Recht Kurz

Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann
Since 04/2020 61 Episoden

Folge061: Parteiverbot

19.12.2024 14 min

Zusammenfassung & Show Notes

Politische Parteien sind das Rückgrat unserer Demokratie. Sie repräsentieren unterschiedliche Ideologien, Interessen und Visionen. Doch was passiert, wenn eine Partei die demokratischen Prinzipien missachtet, verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet? In Folge 010 ihres Podcasts „RECHT kurz“ beschäftigen sich Tischler und Petermann mit dem Parteiverbot.

Transkript

Moin und herzlich willkommen bei Recht kurz. Moin Markus.
Marcus
00:00:24
Hi Tim, grüß dich.
Tim
00:00:25
Grüße. Du hast uns ein Thema mitgebracht.
Marcus
00:00:28
Ja, Parteiverbot oder das Verbot politischer Parteien wollen wir uns heute einmal anschauen.
Tim
00:00:33
Dann schieß mal los. Warum sprechen wir drüber? Was bedeutet Parteiverbot?
Marcus
00:00:37
Naja, wir müssen uns dazu vielleicht erstmal angucken, was sind Parteien überhaupt. Also Parteien spielen eine entscheidende Rolle als Bindeglied zwischen den Wählerinnen und Wählern einerseits, sowie dem Parlament und der Regierung auf der anderen Seite.
Tim
00:00:51
Und die Frage, warum das so ist, lässt sich relativ einfach beantworten. Denn in Deutschland herrscht als wichtiges Staatsstrukturprinzip das sogenannte Demokratieprinzip. Verfassungsrechtlich verankert in Artikel 20 Grundgesetz und das besagt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht.
Marcus
00:01:09
Sinn und Zweck ist dabei, dass die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess sichergestellt wird. Die Ausübung von Staatsmacht muss also konkret auf den Willen des Volkes zurückgeführt werden können. Dies kann durch Wahlen und Abstimmungen oder mittelbar durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung geschehen und wird als sogenannte Volkssouveränität bezeichnet.
Tim
00:01:32
Und bei der Legitimation der Staatsorgane und Amtsträger muss eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen der Wahlentscheidung des Volkes und den Entscheidungen der Hoheitsträger bestehen. Und bei unserer Demokratie, du hast es schon mal gehört, handelt es sich um eine repräsentative Demokratie, bei der die Interessen des Volkes also durch gewählte Vertreter wahrgenommen werden.
Marcus
00:01:53
Ja, also das Volk wählt die Parteien, die ihre Überzeugung am besten vertreten, sodass die Parteien zu sogenannten Sprachrohren werden. Sie erhalten also ihre Legitimation, im Namen der Bürger zu handeln. Dabei entscheidet die Mehrheit, das ist das sogenannte Mehrheitsprinzip. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Minderheit die Mehrheitsentscheidung anerkennt und auch die Chance hat, bei künftigen Wahlen selbst die Mehrheit zu erringen. Das ist der sogenannte Minderheitenschutz.
Tim
00:02:19
Die Parteien erfüllen also ihre öffentliche Aufgabe, indem sie an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, die öffentliche Meinung beeinflussen und an der Gestaltung der politischen Ziele mitwirken. Sie gestalten dann letztlich Gesetze, diskutieren politische Themen und nehmen an Entscheidungsprozessen teil. Dazu führen die Parteien mit dem Ziel der Schaffung von Transparenz und Vermeidung von Machtmissbrauch auch eine Art Kontrollfunktion aus. Dabei überwachen sie die Regierung und kontrollieren dessen Handlungen, z.B. durch Anfragen im Parlament. Die Oppositionsparteien stellen Kontrolle Ja.
Marcus
00:02:57
Hoffentlich auch konstruktiv.
Tim
00:02:59
Ja.
Marcus
00:03:06
Dies ist essentiell für eine lebendige Demokratie. Wie hier durchzusehen ist, stellen Parteien also einen wesentlichen Bestandteil der demokratischen Struktur dar. Jetzt wollten wir eigentlich ja sagen, was überhaupt ein Parteiverbot ist.
Tim
00:03:19
Haben ganz schön weit ausgeholt.
Marcus
00:03:20
Stundenlang über die Parteien gesprochen. Tim, dann erzähl doch mal, wie kommt es denn nun zu einem Verbot einer solchen Partei?
Tim
00:03:27
Naja, wir müssen mal vielleicht wie folgt sehen. Um die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufrecht zu erhalten, muss eine Demokratie auch in der Lage sein, sich gegen verfassungsfeindliche Parteien zu wehren. Das ist das Stichwort der sogenannten wehrhaften Demokratie. So ist es. Der Staat muss also handeln können, wenn eine Partei die demokratischen Prinzipien missachtet, extremistische Ziele verfolgt oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet.
Marcus
00:03:55
Mit anderen Worten ist also das Parteiverbot ein Instrument, um die Demokratie präventiv zu schützen und extremistischen Kräften entgegenzuwirken.
Tim
00:04:03
So ist es.
Marcus
00:04:04
Also im Grundsatz wird dann ein Parteiverbot definiert als das Verbot einer politischen Partei, ihren politischen Aktivitäten sowie ihrer Unter- und Nachfolgeorganisation. Das ist ja auch nochmal ganz entscheidend.
Tim
00:04:16
Mhm. Dabei, das drängt sich jetzt so ein bisschen auf, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit, sodass es eben wichtig ist, klare rechtliche Maßstäbe zu setzen und die Balance zu wahren für ein solches Parteiverbot. Denn die wehrhafte Demokratie muss ihre Prinzipien verteidigen können, ohne dabei zugleich die politische Meinungsfreiheit und vielleicht sogar weitere Grundrechte zu gefährden.
Marcus
00:04:43
Ja, genau. Betroffen können hier zum Beispiel die Vereinigungsfreiheit, der Gleichbehandlungsgrundsatz, Diskriminierungsverbot, die Versammlungsfreiheit, großes Thema, hatten wir auch schon mal darüber gesprochen, und auch das Wahlrecht sein. Bei Parteiverboten handelt es sich um staatliche Eingriffe in Grundrechte, denen eine besondere Intensität zukommt. Es ist also besonders wichtig, dass Parteiverbotsverfahren transparent, rechtsstaatlich und unabhängig sind. Sobald der Staat in ein Grundrecht eingreift, muss der Eingriff verfassungsrechtlich, das gilt für jeden Grundrechtseingriff, gerechtfertigt sein, insbesondere also dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.
Tim
00:05:20
Ja, das Parteiverbot muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass zum einen ein legitimer Zweck, hier der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, verfolgt werden muss. Zudem muss das Verbot Ultima Ratio, also das letzte Mittel zur Zielerreichung sein und nur dann angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um extremistischen Bestrebungen entgegenzuwirken. Auch muss im Rahmen einer Interessenabwägung abgewogen werden, ob das Ziel des Verbots in einem angemessenen Verhältnis zu den betroffenen Rechtsgütern steht. Du hast sie gerade genannt.
Marcus
00:05:54
Okay, dann wollen wir uns jetzt mal genau anschauen, wie es verfahrensrechtlich zu einem Parteiverbot kommen kann. Da kennen wir aus jüngster Vergangenheit auch Fälle, die möglicherweise an Formalien gescheitert sind.
Tim
00:06:06
Zunächst können wir festhalten, dass die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei allein dem Bundesverfassungsgericht obliegt.
Marcus
00:06:14
Das Grundgesetz hat das Parteiverbotsverfahren bewusst nicht der Exekutive übertragen. Dadurch wird sichergestellt, dass ein unabhängiges Gericht allein nach verfassungsrechtlichen Maßstäben über dieses Verbot entscheiden kann. Diese Vorgehensweise gewährleistet eine faire und objektive Prüfung ohne politische Einflussnahme, sodass ihr eine zentrale Bedeutung zukommt. Diese besondere formale Anforderung an ein Parteiverbot schützt den Bestand sowie offenen Wettbewerb der politischen Parteien. Hier ist das Stichwort Parteienprivileg.
Tim
00:06:43
Und die rechtliche Grundlage für ein Parteiverbot in Deutschland basiert auf Artikel 21 Grundgesetz. Wir machen es nicht oft, aber ich will das mal zitieren. Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche und demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
Marcus
00:07:05
Das Parteiverbotsverfahren folgt einem strukturierten Ablauf, der von der Einleitung bis zur Urteilsverkündung reicht. Das Verbot wird also durch ein Gerichtsurteil ausgesprochen, wobei das Verfahren sehr, sehr langwierig sein kann. Ablauf einmal schildern.
Tim
00:07:18
Ja, schnell durchlaufen. Geht los mit der Antragstellung beim Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt ist bei weitem nicht jeder, sondern nur der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung.
Marcus
00:07:30
Dann gibt es ein sogenanntes Vorverfahren. Das Gericht prüft hier, ob das Hauptverfahren eröffnet wird, indem es eine vorläufige Bewertung der Erfolgsaussichten nach Aktenlage vornimmt. Unzulässige oder nicht hinreichend begründete Anträge werden von vornherein nicht angenommen oder zurückgewiesen.
Tim
00:07:47
Nach dem Vorverfahren folgt dann, wenn die Anträge nicht als unbegründet zurückgewiesen werden, das Hauptverfahren. Darin prüft das Bundesverfassungsgericht dann letztlich die Verfassungswidrigkeit der Partei.
Marcus
00:08:00
Und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es so, dass die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen allein nicht genügt. Auch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Staat oder dem politischen System dürfen grundsätzlich erstmal frei geäußert werden. Es muss vielmehr zu dieser verfassungsfeindlichen Grundhaltung hinzukommen, eine aktive, kämpferische und aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Partei muss also planvoll darauf abzielen, diese Grundordnung abzuschaffen. Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Erreichen der seitens der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint. Ist das der Fall, beeinträchtigt bzw. Gefährdet die Partei die Grundordnung. Hier ist auch schon deutlich zu erkennen, warum solche Parteiverbotsverfahren sehr, sehr hohe Anforderungen haben und häufig eben in der Öffentlichkeit auch mitgeteilt wird, dass es bisher noch nicht ausreicht, bis einzelne Parteien verboten werden können.
Tim
00:08:56
Genau, was du da gerade geschildert hast, ist ja dieses Stichwort der Relevanz. Irgendwie so eine versprengte Idiotengruppe ist nicht gefährlich genug, also es muss schon eine gewisse Relevanz da vorhanden sein. So ist das Hauptverfahren abgeschlossen, kommt es zur Urteilsverkündung und bei begründetem Antrag stellt das Gericht dann eben fest, dass die Partei verfassungswidrig ist. Durch die Erklärung, durch die Urteilsverkündung werden alle organisatorischen Strukturen der Partei aufgelöst und ein Verbot zur Schaffung von Ersatzorganisationen erteilt. Die Parteimitglieder verlieren also ihre politischen Mandate. Das Gericht kann auch dann die Einziehung des Parteivermögens aussprechen.
Marcus
00:09:34
Ganz kurzer Einschub noch dazu. Seit 2017 besteht unabhängig von dem soeben geschilderten Verfahren auch die Möglichkeit, Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Antragsberechtigung und Vorverfahren sind hier im Wesentlichen gleich, aber anders als das Parteiverbot setzt dieser Ausschluss von der staatlichen Finanzierung nicht voraus, dass das Erreichen verfassungsfeindlicher Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Tim
00:09:58
Okay, dieses finanzielle Austrocknen wäre dann doch wahrscheinlich auch im Bereich der Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel dann zu berücksichtigen.
Marcus
00:10:06
Müsste seit 2017 so gemacht werden, genau. So viele Verfahren gab es ja seitdem nicht. Vielleicht auch noch interessant, das gilt dann für sechs Jahre. Kann aber auch verlängert werden, dieser Finanzierungsausschluss.
Tim
00:10:17
Und wenn eine Partei verboten wird, Markus, wie lange gilt das?
Marcus
00:10:20
Das kann unterschiedlich lange gelten und ist somit auch abhängig von den jeweiligen Umständen und den gesetzlichen Bestimmungen. Es kann für eine bestimmte Zeit oder unbefristet ausgesprochen werden.
Tim
00:10:31
Gab es denn in der Historie der Bundesrepublik Deutschland bereits Parteiverbote?
Marcus
00:10:36
Naja Tim, das ist ja sicherlich selber klar. Ich frage für einen Freund, Markus. Wir reden hier von zwei Parteiverboten. Das eine ist die etwas unbekanntere SRP, wer kennt sie nicht, Sozialistische Reichspartei. Ich hätte von der ehrlich gesagt noch nicht so viel gehört.
Tim
00:10:52
Die ist ja auch schon vor deiner Geburt verboten worden.
Marcus
00:10:55
Gilt für die andere auch, das ist die KPD, das ist die Kommunistische Partei Deutschlands.
Tim
00:10:59
Ja, hatte wahrscheinlich eine längere Historie, davon hat man schon mal gehört.
Marcus
00:11:04
Genau, wir brauchen jetzt auf die Einzelheiten nicht eingehen. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass diese sozialistische Reichspartei offenbar eine Art Nachfolgepartei der NSDAP war. Also das war mir jetzt neu, haben wir bei der Recherche rausbekommen.
Tim
00:11:15
Also es ist richtig, das hat beides in den 50er Jahren stattgefunden und seitdem hat es keine weiteren Parteiverbote in Deutschland gegeben. Es gab Verfahren und dennoch sind politische Parteien aktiv, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Vielleicht als Beispiel ein Verbotsverwahn gegen die NPD scheiterte im Jahr 2001, weil das Bundesverfassungsgericht Verfahrenshindernisse festgestellt hat.
Marcus
00:11:40
Genau, hatten wir vorhin schon angedeutet. 2013 wurde dann ein erneuter NPD-Verbotsantrag eingereicht und diesbezüglich entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2017, dass die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele vertritt, die auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sind, allerdings lagen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beseitigung auch möglich erschien. Das ist das Problem, in Anführungsstrichen, was wir vorhin schon dargestellt haben, dass die Hürden sehr, sehr hoch sind.
Tim
00:12:08
Das heißt quasi, das Verbotsverfahren ist an der Bedeutungslosigkeit der NPD gescheitert, wenn man so will.
Marcus
00:12:14
Wenn man es dann positiv sehen will, ja.
Tim
00:12:16
Ich sehe das durchaus positiv. Was, Markus, passiert denn mit den Parteien, die zwar als verfassungsfeindlich eingestuft werden, aber mangels konkreter Anhaltspunkte noch nicht verboten werden oder nicht verboten werden können?
Marcus
00:12:26
Die Parteien bleiben dann weiterhin im sogenannten Fokus der Verfassungsschutzbehörden oder Organe. Das heißt, dass ihre Aktivitäten, Äußerungen und auch Verbindungen weiterhin überwacht werden. Die Behörden und die Zivilgesellschaften müssen überdies wachsam bleiben, um mögliche Veränderungen in der Partei oder neue Anhaltspunkte für verfassungsfeindliches Handeln zu erkennen.
Tim
00:12:45
Halten wir fest, ein Parteiverbot ist die schärfste Waffe des demokratischen Rechtsstaats, um sich gegen organisierte Feinde zur Wehr zu setzen. Und es darf deshalb nur unter sehr, sehr engen Voraussetzungen ausgesprochen werden.
Marcus
00:12:59
Ein Parteiverbot darf wirklich erst dann eingeleitet werden, wenn sich extremistische Gedanken zu konkreten Zielen und Taten verdichten, sodass die freiheitlich-demokratische Grundordnung ganz konkret gefährdet ist. Das dürfte jetzt klar geworden sein. Damit haben wir es, glaube ich.
Tim
00:13:17
Ja, damit haben wir es.
Marcus
00:13:18
Wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir Beirich kurz zentrieren.
Tim
00:13:20
Ja, absolut. Vielen Dank, Markus. Vielen Dank fürs Zuhören. Tschüss.

2024 - Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann