist ähnlich wie aus dem deutschen Insolvenzplanverfahren bekannt, dass kein Gläubiger schlechter gestellt werden darf, als er nach der gewöhnlichen Rangordnung, das heißt bei der Einzelliquidation der Vermögenswerte, stünde. Genau.
Petermann
00:03:51
Und bei der Umsetzung dieses Richtlinienentwurfs sollen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Verkaufsprozess eben mit ausreichend Wettbewerb, Transparenz, Fairness und nach Marktstandards durchgeführt wird. Maßstab sind jeweils anerkannte Regelungen von M&A Transaktionen.
Tischler
00:04:10
Genau, dann kommt die Liquidationsphase, in der die Vollziehung des soweit vorverhandelten Verkaufs und die gerichtliche Genehmigung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen wird. Das heißt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll der Verkauf und die Übernahme der Vermögenswerte genehmigt und umgesetzt werden.
Petermann
00:04:28
Dazu wird der Sachwalter durch das Gericht zum Insolvenzverwalter bestellt.
Tischler
00:04:32
Es erfolgt eine gerichtliche Überprüfung der Stellungnahme des Sachwalters aus der Vorbereitungsphase.
Petermann
00:04:36
Und alle Gläubiger erhalten rechtliches Gehör.
Tischler
00:04:41
Gibt dann einen schuldenfreien Erwerb durch den Käufer.
Petermann
00:04:44
Genau. Und dann?
Tischler
00:04:47
Dann werden die Gläubiger quotal befriedigt aus dem Verkaufserlös. Genau.
Petermann
00:04:51
Wie wir das aus dem Regelinsolvenzverfahren kennen.
Tischler
00:04:54
Genau. So, was ist denn jetzt eigentlich neu an dieser ganzen Geschichte, Tim? War jetzt alles ein bisschen dröge vielleicht?
Petermann
00:05:01
Naja, soweit ich das verstehe, ist so richtig neu jetzt im Vergleich zum deutschen Insolvenzrecht nicht viel Neues dabei, denn im deutschen Insolvenzrecht kennen wir etwas Ähnliches.
Tischler
00:05:12
Wir kennen die übertragene Sanierung im Rahmen eines Asset Deals. Auch da wird der Verkauf von Vermögensgegenständen eines insolventen Unternehmens an eine andere juristische oder natürliche Person mit dem Ziel der Restrukturierung durchgeführt. Und das Ganze wird auch bei der übertragenen Sanierung üblicherweise bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren vorbereitet, um dann mit Insolvenzöffnung die Veräußerung hinzubekommen.
Petermann
00:05:35
Genau, denn bekanntlich ist ja auch das deutsche Insolvenzrecht ähnlich wie es in der Richtlinie vorgesehen ist, eben zweigeteilt und zwar hier in einem vorläufigen Insolvenzverfahren und einem Hauptinsolvenzverfahren. bedeutet, dass letztlich dieses Pre-Pack-Konzept im deutschen Insolvenzrecht im vorläufigen Insolvenzverfahren eingegliedert ist, wenn man so will, richtig?
Tischler
00:05:56
Die wesentliche Besonderheit und damit auch einer der wesentlichen Unterschiede, der bisher noch nicht in der deutschen Insolvenzordnung vorgesehen ist und der durch das Pre-Pack-Verfahren üblicherweise angedacht ist, zumindest in der Richtlinie, ist, dass der Vertragsübergang auf den Erwerber ohne Zustimmung anderer Parteien erfolgen kann.
Petermann
00:06:17
Genau, mit Vertragsübergang meinst du Verträge, die das Unternehmen, das vorläufig insolvente Unternehmen mit Dritten geschlossen hat, ebenfalls übertragen werden können, ohne dass die Dritten zustimmen. Denn es ist was anderes, ob ich jetzt eine Maschine oder einen Bürotisch verkaufe oder ein Vertragsverhältnis.
Tischler
00:06:35
Genau, was man schon als revolutionär bezeichnen kann, denn das wird so derzeit vom bürgerlichen Gesetzbuch nicht vorgesehen.
Petermann
00:06:42
Völlig richtig, denn jeder darf sich seinen Vertragspartner aussuchen und wenn er sich den einmal ausgesucht hat, kann ihm nicht gegen seinen oder ohne seinen Willen ein anderer Vertragspartner vor die Nase gesetzt werden.
Tischler
00:06:54
Ja Tim, und genau in dieser Möglichkeit der Vertragsübernahme ohne die Zustimmung des Vertragspartners wird eben auch die Kritik des Pre-Pack-Verfahrens gesehen, weil das eben, ich hatte es ja vorhin schon gesagt, ist so bei uns in der Rechtsordnung bisher nicht vorgesehen und ist im Prinzip auch ein Verstoß gegen die negative Vertragsfreiheit möglicherweise.
Petermann
00:07:13
Genau, so ist es. Kommen wir nochmal darauf zurück, was wir vorhin gesagt hatten, dass die Gläubiger angehört werden. Das ist wohl nur ein Anhörungsrecht, was da vorgesehen ist und kein Mitbestimmungsrecht der Gläubiger, nicht wahr?
Tischler
00:07:26
Genau, denn die Übertragung erfolgt letztlich durch den Beschluss des Gerichts und nicht durch die Zustimmung der Gläubiger. Also üblicherweise ist es bei der übertragenen Sanierung so, dass der Unternehmenskauf unter dem Vorbehalt der Annahme durch das zuständige Gläubigerorgan besteht.
Petermann
00:07:40
Okay, und wenn die hier gar nicht gefragt werden, jedenfalls deren Mitbestimmung nicht erforderlich ist, sondern sie nur angehört werden, ist die Frage, was folgt dann aus der Anhörung? Wahrscheinlich wird sich das dann auf das Ermessen des Sachverhalters ausüben müssen. Aber es ist eben keine Mitbestimmung.
Tischler
00:07:57
Gut, wir können aber wahrscheinlich im Ergebnis dennoch festhalten, auch wenn es einige Kritikpunkte gibt, ist das Pre-Pack-Verfahren durch die übertragene Sanierung in Deutschland schon in Anführungsstrichen ein Stück weit gelebte Praxis seit Jahren.
Petermann
00:08:11
Genau, gelebte Praxis, wobei nicht in der Insolvenzordnung ausdrücklich geregelt, die übertragene Sanierung. Richtig.
Tischler
00:08:18
Wir haben aber dennoch letztlich zumindest aus deutscher Sicht nicht besonders viele substanzielle Neuerungen durch ein etwaiges Pre-Pack-Verfahren, das durch die Europäische Union vorgesehen ist.
Petermann
00:08:29
Dann sind wir gespannt, wie sich das weiterentwickelt und wie dann eine Umsetzung letztlich erfolgen wird.
Tischler
00:08:36
So machen wir Schluss für heute.
Petermann
00:08:38
Machen wir Schluss für heute. Vielen Dank fürs Zuhören. Ciao. Tschüss.

2024 - Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann