Wilfried Hosemann & Wolfgang Geiling
Theorien der Sozialen Arbeit
15.10.2021 71 min Staffel 1 Episode 3
Zusammenfassung & Show Notes
Wilfried Hosemann (*1948) ist Dipl.-Pädagoge und Dipl.-Sozialarbeiter. Hosemann promovierte zum Dr. phil. an der Freien Universität Berlin mit dem Thema Trebegänger und Verwahrloste in sozialpädagogischer Betreuung außerhalb von Familie und Heim. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind: Supervision und Methoden der Sozialen Arbeit sowie soziale Gerechtigkeit. Hosemann wurde 2013 emeritiert.Wolfgang Geiling (*1969) ist Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Dipl.-Pädagoge (Univ.), Systemischer Familientherapeut (DGSF), Supervisor (DGSv) und Lehrender für Systemische Therapie und Beratung (DGSF). Geiling promovierte 2019 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg mit der Dissertation zum Thema Systemische Schulsozialarbeit – theoretische und professionelle Klärungen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Kinder- und Jugendhilfe im Kooperationsfeld Bildung und Erziehung, Systemische Beratung im schulischen Kontext, Schulsozialarbeit, Theorien, Konzepte und Methoden Systemischer Sozialer Arbeit. Hosemann und Geiling haben ihre theoretische Konzeption Sozialer Arbeit besonders in der Neufassung ihres erstmals in 2005 erschienenen Buches Einführung in die Systemische Soziale Arbeit (2013) dargelegt.
Transkript
Martin Klein: Herzlich Willkommen,
wir starten ja immer mit einer..
mit einem... mit persönlichen Fragen und die erste Frage, die ich an
Sie hätte, ist, wenn es drei Worte gibt, die Sie beschreiben würden,
welche drei Worte wäre das dann?
Prof. Hosemann: Jetzt der Reihe nach, wenn ich das übernehmen darf,
dann würde ich sagen Autonomie, Gerechtigkeit und Lebensfreude.
Prof. Geiling: Ich habe mich spontan für die Worte verantwortungsvoll,
vielseitig und neugierig-freudig entschieden.
Martin Klein: Vielen Dank! Gibt es so etwas wie eine
Lebensphilosophie?
Prof. Hosemann: Es gibt vielleicht nicht unbedingt eine
Lebensphilosophie, aber etwas was mich für mein Leben ein Stück weit
unter der Hand leitend ist.
Und sei es die Geschichte von einem Vater der zwei Söhne hat und sagt:
"Guckt nicht hinter diesen Vorhang." Der eine Sohn der hält sich dran
und der andere Sohn hat nichts Besseres vor, als sofort hinter den
Vorhang zu rennen und dahinter zu gucken.
Ich glaube ich gehöre zur zweiten Sorte.
Prof. Geiling: Ja die Frage nach meiner Lebensphilosophie.
Ich habe mir überlegt, dass ich habe mir aufgeschrieben "Ambivalenz
ist normal".
Weil ich irgendwie Zeit meines Lebens zunehmend entdecke, dass
irgendwelche sehr vereinsseitigenden Lösungsideen jetzt für mein
Leben, bedeutet in meiner Praxis in der Sozialen Arbeit, bedeutet es
auch etwas Passendes, selten gute Ideen sind, weil wir als Menschen
und auch ich, insofern ist es auch ein bisschen Lebensphilosophie
geworden, dass Ambivalenz zwar eine Belastung sein kann, aber, wenn
ich es akzeptiere als normal und ich bewege mich eben in verschiedenen
Erwartungsfeldern mit meiner Individualität und in meinen Beziehungen,
dann ist das erst mal ein guter Startpunkt.
Martin Klein: Dann knüpft sich daran eine Frage an nach der.. nach
sowas wie einem besten Ratschlag. Haben Sie so was man bekomme? Gibt
es sowas? Einen besten Ratschlag, den Sie in Ihrem Leben bekommen
haben?
Prof. Hosemann: Also ich würde sagen das gibt es an sich vermutlich
nicht, weil es irgendwie auch aus der Theorie ja was auch immer
Kontext bezogen ist.
Von daher kann ich nicht.
(unverständlich)
Aber ich habe jetzt mal was erlebt, was mich damals ziemlich gestört
hat.
Und demnach hat es mir aber geholfen, war es dann leichter. Das war
auf einer Tagung. Ein Professor, den ich überhaupt nicht kannte, hat
zu mir gesagt ich müsste raus aus Berlin.
Das heißt, ich müsste raus aus dem, wo ich mich gerade einrichten
wollte und ich müsste raus aus so einer Art "geschützten Lebensraum".
Und ich war sehr verblüfft, dass er das gewagt hat, obwohl ich ihn
dazu nicht eingeladen habe, mir einen derartig fundamental Rat zu
geben.
Als ich später aber in Schwierigkeiten war in Berlin, hat mich dieser
Rat, hat der mir dann doch geholfen, weil ich gedacht habe. "Okay, das
ist ein irrer Stress, aber der Stress scheint sich zu lohnen
vielleich."
Prof. Geiling: Also geht mir ein bisschen ähnlich wie dir im Sinne von
der eine große Ratschlag.
Ich habe ein bisschen gekramt und habe mich so ein bisschen mit meiner
Biografie dann nochmal beschäftigt und hab so rückblickend noch einmal
festgestellt, wie schwierig das war auch mich ein Stück von Herkunft
zu lösen. Da bin ich vielleicht schon wieder ein bisschen bei dem
Thema Ambivalenz.
Und es gab irgendwann in einer Phase von, ich glaube ich war so 18, 19
Jahre alt, gab es eine Phase, da wusste ich gar nicht was ich machen
will.
Ich wusste mit Mathe ist nicht so schwierig, eher technisch, eher
wirtschaftlich.
"Wo will ich überhaupt hin?"
Und meine Herkunftswelt schrie nicht unbedingt danach, dass ich jetzt
so eine Art Karriere mache, wie sie jetzt gerade mache, oder was ich
getan habe bisher in meinem beruflichen Leben und es gibt aber einen
Menschen, die hat mir damals geraten: "Mach was aus dir, mach
Karriere. Du hast super Ideen." Die hat mich bestärkt, auch
tatsächlich noch einmal positiv in Bezug auf Bildung mich auf dem Weg
zu machen.
Ich habe mir aufgeschrieben: Mach was aus dir, mach Karriere." Das
klang damals in meinen Worten ein bisschen komisch, weil Karriere war
damals für mich so ein bisschen zweischneidig besetzt und deswegen war
das eine sehr sehr wertvolle förderliche Irritation für mich damals.
Martin Klein: Dann kommen wir mal zur Sozialen Arbeit und Ihren Bezug
zur Sozialen Arbeit und die erste Frage bietet sich an: Gibt es so
etwas, wie ein Vorbild oder Vorbilder für Sie in der Sozialen Arbeit?
Prof. Hosemann: Es gab am Anfang für mich eine unheimlich positive
Erfahrung und der würde ich diesen Rahmen zugeordnen wollen.
Und zwar als ich angefangen habe zu studieren, war ich gleich krank.
Erst haben wir gestreikt, dann war ich krank, dann habe ich mich um
andere andere Sachen kümmern. Kurz und gut. Mein Start war eher von
nicht da sein und Inkompetenz.
Und dann musste ich irgendwie... hat man mir aber eine Chance geben.
Ich durfte ein Praktikum nachholen und dann war ich unheimlich
überfordert und unheimlich stachelig und hab gedacht: "Oh Gott! Jetzt
auch noch jemand, der auf dich und deine Arbeit drauf guckt."
Und dann war die Frau, es war eine Anleiterin, und die war unheimlich
zugewandt, unheimlich freundlich, die hat mir real geholfen und die
hat mir eine tolle Brücke gebaut.
Und dieses Gefühl, dass es Leute gibt, die tolle Brücken bauen können,
das, finde ich, ist eine unheimlich schöne Idee.
Und das war für mich eine Sozialarbeiterin, wo ich gedacht habe: "Wow,
wenn du so sein könntest wie die, oder wie hat die...? Die hat dich
angenommen, die hat dich nicht entwertet, hat dir trotzdem was
vermittelt und hat dir eine Brücke gebaut deine Ängste abzubauen, auch
wieder mit Mut und Ideen wieder in dein Praktikum zu gehen.
Und das fand ich sehr sehr positiv, ich weiß den Namen gar nicht mehr,
aber die hat mir, glaube ich, unheimlich viel geholfen und die ist
innerlich irgendwie so etwas wie ein wertvoller.. eine wertvolle
Orientierung.
Prof. Geiling: Bei mir so die Frage, warum ich mich.. nee, ob es ein
Vorbild in der Sozialen Arbeit gibt.. so ein bisschen auch die Frage,
in welchem Bereich der Sozialen Arbeit, wenn ich jetzt an Praxis denke
oder an Ausbildung, an Lehre, an Forschung, sind so verschiedene
Felder. Ich habe nicht so das eine Vorbild, kann ich jetzt wirklich
gar nicht so nennen.
Ich sage mal was ich.. Was mich immer wieder auch beeindruckt oder
inspiriert, sind ob jetzt in der Praxis oder in der Theoriebildung,
Menschen, die ich sage mal, wirklich inspiriert sind von der Sozialen
Arbeit, auch sagen: "Das ist etwas ganz spezifisches, auch in
Abgrenzung zu anderen Feldern."
Die, ich sage mal, auch kreativ sind, inspiriert sind und vielleicht
auch einen innovativen Gedanken von Sozialarbeit als auch autonomen
Impulsgeber auch bei allen knappen Ressourcen auch da so ein Weg
gehen. Aber so das eine Vorbild eher nicht.
Martin Klein: Sie sagten ja, sie hätten auch andere Fächer sich
vornehmen können, noch was anderes studieren können oder sich mit
etwas anderem beschäftigen können. Warum interessieren Sie sich
überhaupt für die Soziale Arbeit.
Prof. Geiling: Also bei mir war es, ich habs ja vorhin kurz
angedeutet, biografisch nicht so naheliegend in
technischen-wirtschaftlichen Bereichen zu arbeiten und insofern war
der Weg in die Soziale Arbeit bei mir damals so, ich habe 20 Monate
Zivildienst gemacht, in Nürnberg in der Wärmestube für Nichtsesshafte
und es hat mich damals als sehr.. gerade erwachsen oder so, sehr
inspiriert und interessiert auch diese Art von Arbeit, wie
institutionalisiert Unterstützung, Hilfen stattfinden können.
Das fand ich einfach total interessant und habe dann auch bestimmte
Schwierigkeiten dabei erlebt, dass das was mit institutionalisierter
Hilfe auch verbunden ist. Die Obdachlosen brauchten Marken und wenn
sie die nicht hatten, bekamen die nichts zu essen. Hat mich alles
beschäftigt. Und es war dann ein relativ naheliegender Weg da auch
weiterzumachen, weil mir irgendwann jemand gesagt hat, es gibt die
Möglichkeit sich als Diplom-Sozialpädagoge ausbilden zu lassen. Da
habe ich gefragt: "Was ist das denn?" Dann habe ich gesagt: "Super!
Volltreffer!" "Das ist vielleicht ja doch ein Weg für mich." Es war
gut.
Martin Klein: Und warum interessieren Sie sich für die Soziale Arbeit?
Prof. Hosemann: Ich hab mich am Anfang nicht so sehr für die Soziale
Arbeit interessiert, sondern für die Veränderung von Gesellschaft oder
Veränderungen von meinem und von dem Leben anderer. Ich komme aus
Berlin und bin in dieser sehr politisch anregenden und angeregten
Zeit. Bin (unverständlich) da war 68 mit meiner Lehre zu Ende und dann
war relativ viel politisches da und Freunde von mir haben mir von der
Sozialen Arbeit erzählt.
Und dann ist irgendwie aus den Diskussionen herausgekommen, dass das
wäre vielleicht ein Weg, der nicht nur reine Theorie bringt, sondern
auch einen Weg, der mit praktischer Umsetzung halt, mit praktischer
Verwirklichung von Veränderungen zusammen geht. Und da habe ich
gedacht, das würde mich jetzt mehr interessieren als ein rein
abstraktes Studium. Von daher war ich dann mit den Freunden zusammen
habe ich dann beschlossen wir machen Soziale Arbeit.
Martin Klein: Warum beschäftigen Sie sich dann, oder warum
interessieren Sie sich dann insbesondere für die Theorie? Sie hätten
ja dann auch komplett in der Praxis bleiben können, so wie Sie Ihren
Einstieg und ihr Interesse beschreiben.
Prof. Geiling: Es ist so bei mir so ein Weg im Studium fand ich dann
einige, auch dank dir, Einführungsvorlesungen im systemtheoretischen
Grundlagen Sozialer Arbeit oder eben konstruktivistische Grundlagen
Sozialer Arbeit.
Mich hat es unheimlich interessiert da sozusagen auch ein Theoriennetz
für die Soziale Arbeit zu haben als Begriffsinstrument um einfach auch
systematische Antworten zu haben. Was kann ich überhaupt erkennen wenn
ich Soziale Arbeit betreibe? Und das zu verbinden mit Praxis, hat mich
unheimlich interessiert und inspiriert damals. Vor dem Studium habe
ich mich auf eigene Initiative hin auch mit konstruktivistischer
Theoriebildung, gar nicht im Bezug auf Soziale Arbeit, beschäftigt
sondern eher was ich in der Literatur, was mich beschäftigt hat.
Manches fand ich da wieder.
Und mich hat es einfach weiter interessiert deswegen habe ich nach dem
Diplom Sozialpädagogik Fachhochschulstudium auch weiter studiert und
Diplom-Pädagogik studiert, obwohl ich dann schon im Berufsleben stand,
weil ich einfach gemerkt habe mich interessiert das weiter, ich will
da dranbleiben, auch an dem Theoriediskurs.
Und es hat mir hinterher auch sehr, eigentlich bis heute, geholfen
diese Auseinandersetzung mit Theorie und Theoriearchitekturen und was
das für mich in der Praxis bedeutet, einfach auch im Sinne von okay,
was sehr grundlegend gesprochen, ja, so auch so die Frage: "Was kriege
ich überhaupt in den Blick im Umgang mit Komplexität, mit sozialen
komplexen Situationen in einer bestimmten Aufgabe? Was muss ich da
eigentlich Begriffsinstrumente haben, um da auch Alternativen
entwickeln zu können?"
Prof. Hosemann: Ich würde sagen für mich ist Theorie so eine Art
koordiniertes Gespräch über Wahrheit, über Wirksamkeit und über
Bedingungen. Und dieses Gespräch über diese drei Felder finde ich
sinnvoll und notwendig und das hat auch geholfen aus meiner Familie
heraus, dass ich trainiert worden bin so abstrakte Sachen mit
praktischen zu verbinden. Das fällt mir nicht so schwer aus einer
Theorie auch wieder auszusteigen und die darauf zu beziehen, was hat
es mit den Situationen, oder mit den Lebensverhältnissen zu tun, die
mich umgeben oder auf die ich einwirken will? Finde ich gerade auch
Praxissituationen, wo ich teilweise mich furchtbar überfordert gefühlt
habe und dann einen Hass auf Theoretiker hatte. Und wo ich meinen Hass
ein bisschen heruntergefahren hatte, habe ich gedacht vielleicht gibt
es aber irgendwas was du lernen kannst, wie es besser wird. Und bei
dem Lernen, wie man besser werden kann, bin ich dann doch wieder bei
der Theorie gelandet, obwohl ich vorher erst von allen Theoretikern so
enttäuscht war, also auch in der eigenen Ausbildung.
Martin Klein: Vielen Dank, das war dann der erste Teil und jetzt
übernimmt Helmut.
Helmut Lambers: Ja, als weitere Gäste in unserer Interviewreihe
begrüßen wir ganz herzlich Wilfried Hosemann und Wolfgang Geiling.
Einen schönen Tag! Bevor wir zu unseren Fragen zu Ihrem Theorieangebot
kommen, zunächst einmal ein kurzer biographischer Abriss.
Ich versuche das wirklich kurz zu machen und fang dann mal
alphabetisch an, beginne mit Herrn Geiling. Sie sind Sozialpädagoge,
Diplom-Sozialpädagoge und Diplom-Pädagoge.
Weiterhin verschiedene Zusatzausbildungen sind systemischer
Familientherapeut, Supervisor und praktisch auch Lehrender für die
systemische Therapie und Beratung. In diesem Jahr erfolgt aller
Wahrscheinlichkeit nach Ihre Promotion Sie...
Prof. Geiling: Ich steht kurz vor der Disputation, ja.
Helmut Lambers: Dissertation ist eingereicht. Und waren viele Jahre
oder sind seit vielen Jahren in der Lehre an verschiedenen Hochschulen
und in Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Otto
Friedrich Universität in Bamberg.
Ja, Sie bringen langjährige praktische Berufserfahrung mit, in einem
breiten Spektrum der Jugendhilfe und sind weiterhin in der Fort-und
Weiterbildung und als Supervisor tätig.
Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kinder-und Jugendhilfe im Kontext von
Bildung und Erziehung. Das muss ich jetzt mal ablesen.
Systemische Beratung im schulischen Kontext, Schulsozialarbeit,
Theorien, Konzepte und Methoden speziell jetzt hier aber der
systemischen Sozialen Arbeit.
Herr Hosemann, Sie sind Diplom-Pädagoge und Diplom-Sozialarbeiter.
Sie haben an der Universität in Berlin promoviert mit einem Thema
"Trebegänger und Verwahrloste in sozialpädagogische Betreuung
außerhalb von Familie und Heim".
Rund 20 Jahre bis zum Jahr 2013 waren Sie als Lehrender, als Professor
für Soziale Arbeit im Fachbereich Soziale Arbeit an der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Hochschule (unverständlich)
tätig und dort speziell auch in den Schwerpunkten Theorie und
sozialpädagogische Familienberatung. Forschungs-und
Arbeitsschwerpunkte ganz kurz genannt: Supervision und Methoden der
Sozialen Arbeit sowie das Thema soziale Gerechtigkeit, über das wir,
glaube ich, heute auch noch sprechen können.
Seit 2006 sind Sie im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für
Systemische Soziale Arbeit und auch dort Mitherausgeber des Journals
dieser deutschen Gesellschaft.
Ja, die Publikationslisten sind von Ihnen beiden natürlich auch lang,
aber wir wollen hier kurz vorstellen zwei Publikationen, um die es
heute insbesondere geht. Zum einen die "Einführung in die systemische
Soziale Arbeit", die Sie zusammen verfasst haben, 2005, schon etwas
älter.
Ich halte das mal kurz in die Kamera. Und dann, wenn man so will,
darauf aufbauend, stark aktualisiert, die "Einführung in die
systemische Soziale Arbeit" herausgegeben im Jahr 2013, in der UTB.
Wenn man sich Ihrem Werk nähert, dann bekommt man schon den Eindruck,
dass es also jetzt weniger um eine disziplintheoretische Begründung
der Sozialen Arbeit geht, sondern eher um ein Theoriegeleitetes
Handlungsmodell, was sich für die Soziale Arbeit, was auch auf der
systemischen Denkfigur basiert.
Zunächst einmal drängt sich die Frage auf: Ist das in der Tat ein
Handlungsmodell, das Sie für alle Handlungsfelder der Sozialen Arbeit
als übertragbar halten?
Oder würden Sie sagen das ist mehr im Bereich von Beratung,
Beratungskontexten anzusiedeln?
Prof. Geiling: Also. Soll ich mal anfangen?
Wir würden sagen, ja es ist alles anwendbar und nicht nur für
Beratungskontexte oder für den Kontext Systemische Beratung, weil wir,
und ich glaube das dokumentiert sich auch ein bisschen, teilweise in
den Beispielen im Buch schon stark daran interessiert sind ein
übergreifendes Theoriemodell für die Soziale Arbeit dadurch entworfen
zu haben.
Durch die Wahl, durch, ich sag mal die systemtheoretische Überlegungen
sind ja teilweise von einem relativ hohen Abstraktionsgrad sozusagen
auch geprägt, sag ich mal.
Manche sagen es hat auch einen Preis, aber ich würde sagen das ist ein
Argument warum das auch sozusagen funktioniert, jetzt nicht nur für
Beratung sozusagen zu nutzen.
Ein weiterer Aspekt ist auch, wir haben ja verschiedene Begriffe, die
wir noch einmal systemisch herleiten auch in dem Buch. Ein Begriff ist
der Begriff des Kontextes und der hängt auch ein bisschen zusammen mit
der Auswahl von Gelegenheitstrukturen, die die Soziale Arbeit leistet.
Ich wende mich, obwohl ich Lehrender für systemische Beratung bin,
auch immer stark auch in der Lehre, aber auch in der Weiterbildung,
auch ein Stück dagegen, dass die Dinge sehr schnell Beratungsförmig
gemacht werden, weil ich sage mal die Auswahl der Handlungsart ist ja
immer eher dann, zumindest von unserem Verständnis her, irgendwas was
nachrangig sein sollte und ob das jetzt eine Beratung ist oder von
Beratung zwischen Tür und Angel woanders hin führt, für das andere
herstellen von Gelegenheitstrukturen, um mit der sozialen Situation
anders umzugehen besteht ja dahin, ist nicht eng geführt auf Beratung.
Prof. Hosemann: Ich würde es bestätigen. Wenn man ein vom Grundsatz
her ein relationales Modell hat, dann kann man darüber nachdenken, wie
diese Beziehungen, oder wie Relationen sind und dann hat man zu
schauen "Wie sind die an diesem Arbeitsplatz in dieser Situation?" Und
dann kann man sehen: "Was gibt mir jetzt diese Theorie, um mit dieser
Situation an diesem Arbeitsplatz mit diesen Relationen umzugehen?"
Und ich glaube das ist eine Möglichkeit, gerade weil auch immer
derjenige, der an der Stelle arbeitet und nachdenkt und handelt und
reflektiert ein wesentliches Merkmal, eine wesentliche Bedeutung für
diese Theorie hat, ermöglicht sie auch an verschiedenen Arbeitsplätzen
eingesetzt zu werden.
Helmut Lambers: Ja, Sie schreiben weiterhin, dass die systemische
Soziale Arbeit Aussagen über ihre Inhalte, praktisches Vorgehen und
auch ihre ethische Orientierung treffen muss.
Zu den Inhalten zählen Sie unter anderem die Gegenstandsbestimmung und
die Forschung.
Gegenstandsbestimmung ist ja schon geradezu traditionell eine
unendliche Geschichte in der Theoriebildung der Sozialen Arbeit.
Von daher drängt sich die Frage auf: "Wie sieht die
Gegenstandsbestimmen denn aus Ihrer Sicht aus?"
Und vielleicht können Sie ja auch noch sagen, was das für die
Forschung bedeuten würde, wenn Sie das nochmal in den Kontext von
Forschung gestellt haben.
Prof. Hosemann: Also ich würde sagen die Gegenstandbestimmung ist,
dass Soziale Arbeit ein abgegrenzter und ein abgrenzbarer Handlungs-
und Kommunikationeszusammenhang ist, der sich jetzt auf verschiedene
Aspekte bezieht unter anderem darauf, dass er in seinem Kern dazu
Voraussetzungen schafft, die Demokratie zu ermöglichen, weil er ist
Voraussetzung von Demokratie. Er ist eine Möglichkeit so etwas
sozialen Ausgleich oder soziale Gerechtigkeit zu ermöglichen und der
ist ein Voraussetzung für sozialen Wandel.
Und wenn man diese drei Qualitäten, die er einbringt, die lässt sich
als Besonderheit beschreiben, abgrenzen und der Ansatz, den wir
vertreten, ermöglicht insbesondere diese verschiedenen Perspektiven
miteinander zu verbinden und daraus etwas im Dialog mit Adressaten für
die Gesamtheit der Teilnehmer und der Menschen in unserer
Gesellschaft, auch in anderen Gesellschaften, zu leisten. Und das
halte ich also für eine Gegenstandsbestimmung.
Martin Klein: Ist ja ein hoher Anspruch also in der Komplexität und
auch in der Aufgabenvielfalt.
Bommes und Scherr sagen zum Beispiel, dass das nicht möglich ist die
Gegenstandsbestimmung. Sie sagen zum Beispiel das Thema soziale
Probleme haben auch andere Disziplinen, die sich anschauen.
Das wäre mit dem Thema soziale Gerechtigkeit ja durchaus auch etwas,
was nicht ausschließlich bei der sozialen Arbeit anzusiedeln wäre.
Prof. Hosemann: Das ist völlig richtig.
Das ist jetzt ein bisschen schwierig, wenn Sie mich jetzt auf einzelne
Autoren...
Ich würde mich wunderbar gerne mit Bommes und Scherr auseinandersetzen
oder würde das gerne machen, aber an der Stelle vielleicht die
Tatsache, dass etwas anderes jemand auch macht, ist kein Widerspruch
zu einem abgegrenzten Zusammenhang. Sie haben auch eine Medizin
beispielsweise, obwohl sie sich selber ein Pflaster auflegen können
oder Ihre Frau hilft Ihnen dabei, wenn sie Fieber haben und die macht
Ihnen einen Tee. Aus der Tatsache, dass Ihnen jemand anderes einen Tee
machen kann, um Ihnen zu helfen, würde kein Mediziner schließen, dass
ist ja keine Medizin gibt.
Aus der Tatsache, dass ich irgendwelche Beziehungen oder Relationen
habe, das ist natürlich selbstverständlich soziale Gerechtigkeit. Für
andere auch ein Thema. Aber das ist bei anderen Sachen auch
Gerechtigkeit, auch Rechtsprechung, sich vernünftig zu verhalten,
alles Mögliche.
Viele Sachen werden ja keineswegs immer nur in einzelnen Bereichen
gemacht, sondern es gibt immer wieder Beziehungen zu anderen und
deshalb würde ich nicht einsehen, warum ein Umkehrschluss, der müsste
auch noch begründet und legitimiert werden, warum ein Umkehrschluss
dazu dienen soll zu sagen, damit ließe sich Soziale Arbeit nicht
abgrenzen. Das ist nicht logisch und auch nicht praktisch und auch
nicht historisch belegbar.
Martin Klein: Sie benennen ja auch Grundsätze des praktischen
Vorgehens und benennen ja auch das Thema Respekt und Bescheidenheit.
Können Sie das mal erläutern, was Sie dann zum Beispiel unter dem
Begriff Respekt verstehen?
Prof. Geiling: Darf ich nochmal kurz rein Bezug nehmen?
Vor Respekt und Bescheidenheit so als real-alltagssprachliche
Begriffe, die wir da gewählt haben in diesem Einführungslehrbuch,
wollte ich vorher nochmal die Frage nach der Forschung, nach der
Forschungsperspektive.. und ich glaube das lässt sich eigentlich, was
Wilfried Hosemann gerade erzählt hat, auch noch einmal ganz gut
verknüpfen mit der Frage von Forschung.
Die Frage des abgegrenzten Zusammenhangs in Bezug auf
Gerechtigkeitsfragen. Es gibt ja auch andere die haben den
Gerechtigkeitsbegriff sozusagen auf dem Schirm, aber ich sage mal
dieser abgegrenzte Zusammenhang in der Sozialen Arbeit sich um
Gerechtigkeit zu kümmern hat natürlich noch teilweise eine andere,
eine andere Perspektive auch.
Zugangsgerechtigkeit oder.. das formatiert sich natürlich über die
Soziale Arbeit als abgegrenzter Zusammenhang immer auch noch einmal
spezifisch im Kontrast zu anderen Professionen oder
Zuständigkeitsbereichen in der Gesellschaft.
Das spiegelt sich aber auch ein Stück darin wider, wenn wir uns über
Forschungsfragen unterhalten, ist so unsere Sache, die wir gerne
unterstützen würden auch tatsächlich etwas, wo Forschung auch
angebunden ist an Praxis, wo hinterher ja auch eine soziale Resonanz
entsteht.
Ich gebe mal ein Beispiel: Ich habe mal ein Schulverweigerungsprojekt
geleitet und da mussten wir evaluieren, ja das war ein
deutschlandweites ESF gefördertes Programm, und die Evaluation war
sehr stark einfach schon festgelegt. Wir mussten ganz viel ausfüllen,
wie die Kompetenzbereiche des schulverweigernden Schülers in
Mathematik, in Deutsch und es war eine riesige soziale Welt
ausgeblendet inclusive die soziale Welt der schulischen Seite.
Jemand hat mal zugespitzt gesagt: Schulverweigerung ist ja nicht nur
ein Phänomen, dass der Schüler die Schule verweigert, sondern es kommt
auch vor, dass die Schule den Schüler verweigert, ja, also sozusagen
wieder diese relationale Perspektive.
Und wir haben darum gerungen, auch über Forschung, die wir machen
konnten in Kooperation mit der Koordinierungsstelle, dafür zu kämpfen
auch, dass sozusagen weitere soziale Aspekte, beispielsweise häufiger
Schul-und Kassenwechsel, dass das ein wichtiges Thema ist, überhaupt
mit reinzubringen.
Und uns ist es gelungen ein Stück weit davon sozusagen auch auf der
Programmebene zu verändern.
Da stellt sich wahrscheinlich sofort bei manchen die Frage der
Reichweite "Was können denn die einzelnen Sozialarbeiter machen?"
Stimmt, damit hat man natürlich auch immer zu tun. "Welche Ressourcen
haben wir und was können wir jeweils tun?"
Aber das wäre eine Forschungsperspektive, die konkret auch, ich sag
mal, eine Anerkennungsperspektive auch mit drin hat von sozialen
Situationen. So.
Prof. Hosemann: Ich würde auch nochmal der Forschungsache noch einmal
in ein Forschungsprogramm umsetzen und zwar, Sie haben ja zu Recht
gesagt: "Das ist ja ein Riesending, eine Nummer. Was.. wie will er das
machen? Wo will er da was vernünftiges draus machen?" Und zwar mein
Vorschlag wäre zu forschen über die Übergänge von einem Phänomen oder
einer Belastung in eine andere Ebene, nicht nur zu sagen: "Wir machen
jetzt beispielsweise auf einer ganz körperlichen noch mal einer ganz
kleinen sozialen Ebene Forschung. Wie muss die Mutter oder der Vater
darauf reagieren, wenn das Kind so und so ist?" Das wäre eine Ebene.
Sondern ich würde vorschlagen auch dann eben Forschung zu machen. Wie
wird es denn aus einem solchen Phänomen, was in einer Familie oder
irgendwo in einer Kommune wahrgenommen wird, wie kommt das denn zu
einer organisatorischen Entscheidung, Beeinflussung, zu einer
organisatorischen Antwort? Wie kommt es zu einer kommunalpolitischen
Antwort? Wie kommt es zu einer Antwort, was in den Medien oder in der
Öffentlichkeit diskutiert wird?
Wie werden Anerkennungsprozesse nicht von oben nach unten organisiert,
sondern wie werden Anerkennungsprozesse von unten nach oben
organisiert?
Aus den Erfahrungen der Sozialen Arbeit, wie können dort
Anerkennungsprozesse auf verschiedenen sozialen und organisatorischen
Eben unserer Gesellschaft organisiert werden?
Deshalb Forschung betreiben.
Wie lange dauert es? Was sind die Hemmnisse? Wie können die Konflikte,
die die Familie A in einem Bundesland hat, mit den Konflikten, die
eine ähnliche Familie in einem ganz anderen Bundesland hat, einer ganz
anderen Organisation hat?
Hier wird es eben keine Caritasforschung oder keine Forschung für den
oder für den und nicht nur eine wirklich zergliedert Forschung,
sondern wie wird daraus wiederum eine soziale Forschung und welche
Bedeutung kann die Soziale Arbeit daran haben soziale Prozesse zum
Gegenstand von Forschungen zu machen?
Helmut Lambers: Gut, dann können wir jetzt zu den beiden Begriffen
Respekt und Bescheidenheit vielleicht doch mal in aller Kürze kommen.
Wir wollen auch noch kurz über das Thema Menschenbild sprechen.
Respekt ist eine gute Sache und insofern vielleicht auch ein bisschen
verwunderlich, dass Sie als Vertreter einer systemischen...
Systemischen Handlungsmodells hier auch die normative Seite ansprechen
und von daher ist es auch naheliegend nochmals nachzufragen.
Weshalb ist Ihnen Respekt da so wichtig? Und Thema Bescheidenheit: Es
gibt ja auch Hinweise in der Theoriebildung, die uns was anderes
sagen, dass wir eigentlich von der Bescheidenheit Abschied nehmen
sollten, aber vielleicht können Sie es hier mal ganz konkret benennen,
was Sie motiviert hat genau diese beiden Begrifflichkeiten
einzuführen.
Prof. Hosemann: Fange ich mit Respekt an. Respekt finde ich ist ein
eingeführter Begriff, zuzugeben, dass man nicht alles über die anderen
wissen kann und wenn ich nicht alles über die anderen wissen kann,
dann ist es eine Frage von Selbsteinschränkung, nämlich zu sagen: "Ich
bin respektvoll, weil ich weiß, dass mein Wissen begrenzt ist und weil
ich keinen Anspruch darauf habe alles von anderen Menschen zu
erfahren.".
Helmut Lambers: Und Bescheidenheit?
Prof. Geiling: Bescheidenheit. Ja, es gibt so einen Spruch "Gute Ideen
sind noch nicht hilfreich" und ich habe sehr viel mich beschäftigt und
es beschäftige mich auch in den Supervision, die ich teilweise gebe
noch immer sehr, dass es viele gute Ideen gibt und viele gute
Absichten gibt, aber weniger reflektiert wird, wie denn vielleicht die
Wirkungen und die Nebenwirkungen sind und es wird sehr schnell,
sozusagen, in eins gesetzt je brillanter oder aussichtsreicher oder
vielversprechender oder auch einmal normativ wunderbar
legitimierbarer, sozusagen, Interventionsperspektiven sind, umso
schneller geht vielleicht auch Bescheidenheit verloren und ich finde
deswegen passen die Begriffe auch zusammen, dass ich das alles nicht
wissen kann, sondern, dass ich natürlich das als im Diskurs mit
Adressaten und so weiter machen muss.
Dieses partizipationsorientierte im Handeln ist da für mich einfach
auch mit drin.
Das kann man alles eben auch systemtheoretisch machen, weil ja dann im
späteren Verlauf in den Kapiteln auch noch so systemtheoretische
Interventionstheorie zu entwickeln, also weg von den linear-kausalen
Überlegungen, so, also das auch ein Stück zurückzunehmen.
Martin Klein: Dann stellt sich aber die Frage nach dem Menschenbild,
also das ist ja dann dass man sagt Respekt, Bescheidenheit ist in der
praktischen Arbeit sehr relevant, dann stellt sich ja die Frage,
welches Menschenbild lege ich der systemischen Sozialen Arbeit
eigentlich zugrunde?
Kann man das beschreiben?
Prof. Hosemann: Ja. Menschen entwickeln sich in Korrespondenz zu ihren
, zu ihren psychischen und zu ihren gesellschaftlichen Beziehungen.
Und deshalb gehen sie weder auf in diesen Sachen oder sie sind auch
nichts anderes. Zu glauben man könne sich von biologischen oder seinen
psychischen oder von seinen gesellschaftlichen Sachen trennen ist eine
Form von (unverständlich), einfach zu tun das wäre alles nicht da,
notwendig, man würde das alles überwinden können. Umgekehrt ist es
aber genau so verantwortungslos zu glauben man könne die Menschen
darin aufgehen lassen er wäre nur eine abhängige Variable von diesen
Sachen.
Und das ist das Interessante, wie das zueinander hängt, wie das
korrespondiert und deshalb ist die interessante Stärkung des
Menschenbildes dadurch, dass die Theorie und auch die Praxis dazu
hilft zu erkennen in welchem Maße wir von welchen Sachen abhängig sind
und unsere Freiheitsgrade zu erweitern.
Helmut Lambers: Wenn sich Studierende mit Ihrem Theorieangebot
befassen, werden sie relativ schnell feststellen, dass sie es
natürlich schon mit Menschen zu tun haben, auch gewissen Vorstellungen
zum Menschenbild, aber vor allen Dingen werden Sie sich mit einigen
Grundbegriffen der Systemtheorie, speziell der
systemtheoretisch-konstruktivistischen Ausrichtung, auseinandersetzen
müssen. Die können wir nicht alle besprechen, die kann man hier
trefflich nachlesen und studieren, aber doch mal so ein zwei Begriffe
nochmal besonders herausnehmen, die sich eben vom Menschenaspekt
abgrenzen, das heißt, nun geht primär auch um Systeme und
Systembeziehungen und, ja, warum geht es Ihnen Überhaupt um
Systembeziehung, um soziale psychische Systeme und welche Rolle spielt
in dem Zusammenhang vielleicht auch immer die Frage nach der
Kausalität?
Also kann man eigentlich geradezu lineare Zusammenhänge mit Hilfe der
systemischen Theorie herleiten, die etwas zwischen Mensch und System
aussagen?
Aber zunächst einmal die Frage: weshalb überhaupt Systeme und
Systembeziehungen?
Prof. Geiling: Große komplexe Frage.
Prof. Hosemann: Es ist ja auch ein Stück weit eine Anerkennung von dem
was man wahrnimmt und erlebt, dass man in sozialen Systemen aufwächst
und dass man von sozialen Systemen umgeben ist und von ganz vielen
Systemen umgeben ist und das würde ja bedeuten, ganz wesentliche
Sachen zu versuchen nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht
allein auf die Erde gekommen bin, dass ich irgendeine Form von Familie
habe, dass es ein Standesamt, dass es irgendjemanden gibt, der die
Ressourcen bereitstellt, die wir in unserer Familie aufgegessen haben.
Und überall so zu tun, dass ich muss mich damit nicht beschäftigen.
Ich halte das geradezu für eine, wirklich eine erheiternde
Vorstellung.
Man kann nicht in einer Gesellschaft leben, die ständig von sozialen
Systemen geprägt ist und dann so tun.. das, was es alles ständig schon
gibt und was mir das Leben ermöglicht, dass ich studieren kann, dass
mir andere Leute... weiß ich nicht..mein Studium kostet 120 000 Euro
oder wie viel.
Irgendwie muss das einer ja schaffen. Das bringe ich ja nicht mit.
Und dann trotzdem sagen: "Also Systeme interessieren mich nicht."
Das finde ich eine komische Vorstellung.
Helmut Lambers: Da könnte man in einen Diskurs gehen, aber das wäre
jetzt eigentlich nicht unsere Intention. Aber ich habe verstanden Sie
gehen davon aus es gibt Systeme, psychische und soziale Systeme. Ein
Verweis, also ich bin da ganz bei Ihnen, aber ein Verweis, der sei an
der Stelle glaube ich auch einmal erlaubt, ist ja auch der, in der
Soziologie das nicht so eindeutig gesehen, wie Sie es gerade mit aller
Selbstverständlichkeit und auch einer gewissen Erheiterung darstellen.
Soll heißen, dass Menschen in Beziehungen, wie im sozialen Austausch
von sozialen Beziehungen, das ist glaube ich unbestritten, aber dass
das sofort unter Systembildungsaspekten gesehen werden muss, das ist
zumindest eine Frage, die in der Soziologie, das wissen wir glaube ich
alle, nicht so einheitlich geteilt wird.
Ich denke so an Subjektheorie Stichwort Rekwitz, aber das lassen wir
jetzt mal. Das war jetzt so ein bisschen so eine Antwort auf Ihre
Selbstverständlichkeit, die Sie mit dem Systembegriff in Verbindung
sehen.
Kausalität. Kann man da noch was zu sagen? Systemtheorie tut sich ja
mit Kausalität ein bisschen schwer.
Prof. Geiling: Ein Aspekt vielleicht an der Stelle. Kausalität ist
natürlich, wenn jetzt jemand hier rein kommt, mit mir eine Kugel im
Kopf jagt, das ist ein sehr linear-kausaler Zusammenhang,
angemessenerweise beschreibbar, zunächst einmal, ja, so gleichzeitig
gibt es natürlich in Bezug auf Kausalitätsfragen auch sehr viel
Auseinandersetzung, sehr viel auch durchaus mitunter konfliktehaft
oder interessengeleitete Auseinandersetzung, wo jetzt eigentlich
Ursache und wo jetzt Wirkung hin gehört.
Es gibt eben so zwei Bereiche, Kraus hat ja beispielsweise dazu auch
geschrieben, Björn Kraus der sozusagen die...
Also, ich sage mal, wo man nicht so linear-kausal sondern es verändert
sich. Vielleicht ist es vielleicht auch teilweise Teil der
Auseinandersetzung, wo jetzt die Ursache hingehört, eher auf die
Umwelt oder eher... um im Schulverweigerungsprojekt nochmal zu bleiben
"Wo ist jetzt eigentlich die Ursache?" Das ist in der sozialen Praxis
teilweise ein konflikthaftes Ringen und ein Teil der sozialen
Konflikte gehen auch in Bezug auf die kommunikativen
Auseinandersetzungen. Wo ist eigentlich Ursache und wo es eigentlich
Wirkung? (unverständlich) Ich arbeite aktuell am Lehrstuhl für
Schulpädagogik. Wo es relativ schnell traditionell, mir teilweise so
als Sozialarbeiter zu schnell, klar, dass man dem Schüler helfen muss,
der nicht in die Schule geht und die anderen Sachen waren eher
ausgeblendet.
Gibt eine Vielzahl von Beispielen, wo es um diese kommunikativen
Auseinandersetzungen geht.
Und das ist uns eben auch wichtig gewesen.
Prof. Hosemann: Ich freue mich über Kausalitäten noch einen Satz sagen
zu dürfen, weil ich da.. das macht ganz ganz viel aus, sowohl von
unserem Ansatz aber auch von der Sozialen Arbeit, wenn Sie an die
Beispiele in der USA denken, wo Schüler in die Schule gehen und andere
Schüler umbringen, dann können Sie natürlich eine Kausalität
herstellen von den Kugeln wieder und wer auf wen geschossen hat, aber
wenn Sie weiter darüber anfangen drüber nachzudenken, warum wohl eine
Situation... warum in amerikanischen Schulen viel mehr Schüler
aufeinander schießen, als an anderen Schulen auf dieser Erde, dann
haben Sie es nicht mehr so einfach mit der Kausalität und dann müssen
Sie eine Entscheidung treffen "Wo fange ich an die Grenzen der
Kausalität zu bestimmen, über die ich reden will? Und ist das
vorraussetzungsfrei mein Reden über Kausalität?" Und das, glaube ich,
ist in der Sozialen Arbeit ähnlich und von daher finde ich gerade
unseren Ansatz... der tut sich nicht schwer mit Kausalität, sondern
der hilft sehr viel, um mit dem schwierigen Kausalitätsproblem umgehen
zu können.
Helmut Lambers: Ja danke, wenngleich das Thema Kausalität im Kontext
Sozialer Arbeit und auch der Gestaltung von professionellen
Beziehungen möglicherweise wirklich einen schwierigen Stand hat, was
ja auch gerade eine Stärke konstruktivistischer Theoriebildung ist,
dann noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir es hier eben mit vielen
selbstreferenziellen Vorgängen zu tun haben, die man eben nicht immer
auf ein verallgemeinbareres Ursache-Wirkung-Schema reduzieren können.
Also muss das Thema Kausalität da ein Stück weit diffus bzw.
konstruktivistisch, wenn man so will, als nicht eindeutig objektiv
bestimmbar gelten.
Aber Sie haben was ganz interessant gemacht und da sind Sie dann aber
sehr konkret und haben sich sehr festgelegt und zwar haben Sie gesagt,
dass das Spezifikum der Sozialen Arbeit, also eigentlich so die Frage:
"Womit befasst sich Soziale Arbeit? Wann ist sie zuständig? Wann ist
sie nicht zuständig?" Also die Abgrenzbarkeit auch als Profession.
Da haben Sie vorgeschlagen, dass man Soziale Arbeit doch mit der
Leitdifferenz "Soziale Teilhabe - nicht Teilhabe" ganz gut beschreiben
kann und sogar unverwechselbar beschreiben kann.
Teilhabe, über den Begriff sollten wir vielleicht kurz sprechen.
Der Begriff zählt in Orten der Jugendhilfe, im Jugendhilfediskurs
schon seit einigen Jahren angekommen, kommt eigentlich traditionell
eher noch mal aus der Behindertenhilfe.
Was verstehen Sie speziell unter Sozialer Teilhabe? Können Sie das
ganz kurz umreißen?
Ist das ein Begriff, den man... der aus Ihrer Sicht selbsterklärend
ist oder verbinden Sie den noch einmal mit ganz ganz konkreten
Merkmalen oder spezifischen, ja, Ideen was jetzt... was Sie unter
Teilhabe verstehen?
Martin Klein: Ob es vielleicht Anspruch oder Pflicht ist.
Prof. Hosemann: Ich glaube wir verstehen Teilhabe als umfassende
Kategorie an Entscheidungsprozessen über meine soziale Freiheit, über
meine sozialen Möglichkeiten mich einbringen zu können und
wahrgenommen zu werden.
Es ist eine Grundvoraussetzung für die Soziale Teilhabe ist die
soziale Anerkennung.
Ein Ziel von Teilhabe ist die Steigerung von Sozialer Freiheit wenn
ich daran Teil habe.
Teilhabe verstehen wir nicht nur als einen konservativen Begriff im
Sinne "Ich nehme Anteil an etwas, was bereits da ist, sondern Teilhabe
heißt für uns auch "Ich nehme am Entscheidungsprozess, wie es werden
soll, teil."
Der ist nicht etwas, den anderen machen, sondern ich bin eingebunden
in eine zu mir passende Möglichkeit mich daran zu beteiligen, wie wir
miteinander leben wollen.
Helmut Lambers: Sie verwenden ja auch da den Begriff der
Partizipation, also Soziale Teilhabe im Medium der Partizipation, also
Mitgestaltung, also nicht nur im Sinne eines "Ich guck mal, ob ich
teilnehmen möchte".
Prof. Hosemann: Oder darf! Nicht nur, ob ich teilhaben darf, sondern
ich lasse mir diese Teilhabe quasi nicht durch andere Organisationen
oder Systeme oder so praktisch definieren, sondern Teilhabe im Sinne
eines sehr tiefen Rechtes ein Teil dieser demokratischen Gesellschaft
sein zu können.
Helmut Lambers: Verbindet Sie damit auch die Vorstellung, dass dazu
auch das Recht gehören muss auf Teilhabe zu verzichten? Nämlich von
Selbstexklusion.
Prof. Hosemann: (unverstädlich) Teilhabe hat auch natürlich auch die
Frage von Pflicht. Ich kann nicht nur sagen: "Ich setze mich auf diese
Seite beim Früchteaufessen, aber beim Früchte herstellen lass mal die
anderen machen."
Teilhabe ist in dem Sinne natürlich ein wechselseitiger Prozess und
Teilhabe ist ein Prozess, der mir die Möglichkeit gibt mich
einzubringen, aber auch beinhaltet, dass ich mich einschränke und
nicht nur alleine mich durchsetze.
Weil Teilhabe heißt auch "Ich erkenne an, dass andere auch ein Recht
auf Teilhabe haben."
Und deshalb muss ich mich selber beschränken, damit ich die
Möglichkeiten habe für andere und darauf haben wir beide gemeinsam
mehr.
Weil wir wieder, wenn er sich beschränkt und die anderen anerkennt,
können wir mehr erreichen als wenn ich versuche linear nur meine Ideen
und meine Interessen durchzusetzen.
Prof. Geiling: Und vielleicht ergänzend so und über den
Teilhabebegriff, den wir hier so wählen und wie wir den gerne
verstehen, ist so auch die Frage, dass sich die soziale Arbeit darin
nicht nur eben an sozialgesetzlich-rechtlichen Leistungsanspruch
subsidiär ausrichtet, sondern das ist ja, wie du gerade ausgeführt
hast, auch nochmal eine andere... sind einfach andere Ausgangspunkte
sozusagen. Es ist nicht nur diese subsidiäre Idee, sondern es gibt
hier auch Perspektiven des, wenn man so will, sozusagen bottom up.
Helmut Lambers: Das ist aber nochmal ein wichtiger Hinweis, denn
dieser Teilhabe Begriff ist ja...
Prof. Geiling: Der ist besetzt teils, ja.
Helmut Lambers: Durchaus, ja, besetzt als unbestimmter Rechtsbegriff,
gleichwohl ist er dort zu finden und man assoziiert zumindest
traditionell dann eher so die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen
mit Behinderungen, Beeinträchtigung und dergleichen, die ein Recht auf
Teilhabe haben und darauf verkürzen Sie es aber nicht, sondern Sie
sehen soziale Teilhabe einer gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeit
und das, wenn ich das richtig verstanden habe, aber nicht unbedingt
optional nach dem Motto: "Ich entscheide mal selber, ob ich teilhabe
und wenn ich teilhabe, dann eben nur zu meinen Bedingungen." Sondern
für sie hieße Teilhabe auch. Teilen im weitesten Sinne.
Wer Teil haben möchte, muss auch damit rechnen, dass er teilen muss.
Kann man das so sagen?
Prof. Hosemann: Würde ich zustimmen. Ich würde, wenn ich darf noch
gerne ergänzen um diesen Hinweis, dass wir von einem Recht auf
Teilhabe auf einem (unverständlich) und den Gesetzen unterscheiden
würden und dass die Soziale Arbeit eigentlich darüber rekonstruierbar
wäre, wie sie aus einem Recht auf Menschenwürde, auf gesunde
Umweltverhältnisse, auf Recht auf Anerkennung von sexuelle
Selbstbestimmung... also diesen ganzen Recht auf. Und das
korrespondierte ist ein Gegensatz mit dem Gesetz. Das englische über
right und law und diese beiden Sachen. Die Soziale Arbeit hat ja immer
versucht die "Rechte auf" in Gesetze umzusetzen.
Und dass es da Spannungsverhältnisse gibt und Einschränkungen und
alles mögliche, aber die Soziale Arbeit ist eigentlich ein
Kommunikations-und Handlungsbereich, der genau in diesem
Spannungsfeld "das Recht auf" und das Gesetz, was es dazu gibt. Das
kann man aktuell sehen an der Digitalisierung. Das Recht auf "mein
Recht auf mein eigenes Bild" (unverstänlich) das beißt sich mit
anderen Rechten dieses Recht auf. Und die Gesetze dafür, für digitalen
Schutz, aber die noch nicht ganz so schnell sind.
Wie das grundsätzliche Recht darauf das habe ich doch auch, wenn es
einmal aufgenommen wurde, kann ich bestimmen, können andere.. kann
eine Firma darüber bestimmen, was hier für Bilder von mir gemacht hat.
Oder einfach (unverstänlich): "Ich bin der Plattform, da kann jeder
das reinstellen und das ist rein juristisch unser (unverstänlich), hat
nichts mit dir zu tun."
Martin Klein: Wobei man ja den Eindruck haben könnte, dass gerade bei
dem Bereich der Digitalisierung die Gesetze schon manchmal schneller
sind, als man es als Recht irgendwie einfordert. Also der Soziale
Arbeit wird es ja sehr kritisch gesehen, was das Recht am eigenen Bild
und die Marktkonzentration der Firmen angeht, auf der anderen Seite
gibt es die große Empörung über die EU Datenschutzgrundverordnung und
wir haben ja das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Da gibt
es ja verschiedene Zugänge.
Ich würde aber gerne die Forderungen, die Sie in diesem Zusammenhang
mit der Teilhabe auch gemacht haben, gerne nochmal konkretisieren. Sie
fordern, dass die Soziale Arbeit systematisch reflektiert, wie sie
selber Inklusions-und Exklusionsvorgänge gestaltet oder auch
ermöglicht oder auch produziert.
Könnten Sie uns das mal erläutern und vielleicht auch an einem
konkreten Beispiel?
Prof. Geiling: Inklusion und Exklusion als Begriffspaar ist ja erstmal
nicht sehr normativ geladene Begriffe sind ja erst mal so sehr
Systemtheorie systematische Begriffe hier ein Kommunikations
Zusammenhang an dem ich teilnehme oder nicht mehr teilnehme bin ich
drin bin ich draußen ich sage es jetzt mal ganz allgemein so wenn man
sich die Komplexität von sozialen Prozessen anguckt mit denen es
soziale Arbeit zu tun hat die Sie mitgestaltet ist das eigentlich die
ganze Zeit und ständig.
Ist die ganze Zeit Inklusion und Exklusion dort.
Ich sage das jetzt wirklich erst mal ganz abstrakt, deswegen finde ich
das gar nicht so fern darüber nachzudenken, dass das auch Nebenfolgen,
Nebeneffekte gibt, wenn jetzt beispielsweise.. Ich hatte letztens in
der Supervision einen Fall, wo eine Kollegin überlegt hat, es sind
jetzt acht Kinder aus der Familie zu nehmen. Sie ist sich ganz sicher
und es gibt einen Prozess dazu, um zu seiner Einschätzung zu kommen.
Das hat Folgen. Soziale Folgen. Im Familiensystem. Im
Wirtschaftssystem gibts Folgen.
Es gibt ganz vielerlei Folgen, wo Inklusion und Exklusion eine Rolle
spielen.
Und die Frage ist dann wiederum, wie gestaltet Soziale Arbeit nimmt
antizipiert Soziale Arbeit hier und da, möglichst dann auch auf
empirischer Grundlage.
Was ist eigentlich so ein Exklusionseffekt, wenn ich hier Inklusion
betreiben? Oder wir haben das im Schulverweigerungsprojekt. Klassisch
kann man das ja wunderbar auch sich diese Brille von Inklusion
Exklusion aufsetzen.
Hier ist so Inklusion das Schulsystem.
Am besten Schulwechsel machen.
Aber dass ein Jugendlicher aus dem eine Gruppe gerissen wird sozusagen
aus so einem sozialen Zusammenhang, sieht ja erst einmal gut aus.
Vielleicht eine gute Idee, es kann ja alles wunderbar sein, aber das
mit reinzubringen und da auch durchaus als Praktiker finde ich gut
auch solche Nebenfolgen über Fragen der hypothetischen
Zukunftsorientierung auch mit den Adressaten mal rein zu geben. Mal
angenommen wir machen das.
"Wie wäre es für dich, wenn du deine deine Freunde nicht mehr siehst?"
oder diese ganzen Fragen mit aufzunehmen in den Prozess.
Und das auch kommunikativ mit reinzubringen finde ich eine wichtige
Perspektive.
Helmut Lambers: Kommen wir vielleicht zum Abschluss nochmals zu dem
Thema Herausforderung, Herausforderung für die Theoriebildung und auch
für die Profession der Sozialen Arbeit. Uns würde schon interessieren,
ob Sie da bestimmte Herausforderungen sehen, welche Sie als die
wichtigsten aus Ihrer Sicht vielleicht auch in den Blick nehmen.
Vielleicht kann man das auch ein bisschen verbinden mit der Frage
speziell jetzt was die systemische Soziale Arbeit angeht, also wenn
man nach Herausforderungen fragt, dann ist man sehr stark und sehr
schnell auch mal bei dem Thema der Politisierung Sozialer Arbeit oder
auch ihrer Politikfähigkeit. Und der systemischen Sozialen Arbeit wird
ja durchaus vorgeworfen, dass sie sich tendenziell unkritisch
gegenüber gesellschaftlich problematischen Verhältnissen verhält, also
sich zu sehr am Verhalten orientiert, als an den Verhältnissen. Teilen
Sie diese Kritik?
Ich vermute nicht, aber wenn Sie sie nicht teilen, könnten Sie dann
vielleicht etwas zu den Herausforderungen sagen, also
Herausforderungen denen sich die Theoriebildung auseinandersetzen
müsste und bei der möglicherweise auch eine spezielle eher systemische
Ansatz hilfreich sein könnte.
Prof. Hosemann: Also ich würde erst mal sagen, dass ich einen Teil
dieser Kritik durchaus teile.
Es ist ja so, dass es durchaus sinnvoll und wertvoll ist und dass die
Frage aber natürlich beinhaltet "Ist das jetzt eine Folge der Theorie
oder ist es Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung oder einer
Orientierung von Ausrichtungen?"
Also ist das eine größere gesellschaftliche Welle zu sagen: "Wir
müssen also das Individuum in den Vordergrund rücken und müssen die
Eigenverantwortung und wir müssen diese Perspektiven und wir müssen
effektiver sein und wir müssen konkurrenzfähiger sein."
Viele dieser Überlegungen sind ja nicht unbedingt Überlegungen, die
aus der systemischen Perspektive gekommen sind sondern sie haben eine
Korrespondenz zur systemischen Anwendungsorientierung und zu so eine
Art Effektivität.
Von daher ist diese Kritik als Kritik, die zur Überprüfung dient, sehr
zu begrüßen. Sehr sinnvoll. Und in vielen Punkten und manchen Punkten
auch zutreffend.
Was ich glaube, was schwierig ist, wenn man systemische Theoriebildung
anguckt, dann hat die sehr wohl sehr normative und sehr umfassende
kritische Grundlagen, wenn man an Autoren, wie Beltz oder andere
denkt, die sehr wohl auch eine normative und eine kritische
Perspektive eingenommen haben.
Es gibt auch innerhalb der system... theoretisch auch der
soziologischen Theoriebildung selbstverständlich kritische
Auseinandersetzung, kritische Strömungen, sodass ich mich freuen
würde, wenn man an dem Punkt einfach differenzieren würde und sagen
würde nicht Systemtheorie kritisch ja oder nein. Welche Systemtheorie
oder welche Autoren sind... Nehmen welche Position ein?
Das würde ich, glaube ich, begrüßen und das wollen wir eigentlich
unterstützen und von daher beteiligen wir uns eigentlich sehr gerne an
kritischen Auseinandersetzung auch in kritischen Aspekten.
Zumal der Anspruch von Kritik hier auf diese Art und Weise erfüllt
wird, dass man sagt eine Theorie, die uns in den Kontakt mit Realität,
oder in den Kontakten mit Rekonstruktion von sozialen Wirklichkeiten
bringt, die ermöglicht Kritik. Also eher auch immer wieder dieser
Anspruch der systemischen Perspektive zu sagen: "Wir beginnen nicht
einen normativen Himmel, sondern wir haben den Mut und die Kraft
hinzuschauen, wie sich Verhältnisse und Leben sich organisiert und wie
es sich vollzieht. Und weil wir aus dem Verständnis heraus, wie es
sich vollzieht, sind wir im Stande Alternativen zu entwickeln."
Und diesen zweiten Schritt, der, finde ich, gehört an unserer
Perspektive, so wie wir das verstehen, dazu.
Prof. Geiling: Vielleich eine kleine Überlegung noch als Ergänzung.
Die Frage ist natürlich auch immer die Frage, ich sag mal von, der
Erreichbarkeit. Aber das hast du im Grunde ja auch schon... der
normative Himmel oder die große Struktur der Gesellschaft.
Ich finde auch, also ob man jetzt so eine Theorie oder so eine Theorie
jetzt hier am Tisch bespricht der Sozialen Arbeit, ist auch ein Stück,
ich sag mal, neoliberaler Zeitgeist oder das sind ja auch bestimmte
Strukturen, die wir in sozialarbeiterische Programme sozusagen auf die
jetzt die einzelnen Sozialarbeiter teilweise gar keinen direkten
Einfluss haben, sondern die Arbeiten in dem Programm die sind
vielleicht individualisiert zugeschnitten. Das hat auch teilweise
vielleicht auch mit bestimmten Strukturen und der aktuellen
gesellschaftlichen Situation zu tun.
Das ist jetzt so ein bisschen eben wieder die Frage des sortierens,
finde ich auch wichtig. Was ich aber immer auch wichtig finde, auch
noch mal verbunden mit der Überlegung der Erreichbarkeit, weil ich
habe das letztens auch erlebt, da haben Studierende gesagt: "Ja, das
ist doch alles so weit weg und das Wirtschaftssystem ist in der Tat
können wir jetzt ja das Wirtschaftssystem nicht mal so verändern."
Ich finde da die systemische oder die systemtheoretische Antwort
eigentlich auch immer wieder ein ganzes Stück weiterführend, in aller
Bescheidenheit, sozusagen, da haben wir das vielleicht wieder drin,
dass das Wirtschaftssystem einfach ganz konkret da ist in der
sozialpädagogischen Familienhilfe, wenn es darum geht um zahlen oder
nicht zahlen.
Das ist ja hinterher ist die funktionsystemspezifische
Kommunikationsweise des Wirtschaftssystems die wird ganz konkret.
Die wird richtig konkret und da ist es ein Stück erreichbar.
Das ist jetzt ein bisschen...
Helmut Lambers: Gut, also wenn man das mal so vielleicht stehen lassen
kann, dass zumindestens aus systemtheoretisch-konstruktivistischer
Sicht der, ja, die gesellschaftliche Erreichbarkeit doch ein Stück
weit in Frage gestellt werden muss bzw. reflektionstheoretisch in den
Blick genommen werden muss und das beschreiben Sie ja eigentlich auch
recht schön, dass Sie sowohl auf der Ebene der Interaktion, als auch
auf der Ebene von Organisationen und auch im gesellschaftlichen
Kontext durchaus Möglichkeiten sehen, wie man aus, ja, auch
gesellschaftskritischer Perspektive, aber die eben systemtheoretisch
nochmal rückgebunden ist, durchaus auch zu Aussagen zu kommen.
Nur Sie nehmen sie also weniger aus dem normativen Himmel, sondern
eher aus der direkten Anschauung, aus der direkten Interaktion vor
Ort.
Das ist schon, glaube ich, insoweit verständlich geworden, aber
dennoch bemühen Sie ja doch, muss man sagen, den normativen Himmel an
einer Stelle noch einmal sehr deutlich.
Nicht Sie ganz neu, aber doch mit Alice Salomon ist der Himmel ja
aufgespannt seit gut 90 Jahren, kann man jetzt fast sagen, reden wir
von sozialer Gerechtigkeit und das tun Sie auch.
Ein ganzes Kapitel widmet sich genau diesem Teil des Normativen, wenn
man so will. Also von daher will ich gar nicht darauf kommen oder Sie
fragen, wie Sie darauf gekommen sind, sondern ich würde Sie eher
fragen wollen, wie Sie den speziell den systemischen Beitrag zu diesem
Leitthemabeitrag zur sozialen Gerechtigkeit sehen. Gibt es.. Kann man
das sagen? Gibt es aus systemischer Sicht einen spezifischen Beitrag
zu dem Thema "Wie schaffen wir soziale Gerechtigkeit?"?
Prof. Hosemann: Mein Vorschlag wäre ganz viel auch wieder über die
Übergänge über Kopplung nachzudenken. Wie sind realistische und
beeinflussbare Kopplungen da von einem Lebensbereich oder von
Ressourcen oder auch von Lebenswelten in andere? In Kommunalpolitik,
in Organisationen, in Bereiche, die die Soziale Arbeit hat und wie
kommt es von der Sozialen Arbeit wiederum zu politischen
Entscheidungen?
Für mich eine schöne Geschichte ist aus der Behindertenarbeit, wo es
am Anfang nur darum geht wie jemand der Sport treiben will, wie man
den in den Sportverein bekommt. Oder dass man sich überhaupt erst mal
zuhört, dass der Behinderte Sport machen will, dass man das erst mal
annimmt, anerkennt. Dass man dann überlegen, wie kann man das
organisieren, wie findet man einen Sportverein?
Dass man die Abgrenzung und die Exklusionssachen des Sportvereins
überwindet. Wie man diese Erfahrungen in der eigenen Organisation
beheimatet und wie man aus der Organisation heraus das in
Kommunalpolitik übersetzt.
Ich finde das ist eine Frage, dass Gerechtigkeit nicht.. dass die ein
Prozess sein muss oder dass es ein gestaltbar Prozess ist und es auch
immer ein Prozess des "wir unterhalten uns darüber". Wenn man nichts
über die Leiden der Migranten erfährt, wenn man nichts über das Leid
von Alleinerziehenden oder von bestimmten Gruppen erfährt, dann ist es
auch gesellschaftlich nicht da.
Und es ist Aufgabe von Sozialer Arbeit soetwas sozusagen zu
kommunizieren und die besondere Leistung des systemischen Ansatz ist
es ist diesen Kommunikationsvorgang in den Blick zu nehmen und darüber
nachzudenken, wie wird in unsere Gesellschaft soziales Verhalten
kommuniziert und wie wird diese Kommunikation wirksam?
Ich denke da kann der systemische Ansatz einiges zu leisten.
Helmut Lambers: Gut, im Grunde genommen haben wir das Thema
Herausforderungen, glaube ich, abschließend behandelt oder sehen Sie
vielleicht noch jenseits der Theoriebildung spezifische
Herausforderungen, auf die sich Soziale Arbeit nochmal besonders
einstellen muss? Ansonsten würde ich Sie fragen, ob die
Herausforderungen, die Sie jetzt auch ansatzweise benannt haben, mit
Ihrem Theorieangebot eigentlich ausreichend abgedeckt werden kann,
oder sehen Sie da hier und da vielleicht Entwicklungsbedarf?
Aus Ihrer Sicht, also vielleicht auch mit Blick auf eine kritischen
Selbstreflexion der eigenen Theoriebildung. Steht noch was an für die
spezifische systemtheoretische Theoriebildung?
Prof. Geiling: Vielleicht jetzt nicht ein generelles Problem dieser
systemtheoretischen Theoriebildung, aber ich entdecke schon und
konstatiere das mal, ich weiß nicht wie du das siehst, ein Stück
empirisches Forschungsdefizit. Das finde ich schon an der Stelle einen
wichtigen Hinweis.
Gerade die ganzen Themen von sozialer Ungleichheit, die sich massiv
verschärfen in der Gesellschaft, also wie ist das. Da kann man ja
wunderbar eine Inklusions-Exklusions-Brille aufsetzen und empirisch
tatsächlich mehr Forschungsprogramm daraufsetzen. Was passiert
eigentlich mit den Schülern, die die Schule wechseln? Oder mit den
Migranten, die nicht Zugang haben oder nicht wissen wie lange... Also,
dass man sich das empirisch nochmal stärker anguckt.
Und ich finde da bietet das systemtheoretische Modell oder auch unser
Ansatz durchaus Möglichkeiten hier und da so eine Brille aufzusetzen.
Was wir beschrieben haben an Prozessen, wo wir die systemische Soziale
Arbeit auch sehen als Beitrag für die Gesellschaft.
Ich sehe da ein empirisches Forschungsdefizit, jetzt relativ
allgemein.
Prof. Hosemann: Ich würde sagen die Differenzen oder manche sagen
Spaltung oder die Gegensätzlichkeiten oder die Unterschiedlichkeit in
einer Gesellschaft werden offensichtlich nicht weniger.
Wir kommen ja gerade aus Bayern, wo man sagen kann selbst das, was man
immer für ewig hielt, dass die CSU immer allein.. selbst hier scheint
es Veränderungen zu geben.
Also es gibt offensichtlich eine große Spaltung und große Differenzen.
Und da ist die Frage, wie Soziale Arbeit etwa diese soziale Band
organisieren kann und da ist die Frage, wie der systemische Ansatz
dazu geeignet ist Konfliktfähigkeit... Ich würde mir mehr nicht nur,
dass wir Konflikte beschreiben und andere Konflikte beschreiben oder
auch beschreiben warum die Soziale Arbeit so wie sie ist, sondern ich
würde mir als Wunsch oder als Herausforderung oder als Idee fragen,
die Konfliktfähigkeit der Sozialen Arbeit erhöhen.
Und dann wäre für mich die Frage, was kann der systemische Ansatz oder
was können auch andere Ansätze eigentlich dazu leisten, dass die
tatsächliche Konfliktfähigkeit von Sozialer Arbeit größer wird?
Leisten wir dazu einen Beitrag, dass die Konfliktfähigkeit größer
wird?
Oder leisten wir keinen, weil die Ressourcen offensichtlich mehr
werden und der erhoffte Fahrstuhleffekt von allen nach oben sich nicht
realisieren wird und die Verteilungsauseinandersetzung auch innerhalb
der sozialen Fragen.. die Leute werden älter, die Leute brauchen mehr
für Gesundheit, die wollen das, die wollen mehr...
Also wir haben ja auch Verteilungsfragen innerhalb des Sozialen.
Und deshalb scheint mir die Konfliktfähigkeit und der Konfliktdiskurs
auch innerhalb der sozialen..
Daher finde ich auch das Projekt toll was Sie machen.
Anerkennung für dieses Projekt. Anerkennung, dass Sie das
nachvollziehbarer machen und auch Unterschiede nachvollziehbarer
machen, weil vielleicht auch etwas mit der Konfliktkultur innerhalb
der Sozialen Arbeit zu tun hat.
Wie Konfliktfähig wir sind, wenn wir die Soziale Arbeit verlassen.
Martin Klein: Und es bleibt die Frage der sozialen Gerechtigkeit, also
genau das was Sie beschreiben, wenn es um Verteilung geht.
Ich würde vorschlagen wir kommen zum Ende.
Helmut Lambers: Zum Abschluss stellen wir immer ganz gerne Fragen, die
für unsere Studierenden dann vielleicht noch einmal insbesondere oder
grundsätzlich interessant sind und fernab solch schwieriger komplexer
Themenstellung, die wir jetzt gerade besprochen haben.
Zunächst mal die Frage an Sie: Warum ist es eine gute Idee Soziale
Arbeit zu studieren? Oder ist es eine gute Idee?
Prof. Geiling: Auf jeden Fall. Der Beruf.
Ich finde es einfach... Ich hoffe unser Gespräch und die anderen
Videos im Projekt leisten dazu auch einen Beitrag. Ich denke es ist
ein sehr sehr interessanter vielfältiger Beruf, wo man auch an viel
Fragen des sozialen Lebens zu tun hat und ist auch ein Beruf mit
Zukunft mit Sicherheit.
Auch wenn demokratische Prozesse teilweise in Schwierigkeiten sind in
dieser Gesellschaft aktuell, ich sage es mal so, gerade deswegen ist
es einfach eine spannende Berufsperspektive, ja.
Helmut Lambers: Aus den benannten Gründen, die wir heute auch ein
bisschen ausführen konnten.
Prof. Hosemann: Mit die größte Herausforderung überhaupt beinhaltet
nämlich Überlegungen in praktisches Handeln und aus praktischem
Handeln Überlegungen anzustellen.
Das ist wahnsinnig spannend.
Martin Klein: Wenn Sie jetzt sich vorstellen, dass Studierende das
sehen, die im ersten Semester sind, welchen Tipp würden Sie diesen
Studierenden für ihr Studium mitgeben?
Prof. Geiling: Unser Buch zu lesen. Nein, Quatsch! Aber ich habe mir
wirklich überlegt, nicht unser Buch, sondern überhaupt das Lesen
anfangen.
Ich habe selber... also ich finde... die Auseinandersetzung
tatsächlich sich mit Literatur auch sozusagen darauf einzulassen, zu
beginnen ein Netz für sich selber zu entwickeln während des Studiums,
sozusagen, eine Auseinandersetzung über...auch über Fachliteratur.
Einfach einen Tipp.
Prof. Hosemann: Mein Tipp wäre nicht zu früh in irgendeiner Nische
wohlig einrichten, sondern locker bleiben.
Helmut Lambers: Ja, locker bleiben. Das ist, glaube ich, auch ein
Stichwort, also wenn Sie dieselbe Frage jetzt noch mal mit Blick auf
die Studierenden, die jetzt im Übergang stehen, also... beantworten,
würden Sie Studierenden noch einmal speziell etwas mit auf den Weg
geben wollen, etwas empfehlen? Sofern nach Empfehlungen gefragt wird.
Prof. Geiling: Also als Empfehlung... ist ein bisschen so ähnlich, wie
du das meinst mit der Nische.
Also ich würde eher auch empfehlen sich Zeit zu lassen und die ersten
Jahre so auch nochmal ein Stück vielleicht sogar als Wanderjahre. Ist
jetzt nicht nur ein Appell für schnelles Wechseln der Stellen, so als
Empfehlung, sondern wirklich auch als Wanderjahre auch so einen
neugierigen Forscherblick. Was passiert denn jetzt hier eigentlich in
der Praxis, nachdem ich studiert habe? Den nicht zu schnell zu
verlieren.
Sozusagen auch mitmachen, aber immer wieder auch Distanz zu finden und
sich zu überlegen: "Die Soziale Arbeit? Wollte eigentlich eine
andere." Und dann prüfen und gegebenenfalls andere Sachen
unterstützen. Übergänge. Wanderjahre.
Mein Tipp wäre akzeptieren und befreunden mit den eigenen
Unzulänglichkeiten. Weil wenn ich noch mehr mit meinen eigenen
Unzulänglichkeiten, die nicht sofort in ein "entweder oder ich oder
der Klient oder ich oder die Organisation".
Prof. Hosemann: Einfach je mehr aushalte, dass ist vielleicht nicht
gleich so wird. Oder wie einer meiner... Sie habe mich vorher nach den
Lehrern gefragt. Der hatte einen ganz tollen Tipp.
Der hat gesagt (unverstänlich) berühmter Therapeut: " Von den ersten
zehn Therapien gehen sowieso acht schief." Einfach mit sich selber
lernen freundlich zugewandt umzugehen und nicht so streng zu sein. Das
hilft auch vielleicht mit den Klienten freundlich zugewandt und nicht
so streng zu sein.
Martin Klein: Wenn wir zum Abschluss die Frage nehmen, wenn es so
etwas gibt wie das wichtigste Buch, das alle
Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen gelesen haben sollten, gibt es da
eins und wenn ja könnten Sie es kurz skizzieren?
Was würden Sie empfehlen?
Prof. Geiling: Ich muss da wirklich passende, mir fällt es wirklich zu
schwer, als dass ich jetzt so ein Buch nennen möchte, weil mir ist das
sehr sehr immer wieder auch abhängig vom Kontext. Ich lese zum
Beispiel gerade das Buch "Beratungen zwischen Tür und Angel" unter
anderem herausgegeben von Heino Hollstein-Brinkmann aus Darmstadt.
Wunderbares Buch, um sich um wirklich Gelegenheitsstrukturen zu
kümmern, um Brücken zu bauen, in eher, sozusagen, "fester
strukturierte Settings" nenne ich es jetzt mal. In diesem
Zusammenhang, der den Interaktionszusammenhängen der Sozialen Arbeit
auch eine enorme Rolle spielt. Wie strukturiert offen sind die
Situationen? Hat sich Herr Thiersch ja schon damit beschäftigt.
Strukturierte Offenheit. Aber damit umzugehen finde ich ein
wunderbares Buch.
Aber mich inspirieren alle paar Monate neue Bücher.
Mir fällt es wirklich schwer. Das Buch zu nennen.
Prof. Hosemann: Ich würde auch sagen, dass eigentlich von der Theorie
her eher nicht eines für alle und für alle Situationen, sondern eher,
würde ich sagen, so lange lesen, bis es irgendwo klick macht oder
irgendwas machen, wo es dann irgendwann Klick macht und sagt "okay das
packt mich jetzt", aber dass ich nicht weiß was für andere Leute packt
und wie das in deren Situation und das ist, glaube ich...
Mein Vorschlag wäre eher nach dem Buch zu suchen, das einen packt.
Aber nicht, dass ich sage was das für andere packt.
Helmut Lambers: Herzlichen Dank für das Gespräch.
Prof. Geiling: Danke.
Danke für das Projekt!