Bringfriede Scheu & Otger Autrata
Theorien Sozialer Arbeit
15.10.2021 75 min Staffel 1 Episode 1
Zusammenfassung & Show Notes
Bringfriede Scheu (*1957) ist Sozialwissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Sie studierte Erziehungswissenschaft in der Studienrichtung Sozialpädagogik an der Universität Tübingen und promovierte dort 1989 zum Dr. der Sozialwissenschaften mit dem Thema Jugend auf dem Land. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Theorie Sozialer Arbeit, das Soziale und die Soziale Arbeit, Grundlagenforschung zum Sozialen und Theoriebildung Sozialer Arbeit.
Otger Autrata (*1955) studierte an der Tübinger Universität Pädagogik und promovierte dort zum Dr. rer. soc. im Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie. Er habilitierte an der Universität Osnabrück und ist dort Privatdozent. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Grundlagenforschung zum Sozialen als Gegenstand der Sozialen Arbeit sowie Theorie Sozialer Arbeit.
Transkript
Martin Klein:
Okay, dann starten wir mit den persönlichen Fragen: Und die erste
Frage ist: Welche drei Worte
beschreiben Sie am Besten?
Bringfriede Scheu: Ja, vielleicht das Negative.
Ich bin etwas utopisch. Missionär.
Meine Ideen sind nicht immer realisierbar, aber auch stringent in der
Orientierung.
Das würde ich sagen das sind die
Dinge, die Eigenschaften die mich beschreiben.
Vielleicht bin ich auch etwas liebevoll, manchmal.
Studierenden gegenüber vielleicht nicht ganz so.
Otger Autrata: Über mich würde ich sagen; Innovativ, entschlossen und
manchmal auch stur, wegen der Entschlossenheit.
Martin Klein: Da würde ich anschließen, die Frage nach ihrer
Lebensphilosophie. Gibt es so etwas und wenn ja, wie würden
Sie die zusammenfassen.
Bringfriede Scheu: Meine Lebensphilosophie ist das Glas ist nicht halb
leer, sondern es ist halb voll und vor allem
auch, dass der Mensch immer gestaltend eingreifen kann.
Dass er Möglichkeiten hat
zur Veränderung, dass er vor allem auch nicht Opfer seiner
Verhältnisse ist.
Ein Menschenbild, aber auch Gesellschaftsbild.
Otger Autrata: Da kann ich mich anschließen und kann es vielleicht
kürzer umreißen.
Man hat immer Möglichkeiten zur Entscheidung also an ist nicht so
Situationen der Welt ausgeliefert.
Man kann damit umgehen. Man hat Möglichkeiten zur Entscheidung, kann
also sozusagen seinen eigenen Anteil auch
einbringen in die Situation und in die Gestaltung der Situation.
Martin Klein: Gibt es so etwas wie einen besten Ratschlag den Sie mal
bekommen haben und den sie uns preisgeben würden
und uns verraten würden.
Otger Autrata: Fange ich mal an. Mir hat man mal in jungen Jahren
gesagt, als ich stärker auch noch journalistisch
tätig war.
War es der Rat von älteren Kollegen mal soll keine Angst haben, vor
nichts und niemandem, also reingehen, fragen wenn
man etwas wissen will, dass man keine Angst hat, stimmt natürlich
nicht.
Man hat schon Angst.
Aber der Ratschlag geht auch in die Richtung sowas überwinden, sich
nicht abschrecken lassen und sagen ich gehe
da nicht hin, oder ich traue mich das nicht, sondern
Versuchen wird schon klappen.
Manchmal klappt es besser, mal schlechter aber jedenfalls versuchen.
Bringfriede Scheu: Mein verstorbener Vater hat immer den Rat gegeben,
denk erst einmal drüber nach.
Fällt schwer, aber den Rat nimm ich manchmal mit
Martin Klein: Wenn wir jetzt zur Sozialen Arbeit kommen: Gibt es für
Sie ein Vorbild oder Vorbilder, die sie benennen könnten.
Bringfriede Scheu: Ja, vermutlich Alice Salomon, ein Vorbild in der
Sozialen Arbeit, einerseits als Frau, weil Sie
versucht hat auch die Ungleichheit von Mann und Frau zu überwinden mit
ihren Ideen, mit ihren Vorstellungen, auch
mit ihrem Verständnissen.
So als Nationalökonomin quer einzusteigen und sich diesem Thema
anzunehmen.
Das andere was mich an ihr fasziniert, ist auch, dass sie als Frau die
Akademisierung der Sozialen Arbeit
vorangetreten hat, dass sie versucht hat
dieses Ungleichgewicht und die Ungleichheit zwischen Mann und Frau
auch im Curriculum wiederzubringen und wieder
einzubringen und vor allem auch, dass sie versucht hat, die Soziale
Arbeit und die Mütterlichkeit wegzubringen, auf
wissenschaftliche Basis zu stellen.
Das imponiert mir immens, wie sie das gemacht hat.
und das faszinierende an dieser Frau, diese Kraft.
Dieses Zugehen auf Fragen, Hemmnisse einfach überwinden und durchging.
Hat mir schon imponiert.
Otger Autrata: Von meiner Seite aus kann ich sagen dass ich
unmittelbar aus der Sozialen Arbeit niemanden nennen kann.
Ich habe mich aber - Ergänzend kann ich sagen, ich habe mich auch
schon im Studium mehr mit Theorie-Wissenschafts-Seite
beschäftigt und da bin ich auf Klaus Holzkern gestoßen, den
Psychologen.
Denn würde ich als Vorbild bezeichnen, das fand ich war eine sehr
mutige Sache von Ihm.
In den 80er-Jahren als es doch schon einiges zur Psychologie gegeben
hat. Psychoanalyse, Kommunikationspsychologie und so
weiter und so weiter.
Noch einmal zu sagen ich schreibe eine Grundlegung der Psychologie,
stelle die Wissenschaft sozusagen auf ganz neue
Füße. Baue eine ganz neue Basis, einen ganz neuen Basis Diskurs ein.
Das fand ich sehr mutig, und auch sehr gelungen und das denke ich
demonstriert wie man eine Theorie dann eben
beispielhaft entwickeln kann.
Für mich ein Vorbild.
Martin Klein: Es gibt ja unglaublich viele Disziplinen, Professionen.
Man könnte sich mit allen Möglichen beschäftigen.
Warum interessieren Sie sich so besonders für die Soziale Arbeit.
Otger Autrata: Aus meiner Sicht würde ich sagen die Vielfältigkeit und
Möglichkeiten in der Sozialen Arbeit
hat mich schon immer gereizt und reizt mich weiterhin. Die Soziale
Arbeit ist so breit aufgestellt, hat so viel
Potenzial in alle möglichen Richtungen, dass ich denke da kann man
sehr viel draus machen, das ist auch die
Entwicklungschance für die Soziale Arbeit, für die Gegenwart und in
die Zukunft hinein.
Bringfriede Scheu: Mich interessiert, oder mich hat interessiert
und interessiert noch immer in der Sozialen Arbeit, dass sie ein
Handlungsfeld ist das Veränderung möglich macht.
Also Menschen zu begleiten, die Not und Problemlagen sind und dann
auch so zu begleiten, dass sie zur Veränderung in
der Lage sind.
Das kann die Sozialarbeit leisten und da ist aus meiner Sicht die
Soziale Arbeit eines der wenigen Handlungsfelder.
Denen diese Möglichkeit gegeben ist.
Deshalb interessiert es mich.
Martin Klein: Was Sie beschreiben klingt sehr nachvollziehbar, aber
warum haben Sie sich dann vor allem
für die Theorie entschieden.
Bringfriede Scheu: Ich denke gerade wenn man Menschen begleiten will,
menschen unterstützen will, in schwierigen
Lebenssituationen.
Und wenn man auch die Menschen qualifizieren möchte, dass sie zur
Veränderung ihrer Lebenssituation beitragen können,
braucht man sicheres Wissen.
Sozialarbeiter, also die Professionist_innen, die Kolleginnen, die
brauchen dieses sichere Wissen, damit sie
dieses Tun ermöglichen und diese Veränderung auch ermöglichen können
und da braucht man Theorien.
Und weil ich denke auch Theorie, in diesem Sinn zur Veränderung. Da
seh ich ein gewisses Defizit, einen Mangel.
Da muss ich doch mehr was tun, mich mehr einbringen, damit sicheres
Wissen in die Praxis kommt, um diese Veränderungen
zu ermöglichen.
Um den Professionisten und Professionistinnen in der Praxis dieses
Wissen, dieses sichere Wissen zu geben, da sie zur
Veränderung beitragen können. Da sie zur Qualifizierung beitragen
können.
Otger Autrata: Bei mir ist es ähnlich. Man merkt schon, dass die
Kollegin und ich auch oft ähnliche Gedanken haben, wir
schreiben auch gemeinsam Bücher, würde man ganz anders, oder ganz
unterschiedlich argumentieren, würde es ja nie
zusammenpassen, würde man vielleicht als Leitgesichtspunkt sagen.
Den alten Spruch: Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie.
Das Junktim zwischen Theorie und Praxis ist aus meiner Sicht gegeben,
beziehungsweise sollte gegeben sein, zu
unterstreichen ist aber auch gute Theorie.
Also eine gute Theorie,
die kann wirklich helfen auch eine Praxis aus zu gestalten, die
liefert das Wissen, was du angesprochen hast.
Das man in der Praxis dann auch einsetzen kann.
Dem hab ich mich eigentlich verschrieben.
So eine gute Theorie dazu beizutragen, sag ich mal bescheidener, dass
es gute Theorie für die soziale Arbeit
gibt, mit der man dann auch in den wissenschaftlichen Diskurs bestehen
kann, wie auch in der Praxis Leitlinien und
solches Wissen, wie du angesprochen hast mitnehmen kann, für die
Ausgestaltung der Praxis.
Deswegen meine Idee sich mit der Wissenschaft, mit der Theorie zu
beschäftigen.
Bringfriede Scheu: Ich möchte noch einen Aspekt ergänzen: Ich denke es
geht auch da drum, dass die Theorie ein
Analyseinstrument für die Praxis darstellen kann, und auch muss, um
die Situation von diesem Klient auch
differenziert erarbeiten zu können.
Einerseits als Analyseinstrument, andererseits aber auch als
Reflektionsrahmen.
Das man sagt, Ich brauche auch eine Theorie, um meine eigene Praxis
reflektieren zu können.
Helmut Lambers: Als die nächsten Gäste in unserer Interviewreihe
begrüßen wir ganz herzlich Bringfriede Scheu
und Otgar Autrata.
Herzlich willkommen und einen schönen guten Tag. Bevor wir zu unseren
fachlichen Fragen kommen.
Zunächst einmal ein kurzer Überblick über ihr bisheriges Akademisches
Schaffen. Zunächst zur Ihnen, Frau Scheu.
Sie sind Sozialwissenschaftlerin und Professorin an der Fachhochschule
Kärnten in Feldkirchen, Österreich.
Studiert haben Sie Erziehungswissenschaften in der Studienrichtung
Sozialpädagogik, an der Universität
Tübingen.
Dort auch die Promotion zum Thema Jugend auf dem Land.
Sie waren Leiterin des Studiengangs Soziale Arbeit und auch
Studien-Bereichsleiterin des Studienbereiches: Gesundheit
und Soziales.
Jetzt wird es lang: Mit verschiedenen Gesundheitswissenschaftlichen
Studiengängen.
Und dem Studiengang: Disability und Diversity Studies.
Ihre Lehr und Forschungsschwerpunkte:
Theorie Sozialer Arbeit, das ist naheliegend, dann das Soziale und die
Soziale Arbeit, zu dem wir auch gleich noch
sprechen werden.
Grundlagenforschung zum Sozialen und zur Theoriebildung der Sozialen
Arbeit.
Zu Ihnen, Herr Autrata: Ganz kurz.
Auch Studium der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft.
Ebenfalls in Tübingen.
Dort auch die Promotion, allerdings im Arbeitsbereich Pädagogische
Psychologie.
Habilitation erfolgte dann an der Universität Osnabrück, wo sie dann
auch als Privatdozent tätig sind.
Sie leiten zusätzlich noch ein privates Forschungsinstitut für
Subjektwissenschaftliche Sozialforschung, was sie
gegründet haben.
Rothenburger Feldkirchener Forschungsinstitut ist der Name.
RIS. So kann man es abkürzen. Ihre Lehr-und Forschungsschwerpunkte.
Ebenfalls Grundlagenforschung zum Sozialen als Gegenstand der Sozialen
Arbeit, sowie auch die Theorie Sozialer Arbeit.
Ihrer theoretischen Grundlegung zur Sozialen Arbeit sind an
verschiedenen Stellen aber doch schwerpunktmäßig in drei
Werken dargestellt: Zum einen: Die Soziale Arbeit eine paradigmatische
Bestimmung aus dem Jahr 2008.
Dann: Theorie Sozialer Arbeit - Gestaltung des Sozialen als Grundlage,
aus dem Jahr 2011.
Ein Buch was dann noch einmal Theorie Diskurs zur Theoriebildung
besondere Aufmerksamkeit bekommt.
Bekommen hat und auch weiterhin bekommen wird und jetzt ganz neu: Das
Soziale - Gegenstand der Sozialen Arbeit, aus dem
Jahr 2018.
Wenn Sie Ihre eigene Theorie markieren sollten,
liegt die Frage nahe weshalb haben Sie sich eigentlich für ihren
Theorie-Ansatz entschieden.
Ich versuche es mal über ihre Eingangs-Fragestellung oder
Feststellung.
Sie haben
in Ihrer Theorie der Sozialen Arbeit eine Art Bestandsaufnahme der
Gegenstandsbestimmung unternommen
und kommen zu dem Ergebnis, dass die Theoriebildung zu wenig auf einer
eigenständigen theoretische Grundlage steht.
Können Sie das vielleicht kurz begründen, ohne allzu sehr in die Tiefe
von Natorp und Hermann Nohl
einzutauchen.
Das wäre glaube ich erst einmal ein guter Einstieg.
Wenn Sie diese Bestandsaufnahme führen.
Otger Autrata: Fangen wir mal an mit -
Wir haben uns, ich sag mal für mich ich habe mich nicht unmittelbar
sozusagen für eine Theorie, oder den
Theorieansatz entschieden, sondern dieser Theorieansatz
ist aus praktischen Erfahrungen gewachsen, wie auch aus der
Auseinandersetzung mit der Theorie. Praktische Erfahrungen
nenne ich mal kurz, war das AgAG Aktionsprogramm gegen Aggression und
Gewalt, wo wir beide tätig waren in den neuen
Bundesländern.
Neunzigerjahre wo es massive Jugendgewalt gegeben hat.
Das Modellprojekt wurde dagegen aufgesetzt mit der Idee die Soziale
Arbeit sollte dort Gewalt reduktiv und präventiv
tätig werden.
Die Frage war allerdings, wie denn nun kann man das so einfach was
soll man denn da machen.
Riesiges Gebiet, viele Problemlagen.
Da hat man gemerkt: Es ist eine wichtige Aufgabe auf der einen Seite,
auf der anderen Seite ist die Fragestellung
komplex und für die soziale Arbeit vielleicht überkomplex oder nicht
so leicht zu lösen.
Wo soll man ansetzen um was geht es denn genau.
Da waren wir drin, haben die Projekte begleitet und Erfolge auch
evaluiert und es war eine spannende Frage. Hat auch zu
unserer Auseinandersetzung mit Theorie geführt.
Was kann man denn da tun?
Nun will ich doch vielleicht auch kurz
auch wenn Sie es angemerkt haben nicht zu Natorp und Nohl zu kommen.
Ich habe noch eine Reserve-Veröffentlichung mitgebracht. Halte ich mal
hier ins Bild.
Es geht weniger um den Titel. Es geht um das Cover. Es ist dieses, ich
weiß nicht ob sie es kennen, das bekannte
Schienenbeispiel, was Nohl symbolisiert hat.
Also kurz gesagt, Sie werden es kennen. Aber Studierende, die
vielleicht auch das Video sehen, werden es vielleicht
nicht kennen.
Nohl hat, kurz gesagt die Soziale Arbeit damals noch Sozialpädagogik,
ist damit beschäftigt Menschen, die vom
Gleis gefallen sind wieder auf das Gleis draufzusetzen.
Aber ist ein Test sinnvoll wenn wie hier das Bild so zeigt, dass das
Gleis System völlig zerstört ist und völlig desolat
ist, dann kann das ja gar nicht funktionieren.
In Nohls Sicht ist es eine eigentlich sehr klare, plastische Idee, die
Soziale Arbeit steht einer Welt gegenüber und muss
mit Menschen arbeiten, die große Probleme haben und die einfach wieder
aufs Gleis draufzusetzen
ist oft nicht möglich, da das Gleis System desolat ist, zerstört ist.
Die Aufgabe der Sozialen Arbeit ist komplexer.
Da muss man auch eine Theorie dazu, haben wir dann gesagt, muss man
eine Theorie schaffen, die Nohl nicht geschaffen
hat.
Er hat diese Idee in die Welt gesetzt oder mal ausgesprochen, aber
nicht mehr theoretisch weiterverfolgt.
Das hat uns dann dazu geführt, das weiterzuverfolgen und dann zu
sagen:.
Okay, wo kann man da angreifen, was ist genau der Kern des Ganzen.
Wir haben dann gesagt, das ist das Soziale, also der Ausgangspunkt für
unsere Theoriebildung liegt in dieser
Auseinandersetzung, zweiseitig: Praxis der Sozialen Arbeit, wie auch
Theoriebildung der Sozialen Arbeit, die bis dahin
vorgelegen hat.
Helmut Lambers: Nun muss man aber an der Stelle vielleicht doch noch
einmal nachfragen.
Und damit sage ich ja auch nichts Neues. Nohl als Großvater der
Sozialpädagogik ist ja nicht derjenige bei dem die
Theoriebildung aufhört.
Die sozialwissenschaftlich aufgeklärte Sozialpädagogik ist ja dann
eine Aufgabe die dann insbesondere auch vom
Mollenhauer, Thiersch, Böhnisch und so weiter angegangen wurde.
Da vielleicht doch noch mal eine Frage: Reicht das nicht aus ihrer
Sicht?
Ich vermute, denn sie sagen ja eigentlich.
Sie nennen das paradigmatische Erweiterung.
Sie sprechen sich für eine Gegenstandsbestimmung der Sozialen Arbeit
aus, die ja über das hinausgeht was, im
Prinzip schon da ist.
Zum einen nennen Sie da die starke Orientierung an Praxis, das
verkürzt und reduziert Möglichkeiten.
Zum anderen und das wäre nun mal der Punkt um den es mir jetzt geht.
Meinen Sie damit ja auch die Theoriebildung, die
aber doch weit über Nohl schon hinaus gegangen ist.
Bringfriede Scheu: Ja.
Ich würde sagen:
Es ist keine -
Unser Theorieangebot ist ein Angebot.
Ein weiteres Angebot für die - für den Umgang mit der professionellen
sozialen Arbeit.
Ein weiteres Angebot und dieses weitere Angebot ist eine Ergänzung aus
meiner Sicht eine Ergänzung, so wie sie sagen, zu
Thiersch - Lebensweltorientierung, Böhnisch - Lebensbewältigung. Als
Ergänzung, weil -
Böhnisch spricht es ja auch immer wieder an, das Soziale ist ganz
wichtig, aber das Soziale ist nicht definiert und nicht
hergeleitet.
Also von daher eine Ergänzung auch -
Das ist vielleicht auch etwas frech, vielleicht auch gegenüber
Thiersch, eine Ergänzung vielleicht auch gegenüber
Thiersch und gegenüber Böhnisch.
Dieses Thema, diesen Gegenstand des Sozialen, wollte ich auch in den
Mittelpunkt zu stellen. Sowohl Böhnisch, als
auch Thiersch wollen aber auch - die verwenden den Begriff des
Sozialen immer wieder.
Und geben ihm auch eine gewisse Bedeutung.
Aber es ist nicht geklärt, was das Soziale in dem Kontext bedeutet und
das ist für mich ein Anliegen, wenn das so
wichtig ist, dass es auch geklärt ist.
Helmut Lambers: Und darin sehen Sie ja auch, wenn man so will, ihre
Erweiterung in der Gegenstandsbestimmung, in der
Bestimmung dessen, was das Soziale beim Menschen ist.
Den Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit hat das ja beflügelt,
sich als Expertinnen für das Soziale zu verstehen
und zu beschreiben zumindestens, verstehen weiß ich gar nicht.
So kann man zumindest das nachlesen.
Das war unmittelbar ein Jahr, nach ihrer Publikation, fühlte sich der
Berufsverband sehr inspiriert und sagte: Ja genau das sind wir.
Wir sind Experten des Sozialen.
Aber jetzt kommt die Frage: Was ist denn das Soziale?
Wie kann man es bestimmen?
Otger Autrata: Wir haben es bestimmt, also lassen wir die ganze
Herleitung aus.
Das würde jetzt den Rahmen vielleicht sprengen, so wie wir das
gefunden haben, aber wir haben es nicht um es mal so zu
behaupten, ohne die Behauptung weiter zu unterfüttern,
nicht einfach aus dem Ärmel gezaubert, oder legen das nicht nur so
vor, sondern da gibt es auch einen
Herleitungsprozess. Die Definition ist die, das Soziale ist die
Widerspiegelung und die Aktivitäten gegenüber Lebewesen
der eigenen Art. Wir haben da auch einen Vorlauf in der
Auseinandersetzung mit anderen Arten.
Das heißt auch mit anderen Lebewesen. Das Soziale gibt es auch bei
Tieren, da wäre es glaube ich unstrittig, dass
Hunde auch sozial sind und ein soziales Leben führen.
Das Soziale gibt es auch beim Menschen, aber beim Menschen ist nur
das, also nur dieser Teil der Aktivitäten des
Menschen,
Widerspiegelung und Aktivitäten unmittelbar gegenüber anderen Menschen
als das Soziale zu bezeichnen.
Bei Menschen hat es natürlich auch noch eine Erweiterung: Das Soziale
ist gesellschaftlich überformt.
Wenn man jetzt Karten spielt, beispielsweise, mit anderen ist das
sozial, also Widerspiegelung und man guckt, was
macht der andere, was spielt der vielleicht aus.
Und reagiert da drauf.
Aber es ist natürlich - das Kartenspiel hat man gekauft, oder sonst
irgendwie, also es ist gesellschaftlich - stammt
aus gesellschaftlichen Quellen.
Wir haben damit, also kurz gefasst, Sie fragen also nach, wenn Sie
denken das ist noch nicht ausreichend.
Das ist jetzt unsere Gegenstandsbestimmung des Sozialen, die wir
eingeführt haben
in die Debatte zur Sozialen Arbeit und wir haben da aus unserer Sicht,
wie die Kollegin schon angesprochen hat, auch
eine Fokussierung des Gegenstandes angestrebt und erreicht, wir sagen
jetzt also:
Das Soziale ist der Gegenstand der Sozialen Arbeit, der Nomination
Soziale Arbeit wäre so zu verstehen und zu
deuten.
Soziale Arbeit ist eine Arbeit am Sozialen.
Und was für andere Wissenschaften und Theorien auch gilt von der
Domination kann man auf den Gegenstand rückschließen.
Also Soziale Arbeit beschäftigt sich, oder hat sich mit dem Gegenstand
des Sozialen zu beschäftigen. Kurz gefasst so
unsere Idee und damit eben auch eine enge Verbindung: Gegenstand und
Theoriebildung soll zusammenhängen, klarer
Gegenstand, darauf soll eine Theoriebildung antworten.
Martin Klein: Also eine gewisse Subjektorientierung.
Und die, wenn sie die Themen benennen: Widerspiegelung auf der einen
Seite und Aktivitäten auf der anderen Seite.
Dann wäre die Frage für mich: Was ist denn in den Fällen wo Menschen
das nicht wollen, können und dergleichen,
wie würden Sie da das Soziale mit einbeziehen, oder würden Sie sagen,
dann findet das Soziale nicht statt.
Otger Autrata: Da würde ich kritisch fragen. Kann man denn das?
Also kann man nicht so -
Also wenn Sie mich so fragen, könnte ich mich jetzt wegdrehen und
sagen: Interessiert mich nicht die Frage.
Aber es wäre trotzdem eine soziale Reaktion.
Mir würde die Frage nicht passen und ich würde jetzt sagen: Dem
antworte ich ja jetzt nicht, weil die Frage gefällt mir
nicht oder will ich nicht beantworten.
Also es ist eigentlich -
Das Soziale ähnlich wie Watzlawick sagt: Man kann nicht nicht
kommunizieren. Ist beim Sozialen das auch schwierig in
Gegenwart von anderen Menschen nicht sozial zu sein, also nicht
wahrzunehmen, nicht Aktivitäten zu setzen gegenüber
den anderen Menschen.
Natürlich ist es so, dass man nicht alles sozial auch kann, was man
vielleicht will, oder was angemessen wäre.
Das Soziale ist auch nichts was einem biologisch mitgegeben ist, was
man von Anfang an als Kind bis ins hohe Alter
gleich gut kann und in jeder Lebenssituation auf höchstem Niveau
erledigen kann.
Das Soziale wächst mit, man lernt was, man versteht was, man kann was
besser, oder auch vielleicht mal wieder etwas
schlechter.
Das Soziale orientiert sich auch am Leben und an den Erfahrungen, die
man damit macht und insofern verändert es
sich, also das würde ich so als Antwort dazu formulieren.
Es ist nicht statisch das Soziale sondern man hat Möglichkeiten im
Sozialen die auch veränderbar sind.
Vielleicht hat man auch manchmal - bringt man etwas nicht zusammen,
was vielleicht sinnvoll wäre.
Aber das Spannungsfeld des Sozialen bleibt bestehen.
Man kann höchstes Lebensglück im Sozialen erringen, also wenn Sie sich
vorstellen: Wann war ich am glücklichsten in
meinem Leben, war ich da allein oder nicht.
Oft sind Stationen mit höchstem Glück mit dem Sozialen verbunden.
Man kann aber auch die tiefsten Enttäuschungen aus dem Sozialen
ziehen,
Oder stammen sie aus den sozialen Trennungen, beispielsweise
Partnerschaften sind natürlich eng verbunden mit dem
Sozialen, dass Beziehungen dann nicht geklappt haben.
In diesem Spannungsfeld müssen Menschen agieren, lebenslang.
Bringfriede Scheu: Da will ich noch ergänzen: Es gibt natürlich auch
verschiedene Formen des Sozialen.
Menschen können vielleicht nicht sozial sein, hab ich herausgehört.
Ich weiß nicht, ob Sie das so meinen.
Ich denke Menschen sind immer sozial, wenn sie den Aspekt der
Widerspiegelung nehmen.
Die gnostische Auffassung vom Gegenüber, von Gegenständen, die findet
immer statt, aber in ganz unterschiedlicher
Weise. Menschen nehmen ihre Umwelt Gnostisch unterschiedlich wahr.
Sie erfassen diese unterschiedlich und aufgrund dieser
Unterschiedlichkeit kommt es natürlich auch zu
unterschiedlichen Aktivitäten.
Vielleicht kommt als Aktivität auch ein nicht Pro-Soziales Verhalten
raus. Es kann durchaus auch sein, aber es ist
trotzdem sozial.
Also ist es noch mal deutlich geworden, dass es aus meiner Sicht das
Soziale immer geben kann und geben muss, aber in
unterschiedlicher Weise.
Und ich möchte jetzt auch nochmal darauf hinweisen:
Sozial heißt nicht gleichzeitig auch Pro-Sozial.
Also das immer Gute.
Sozial ist manchmal auch destruktiv. Das muss man einfach auch so
sehen, wie in der Sozialen Arbeit ja tagtäglich.
Helmut Lambers: Ich würde ganz gerne nochmal zu ihrem Vorschlag
kommen, die Bestimmung des Sozialen als
Gegenstandsbestimmung der Sozialen Arbeit in den Blick zu nehmen und
dort anknüpfen, wo der Berufsverband sehr schnell
angeknüpft hat, nämlich sich als Expertinnen und Experten des Sozialen
zu begreifen und zu verstehen.
Nehmen wir mal an ihr Projekt gelingt.
Wie steht es dann im Zusammenhang, oder im Verhältnis zu einer
Aussage, oder zu einer Analyse der Autonomie dieser
Profession, oder Sie haben es mal so ausgedrückt, dass die soziale
Arbeit eben nicht eine autonome Deutungshoheit über
ihre Disziplin hat.
Ist das nicht möglicherweise ein Widerspruch im Anspruch der
Gegenstandsbestimmung - Experte für das Soziale sein zu
wollen aber gleichzeitig zuzugestehen, dass eine autonome
Deutungshoheit gar nicht gegeben ist.
Oder ist das ein Missverständnis?
Ich weiß es nicht.
Otger Autrata: Ja, ich denke es sind für die Gegenwart, denke ich, ist
es für die Soziale Arbeit, also, dass diese
autonome Deutungshoheit ist eine Beschreibung des gegenwärtigen
Zustandes, also, dass die Soziale Arbeit oft
auch in Konkurrenz zu anderen Wissenschaften, oder zu anderen
gesellschaftlichen Institutionen steht.
Wenn es darum geht Probleme zu definieren, oder Lösungen zu
definieren.
Das Feld der Gewalt oder der Jugendgewalt in die Definition dessen
oder in die Deutung dessen, was da stattfindet, was
zu tun ist gehen auch andere Disziplinen in allem: Psychologie,
Medizin, Soziologie, Politikwissenschaft und so
weiter.
Aber auch gesellschaftliche Institutionen, wie die Politik und andere
Verbände, die dann sagen Jugendgewalt ist so und
so und da ist dies und das zu tun. Da ist die Soziale Arbeit ein Rad
sozusagen am Wagen vielleicht nicht einmal.
Das Wichtigste Reserverad in der Deutung dessen, was zu tun ist und
was passieren soll muss, aber dann Aufgaben
erledigen, die ihr zugeschrieben oder zugestanden werden.
Wir formulieren jetzt auf der anderen Seite mit dieser Debatte auch um
Deutungshoheit die Soziale Arbeit sollte
sich auch um Eigenständigkeit bemühen, das heißt das Soziale für sich
zum Gegenstand machen.
Das Soziale wird eigentlich von anderen Disziplinen nicht systematisch
erforscht oder nicht systematisch abgeklärt.
Das macht auch die Soziologie nicht.
Die Konkurrenz ist da - sage ich mal enden wollend.
Man hat also durchaus eine Lücke in diese - in die man hineingehen
kann und sagen kann: Dieser Gegenstand, der zwar
in bestimmtem Umfang, oder unterschwellig immer schon in der Sozialen
Arbeit präsent war, aber so in dieser
Gegenstandsbestimmung nie so offen aufgearbeitet wurde, war immer in
Debatten auch da - was wir schon angesprochen
haben, bei Kollegen und Kolleginnen.
Wir formulieren jetzt aber als Idee - da soll sich die Soziale Arbeit
explizit darauf beziehen und damit die
Zielstellung, ebene Deutungshoheit für diesen Gegenstand gewinnen.
Also wir sind - Wir, die Soziale Arbeit als Disziplin und auch als
Profession, sind zuständig dafür und wissen darüber
Bescheid.
Die Disziplin schafft Wissen, disziplinär, das sie wiederum
bereitstellt, mit dem die Profession dann umgehen kann, in
ihrer Praxis.
Unsere Grundidee: Deutungshoheit sollte der Sozialen Arbeit damit
zuwachsen.
Bringfriede Scheu: Da Sie jetzt auch nochmal den Berufsverband
angesprochen haben. Expertinnen des Sozialen -
Der Kollege hat es schon gesagt:
Die Soziale Arbeit hat eine gewisse Denomination: Nämlich Soziale
Arbeit - Arbeit am Sozialen. Und wenn ich dieses
Soziale auch fassen kann,
wenn ich eine Theorie zum Sozialen habe, dann denke ich, kann ich in
der Praxis auch anders mit Problemlagen, mit
Notlagen umgehen. Wenn ich dieses Wissen habe.
Und ich denke der größte Teil von Problemen und Notlagen sind gerahmt
durch das Soziale.
Also wir haben zwar Problemlagen, Notlagen, die vielleicht auch
gesellschaftlich fundiert sind: Arbeitslosigkeit und so weiter.
Aber wie es von dieser gesellschaftlich fundierten Notlage zu sozialen
Problemen und Notlagen kommt, dass ist die
spannende Frage für mich. Warum gibt es ein soziales Problem und wenn
ich diesen Zusammenhang seh´, dann brauche ich den
Begriff des Sozialen.
Dann muss ich wissen, was das Soziale bedeutet
Von daher denke ich, sind wir Experten
Helmut Lambers: Ja, vielleicht ein kritischer Hinweis, oder ein
skeptischer Hinweis an der Stelle: Die Psychologie, die
Erziehungswissenschaft untersucht ja nicht die Psyche, untersucht ja
nicht die Erziehung, wenn man will, oder nimmt
sie nicht als Gegenstand, sondern versucht ja die Eigenständigkeit
ihrer Disziplinen über ein Formalobjekt,
also über die Perspektive, wie ich auf dieses Materialobjekt: Psyche,
oder Erziehung schaue.
Erziehung wäre es dann, die Reaktion auf die Entwicklungstatsache nach
Bernfeld vielleicht mal so, als
ein relativ konsensualer Bezugspunkt.
Psychologie, da geht es um Verhalten und Erleben.
Skeptischer Hinweis, also ist möglicherweise da die Gefahr, vielleicht
auch jetzt als Frage, dass wir in eine
Materialobjektsbestimmung kommen, das Soziale, statt den Formalbezug,
also mit welcher Perspektive schaut, jetzt
unsere Fachdisziplin auf dieses Materialobjekt verloren geht.
Das Soziale müsste dann ja noch weiter formal, noch einmal
heruntergebrochen werden aus welcher speziellen Perspektive
betrachten wir denn jetzt die Soziale Arbeit.
Dass sich viele Disziplinen mit dem Sozialen befassen,
das ist eine Binsenweisheit. Wir haben die Sozialanthropologie, wir
haben die Sozialpsychologie, die
Sozialwirtschaft die Sozialpsychiatrie, Max Weber Sozialökonomie.
Dieser Begriff Sozial steht ja in unterschiedlichen Kontexten.
Und das wäre in der Tat meine Frage: Wie gelingt es denn tatsächlich
darüber eine eigenständige Deutungshoheit wie,
Sie gerade sagen, auch eine eigenständige Disziplin im Sinne eines
Formalobjektes zu bestimmen.
Bringfriede Scheu: Ich denke wir sind auf dem Weg. Das ist der erste
Stein, den haben wir jetzt gelegt.
Das ist der erste Schritt. Und man braucht den ersten Schritt, um
etwas erreichen zu können.
Weiterentwicklung muss sein, wir haben auch noch einiges vor. Wir sind
noch nicht am Ende unserer Erkenntnis
angelangt, aber Sie haben Recht. Aber dieser erste Schritt, dieser
erste Stein, ist für uns wesentlich.
Aus meiner Sicht gehört das Soziale zum Menschsein dazu. Definierstes
Menschein. Ein ganz großer Teil des
Menschseins. Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, mit Klienten und
Klientinnen, also mit Menschen, nicht abwertend gemeint.
Mit Menschen zu tun haben, dann brauche ich ein Verständnis. Was ist
das Subjektive, was ist ein Subjekt.
Und wenn ich ein Subjekt bin, dann brauche ich das Soziale. Also bin
ich wieder in dieser Bindung.
Und ich denke: Eine Weiterentwicklung ist durchaus gegeben. Eine
Theorie ist immer nur vorläufig endgültig.
Otger Autrata: Vielleicht hab ich noch eine böse Sentenz ergänzend:
Zimmermann, haben wir im neuen Buch zitiert, hat
sich schon 1948 mit dem Sozialen beschäftigt, hat da diese böse
Sentenz geprägt.
Man nehme einen beliebigen Text in dem das Wort des Sozialen vorkommt
und streiche auf einer Seite das Wort Sozial weg.
Man wird keinen Informationsverlust feststellen können.
Das heißt also der Umgang mit dem Sozialen in vielen Texten der
Soziologie, oder der
Sozialanthropologie und anderen ist einfach beliebig.
Man weiß gar nicht genau was das Soziale ist, es wird gern und viel
benutzt, steht also in aller Fülle, wird gestreut
über die Seiten, aber was ist eine soziale Gruppe im Unterschied zu
einer normalen Gruppe, ohne Gruppe.
Was sind soziale Probleme die oft apostrophiert werden im Unterschied
zu gesellschaftlichen, individuellen oder
sonstigen Problemen. Das wird nie expliziert.
Da denke ich, dass man, wenn man uns - also wir versuchen zumindest
voranzuschreiten und zu sagen, das Soziale muss
bestimmt werden.
Vice versa müsste dann bei anderen Theorien vielleicht auch
nachgearbeitet werden die sich auf das Soziale beziehen und
überlegt haben, was wird damit eigentlich in welcher Art und Weise
über das Soziale ausgesagt?
Wenn Sie zum Beispiel Handbücher über die Soziale Arbeit oder
grundlegende Betrachtungen, Grundrisse anschauen. Das
Soziale kommt als Stichwort nicht vor.
Das scheint in die Richtung zu weisen, dass man davon ausgeht, dass
ist so geläufig, das braucht man gar nicht
mehr diskutieren.
Oder man will es nicht diskutieren. Auf jeden Fall gibt es da
substanziell wenig Äußerungen zum Sozialen.
Da denke ich wäre nachzubessern für eine Disziplin - wir sagen
Disziplin zur Sozialen Arbeit.
Behaupten, dass es eine Disziplin ist, die im Namen das Soziale trägt.
Martin Klein: Da konnte man in Ihrem Buch auch ein neues Wort lernen.
Auch von Zimmermann: Das Wort der Qualligkeit. Das der Begriff des
Sozialen eine Qualligkeit hätte. Da habe ich
gedacht, das ist eine schöne Umschreibung.
Was bedeutet das für die Soziale Arbeit?
Warum sollte die Soziale Arbeit dann mit ihrer Theorie arbeiten, also
es ist ja dann nicht nur das Soziale sondern
auch darüber hinaus -
warum sollte sie das tun?
Otger Autrata: Um Wissensbasiert sozusagen arbeiten zu können.
Wir schlagen vor: Die soziale Arbeit hat schon viel an Erfahrungen, an
Möglichkeiten - auch diese angesprochene
Vielfältigkeit des Potenzials in sich.
Aber es wäre klug und würde die Soziale Arbeit in eine andere Position
bringen, also in eine Position der
Gleichwertigkeit, Gleichgewichtigkeit gegenüber anderen Disziplinen
und Professionen.
Wenn die Soziale Arbeit sich da weiter entwickeln würde, also einen
klaren Gegenstand sich zu eigen macht, diesen
klar definierten und umrissenen Gegenstand dann aufarbeitet,
umarbeitet und damit eben den Charakter einer Disziplin -
was ja immer wieder umstritten ist, ist die Soziale Arbeit eine
Disziplin, oder nicht - erobert und für sich hat und in
der Folge auch für die Profession klare Leitlinien, klares Wissen da
ist, wie damit zu arbeiten ist oder das eben in
die Praxis eingebaut werden kann.
Da sehe ich klare Vorteile und Entwicklungspotenziale für die Soziale
Arbeit.
Bringfriede Scheu: Da will ich noch ergänzen:
Die soziale Arbeit als Profession braucht -
Ich habe schon mal gesagt: Sicheres Wissen.
Dieses sichere Wissen findet sich in Theorien und jetzt gibt es
natürlich eine Vielzahl von Theorieangeboten für die
Kolleginnen vor Ort.
In der Praxis.
Die Kollegen müssen jetzt nochmal prüfen, welches Wissen brauchen Sie
um Ihre Praxis gelingend gestalten zu können.
Die Schwierigkeit die sich darin stellt und auch in der Ausbildung im
Studium.
Welche Theorie ist die richtige? Also mich fragen Studierende: "Also
welche Theorie soll ich denn jetzt
verwenden?"
Diese Antwort kann man nicht geben.
Aber was man geben kann, ist, dass man ein Gerüst eines sicheren
Wissens zur Verfügung stellt.
Und jetzt meine ich wirklich Theoriewissen und zwar Theoriewissen im
Sinne von standardisierten Wissen,
fundierten Wissen, hergeleitetem Wissen. Wenn das dann möglich ist,
dann haben die Kolleginnen und Kollegen vor Ort
Möglichkeiten, von mir aus auch auszuwählen, welches für sie, aus
ihrem Subjektstandpunkt aus, die Richtige, die
passende Theorie ist, aber die Entscheidung müssen sie selber treffen.
Die können
wir/ich als Lehrperson oder wir als Lehrperson nicht geben. Das geht
nicht.
Deshalb ist es für mich auch wichtig mit unserer Theorie zu arbeiten
und mit unserem Theorie-Angebot zu arbeiten, um
Wissen zu liefern zum Sozialen.
Um damit erstmal den ersten Schritt getan zu haben.
Martin Klein: Könnten Sie die Bedeutung ihrer Theorie vielleicht
anhand eines konkreten Beispiels benennen.
Dass man sich das vorstellen kann.
Bringfriede Scheu: Ja.
Wir bekommen natürlich aus der Gewaltszene -
Otger Autrata: Wir sind relativ friedlich aufgestellt. Also haben
nichts mitgebracht, keine Schlagstöcke oder so unter'm
Tisch.
Bringfriede Scheu: Ja, aber ich möchte mal ein anderes Beispiel
nennen: Wir haben oft in der Sozialen Arbeit mit obdachlosen Menschen
zu tun.
Und wenn ich jetzt in eine Profession mit obdachlosen Menschen arbeite
-
und das Soziale als Gegenstand nehme, dann kann ich aus meiner Sicht
profund mit diesem Klienten, mit dieser
Klientin, mit diesen Menschen, mit den obdachlosen Menschen umgehen.
Indem ich eben dann das Soziale dieses obdachlosen Menschen
herausarbeite. Was ist das Soziale dabei?
Und da geht's jetzt um die gnostische Erfassung, also Widerspiegelung,
dass ich widerspiegele jetzt als
Professionistin. Das ist die gnostische Erfassung und aufgrund dieser
gnostischen Erfassung setze ich dann in der
Profession auf eine Aktivität, je nachdem -
Ich versuche ihm dann mehr Körperhygiene zu vermitteln, oder was auch
immer.
Doch durch diesen Aspekt der Widerspiegelung und Aktivität bin ich im
Sozialen drin.
Also ich handle sozial im Kontext meiner Profession.
Und weiß auch was das Soziale in meinem professionellen Handeln
ausmacht.
Und ich denke, dass ist für mich ein großer Fortschritt für die
Soziale Arbeit. Als Analyse-und Reflexionsinstrument.
Helmut Lambers: Vielleicht darf ich da direkt anknüpfen.
Obdachlosen/Wohnungslosen-Szene.
Wenn man so will: Hoch individualisierte Menschen.
Ich denke da an den Gemeinschafts-Begriff den Sie ja auch
thematisieren.
Halten Sie den Gemeinschafts-Begriff denn noch für praktikabel, sag
ich mal, als ein Bezugspunkt für die
Entfaltung der Sozialen Arbeit in der Praxis.
Aber auch in der Sozialen Arbeit als wissenschaftliche Disziplin.
Also die Überlegung: Wir hatten Eingangs Nol, beziehungsweise man
müsste da ja den Paul Natorp nennen.
Es gibt ja verschiedentlich Versuche auch wieder stärker an diesem
Gemeinschaftswerk anzuknüpfen.
Sehen Sie da Möglichkeiten?
Ich habe jetzt gerade spontan gesagt bei den Wohnungslosen sehe ich
das nicht, aber ich lasse mich gerne eines besseren
belehren.
Bringfriede Scheu: Ja.
Das ist schon immer diese Gesellschaftsanalyse auch
Individualisierung.
Das alles in die Individualisierung und Segmentierung läuft.
Ich denke.
Wenn man den Gemeinschafts-Begriff jetzt auch aus der Soziologie heran
nimmt, also Tönnies beispielsweise, der
sich ja sehr früh mit dem Begriff auseinandergesetzt hat.
Und der hat ja auch nochmal hingewiesen, dass man trennen muss,
zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft. Also da möchte
ich jetzt gar nicht drauf eingehen.
Wenn man aber die Idee von Tönnies aufnimmt nehme ich das zur
Gemeinschaft, oder dass eine Gemeinschaft enge
Verbindungen -
Für die Gemeinschaft enge Verbindungen notwendig sind, das eine
Gemeinschaft charakterisiert wird, durch die engen
Verbindungen.
Dann denke ich, ist es kein auslaufender Begriff.
Man hat diese engen Verbindungen überall, jetzt auch in der heutigen
Gesellschaft.
Nehmen Sie beispielsweise auch die neuen Medien.
Das sind ja enge Verbindungen - virtuell, digitalisiert.
Aber sehr eng und da sind immer noch Gemeinschaften vorhanden.
Ich sehe es nicht als Auslaufbegriff und auslaufenden Begriff, sondern
eher als
neu zu fundierenden Begriff, dass man auch diese neuen Medien, diese
neuen Gemeinschaften als Gemeinschaft sieht,
weil da sind die engen Verbindungen vorhanden.
Helmut Lambers: Gut, dass dieser Hinweis noch einmal kommt, denn wir
thematisieren ja heute solche Begriffe wie
Sozialraumorientierung.
Netzwerke, auch Soziale Netzwerke.
Da sehen Sie Anschlussmöglichkeiten, ja. Nicht mehr an diesem
traditionellen Gemeinschaftsgefühl anknüpfend -
Michael Winkler hat ja mal davon gesprochen, dass Soziale Arbeit
sogenannte Räume auch entwickeln muss, schaffen muss,
aber Raum dann eben nicht unmittelbar räumlich geografisch, sondern
eben im Sinne von Sozialbeziehung.
Otger Autrata: Aber genau das Stichwort Gemeinschaft gehört damit zum
Sozialen, also zu den Sozialbeziehungen auch.
Diese Gegenüberstellung, die oft gemacht worden ist, oder die noch so
traditionell von Tönnies und Natorp da ist:
Gemeinschaft und Gesellschaft - ist schräg, wenn nicht falsch.
Das steht sich nicht gegenüber.
Gemeinschaft ist immer in Gesellschaft. Menschliches Leben ist
grundsätzlich in gesellschaftlich oder gesellschaftlich
gerahmt. Da wird so ein Zivilisations-pessimistischer Zungenschlag
hereingetragen. In der Gesellschaft zerfällt
die Gemeinschaft, oder muss sie zerfallen, weil die Gesellschaft zu
individualisierend ist und das ist zum Teil
wahr, aber auch zum Teil falsch.
Es bedeutet immer auch, dass sich das Soziale in einer
gesellschaftlichen Rahmung bewähren muss, oder durchsetzen
muss, oder bestehen muss.
Wie auch immer die ausfällt. Ob jetzt Räume für das Soziale gegeben
sind, oder erkämpft werden müssen, das hängt von der
Situation ab.
Was weiß ich - ein Jugendtreff kann da sein als Treff, oder als
Möglichkeit wo muss man sich sozial begegnen kann, wo
man auch Gemeinschaft bilden kann.
Er kann aber vielleicht zugesperrt werden aus Finanzmangel, oder was
auch immer - politischen Gründen, ist vielleicht
die Notwendigkeit wieder darum zu kämpfen, um diesen Raum wieder
aufleben zu lassen, oder zu erringen.
Es ist eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Bedingungen, die
dann eben auch stattfinden muss und da kann
sich jetzt Gemeinschaft bilden, oder nicht bilden und in welcher Form
ist auch noch einmal analytisch aufzugreifen.
Gemeinschaft per se ist auch nicht immer gut. Gemeinschaft kann
kontrollieren, kann einengend wirken.
Man kann sich sozusagen den Regeln der Gemeinschaft beugen, oder
beugen wollen, beugen müssen. Ist für den Einzelnen
vielleicht auch nicht so förderlich. Da wäre die Aufgabe der Sozialen
Arbeit vielleicht auch zu begleiten, zu
unterstützen, zu involvieren und zu gucken wohin führt das alles.
Nicht jede Gemeinschaft ist per se gut und richtig, sondern da muss
man auch noch einmal drüber schauen und prüfen wohin
steuert das.
Bringfriede Scheu: Wichtig ist: Den Gemeinschaftsbegriff weiter zu
verwenden.
Nicht in der tradierten Form, sondern ich denke, wenn man den
Gemeinschaftsbegriff auch mit dem Sozialen verbindet,
dann kriegt man einen neuen Inhalt. Und dann können wir auch in der
Sozialen Arbeit anders mit diesem Begriff umgehen.
Dann hat er nicht mehr diesen abstrakten, abstrahierenden Fokus. Aber
Soziales muss hier eine Rolle spielen, sonst
kriegt man es theoretisch und fachlich nicht überein.
Helmut Lambers: Ich würde ganz gerne noch einmal auf Ihre Aussage
kommen wollen,
in der Sie sagen, dass sie die sogenannte Sozialarbeitswissenschaft,
wenn es sie denn gibt -
Dass Sie die Sozialarbeitswissenschaft nicht für geeignet halten als
Leitdisziplin für eine Wissenschaft der Sozialen
Arbeit zu sehen, zumindest nicht dann, wenn sie sich zu sehr auf
Praxis und auf soziale Probleme bezieht.
Dem stehen sie skeptisch gegenüber.
Weshalb ist der Bezug auf Praxis oder insbesondere auch auf soziale
Probleme aus ihrer Sicht problematisch bzw. nicht
ausreichend?
Otger Autrata: Wenn wir uns also auf die Disziplinen-Begründung
beziehen, da haben wir auch jetzt
Kant aufgegriffen mit seiner Grundidee, dass sich eine
wissenschaftliche Disziplin dadurch auszeichnet, dass sie
einen Gegenstand in seiner Gänze bestimmt.
Das scheint mir relativ überschaubar in der Festlegung, das regelt
sozusagen für alle wissenschaftlichen Disziplinen was
wir zu tun haben: Einen Gegenstand in seiner Gänze bestimmen. Jetzt
kann man sich noch an den Grenzen
vielleicht streiten, wo hört der Gegenstand auf, also ist deiner und
wo fängt meiner an. Aber als Grundbestimmung ist
das nicht so dumm finde ich. Auch die Grundidee in seiner Gänze
bestimmen, also nicht nur ein bisschen rumtanzen an
der Oberfläche von einem zum nächsten -
Das finde ich ist ein brauchbares Ordnungsprinzip.
Dazu scheint mir die Grundidee der Sozialarbeitswissenschaft auch
schräg zu sein.
Welchen Gegenstand will die Sozialarbeitswissenschaft in ihrer Gänze
oder in seiner Gänze bestimmen.
Das ist nicht geklärt, wenn man so etwas wie soziale Probleme ins Feld
führt.
Praxis kann man sagen, dass eine Disziplin aus der sich aus der
Profession schöpft, oder auf die Profession nur bezieht
das ist sehr selbstreferenziell gedacht.
Also Disziplin, würde man sagen - die Medizin ist die Disziplin zur
Profession und natürlich gibt es auch eine
Profession der Medizin, also gibts Ärzte die was tun müssten.
Aber dass die Medizin auch Grundlagenforschung macht ist auch
unstrittig und liegt auf der Hand.
Da denke ich greift einfach die Grundidee der
Sozialarbeitswissenschaft zu kurz und ist zu wenig, wenn sie
denn, wie sie auch angesprochen haben, überhaupt schon mal realisiert
ist. Sie greift zu kurz um damit wirklich eine
Theorie und gar eine Disziplin zu begründen.
Helmut Lambers: Stichwort Grundlagenforschung.
Bringfriede Scheu: Weil Sie ja die Praxis angesprochen haben. Da komme
ich zur Grundlagenforschung. Ich denke die Soziale Arbeit als
Profession braucht die anwendungsorientierte Forschung. Die
braucht sie. Fragen der Praxis müssen geklärt sein. Der Wissenschaft
muss Antwort gegeben werden auf Fragen aus der
Praxis.
Da sind wir aber im Bereich der anwendungsorientierten Forschung.
Ich denke die Soziale Arbeit als Profession braucht auch die
Grundlagenforschung, also ein grundlegendes Wissen zu
liefern zum Menschsein an sich,
Das braucht die Profession und die Kolleginnen in der Praxis.
Und da sind wir bei der Grundlagenforschung und die
Grundlagenforschung, die kann nicht auf Zuruf von der Praxis
kommen. Das ist eine andere Dimension/Fragestellung, die eine Rolle
spielt.
Grundlegend zum Menschsein
Informationen und Wissen zu liefern.
Dazu muss die Wissenschaft, die Disziplin Soziale Arbeit in der Lage
sein.
Und da sind wir aber nicht in der anwendungsorientierten
Forschung/Wissenschaft, die sie auch braucht. Da bin ich
ganz überzeugt.
Das ist ein wichtiger Teil, aber nicht nur. Ist damit ihre Frage schon
beantwortet? Ich hab sie noch gar nicht stellen lassen.
Helmut Lambers: Im Prinzip schon. Ich hätte vielleicht noch ergänzt:
Sie benennen einen Begriff sehr häufig und zwar den
Begriff der Lebensqualität.
Vielleicht habe ich es übersehen aber ich habe den Eindruck,
dass der wenig bestimmt ist bei Ihnen. Kann es sein, oder wäre das
auch ein Thema für Grundlagenforschung? Was ist
das?
Alle reden von Lebensqualität, mittlerweile. Aber was ist das
eigentlich?
Da hätte ich schon mal die Frage gehabt, weshalb ist der Begriff
eigentlich so zentral für Sie?
Zum zweiten: Ist er irgendwo bestimmt, habe ich etwas überlesen?
Otger Autrata: Der ist ein zentraler Begriff und deswegen auch, weil
er an der Subjektivität angelagert ist und von
der menschlichen Subjektivität aus nur zu fassen ist.
Also einfach gesagt: Lebensqualität ist nicht über subjektiv zu
fassen.
Jeder hat sozusagen für sich eine eigene Lebensqualität, die er
anstrebt und die er zu erreichen sucht, die wiederum auf
früheren Erfahrungen und Entwicklungen basiert.
Man kann also nicht für alle Menschen vorgeben, was die richtige
Lebensqualität ist, oder sein sollte.
Aber als Maßstab für das was menschliches Handeln leitet, ist
Lebensqualität eben das Zentrale, aber auch bestimmt aus
der Subjektivität, aus der subjektiven Sichtweise.
Was die Kollegin angesprochen hat, gnostisches Verhältnis zur Welt.
Welche Möglichkeiten habe ich, was kann ich da.
Welche Lebensqualität kann ich da erreichen.
Was muss ich da tun.
Es ist sozusagen ein abgeleiteter Begriff der nicht aus sich heraus
bestimmt werden kann, sondern nur aus anderen
Begriffen hergeleitet und bestimmt werden kann, was denn dann
Lebensqualität ist.
Man tut sich auch schwer von außen für andere zu bestimmen, was für
die Lebensqualität ist, weil eben Lebensqualität zu
eng an der Subjektivität angelagert ist und Subjektivität einem nicht
auf die Stirn geschrieben. Da steht nicht drauf:
Ich mag Geest und was anderes nicht, oder so.
Das weiß man, kann man von außen schlecht feststellen.
Und wiederum was es auch noch ein bisschen komplizierter macht.
Menschen können sich da auch durchaus noch täuschen, oder Irrtümern
erliegen.
Was man jetzt vielleicht verfolgt, findet man in zwei Jahren oder zwei
Tagen oder zwei Wochen schon nicht mehr so
interessant und so spannend.
Also Lebensqualität kann sich eben auch ändern.
Insofern bleibt dieser Begriff schwer bestimmbar. Er ist ein
wichtiger, ein ganz zentraler Leitbegriff für die
Wissenschaft, für den wissenschaftlichen Diskurs, aber vor allem für
die Menschen selber.
Aber es ist von außen schwer festlegbar, oder nicht festlegbar, sagen
wir es deutlich: Was Lebensqualität ist.
Martin Klein: Dann könnte man vielleicht auch anknüpfen:
Der Münsteraner Philosoph: Hans Blumenberg hat über solche Begriffe,
wie Lebenswelt, die Husserl mal irgendwann geprägt
hat, oder Kant mit Weltanschauung - gesagt, dass diese Begriffe
vielleicht Antworten auf zu groß geratene Fragen
sind, also ein Begriff den man als absolute Metapher nicht auflösen
kann.
Bei Lebensqualität könnte es in diese Richtung gehen, dass man sagen
kann: Man kann das eigentlich nicht definieren,
weil es subjektiv sehr unterschiedlich ist und die Güte des Lebens
schwierig zu fassen ist.
Ein Unterfangen das unter Umständen vergeblich sein könnte.
Otger Autrata: Da haben Sie auf der einen Seite Recht auf der anderen
Seite wenn man jetzt vor die Praxis der Sozialen
Arbeit oder Praxis des Lebens denkt, kommt man damit nicht aus.
Ich muss für mich, sozusagen, als Handelnder muss ich ja irgendwie ein
Leitbegriff von Lebensqualität haben.
Ob ich denn - ob ich da vielleicht zurückbleibe hinter der Idee oder
dann nie, sozusagen, eine absolute oder ganz
stimmige Lösung haben würde,
kann durchaus sein.
Vielleicht muss man da auch so sagen: Das ist immer nur vorläufig
endgültig, wie man Lebensqualität bestimmen kann.
Man kommt nie ganz dahin, das endgültig festzulegen.
Ich denke dieses Spannungsfeld, das Sie da ansprechen ist sicher
gegeben.
Bringfriede Scheu: Man muss das vielleicht auch noch mit dem
Menschenbild aus der Philosophie zusammen bringen. Für mich
ist so eine Philosophie - der Mensch hat die Möglichkeit sein Leben zu
gestalten, also es nicht opfert und denke wenn
die Menschen in der Lage sind und da bin ich jetzt in der Profession,
wenn wir Menschen qualifizieren nicht Opfer sein
zu müssen, dann haben wir ein Stückweit Lebensqualität ermöglicht.
Ob der Mensch dann dieses Angebot annimmt, ist eine andere Frage. Aber
zumindest haben wir es von der Profession aus
ermöglicht.
Und das ist für mich auch ein Teil und ein Weg, um Lebensqualität
ermöglichen zu können.
Aber wie gesagt, die Entscheidung liegt beim Menschen selbst.
Helmut Lambers: Da vielleicht noch mal die Nachfrage: Also einerseits
ja - Lebensqualität, das leuchtet ein, lässt sich
nicht geradezu objektiv bestimmen, ist immer insofern in der
Bestimmung ob sie vorliegt, oder nicht die Differenz aus
Erwartung und Erfüllung dieser Erwartung.
Aber gleichwohl reicht das ja nun nicht für die Soziale Arbeit, die
doch letztlich normative Orientierung braucht,
um zum Beispiel zu schauen an welchen Normen, Kriterien orientiert
dann jemand seine Lebensqualität.
Ich kann es ihm ja nicht nur subjektiv überlassen, welche
Differenzerfahrungen er da macht, um dann festzustellen dass
er sich vielleicht unglücklich fühlt, oder vielleicht ganz zufrieden
ist.
Sehen Sie da eine Möglichkeit auch in ihrem Konzept eine normative
Herleitung, oder einen normativen Bezug
herzustellen, der, mit Staub-Bernasconi zum Beispiel bei den
Menschenrechten,
Albert Scherr eher im Kontext von Menschenwürde, oder auch in den
Lebensführungsansätzen - der Begriff Lebensführung
taucht ja bei Ihnen auch häufig auf, im sogenannten Capability Ansatz.
Martha Nussbaum's Liste vom sogenannten guten Leben. Also brauchen wir
nicht so etwas, um tatsächlich so etwas wie
Lebensqualität auch normativ rahmen zu können und es nicht dem
Subjektiven
Empfinden unserer Klienten zu überlassen.
Theoretisch könnte ja ein Hedge-Fonds-Manager zu mir kommen und sagen:
Er ist völlig unglücklich, weil er nicht die
Erträge erzielt die er unbedingt erzielen muss und deswegen hat er
vielleicht schon ein soziales Problem.
Da brauchen wir doch einen normativen Bezugsrahmen für die Soziale
Arbeit.
Worin könnte man den finden?
Bringfriede Scheu: Sie sehen ein gewisses Unwohlsein. Ich sehe es eher
skeptisch, bzw. habe Bedenken, wenn die Soziale
Arbeit normativ vorgeht.
Unsere Klienten und Klientinnen, die handeln aufgrund ihrer
Interessenlage, ihrer Bedürfnisse und Bedarfslage.
Und sie haben, da bin ich jetzt auch wieder bei dem Menschenbild, mein
Leben und mein Forschen leidet.
Die Menschen haben immer gute und vernünftige Gründe so nicht anders
zu handeln, auch wenn es für mich absurd
erscheint, dass dieses Handeln wirklich gute Gründe haben soll. Gewalt
usw.
Trotzdem bin ich, natürlich auch vom Menschenbild her geleitet, diese
guten Gründe herauszuarbeiten und dann bin
ich beim Subjekt, wenn ich weiß weshalb,
welche Gründe dieser Jugendliche hat, den anderen zu schlagen.
Da haben wir unsere Erfahrungen in AgAG. Wenn ich weiß: Welche Gründe
ein obdachloser Mensch hat keine Wohnung in
Anspruch zu nehmen, die man ihm zur Verfügung gestellt hat.
Wenn ich das weiß, dann bin ich beim Subjekt und wenn ich die Gründe
weiß, dann kann ich vielleicht auch, jetzt rede
ich mal nach Böhnisch:
Funktionale Äquivalente anbieten.
Um dann letztlich auch diese Wünsche, diese Interesse, diese Bedarfe
und Bedürfnisse begleiten zu können, damit sie sich
realisieren können.
Da bin ich etwas distanziert Normative Orientierungen vorzugeben: Der
Mensch muss, der Mensch soll.
Helmut Lambers: Nicht normativ im Sinne von Handlungsleitend, sondern
normativ im Sinne von
Gerechtigkeitsurteile.
Also die Orientierung: Was ist ein gutes Leben?
Bezogen auf meine Urteile, Gerechtigkeitsurteile mit Blick auf
Verhältnisse, gesellschaftlicher Verhältnisse und auf
den Punkt kommen wir so langsam zum Ende kommend, auch noch einmal.
Sie hatten ja Eingangs schon gesagt, dass Sie den Menschen eben nicht
als Objekt gesellschaftlicher Verhältnisse
verstehen, sondern auch in seinen Möglichkeitsbeziehungen, So nennen
sie das, als Gestalter.
Können Sie das vielleicht mal so an einem Beispiel deutlich machen, wo
in der Praxis der Sozialen Arbeit tatsächlich
nicht nur Verhalten, sondern auch Verhältnisse und Gestaltung von
Verhältnisse eine Bedeutung bekommen können.
Bringfriede Scheu: Ich möchte auch nochmal zu den Menschenrechten.
Also Menschenrechte sind in der Sozialen
Arbeit nicht hintergehbar.
Das ist für mich ein No-Go. Gleichheitsrechte, Ungleichheit nicht
zuzulassen für mich völlig klar.
Trotzdem spielt für mich die Subjektivität noch eine große Rolle.
In der Subjektorientierung. Aber Sie haben nach der Praxis gefragt.
Natürlich haben wir unsere paradigmatische Erweiterung auch in der
Praxis versucht umzusetzen im Rahmen eines
EU-Projektes.
Daraus ist auch diese Publikation, die der Kollege dargestellt hat,
auch entstanden.
Und wir haben zusammen mit der Universität in Ljubljana Projekte
initiiert wo, die Gestaltung des Sozialen eine
Rolle spielt.
Und zwar ein Projekt, ich nenne es mal: Skaterpark. In Feldkirchen.
15000 Einwohner. Übersichtlich.
Wir haben im Rahmen dieses Projektes eine Jugendstudie erstellt.
Und festgestellt dass es deutliche Defizite gibt, aus der Sicht der
Jugendlichen, im. Freizeitbereich.
Also einen reinen Sportverein, Musikverein gibts zu genüge, aber
qualitative Ergebnisse sind, Jugendliche sind mit
diesen Angeboten nicht zufrieden, sondern sie möchten etwas anderes.
Wir haben dann versucht mit den Jugendlichen die wir da repräsentativ
befragt haben,
Möglichkeiten zu suchen, wo sie ihre Freizeitinteressen auch
realisieren können, was sie reizt.
Und da ist beispielsweise Skaterpark genannt worden.
Und dann haben wir nicht jetzt gesagt: Ja super, wunderbar. Jetzt
gehen wir zum Bürgermeister und
sagen die Jugendlichen - wir beide gehen dort hin - die Jugendlichen
wollen einen Skaterpark.
Das wäre natürlich nicht im Sinne von Gestaltung des Sozialen.
Sondern wir haben dann gemeinsam mit diesen Jugendlichen Möglichkeiten
erarbeitet, das gemeinsam mit den Jugendlichen
ein Skaterpark entwickelt wurde und umgesetzt und den gibts heute
noch.
Und zwar auch unter der Obhut der Jugendlichen, also die sorgen, mehr
oder weniger um ihren Skaterpark. Es sieht
manchmal nicht ganz so schön aus, aber sie sind da dabei und sie haben
sich diesen Raum gestaltet und Möglichkeiten,
Verhältnisse verändert, um ihre Freizeitinteressen realisieren zu
können.
Kleines Beispiel.
Otger Autrata: Aber zeigt vielleicht doch auch die Breite dessen, was
sich möglicherweise unter der Idee
Lebensqualität verbergen kann. Also wenn man jetzt eine Liste
aufstellen wollte, im Sinne von Capability Approach,
ob man da auf Skaterpark kommen würde, wäre zu fragen.
Aber es ist jetzt nur einfach so die Anregungen zu überdenken: Kann
man sowas schillerndes, vielfältiges wie
Lebensqualität unter Leitbegriffe normativ irgendwie fassen.
Wenn man sich selber überlegt, passt man dann selber so komplett unter
- klar, Gerechtigkeit oder Menschenrechte
sollte schon sein, aber passt man dann selber so komplett unter
Leitbilder, kann man sich da unterordnen, hat man
nicht auch Dinge die man anstrebt die doch vielleicht skurril sind,
besonders sind, die einem aber vielleicht sehr
wichtig sind.
Kann man das dann herausstreichen, ist das unnötig, ist dass nur
Aufputz oder sowas.
Ich glaube nicht.
Ich denke es geht einfach auch darum, jetzt auch für die Soziale
Arbeit nicht nur, sozusagen normativ da was
durchzusetzen, sondern auch die Buntheit des Lebens zum Tragen zu
bringen.
Wie die Kollegin das geschildert hat jetzt, für den Skaterpark. Wir
wären da nicht draufgekommen, der
Anfangspunkt war einfach nur die Frage, wie seht ihr die Plätze in
Feldkirchen. Und da haben wir gedacht: Ist denen
eigentlich eher egal, also die Straßen und Plätze, aber da hat's
eingehakt, da waren wir ganz interessiert und die
sollten anders sein.
Und da merkt man doch Lebensqualität äußert sich dann da, die wollen
da was von der Situation, die wollen wollen was
anderes als es gibt.
Okay, also das ist ein Spannungsfeld, das dann für die Soziale Arbeit
da ist. Gibts Wünsche, eine Idee nach
Lebensqualität und die Bedingungen sind nicht so dass dem entsprochen
werden kann, oder dass dem schon entsprochen
wurde.
Was kann man denn machen, war die Frage.
Herausforderungen kommend.
Wo würden Sie die Herausforderungen in den nächsten Jahren in Bezug
auf die Theorien Sozialer Arbeit sehen?
Otger Autrata: Die Herausforderung, was vielfach jetzt auch
angesprochen worden ist, auch in Veröffentlichungen, dass
die Theoriebildung der Sozialen Arbeit sehr disparat und wenig
kompatibel ist.
Also fällt weit auseinander da gibt es auch Klagen.
Rauschenbach hat es angesprochen, Hamburger und so weiter.
Ich denke das ist eine der zentralen Herausforderungen, das nicht
Theorien in 27 Richtungen gehen und dass es auch nicht
miteinander diskutiert wird, wie das Miteinander passt, sondern auch
ein Impetus da ist, zu sagen, also wohin soll
das insgesamt gehen, was ist notwendig für Soziale Arbeit als
Disziplin und Theorie und Profession.
Was kann da die Theorie dazu beitragen?
Bringfriede Scheu: Ich sehe es auch noch mal als eine Herausforderung,
dass Theorien wirklich auch - oder dass die
Menschen, die Theorien zur Verfügung stellen auch erläutern wie Sie zu
ihren Wissen kommen.
Also die wissenschaftstheoretische Rahmung.
Ich denke wenn Theorien dieses auch noch mal implementiert haben, wie
es zum Wissen kommt, wie die Vor-Form des Wissens
stattgefunden haben, dann haben unsere Studierenden es auch leichter,
die zu vergleichen.
Und sie haben es auch leichter, diese zu verstehen.
Weil dann verstehen Sie es auch von ihrem Subjekt-Standpunkt aus. Ist
es für mich - sie können es besser bewerten.
Passt es für mich, passt es für mich nicht.
Wenn die Kolleginnen in der Theoriebildung das auch äußern, wie sie,
in welchen wissenschaftstheoretischen Rahmen, sie
zu ihrer Theorie gelangt sind.
Das wäre für mich eine Herausforderung.
Nicht nur mit Stichworten, sondern wirklich aus Herzblut, da ein Stück
weit rein hängen.
Das ist mühsam und vielleicht ja auch nicht ganz so
freudig, aber ich denke für die Studierenden und für die Menschen die
sich mit Theorie auseinandersetzen, wäre es
eine ganz große Errungenschaft.
Martin Klein: Und die Herausforderung für die Profession.
Welche sehen Sie da?
Bringfriede Scheu: Viele.
Ich sehe die demografische Entwicklung als Herausforderung.
Und zwar Menschen werden älter.
Und wenn man die demografische Entwicklung sieht, dann ist die
Singualisierung eine ganz große Herausforderung.
Also dass Menschen älter werden, aber auch einzeln älter werden.
Und das aus der Singualisierung keine Vereinsamung wird.
Das ist die Herausforderung für die Soziale Arbeit.
Da muss die soziale Altenarbeit ansetzen. Und da braucht man, aus
meiner Sicht, ein Verständnis des Sozialen. Was sonst auch.
Otger Autrata: Ich wollte nur einen Aspekt, anderer Aspekte für die
Profession anmerken.
Aus meiner Sicht ist der Bachelor, oder die Aufspaltung
Bachelor/Masterstudiengang - wird möglicherweise oder wird
voraussichtlich auch eher zu einer Dequalifizierung der Sozialen
Arbeit führen, in dem Sinn dass viele halt den
Bachelor machen und dann aufhören, den Master nicht.
Das heißt also, die Menschen die in der Profession tätig sind, sind
häufig halt nur bis zum Bachelor ausgebildet, was
sich halt auch in der Zuschreibung der Befähigung und vielleicht auch
in der Honorierung ausdrücken wird.
Also ich denke da muss die Soziale Arbeit aufpassen, auch
möglicherweise die gesellschaftliche Auseinandersetzung
aufnehmen, um sich da zu behaupten, um nicht, sozusagen nach unten
gedrückt zu werden im Vergleich zu anderen
Professionen und sich da vielleicht auch stärker darauf besinnen auf
Disziplin, auf wissenschaftliches Wissen
anzueignen, um die professionelle Qualität behaupten zu können.
Martin Klein: Wie schätzen Sie die Perspektive ihrer Theorie, bezogen
auf diese beiden Herausforderungen in der
Profession, oder für die Profession und für die Disziplin ein? Also
wenn Sie es auch mal auf einem langen Horizont
ausbreiten würden.
Bringfriede Scheu: Ich denke, wenn ich gerade jetzt nochmal die
Herausforderung der Singularisierung nehme.
Ich denke mit der -
mit dem Einsatz, beziehungsweise mit dem Theorie-Angebot des Sozialen
kann man in der Altenarbeit da ein Stück weit
weiterkommen. Wenn ich dann das Soziale auch mit in das Konzept der
Altenarbeit einbeziehe.
Ich möchte als Beispiel noch mal darstellen: Wenn ich in der
Altenarbeit tätig bin und ich weiß und ich erfasse gnostisch
auch mein Gegenüber, den alten Menschen.
Und ich weiß -
Ich erkenne dann, welche Bedarfe, welche Bedürfnisse da sind. Das ist
diese gnostische Erfassung, diese
Widerspiegelung.
Und wenn ich dann auch weiß und wenn ich dann eine Aktivität setzen
kann, dann habe ich eine Analyseinstrument, was ich
tue.
Ganz konkret in der Praxis.
Dann denke ich kann man die Soziale Altenarbeit qualifizieren,
beziehungsweise die Altenarbeit
qualifizieren.
Und wenn ich dann aber auch noch - was der Kollege auch noch als
Merkmal des Sozialen dargestellt hat,
einbeziehe, nämlich, dass diese Zahl immer gesellschaftlich gerahmt
ist.
Wenn ich das auch noch weiß, dann kann ich vielleicht auch wissen,
wenn der alte Mensch sich jetzt schmollend
zurückzieht, dann ist es gesellschaftliches Wissen bei dem alten
Menschen.
Nämlich der weiß, vielleicht, wenn ich schmolle, dann kriege ich
Aufmerksamkeit.
Und wenn ich dann dieses gesellschaftliche Wissen weiß, dann kann ich
das ja in meine Aktivität, in mein Handeln, mein
professionelles Handeln, einbeziehen.
Und da denke ich dann, kann man die Altenarbeit ein stückweit fassen
und qualifizieren.
Helmut Lambers: Abschließend noch einige Fragen:
Vielleicht auch noch mal ganz besonders für unsere Studierenden der
Sozialen Arbeit.
Warum ist es eigentlich eine gute Idee, aus ihrer Sicht, Soziale
Arbeit zu studieren. Man kann ja auch sich andere
Dinge in Angriff nehmen.
Was spricht für Soziale Arbeit?
Otger Autrata: Aus meiner Sicht ist die Vielfältigkeit, die Offenheit
der Sozialen Arbeit sehr reizvoll, auch aus meiner
Sicht für Studierende. Man hat so viele Optionen.
Die Profession hat eine Breite, da ist ganz vieles möglich, da kann
man ganz viele Ideen auch letztlich verwirklichen.
Natürlich auch in Auseinandersetzung mit der Praxis, aber zumindest
die Vielfältigkeit bleibt erhalten.
Bringfriede Scheu: Ich denke es gibt kein anderes Handlungsfeld, wo
ich wirklich Menschen begleiten kann,
unterstützen kann, damit sie ihr Leben gestalten.
Damit sie in die Lage kommen, ihr Leben gelingend zu gestalten. Da
sehe ich kein anderes Handlungsfeld.
Helmut Lambers: Hätten Sie einen Tipp für Studierende des ersten
Semesters oder geben sie Erst-Semester Studierenden
einen Tipp.
Otger Autrata: Ich würde mal so sagen: Lehrveranstaltungen,
wissenschaftliches Arbeiten sind nicht unbedingt immer sehr
beliebt und beschränken sich dann oft auch darauf, dass es geht
irgendwelche Zitationsregeln sich anzueignen, oder auch
nicht anzueignen.
Ich denke wissenschaftliches Arbeiten - Also ich würde da, mein Tipp
wäre, das auch tatsächlich als Chance sehen,
wissenschaftliches Arbeiten zu erlangen, den Prozess des Verstehens
der Wissenschaft zu erlernen.
Das kann einem viel helfen durch das ganze Studium hindurch und nicht
nur für das Studium, sondern auch für einen
selber.
Wissen muss immer mit dem Subjektstandpunkt verbinden, verbunden
werden, sonst hat es keinen großen Sinn.
Das sind dann nur so Apportiersätze, wie Wagenschein mal gesagt hat,
die man vor sich hertragen kann, die aber einem
dann nichts mehr weiterhelfen.
Das wäre mein Tipp, sich auf solche Sachen konzentrieren von Anfang an
und nicht glauben, das kommt dann später und kann
ich, kann ich mal weglassen.
Bringfriede Scheu: Ich mag es auch - sich mit Freude, mit großen
offenen Herzen in die Lehrveranstaltungen zu begeben.
Das Aufnehmen, alles aufnehmen und wissen was dort vermittelt wird.
Und dann aber diesen bewertenden Aspekt. Auch bewerten: Ist es für
mich richtig, dieses Wissen, oder ist es für mich
vielleicht nicht richtig, und diesen Diskurs auch mit der Lehrperson
zu führen.
Das möchte ich den Studierenden raten.
Offen, kritisch, reflektiert reinzugehen.
Durchaus auch die Lehrenden etwas herausfordern.
Martin Klein: Was würden Sie den Studierenden am Ende ihres Studiums
empfehlen, kurz bevor sie in die Praxis eintreten?
Bringfriede Scheu: Stolz sein, auf das Wissen, was sie jetzt haben.
Also nicht, dass sie in der Praxis sind und dann
sagen: Eigentlich weiß ich ja gar nichts und - och Gott-ich bin ja
ein ganzer Laie. Überhaupt nicht. Sie haben ganz viel
Wissen vermittelt bekommen.
Sie haben das Wissen bewertet, aus ihrem Standpunkt heraus und sollen
darauf stolz sein, einfach.
Otger Autrata: Ich würde ähnlich argumentieren, oder einen ähnlichen
Vorschlag machen: Bestandsaufnahme. Eine
Bestandsaufnahme, was habe ich denn, und ich denke normalerweise, wenn
man das Studium ein bisschen gut
absolviert hat, hat man einiges, kann man einiges mitnehmen, das muss
ich aber noch einmal klar machen, was hat man denn
auch damit man weiß, mit was gehe ich denn da rein.
Man hat Absolventen oder Studierende kurz vor dem Abschluss, kurz vor
dem Ende des Studiums.
Die haben schon was aufzuweisen, das sollten sie sich aber klarmachen
und präsent haben wenn sie dann starten in die
Praxis und da eben bestehen wollen.
Bringfriede Scheu: Ja, aber sie sollten dieses Wissen immer erweitern.
Und immer wieder auch weiterbilden, lesen, sich informieren, was gibt
es auf dem Markt, nicht bei dem Stand bleiben, was
hab ich im Abschluss, im Studium, an Wissen, sondern das Wissen immer
erweitern und lebendig bleiben, das würde ich
den Absolventen raten wollen.
Martin Klein: Wenn Sie ein Buch empfehlen dürften, das alle
Sozialarbeiterinnen gelesen haben sollten, gäbe es da eins?
Und wenn ja, welches?
Otger Autrata: Also ich hab keines.
Ich denke, dass das Wissen für die Soziale Arbeit sich nicht in einem
Leitbuch, sozusagen, so komprimiert wiederfindet,
dass nur das, oder das man sagen kann: Das ist der richtige Hinweis.
Könnte ich jetzt keinen Tipp geben.
Bringfriede Scheu: Ja ich würde vielleicht doch den Absolventinnen
raten die Ulrike Eichinger und Klaus Weber,
die haben ein kleines Buch herausgegeben:
Soziale Arbeit. Und in diesem Buch werden verschiedene Themen der
Sozialen Arbeit kritisch betrachtet.
Und dieser kritische Blick auf die Soziale Arbeit der tut gut.
Sie übernimmt die Kritik, das ist ne andere Sache, aber dass man es
mal auch aus einem anderen Blickwinkel sehen kann und
das könnte ich den Studierenden und Absolventen durchaus empfehlen.
Helmut Lambers: Herzlichen Dank für das spannende Gespräch.
Ebenfalls.