Peter Sommerfeld
Theorien der Sozialen Arbeit
15.10.2021 65 min Staffel 1 Episode 13
Zusammenfassung & Show Notes
Peter Sommerfeld (*1958) studierte Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaft an den Universitäten Tübingen und Grenoble und promovierte zum Dr. rer. soc. an der Universität Tübingen mit dem Thema Erlebnispädagogisches Handeln. Seit 2006 lehrt und forscht er als Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit (FHNW/HSA). Sommerfelds Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind: Professionalisierung der Sozialen Arbeit, Theorien der Sozialen Arbeit (Systemtheorien) sowie Evidence-based Social Work, forschungsbasierte Praxisentwicklung, Betriebliche Soziale Arbeit, Soziale Arbeit in der Psychiatrie und Soziale Arbeit im Strafvollzug.
Transkript
Ja, Herr Sommerfeld, welche drei
Worte beschreiben Sie am
besten?
Also ich habe ein paar
Leute gefragt und
eindeutig war wissbegierig.
Das liegt wohl in der Natur meines
Berufes oder umgekehrt, dass
ich dazu gekommen bin.
Das andere war oder ist engagiert,
engagiert auch im Sinne
von den Sachen
nachzugehen,
auch zu verstehen und das
dritte ist Bewegung;
bewegungsfreudig. Sport, Reisen,
Denken. Das Programm.
Gibt es so etwas wie eine
Lebensphilosophie und
wenn ja, wie würde diese lauten?
Ja, die Lebensphilosophie... Das
ist natürlich eine große
Frage, aber ich denke,
dass alles hier auf diesem
Planeten mit
allem anderen zusammenhängt
und auch wir miteinander
zusammenhängen und voneinander abhängig
sind und dass Menschen
verletzliche
Wesen sind. Und insofern wäre die
Lebensphilosophie sorgsam
miteinander
und mit der Welt umzugehen.
Gibt es so etwas wie ein Ratschlag,
den Sie mal bekommen haben,
wo Sie gesagt haben: "Das war der beste
Ratschlag, den ich in meinem
Leben bekommen habe"?
Ja, das gibt's.
Der war so ungefähr... Ich weiß
ihn gar nicht mehr im
Wortlaut, aber: "Behandle andere
so, wie du auch möchtest,
dass sie dich behandeln."
Gibt es für Sie in der Sozialen
Arbeit Vorbilder oder
ein Vorbild?
Ja, Hans Thiersch, bei dem ich
promoviert habe und dessen
Spirit
mich schon immer inspiriert hat.
Und warum interessieren Sie sich überhaupt
für die soziale Arbeit?
Das ist einfach das faszinierendste
Fach, das ich mir denken
konnte. Also ich habe ursprünglich
ja Soziologie studiert
und mich damit schon mit der
Gesellschaft auseinandergesetzt,
die mich gereizt hat
und den Menschen da
drin und mit der Sozialen
Arbeit ist
dann über die Erziehungswissenschaft,
die ich auch studiert habe,
noch das Handeln dazugekommen
und das war
deutlich spannender,
als die Soziologie.
Aber das Handeln oder die Praxis,
das ist naheliegend,
aber Sie beschäftigen sich ja
auch sehr mit der Theorie.
Warum interessiert Sie die Theorie
der sozialen Arbeit?
Eben, das hat mit meinem... mit dem
ersten Wort, das ich genannt habe,
zu tun, nämlich wissbegierig und
ich muss einfach wissen,
wie es ist.
Und das kann ich nur
in diesem oder kann ich besser in
diesem handlungsentlasteten
Raum der Wissenschaft. Das hat
mich wohl in die Theorie
geführt.
Okay, vielen Dank.
So. Ja, als einen weiteren
Gast in unserer
Interviewreihe begrüßen wir heute
ganz herzlich Peter Sommerfeld.
Einen schönen guten Tag.
Wir freuen uns, dass Sie
der Einladung gefolgt
sind. Bevor wir dann zu unseren
fachlichen Fragen
kommen, will ich mal versuchen,
ihre Fachbiografie vorzustellen, soweit
das in aller Kürze überhaupt
gelingt.
Sie haben Soziologie,
Psychologie und Erziehungswissenschaften
an der
Universität Tübingen und auch
in Grenoble studiert,
in Tübingen dann bei Hans
Thiersch promoviert
mit dem Thema zur Erlebnispädagogik
und sind seit 2006 Professor an der
Fachhochschule Nordwestschweiz;
Hochschule für Soziale
Arbeit heißt sie
heute.
Ihre Lehr-und Forschungsschwerpunkte
sind umfangreich.
Ich muss das jetzt ablesen:
also Professionalisierung
der Sozialen Arbeit,
die Theorien der Sozialen Arbeit,
hier auch nochmal im Kontext von
Systemtheorien,
also im Plural,
sowie Evidence Based Social
Work, forschungsbasierte
Praxisentwicklung,
betriebliche Soziale Arbeit und
Soziale Arbeit in der
Psychiatrie und im
Strafvollzug.
Vielleicht sollte man noch erwähnen,
dass sie von 1998 bis
2005 Leiter für Forschung
und Entwicklung an der
Fachhochschule Solothurn
waren und von
2006 bis 2010 Leiter
2006 bis 2010 Leiter
des Instituts für Professionalisierungsforschung
und
kooperative Willensbildung.
Also Forschung ist ein
ganz zentraler
Bestandteil. Sie waren Mitbegründer
oder sind
Mitbegründer der Schweizerischen
Gesellschaft für Soziale Arbeit
und waren von 2006 bis 2015 ihr
Co-Präsident. Weiterhin
waren Sie beteiligt an der
Gründung der European
Social Work Research
Association und
sind dort seit deren Gründung
Vorstandsmitglied.
Eine Vielzahl von Publikationen
zur Forschung
und Theorieentwicklung der
Sozialen Arbeit liegt
vor. Unmöglich,
die hier vorzustellen.
Hier und heute interessieren
wir uns natürlich ganz
besonders für ihr Forschungsprojekt
zu
Integration und Lebensführung,
das unter ihrer
fachwissenschaftlichen
Regie entstanden
und durchgeführt worden ist.
Da ist natürlich ein Buch entstanden.
Ich zeig das mal kurz in die
Kamera: 2011.
"Integration und Lebensführung.
Ein forschungsgestützter
Beitrag zur Theoriebildung der
Sozialen Arbeit."
Ja, Sie haben
diesen
forschungsgestützten Beitrag
zur Theoriebildung
als Skizze bezeichnet. Das heißt,
da wird sicherlich noch
einiges kommen.
Eine wichtige,
grundlegende Arbeit, insofern
aber auch nochmal ein ganz
besonders interessanter
Ansatz. Sie haben im Prinzip
Reintegrationsprozesse im Rahmen
einer empirischen Studie
begleitet,
erforscht und hier waren
insbesondere die
Personen oder
waren Personen, die sich aus
dem Strafvollzug kamen,
beziehungsweise auch
solche Personen,
die aus der Psychiatrie
entlassen wurden und
quasi vor der Situation standen, ich
sage mal so alltagssprachlich,
ihr Leben neu ordnen,
neu organisieren mussten.
Und bei der
Wiederherstellungsaufgabe,
wenn man so will,
von Leben, Lebensplanung, tauchen
zwei Begriffe auf.
Zum einen ist das der Begriff
Totalexklusion auf Zeit,
so haben Sie das
genannt und Hyperinklusion.
Würden Sie vielleicht zu Beginn erst
einmal diese beiden Begriffe kurz
erläutern für unsere
Zuhörerinnen und
Zuhörer? Was bedeutet
Totalexklusion auf Zeit?
Was bedeutet Hyperinklusion?
Was sagen die Begriffe
aus?
Ja, Sie haben das ja
in ihrer Einleitung
schon erwähnt: Ich bin
eigentlich Forscher
und das ist auch meine Passion und
dieses Forschungsprojekt auf
das dieses Buch zurückgeht,
das war ein nationales Forschungsprogramm
zu Integration und
Ausschluss. Das war das Thema und
wie es dann halt so ist: dann versucht
man da reinzukommen.
Das war strategisch für uns auch
sehr wichtig in die nationale
Forschungsförderung reinzukommen zu
dem damaligen Zeitpunkt mit den
neuen Fachhochschulen und ich habe
mich zu dieser Zeit sehr
intensiv mit Luhmann
auseinandergesetzt, von dem diese
Begriffe auch stammen,
und ich habe gedacht:
Wie kann man Integration und
Ausschluss jetzt gut
untersuchen? Und dann
war eigentlich klar:
Man muss eigentlich Verhältnisse haben,
wo Leute ausgeschlossen sind
und sie sich wieder integrieren.
Wo ist das der
Fall? Und da hat Luhmann
geholfen an der Stelle, in
dem er den Hinweis gab:
Okay, Leute dürfen eigentlich
nur ausgeschlossen
werden bei Krankheit und Straffälligkeit.
Das sind die beiden
legitimen Gründe,
was zu einer Totalexklusion führt,
nach seinen Worten. Das heißt,
dass jemand aus seiner,
wenn man es mit anderen
Worten sagen will,
eigentlichen Lebenswelt herausgenommen
wird und zwar total,
eben indem jemand hyperinkludiert
wird,
in einem Gefängnis zum
Beispiel und dort im
Grundsatz von allen anderen,
nach Luhmann, Kommunikationszusammenhängen
abgeschnitten ist. Insofern
ist die Hyperinklusion
eigentlich die Durchführung
der Totalinklusion,
indem jemand dann in
einer Institution,
beispielsweise eine geschlossene
Psychiatrie oder eben das
Gefängnis...
Also eine Form von Inklusion,
die Selbstexklusion nicht zulässt.
Gleichzeitig bringen sie sehr
zentral nochmal den Begriff
der Integration. Sie stellen fest,
dass dieser eigentlich
sehr naheliegende,
zumindest für die Soziale Arbeit
naheliegende Begriff der
Integration nicht mal in
einem führenden Handbuch der
Sozialen Arbeit zu
finden ist,
sagen aber, das
müsste doch eigentlich der selbstverständliche
Zielhorizont der
Sozialen Arbeit sein,
sich diesen Begriff
Integration näher anzuschauen
und da liegt
natürlich die Frage sehr nahe:
Was verstehen Sie denn unter Integration?
Sie hatten ja gerade
Luhmann auch kurz
zitiert. Bei ihm integrieren
sich allenfalls Systeme,
aber ich denke,
da an dieser Stelle docken
Sie weniger an.
Sie meinen mit Integration
sicherlich den Menschen
oder die Person im Kontext von
Gesellschaft.
Ja, da muss ich ein bisschen ausholen.
Also eben, Sie hatten am Anfang
ja auch Systemtheorien betont.
Das hat vor allem deswegen
damit zu tun,
dass ich früher,
am Anfang meiner Karriere, mich
sehr intensiv mit Luhmann
auseinandergesetzt
hatte und dann in
diesem Forschungsprojekt eigentlich
durch das Programm
selber auf den Integrationsbegriff
gestoßen
wurde, den man dann
halt auch bedienen
muss. Und in der Auseinandersetzung
damit
dann gemerkt habe, erst
dann gemerkt habe,
dass Luhmann für die
Soziale Arbeit eigentlich
mehr Probleme
aufwirft, als das er lösen könnte.
Und vor allem deswegen,
weil sozusagen die Personen
außerhalb
der sozialen Systeme
gedacht werden und
das sozusagen erst einmal intuitiv,
aber dann auch beim
weiteren Arbeiten mit dem Begriff,
mit den Begriffen,
einfach nicht aufgeht für die
Soziale Arbeit in meiner
Perspektive.
Und deshalb haben wir dann
andere
Systemtheorien angeschaut.
Wir sind dann bei der
Synergetik hängengeblieben
sozusagen.
Da geht es um Selbstorganisationsprozesse
und
Integration kommt da auch
nur in diesem Sinne vor,
wie Sie es schon genannt haben,
als Integration der Systeme,
also Ordnungsbildung,
die sich dann verstetigt
und dadurch Systeme
sich bilden.
Und wir haben dann auch damals
gemerkt,
dass tatsächlich die
Integration wie ein
gemiedenen Begriff
in der Sozialen Arbeit war zumindest
und ich denke, es ist immer noch
so. Das hat vermutlich
damit zu tun,
dass viele unter anderem
auch Böhnisch,
der den Integrationsbegriff
immerhin verwendet,
ihn so auffasst,
dass Menschen
sozusagen dann integriert werden,
wenn sie sich an eine bestimmte
Gesellschaftsformation anpassen.
Das ist auch im
politischen Diskurs so die
Bedeutung. Insofern ist
Integration ein
riskanter Begriff, wenn man
ihn wählt in der Sozialen
Arbeit. Und deshalb bin ich
sehr dankbar auch für die
Frage, weil das ist zentral, wenn
man das ganze Ding verstehen
will. Unser Integrationsbegriff
geht im Grunde auf die Arbeit von
Kronauer, respektive Simmel,
zurück. Die
beide, also Kronauer in
Bezug auf Simmel,
Integration als ein spezifisches
Verhältnis von
drinnen und draußen gleichzeitig
sozusagen
beschrieben haben. Also nicht die
Vorstellung von einem Schalter
Modell: entweder man ist integriert
oder man ist nicht integriert,
so wie es dann auch populistische
Kreise heutzutage ja
propagieren,
sondern einen Integrationsbegriff
aufzubauen, mit dem die Soziale
Arbeit arbeiten kann, nämlich
indem man fragen kann:
Ist jemand nicht nur
nicht integriert,
sondern ist er möglicherweise
schlecht
integriert? Dem liegt die Annahme
zugrunde, dass Menschen grundsätzlich
soziale Wesen
sind, dass sie also gar nicht
nicht integriert sein
können. Jeder Mensch braucht
eine bestimmte
Form von Integration, von
Teilhabe und Teilnahme
an sozialen Systemen, an Sozialität,
wenn man es nicht mit dem
Systembegriff machen will und
das ist unser Begriff.
Wir gehen davon aus,
dass Menschen in soziale Systeme
integriert sind,
allerdings mehr oder weniger gut
und das hat Auswirkungen
auf die Möglichkeiten,
die sie haben,
ihr Leben zu führen.
Ja. Das was Sie für den Begriff
Integration beklagen,
dass man ihn also nicht in einem
einschlägigen Handbuch findet,
trifft ja auch auf den
Begriff Lebensführung
zu, erst recht auf den Begriff
Lebensführungssystem
und Sie schreiben also,
Lebensführung ereignet sich
eben zugleich auf der
sozialen, aber auch auf
der psychischen Ebene.
Können Sie das uns vielleicht
anhand eines
Beispiels verdeutlichen,
was sie damit meinen? Weil bei
Lebensführung könnte man
ja auf den ersten Blick denken,
dass es sich um eine persönliche
Lebensführung, individuelle
Lebensführung handelt,
aber das ist ja genau nicht
Nee. Also nochmal: Man muss,
um mich/ uns zu verstehen,
dass wir Menschen radikal,
wenn man so will, als
soziale Wesen denken
und deshalb auch der doppelte Begriff
Integration und Lebensführung.
Das gehört wie zusammen.
Das bildet eine nicht
widersprüchliche Einheit, eine
Anspielung auf (Ebermann?),
wenn man das
sagen könnte.
Lebensführung - ein Beispiel ist:
Warum ist Lebensführung
so eine wichtige
anthropologische Größe im Menschen?
Sie sind durch einen
Erkenntnisapparat ausgestattet, der
sie sozusagen aus den Instinkt
geleiteten Verhaltensformation
herausnimmt und
das ist der Grund,
warum Menschen grundsätzlich
ihr Leben führen müssen.
Ein Beispiel,
ein einfaches Beispiel,
ist in der Bibel Adam
und Eva, die Vertreibung
aus dem Paradies,
naschen am Baum der Erkenntnis. Das
führt dazu, dass sie in Zukunft
ihr Leben führen müssen,
im Schweiße ihres Angesichts
arbeiten müssen
im Gegensatz zu den Tieren.
Das ist die Grundkonstruktion,
die kann man jetzt nicht nur mit der
Bibel belegen, sondern da gibt es
sehr viele gute anthropologische
Arbeiten darüber,
was den Menschen kennzeichnet
und wie das zustande
kommt. Ein anderes Beispiel
ist das Hier.
Wir sitzen hier zusammen, nicht,
weil wir unser Leben auf eine bestimmte
Art und Weise führen.
Diese und unser aller,
unser dreier Lebensführung
beinhaltet
die Hochschule als wichtiges
Handlungssystem,
in dem wir leben, in dem wir
bestimmte Lebenszeit
verbringen,
die für unsere Lebensführung hoch
relevant ist und das beinhaltet,
dass wir uns zum
Beispiel mit Theorien der Sozialen
Arbeit auseinandersetzen,
Sie auf mein Buch aufmerksam
werden,
Sie ein so tolles Projekt
machen und, und,
und. Das machen Sie nicht nur,
weil sie gute Menschen sind
oder interessierte
Menschen oder eben Wissenschaftler,
sondern weil Sie Ihr Leben in
dieser Sozialität führen,
deren Teil ich in
gewisser Weise auch bin
und dass uns hierzu
zusammenführt. Das ereignet
sich also auf
der sozialen Ebene. Gleichzeitig
ereignet sich das auf der
psychischen Ebene, denn ich muss
heute Morgen auch aufstehen,
muss den Wecker stellen, muss
mich auf den Weg machen,
muss hier her,
mich mit ihnen treffen; also ich muss,
ich darf, ich kann ich und ich
möchte. Aber das sind
alles Verrichtungen,
die mein Erkenntnisapparat
voraussetzt,
der sich in einer bestimmten
Sozialität
geformt hat auf die bezogen
ich kompetent bin
und mit der ich dann eben
auch umgehen kann.
Das ist wichtig, weil wir
damit erklären können,
dass es eigentlich nur passende,
kognitive Strukturen gibt.
Es gibt keine einfach
außerhalb der Sozialität sich generierende
psychische Struktur,
sondern das passiert immer
in und in Bezug auf
soziale Strukturen und wenn
man es dann dynamischer
anschaut, dann werden die
Strukturen zu Systemen.
Ja, und wenn man jetzt Ihren
Ausführungen folgt,
passiert aber mit
Lebensführung etwas,
was wir auch als
Systembildung betrachten können.
Sie sprechen ja auch von
Lebensführungssystem und
das ereignet sich, wenn man so will,
oder Sie bezeichnen damit die
Tatsache, dass Lebensführung
eine selbst
organisierende Ausbildung
soziokultureller
Systeme ist oder
als solche vorstellbar ist
und bringen aber gleichzeitig auch
diesen Begriff der Synergetik
mit hinein.
Selbstorganisation
und Synergetik - zunächst einmal
Einsteigerfrage:
Passt das zusammen oder ist das
nicht möglicherweise auch ein
Widerspruch? Synergetik
kommt ja oder ist
ja im Prinzip eine physikalische
Theorie,
Vorstellungen
zirkulärer Kausalität.
Und wenn man solche
Begrifflichkeiten hört,
dann mag man sie nicht unbedingt
schnell mit dem Begriff der
Selbstorganisationsfähigkeit
von Systemen in
Verbindung bringen. Also Frage: Welche
Rolle spielt eigentlich die
Synergetik für Sie in Ihrer
Analyse von Lebensführungssystemen?
Also die Synergetik ist die Theorie
nichtlinearer Systembildung und
das heißt,
das ist die kompliziertere
Version von
Selbstorganisation. Wie entsteht
Ordnung? Aus spontanen
Aktivitäten von Elementen, was
auch immer diese Elemente
sind. Das ist die Grundfrage der
Synergetik und das ist im
Grunde auch die Grundfrage,
der man in der Sozialen
Arbeit nachgeht, wenn man
die Genese von sozialen
Problemen oder die Genese
des Gewordensein der
Menschen, die einem
gegenüber sitzen,
anschaut. Und wie gesagt,
die Grundannahme, die Radikalität
unseres Ansatzes,
besteht darin, zu sagen,
okay, diese
psychischen und die
sozialen Prozesse,
die sind miteinander
synchronisiert.
Das wiederum ist eigentlich
ein Begriff aus der
Synergetik mit der Synchronisation
und
verbunden mit dem Begriff
der zirkulären
Kausalität, die sich eben
organisiert auf
unterschiedlichen Systemenebenen.
In unserem Fall wären das
Systemebenen der sozialen Systeme,
die zirkulär verknüpft sind
mit den Individuen,
die in diese Systeme
integriert sind.
Und eine Ebene weiter drunter
wären dann die psychischen,
biopsychischen, physiologischen,
neurologischen Prozesse,
die eine wesentliche Komponente
der Lebensführung
ausmachen. Man kann
das noch über mehrere Ebenen hinweg
denken, aber für die soziale
Arbeit sind das eigentlich die
drei relevanten Systemebenen,
die eben über Prozesse
der zirkulären
Kausalität verbunden sind.
Das ist der Zusammenhang mit der Synergetik.
Das ist sozusagen das
zentrale Theorem, das wir
übernommen haben für die
Soziale Arbeit sowie Günter Schiepek
das für die Psychologie,
für die klinische Psychologie,
übernommen hat.
Vielleicht nochmal Zusatzfrage
eines absoluten Laien, was Synergetik
angeht, aber ich weiß so
viel, dass Synergetik
im Prinzip von
Hermann Haken als eine
physikalische
Theorie entstanden ist,
die im Prinzip auch
als mathematisches Modell solche
Zusammenhänge darstellbar
machen lässt. Kann man das
tatsächlich auch so
annehmen, dass diese Ebenen, die Sie
jetzt gerade beschrieben haben,
in geradezu
berechenbaren Wechselbeziehung
stehen,
die quasi
vorhersehbar sind? Also
es zu Musterbildungen
kommt, die dann in der
Tat ja auch für die
soziale Arbeit eine Orientierungsgröße
wären mit
Blick auf Interventionen
und dergleichen mehr?
Kann man sich das so vorstellen?
Ja. Also Berechenbarkeit,
das würde ich so nicht
sagen, weil da zu viele
- wie soll ich sagen?
Zu viele Unbekannte, zu
viele Variablen drin
sind. Bisher jedenfalls scheint
mir das nicht möglich und
das muss man auch nicht. Aber
den anderen Begriff,
den Sie genannt haben,
der ist entscheidend,
nämlich die Musterbildung.
Und das ist das,
was wir unter anderem in diesem
Buch nachgewiesen haben.
Wir haben nachgewiesen, in dem
Sinn, dass wir die zentralen
Muster von allen unseren
Probandnnen
nachgewiesen haben, das heißt,
rekonstruiert haben und
damit dann erklären konnten,
also die Lebensgeschichten dieser
Menschen zunächst mal
erklären konnten und dann auch die
Reintegrationsprozesse
mit ihren Mustern
in Zusammenhang bringen konnten
und dadurch sehr,
sehr gute,
griffige Erklärungen gefunden
haben und, und das ist eben
das Spannende für die soziale Arbeit,
gleichzeitig eben auch sich
in dieser Rekonstruktion die
Intervention wie abgebildet
hat. Das liegt dann wie auf der
Hand. Das heißt nicht,
dass es dann eine Kausalität
in dem Sinne
gäbe, dass, wenn ich jetzt hier schraube,
dann wird sich dieser Mensch
so verändern. So einfach
ist es nicht.
Gott sei Dank, möchte ich sagen,
weil das würde allen Manipulationen
Tür und
Tor öffnen.
Ja, allerdings. Ja, da werden wir
sicherlich gleich auch nochmal
darauf zurückkommen,
aber zunächst...
Ja, also im Gegensatz zu
Bommes und Scherr,
die in ihrer Soziologie
der Sozialen
Arbeit zu dem Ergebnis kommen,
dass die Soziale Arbeit
kein eigenes
sekundäres Funktionssystem
ist, sagen Sie,
das wäre sie sehr wohl; also sie
würde praktisch eine eigene
Systemautonomie genießen
wie das Rechtssystem,
wie Luhmann sagt, oder das
Bildungssystem oder
das Politiksystem und dergleichen. Wie
kommen Sie zu diesem Ergebnis?
Man muss sich ja einfach
mal angucken...
Also erstens:
Was sind Funktionssysteme?
Jetzt wieder bei Luhmann:
Funktionssysteme sind,
zurückgehend auf Dürkheim,
Funktionen, die aus der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung entstehen
und die einen so hohen Wert für
die gesellschaftliche
Reproduktion haben,
dass sich an ihnen entlang
eben solche
Funktionssysteme bilden können.
Und dann muss man eigentlich nur eine
Frage beantworten, nämlich:
Gibt es einen solchen Wert,
einen solchen gesellschaftlichen
Wert,
der eine dauerhafte Bearbeitung
erfordert, sodass sich darin auch
Ressourcen alimentieren
lassen und daraus
dann eben ein Funktionssystem
entsteht?
Es ist, glaube ich, relativ einfach
zu beantworten, dass es im Falle
der Sozialen Arbeit so ist.
Da muss ich ein bisschen
ausholen, weil
der Wertebezug entsteht
sozusagen aus
einer Ableitung, deshalb auch
sekundäres Funktionssystem,
nämlich das, aus der aus
der ersten Runde der
primären Differenzierung sich
sozusagen Folgeprobleme
ergeben haben, nämlich Folgeprobleme
der Integration
und zwar der Integration der
Gesellschaft und erst in
einem zweiten Schritt dann auch
natürlich der Individuen,
deren Lebensführung von diesem
gesellschaftlichen
Integrationsproblem betroffen
ist. Wenn das stimmt,
also wenn ich damit recht habe, dass
eine Gesellschaft in dieser
Gesellschaftsform, kapitalistisch,
demokratisch,
strukturiert, funktional,
differenziert,
ein strukturelles Integrationsproblem
gibt, dann muss sich
nach Luhmann darin
eine Funktion entwickeln,
die auf Dauer bearbeitbar
ist und in der Logik der
funktional differenzierten Gesellschaft
muss das dann ein
Funftionssystem werden.
Typischerweise sind übrigens
dann bestimmte
Akteursgruppen diejenigen,
die solche Funktionssysteme vorantreiben
wie zum Beispiel im
Recht die Juristen,
in der Medizin die Mediziner,
in der Schule die Lehrer und
in der Sozialen Arbeit
die Sozialarbeiter, die Profession
der Sozialen Arbeit.
Und wie sähe die Codierung dann aus?
Also wir haben ja in der Regel
Recht, Unrecht oder Zahlung, Nichtzahlung
im Wirtschaftssystem.
Wie würden Sie denn das hier sagen?
Ist das Integration und nicht
Integration?
Nee, eben nicht,
sondern mit
Luhmann oder Becker damals:
Hilfe - nicht Hilfe,
und das macht es eben dann so
schwierig, jetzt in der Theorie,
der Luhmannschen Theorie, weil
es wie noch einmal eine
Ableitung braucht, damit
man dann eigentlich zu
einem vernünftigen Code kommt.
Ich habe sozusagen für mich diese
Debatte dann an einer
bestimmten Stelle ad acta
gelegt und gesagt:
Okay, ich betrachte das historisch.
Ich betrachte das sozusagen
empirisch.
Es gibt hier ein über mehr als
hundert Jahre sich verstetigendes
Funktionssystem,
das typischerweise auch übrigens ja
in den Transformationsländern
sofort entstanden ist,
nachdem die Transformation von den
sozialistischen Gesellschaften
in eine kapitalistische
vollzogen wurde,
weil dann sofort das
gesellschaftliche
Integrationsproblem auftaucht. Insofern
ist für mich nicht mehr die
Frage nach dem Code relevant.
Das dürfen dann "Luhmannjaner"
ausmachen,
ob das geht oder nicht geht.
Ist denn aus Ihrer Sicht die Soziale
Arbeit dann die zentrale
Institution für die Bearbeitung von
Folgen sozialer Ungleichheit, also
die zentrale Institution?
Von sozialer Ungleichheit,
die im Prinzip dieses
Integrationsproblem,
also dieses strukturelle Integrationsproblem
zum Ausdruck
bringt. Und dazu braucht
es dann eben
den Wertebezug. Das
ist nicht der Code
sozusagen im Luhmannschen Sinn,
sondern jetzt eben aus einer
anderen theoretischen Perspektive.
Was sind die Werte,
die mit dem Integrationsproblem
dieser
Gesellschaft eigentlich
zur Debatte stehen?
Es sind, meines Erachtens,
die demokratischen Grundwerte
und zwar
deshalb, weil die Demokratie, also
die Idee der Demokratie,
nicht unbedingt ihre gesellschaftliche
Realisierung,
die Teilhabe aller, des Volkes,
also alle sind immer
alle einzelne auch,
als Grundmaxime, als
Grundwert auf...
Daraus entsteht überhaupt,
dass es ein Problem ist.
Soziale Ungleichheit war
viele Jahrtausende
nicht unbedingt ein Problem.
Manche Leute hatten ein
Problem, aber gesellschaftlich
war das kein Problem.
Erst mit der Idee der Demokratie
und der Teilhabe aller wurde
soziale Ungleichheit
zu einem Problem,
das gesellschaftlich relevant
ist und zwar zentral,
nicht an der Peripherie.
Dieses Integrationsproblem
muss gelöst werden.
Wir können das zurzeit
wunderbar beobachten,
also wunderbar in den europäischen
Gesellschaften,
also global eigentlich,
wie die einzelnen Nationalstaaten
und die
Gesellschaften insgesamt an diesem
Integrationsproblemen zu kämpfen haben
und daraus sich auch wieder
diese rechten populistischen
Strömungen
alimentieren.
Sie sagen ja auch, dass
die soziale Arbeit als
Profession vor allen Dingen
auch sich um die
Krisen von problematisch
gewordenen Dynamiken,
Lebensführungsprozessen, kümmert
und diese bearbeitet.
Und das aber eben nicht nur,
wie man meinen könnte,
in Anführungszeichen,
in den unteren Schichten, sondern
durchaus auch für die Themen der
mittleren, oberen Schichten, wenn
man diesen Schichtbegriff nehmen
will, zuständig ist.
Ja, ich hatte das so geschrieben.
Im Prinzip wäre sie
dafür zuständig,
weil natürlich auch in den oberen
Gesellschaften das Lebensführungssystem
in
Schieflage, wenn man das so nennen
will, geraten kann und dann
die soziale Arbeit eigentlich
kompetent wäre,
dort zu helfen.
Aber zuständig ist nochmal
was anderes.
Zuständig ist sie im Prinzip dort,
wo das gesellschaftliche
Integrationsproblem
Formen der Lebensführung
entstehen lässt,
die eben diese Menschen
als am Rande kodierbar
macht. Und die Klassiker:
eben Armut,
Arbeitslosigkeit, Devianz,
das sind die Themen, für die Soziale
Arbeit dann tatsächlich
zuständig ist, aber prinzipiell, es
ist praktisch ein Gedankenspiel,
wäre sie auch durchaus zuständig,
wenn die Familie Agnelli
Fiat Ferrari
sich so reproduziert, dass sich
dann eben einer ihrer Söhne
umbringen muss. Das wäre
durchaus ein soziales
Problem, ein Lebensführungsproblem,
für das Soziale Arbeit hilfreich
sein könnte.
Aber diese Menschen haben andere
Ressourcen und sie
zählen sozusagen nicht in
das gesellschaftliche
Integrationsproblem. Wobei Sie ja
mit Ihren Veröffentlichungen zur
betrieblichen Sozialarbeit
durchaus auch da Wege
gezeigt haben, wie auch in Dax-Konzernen
oder auch in großen
Konzernen,
durchaus Soziale Arbeit da
Lösungsmöglichkeit hat.
Dafür muss man das Integrationsproblem
noch einmal
ein bisschen anders schneiden,
weil die soziale Arbeit dort
sozusagen mittendrin ist
an dem zentralen
Motor der gesellschaftlichen
Integration,
nämlich Arbeit und wenn Soziale
Arbeit dazu beitragen kann, dass
jemand nicht aus einem
Betrieb ausscheidet,
dann leistet sie sozusagen
wieder einen Beitrag
zur Bekämpfung des
Integrationsproblems. Und
das kann durchaus auch
dann in ganz andere Geschichten
gehen, aber über das Vehikel
sozusagen des
Wirtschaftssystems,
indem die soziale Arbeit
dort angedockt ist.
Praktisch präventiv tätig
werden, nicht?
Genau.
Wenn ich mir das vorstelle,
was Sie da beschreiben
oder Ihre Theorie mir anschaue,
stelle ich mir die Frage:
Warum sollte die Soziale
Arbeit mit Ihrem
Theorieansatz arbeiten?
Was hat Sie davon?
Also das erste ist:
Ich glaube,
dass es notwendig ist in der
Sozialen Arbeit,
Theorieansätze zu verfolgen,
die diese Zusammenhänge zwischen
sozialem Geschehen, sozialen
Prozessen und Strukturen
und dem individuellen
Geschehen und den
internen Prozessen und Strukturen
gut erklären kann,
damit man dann auch
diese passgenauen
Interventionen entwickeln kann,
die auf diese Dynamiken
zählen. Und das macht diese Theorie
zugänglich. Ich hatte das vorhin ja
schon mal angedeutet in Bezug
auf
die Fälle, die wir da
bearbeitet haben,
dass wenn man die Muster
identifizieren
kann, dann kann man sich ganz
andere Überlegungen zur
Intervention machen,
als ohne das.
Als Beispiel: Ein
Fall, der da drin beschrieben ist,
ist ein klassischer Fall von
Depression und übrigens
auch in einer höheren
gesellschaftlichen Schicht,
die sich so weit
steigert... Also das sind ja Spiralen
zu Abwärtsspiralen,
dass am Ende ein Suizidversuch
stand und die Einlieferung
in die Psychiatrie.
Jetzt kann man diese Krise,
diese Depression behandeln.
Das ist die Aufgabe
der Psychiatrie, nicht unbedingt
der Sozialen Arbeit,
aber wenn man die Perspektive
der Sozialen Arbeit da
mit reinnimmt,
dann sieht man mit den Mitteln...
Also wir haben aus diesem
Forschungsansatz ja auch
eine Diagnostik entwickelt
und man sieht mit
den Mitteln dieser Diagnostik
dann diese Muster
und kann dann andere Sachen
machen. Zum Beispiel,
das klingt jetzt ganz banal,
war in diesem Falle
aber eine unglaublich wirksame
Intervention
nämlich den Chef dieses Menschen
dazu zu bringen, ihm alle
zwei Wochen ein Feedback
zu geben, wie er seine Arbeit
einschätzt. Damit ist die
Depression verschwunden
und der Mann war
"sozialarbeiterisch" sozusagen
geheilt. Was ich damit sagen
will: Der
besondere Wert, der meines
Erachtens damit
zusammenhängt, hat mit
dieser theoretischen
Orientierung zu tun, die
darauf hinausläuft,
dass man Dynamiken sehr gut
beschreiben,
rekonstruieren und eben auch erklären
und damit eben auch,
wenn man so will, behandeln kann.
Der zweite Punkt ist
in diesem Kontext: Am gleichen
Beispiel entlang,
kann man sich das vor Augen führen.
Wenn die Soziale Arbeit zum Beispiel
in einem Bereich wie der
Medizin,
wie dem Gesundheitswesen
anschlussfähig sein
will, dann braucht sie
eine Position,
mit der sie beispielsweise
an dem biopsychosozialen
Modell deutlich machen kann,
wo ihre Interventionen
ansetzen. Und das kann
man mit dieser
Arbeit sehr gut. Das Buch, das wir
geschrieben haben zur klinische
Sozialarbeit, da ist
sozusagen einmal
durchexerziert, wie das
genau aussieht.
Und das dritte ist eben, wieder
in diesem Zusammenhang,
dass man mit dieser Theorie
sehr viel Wissen
integrieren kann. Das heißt,
sehr viel Objekt theoretisches
oder empirisches
Wissen einziehen kann,
um es für die
Soziale Arbeit, auch für
die Theorie einerseits,
aber eben auch für die
Praxis nutzbar zu
machen.
Ihr Modell zeigt auf,
dass Soziale Arbeit,
wie Sie schreiben,
an der Bearbeitung der strukturellen
Kopplung der
Systemebenen anzusetzen hat,
wobei
die darin eingesetzten
Verhaltensmuster
zwar sich einer direkten Steuerbarkeit
entziehen kann,
Soziale Arbeit aber dennoch
gewisse Spielräume
auslotet, die dann
eben zu einer Modifizierungen
von Lebensführung
gelangen kann. Wie muss man
sich das vorstellen:
Modifizierung bezogen
auf Strukturen und
Personen? Strukturelle
Kopplung - gut, da kann ich gucken,
was ist da los. Das ist analytisch
interessant,
aber verändern
lassen sich, zumindest im
Luhmannschen Sinne,
ja strukturelle Kopplung nicht,
sondern das ist etwas,
was die Systeme selber mehr oder
weniger besorgen.
Aber Sie weisen eben darauf hin,
dass es Spielräume gibt
konkret bei der Lebensführung
etwas zu
modifizieren. Heißt das,
ich beziehe mich da wieder stärker
auf die Intervention
in Richtung Person, weil ich
in Richtung Struktur
eigentlich gar nichts machen kann?
Oder wie muss man sich das
vorstellen? Also die Modifizierung:
Was modifiziere ich da?
Es geht eigentlich, ähnlich
wie Thiersch das mal
gesagt hat, um das Ausloten
des Möglichen im
Gegebenen. Das ist
eigentlich der Punkt. Und der
Ausgangspunkt ist aber jetzt
eben, wenn man das mit Integration
und Lebensführung anschaut,
dieses
dynamische Zusammenspiel
von dem Individuum,
also unserem Klienten,
unserer Klientin,
mit seinem Lebensführungssystem
und das Lebensführungssystem
sind alle die konkreten
Handlungssysteme,
in die ein Mensch eben integriert
ist - gut oder schlecht,
und in gewisser Weise auch
manchmal welche,
aus denen man ausgeschlossen
ist. Aber vor allem die,
in die man bereits integriert
ist; da kann man sich ja fragen:
Wie funktioniert diese strukturelle
Kopplung?
Wie funktioniert jetzt dieses
Integrationsarrangement zum
Beispiel einer Familie?
Wenn ich jetzt jetzt darin sehe,
okay, dieser Mensch, mit
dem wir eigentlich
arbeiten, also den wir als Klient,
Klientin bezeichnen,
ist dort auf eine
Art und Weise integriert,
die zum Beispiel Ausbeutung,
sexuelle Ausbeutung heißt
oder die man so
benennen kann, dann kann man jetzt
mit diesem Kopplungsmechanismus, nämlich
der sexuellen Ausbeutung,
arbeiten und nicht nur mit dem
Menschen, mit dem Individuum,
das uns da gegenübersitzt, sondern
eben, wenn möglich,
mit dem ganzen System -
jetzt in diesem Fall
der Familie oder wie ich
es vorhin genannt habe,
gezeigt habe oder kurz
erwähnt habe,
mit dem Chef im Betrieb
mit ganz kleinen
Interventionen. Das ist jetzt nicht
die Koppelung als solche,
die dadurch verändert wird,
aber die Dynamik, die...
Es wird sozusagen wie ein neuer
Regelkreis mit eingebaut,
der vielleicht eine
positive Wirkung
hat.
Ja, mit ihrem Modell zeigen
Sie ja auch die Dynamik,
die die untersuchten
Lebensführungssysteme im Prozess
der Reintegration
einnehmen. Sie sprechen
von dem sogenannten
Verlaufskurvenmodell. Können
Sie das vielleicht kurz
umreißen, was man sich darunter
vorstellen soll?
Verlaufskurvenmodell...
Also Verlaufskurvenmodell
ist ein Begriff von
Strauss
aus der (Brown Theory?)
und das Verlaufskurvenmodell,
das eigentlich schon am Anfang des
Forschungsprojektes
sich abgezeichnet
hatte, war: Okay,
die Leute werden psychisch krank.
Das heißt, es gibt eine Krise,
sie werden stationär eingeliefert,
dort behandelt und nachher
müssen sie
wieder raus in ihre normale
Lebenswelt.
Das ist sozusagen die
Grundstruktur des
Verlaufskurvenmodells, das
insofern interessant war,
weil man dann sehen
konnte, dass in der Phase,
die man stationär jetzt
nennen kann,
sich diese krisenhafte
Dynamik beruhigt.
Das gilt übrigens auch für das
Gefängnis interessanterweise.
Dass aber und das konnten
wir dann eben
auch mit der Forschung zeigen, wenn
die Leute wieder rauskommen,
dann eine neue Krise stattfindet
und zwar
gesetzmäßig in allen Fällen.
Okay wir hatten da nur
20 Fälle, aber in allen
Fällen entsteht beim
Austritt eine massive Krise,
die eigentlich bearbeitungs-,
begleitungsbedürftig ist. Und
das findet praktisch nicht
statt.
Genau. Also das Verlaufskurvenmodell
zeigt ja im Prinzip auch und
eröffnet auch Chancen und die Möglichkeiten,
aber zeigt auch die
Notwendigkeit der Entwicklung
passgenauer Interventionen
durch die Soziale
Arbeit. Dazu müsste es aber in ein
Prozessmodell überführt werden.
Das haben Sie dann ja auch
gemacht und bei dem
Prozessmodell dann
eine interessante Feststellung
getroffen.
Sie zeigen ja auf, dass Soziale
Arbeit im eigenen
Lebensführungssystem offensichtlich
kaum relevant ist.
Sie bezeichnen das selber als
einen sehr unerfreulichen
Befund; nachvollziehbar.
Haben Sie eine Erklärung
dafür? Oder welche
Schlussfolgerungen ziehen
Sie daraus?
Hat Soziale Arbeit eben noch
nicht diesen Stand von
Wirkungsmächtigkeit
in der Wahrnehmung ihrer Zielgruppe
erreicht oder woran
liegt das?
Ja, also das war ein Befund
eben aus der damaligen
Zeit. Das war ja oft eine Frage:
"Was hat Ihnen geholfen?"
Und bis auf
eine Ausnahme hat niemand
die Soziale Arbeit
erwähnt. Und das ist in der Tat ja
unerfreulich, vor allem, wenn man
sich ja mit der Profession
auch beschäftigt.
Und die Erklärung ist
aber gleichwohl...
Also es sind zwei Dinge,
die man da anführen kann: Das eine ist,
es ist schlechte Sozialarbeit.
Also die waren mit schlechter
Sozialarbeit
verbunden.
Schlecht in dem Sinne
und das ist natürlich deshalb nicht
ganz zutreffend mit dem schlecht,
weil wenn man den
Maßstab sozusagen anlegt,
mit der Perspektive, die
man von außen sieht,
dann sieht man, dass da bestimmte
Dinge nicht gemacht worden sind,
die man dann von außen als schlecht
bezeichnet oder als fehlend
bezeichnen kann.
Umgekehrt, das ist die zweite
Schiene, ist es so,
dass natürlich typischerweise
so ein Klinik-Sozialdienst
in der Riesenpsychiatrie
ein winzig kleiner
Player ist. Den sehen
die Leute ein-,
zweimal und von daher
ist es relativ klar, dass das
nicht so unmittelbar in
ihrem Fokus ist.
Aber interessant ist eben,
dass bei ganz vielen dieser
Leute, die gesagt haben,
die Soziale Arbeit...
also die die Sozialarbeit nicht
als hilfreich kodiert haben,
dass die gar nicht leben könnten
ohne die Soziale Arbeit,
also ohne Sozialhilfe,
ohne soziale Sicherungssysteme,
ohne zum Teil auch die Infrastrukturleistungen,
die diese Leute, der Klinik-Sozialdienst
damals für
sie organisiert hat.
Und das wiederum ist jetzt
aber spannend,
finde ich, für uns und für
die weitere Entwicklung,
weil wenn man möchte,
dass die Soziale Arbeit im
Bewusstsein der Menschen
als hilfreich kodiert wird,
dann muss man sich ja
fragen: Was würde denn
den Unterschied
machen? Also, man kann natürlich
immer sagen: Na gut,
man muss besser kommunizieren, dass
man die Infrastrukturleistung
macht und dass die Leute dann auch
verstehen, das kommt von der
Sozialen Arbeit. Das ist
vielleicht auch was.
Aber das andere ist eben genau
dieses Prozess bezogene.
Dass die Soziale Arbeit,
so wie sie eben auch
organisiert ist,
viel zu wenig sozusagen
mit dem Prozess der
Menschen mitgeht, weil wenn
sie das tun würde...
Und wir haben jetzt in einem aktuellen
Forschungsprojekt im
Suchtbereich einige Anhaltspunkte.
Dort werden Menschen zum
Teil über Jahre von der
Beratungsstelle begleitet
und die sagen das
anders. Die sagen eben,
die soziale Arbeit ist so wichtig,
dass sie freiwillig noch jahrelang
monatlich in die Beratungsstelle
gehen, weil sie das so
stark stabilisiert, dass dann eben
auch Rückfälle vermieden
werden können und wenn dann
mal ein Rückfall passiert,
sehr schnell die passende Hilfe
organisiert werden kann auf einer
Basis von einer vertrauensvollen
Beziehung, die dann auch greift.
Und die, die nennen Soziale Arbeit
dann als...
Haben Sie vielleicht auch
Hinweise dafür gefunden,
dass di Nichtwahrnehmung,
sage ich jetzt mal neutral,
der Relevanz Sozialer Arbeit
etwas mit der normativ ethischen
Orientierung zu tun
haben könnte? Also ich versuche jetzt
so ein bisschen den Bogen noch
einmal in Richtung
normative Grundlagen,
ethische Grundlagen zu
bringen. Sie sprechen sich ja deutlich
für den Capability Approach
aus, als einen möglichen
Bezugsrahmen auch
für
Gerechtigkeitsurteile.
Also a) die Frage: Gibt es da
überhaupt Verbindungen?
Also werden Sozialarbeitende
eher so als
neutrale Dienstleister wahrgenommen
und nicht mehr mit einer klaren
normativ, ethischen Kontur?
Und die zweite Frage wäre: Weshalb
ist der Capability Approach für
Sie aussichtsreich in der weiteren
Theoriebildung?
Also zur ersten Frage müsste
ich spekulieren. Ja, okay.
Also die Forschung hat da
keinen Hinweis gegeben? Ja.
Und das zweite ist natürlich genau,
dass es ja so einen normativen
Zielhorizont braucht und
wenn man jetzt nicht
paternalistisch sozusagen
das vorgeben will
und ich denke, da ist
die soziale Arbeit
nicht mehr an der Stelle,
dann
braucht es
normative
Möglichkeiten, die
alternativ
dazu gedacht werden könnten und
dazu ist der Capability
Approach sehr gut geeignet.
Das zweite und für mich eigentlich
das Ursprüngliche,
das Entscheidende, war
und vieles hängt eben
an diesem Lebensbegriff,
also Lebensführung und diese
Idee des guten Lebens,
das hängt schon auf der
semantischen Ebene sozusagen
ein Stück weit zusammen,
aber wenn man dann auch sich über
Lebensführung und die Bedingungen,
die es dafür braucht,
Gedanken macht, was wir ja
machen mit diesem Ansatz
und man dann vor allem die
Schriften von Nussbaum
dazu nimmt, dann sieht man, dass
das eigentlich dieselbe
Grundkonstruktion ist, dass es in
dem Begriff der Befähigungen
ja darum geht,
einerseits sozusagen die individuelle
Kompetenzbildung sich
anzuschauen, aber andererseits
eben auch auf der
sozialen Ebene die Verwirklichungsmöglichkeiten,
die Verwirklichungschancen anzugucken
und dass Befähigungs-
und Verwirklichungschancen sozusagen
ineinander laufen,
so wie in unserer Theorie eben
Integration und Lebensführung
ineinander laufen. Und von daher
ist es sozusagen ein
Matching aus Zufall erst mal,
dass man dann aber natürlich gerne
aufgreift.
Das Interessante bei ihrer Arbeit
ist ja, dass Sie zeigen,
wie Sie mit Forschung
auch die Praxis unterstützen,
entwickeln und auch voranbringen können
oder wie die Soziale Arbeit
als Handlungswissenschaft
sich weiter etablieren
kann oder auch weiter entwickeln
kann. Und sie sprechen dann
immer von einer kooperativen
Wissensbildung.
Können Sie das mal
erläutern?
Ja, das ist aus unserem...
Der
Anfang meiner Forschungskarriere
hat darin bestanden, dass ich mir immer
die Soziale Arbeit angeguckt
habe und ich schwöre das, ich habe
immer nach guten Beispielen
gesucht, wo man zeigen kann, warum
Soziale Arbeit gut ist und
alle Ergebnisse waren immer
niederschmetternd,
also was die Professionalisierung
der Sozialen Arbeit angeht,
was da passiert, zum Beispiel
auf den Segelschiffen.
Das war einfach nicht das,
was ich mir vorgestellt
hatte. Und deshalb
habe ich dann auch aufgehört da zu forschen,
weil es sich immer wieder
reproduziert hat. Und dann war
aber die andere Frage:
Woran liegt das? Das kann doch nicht
sein. Das kann doch einfach nicht
sein. Das sind gute Konzepte
zur Erlebnispädagogik.
Deswegen bin ich darauf gestoßen.
Ich bin auch Segler.
Aber das waren überzeugende
Konzepte.
Und wieso gelingt das nicht,
solche überzeugenden Konzepte
in der Praxis umzusetzen?
Und ob das jetzt stimmt oder nicht:
Wir sind damals zu dem Schluss
gekommen, dieser
Transmissionsriemen der
Bildung und der
Publikation, was ja lesen
dann wieder voraussetzt,
der funktioniert nicht oder nicht
gut genug. Und Was wären
Alternativen?
Und da sind wir auf die Kooperation
gekommen. Also dass,
wenn eine Praxis versucht,
sich weiterzuentwickeln, dass dann
eigentlich ein Anlass strukturell
gegeben ist, in dem Wissenschaft und
Praxis zueinander finden können
und kooperativ, also auch wieder
nicht paternalistisch:
"Wir wissen, wo es lang geht",
sondern zu sagen: "Okay,
ich weiß einiges. Ihr wisst einiges.
Wie kriegen wir diese
Wissenshorizonte ineinander
verschränkt und was
entsteht daraus? Das
ist gemeint mit der
kooperativen Wissensbildung mit dem
unmittelbaren Nutzen für die
Praxis, wenn es funktioniert
und dem mittelbaren Nutzen
für die Wissenschaft, also
die Erkenntnisse,
die da gewonnen sind,
dann wieder im Wissenschaftssystem
weiterzuverarbeiten.
Vielleicht an der Stelle nochmal eine
Kritik, die zum Beispiel von
Göppner kam, dass ja im Grunde
genommen auch möglicherweise
ein Problem
daraus entstehen kann, wenn
man immer nur die
Probleme der Praxis
wissenschaftlich
dialogisch erforscht.
Dann kommt man auf nichts
anderes mehr,
als auf Praxisprobleme.
Ich
meine, dass ich Sie immer so verstanden
oder so gelesen habe,
dass es Ihnen nicht nur
darauf ankommt,
Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft
auszubuchstabieren,
sondern auch, wenn man so will,
eine Verschränkung zu Reflektionswissenschaften
herzustellen, also in gewisser
Weise auch sich
der wissenschaftlichen
Reflexivität auch
auszusetzen in dem, was
da in der Praxis
gemeinsam erforscht wird.
Habe ich Sie da richtig verstanden
oder würden Sie
das strikt trennen und sagen:
Naja, es gibt solche,
die sollen ihre Reflektionswissenschaft
machen,
aber die
Sozialarbeitswissenschaft oder die
Wissenschaft der Sozialen Arbeit
sollte doch sich streng
eben auf das beziehen,
was in der Praxis an Problemen angezeigt
wird und dafür möglichst
gute Lösungen finden?
Also es ist für mich überhaupt
keine Trennung,
sondern die handlungswissenschaftliche
Komponente oder das,
was die Handlungswissenschaften
insgesamt
eigentlich unterscheidet von
Grundlagenwissenschaften,
ist eben,
dass sie zusätzlich,
und das ist ganz
wesentlich, zu den
Fragen, die auch Grundlagenwissenschaften
bearbeiten,
eben noch diese handlungstheoretischen
oder man kann dazu
eben auch technologischen Fragen
sagen, bearbeitet.
Das ist eine Erkenntnis und
wissenschaftstheoretische
Position, die sehr solide ist
und die auch überhaupt
nichts Ehrenrühriges hat.
Der Witz ist wirklich:
Man kann keine technologischen
Aussagen
machen, also handlungstheoretischen
Aussagen, wenn man den Begriff
vermeiden will, ohne
etwas zur Genese der Problematiken
jetzt in unserem
Fall oder auch der Genese der Welt,
wenn man das physikalisch
angucken will... Man kann
keine technologischen
Aussagen machen, wenn
man das andere nicht
auch bearbeitet. Und das ist
zum Teil Aufgabe der
Grundlagenwissenschaften, also der Soziologie,
der Psychologie und so
weiter. Aber man
bekommt eine andere
Frageperspektive,
wenn man dieses Wissen
testet unter der Frage:
Wie komme ich von A nach B? Was
muss ich machen mit einem
wenn
sie mal einen Blick in
die Zukunft wagen:
Also Ihrem Ansatz
folgend, forschungsbasiert, auf
forschungsbasiertem Weg zu einer
Theorie der Sozialen
Arbeit zu gelangen, sehen Sie da
bestimmte Herausforderungen,
denen sich Soziale Arbeit stellen
muss als wissenschaftliche
Disziplin auch als
Profession? Ich weiß, das
sind zwei getrennte
Ebenen, aber vielleicht können Sie
mal so schlaglichtartig uns
angeben,
ob Sie da besondere Herausforderungen
sehen, die dann ja auch für
eine forschungsbasierte
Strategie interessant wären?
Die große Herausforderung
allerdings ist,
das frage ich, ob ich das jetzt
schlaglichtartig schaffe...
aber die große Herausforderung
würde darin bestehen,
dass sich die Soziale Arbeit tatsächlich
als Wissenschaft
konsolidiert
und das heißt,
wenn man es wirklich schlagwortartig
wagen
will, dann heißt das, dass
es so etwas geben muss
wie Leitorientierungen. Ich meine,
Ihr Projekt zeigt das ja wunderbar:
die Soziale Arbeit differenziert
sich auf
wissenschaftlicher Ebene
immer weiter aus.
Es gibt immer mehr theoretische
Ansätze und die sind
untereinander mehr oder weniger
unverbunden oder
nur sehr lose verbunden.
Und das kennzeichnet das,
was Kuhn seinerzeit mal
als Protowissenschaft
bezeichnet hat, dass sehr viele
Aktivitäten zwar stattfinden,
dass die Disziplin als solche
etabliert ist, aber,
dass das
wie kein gemeinsames Ding
ist, sodass die Kraft,
die darin eigentlich die ganze
Zeit am Laufen ist,
wie auf einen Transmissionsriemen
kommt und dann sozusagen den
wissenschaftlichen Fortschritt
so richtig ins Laufen bringt.
Und das sehe ich eigentlich
genau als die große
Herausforderung,
dass die Soziale Arbeit sich
darüber zumindest mal
Gedanken machen müsste,
ob solche Leittheorien denkbar
sind oder ob das nicht mehr
zeitgemäß ist oder
welche Vorurteile damit
entstehen könnten. Ich
sage das als Forscher
und als Forscher und
als Gutachter von
Forschungen, die ich so nebenher
auch natürlich
immer noch mache.
Es ist zum Teil frappierend,
wie wenig Bezug genommen wird
aufeinander und ich nehme mich
da überhaupt nicht aus,
also das ist nicht die Frage,
und wie wenig Verständnis dann
auch möglich ist in ganz
basalen Fragen
eigentlich der Sozialen Arbeit oder
eben in einem Forschungsfeld der
Sozialen Arbeit und dann sehr viele
Leute immer wieder von vorne
anfangen mit dem Älterwerden. Nimmt
man das dann irgendwann
auch mal wahr? Das hatten wir eigentlich
vor 20 Jahren auch schon
mal. Vielleicht muss das so sein,
das mag ja sein,
aber jedenfalls da, glaube ich,
hätte die Soziale Arbeit
Riesenpotenzial. Da liegt viel im
Unbearbeiteten, wo die
soziale Arbeit einen
Riesenfortschritt machen könnte.
Und das hat eben auch einen
Zusammenhang mit der Profession,
weil ich glaube,
dass, wenn man
eine verlaufsbezogene, eine Lebenslauf
bezogene Soziale Arbeit,
eine prozessorientierte
Soziale Arbeit sich
vorstellen mag,
dann könnte man einen Wissenskorpus
aufbauen. Ich habe es vorhin
schon mal erwähnt,
für die klinische Sozialarbeit
in der Psychiatrie,
im Gesundheitswesen, haben wir
das mal durchexerziert,
wo man einen Kanon jetzt auf
der Methodenebene entwickeln könnte,
den man lehren kann,
der für die Identitätsbildung der
Studierenden sehr viel
einfacher wäre und
auch für die, das ist allerdings
nur eine Unterstellung,
aber das glaube ich,
für die Wirksamkeit, die wir mit
der Sozialen Arbeit erzielen
können.
Wie schätzen Sie denn, wenn Sie diese
Herausforderung so beschreiben,
die Perspektive Ihrer Theorie
bezogen auf diese
Herausforderungen ein?
Klar. Das ist
immer schwierig, das über seine
eigenen Sachen zu sagen.
Aber was
ich sagen kann ist,
dass das ein theoretischer
Ansatz ist,
der eben Wissen integrieren kann,
der in der Lage ist,
so einen professionellen
Wissenskorpus mit den
notwendigen theoretischen
Komponenten so auszustatten,
dass man dann tatsächlich
auf der Verfahrensebene und auf der
Forschungsebene sehr,
sehr weitreichende Forschung machen
könnte und damit eben zu so
einer Konsolidierung
beitragen könnte.
Insofern wäre das für mich ein
Kandidat für diese Zukunft
der Wissenschaft der
Sozialen Arbeit
und andersherum formuliert an
alle anderen sozusagen:
Das wäre für mich das
Prüfkriterium,
ob eine Theorie der Sozialen
Arbeit taugt als
Leittheorie,
dass sie eben solche Arbeitsfeld
spezifischen Wissenskorpi
alimentieren kann,
theoretisch fundieren kann.
Und dann müssten wir uns auch
nicht unbedingt streiten.
Also nichts gegen Diskurse.
Das ist schon okay.
Aber es muss auch
irgendwann mal Kriterien geben,
auf die wir uns verständigen
müssten, die sich dazu eignen
würden, Theorien dann auch
zu prüfen und mit
prüfen meine ich jetzt, das
muss natürlich greifen,
da müssen sich Leute einschreiben,
die müssen darin forschen und
dann muss sich das als tragfähig
erweisen. So prüfen,
nicht ein Gremium, das jetzt sagt,
dass es eine gute Theologie ist,
nur um sicher zu sein,
dass ich da nicht
falsch
verstanden werde.
Vielen Dank, Herr Sommerfeld,
für das Interview.
Sehr gerne. Danke Ihnen.
Und wir kommen jetzt zum
letzten Abschnitt,
zu den Fragen zu den
Studierenden und dergleichen. Das
ist dann meist imt einem Cut
versehen und dann kommen wir
zu einem letzten Punkt.
Die erste Frage: Warum
ist es eine gute
Idee Soziale Arbeit zu studieren?
Es ist für all die Leute
eine gute Idee Soziale
Arbeit zu studieren, die sich für
Menschen und Gesellschaft
interessieren, weil es dann
eigentlich nichts
Faszinierenderes, nichts
Spannenderes gibt,
was ich kenne,
jedenfalls nicht.
Wenn man sich für das gesellschaftliche
Leben und für die
Menschen darin und vor allem auch natürlich
dann letzten Endes für die
Menschen darin, denen es
nicht so gut geht,
wenn man sich für die interessiert,
dann ist die Soziale Arbeit ein
unglaublich faszinierendes Fach.
Und es ist an
Entwicklungsmöglichkeiten
praktisch unbegrenzt.
Wir sind jung,
wir sind noch lange nicht am Ende
der Geschichte.
Wenn wir uns die Studierenden vorstellen
oder die Menschen vorstellen,
die sich dann entschieden haben
und im ersten Semester sind:
Welchen Tipp würden Sie Erstsemester-Studierenden
mit auf den Weg
geben?
Lesen. Punkt. Und zwar Theorien.
Klassiker,
also Theorien zur Sozialarbeit.
Klar,
primär Theorien der
Sozialen Arbeit.
Ihr Buch, das gibt einen Einstieg,
aber dann weiter.
Ja, vor allen Dingen aber
auch Primärliteratur.
Eben: Primärliteratur und
zurück. Das war übrigens
auch noch ein Tipp.
Am Anfang haben Sie mich ja nach einem
Tipp gefragt; den habe ich auch
mal bekommen: Klassiker lesen,
also Simmel, Marx,
Bourdieu, wenn man jetzt die
soziologische Ecke anguckt,
da weiß ich mehr Bescheid.
Aber Piaget, Psychologie,
das ist auch einer,
den ich gelesen habe. Ebenso
wie Freud. Ich weiß nicht,
ob Freud noch irgendeinen
Wert hat heutzutage,
aber die Denkschule...
Selbst wenn man Theorien liest,
wo man sagen wird,
okay, so in der Form kann man
die heute nicht mehr nehmen,
aber die Denkschule,
die darin steckt,
das kann man nicht übertreffen.
Und wenn Sie sich die Studierenden vorstellen,
die kurz vor Abschluss
ihres Studiums stehen und mit einem
Bein schon halbwegs in der Praxis?
Was würden Sie denen mit
auf den Weg geben?
Vertiefen. Das, was sie im ersten
Semester gelesen haben, nochmal
vertiefen, nochmal rangehen.
Im Zusammenhang mit
der Bachelor-oder
Master-Thesis ist das ja
dann sowieso noch mal
angesagt. Man kann sich keinen
größeren Gefallen tun, als
eine Position sich
zu erarbeiten in diesem
schwierigen und auch
auf schwankendem Boden
sich bewegenden
Feld der Sozialen Arbeit. Da braucht
man eine eigene Position und die
muss in professionellen
Kontexten zumindest
fundiert sein.
Und da kann man sein ganzes Berufsleben
davon profitieren.
Auch in schnell sich verändernden
Zeiten.
Zum Abschluss unsere Frage
nach einem Buchtipp.
Wenn es so etwas gäbe, wie
das wichtigste Buch,
das alle Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen
gelesen haben
sollten: Welches Buch würden
Sie empfehlen oder gibt es
vielleicht zwei?
Also, keine Ahnung, ob es
das Wichtigste ist,
aber was sich auf jeden Fall lohnen
würde für alle Sozialarbeiter
zu lesen, ist von Bordieux:
"Das Elend der Welt." Und zwar, weil
es... Also das ist ja nicht nur
sind
mehrere Autoren. Aber weil es eine
radikale
Position des Verstehens, des
Zuhörens und des Verstehens
zum Ausdruck bringt und darüber
einen wunderschönen Einblick
in die Welt von unseren Klientinnen
und Klienten
und zwar auf einer zugleich
auch wieder
theoretisch
durchdrungenen Sprache, die
unglaublich bildend ist. Ich
weiß nicht, wie es ist,
wenn man nicht Bordieux vorher
schon gelesen hat.
Das hatte ich. Aber ich glaube,
man kann auch damit einsteigen
und dann
sich Bordieux in gewisser
Weise erschließen und
sein Denken. Aber vor
allem die Haltung
gegenüber den Menschen,
die darin zum Ausdruck
kommt,
die ist klasse.
Das war