Recht Kurz

Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann
Since 04/2020 65 Episoden

Folge065: Eigentum und Besitz

20.02.2025 12 min

Zusammenfassung & Show Notes

Besitzen Sie ein Auto? Oder gehört es Ihnen sogar? Der Unterschied ist vielen gar nicht so klar. Darum sprechen Tischler und Petermann in Folge 065 unseres Heuking Podcasts „RECHT kurz“ über Eigentum und Besitz.

Transkript

Tim
00:00:21
Moin und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres kleinen Podcasts, recht kurz. Hallo Markus.
Marcus
00:00:27
Moin Tim, grüß dich. Hi.
Tim
00:00:30
Grüß dich. Markus, willst du kurz erläutern, worum es heute gehen soll?
Marcus
00:00:36
Ja, heute widmen wir uns einem Thema, das im Alltag immer wieder mal vorkommt, aber oft missverstanden wird. Wir wollen uns mal die Unterschiede zwischen Eigentum und Besitz anschauen.
Tim
00:00:47
Ja, ganz genau. Das sind nämlich zwei grundlegende Begriffe im Zivilrecht, die, ich sage jetzt mal in der Leihensphäre, oftmals synonym verwendet werden, aber ja eigentlich ganz verschiedene Bedeutungen haben. Markus, magst du uns mal erklären, was der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz ist?
Marcus
00:01:05
Ja, ich versuche. Also, ganz einfach runtergebrochen. Eigentum ist das Recht, über eine Sache nach Belieben zu verfügen und jeden anderen von der Einwirkung auf diese Sache auszuschließen. Besitz hingegen ist, Klammer auf nur, Klammer zu, die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache.
Tim
00:01:25
Ja, klingt schon mal ein bisschen theoretisch. Hast du ein Beispiel?
Marcus
00:01:29
Ja, sehr gut. Stellen wir uns mal vor, du hast ein Auto, Tim. Hast du ein Auto? Ich habe ein Auto. Oder ein Fahrrad. Nehmen wir ein Fahrrad. Ist auch egal. Also, du bist Eigentümer. Also hast du das Recht, mit dem Fahrrad oder Auto zu machen, was du willst. Du kannst es fahren, verkaufen, anmalen, verschenken.
Tim
00:01:49
Zerkloppen.
Marcus
00:01:49
Ja, oder so. Also wenn du das Auto aber an einen Freund verleihst, bleibt das Eigentum bei dir, aber dein Freund wird Besitzer, weil er die tatsächliche Sachherrschaft oder die tatsächliche Herrschaft über das Auto ausübt. Das Fahrrad. Das Fahrrad, ja, oder von mir aus nimm auch deinen Bobbycar, solange er es benutzt.
Tim
00:02:11
Okay, das macht es natürlich schon klarer. Es gibt aber ja verschiedene Formen des Besitzes.
Marcus
00:02:17
Ja, es gibt den unmittelbaren Besitz, wie in unserem Beispiel das Auto oder eben das Fahrrad, wenn es gerade benutzt wird von der Person. So, und dann gibt es auch den mittelbaren Besitz. Das ist dann der Fall, wenn du als Eigentümer dein Auto oder Fahrrad an deinen Freund verleihst und du bleibst mittelbarer Besitzer, weil du ein rechtliches Verhältnis zum unmittelbaren Besitzer hast. Wie sieht es denn mit dem Eigentum aus? Was gibt es da für unterschiedliche Formen?
Tim
00:02:47
Beim Eigentum gibt es vor allem das Alleineigentum und das Miteigentum. Alleineigentum, wie man vielleicht schon am Titel erkennen kann, bedeutet, dass eine Person das volle und alleinige Eigentumsrecht an einer Sache hat. Miteigentum bedeutet demgegenüber, dass mehrere Personen gemeinsame Eigentümer einer Sache sind. Zum Beispiel bei einer Eigentumswohnung.
Marcus
00:03:08
Okay. Und nachdem wir das alles jetzt geklärt haben, wie erwerbt man denn Eigentum?
Tim
00:03:15
Sehr gute Frage, Markus. Grundsätzlich gibt es im deutschen Recht zwei wesentliche Voraussetzungen für den Eigentumserwerb. Die Einigung und die Übergabe. Diese Prinzipien sind vor allem im § 929 BGB geregelt. Also zuerst müssen sich die Parteien darüber einigen, dass das Eigentum übergehen soll und dann muss die Übergabe der Sache erfolgen.
Marcus
00:03:37
Okay, die Einigung, die sogenannte dingliche Einigung ist ein Rechtsgeschäft zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber, das darauf gerichtet ist, das Eigentum zu übertragen. Diese Einigung wird auch als Einigung über den Eigentumsübergang bezeichnet.
Tim
00:03:53
Und die Übergabe bedeutet letztlich nichts anderes, als dass der Besitz der Sache vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Hier kommt die Bedeutung des Besitzes ins Spiel. Markus, erklär doch mal, warum der Besitz so wichtig ist.
Marcus
00:04:08
Naja, wir hatten das ja vorhin schon angeschnitten, Tim. Der Besitz ist wichtig, weil er die tatsächliche Herrschaft über eine Sache darstellt. Im deutschen Recht ist der Besitz ein starkes Indiz dafür, dass der Besitzer auch der Eigentümer ist. Das gibt die sogenannte Eigentumsvermutung. Das ist besonders wichtig bei beweglichen Sachen. Ohne Übergabe des Besitzes findet grundsätzlich kein Eigentumsübergang statt. Es sei denn, das sagen wir ja gerne, es gibt eine Ausnahmevorschrift, wie zum Beispiel beim Besitzkonstitut. Das ist der 39 BGB.
Tim
00:04:41
Okay, richtig. Das Besitzkonstitut ist eine solche Ausnahme. Hier bleibt der Veräußerer im Besitz der Sache, aber die Parteien vereinbaren, statt der Übergabe, dass der Erwerber Eigentümer wird. Es gibt auch die Möglichkeit der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach 931 BGB, wenn der Veräußerer die Sache nicht selbst im Besitz hat, sondern ein Dritter.
Marcus
00:05:05
Diese Konstruktionen zeigen einmal mehr, dass der Besitz zwar eine zentrale Rolle spielt, aber unter bestimmten Bedingungen auch ohne tatsächliche Übergabe ein Eigentumserwerb möglich ist. Tim, lass uns doch kurz noch auf die unterschiedlichen Eigentumsvorbehalte eingehen. Was können unsere Zuhörer da noch lernen, wenn sie denn auch was lernen können?
Tim
00:05:26
Das hoffen wir doch. Der Eigentumsvorbehalt ist ein häufig genutztes Sicherungsmittel im Kaufrecht. Beim sogenannten einfachen Eigentumsvorbehalt bleibt der Verkäufer Eigentümer der Ware, bis der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt hat. Das bedeutet, der Käufer erlangt zwar zunächst den Besitz, aber eben noch nicht das Eigentum. Erst dann mit vollständiger Kaufpreiszahlung geht nach dem Besitz auch das Eigentum automatisch auf den Käufer über.
Marcus
00:05:56
Genau, und dann gibt es noch den erweiterten und den verlängerten Eigentumsvorbehalt. Beim erweiterten Eigentumsvorbehalt behält sich der Verkäufer das Eigentum nicht nur bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises der gelieferten Ware vor, sondern auch bis zur Begleichung aller weiteren Forderungen aus der gesamten Geschäftsbeziehung.
Tim
00:06:14
Und beim verlängerten Eigentumsvorbehalt darf der Käufer die Ware im normalen Geschäftsbetrieb weiterverkaufen. Der Verkäufer bleibt Eigentümer der Ware bis zur Zahlung, aber der Käufer tritt ihm im Voraus die Forderung ab, die er aus dem Weiterverkauf der Ware erlangt.
Marcus
00:06:33
So Tim, bevor wir jetzt alle nach Hause gehen, haben wir noch ein wichtiges Thema vergessen. Was ist denn mit dem sogenannten gutgläubigen Eigentumserwerb? Den haben wir vorhin etwas unterschlagen, fällt mir gerade ein.
Tim
00:06:45
Das stimmt, können wir gerne nochmal ein bisschen ergänzen. Der gutgläubige Eigentumserwerb ist nämlich eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass niemand mehr Rechte auf einen anderen übertragen kann, als er selbst hat. Es war einfach gesagt, normalerweise kann man nur dann Eigentum erwerben, wenn der Veräußerer selbst Eigentümer ist, beziehungsweise dann war. Es gibt aber Ausnahmen, bei denen jemand Eigentum erwerben kann, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer ist.
Marcus
00:07:14
Ja, jetzt hast du mir, ich wollte gerade sagen, hast du vorhin gesagt, dass ich so theoretisch unterwegs bin, du verwirrst hier am Ende noch alle, was wolltest du uns jetzt damit sagen?
Tim
00:07:24
Dafür habe ich ja dich, dass du das hier nochmal übersetzt.
Marcus
00:07:29
Anhand eines Beispiels, stellen wir uns mal vor, du kaufst ein Fahrrad, Tim, auf dem Flohmarkt. Du zahlst dort einen Kaufpreis und bekommst das Fahrrad auch direkt übergeben. Wir haben ja gelernt, das reicht dann dazu aus, dass du Eigentum erwirbst, grundsätzlich erstmal. Später stellt sich heraus, dass der Verkäufer gar nicht Eigentümer des Fahrrads ist. Weil er es selbst gestohlen hat oder von einem Dritten geliehen hat. Das kann ja auch erstmal so sein. Normalerweise könnte der ursprüngliche Eigentümer das Fahrrad von dir zurückverlangen. Wenn du aber das Fahrrad in gutem Glauben erworben hast, also nicht wusstest und auch nicht wissen konntest, dass der Verkäufer nicht Eigentümer war, dann kannst du unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem Eigentümer.
Tim
00:08:17
Das ist ja grundsätzlich richtig. Nun war das Beispiel mit dem gestohlenen Fahrrad, glaube ich, aber gerade das falsche Beispiel.
Marcus
00:08:23
Ja, deshalb habe ich ja gesagt geliehen danach.
Tim
00:08:26
Mein Freund. Okay, also um das nochmal zu erläutern, also es ist unter bestimmten.
Marcus
00:08:33
Voraussetzungen… Wir können auch vorher das Thema einmal abräumen, an gestohlenen Sachen ist nämlich ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich. Totalausschluss, alles klar, Tim.
Tim
00:08:44
Darauf wollte ich hinaus, ja. Also es war geliehen.
Marcus
00:08:50
Eindeutig, das Fahrrad auf dem Flohmarkt war geliehen.
Tim
00:08:53
Also andere Voraussetzungen. Es gibt also im Wesentlichen drei Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb. Es muss ein Rechtsgeschäft, also beispielsweise ein Kaufvertrag zugrunde liegen. Die Sache muss übergeben werden, das ist ganz wichtig. und dritte Voraussetzung ist der gute Glaube. Der Erwerber muss also gutgläubig gewesen sein und zwar gutgläubig im Hinblick darauf, dass der Veräußerer Eigentümer ist oder beziehungsweise zur Veräußerung der Sache ermächtigt ist.
Marcus
00:09:24
So, genau. Wir haben ja jetzt auch eben schon abgeräumt, dass an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhandengekommenen Sachen ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist. Tim, wir haben heute viel über Fahrzeuge gesprochen. Kannst du uns nochmal erzählen, ob es möglicherweise bei Fahrzeugen, und damit meine ich jetzt Kraftfahrzeuge, ob es da besondere Regelungen gibt hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs?
Tim
00:09:47
In der Tat gibt es da eine Besonderheit und zwar gilt beim Erwerb von Fahrzeugen, dass die Zulassungsbescheinigung für den gutgläubigen Erwerb eine Rolle spielt. Wenn du also ein Auto kaufst und der Verkäufer dir die Zulassungsbescheinigung Teil 2, das ist der sogenannte Fahrzeugbrief, übergibt, dann kannst du in der Regel darauf vertrauen, dass der Verkäufer auch der Eigentümer ist. Wenn dir der Verkäufer die Zulassungsbescheinigung Teil 2 nicht überreicht, dann heißt das nicht, dass du nicht Eigentümer werden kannst, aber dein guter Glaube ist zumindest zweifelhaft.
Marcus
00:10:30
Kommen wir zum Schluss nochmal zu den Schutzmechanismen des ursprünglichen Eigentümers, dem nämlich gutgläubig das Eigentum weg erworben worden ist. Der hat die Möglichkeit gegen den Verkäufer Schadenersatzansprüche gelten zu machen. Das ist aber oft schwierig, wenn der Verkäufer nicht auffindbar ist oder in der Durchsetzbarkeit schwierig, weil er möglicherweise zahlungsunfähig ist, weil er seine Liquidität anderweitig genutzt hat und eben keine Kohle mehr hat.
Tim
00:11:02
Um das nochmal auf dein Beispiel mit dem geliehenen Fahrrad zurückzuführen, also der Entleiher des Fahrrads verkauft es weiter, dann wird der Käufer wirksam Eigentümer, weil er gutgläubig ist und der Eigentümer, der eigentliche Eigentümer, der Verleiher des Fahrrads, der kann von dem Entleiher, der es verkauft hat, Schadensersatz verlangen und guckt möglicherweise in die Röhre.
Marcus
00:11:27
Wenn der nicht zahlungsfähig ist.
Tim
00:11:29
Das ist ärgerlich, aber insofern überwiegt dann tatsächlich der Schutz des gutgläubigen Erwerbers.
Marcus
00:11:37
So ist es. Und das Problem, dass jemand zahlungsunfähig ist und die Ansprüche nicht durchsetzen kann, das ist nun mal ein allgemeines Lebensrisiko. Okay, aber ich glaube, dann haben wir es zunächst mal und haben jetzt auch am Ende doch noch etwas länger den gutgläubigen Erwerb mit untergebracht.
Tim
00:11:53
Ja, das war schön. Vielen Dank, Markus.
Marcus
00:11:55
Bis zum nächsten Mal.

2025 - Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann