Folge060: Tariffähigkeit der GDL
12.12.2024 9 min
Zusammenfassung & Show Notes
Tischler und Petermann sprechen in der aktuellen Folge 060 des Heuking-Podcasts „RECHT kurz“ über die Tariffähigkeit der GDL. Das ist vielleicht etwas spät aber wen wundert’s, wir sprechen ja über die Deutsche Bahn. Und vielleicht ist der nächste Tarifstreit schon in Sicht, also: Achtung an der Bahnsteigkante!
Transkript
Moin und herzlich willkommen zu Recht Kurz. Moin Markus.
Hi Tim, grüß dich.
Markus, wie bist du denn heute hergekommen ins Büro?
Nicht mit der Bahn, mit Fahrrad.
Mit Fahrrad, mit dem Fahrrad. Okay. Ja, ich wollte mit der Bahn kommen,
war heute aber nicht möglich.
Ja, das kommt ja häufiger mal vor. Deshalb wollen wir uns heute mal mit dem
Streit um die Tariffähigkeit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer,
kurz GDL, beschäftigen. Ein immer wieder aktuelles Thema.
Bis dann darüber entschieden wird. Aber mal von vorne, Markus,
was bedeutet denn überhaupt Tariffähigkeit?
Ja, die Tariffähigkeit bezeichnet zunächst mal die rechtliche Fähigkeit,
durch Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler Arbeitsbedingungen tarifvertraglich zu regeln.
Okay, anders ausgedrückt, tariffähig ist, wer Tarifvertragspartei im Sinne des
Tarifvertragsgesetzes sein kann. Genau.
Eine Arbeitnehmervertretung wie die GDL ist für den von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereich
entweder insgesamt oder überhaupt nicht tariffähig.
Voraussetzungen der Tariffähigkeit sind insbesondere erstens,
dass die Arbeitnehmervereinigung über eine Durchsetzungskraft verfügt, die erwarten lässt,
dass sie als Tarifpartner vom sozialen Gegenspieler wahr und ernst genommen wird.
Und zweitens, dass sie frei gebildet, gegnerfrei und unabhängig ist.
Gerade diese beiden Schlagwörter Gegnerfreiheit und Unabhängigkeit gewinnen
hier eine gewisse Bedeutung, Tim. Genau.
Gewerkschaften verhandeln ja mit Arbeitgebern bzw. mit Arbeitgebervereinigung.
Gegnerfreiheit bedeutet also, dass einer Gewerkschaft grundsätzlich keine Personen
angehören dürfen, die ihrerseits Arbeitgeberfunktionen beim Tarifpartner wahrnehmen.
Dahinter steckt die einfache Überlegung, dass die Gewerkschaft die Interessen
ihrer Mitglieder nur dann und logischerweise nur dann wirksam vertreten kann,
wenn sie nicht zugleich selbst Arbeitgeber ist.
Klingt soweit logisch, aber nachdem wir das geklärt haben, lässt sich vielleicht
dann auch verstehen, warum die Tariffähigkeit der GDL überhaupt in Streit steht.
Naja, die Tariffähigkeit der GDL wird nämlich aktuell von der Deutschen Bahn
deshalb infrage gestellt, weil die GDL selbst eine Leiharbeitergenossenschaft gegründet hat.
Die von der GDL gegründete Leiharbeitergenossenschaft Fairtrain wirbt um Lokomotivführer,
um diese als Personaldienstleister an Eisenbahnunternehmen in ganz Deutschland
im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zu verleihen.
Die Fairtrade soll dabei gegenüber den Lokomotivführern Tarifverträge anwenden,
die zwischen der GDL und der Fairtrade als Arbeitgeberin abgeschlossen werden.
Die Deutsche Bahn wirft der GDL also ganz konkret vor, gleichzeitig als Gewerkschaft
und als Arbeitgeber aufzutreten.
Und das würde dann, um den Kreis zu schließen, gegen die Gegnerfreiheit und
Unabhängigkeit verstoßen. Vielleicht mal zur Veranschaulichung,
was es da für Verzahnungen gibt.
Der GDL-Geschäftsführer ist zugleich Fairtrade-Vorstand.
Darüber hinaus sind stellvertretende GDL-Vorsitzende Mitglieder des Fairtrade-Aufsichtsrats.
GDL-Chef Klaus Weselski ist Gründungsmitglied von Fairtrade.
Zugleich ist die Mitgliedschaft in der Fairtrade nur GDL-Mitgliedern vorbehalten.
Und laut Satzung der Fairtrade-EG können Mitglieder der Fairtrade nur GDL-Mitglieder sein.
Okay. Klingt komisch.
Klingt komisch, ist aber so. Wenn man das so hört, könnte man tatsächlich mal
die Frage stellen, ob die GDL nach Gründung dieser Leiharbeitergenossenschaft
Fairtrade tatsächlich noch gegnerfrei und damit tariffähig ist.
Denn wenn man es mal so sieht, letztlich verhandeln ja GDL-Mitglieder mit anderen
GDL-Mitgliedern über tarifliche Arbeitsbedingungen.
Und genau das ist eigentlich nicht gewollt, deshalb hat die Deutsche Bahn diese
Frage auch gestellt. Und wen fragt die Deutsche Bahn?
Naja, da müssen wir mal genauer hinschauen. Es ist so, dass der Arbeitgeberverband
der Deutsche Bahn Unternehmen, die sogenannte AGV Move, Anfang Januar 24… AGV Move?
AGV Move. Oder hättest du Mofa gesagt?
Nee, aber Mofa ist cool.
Alles klar. Ja, jedenfalls hat dieser Arbeitgeberverband Anfang Januar 24 einen
Antrag gemäß Arbeitsgerichtsgesetz beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht,
um zu klären, ob die GDL durch ihre neu gegründete Leiharbeitergenossenschaft
die Tariffähigkeit verloren hat.
Und was sagt das Landesarbeitsgericht Hessen dazu?
Bereits eine Woche später, also am 9.1.2024, hat es in einem Eilverfahren entschieden,
dass keine offensichtliche Tarifunfähigkeit der GDL vorliegt.
Dazu muss man allerdings auch
sagen, dass im Eilverfahren nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab gilt.
Die endgültige Entscheidung über die Tariffähigkeit steht daher,
Zeitpunkt unserer Aufnahme heute, noch aus und wird in einem sogenannten Hauptverfahren
getroffen, das eben noch andauert.
Und welche Auswirkungen hätte denn eine Ablehnung der Tariffähigkeit der GDL?
Eine Ablehnung der Tariffähigkeit der GDL hätte, das kann man wohl so sagen,
weitreichende Konsequenzen für die GDL, die Deutsche Bahn und die Arbeitnehmer
im Eisenbahnsektor. Fangen wir an, Markus.
Es betrifft erstens die Verhandlungsposition. Ohne Tariffähigkeit könnte die
GDL natürlich nicht mehr unabhängig Tarifverträge für ihre Mitglieder abschließen.
Die Deutsche Bahn und andere Arbeitgeberverbände hätten dann mehr Einfluss auf
die Arbeitsbedingungen der Lokführer und Lokführerinnen.
Ja, Stichwort Streikrecht. Die GDL könnte mit der Tariffähigkeit natürlich auch
ihr Streikrecht verlieren.
Ohne Tariffähigkeit wäre die GDL nämlich nicht mehr berechtigt,
Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks durchzuführen.
Dies, das kann man sich wohl vorstellen, würde die Verhandlungsposition gegenüber
der Deutschen Bahn erheblich schwächen.
Stichwort Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsbedingungen der GDL-Mitglieder könnten
sich verschlechtern, da die GDL nicht mehr in der Lage wäre,
tarifliche Regelungen durchzusetzen.
Und dann gibt es ja noch den Wettbewerb mit anderen Gewerkschaften.
Die sogenannte Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG könnte dadurch gestärkt
werden, da sie dann als alleinige Tarifvertragspartei für den gesamten Eisenbahnsektor zuständig wäre.
Okay, drehen wir das Blatt mal um. Welche Auswirkungen hätte denn dann die Bestätigung
der Tariffähigkeit der GDL?
Wahrscheinlich ist das spiegelbildlich zu betrachten, aber gucken wir uns das mal genauer an.
Genau, also spiegelbildlich trifft es schon, denn zunächst ist zu nennen natürlich,
dass die Tariffähigkeit, die Verhandlungsposition der GDL, unabhängig Tarifverträge
für ihre Mitglieder abzuschließen, gestärkt würde.
Genau, und sie könnte auch weiterhin Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks durchführen,
um ihre Forderungen durchzusetzen.
Genau, der Wettbewerb mit der EVG könnte fortgesetzt werden,
beide Gewerkschaften könnten weiterhin ihre Interessen vertreten.
Ja, und zu guter Letzt Stabilität im Eisenbahnsektor. Eine klare Tariffähigkeit
der GDL würde zu mehr Stabilität im Eisenbahnsektor führen.
Aber Nehmer und Arbeitgeber könnten auf verlässliche tarifliche Regelungen vertrauen.
Ja, Streikrecht. Wo ist das Streikrecht eigentlich verankert, Markus?
Ja, für die Freunde der Statistik im Grundgesetz, nämlich genauer gesagt in
Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Das Streikrecht gehört zum sogenannten Koalitionsrecht, das die Freiheit garantiert,
sich in Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden zu organisieren.
Das Streikrecht dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen.
Und so ermöglicht es Arbeitnehmern kollektiv für bessere Arbeitsbedingungen,
Löhne und andere Anliegen einzutreten.
Ja, wie lange das die GDL noch machen kann, hängt sicherlich auch ein Stück
weit vom Ausgang des Verfahrens beim Hessischen Landesarbeitsgerichts ab.
So ist es.
Wir werden das für euch und sie da draußen weiter beobachten.
Unabhängig davon wäre es schön, wenn man irgendwie zur Arbeit,
in den Urlaub oder sonst wo hinkommt.
Ja, du fährst doch ganz gerne Fahrrad.
Aber nicht in den Urlaub.
Das ist wahr. Schönen Dank fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal. Alles Gute. Tschüss.
Marcus
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