Recht Kurz

Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann
Since 04/2020 59 Episoden

RK057: 1 Jahr Hinweisgeberschutzgesetz: Ein Zwischenfazit

31.10.2024 13 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Episode sprechen wir mit Dr. André Szesny aus unserem Düsseldorfer Hauptstandort. Unser Fokus liegt auf dem Hinweisgeberschutzgesetz, einem Thema, das derzeit viele Unternehmen in Deutschland intensiv beschäftigt. Er erläutert die Hintergründe und die Ziele dieses Gesetzes, das seit einem Jahr in Kraft ist und dafür sorgt, dass Hinweisgeber, die auf Missstände in ihren Unternehmen hinweisen, künftig besser geschützt werden. Hören Sie rein und erfahren Sie mehr!

Transkript

Tim
00:00:21
Moin und herzlich willkommen zu Recht Kurz. Moin Markus.
Marcus
00:00:24
Moin Tim, hallo, grüß dich.
Tim
00:00:26
Markus, wir sind heute wieder nicht allein. Wir haben einen Gast dabei. Magst du ihn kurz vorstellen?
Marcus
00:00:30
Ja, wir haben einen Gast dabei heute aus unserem Düsseldorfer Hauptstandort. Dr. André Zessny und Praxisgruppenleiter aus unserem Wirtschaftsstrafrecht. Hallo André, grüß dich.
Gast
00:00:44
Hallo ihr zwei, Gruß nach Hamburg.
Tim
00:00:46
Moin André. Worüber wollen wir sprechen heute, André? Okay, du hast uns ein Thema mitgebracht.
Gast
00:00:53
Ja, das Hinweisgeberschutzgesetz natürlich. Eins unserer Leib- und Magenthemen hier in der Compliance-Praxis gerade, weil es ja auch ganz viele Unternehmen gerade schwer beschäftigt. Regulierung, Regulierung, Regulierung, Lieferkette, Entwaldungsverordnung und auch so ein bisschen Hinweisgeberschutz gehört dazu und damit befassen wir uns.
Marcus
00:01:13
Dann erzähl mal, warum beschäftigen wir uns gerade heute damit? Tim und ich hatten mitgenommen, dass wir seit circa einem Jahr jetzt ungefähr dieses Gesetz haben. Was hat es denn gebracht?
Gast
00:01:27
Ja genau, das war der Anlass, warum wir uns zusammenfinden wollten. Ein Jahr Hinweisgeberschutzgesetz, dann war der Sommer, dann waren Ferien, dann bin ich krank geworden und zack ist es schon weit über ein Jahr. Also das ist so, dass in Deutschland jedenfalls am 2. Juli 2023, also ein bisschen mehr als ein Jahr, das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten ist. Ziel des Gesetzes ist, Überraschung, Hinweisgeber zu schützen. Hinweisgeber, die auf Missstände in ihrem Unternehmen hinweisen. Und das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten, interne Meldestellen einzurichten. Whistleblower-Hotlines. Das Gesetz regelt, wie diese internen Meldestellen ausgestattet sein müssen. Die müssen unabhängig sein, die müssen fachkundig sein, die müssen vertraulich arbeiten. Vertraulich heißt nicht zwingend anonym, kann aber anonym sein. Und alle Unternehmen sind inzwischen verpflichtet, so eine Meldestelle zu haben. Und das Gesetz regelt darüber hinaus, wie Whistleblower die Meldungen abgeben über das, was aus ihrer Sicht im Unternehmen nicht gut läuft. Das können Straftaten sein, das können aber auch interne Regelverstöße sein. Wie die geschützt werden. Die dürfen nämlich arbeitsrechtlich keine Nachteile erleiden. Die dürfen nicht gemobbt werden, die dürfen nicht gekündigt werden, die dürfen nicht abgemahnt werden wegen ihrer Meldung. Und dazu werden Arbeitgeber verpflichtet. Und das ist auch justiziabel. Und deshalb heißt das Gesetz Hinweisgeberschutzgesetz.
Marcus
00:02:56
So, und was drängt sich ja auf die Frage, was passiert mit den Unternehmen, auch wenn ich jetzt vielleicht zu dem komme, was du ganz am Ende vielleicht sagen wolltest, was passiert mit den Unternehmen, wenn sie eine solche Meldestelle zum Beispiel nicht einrichten? Droht da jetzt schon was? Gibt es da schon erste Erfahrungen?
Gast
00:03:13
Kein Gesetz ohne Sanktionsvorschriften. Das ist ja sozusagen das Leib- und Magenthema für die Praxisgruppe Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, die wir hier bei Heuking auch haben. Die Bußgeldvorschriften sind zwar vergleichsweise milde ausgestaltet, aber wer Hinweisgeberhotlines, interne Meldestellen nicht einrichtet als Arbeitgeber, der muss mit Bußgeldern rechnen. Die können bis zu 20.000 bis zu 50.000 Euro reichen. Im europäischen Vergleich ist Deutschland da extrem milde unterwegs. Also in Irland geht das in die Millionenhöhe, in anderen, gerade osteuropäischen Ländern wird da auch ordentlich zugelangt. In Deutschland wird die Regelung über die Bußgelder auch sehr skeptisch gesehen durch die EU-Kommission. Die EU-Kommission hat jetzt einen Bericht vorgelegt vor ein paar Wochen. Da steht drin, was sie nicht so gut findet an der Umsetzung in den EU-Staaten. Und Deutschland ist durch eine relativ milde Sanktionsregelung negativ aufgefallen.
Tim
00:04:15
Und sag mal, wenn ich jetzt trotz milder Sanktionsregelungen das Risiko nicht eingehen möchte als Unternehmen und da draußen Zuhörer sind, die so ein Hinweisgeberschutzsystem noch nicht eingerichtet haben, Was kommt auf die zu? Was für einen Aufwand bedeutet es, so ein System einzurichten und wie können wir dabei helfen?
Gast
00:04:33
Also erstmal ist es so, dass die Befürchtung da ist, das kostet alles wahnsinnig viel Geld und nützt am Ende des Tages gar nichts. Der kann nicht, ehrlich gesagt, begegnen. Also es gibt ziemlich viele Anbieter für Hinweisgeber-Schutzsysteme, IT-basierte Systeme, elektronische Briefkästen, Softwarelösungen. Fakt ist aber, dass das Gesetz gar keine konkreten Vorschriften dazu macht, wie so eine Meldestelle auszusehen hat. Das Entscheidende ist, sie muss vertraulich arbeiten können. Die Meldekanäle können telefonisch, schriftlich sein. Man braucht nicht zwingend eine IT-Lösung. Unternehmen, die viele Meldungen erwarten, sehr große Unternehmen, sehr weit verzweigte Unternehmen, Unternehmen in risikobehafteten Ländern, die sehr korruptionsanfällig sind, was auch immer. Bei denen kann sich das Lohn, ein IT-gestütztes System zu machen. Bei anderen reicht eine Person, das kann auch ausgelagert werden, wir machen das auch für viele Unternehmen, eine Person zu bestimmen und zu sagen, hier, stell dich bitte zur Verfügung, wenn jemand anruft, nimm die Hinweise entgegen und mach das so, wie das Gesetz es vorschreibt. Die Einrichtungskosten sind gar nicht so wahnsinnig hoch. Viel schlimmer ist es, das ist meine ewige Rede und ich habe das schon gesagt, Ich war ein bisschen skeptisch, anfangs Denunzianten-Hotline ist ja so ein geflügeltes Wort gegenüber solchen Whistleblower-Hotlines. Heute habe ich aus eigener Erfahrung die tiefe Überzeugung, dass das absolut nützlich ist für ein Unternehmen. Und Unternehmensleiter, Geschäftsführer, Vorstände, Compliance-Leiter, Syndikusanwälte, die wollen ja wissen, wo die Schmutzecken in ihrem Unternehmen sind. Und die beste und wertvollste Informationsquelle sind die eigenen Mitarbeiter. Und wenn ein Mitarbeiter etwas sieht und will es loswerden, dann ist es auch für das Unternehmen das Beste, dass das Unternehmen diese Schmutzecke als erstes erfährt und nicht die Presse und nicht die Staatsanwaltschaft.
Marcus
00:06:32
Und hast du auch möglicherweise schon Werte oder Erfahrungen, wie das Ganze denn angenommen wird? Also ich habe immer mal wieder gehört, dass es noch relativ verhältnismäßig relativ wenige Meldungen gibt. Ist das eher darauf zurückzuführen, dass es keine Schmutzecken gibt oder dass man sich noch scheut, sowas möglicherweise zu melden?
Gast
00:06:54
Es kommt schon vor, dass wir mit Mandanten sprechen, die sagen, eigentlich brauchen wir das gar nicht, weil bei uns ja eh alles in Ordnung ist. Das ist eigentlich immer schon ein schlechtes Zeichen. Denn wenn jemand zu uns kommt und sagt, in meinem Unternehmen ist alles in Ordnung, dann heißt das nur, dass er von den Sachen, die nicht in Ordnung sind, nichts mitkriegt. Denn nirgendwo ist alles in Ordnung. Es muss ja nicht immer wahnsinnig schlimm sein. Es kommen auch immer noch erstaunlich viele Unternehmen und sagen, wir sind ein bisschen spät dran, ist es denn jetzt schon zu spät oder machen wir das jetzt? Also so wahnsinnig weit verbreitet ist die Umsetzung in Unternehmen nicht. Wenn man es einmal eingerichtet hat, ist das Meldeaufkommen sehr unterschiedlich. In der Regel gibt es keine Meldeflut, wir haben keine Meldeflut. Also wenn nicht wirklich ein Unternehmen in eine Krise gerät, in eine Insolvenzkrise, in was auch immer. Dann bleiben die Meldungen in einem sehr erträglichen Maß. Wir werden hier nicht überschüttet von Meldungen. Die Regel ist eine bis fünf Meldungen pro Jahr. Das wird mit zunehmender Sensibilisierung für das Thema sicherlich noch mehr, wenn mehr Mitarbeitende sensibilisiert sind. Ich will vielleicht Unternehmen, die Angst nehmen vor der Meldewelle und Denunziantentum. Das hören wir ganz oft auch bei mitbestimmten Unternehmen, die einen Betriebsrat haben. Die haben unglaubliche Angst davor, dass diese Whistleblower-Hotlines missbraucht werden. Für Falschbezichtigungen, für Mobbing. Also gesetzlich ist es erstmal so, dass derjenige, der eine falsche Meldung abgibt, nicht arbeitsrechtlich geschützt wird. Der hat diesen Arbeitsrechtsschutz nicht. Wenn also ein Mitarbeiter, der ohnehin schon vor der Kündigung steht, weil er sich anderweitig angreifbar gemacht hat, wenn der dann, um sich selber zu schützen, nochmal schnell irgendeine Meldung abgibt, dann erfährt er diesen Schutz nicht. Erstens, weil er möglicherweise gekündigt wird, nicht wegen der Meldung, sondern wegen was ganz anderem. Und zweitens, wenn die Meldung, die er abgibt, vorsätzlich falsch eingereicht wurde, dann darf er diesen Schutz auch nicht beanspruchen.
Marcus
00:09:12
Das muss ich ihm aber auch nachweisen, dass es vorsätzlich falsch war.
Gast
00:09:16
Das muss man ihm nachweisen und das ist auch ganz wichtig zum Schutz der gutmeinenden Hinweisgeber. Denn es ist absolut erlaubt und auch gewollt, dass auch Verdachtsmomente, von denen man nicht weiß, ob sie sich bewahrheiten, dass die auch abgegeben werden, damit man auch frühzeitig Schadenspotenzial erkennen kann als Unternehmen und gegebenenfalls eingreifen kann. Aber da ist es unglaublich wichtig als Arbeitgeber, sorgfältig und vertrauensbildend mit Meldungen umzugehen. Nicht sofort die Kavallerie durchs Unternehmen laufen zu lassen, nicht sofort Leute zu vernehmen, sondern wirklich in Ruhe zu überlegen, welche Beweisquellen habe ich, die ich erstmal anzapfe, ohne intern im Unternehmen Schaden anzurichten. Ohne einen riesen Borei zu machen, sondern sorgfältig in Dokumenten zu schauen, schauen habe ich möglicherweise den einen oder anderen Zeugen, den ich vorsichtig befragen kann und sehr sorgfältig bei der Sachverhaltsaufarbeitung vorzugehen, denn ansonsten geht viel kaputt.
Tim
00:10:22
Und ich sehe es richtig, dass wir vor allen Dingen auch über unser Tool Whistlefox da unterstützen können.
Gast
00:10:29
Ja, also wir haben in der Tat eine eigene Software entwickelt mit eigenen Kräften, schon aus Eigenschutz. Also wir machen das jetzt seit ungefähr zehn Jahren, lange bevor das Gesetz in Kraft kam, sind wir hier als Whistleblower-Hotline tätig für mehrere Unternehmen. Und es wurden tatsächlich sehr viele, allein um die Bearbeitung der Meldungen effizienter zu machen, auch für den Mandanten effizienter zu machen, für alles, was schneller geht, ist für den Mandanten natürlich auch besser, haben wir diese Software entwickeln lassen. Das ist eine Software, mit der wir intern arbeiten und die uns unglaublich hilft, mit Legal Tech Know-how Sachverhalte aufzunehmen, rechtlich zu prüfen, einzuordnen und den Unternehmen, die uns beauftragen, Bericht zu erstatten und sehr schnell Bericht zu erstatten, ohne einen riesen Aufwand zu betreiben. Und das haben wir liebevoll Whistlefox genannt. Wir waren ein bisschen auf der Suche nach dem Namen. Man muss ja auch alles irgendwie ein bisschen vermarkten. Und die erste Idee von unserer Legal Tech Leiterin damals war die beste. Das war Whistlefox.
Tim
00:11:34
Cool, super.
Marcus
00:11:36
Sehr gut. André, wie du weißt, wir sind bei recht kurz. Deshalb wollen wir uns auch einigermaßen kurz halten. Haben wir jetzt noch irgendwas vergessen? Hast du noch was vergessen? Oder willst du vielleicht auch noch jemanden grüßen?
Gast
00:11:47
Also erstmal haben wir garantiert was vergessen. Aber das machen wir dann einfach beim 10-jährigen Jubiläum. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist spätestens. Da sind wir nämlich alle leider noch nicht in Rente. Und wen grüßen darf man auch? Das ist ja wie im Radio, ist ja toll.
Marcus
00:12:04
Die Kategorie haben wir heute eingeführt. Super.
Gast
00:12:07
Also erstmal nochmal an euch beide, Gruß nach Hamburg, danke für die Einladung. Und zweitens, Gruß an das gesamte Whistlefox-Team. Das ist nämlich nicht nur der, der mit euch gerade spricht, sondern ein ganzes Team, die hier Meldungen entgegennehmen, rechtlich prüfen und vor allen Dingen auch diejenigen, die in der IT und in der Softwareentwicklung die ganze Sache begleiten, begleiten, ohne dass sie im Rampenlicht stehen. Ganz tolles Team haben wir hier.

2024 - Dr. Marcus Georg Tischler & Tim Petermann