Folge061: Parteiverbot
19.12.2024 14 min
Zusammenfassung & Show Notes
Politische Parteien sind das Rückgrat unserer Demokratie. Sie repräsentieren unterschiedliche Ideologien, Interessen und Visionen. Doch was passiert, wenn eine Partei die demokratischen Prinzipien missachtet, verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet? In Folge 010 ihres Podcasts „RECHT kurz“ beschäftigen sich Tischler und Petermann mit dem Parteiverbot.
Transkript
Moin und herzlich willkommen bei Recht kurz. Moin Markus.
Hi Tim, grüß dich.
Grüße. Du hast uns ein Thema mitgebracht.
Ja, Parteiverbot oder das Verbot politischer Parteien wollen wir uns heute einmal anschauen.
Dann schieß mal los. Warum sprechen wir drüber? Was bedeutet Parteiverbot?
Naja, wir müssen uns dazu vielleicht erstmal angucken, was sind Parteien überhaupt.
Also Parteien spielen eine entscheidende Rolle als Bindeglied zwischen den Wählerinnen
und Wählern einerseits, sowie dem Parlament und der Regierung auf der anderen Seite.
Und die Frage, warum das so ist, lässt sich relativ einfach beantworten.
Denn in Deutschland herrscht als wichtiges Staatsstrukturprinzip das sogenannte Demokratieprinzip.
Verfassungsrechtlich verankert in Artikel 20 Grundgesetz und das besagt,
dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht.
Sinn und Zweck ist dabei, dass
die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess sichergestellt wird.
Die Ausübung von Staatsmacht muss also konkret auf den Willen des Volkes zurückgeführt werden können.
Dies kann durch Wahlen und Abstimmungen oder mittelbar durch die Organe der
Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung geschehen und
wird als sogenannte Volkssouveränität bezeichnet.
Und bei der Legitimation der Staatsorgane und Amtsträger muss eine ununterbrochene
Legitimationskette zwischen der Wahlentscheidung des Volkes und den Entscheidungen
der Hoheitsträger bestehen.
Und bei unserer Demokratie, du hast es schon mal gehört, handelt es sich um
eine repräsentative Demokratie, bei der die Interessen des Volkes also durch
gewählte Vertreter wahrgenommen werden.
Ja, also das Volk wählt die Parteien, die ihre Überzeugung am besten vertreten,
sodass die Parteien zu sogenannten Sprachrohren werden.
Sie erhalten also ihre Legitimation, im Namen der Bürger zu handeln.
Dabei entscheidet die Mehrheit, das ist das sogenannte Mehrheitsprinzip.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Minderheit die Mehrheitsentscheidung anerkennt
und auch die Chance hat, bei künftigen Wahlen selbst die Mehrheit zu erringen.
Das ist der sogenannte Minderheitenschutz.
Die Parteien erfüllen also ihre öffentliche Aufgabe, indem sie an der politischen
Willensbildung des Volkes mitwirken, die öffentliche Meinung beeinflussen und
an der Gestaltung der politischen Ziele mitwirken.
Sie gestalten dann letztlich Gesetze, diskutieren politische Themen und nehmen
an Entscheidungsprozessen teil.
Dazu führen die Parteien mit dem Ziel der Schaffung von Transparenz und Vermeidung
von Machtmissbrauch auch eine Art Kontrollfunktion aus.
Dabei überwachen sie die Regierung und kontrollieren dessen Handlungen,
z.B. durch Anfragen im Parlament.
Die Oppositionsparteien stellen Kontrolle Ja.
Hoffentlich auch konstruktiv.
Ja.
Dies ist essentiell für eine lebendige Demokratie.
Wie hier durchzusehen ist, stellen Parteien also einen wesentlichen Bestandteil
der demokratischen Struktur dar.
Jetzt wollten wir eigentlich ja sagen, was überhaupt ein Parteiverbot ist.
Haben ganz schön weit ausgeholt.
Stundenlang über die Parteien gesprochen. Tim, dann erzähl doch mal,
wie kommt es denn nun zu einem Verbot einer solchen Partei?
Naja, wir müssen mal vielleicht wie folgt sehen. Um die freiheitlich-demokratische
Grundordnung aufrecht zu erhalten, muss eine Demokratie auch in der Lage sein,
sich gegen verfassungsfeindliche Parteien zu wehren.
Das ist das Stichwort der sogenannten wehrhaften Demokratie. So ist es.
Der Staat muss also handeln können, wenn eine Partei die demokratischen Prinzipien
missachtet, extremistische Ziele verfolgt oder die freiheitlich-demokratische
Grundordnung gefährdet.
Mit anderen Worten ist also das Parteiverbot ein Instrument,
um die Demokratie präventiv zu schützen und extremistischen Kräften entgegenzuwirken.
So ist es.
Also im Grundsatz wird dann ein Parteiverbot definiert als das Verbot einer
politischen Partei, ihren politischen Aktivitäten sowie ihrer Unter- und Nachfolgeorganisation.
Das ist ja auch nochmal ganz entscheidend.
Mhm. Dabei, das drängt sich jetzt so ein bisschen auf, entsteht ein Spannungsverhältnis
zwischen Freiheit und Sicherheit,
sodass es eben wichtig ist, klare rechtliche Maßstäbe zu setzen und die Balance
zu wahren für ein solches Parteiverbot.
Denn die wehrhafte Demokratie muss ihre Prinzipien verteidigen können,
ohne dabei zugleich die politische Meinungsfreiheit und vielleicht sogar weitere
Grundrechte zu gefährden.
Ja, genau. Betroffen können hier zum Beispiel die Vereinigungsfreiheit,
der Gleichbehandlungsgrundsatz, Diskriminierungsverbot, die Versammlungsfreiheit,
großes Thema, hatten wir auch schon mal darüber gesprochen, und auch das Wahlrecht sein.
Bei Parteiverboten handelt es sich um staatliche Eingriffe in Grundrechte,
denen eine besondere Intensität zukommt.
Es ist also besonders wichtig, dass Parteiverbotsverfahren transparent,
rechtsstaatlich und unabhängig sind.
Sobald der Staat in ein Grundrecht eingreift, muss der Eingriff verfassungsrechtlich,
das gilt für jeden Grundrechtseingriff, gerechtfertigt sein,
insbesondere also dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.
Ja, das Parteiverbot muss verhältnismäßig sein.
Das bedeutet, dass zum einen ein legitimer Zweck, hier der Schutz der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung, verfolgt werden muss.
Zudem muss das Verbot Ultima Ratio, also das letzte Mittel zur Zielerreichung
sein und nur dann angewendet werden, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen,
um extremistischen Bestrebungen entgegenzuwirken.
Auch muss im Rahmen einer Interessenabwägung abgewogen werden,
ob das Ziel des Verbots in einem angemessenen Verhältnis zu den betroffenen
Rechtsgütern steht. Du hast sie gerade genannt.
Okay, dann wollen wir uns jetzt mal genau anschauen, wie es verfahrensrechtlich
zu einem Parteiverbot kommen kann.
Da kennen wir aus jüngster Vergangenheit
auch Fälle, die möglicherweise an Formalien gescheitert sind.
Zunächst können wir festhalten, dass die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit
einer Partei allein dem Bundesverfassungsgericht obliegt.
Das Grundgesetz hat das Parteiverbotsverfahren bewusst nicht der Exekutive übertragen.
Dadurch wird sichergestellt, dass ein unabhängiges Gericht allein nach verfassungsrechtlichen
Maßstäben über dieses Verbot entscheiden kann.
Diese Vorgehensweise gewährleistet eine faire und objektive Prüfung ohne politische
Einflussnahme, sodass ihr eine zentrale Bedeutung zukommt.
Diese besondere formale Anforderung an ein Parteiverbot schützt den Bestand
sowie offenen Wettbewerb der politischen Parteien.
Hier ist das Stichwort Parteienprivileg.
Und die rechtliche Grundlage für ein Parteiverbot in Deutschland basiert auf
Artikel 21 Grundgesetz.
Wir machen es nicht oft, aber ich will das mal zitieren.
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf
ausgehen, die freiheitliche und demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen
oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden,
sind verfassungswidrig.
Das Parteiverbotsverfahren folgt einem strukturierten Ablauf,
der von der Einleitung bis zur Urteilsverkündung reicht.
Das Verbot wird also durch ein Gerichtsurteil ausgesprochen,
wobei das Verfahren sehr, sehr langwierig sein kann. Ablauf einmal schildern.
Ja, schnell durchlaufen. Geht los mit der Antragstellung beim Bundesverfassungsgericht.
Antragsberechtigt ist bei weitem nicht jeder, sondern nur der Bundestag,
der Bundesrat und die Bundesregierung.
Dann gibt es ein sogenanntes Vorverfahren. Das Gericht prüft hier,
ob das Hauptverfahren eröffnet wird, indem es eine vorläufige Bewertung der
Erfolgsaussichten nach Aktenlage vornimmt.
Unzulässige oder nicht hinreichend begründete Anträge werden von vornherein
nicht angenommen oder zurückgewiesen.
Nach dem Vorverfahren folgt dann, wenn die Anträge nicht als unbegründet zurückgewiesen
werden, das Hauptverfahren.
Darin prüft das Bundesverfassungsgericht dann letztlich die Verfassungswidrigkeit der Partei.
Und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es so,
dass die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen allein nicht genügt.
Auch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Staat oder dem politischen System
dürfen grundsätzlich erstmal frei geäußert werden.
Es muss vielmehr zu dieser verfassungsfeindlichen Grundhaltung hinzukommen,
eine aktive, kämpferische und
aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die Partei muss also planvoll darauf abzielen, diese Grundordnung abzuschaffen.
Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Erreichen der
seitens der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Ist das der Fall, beeinträchtigt bzw.
Gefährdet die Partei die Grundordnung. Hier ist auch schon deutlich zu erkennen,
warum solche Parteiverbotsverfahren sehr, sehr hohe Anforderungen haben und
häufig eben in der Öffentlichkeit auch mitgeteilt wird, dass es bisher noch
nicht ausreicht, bis einzelne Parteien verboten werden können.
Genau, was du da gerade geschildert hast, ist ja dieses Stichwort der Relevanz.
Irgendwie so eine versprengte Idiotengruppe ist nicht gefährlich genug,
also es muss schon eine gewisse Relevanz da vorhanden sein.
So ist das Hauptverfahren abgeschlossen, kommt es zur Urteilsverkündung und
bei begründetem Antrag stellt das Gericht dann eben fest, dass die Partei verfassungswidrig ist.
Durch die Erklärung, durch die Urteilsverkündung werden alle organisatorischen
Strukturen der Partei aufgelöst und ein Verbot zur Schaffung von Ersatzorganisationen erteilt.
Die Parteimitglieder verlieren also ihre politischen Mandate.
Das Gericht kann auch dann die Einziehung des Parteivermögens aussprechen.
Ganz kurzer Einschub noch dazu. Seit 2017 besteht unabhängig von dem soeben
geschilderten Verfahren auch
die Möglichkeit, Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen.
Antragsberechtigung und Vorverfahren sind hier im Wesentlichen gleich,
aber anders als das Parteiverbot setzt dieser Ausschluss von der staatlichen
Finanzierung nicht voraus, dass das Erreichen verfassungsfeindlicher Ziele nicht
völlig aussichtslos erscheint.
Okay, dieses finanzielle Austrocknen wäre dann doch wahrscheinlich auch im Bereich
der Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel dann zu berücksichtigen.
Müsste seit 2017 so gemacht werden, genau.
So viele Verfahren gab es ja seitdem nicht. Vielleicht auch noch interessant,
das gilt dann für sechs Jahre. Kann aber auch verlängert werden,
dieser Finanzierungsausschluss.
Und wenn eine Partei verboten wird, Markus, wie lange gilt das?
Das kann unterschiedlich lange gelten und ist somit auch abhängig von den jeweiligen
Umständen und den gesetzlichen Bestimmungen.
Es kann für eine bestimmte Zeit oder unbefristet ausgesprochen werden.
Gab es denn in der Historie der Bundesrepublik Deutschland bereits Parteiverbote?
Naja Tim, das ist ja sicherlich selber klar. Ich frage für einen Freund, Markus.
Wir reden hier von zwei Parteiverboten. Das eine ist die etwas unbekanntere
SRP, wer kennt sie nicht, Sozialistische Reichspartei.
Ich hätte von der ehrlich gesagt noch nicht so viel gehört.
Die ist ja auch schon vor deiner Geburt verboten worden.
Gilt für die andere auch, das ist die KPD, das ist die Kommunistische Partei Deutschlands.
Ja, hatte wahrscheinlich eine längere Historie, davon hat man schon mal gehört.
Genau, wir brauchen jetzt auf die Einzelheiten nicht eingehen.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass diese sozialistische Reichspartei offenbar
eine Art Nachfolgepartei der NSDAP war.
Also das war mir jetzt neu, haben wir bei der Recherche rausbekommen.
Also es ist richtig, das hat beides in den 50er Jahren stattgefunden und seitdem
hat es keine weiteren Parteiverbote in Deutschland gegeben.
Es gab Verfahren und dennoch sind politische Parteien aktiv,
die als verfassungsfeindlich eingestuft werden.
Vielleicht als Beispiel ein Verbotsverwahn gegen die NPD scheiterte im Jahr
2001, weil das Bundesverfassungsgericht Verfahrenshindernisse festgestellt hat.
Genau, hatten wir vorhin schon angedeutet. 2013 wurde dann ein erneuter NPD-Verbotsantrag
eingereicht und diesbezüglich entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2017,
dass die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele vertritt, die auf die Beseitigung
der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sind,
allerdings lagen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beseitigung auch möglich erschien.
Das ist das Problem, in Anführungsstrichen, was wir vorhin schon dargestellt
haben, dass die Hürden sehr, sehr hoch sind.
Das heißt quasi, das Verbotsverfahren ist an der Bedeutungslosigkeit der NPD
gescheitert, wenn man so will.
Wenn man es dann positiv sehen will, ja.
Ich sehe das durchaus positiv. Was, Markus, passiert denn mit den Parteien,
die zwar als verfassungsfeindlich eingestuft werden, aber mangels konkreter
Anhaltspunkte noch nicht verboten werden oder nicht verboten werden können?
Die Parteien bleiben dann weiterhin im sogenannten Fokus der Verfassungsschutzbehörden oder Organe.
Das heißt, dass ihre Aktivitäten, Äußerungen und auch Verbindungen weiterhin
überwacht werden. Die Behörden und die Zivilgesellschaften müssen überdies wachsam
bleiben, um mögliche Veränderungen in der Partei oder neue Anhaltspunkte für
verfassungsfeindliches Handeln zu erkennen.
Halten wir fest, ein Parteiverbot ist die schärfste Waffe des demokratischen
Rechtsstaats, um sich gegen organisierte Feinde zur Wehr zu setzen.
Und es darf deshalb nur unter sehr, sehr engen Voraussetzungen ausgesprochen werden.
Ein Parteiverbot darf wirklich erst dann eingeleitet werden,
wenn sich extremistische Gedanken zu konkreten Zielen und Taten verdichten,
sodass die freiheitlich-demokratische Grundordnung ganz konkret gefährdet ist.
Das dürfte jetzt klar geworden sein. Damit haben wir es, glaube ich.
Ja, damit haben wir es.
Wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir Beirich kurz zentrieren.
Ja, absolut. Vielen Dank, Markus. Vielen Dank fürs Zuhören. Tschüss.
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