Adventskalender: Türchen 19

Was wurde eigentlich aus … Second Life?

19.12.2025 5 min

Zusammenfassung & Show Notes

Im 19. Türchen steckt die Rubrik „Was wurde eigentlich aus …?“ und Caspar blickt mit euch auf Second Life. Eine frühe Version des Metaverse, die es schon seit 2003 gibt und die erstaunlich lebendig dafür ist, dass die meisten von uns sie wahrscheinlich längst vergessen haben. 

Transkript

Türchen Nummer 19. Willkommen zurück im Adventskalender. Mein Name ist Kaspar und ich habe für euch wieder mal die Rubrik Was wurde eigentlich aus mitgebracht? Folgt mir dafür diesmal ins Jahr 2003. Das Internet ist noch jung, die Welt ist noch nicht vollständig digitalisiert und plötzlich taucht etwas auf, das rückblickend eher nach Science Fiction als nach den frühen 2000ern klingt. Eine komplett digitale, parallele Welt mit eigenem Geld, mit eigenem Leben. Ein Computerspiel, das kein Computerspiel sein will. Keine Quests, keine Feinde, keine Ziele. Nur eine virtuelle Welt, die völlig freigestaltet werden kann. Ihr ahnt es vielleicht schon, falls ihr euch daran erinnert, die Rede ist von Second Life. Aber was ist daraus geworden und warum haben wir davon nichts mehr gehört? 2007 hatte Second Life seinen eigentlichen Höhepunkt. Auf der offiziellen Webseite wurden damals mehr als 6 Millionen registrierte Accounts angegeben und rund 1,6 Millionen galten als aktiv, weil sie sich regelmäßig einloggten. Unternehmen eröffneten virtuelle Filialen, Universitäten hielten Vorlesungen in dieser Welt und mittendrin der Linden-Dollar, eine In-World-Währung, eine virtuelle, die man über offizielle Wechselbörse wie Linden X kaufen und verkaufen konnte. Die Fachwelt schwärmte. Das ist das Metaverse, das ist die Zukunft des Internets. Aber dann kam die Ernüchterung. Und die war weniger ein echter Crash, als ein langsames Wegkippen der Aufmerksamkeit. Second Life war faszinierend, aber auch sperrig. Die Technik, die Einstiegshürden, die Optik. Und ja, in so offenen Systemen tauchen dann auch gerne mal Schattenseiten auf. Betrugsfälle, dubiose Geschäftsmodelle, Spekulationsgeschichten. Der entscheidende Punkt, der große Hype verschwand. Das explosive Wachstum stoppte, aber Second Life starb nicht. Es wurde zur Nische. Und diese Nische ist erstaunlich robust. Zum 20. Geburtstag im Jahr 2023 sprach Lindenlab, die Firma hinter Second Life, von rund 750.000 monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern. Außerdem nennt das Unternehmen über 1,6 Millionen Transaktionen pro Tag Inworld und spricht von einer virtuellen Wirtschaft in der Größenordnung von 650 Millionen US-Dollar. Und dann ist da ja noch das Metaverse von Mark Zuckerberg, das ironischerweise 2021 angekündigt wurde mit Wir bauen das Metaverse. Das Metaverse. Während Meta mit Milliarden an der VR-Brillenzukunft herumfuchtelt, sitzt Second Life da und denkt sich wahrscheinlich, Moment mal, das machen wir doch eigentlich seit zwei Jahrzehnten. Der Gründer Philip Roster konnte sich dementsprechend auch ein Seitenheb nicht verkneifen. Obwohl auch andere es versuchen, sagt er zum 20. Geburtstag, hat es bisher kein anderes Unternehmen geschafft, eine Welt wie Second Life zu bauen. Die Ironie der Tech-Geschichte, der echte Vorläufer des modernen Metaverse-Traums war nicht Facebooks Metaverse, es war Second Life. Und die Welt hat es vergessen. Warum? Vielleicht, weil Second Life zu früh kam. Und weil es nicht die glitzernde Vision dessen entsprach, was Tech-CEOs von der digitalen Zukunft jetzt im Kopf haben. Es ist alt, die Grafik sieht kaputt aus, aber es ist das echte Metaverse, nicht das glänzende, visionäre Konzept, das sich gut in Pitchdecks packen lässt. Aber Fakt ist, während Facebook sein Metaverse milliardenschwer neu erfinden will und damit eher auf die Nase fliegt, machen die 750.000 monatlichen Second-Life-Nutzerinnen und Nutzer einfach das, was sie seit zwei Dekaden machen. Sie leben ihr zweites Leben. Na, seid ihr noch da? Habt ihr noch nicht ausgeschaltet? Dann verrate ich euch etwas. Das ist mir nämlich als Idee gekommen, als ich dieses Türchen aufgeschrieben habe. Wenn es Second Life noch gibt, dann könnten wir uns da ja mal vielleicht in einer Art Silicon Weekly Treffen verabreden, oder? Was haltet ihr davon? Schreibt es uns gerne und jetzt abschalten.