Theorien Sozialer Arbeit

Katholische Hochschule NRW
Since 10/2021 18 Episoden

Heiko Kleve

Theorien der Sozialen Arbeit

15.10.2021 77 min Staffel 1 Episode 5

Zusammenfassung & Show Notes

Heiko Kleve (*1969 ) studierte nach einer Ausbildung zum Facharbeiter für Datenverarbeitung in Berlin/Ost  zu Beginn der 1990er Jahre über den zweiten Bildungsweg und schloss 1996 sein Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik an der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin ab. Danach arbeitete er sechs Jahre als Sozialarbeiter und studierte begleitend Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Soziologie, Politologie und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Kleve promovierte 1998 im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin. 

Transkript

Welche drei Worte beschreiben Sie am besten? Oder wie würden Sie sich mit drei Worten beschreiben? Schon diese Frage hat mich zum lange nachdenken gebracht, denn da habe ich mich gefragt: "Aus wessen Perspektive soll ich mich denn jetzt betrachten?" Die Persönlichkeit eines Menschen ist ja doch ganz unterschiedlich in unterschiedlichen Beziehungen, unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen und wenn Sie jetzt meine Frau fragen würden, würde die bestimmte Worte vielleicht sagen, wenn sie meine Kinder fragen würden, würden die vielleicht andere Worte sagen; meine Kollegen sagen vielleicht noch mal was ganz anderes. Und dann habe ich mich gefragt: "Naja gut, was kann ich jetzt vielleicht aus all dem zusammengenommen über mich sagen?" Aber das ist dann auch immer ein bisschen so eine Idealvorstellung, so eine Wunschvorstellung, vielleicht so ein bisschen so etwas, was ich gerne wäre. Ja? Und da hab ich dann gedacht: "Ja gut, das werden so drei Sachen." Einmal versuche ich doch auch sehr empathisch mich in der Welt zu bewegen, die Welt nicht nur aus meiner eigenen Perspektive wahrzunehmen, sondern auch mich immer zu fragen: "Wie ist das jetzt für die anderen? Wie mag das für die anderen sein?" Also Empathiefähigkeit schreibe ich mir zu. Dann eine gewisse Bodenständigkeit, ja? Trotz aller Beschäftigung mit der Theorie die Bodenhaftung nicht zu verlieren und doch immer auch dafür zu sorgen, dass das theoretische Abstrahieren eine gewisse Relevanz hat für die Menschen, für das Leben der Menschen, für mein eigenes Leben. Also das werden wir vielleicht noch sehen: die Theorieentwicklung, wie ich sie versucht habe, ist ganz stark mit meiner Biografie verwoben und mit meinem eigenen Leben. Und drittens: Neugier. Also ich versuche der Welt und all dem, was mir begegnet, mit Neugier und Offenheit gegenüberzutreten, also Herausforderung oder Optionen neugierig anzuschauen und zu überlegen, wie ich mich dazu positioniere; ob ich bestimmte Einladungen, die sich vielleicht ergeben durch bestimmte Offerten in der Welt, annehme. Ich neige eher zum Annehmen als zum Grenzen ziehen. So, das sind vielleicht die drei Sachen: Empathie, Bodenständigkeit, Neugier. Okay, vielen Dank. Gibt es so etwas wie eine Lebensphilosophie und wenn ja, wie sieht die aus? Eine "Lebensphilosophie" ist natürlich auch wieder so ein großes Wort. Da gibt es eine gewisse Schwierigkeit, sowas dann auf den Punkt zu bringen. Aber für mich hat ganz viel in meinem Leben mit meiner biografischen Erfahrung zu tun, in der DDR aufgewachsen zu sein. Ich bin also Kind der DDR, habe zwanzig Jahre in der DDR gelebt, 1969 bis 1989 und dann habe ich die Wende mitbekommen, also den Wechsel in eine neue Gesellschaftsordnung, neue Zeit und die Lebensphilosophie hängt in gewisser Weise damit zusammen. Offen zu sein für Brüche, die passieren können und die Spontanität und Unvorhersehbarkeit der Welt anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Wenn überhaupt, dann ist das so eine Lebensphilosophie. Also akzeptieren, dass bestimmte Dinge einfach nicht planbar sind, mit permanenter Unsicherheit einhergehen, aber dennoch das zu nehmen und dann das Beste daraus zu machen. Das wäre vielleicht so eine Lebensphilosophie. Wenn überhaupt, dann wäre das eine. Vielleicht gibt es ja so etwas wie einen besten Ratschlag, den Sie mal bekommen haben? Keine Ratschläge anzunehmen. Weil es sind auch Schläge. Also das erzähle ich den Studierenden auch immer: "Seien Sie vorsichtig mit Ratschlägen, die sie anderen geben oder die Sie bekommen, weil Ratschläge sind immer extreme Reduktion von Komplexität und das mag vielleicht mal gepasst haben, aber die Situation ist wahrscheinlich jetzt eine ganz andere. Und ob es jetzt passt, kann keiner sagen. Also auch der beste Ratschlag ist ein Schlag, der wehtun kann und vielleicht überhaupt nicht passt." Gibt es in der Sozialen Arbeit ein Vorbild für Sie oder Vorbilder? Da gibt es Vorbilder für mich, das sind aber Menschen die ich erlebt habe, mit denen ich in Beziehung stand oder in Beziehung stehe, die sich als Sozialarbeiter, Sozialarbeiterinnen, meine Frau ist auch dabei, definieren und auch die Wissenschaft, die Professionsentwicklung der Sozialarbeit mit vorangetrieben haben. Ein Vorbild ist für mich Britta Heyl. Das ist eine Professorin an der Alice Salomon Hochschule gewesen, die ich dort kennengelernt habe, bei der ich auch meine Diplomarbeit geschrieben habe, die mein Interesse für Konstruktivismus mitgeprägt hat und die auch als Sozialarbeiterin ganz lange tätig war in Berlin. Und das ist für mich ein Vorbild. Also mit einer großen Authentizität, Echtheit habe ich sie erlebt und das Gefühl gehabt, so ist sie auch mit den NutzerInnen von sozialer Arbeit umgegangen und sie hat so einen Satz immer geprägt: "Die Menschen wissen am besten selbst, was gut für sie ist." Also der Mensch, mit dem du arbeitest, weiß am besten, was gut für ihn ist. "Du musst ihn dabei unterstützen, dass er das für sich herausfinden kann." Und sie hat mich gut begleitet. Dann eine zweite Person, die leider, leider schon verstorben ist: der Heinz Kersting. Auch einer, der sich als Sozialarbeiter bezeichnet hat, gleichzeitig Professor war in Mönchengladbach an der Hochschule Niederrhein und der hat mich sehr unterstützt mich auch sozusagen publizistisch mit Theorie zu befassen und den habe ich als eine ganz besondere, besonders anregende Person kennengelernt. Eine Person mit großer Leidenschaft für Sozialarbeit, für Theorie, für Menschen. Und drittens mein Doktorvater Reinhard Wolf, der also sich durch die Welt bewegt hat als glühender 68er, der er war. Ich habe ihn erlebt als Professor an der Alice Salomon Hochschule und als Doktorvater, wie gesagt, mit dem ich mich intensiv auseinandergesetzt habe. Also ich habe da eine anfangs eine ganz anstrenge Beziehung mit ihm erlebt, weil er auf ganz anderen Wellenlängen, hatte ich das Gefühl, war als ich und ganz anders, sehr stark psychoanalytisch die Welt betrachtet hat. Ich hatte eine Reibefläche mit ihm, eine Auseinandersetzungsperson, durch die ich ganz gut vorangekommen so in meiner eigenen Entwicklung. Also diese drei Personen. Und das hat sich jetzt vielleicht ein bisschen akademisch angehört, was ich gesagt habe, aber es waren drei Personen, die sich ganz stark mit der sozialen Arbeit identifiziert haben oder immer noch identifizieren. Also Reinhard Wolf und Britta Heyl, die sind auch immer noch ganz aktiv. Obwohl sie teilweise aus anderen Feldern gekommen sind, haben Sie eine ganz starke Leidenschaft für die soziale Arbeit entwickelt. Und das sind für mich so drei Vorbilder. Also Heyl, Kersting, Reinhard, Wolf. Warum interessieren sich überhaupt für Soziale Arbeit? Ja, warum interessiere ich mich für die soziale Arbeit? Das ist auch biografisch natürlich nur zu beantworten. Ich sagte schon: Ich bin in der DDR aufgewachsen und hatte ursprünglich mal die Idee Wirtschaftsinformatik zu studieren und hatte einen Erstberuf in der DDR, Facharbeiter für Datenverarbeitung und konnte in der DDR kein Abitur machen. Ich wollte dann Berufsausbildung und Abitur machen in der DDR. Das ging dann auch nicht aus bestimmten Gründen und ich bin dann in diese ganz normale Ausbildung gegangen und dann kam die Wende. Und während der Wendezeit war ich sehr politisch interessiert, habe mich engagiert in verschiedenen politischen Vereinigungen der DDR-Zeit, also so Oppositionsbewegungen und hatte das Gefühl, Gesellschaftsveränderung wäre angesagt. Ich hatte eine ganz starke linke Perspektive, so: "Wir können jetzt den richtigen Sozialismus mal versuchen und jetzt ist es doch möglich", so Prager Frühling im Blick, 1968. Und dann kam die Wende und ich wollte nicht mehr Wirtschaftsinformatik studieren. Zwischenzeitlich musste ich auch noch zur Nationalen Volksarmee. Da war ich noch ein halbes Jahr meinen Grundwehrdienst zumindest ein halbes Jahr ableisten und dann hatte ich die Frage: Was mache ich denn jetzt? Ich hatte diese Berufstätigkeit im Bereich der Datenverarbeitung. Das ist dann zu Ende gegangen, da musste ich dann raus aus dem Betrieb. Was mache ich jetzt? Ich habe mich für Philosophie, Soziologie und Psychologie interessiert und ich habe keine Lust gehabt, drei Jahre nochmal Abitur nachzumachen. Ich hatte kein Abi. Also habe ich gesagt: "Gut, ich mache jetzt Fachabitur, dann habe ich das in einem Jahr in der Tasche." Ich habe eine Berufsausbildung gehabt und dann mache ich das, was am ehesten all das umfasst: Soziale Arbeit. Und im Studium der Sozialen Arbeit, in den ersten Semestern, merkte ich dann, dass das ganz viel mit meiner Person zu tun hat. Ich erlebte noch Anfang der neunziger Jahre den ausgehenden Psycho-Boom. Also ich habe ganz viel Selbsterfahrungskurse gehabt, ganz viel gruppendynamische Geschichten und tiefenpsychologische Auseinandersetzung mit der eigenen Person und merkte, soziale Arbeit hat was zu tun auch mit meiner Familienbiografie, nicht nur mit meiner Denkbiografie oder so etwas, sondern es hat was zu tun mit meinem Leben und Helfen gehört in gewisser Weise zu mir. Ich merkte dann, dass diese Profession doch ganz viel mit mir zu tun hat und dass ich in dieser Profession ganz gut aufgehoben bin und habe es aber dann geschafft, glaube ich, in gewisser Weise für mich, dass ich es immer gut verbinden konnte: also diese praxisorientierte, auch eigene Biografie orientierte Perspektive auf die Sozialarbeit. Also Persönlichkeitsentwicklung gehört eigentlich zur Sozialarbeit dazu. Wer erfolgreich in der Sozialarbeit agieren möchte und überleben will, sage ich mal, muss auch immer die eigene Persönlichkeit im Blick haben, sich entwickeln und andererseits das große Interesse für Theorie, für Philosophie, Soziologie mit zu betrachten und bestenfalls zu kombinieren. Und so bin ich sozusagen auf die Theorie der Sozialarbeit angekommen, aus diesen unterschiedlichen Perspektiven. Damit haben Sie die letzte Frage eigentlich schon beantwortet: Warum insbesondere die Theorie? Ja, also, mich hat immer interessiert, was hält die Gesellschaft zusammen. Wieso sind die Menschen, so wie sie sind? Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend mit meinem Bruder meiner Mutter immer ganz intensiv diskutiert. Wir haben uns über die DDR unterhalten und ist das jetzt ein richtiger Sozialismus oder nicht? Wohin führt dieses... Wohin wird dieses Land noch gehen? Als die Wende kam, habe ich schon gesagt, brach alles zusammen, es tauchten ganz neue Fragen auf und ich habe mich immer interessiert: Was ist das was da läuft in der Welt, ja? Warum gehen die Menschen miteinander so um? Kann man eine Gesellschaft bauen? Diese Idee war auch die, die dazu führt, dass Menschen da was erleben, was ihnen guttut, wo die Persönlichkeiten sich entfalten können und wo wir tatsächlich vielleicht sogar so einen marxistischen Traum, kommunistischen Traum, sage ich mal, dann in der Realität erleben. Den Kommunismus... Ich habe das ja in meiner Schule, Schulausbildung noch ganz klassisch erlebt: die marxistische Idee der Entwicklung einer Gesellschaft hin zum Kommunismus. Mit solchen Fragen habe ich mich auseinandergesetzt und mich da abgearbeitet und so bin irgendwann auf die Systemtheorie gekommen und etwas desillusioniert auch von gewissen Gesellschaftsutopien und so weiter. Also Theorie, Beschreibung von Welt, Erklärung der Welt, Erklärungen von Menschen, Beschreibung von Menschen - das hat mich, seit ich denken kann, seitdem ich mit meinem Onkel darüber intensiv diskutiert habe, interessiert und wenn ich mich in der Sozialarbeit weiter bewege dann musste das einfach auch verbunden werden damit. Ja, als nächsten Gast in unserer Interview Reihe begrüßten wir ganz herzlich Heiko Kleve. Schönen guten Tag, Herr Kleve. Bevor wir zu unseren fachlichen Fragen an Sie kommen, für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer ein kurzer Überblick, einige Eckdaten über Ihre bisherige akademische Laufbahn. Sie haben zunächst einmal eine Ausbildung zum Facharbeiter für Datenverarbeitung in der damaligen DDR in Berlin Ost gemacht und sind danach dann doch relativ schnell in die, wenn man so will, akademisch wissenschaftliche Laufbahn hineingegangen. Beginn der neunziger Jahre ein Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik an der Alice Salomon Fachhochschule, West natürlich. Danach waren sie sechs Jahre als Sozialarbeiter in der ambulanten Erziehungshilfe tätig und auch in der Sozialpsychiatrie und haben parallel zu dieser Zeit auch ein Studium der Sozialwissenschaften mit Schwerpunkten Soziologie, Politologie und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin aufgenommen. 1998 dann die Promotion im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin. Und Sie waren dann drei, vier Jahre von 2002 bis 2005 Professor für Theorie und Geschichte der Sozialen Arbeit an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Darauf folgten zwölf Jahre einer Professur im Fachbereich Sozial-und Bildungswissenschaften der Fachhochschule Potsdam. Dort mit den Schwerpunkten soziologische und sozialpsychologische Grundlagen der Sozialen Arbeit. In dieser Zeit waren Sie auch als Entwickler und Leiter von drei Weiterbildungen unterwegs. Zum einen ging es um systemisches Case-Management, zum zweiten systemisches Coaching; an der Fachhochschule Potsdam und systemische Aufstellungen sowohl an der Fachhochschule Potsdam, als auch an der Universität Witten-Herdecke. Ja, Witten-Herdecke ist ein Stichwort. Also seit 2017, noch relativ jung, sind Sie Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Organisation und Entwicklung von Unternehmerfamilien am Wittener Institut für Familienunternehmen, dort die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Witten Herdecke. Was ihre Publikationsstetigkeit angeht: Die Zeit reicht nicht, das alles hier aufzuzählen und wäre auch sicherlich gar nicht so notwendig mit Blick auf das, was wir jetzt im nächsten Teil vorhaben. Aber doch vorab einige Hinweise: Sie haben viele Monographien und Sammelwerke herausgebracht. Unter anderem auch ein Lexikon: "Das Lexikon des systemischen Arbeitens", zusammen mit Jan Volker Wirth. Und was Ihre theoretischen Grundlegungen angeht, greife ich mal drei Publikationen heraus. Zunächst einmal das Buch "Konstruktivismus und Soziale Arbeit". Dort führen sie ein in die Grundlagen systemisch konstruktivistischer Theorie und Praxis. Dann das Stichwort, über das wir uns sicherlich gleich auch noch einmal verstärkt unterhalten werden: "Postmoderne Sozialarbeit. Ein systemtheoretisch-konstruktivistische Beitrag zur Sozialarbeitswissenschaft." Wenn man so will, ein Ansatz, der sich gegenüber der klassischen Sozialpädagogik versucht zu etablieren. Und dann, ja, ich sage mal, das Buch, was also auch eingeschlagen hat wie eine Bombe damals: "Die Sozialarbeit ohne Eigenschaften. Fragmente einer postmodernen Professions-und Wissenschaftstheorie sozialer Arbeit." Gleichzeitig auch ihre Dissertationsschrift. Das war die erste. Okay, so lernt man dazu. Ja, zunächst einmal zur Markierung ihrer eigenen Theorie: Sie haben eine eigene Professions-und Wissenschaftstheorie sozialer Arbeit vorgelegt in der Sie der sozialen Arbeit bescheinigen, dass sie ohne Eigenschaften sei. Sie haben später mal korrigiert, dass sie heute wahrscheinlich eher von vielen Eigenschaften sprechen würden. Frage nun: Was hat es mit dieser speziellen nicht oder viel Eigenschaft der Sozialen Arbeit denn auf sich? Vielleicht noch einmal zum Titel: die "Sozialarbeit ohne Eigenschaften", das ist ja ein Titel, der inspiriert ist vom Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil und der damalige Verlagsleiter, der Herr Beul von Lambertus, mit dem sprach ich über die Publikationsmöglichkeit meiner Thesen zur postmodernen Sozialarbeit beim Lambertus-Verlag und er war dann ganz Feuer und Flamme dafür, zu sagen: "Okay. Wir machen jetzt die Sozialarbeit ohne Eigenschaften. Das ist Marketing mäßig der beste Titel. Das wird einschlagen. Dass passt gut. Das ist auch provozierend. Den nehmen wir doch." Und natürlich ist dieser Titel provozierend und dieser Titel hat auch zu vielen Missverständnissen geführt, weil es vielleicht eine Defizitmarkierung ist oder so rüberkommt, ja, also ohne Eigenschaften. Ja? Und mit dem Titel ist gemeint, dass Sozialarbeit eben in ganz unterschiedlichen Feldern agiert und sich permanent neu einstellen muss auf das, was da zu tun ist, das, was da angesagt ist, das was die Aufträge sind und auch eine Vielfalt von Arbeitsfeldern vorfindet. Ich habe das dann ja auch ein bisschen weniger eingängig bezeichnet, als den doppelten Generalismus sozialer Arbeit. Also einmal zu sagen: Sozialarbeit, SozialarbeiterInnen... Das ist egal, wo sie tätig sind - mit einem klassischen Wort: sie sind ganzheitlich unterwegs; also generalistisch, haben unterschiedliche Facetten menschlichen Lebens in den Blick zu nehmen, also die gesamte Lebensführung vielleicht, wie man heute sagen würde, in den Blick zu bringen. Also verschiedenste Facetten dessen, was Menschen so im Alltag erleben, wo sie Schwierigkeiten haben, mit diesen Menschen zu thematisieren, zu bearbeiten, die Menschen da voranzubringen. Egal, ob jetzt mit Obdachlosen, mit Kindern, mit Jugendlichen, mit Familien, mit kranken Menschen gearbeitet wird, immer ist es dieser ganzheitliche, generalistische Blick. So. Das heißt: Die Eigenschaftslosigkeit oder die Vielfalt von Eigenschaften zeigt sich auch im unmittelbaren Bezug auf das jeweilige Klientel oder auf die jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer. Das ist die eine Seite. Die andere Seite, habe ich dann gesagt, kann man universell, generalistisch sehen. Sozialarbeit ist inzwischen überall in der Gesellschaft tätig. Überall in der Gesellschaft sind Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gefragt. Wir haben einen Boom von Sozialarbeitsstellen und ich würde auch meine jetzige Tätigkeit in Witten-Herdecke in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ein bisschen so bewerten. Jetzt bin ich als Sozialarbeiter, Sozialpädagoge an der Wirtschaftsfakultät in einer zumindest inhaltlichen Nachfolge von einem Arzt, nämlich Fritz B. Simon, einem Psychiater, einem Juristen und Politikwissenschaftler Rudolf Wimmer, Rudi Wimmer und einem Psychologen Arist von Schlippe. Also ich führe da in Witten das weiter auf einer inhaltlichen Ebene, systemisch-konstruktivistisch in die Welt zu schauen, was dort von denen aufgebaut wurde als Sozialarbeiter. So und Sozialarbeiter werden überall gebraucht in der Gesellschaft. Und das bezeichne ich eben als universellen Generalismus und diese beiden Aspekte zusammengenommen zeigen, aus meiner Sicht, etwas, was man vielleicht provokativ bezeichnen kann als die "Sozialarbeit ohne Eigenschaften". Überall sind Sozialarbeiter notwendig. Und das ist eine These, die ich ein bisschen später so den Studierenden auch immer erzählt habe. Wir als Sozialarbeiter haben gewisse Fachqualifikationen, die inzwischen überall in der Gesellschaft Schlüsselqualifikationen geworden sind, ja. Deshalb werden wir überall gebraucht. Gut, vielen Dank. Die "Sozialarbeit ohne Eigenschaften" verrät ja unter anderem auch, dass sie, was sie ja im Prinzip vorher auch schon publiziert haben, an einem Theorieverständnis der Postmoderne andocken. Weshalb ist die Theorie der Postmoderne eigentlich für sie so zentral und weshalb offensichtlich, könnte man jetzt sagen, reicht sie nicht aus? Ergänzen Sie das noch mit der Luhmanns Theoriebildung? Okay, also ich bin zunächst einmal, wenn ich das jetzt so historisch mal rekapituliere, über systemtheoretische Ideen in den 90er Jahren im Studium damit in Berührung gekommen. Gar nicht Luhmann erst einmal, sondern Fritjof Capra zum Beispiel, das ist ja so ein Physiker, der hat so die Idee gehabt, ein neues Weltbild, ein neues Paradigma kommt auf und dazu gehört auch die Systemtheorie. Und irgendwann bin ich dann auf den Luhmann gekommen, auf den Konstruktivismus in den 90er Jahren und das hat mich deshalb auch so fasziniert, weil es meine biografischen Erfahrungen mit der DDR und denen mit der Wende für mich erklärbar gemacht hat, einsortierbar gemacht hat. Also dass Wirklichkeit als Konstruktion in vielfältiger Weise entsteht und ja, wir einerseits Wirklichkeiten konstruieren durch unser Denken, durch unser Kommunizieren, aber andererseits diese Wirklichkeitskonstruktionen auch nicht kontrollieren können, also es konstruiert in gewisser Weise. Die Postmoderne kam dann dazu für mich, weil es eine sozialphilosophische Einsortierung war, die für mich auch etwas sehr sympathisches, sehr ethisches hat. Bei Luhmann ist die Ethik nicht so präsent, sondern eher so als Warnung. Die Ethik soll vor Moral warnen. Luhmann hat eine Reflektionstheorie ja entwickelt, also Ethik als Reflektionstheorie, eben vor Moral zu wahren und die Postmoderne hatte für mich etwas sehr sympathisches. Was ich inzwischen, das können wir vielleicht auch noch diskutieren, auch etwas kritischer sehe, eine sehr diversitätsorientierte, differenzorientierte Perspektive auf die Welt, Identitäten gänzlich in Frage zu stellen. Also soziale Arbeit als eine Identitätskonstruktion zu sehen, die überhaupt nicht möglich ist. Also Identitäten sind immer nur konstruiert und müssen sich ja nicht permanent verändern. Und die feste Identität, das eine, diesen einen Gegenstand oder so, den die ganze Sozialarbeitswissenschaft immer gesucht hat, der ist eine Illusion, den finden wir nicht. Und Deleuze, Derrida, Lothar, Wolfgang Welsch waren für mich dann so Autoren, die deutlich gemacht haben, ihre Identität ist auch nur eine Konstruktion, eine Illusion und soziale Arbeit hat immer versucht, eine eigene Identität zu finden. Aber diese Eigenschaftslosigkeit oder diese Pluralität von Eigenschaften, führt immer wieder dazu, dass diese Identität verkürzt ist, die sie da scheinbar gefunden hat in der Theorie oder Professionstheorie. Und lassen wir es doch mit der Suche. Lassen wir es doch sein. Akzeptieren wir die Vielfalt von Identitäten, die Chamäleonhaftigkeit von Identität. Akzeptieren wir es doch und stellen uns neu ein, in jeder Situation, in jedem Kontext, immer wieder anders unsere Identität zu konstruieren. Das hat die Postmoderne, aus meiner Sicht, offeriert und das hat für mich etwas sympathisches gehabt, theoriekonstruktionsbautechnisch aber auch ethisches, weil es in einer Gesellschaft immer diverser wird, auch eine ganz andere Art und Weise des Umgangs von Menschen ermöglicht, die ganz unterschiedlich sind. Vielfalt, Diversität, Multikulturalismus, all das steckt da ja drin. Selbst geschlechtliche Identitäten werden aus der postmodernen Perspektive ja gänzlich in Frage gestellt. Das hat für mich was sehr brauchbares gehabt, um eine Frage zu beantworten, die Sozialarbeit eben bis dahin nicht beantworten konnte. Was ist denn mit der eigenen Identität? Und ich habe gesagt: Lassen wir die Frage und verstehen wir uns postmodern, da müssen wir nicht permanent nach einer Identität suchen, sondern können unsere unvollkommene Identität oder radikaler formuliert, Identitätslosigkeit aushalten und uns damit versöhnen. Das ist die Postmoderne für mich. Man könnte ja auch zumindest sich den Vorwurf einhandeln, dass die Dekonstruktion, die zum Beispiel Derrida ja in seinen Büchern ja auch wirklich vor Augen führt, dass man wirklich ihm zusehen kann, wie er dekonstruiert, allein bei dem Begriff der Differenz und dergleichen das auch zu einer Beliebigkeit führen könnte. Den Vorwurf müsste man ja dann auch akzeptieren. Ja, genau. Dieser Vorwurf... Mit dem sollte man sich auseinandersetzen. Zum Ende hin komme ich vielleicht noch einmal zu einem Buch, was ich empfehlen möchte, das sich auch an der Postmoderne abarbeitet und dann noch mal eine andere Perspektive aufzeigt. Aber es gibt schon eine Antwort aus der Postmoderne heraus und zwar von Wolfgang Welsch. Wolfgang Welsch trifft die Unterscheidung zwischen einer unpräzisen und einer präzisen Postmoderne. Also die unpräzise Postmoderne ist möglicherweise die, die sie jetzt auch so angedeutet haben, die in der Beliebigkeit mündet. Anything goes... Alles geht irgendwie, ja. Es gibt keine Stoppregeln. Irgendwie wird es schon funktionieren. Wir können alles permanent umkonstruieren, unsere Identitäten, andere Identitäten, die Welt. Diese Beliebigkeitsidee, die mit einer Machbarkeitswahneuphorie vielleicht auch einhergeht. Alles geht. Und diese Machbarkeitsidee, die können wir ja sehr schön systemtheoretisch auch, sage ich mal, dekonstruieren. Es geht eben nicht alles. Es geht nur ganz wenig vielleicht sogar. Wolfgang selbst spricht von einer präzisen Postmoderne, mit der er versucht, genauer zu beschreiben, was geht und was nicht geht, wo Grenzen sind, auch postmoderne Ansätze, postmoderne Entwicklungen. Ich kann jetzt nicht das Fenster aufmachen und sagen: "Ich bin jetzt ein Vogel und ich konstruiere die Identität einer Vogelhaftigkeit und geh raus." Es geht nicht. Die Naturgesetze werden dazu führen, dass ich runterfalle und mich verletze. Ich kann nicht sagen, ich gehöre morgen zu einer ganz anderen Familie. Ich will jetzt zur Familie Schmidt gehören, nicht mehr zur Familie Kleve. Ich konstruiere mal einfach meine Familienidentität. Das funktioniert nicht. Es gibt eine biologische Determination meine Herkunft, die kann ich nicht einfach verändern. Es gibt sozusagen, und das sage ich jetzt... Es gibt - das ist ja auch aus der Postmoderne sowas zu sagen schon ein Unding - gewisse Grenzen von Konstruierbarkeit, die Paul Watzlawick sehr schön eigentlich schon deutlich gemacht hat, wenn er von der Unterscheidung spricht: Wirklichkeit erster Ordnung, Wirklichkeit zweiter Ordnung. Also Wirklichkeit erster Ordnung sind für mich bestimmte naturgesetzliche Aspekte, Newtonsche Physik beispielsweise, biologische Abstammung, Herkunft. Die gilt es zu akzeptieren. Wirklichkeit zweiter Ordnung ist die Art und Weise, wie wir dem Sinn zuschreiben, wie wir dem Bedeutung zuschreiben. Da können wir natürlich ganz viel tun. Also den präzisen Postmodernismus mit Wolfgang Welsch, das wäre so meine Perspektive, der durchaus Beliebigkeit auch dekonstruiert. Warum sollte die Sozialarbeit mit diesem und ihrem Theorieansatz arbeiten? Was hilft ihr? Also eine Möglichkeit oder eine Perspektive habe ich ja schon angedeutet: Also endlich rauszukommen aus dieser destruktiven Nabelschau. Ja, wir sind doch so... Uns geht es doch so schlecht, für mich und meine eigene Identität in Auseinandersetzung mit Psychologen, mit Ärzten und so weiter, können wir immer nie genau sagen, was wir sind. Also selbstbewusst zu sagen: Ja, wir haben eine besondere Art unsere Identität zu konstruieren, eine sehr offene, eine sehr... vielleicht auch fragmentierte, aber genau das ist unsere Stärke. Eigentlich ist das ja auch eine These, die hat schon Theo Bartmann entwickelt. Er hat ja auch mal einen Aufsatz geschrieben "Eigenschaftslosigkeit als Eigenschaft". Da kommt das ja her. Diese Idee, die ich dann weiter ausgearbeitet habe, das ist ein Aspekt. Der andere Aspekt ist: Wir können das wissenschaftstheoretisch, praxistheoretisch begründen, was die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter immer schon gemacht haben, nämlich den Eklektizismus oder positiver gesagt: die Pluralität, mit Methoden, mit Theorien umzugehen, sie einzubauen in das eigene Setting des Denkens, des Handelns, des Fühlens. Das haben Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter immer schon gemacht. Das wurde ihnen immer vorgeworfen: semiprofessionell, Eklektizismus. Und wir sagen aus postmoderner Sicht: Ja, genau das ist unsere Besonderheit und es lässt sich jetzt sozusagen mit der postmodernen Rahmung legitimieren. Transdisziplinarität ist ja ein Begriff, den Wolfgang Welsch auch sehr schön einmal mit Bezug auf Jürgen Mittelstraß auch ausgearbeitet hat, weitergeführt hat. Transversalität, ja, also eine Vernunft, eine Rationalität, die sich damit auseinandersetzt, dass sie nur im Plural auftritt. Es gibt nicht die eine Vernunft, sondern die vielfältige Vernünftigkeit vielleicht; also das, was wir als SozialarbeiterInnen in der Praxis permanent erleben jetzt auch theoretisch rahmen zu können mit einem Modell, dass das akzeptiert und dass das als Erfolgsprogramm bewertet, was eigentlich alles Salamon schon in den 20er Jahren teilweise beschrieben hat, jetzt mit einer passenden Wissenschaftstheorie richtig zu begründen und zu legitimieren. Ja, Stichwort: Ambivalenz. Nach ihrem Verständnis ist soziale Arbeit ja durchgängig Ambivalenzen ausgesetzt, die im Kern darin besteht, dass es um ein Aushalten auch von Widersprüchlichkeiten geht, die wiederum an den Verhältnissen und aber auch dem Verhalten festzumachen sind. Also soziale Arbeit ist Wanderin und Mittlerin zwischen Personen und wenn man so will, auch allen gesellschaftlichen Teilsystem. Sie haben das gerade schon noch einmal deutlich betont, dass soziale Arbeit ja in jedem gesellschaftlichen Kontext mittlerweile anzutreffen ist. Ja, aber gleichzeitig, ihren Überlegungen folgend, kann Soziale Arbeit eben keine Eindeutigkeiten im erkenntnistheoretischem Sinne herstellen. Sie verfügt eigentlich nicht über Eindeutigkeiten auch im ontologischen Sinne, wie vielleicht ein Arzt, der sagen kann, die Krankheit X ist eindeutig diese Krankheit und hat die und die Ursachen. Das heißt also, Ambivalenz einerseits. Aber führt das nicht auch dazu, dass das, was also auch gerade vielen in der Praxis Probleme bereitet, dass Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter eben keine eindeutige Selbstbeschreibung mehr verfügbar haben? Und vielleicht auch ein Hinweis: also das begegnet einem häufig, dass Absolventinnen und Absolventen der sozialen Arbeit sich gar nicht als Sozialarbeiter bezeichnen, sondern Case-Manager oder wie auch immer. Ist das die zwangsläufige Folge auch dieser Ambivalenz oder kann man das vielleicht auch ambivalenztheoretisch entfalten um dem Ganzen noch mehr, ja, ich sage mal, Grundlage zu geben, dass das eben offensichtlich dazugehört, über keine eindeutige professionelle Selbstbeschreibungsmöglichkeit verfügen zu können? Gut, die Selbstbeschreibung, die professionelle, kann ja genau die sein, das zu beschreiben, was Sie jetzt auch gerade deutlich gemacht haben, sich in dieser Vielfalt von Ambivalenzen in einer Weise einzurichten, dass es hilfreich ist für die Menschen für, die wir arbeiten. Wir arbeiten für Menschen, die vor bestimmten Herausforderungen stehen, werden dafür von der Gesellschaft beauftragt, werden dafür bezahlt, haben dafür ein Mandat. Und das sind oft Menschen, die haben mit klassischen Professionen zu tun gehabt und da ging es nicht weiter und die landen dann in der Sozialen Arbeit. Und offenbar gibt es bestimmte klassische Perspektiven vielleicht in der Medizin, in der Juristerei, in der Psychologie, in der Pflege, wo auch immer, die nicht in der Weise weiterführen können, dass die Menschen ihre Probleme lösen oder so damit umgehen können, dass es befriedigend ist und dann kommen wir. Also ich habe ja auch die These, Sozialarbeit tritt dann ein wenn andere Profession nicht, noch nicht oder nicht mehr tätig werden können. Sozialarbeit ist damit auch eine Art Lückenprofession, die ja eine Antwort ist, aus meiner Sicht, auf die Spezialisierungsstrategie klassischer Profession. Also die klassische Spezialisierungsprofession ist eine, die einen bestimmter Bereich des Menschlichen herausgreift und über diesen Bereich natürlich dann auch ganz viel wissen sich aneignet, aber eben über diesen kleinen Bereich. Und so stehen die Professionen, auch Disziplinen in der Wissenschaft nebeneinander und haben eine bestimmte Sphäre, eine bestimmte Komplexitätsreduktion, aber diese Komplexität dann aneignen. Aber was dabei verloren geht, ist sozusagen das Dazwischen: die Brücken, die Verbindungen zwischen diesen Teilbereichen der Gesellschaft, auch zwischen den Funktionssystemen, wenn man das Wort Brückenbauer, sozusagen Vermittler und das sind dann die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die sich ja so beschreiben können. Aber das Brückenbauen, das Vermitteln, verunmöglicht dieses Festlegen auf eine kleine ausschnitthafte Kernidentität oder so, sondern setzt immer wieder voraus, dazwischen zu liegen. Es gibt... Diese These ist ja auch schon 20 Jahre alt, von 1998 und das habe ich in der Doktorarbeit "die Postmoderne Sozialarbeit" so ausgearbeitet. Und vorher gab es schon Ideen sozusagen von Richard Münch, einem Soziologen in Bamberg damals. Der hat ein kleines Heftchen herausgebracht, das hat er genannt: "Vom Fachspezialisten, vom Fachexperten zum Kommunikationsvirtuosen." Er beschreibt die Herausforderung unserer modernen Gesellschaft, in der es so viele Fachspezialisten gibt, aber noch viel zu wenig Kommunikationsvirtuosen, die also diese Brücken bauen, die sich in diese Zwischenräume einbringen und das sind eigentlich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und nicht umsonst, aus meiner Sicht, ist dieser Boom, diese Anzahl, dieser Anstieg von Studienplätzen, von Arbeitsplätzen im Bereich zu sehen, weil diese Kommunikationsvirtuosen gebraucht werden. Das können wir doch nutzen als eine Art Selbstbeschreibung, die unsere Profession zum Ausdruck bringt. Wobei dann möglicherweise der Bezug auf Niklas Luhmann nicht mehr gelingt, denn man sagt ja, dass letztlich nicht die Person oder schon erst recht nicht der Mensch kommunizieren kann, sondern nur die Kommunikation kommuniziert. Also da wäre im Prinzip, das, was Sie einfordern, Kommunikationsvirtuose zu sein, dem Sozialarbeiter gar nicht mehr zurechenbar. Aber das nur als Nebensatz, dass wir da irgendwo auch die Grenzen der Luhmannschen Theoriebildung nochmal sehen. Wobei... Also Sie haben ja sehr schön auch mal den Joker-Begriff verwendet, der Joker... Die Sozialarbeiterinnen der Sozialarbeit als Joker in der Gesellschaft, der dann aus der Tasche gezogen wird, wenn es anders nicht weitergeht. Und als Sie so beschrieben haben, dass viele Sozialarbeiter sich selber gar nicht mehr mit dieser Berufsbezeichnung betiteln, sondern dann Case-Manager sind oder Care-Manager oder was auch immer, Familientherapeuten oder Berater, dann kann man aus der Luhmannschen Perspektive zumindest sich fragen: Warum auch nicht? Warum ist denn das wichtig, wie sich ein einzelner betitelt? Wenn wir sozusagen auf einer Ebene des Funktionssystems schauen, reproduziert sich da eine soziale Arbeit, in der bestimmte Dinge laufen - unabhängig davon, wer als Person da etwas macht, was von diesem System kommunikativ aufgegriffen wird, Anschluss findet. Also wir können sozusagen ja gänzlich entkoppeln die Ebene des Funktionssystems und die Ebene der Personen. die Berufspolitiker und wir als Dozenten, Professoren, die mit Studierenden zu tun haben, wollen natürlich auch den Studierenden etwas Attraktives bieten, was sie für sich selbst nutzen können als Selbstbeschreibung und können nicht sagen: Es ist eigentlich egal, wie du dich bezeichnest, wenn du in bestimmten Arbeitsfeldern in einer bestimmten Weise tätig bist, dann machst du Sozialarbeit. Wie du das selber nennst, das kannst du sowieso nicht determinieren, weil es zeigt sich ein Funktionssystem in seiner Dynamik, das letztlich selektiert, was ist Teil davon, was ist kein Teil davon. Okay. Vielleicht, weil es gerade dazu passt: Jenseits der Versuche von Selbstbeschreibungen der Sozialen Arbeit als Profession, ist aber doch die Frage nach der Profession doch noch einmal zu stellen. Die Analysen von Bommes und Sherr legen ja eher nahe, soziale Arbeit eben nicht als eine autonome Profession zu rekonstruieren. Der Begriff der Semiprofession spielt da eine Rolle, ohne das jetzt abwerten zu wollen, sondern einfach nur beschreiben zu wollen. Ganz im Gegensatz dazu kann man bei Ihnen aber doch lesen, dass Sie die soziale Arbeit durchaus für eine autonome Profession halten. Worin sehen Sie denn die Autonomie begründet? Gut, die Autonomie... Das müsste man wahrscheinlich nochmal ganz genau anschauen, was damit gemeint ist. Ich würde mich da dem Andreas Knoll anschließen. Der hat mal sehr schön gezeigt, wie das, was die soziale Arbeit immer schon erlebt, also diese Abhängigkeit von unterschiedlichen Stakeholdern; die, sage ich mal, in Infragestellung der Autonomie durch bestimmte Determination aus der Politik, aus der Juristerei, ja, aus der Ökonomie inzwischen sehr stark, wo immer wieder die Eigenlogik des Sozialarbeiterischen ausgehebelt wird oder zumindest in der Gefahr ist, ausgehebelt zu werden, dass das inzwischen alle möglichen anderen Profession auch erleben. Sozialarbeit ist eine Vorreiterin von bestimmen Professionsentwicklungen, so Andreas Knoll, die jetzt auch beobachtet werden kann in der Medizin, in der Psychologie, vielleicht auch in der Juristerei. Wenn man jetzt das Krankenhaus anschaut: der Mediziner dort... Von welchen ökonomischen Determinanten ist er inzwischen abhängig? Von welchen ethischen Fragen ist er inzwischen abhängig und so weiter, juristischen Fragen ist er abhängig und die Eigenlogik der Medizin, die Autonomie der Medizin so gar nicht mehr klassischerweise wie sie klassischerweise in Sicht geraten ist, sichtbar ist. Also das Erleben andere Professionen auch. Wir müssen uns mehr auseinandersetzen mit den Stakeholdern, mit denen wir vernetzt sind, aber dennoch immer wieder darauf rekurrieren, dass der sozialpädagogische Blick, ein besonderer Blick ist, der auch dazu führen muss, dass eine bestimmte Hilfe durchgeführt wird, auch wenn sie gerade nicht bezahlbar ist. Das wäre sozusagen dann die Frage um die Autonomie. Also schafft soziale Arbeit es die Eigenlogik der Fachlichkeit durchzusetzen gegen juristische, ökonomische, politische Fremdzuschreibungen? Und da bin ich ja dabei. Also es gibt von mir einen aktuellen Aufsatz, der ist erschienen bei Wolfgang Rieger: "Soziale Arbeit systemisch kritisch" Ich weiß nicht, ob Sie den kennen. Da habe ich versucht noch einmal neu drauf zu schauen: Wie ist eigentlich das Verhältnis von Sozialarbeit und Politik? Und ich habe davon gesprochen: von einer Entpolitisierung sozialer Arbeit. Wir müssen Sozialarbeit entpolitisieren, nicht mehr politisieren, weil das bedeutet, wenn wir sie mehr politisieren, wir machen uns abhängig von politischen Zuschreibungen. Wir wollen ja gerade unabhängig sein in unserer Fachlichkeit. Sozialarbeit, wenn es sie in der DDR gab, dann war sie extrem politisch eingefärbt, im Nationalsozialismus, Faschismus war sie natürlich politisch eingefärbt Wir wollen uns ja gerade befreien von diesen Einfärbung, in unserer Eigenlogik uns entwickeln. Genauso müssen wir das Verhältnis Ökonomie neu überdenken. Wir haben das Gefühl, wir werden ökonomisiert, aber wenn man genauer hinschaut, ist das vielleicht eine verstärkte Politisierung der Sozialarbeit über Budgets. Das sind ja keine ökonomischen Budgets, es sind ja politisch gesteuerte Budgets. Das Gleiche ist mit der Juristerei. Es gibt ein super Konzept, was die Selbsthilfekräfte, das Empowerment von Menschen voranbringen konnte: die Sozialraumorientierung. Diese wird blockiert durch juristische Determinationen, die zumindest aus fachlicher sozialarbeiterischer Sicht grundsätzlich in Frage gestellt werden können. Ich würde eher dafür plädieren, genau hinzuschauen und natürlich weiterhin dafür zu kämpfen, dass wir autonomer werden und uns entkoppeln können zum Beispiel von Politik, Juristerei, Ökonomie. Aber diese Probleme haben nicht nur wir Sozialarbeiter, sondern inzwischen alle anderen Professoren auch. Und darin steckt ja durchaus eine Gefahr. Also die Aufforderung einer Entpolitisierung, das Wort zu reden, könnte ja dazu führen, dass man sagt wir ziehen uns zurück als Profession, auch als Disziplin aus den politischen Debatten und schauen dann was passiert oder entkoppeln uns sogar von diesem System. Das kann ja nicht damit gemeint sein. Also, ich glaube, eine geheime Intention von Niklas Luhmann... Es klingt manchmal an. In Interviews war auch... Funktionssysteme in ihrer Bedeutung und in ihrer Eigenlogik so radikal zu beschreiben und zu hoffen, dass sie so radikal, auch selbstreferenziell sind, damit nicht nochmal so etwas passieren kann wie Faschismus und Stalinismus. Denn in diesen Systemen war die gesamte Gesellschaft, alle Systeme, extrem politisch determiniert. Was ich an der DDR erlebt habe, war der Versuch, dass das politische System alles determiniert hat und alles fremd beschrieben hat, fremdgesteuert hat und das meine ich damit: die Entpolitisierung der Sozialarbeit im Sinne von einer Entkopplung von der Politik, um kein Spielball politischer Machtinteressen zu sein, sondern in einer Eigenlogik, dazu gehört auch eine Ethik, meinetwegen auch eine Menschenrechtsethik, mit Bezug auf Staub-Bernasconi, sich zu vollziehen, sich zu reaktualisieren als soziale Arbeit jenseits von politischen Machtstrukturen. Das meine ich eigentlich damit. Und das habe ich bei Luhmann auch immer so herausgelesen: Wir müssen verhindern, dass noch einmal eine Gesellschaft entstehen kann, in der eine Politik sozusagen alles andere determiniert und in eine Totalität bringt, die menschenfeindlich ist, die dann zum Faschismus, zum Zweiten Weltkrieg oder zum Stalinismus führt. So meine ich es eher. Ja, Luhmann... Also wenn er seiner Theoriebildung überhaupt irgendeinen praktischen Nutzen zurechnen wollte, da hat er sich ja immer dagegen gewehrt, aber dann genau wohl den, was Sie auch andeuten wollten, dass alle gesellschaftlichen Teilbereiche, Teilsysteme, wenn man so will, die Politik, die Wirtschaft, die Bildung und so weiter einen reflexiven Bezug zu sich selber bekommen, wobei da müsste man noch einmal gesondert, glaube ich, drüber nachdenken über Ihren Vorschlag auch begrifflich der Entpolitisierung. Denn ich glaube nicht, dass Sie tatsächlich die soziale Arbeit für politikfreie Zone erklären wollen, aber eben genau diesen reflektiven Bezug zu sich selber zu bekommen, wenn sie eben in den Kopplungen zum Beispiel zu Ökonomie und zum Rechtssystem und natürlich auch zum Politiksystem steht und da tatsächlich zu überlegen, was sie da eigentlich tut und auch das, was sie tun kann. Gut, aber das ist ein Streit über Begrifflichkeiten. Entpolitisierung ist möglicherweise so als Formel etwas missverständlich. Es ist es sehr provozierend gesagt. Was ich damit sagen will, ist nicht, dass ein Sozialarbeiter meint, wenn eine Sozialarbeiterin sich nicht irgendwie politisch engagiert in einer Kommune oder auch parteipolitisch wie auch immer, sondern dass das System der sozialen Arbeit eine solche autonome Stärke bekommt, dass es sich nicht abhängig macht von aktuell politischen Genau, von Steuerungsinteressen, die ja politisch oder ideologisch oder auch ökonomisch oder politisch ökonomisch, wie auch immer sein könnte. Es geht also eigentlich um eine Frage: Wie kann Soziale Arbeit sich von externen Steuerungsinteressen schützen? Gut, aber Sie sagten ja, das ist vielleicht auch eine provokante These. Daran anknüpfend: Sie haben einen Beitrag geschrieben zum Thema Ökonomisierung der Sozialen Arbeit und das Verhältnis von Wirtschaft und sozialer Arbeit beleuchtet und haben da auch gesagt, dass es gar nicht so schlecht sei oder fast gar nicht anders möglich sei, als eben auch mit knappen Ressourcen zu haushalten und haben eine ziemliche Resonanz erfahren. Da würde ich auch fragen: Wie meinen Sie das, wenn das gar nicht so schlecht ist mit knappen Mitteln zu haushalten? Gut, ich bin da ja ein bisschen naiv in einen Diskurs gesprungen, der ja eigentlich, sage ich mal so, schon seit Jahren läuft und der Herr Lambers ist da ja auch als Sozialmanagement-Kenner Teil dieses Diskurses gewesen. Sie haben da ja auch aus der Sozialmanagment... Sie, ja auch, Herr Klein... dazu publiziert und ich bin einfach da reingesprungen in den Diskurs, habe überhaupt keine Rezeption betrieben von, sage ich mal, den Texten, die da entstanden sind seit Jahren im Feld der sozialen Arbeit. Das ist natürlich auch ein bisschen frech. Es wurde ja auch sehr stark dann darauf reagiert. Bei mir ist es entstanden aus einer Beschäftigung mit dem Thema Neoliberalismus. Ich habe irgendwann mal wissen wollen, was ist das denn jetzt überhaupt, der Neoliberalismus, der von allen möglichen Leuten immer als das Schlimmste überhaupt bezeichnet wird, in den Diskurs eingebracht wird. Wenn man etwas nicht sein sollte, dann ist es neoliberal, fast schon wie faschistisch. Neoliberal kommt gleich danach oder kam gleich danach oder wie es immer noch so ist. Aber ich habe dann intensiver mir das angeschaut und tatsächlich auch Originalliteratur von Friedrich August von Hayek gelesen, ein Begründer des Neoliberalismus, des Liberalismus; Ludwig von Mises, ein österreichischer Ökonom; Hayek auch österreichischer Ökonom und habe die Geschichte des Liberalismus ein bisschen studiert, neuere Formen, anarcho-kapitalistische Varianten, also (unv.), eine amerikanische Perspektive von (unv.) auf die Welt und fand das total spannend und habe ganz viele Verwandtschaften zur Systemtheorie entdeckt. Selbstorganisation ist ein ganz großes Thema, verteiltes Wissen, die Dekonstruktion der Idee einer planenden Vernunft. Da habe ich überhaupt erst verstanden wie bestimmte Mechanismen einer Marktwirtschaft laufen. Dann habe ich schon ein Seminar geben dürfen in Witten und dann hatte ich da eine Studentin drin, die hat mich dann gefragt, ob sie bei mir eine Masterarbeit schreiben darf und dann habe ich gesagt: "Ja, mich interessiert ein Thema. Haben Sie auch Lust, sich damit zu befassen? Vergleichen Sie doch mal Hayek und Luhmann miteinander." Und dann hat sie darüber eine Arbeit geschrieben in Bezug auf Geld. Ja, was ist Geld aus systemtheoretischer Sicht und aus Sicht von Hayek? Und so bin ich überhaupt darauf gekommen und habe gesagt: "Gut, jetzt versuche ich mal das ein bisschen herunterzubrechen auf die soziale Arbeit. Und diese Angst vor der Ökonomie, diese Angst vor dem Kapitalismus, versuche ich mal anzugehen. Vielleicht auch ein bisschen provokativ, provozieren." Und der Redakteur der Zeitschrift "Soziale Arbeit" schaute sich den Text dann an und besprach sich dann mit Kollegen und hat gesagt: "Den bringen wir jetzt mal." So, also natürlich auch mit der Ahnung schon, naja, mal gucken. Das hat bestimmt eine gewisse Resonanz, auch eine gewisse Kritik, die da erzeugt wird. Aber was man so im Text reinbringen kann, hab ich dann versucht reinzubringen. Na klar, müssen wir uns mit der Ökonomie in der Sozialen Arbeit auseinandersetzen und der Kapitalismus, eine bestimmte Art des Umgangs mit knappen Gütern, ist ein System, was sich in bestimmten Grenzen bewährt hat, ansonsten würde es nicht mehr existieren. Es hat sich evolutionär als ein brauchbares System entwickelt und wir können jetzt nicht in der sozialen Arbeit sagen: Wir wollen damit gar nichts zu tun haben. Die Ökonomisierung ist was ganz Schlimmes, sondern wir haben knappe Ressourcen, mit denen wir umgehen müssen. Die Frage ist: Wie werden diese knappen Ressourcen eingesetzt? Und in der Sozialen Arbeit, diese Kritik steckt auch drin, werden diese knappen Ressourcen oft so eingesetzt, dass das intendierte Ziel der sozialen Arbeit die Hilfe zur Selbsthilfe, an die ich immer noch glaube, seine liberale Idee auch die Autonomie des Menschen des Individuums zu stützen, dass wir das oft nicht erreichen, sondern dass Menschen abhängig werden von unserem System. Und das hat möglicherweise damit zu tun, dass das ökonomische Prinzip, nachdem Sozialarbeit funktioniert, sehr politisch determiniert ist und eher Hilfe belohnt, anstatt die erfolgreiche Beendigung der Hilfe. Das steckt auch da drin. Das ist auch von Hint in der sozialen Orientierung beschrieben worden, dass die Sozialarbeit davon lebt und dass sie auch ökonomisch so strukturiert und konstruiert ist oft, dass sich die Ausweitung der Hilfebedürftigkeit lohnt und die Beendigung der Hilfe eher das Problem ist; dass wir sofort den Nachschub nach neuen Klienten versuchen müssen und das hab ich da als Kritik auch mit drinnen. Und wir müssen uns auf die Suche machen nach anderen Formen der Finanzierung und wir durchaus auch die Ökonomie, auch die kapitalistische Ökonomie zu Rate ziehen sollten. Und Fragen von Verantwortung, wer trägt die Verantwortung? Wie ist das Verhältnis von familiärer Selbsthilfe, von professioneller Hilfe? All das steckt da drin. Ich habe jetzt keine Antworten darauf, sondern habe eher Fragen gestellt und die These gebracht: Vielleicht ist der Kapitalismus nicht nur das Problem, sondern auch eine Lösung. Und weil er möglicherweise auch oder weil die Kritik an der Ökonomisierung vielleicht auch den falschen Adressaten trifft. Es sollte eher eine Kritik an der Politik sein, weil wir erleben eher, das ist eine These von einem anderen Autor, der eine verstärkte Verstaatlichung der Sozialarbeit beobachtet, die in der Maske der Ökonomie daherkommt. Also ich hätte eher die Idee, die Idee die Sozialarbeit löst sich auch mehr von staatlichen Regelungen und Kontrollen ab und sorgt selber dafür, dass sie finanzierbar wird und guckt nicht immer nur auf Staatsknete. Also eigentlich ist das, könnte man sagen, eine alte Kritik, die auch schon in den 70er Jahren auch aus der Linken ganz stark kam, ja Staatsknete ist ein Problem, aber auch eine Kritik bei Ivan Illich, Entmündigung durch Experten schon deutlich wird. Also ich habe immer noch die Idee, Sozialarbeit führt zu mehr mündig werdenden Menschen, zum Empowerment und das können wir vielleicht nur dann hinkriegen, wenn wir wirklich auch gucken, wo wir unser Geld herbekommen und nicht immer nur sagen: Der Staat muss es für uns tun. Da gibt es ja auch historische Vorbilder, Wiechern oder auch August Franke, die ja damals im Grunde genommen schon mehr oder weniger darlegen konnten, dass soziale Arbeit auch ohne Abhängigkeit vom Staat besser agieren könnte, auch genossenschaftliche, ja staatliche Förderungen also bewusst abgelehnt haben mit dem schlauen Satz: Wir wollen dem Staat nie lästig fallen. Gut, ich glaube wir kommen auch mit Blick auf unsere Zeit vielleicht noch einmal auf den Teil zu sprechen, welche Herausforderungen Sie eigentlich sehen - vielleicht generell für die soziale Arbeit, aber vielleicht auch für die Theoriebildung in der sozialen Arbeit. Und vielleicht auch nochmal die Frage: Wie schätzen Sie das eigentlich bezogen auf ihre Theoriearbeit ein? Also ist die diesen Herausforderung gewachsen oder gibt es da Entwicklungsbedarf aus Ihrer Sicht, den wir in den Blick nehmen müssen? Also ich denke, dass wir eine ganz spannende Zeit erleben innerhalb dieser Gesellschaft, innerhalb der Weltgesellschaft, wenn man diesen Begriff von "human" verwenden möchte. Die Welt rückt zusammen durch mindestens zwei Bewegungen: einmal durch die Digitalisierung. Der Dirk Becker, ein Kollege in Witten, der spricht ja davon, dass wir das Aufbrechen der nächsten Gesellschaftsform erleben. Und er bezieht sich auf Luhmanns Idee, dass wir eine gewisse historische Entwicklung beobachten können, in der Gesellschaft über die Kommunikationsmedien, die prägend sind... Also es gab eine Gesellschaft, da wurde vor allem sprachlich kommuniziert. Die Sprache war das dominante Medium. Dann entwickelte sich die Schrift als ein weiteres Medium. Die Schrift veränderte die Sprache. Die Art wie Menschen miteinander in Kontakt kamen, wie Kommunikation sich vollzog, änderte sich radikal. Dann entstand der Buchdruck, ein Medium, was die Sprache und die Schrift veränderte. Und jetzt, seit einiger Zeit, erleben wir das Internet, die digitale Weltkommunikation, die die Sprache, die Schrift, das Drucken verändert und völlig neue Formen des menschlichen Miteinanders etabliert. Also das ist eine These von Ken Wilber. Noch nie war alles Wissen der Welt verfügbar. Jetzt ist es fast verfügbar, also alles, was an Wissen da ist weltweit, ist teilweise digitalisiert, ist über diese ganzen Formen von Internetkommunikation verfügbar. Wir können auf etwas zugreifen, was mit so einem kleinen Ding sozusagen realisierbar ist, was noch nie möglich war. Das ist, glaube ich, eine ganz besondere Situation und was daraus folgt auch für Formen von Netzwerktechnologie. Also Dirk Becker vertritt ja die These, dass wir die funktionale Differenzierung in einer Veränderung erleben, eine Netzwerkhaftigkeit der Welt entsteht, die Beschleunigung der Welt. Die Beschleunigung der Kommunikation ist ein großes Thema. Der Hartmut Rosa hat dazu ja viel gemacht - Beschleunigung - und gleichzeitig hat Hartmut Rosa gesagt: "Ja, jetzt müssen wir gucken: Wie kommen wir wieder in Resonanz? Wie können wir uns auch wieder entschleunigen?" Das sind Fragen, aber diese technologische Herausforderung ist, glaube ich, eine, die die soziale Arbeit betrifft und mit der wir uns intensiv auseinandersetzen sollten, auseinandersetzen müssen und damit konfrontiert werden. Wir werden uns damit auseinandersetzen, weil wir kommen können dem nicht entfliehen. Wie genau das werden wir noch sehen. Das kann ich nicht sagen. Auch die Theorie braucht natürlich eine Antwort darauf. Das ist sozusagen ein Aspekt. Die Welt kommt zusammen, habe ich gesagt. Der andere Aspekt ist natürlich die Migration, die weltweite Migrationsbewegung, die wir erleben; natürlich auch mit angetriggert durch digitale Kommunikation. Wir können uns weltweit beobachten, wie wir leben. Natürlich kommen die Menschen dahin, wo es ihnen besser geht, wo sie hoffen, dass es ihnen besser geht. Ich hätte auch... Ich habe auch nichts gegen Wirtschaftsflüchtlinge wie es immer so schlecht oder schön heißt. Natürlich gehen die Menschen dahin, wo sie das Gefühl haben, ihnen geht es besser. Das ist die menschliche Entwicklung. Das ist auch die Dynamik der Welt. Wir wollen, dass es uns besser geht, für uns selbst und für andere und das ist eine Herausforderung. Und auf diese beiden Herausforderungen, viele andere noch, muss die Sozialarbeit natürlich eine Antwort haben oder Antworten suchen, Fragen stellen, Antworten suchen - praktisch und theoretisch. Und ich glaube, dass dieser Bedarf an Sozialarbeitern und Sozialarbeitern, der ja sichtbar ist, durch die Nachfrage nach dem Personal, auch daraus resultiert, dass wir alle überfordert sind und Menschen brauchen, die uns in unserer Überforderung unterstützen, ohne schon die Antwort zu wissen, wo es hingeht. Ich hoffe, es geht in eine Richtung, die positiv ist für die Menschheit. Aber das deutet ja auch nochmal darauf hin, dass wir uns in dem Theoriediskurs nicht zurücklehnen oder vielleicht auch der scheinbaren Möglichkeit eines in sich zusammenhängenden Theoriegebäude hingeben sollten, sondern dass wir auch mit Blick eben auf die Diversität, der Bezugsetzung und auch der theoretischen Perspektiven vielleicht stärker auch noch miteinander beschäftigen sollten, statt sich abzugrenzen. Vielleicht dazu ein Gedanke. Sie haben ja sehr schön auch in Ihrem Buch die Pluralität beschrieben und damit ist Sozialarbeit ja eigentlich als Wissenschaft in einem wissenschaftlichen Normalzustand. Die wissenschaftliche Disziplin ist Plural. Es entsteht viel Neues und die eine Theorie der sozialen Arbeit kann es nicht geben. Wir brauchen diese Pluralität der Theorien. Was wir aber auch brauchen, das findet noch zu wenig statt, ist eine Auseinandersetzung der Theorien miteinander. Hier sehe ich eine Grenze der Postmoderne. Die Postmoderne hat ja jedwede, sage ich mal, Progression in der Geschichte im Sinne von Hegel oder auch Marx abgetan, ja dekonstruiert. Die dialektische Höherentwicklung - damit wollen wir nichts zu tun haben. Adorno hat das ja auch schon kritisiert. Wir bleiben in der Differenz, in dem Widerspruch von These, Antithese, die Synthese als Hörbewegung. Das ist eine Illusion. Aber ich glaube, wir sollten schon daran festhalten, dass es eine Bewegung gibt auch zum Besseren. Wenn es einen Sinn macht, dass Theorien sich auseinandersetzen miteinander, dann ja doch nur dann, wenn es danach etwas gibt, was besser ist als das vorher. Es muss ein Unterschied sichtbar sein, eine Entwicklung zu einem neuen Zustand, der passender ist - für uns, für das theoretische Auseinandersetzen; der besser passt zu den empirischen Bedingungen in der Welt. Und da lerne ich jetzt in Witten gerade auch einiges von den Wirtschaftswissenschaftlern, die natürlich teilweise sehr positivistisch orientiert sind, aber was sie tun ist, dass sie zum Beispiel keine Doktorarbeit zulassen, die da irgendetwas will, irgendwas entwickeln will, wenn nicht sich mit all dem, was schon da ist an theoretischer und empirischer Beschäftigung auseinandergesetzt wurde. Du musst erst einmal zeigen, dass du all das zur Kenntnis genommen hast und musst zeigen, wo dein Entwicklungsschritt ist bezogen auf das, was schon da ist. So. Also diese Progression muss sichtbar sein. Es muss sichtbar sein, was ist jetzt die Forschungslücke, der Research Gab, der sozusagen gefüllt wird mit der eigenen Arbeit. Und das vermisse ich bei der Theoriebildung der Sozialen Arbeit ganz oft, ja. Also Sie haben da jetzt einen Beitrag mit dem Theoriebuch, dass das besser gelingen kann, aber die Auseinandersetzung der Theorien, damit eine Höherentwicklung stattfinden kann. Das ist ja das große Problem der Ökonomie zurzeit, dass sie eigentlich völlig aus der Betriebswirtschaftslehre, dass sie feststellt, dass viele ihrer Annahmen gar nicht mehr haltbar sind, dass sie die letzten Jahre in ihren Ideen und Modellen zum Teil auch unterkomplex gedacht haben, also durchaus auch aus der Sozialwissenschaft, der Sozialen Arbeit etwas lernen können. Das ist sicherlich sehr interessant. Gleichzeitig gibt es aber eben auch Grenzen dessen. Vielleicht, das ist aber jetzt nur eine Vermutung oder vielleicht eine Hoffnung: der Theorie Diskurs, das hat mich zumindest sehr gefreut, hat sich ja in den letzten fünf bis zehn Jahren auch nochmal weiterentwickelt. Selbst wenn man jetzt gefühlt den Eindruck hat, jetzt ist mal langsam gut, um es mal salopp zu sagen, stellen wir fest, dass der Diskurs weitergeht. Und Stichwort: Lebensführung... Das ist möglicherweise auch ein Anker, an dem sich die weitere Theoriebildung auch weiterentwickeln kann und wo sich dann eben auch Verbindungen zu den Bewältigungsansätzen ergeben. Wir dürfen vielleicht hoffen, dass es eben nicht zu einem Nebeneinander von unterschiedlichen Theorieentwicklungen kommt, sondern dass man sich auch perspektivisch auf präzisere Gegenstandsbestimmungen verständigen kann. Das ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Und dass sich sozusagen die empirische Perspektive in der Sozialen Arbeit und die theoretische nicht ganz entkoppeln. Also wir haben ja eine ganz starke empirische Bewegung, qualitative Sozialforschung, die... Fast alle Doktorarbeiten, die so aus der sozialen Arbeit heraus geschrieben werden ja so die Basis und die Kopplung zur Theorie. Die, glaube ich, darf dabei nicht verloren gehen. Eine gegenseitige Anregung, Befruchtung beider Stränge ist, glaube ich, ganz wichtig. Und vielleicht auch die Suche nach einer neuen Utopie. Und auch das. Und auch das. Vielleicht ist es ja sogar auch Retropie: dass man eher Angst hat, Sachen zu verlieren, als sich Entwicklungen vorzustellen, die eine Gesellschaft voranbringen. Zunächst einmal die Frage: Warum ist es eine gute Idee soziale Arbeit zu studieren? Ist es nach wie vor eine gute Idee? Ja, ich denke, das ist nach wie vor eine sehr gute Idee, weil es nach wie vor eine Zukunftsprofession ist, die sich mit den spannenden Fragen, die sich in der Gesellschaft stellen, mit den Menschen sich auseinandersetzen; die darauf zu reagieren hat. Also mit dem Leben von Menschen zu tun zu haben und größere Zusammenhänge auch in den Blick zu nehmen, finde ich das Spannendste, was man machen kann. Und sich selber als Person dabei auch entwickeln zu müssen in der Praxis der sozialen Arbeit, kommt noch dazu. Also es ist für mich nach wie vor eine ganz faszinierende Perspektive in die Sozialarbeit zu gehen. Wenn Sie sich Studierende im ersten Semester vorstellen, die das hier sehen: Was für einen Tipp würden Sie denen zu Beginn ihres Studiums mitgeben? Sich erst einmal sehr stark auch auf die eigenen Motivationen zu besinnen, warum jetzt in die soziale Arbeit hineingegangen wird. Ich habe oft erlebt, dass im ersten Semester Menschen in die Sozialarbeit gehen, die das Gefühl haben, okay, sie wollen anderen Menschen helfen und wenn wir dann sehr früh - in Potsdam ist das sehr früh gelaufen - Rollenspiele gemacht haben, Beratungsgespräche simuliert haben, dann entstand so die Idee: "Jetzt kann ich dem anderen sagen, was er tun soll, damit er seine Problem löst", also Ratschläge geben. Sich damit auseinanderzusetzen und erstmal bestimmte Basiskompetenzen sich anzueignen. In Potsdam ist das immer noch, hoffe ich, erst einmal zuzuhören. Also "Rogern" haben wir das immer genannt; also Carl Rogers sich anzueignen - nämlich Menschen zuzuhören, wie Momo das kann. Momo von Michael Ende hat eine besondere Fähigkeit wie Michael Ende in einem Kapitel beschreibt. Sie kann nämlich so zuhören, dass Menschen, die denken, sie können nichts Schlaues denken, keinen vernünftigen Gedanken zuwege bringen, plötzlich leuchtende Augen kriegen, weil sie tolle Erkenntnisse gewinnen; die Menschen, die das Gefühl haben, sie sind völlig unwichtig auf der Welt, plötzlich merken, wie einmalig sie sind; also so zuzuhören, dass der andere sich erkennt. Also Resonanz, wenn man mit Hartmut Rosa mal sprechen will. Resonanzerfahrungen sind, glaube ich, ganz wichtig für Soziale Arbeit und das muss man im ersten Semester eigentlich schon sich aneignen und sich damit befassen, weil das ist die Begegnung, die Beziehung. Das ist ganz entscheidend in der Sozialen Arbeit. Was empfehlen Sie Studierenden, die kurz vor dem Ende des Studiums stehen und die Berufspraxis in sichtbarer Nähe haben? Also erst einmal nicht davon auszugehen, dass das was Sie jetzt machen werden, das Lebensprojekt sein wird, sondern dass es ein Projekt sein wird, dass es eine bestimmte Tätigkeit sein wird erstmal nach dem Studium, die bestenfalls dazu führt, dass die Leute wachsen, dass sie sich Kompetenzen aneignen; dass es aber weitergehen wird. Also es ist eine never ending story, eine unendliche Geschichte - nochmal Michael Ende - die soziale Arbeit. Also damit muss man eigentlich sich schon arrangiert haben, dass es etwas Unfertiges bleibt, ja. Die soziale Arbeit, das ist ja inzwischen in allen Berufsgruppen so, bleibt was Unfertiges. Wir müssen ein Leben lang uns mit den Lernanforderungen sozusagen auseinandersetzen; sich... Ja, also das tatsächlich... Sich damit arrangiert zu haben. Ich glaube, daran vielleicht auch zu arbeiten, dass das geht. Das andere ist vielleicht auch mal den Blick zu öffnen und zu gucken, ob man neben der Praxis vielleicht auch die Wissenschaftsperspektive aktiv einschlagen will. Wir brauchen in der Sozialen Arbeit natürlich mehr Leute, die in die Wissenschaft gehen, die sich wissenschaftlich beschäftigen, forschen und dabei aber dann auch wiederum die Praxis und das, was die Leute in der Praxis umtreibt, nicht aus dem Blick verlieren. Die letzte Frage: Was ist für Sie das wichtigste Buch, das alle Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gelesen haben sollten? Natürlich mein eigenes, die "Sozialarbeit ohne Eigenschaften". Nein, Scherz beiseite. Natürlich glaube ich schon, dass auch das, was ich da geschrieben habe, wichtig ist. Sonst hätte ich das nicht geschrieben. Das wäre eine Empfehlung: "Sozialarbeit ohne Eigenschaften". Ich glaube, für den Anfang des Studiums wäre C. W. Müller: "Wie Helfen zum Beruf wurde", ein wichtiges Buch, was zeigt woher Sozialarbeit kommt, was Wurzeln sind. Auch für so eine historische Identifikation mit der Profession habe ich immer den Studierenden empfohlen, C. W. Müller zu lesen, "Wie Helfen zum Beruf wurde." Jetzt habe ich noch ein anderes Buch im Kopf. Ich weiß jetzt nicht, ob das alle Sozialarbeiter lesen sollten, aber ich habe es jetzt gerade gelesen im Urlaub. Das ist ein Roman von Ken Wilber. Ich weiß nicht, ob Ken Wilber bekannt ist. Das ist ja ein amerikanischer Philosoph; ein bisschen umstritten vielleicht, weil er so eine integrale Perspektive versucht zu entwickeln. Er hat einen Roman geschrieben, der heißt "Boomeritis. Ein Roman, der dich befreit." Das ist der Untertitel von 2007 und "Boomeritis" handelt von der Generation der Babyboomer in den USA zwischen 1940 und 1960, die unsere Gesellschaft sehr stark geprägt haben; also die 68er Generation. Und 2007 hat Wilmer mit diesem Roman ein Buch geschrieben, wo er beschreibt, wie ein Student in Berkley sich die integrale Theorie aneignet. Es eine bestimmte Theorie von der Menschheitsentwicklung, auch mit Spiral Dynamics, spiralige Dynamik bezeichnet. Und 2007, als Obama gerade an die Macht kam, hat eigentlich Ken Wilmer schon vorausgesehen, dass so einer wie Trump kommen wird. Also in diesem Buch wird beschrieben, wie bestimmte Entwicklungen in der Gesellschaft sich vollziehen und dass wir eigentlich in einer Zeit leben, in der wir eine neue Art von Integration brauchen, eine neue Art von Weltperspektive, in der wir das Pluralistische, was auch in der Postmoderne sehr stark ist, noch einmal neu denken. Der Multikulturalismus, der manchmal mit diesem Gutmenschentum so in Zusammenhang gebracht wird, bringt vielleicht viele Probleme, die wir nochmal anders anschauen sollten. Also in dem in dem Buch "Boomeritis" geht es um eine bestimmte Perspektive auf die Welt, in der gezeigt wird, dass wir bestimmte Stadien durchwandern. Es gab das blaue Stadium; es wird so als blaues Stadium beschrieben. Das ist eine Zeit, wo die Gesellschaft sehr stark disziplinarisch organisiert wurde. Da ist die Schule zum Beispiel entstanden, Heinz von Foerster hat mal gesagt eine Trivialisierungsagentur. Das Militär, Ämter wurden sehr hierarchisch strukturiert. Das erleben wir immer noch sehr stark. Sehr viel Blau ist in unseren Institutionen drin. Dann kam das Orangene. Das ist sozusagen die Zeit von Aufklärung, Rationalität und Vernunft; alles über Vernunft geregelt, ja, sehr stark mit Rationalität. Und jetzt sind wir gerade in einer grünen Phase. Die grüne Phase ist: Wir haben das Gefühl, mit Dialog können wir alles klären. Wir müssen nur miteinander reden. Organisationen sollen auch so aufgebaut sein, sehr Hierarchie kritisch und jedes dieser einzelnen Phasen blendet das andere aus, grenzt sich von dem anderen ab. Die Idee ist: Wir brauchen eine neue integrale Perspektive, die sozusagen noch einmal eine andere Form von Ganzheit ermöglicht, wo wir uns dann nicht abgrenzen vom Kapitalismus und der Ökonomie, um das mal als Beispiel zu bringen, weil wir das schon mehrfach hatten, sondern wo wir versuchen, das in einer bestimmten Art und Weise zu integrieren, es aufzunehmen; wo wir bestimmte Probleme, die auch mit der Migration einhergehen, Frauenfeindlichkeit im Islam beispielsweise, wo wir das ernsthaft uns anschauen und damit umgehen. Also eine neue Art. Und nicht Pluralität im Sinne: "Alles ist gleichwertig und jetzt lasst mal alles zu." Und davon handelt dieser Roman "Boomeritis". Er hat mich gerade sehr angeregt, also empfehle ich den auch, weil er viele Fragen stellt, auf die wir Antworten finden müssen. Herzlichen Dank. Dankeschön. Dankeschön für das gute Gespräch, spannende Gespräch.