Theorien Sozialer Arbeit

Katholische Hochschule NRW
Since 10/2021 18 Episoden

Wolf Ritscher

15.10.2021 70 min Staffel 1 Episode 9

Zusammenfassung & Show Notes

Wolf Ritscher (*1948) studierte von 1969 bis 1970 evangelische Theologie, Geschichte und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und von 1972 bis 1982 an der Universität Heidelberg Pädagogik, Soziologie und Psychologie. Er promovierte 1979 an der Universität Heidelberg mit dem Thema Sozialisationstheoretische Voraussetzungen für eine Kritik der Pädagogik. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Systemische Beratung/Therapie und ihr gesellschaftlicher Kontext, Geschichte der Systemischen Therapie und der Psychotherapie im Allgemeinen, die Verknüpfung systemischer, psychoanalytischer und humanistischer Verfahren und Gesellschaftstheorie, Systemische Soziale Arbeit und Beratung/Therapie in der Sozialen Arbeit, Kinder- und Jugendhilfe, Soziale Psychiatrie, Schulsozialarbeit, die psychosozialen Folgen des Nationalsozialismus und Bildungsarbeit an Gedenkstätten des nationalsozialistischen Terrors. 

Transkript

Klein: Wenn sie drei Wörter nehmen müssten die Sie beschreiben welche drei Wörter wären das. Rittscher: Muss ich mit meiner Frau darüber sprechen. Die hat zu mir gesagt ich soll als Erstes sagen dass ich sehr freigiebig wäre. Und zwar in verschiedener Hinsicht. Das ist das Erste. Das zweite war mir dann wichtig. Ich bin ein Familienmensch. Und das Dritte. Ich versuche tolerant zu sein. Lambers: Gibt es so etwas wie eine Lebensphilosophie? Rittscher: Ganz einfach Im Grunde. Manchmal braucht man gar keine großartigen Theorien. Ich würde einfach sagen Leben und leben lassen. Eigentlich schon. Da kann man jetzt große Theorien drüber schreiben aber eigentlich geht es doch darum. Klein: Auf den Punkt. Rittscher: Auf den Punkt leben und leben lassen. Und ich würde das natürlich auch gleich Kontextualisieren mit dem schönen Satz von Rosa Luxemburg Freiheit ist immer die Freiheit des anderen. Leben. Mein Leben hat immer auch etwas mit dem Leben der Anderen zu tun. Klein: Können Sie daran. Anknüpfen. Ein Ratschlag oder den besten Ratschlag benennen die sie mal bekommen haben. Rittscher: Zwei, dein einen habe ich gelesen bei Carlos Castaneda. Den fand ich gut: "Nimm nicht so wichtig." Und den zweiten den hat mir Gunter Schmidt gegeben als er mal da war ich. Habe einige Sinnkrisen hinter mir und er hat mir irgendwann mal gesagt: "Rolf Der Sinn des Lebens ist das Leben selber." Klein: Wenn wir zur sozialen Arbeit mal schauen, gibt es da Vorbilder oder gibt es ein Vorbild in der Sozialen Arbeit für Sie. Rittscher: Da habe ich auch gedacht. Das muss man auf zwei Ebenen glaube ich sehen das eine Vorbild das ich ja nicht kenne sondern über diesen Menschen den ich nur gelesen habe. Da fand ich ganz arg beeindruckend Jane Ellens, so wie Sylvia Staub-Bernasconi sie beschrieben und vorgestellt hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Und dann muss ich sagen, es gibt Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die ich einfach in der täglichen Praxis erlebt habe. Und da habe ich dann zum Beispiel eine Kollegin. Die im Jugendamt in Konstanz arbeitet. Wenn ich mit der Rede und höre wie sie über ihre Fälle spricht und was sie macht. Dann denke ich immer noch Respekt, Respekt. Das finde ich einfach toll. Das sind viele. Die halt irgendwo namenloses dann im weiteren Umkreis bleiben. Klein: Warum interessieren Sie sich überhaupt für Soziale Arbeit. Rittscher: Mein Physiklehrer. Ich bin ja in Soost Ins Gymnasium gegangen. Und mein Physiklehrer dort, der war oft ziemlich sauer auf mich weil ich so schlecht war. Er hat mal zu mir gesagt, als er wieder auf Hundertneunzig war, Rittscher sie rühren in allen Töpfen. Nur nicht in dem der Physik. Und da hat er was ganz richtiges getroffen. Ich interessiere mich für unglaublich viele unterschiedliche Bereiche Theorien Bücher Menschen und ich finde Soziale Arbeit total spannend weil sie so vielfältig ist viel vielfältiger als zum Beispiel psychologische therapeutische Arbeit. Sie ist viel eingespurter. Und das finde ich an der Sozialarbeit toll. Und dann habe ich ganz lange in Schorndorf im Jugendamt gearbeitet. Schorndorf ist bei Stuttgart. Und da habe ich in der Familien Beratungsstelle des Jugendamtes gearbeitet und da hatte ich ganz viel Austausch mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern das fand ich immer total spannend. Klein: Warum interessieren sich dann für die Theorie in der Sozialen Arbeit oder die Theorie der Sozialen Arbeit. Rittscher: Da muss ich sagen Ich liebe Theorien aber die Theorien die, Ich in der Sozialarbeit in der Psychologie relevant finde, die habe ich mir eigentlich erst durch meine eigene Praxis erschlossen. Ich bin eigentlich jemand der erst mal ganz viel praktisch gearbeitet hat und dann von der Praxis her geguckt hat welche Theorien mit denen sich schon beschäftigt hast. Die sind spannend passen dazu. Könntest du denn in irgendeiner Weise verwenden und es gibt ja diesen schönen Satz Der Kurt Lewin zugeschrieben wird nichts ist praktischer als eine gute Theorie und darauf bestehe ich. Ich finde jede Theorie in unserem Feld muss Praxis relevant sein. Das heißt Eigentlich muss man sie durchbuchstabieren können von dem höchsten Abstraktionslevel bis zum Anwendungsbereich. Deshalb finde ich Theorien total wichtig. Sie leiten. Sie leiten das Denken. Und dafür sind sie sehr sehr wichtig. Klein: Gut. Vielen Dank. Das war der erste Teil zu den persönlichen Als nächsten Gast in unserer Interviewreihe begrüßen wir ganz herzlich, Wolf Ritscher schönen guten Tag Bevor wir zu unseren fachlichen Fragen kommen versucht zumindest mal einen kurzen überblick über ihren akademischen Werdegang zu geben. Sie waren bis 2011 Professor für Psychologie an der Hochschule für Sozialwesen in Esslingen. Dort mit den Schwerpunkten klinische Psychologie Familientherapie und Familien Sozialarbeit. Zuvor haben sie evangelische Theologie Geschichte und Philosophie an der Ruhr-Universität in Bochum und darauf Pädagogik Soziologie und Psychologie in Heidelberg studiert. Promotion zum Thema Sozialisationstheoretische Voraussetzungen für eine Kritik der Pädagogik. Ihre Arbeits und Forschungsschwerpunkte vorzustellen gelingt wahrscheinlich nicht so in aller Kürze aber ich hoffe die wichtigsten Punkte. Zum einen geht es bei ihnen natürlich um systemische Beratung Therapie und ihr gesellschaftlicher Kontext. Die Geschichte der systemischen Therapie und der Psychotherapie im Allgemeinen. Und die Verknüpfung systemischer psychoanalytischer und auch humanistischer Verfahren und Gesellschaftstheorie. Schließlich die systemische soziale Arbeit und Beratung. Therapie in der sozialen Arbeit insbesondere im Kontext Kinder und Jugendhilfe soziale Psychiatrie und Schulsozialarbeit. Und auch wie ich persönlich finde recht spannend die psychosozialen Folgen des Nationalsozialismus und Bildungsarbeit an Gedenkstätten des nationalsozialistischen Terrors. Neben dieses doch sehr umfangreichen Arbeits und Forschungsgebietes. Haben Sie eine Vielzahl von Zusatzausbildungen. Ich nenne mal nur einige. Also psychoanalytische Gruppendynamik Psychodrama systemische Therapie Beratung und Familientherapie. Außerdem sind sie Lehrtherapeut. Summa summarum eine breite Feldkompetenz insbesondere in der Kinder und Jugendhilfe wie ich schon sagte in der Sozial Psychiatrie, Schulsozialarbeit aber eben auch im Kontext von Familien Sozialarbeit bzw. auch Familien und Suchtberatung stellen. Zu guter Letzt können wir nicht ihr gesamtes publizistisches Schaffen hier vorstellen aber doch kurz drei Titel benennen die im Zusammenhang unseres Gesprächs jetzt eine Rolle spielen. zunächst einmal die Einführung in die systemische soziale Arbeit mit Familien. Als Nächstes sozialer Arbeit systemisch ein Konzept und seine Anwendungen. Und schließlich die systemischen Modelle für die soziale Arbeit ein integratives Lehrbuch für Theorie und Praxis. Da werden wir sicherlich auch nochmal drauf kommen. Der Kontext Familie ist bei ihnen ja doch ein Unübersehbarer. Aber hier beziehen sie die systemischen Modelle noch einmal generell auf die soziale Arbeit. Und dazu werden wir sicherlich auch gleich noch einmal die eine oder andere Frage Haben. Zunächst einmal liegt glaube ich nahe die Frage weshalb sie sich als Familien und Lehrtherapeut so intensiv mit der sozialen Arbeit auseinandergesetzt haben. Können Sie da etwas zu sagen. Rittscher: Ja ich habe ja schon vorhin gesagt dieses Interesse für Vielfältigkeit ist in der sozialen Arbeit ganz spannend. Und zweitens. Weil ich schon immer. Ich stamme noch aus den 68ern. Ich habe 69 Jahre angefangen zu studieren und. Wie sich das damals so gehörte war ich natürlich Marxist das ist ja klar und. Was ich davon behalten habe ist unter anderem, dass Theoriebildung im Sozialen, Sozialwissenschaftlichen Bereich ohne Bezugnahme auf gesellschaftliche Verhältnisse gesellschaftliche Kontexte eigentlich nur eine halbe, wenn überhaupt, Sache ist. Und Soziale Arbeit ist deshalb so spannend weil sie diese Verknüpfung von Person Subjekt Familien System und so weiter mit gesellschaftlichen Kontexten, finde ich Sehr gut beschrieben und auf den Punkt gebracht hat. Aus dieser Verknüpfung heraus fand ich soziale Arbeit immer total spannend und ich habe ganz oft meinen psychologischen Fachkollegen und Fachkolleginnen gesagt Leute ihr könntet von der Sozialen Arbeit viel lernen. Über diese ganz, jetzt will ich mal sagen, eng fokussierte Arbeit am Einzelfall hinaus. Das was die Systemiker sagen weg von der Individuumzentrierung hin zu Systemorientierung. Und das ist nicht nur nicht nur kleinere Sozialsysteme sondern es ist auch Gesellschaft mit all ihren Teil-und Funktionssystemen deshalb. Klein: Wenn man Ihre Bücher liest und sich Gedanken macht ob das was sie vertreten, Eigentlich zu dem Strauß der Theoriebildung in der Sozialen Arbeit gehört oder nicht. Dann kommt man vielleicht erst mal ein bisschen ins Straucheln. Sie haben eingangs gesagt dass, Sie so verstehe ich sie dass sie die Ansprüche an Theorie so setzen dass, Theorie eigentlich nur dann eine Bedeutung hat wenn sie tatsächlich bis zur Handlungsebene durch Dekliniert werden kann. Ihr Ansatz den Sie vertreten liest sich zunächst auch eher wie ein Handlungskonzept. Ein Theorie geleitetes Handlungskonzept. Wenn man allerdings nach der Relevanz fragt was über diesen Ansatz Familie hinaus möglicherweise auch noch in weiteren Handlungsfeldern oder überhaupt in den Handlungsfeldern der sozialen Arbeit gefragt ist. Könnte man dann vielleicht auch davon ausgehen dass sich hier eine Disziplin begründende Theorie ableiten lässt oder dass sie zumindest auch den Anspruch. Hätten nicht allein ein Handlungsmodell für die systemische Praxis anzubieten sondern darüber hinaus vielleicht auch einen Rahmen einen Bezugsrahmen für eine Disziplin begründende Theorie sehen. Rittscher: Also wenn Sie so meine Bücher und die Artikel die ich geschrieben habe. Mal sehen sie angucken dann sehen Sie ja. Da schwanke ich ein bisschen. Schwanke ich auf der einen Seite denke ich natürlich Disziplin begründe Theorie wunderbar dann werde ich vielleicht doch noch mal berühmt. Und so weiter. Warum eigentlich nicht. Die systemische Metatheorie bietet durchaus auch solche Möglichkeiten nicht von ihr quasi eine Beschreibung und Strukturierung der Disziplinen sozialer Arbeit her zu leiten. Zum Beispiel Hosemann und Geiling haben das ja in Ihrem Buch finde ich sehr schön gemacht eine sehr konsistente Theorie abgeleitet von Luhmann hauptsächlich mit ein paar zusätzlichen Theorie Perspektiven und daraus im Grunde eine Disziplinen begründende Theorie gemacht. Andererseits denke ich dann. Ach Gott ist dieser Anspruch nicht zu hoch. Deshalb bin ich eher so auf der Spur bei dem was ich entworfen und entwickelt habe das als ein theoretisch begründetes Handlungskonzept zu nennen und dabei auch zu bleiben. Ja. Und in diesem Buch systemische Modelle für Soziale Arbeit habe ich das ja auch im Grunde vom Titel her schon so aufgezogene Ich habe keine Theorie entwickelt sondern ich habe Modelle beschrieben die für die soziale Arbeit relevant sein können. Klein: Sie haben die Kollegen Hosemann und Geiling genannt die ja auch noch im Interview zu Gast sein werden denen sie bescheinigen dass sie ja durchaus. Theorie basierte Ich würde aber auch sagen Theorie basiert Handlungs Modell anbieten sie so verstehe ich sie zumindest machen das ja in ähnlicher wie ich finde auch gelungener Weise allerdings weniger auf Luhmann bezogen sondern sie beziehen sich auf den ökosozialen Ansatz. Auf den Systemtheorie ökologischen Theorie Ansatz. Und da liegt natürlich die Frage nahe weshalb ist dieser Ansatz so zentral für ihre Theorie. Rittscher: Der Ökologische. Also ich hab das ja vorhin schon gesagt. Ich habe eigentlich mit der Praxis angefangen. Und dann die Theorien gesucht die dazu passen könnten und mir helfen könnten in der Praxis zurechtzukommen. Ich finde dass der ökologische das ökologische Denken und. Ökologische Theoriebildung genau das beinhaltet was ich zum Beispiel in der Arbeit mit Familien und nicht nur Familien anderem auch anderen sozialen Systemen für sehr wichtig halte um im Prozess voranzukommen und das eine, was ökologische Konzepte übereinstimmend sagen ist die gegenseitige Abhängigkeit dass sich quasi. Alles was ich auf dieser Welt bewegt und nicht nur das ist in gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen und das glaube ich ist ganz wichtig. Ich bestehe ja auch auf dem Subjekt. Deshalb bin ich mit Luhmann ziemlich überkreuz. Ich bestehe darauf dass es noch so ein Konzept von Subjekt gibt. Aber diese. Es muss so etwas wie eine dieser. Wechselseitigen Abhängigkeit muss müssen sich die Subjekte auch immer wieder diesen Abhängigkeiten stellen und sich mit diesen Abhängigkeiten auseinandersetzen. Und das ist für Beratungs und Therapie Prozesse total wichtig. George Bernard Shaw hat mal gesagt Unabhängigkeit ist ein bürgerliches Vorurteil. Und das sehe ich auch so. Dieser Glaube an das autonome Individuum oder das autonome Subjekt halte ich für eine ziemliche Illusion. Ökologisch ist völlig klar dass das eine Illusion ist. Das zweite was ich in der ökologischen ökonomischen Theoriebildung so wichtig finde ist die Idee der Balance. Wenn innerhalb von Systemen bestimmte Positionen kodifiziert über oder Unter wertig werden und damit eine Schieflage in den Systemen entsteht dann hat das. Konflikte zur Folge. und diese Konflikte zu reduzieren setzt unter anderem auch wieder eine Wiederherstellung von sag ich mal Gleichgewichten über die Zeit voraus Es geht nicht darum das immer zu jedem Zeitpunkt Gleichgewichtigkeit besteht. Aber über die Zeit hinweg müssen sich die einzelnen Positionen immer wieder auch angleichen, ausgleichen. Das finde ich ganz ganz wichtig. Lambers: Können Sie das vielleicht an einem konkreten Beispiel benennen. Rittscher: Nehmen Sie eine Familie weil es so mein, das ist natürlich mein Schwerpunkt. Wenn sie in einer Familie in der Familien Dynamik eine Position eine Rolle und eine Person haben die quasi den familiären Diskurs die familiäre Kommunikation chronisch dominiert. Und die anderen in diesem System immer wieder in die Frage kommen wo ist eigentlich mein Platz wo ist meine Möglichkeit des Handelns wo ist meine Möglichkeit Einflussnehmens und immer wieder die Erfahrung machen meine Möglichkeiten sind sehr sehr beschränkt weil die dominante Position chronisch von einer bestimmten Person eingenommen wird. Lambers: Dann wird es in dieser Familie irgendwann zu schweren Konflikten kommen weil auf die Dauer läßt sich das normalerweise ein Mensch nicht gefallen. Es sei denn es ist schon so schwer depressiv dass er nicht mehr ins Handeln hineinkommt. Also das wäre so ein Beispiel. Und therapeutische Arbeit in dem Fall würde genau heißen diese dominante Position zu relativieren aufzuweichen und in einen Diskurs mit den anderen Positionen und Rollen und Personen im System zu bringen. Klein: Vielleicht können Sie an der Stelle mal erläutern was sie. Als verbindliche Rahmenbedingungen für professionelle systemische Praxis postulieren. Sie sprechen von sogenannten vier Imperativen die sich auf Ethik Theorie auf die Methoden und auch auf das Thema Intuition beziehen. Und zu dem letzten Punkt Intuition vielleicht noch einmal besonders eine Nachfrage. Lambers: Aber vielleicht zum näheren Verständnis erst mal diese vier Imperative können Sie die kurz erläutern. Über Theorie haben wir ja schon gesprochen. Rittscher: Völlig klar dass ich finde dass wir eine Ethik brauchen ist auch klar. Es ist ja eigentlich im Feld der Sozialarbeit und Sozialarbeitswissenschaft müssen wir darüber nicht diskutieren wir sind eine wertgeleitete Wir sind eine Wert. geleitete und wertorientierte Wissenschaft und sollen das auch ganz selbstbewusst vertreten. Da bin ich ganz mit Sylvia Staub-Bernasconi und Ethik im systemischen Feld. Da wird ja immer Heinz von Foerster zitiert also der ethische Imperativ der systemischen heißt vermehre die Handlungsmöglichkeiten. Ich würde sagen nicht nur die eigenen Handlungsmöglichkeiten sondern ganz im Sinne dieses ökologischen Denkens vermehre die Handlungsmöglichkeiten der anderen. Denn meine Freiheit ist auch immer die Freiheit des anderen. Deshalb brauchen wir diesen ethischen Imperativ. Und da kommt für mich aber noch etwas hinzu und das habe ich auch so formuliert. Ganz einfach. Tu in Bezug auf andere nur das was du auch selber annehmen kannst. Ich bin ein sehr Autonomie orientierter Mensch und ich kann es überhaupt nicht leiden wenn mir jemand Vorschriften macht. Als Professor hat man ja auch einen guten Job in der Beziehung da kann man viel autonom und eigenständig machen. Also ich wäre zum Beispiel überhaupt kein guter Kandidat für Ratschläge. Ich bin ein guter Kandidat für reflexive Diskurse. Und wenn ich das bei mir nicht mag, dann werde ich zumindestens erst mal gucken, ob die anderen das mögen. Es ist ja bekannt. Der kategorische Imperativ das hat natürlich alles etwas damit zu tun. Ich möchte auch nicht gewalttätig behandelt werden also werde ich auch niemanden gewalttätig behandeln. Das ist mir total wichtig, dass Schon auf der Ebene ein wechselseitiger gleichberechtigter Bezug zwischen dem Klienten, der Klientin und mir stattfindet. Klein: Den zweiten Imperativ den binden Sie an Theorie. Oder der theoretische Imperativ. Rittscher: Ja der theoretische Imperativ heißt nutze Theorien als Perspektiven, Leitlinien aber reflektiere sie und stelle sie immer wieder neu infrage. Theorien sind nichts weiter als Ansammlungen von Hypothesen miteinander verbundene Hypothesen die immer wieder neu in Frage gestellt werden müssen. Das kann man schon bei Popper nachlesen. Klein: Theorien sterben und nicht Menschen. Rittscher: So ist es ganz genau die Intuition. Klein: Die Methoden vielleicht auch noch vorab oder sagen Sie auch, dass das Vielleicht auch in einer ähnlich deutende Richtung durchaus in einen imperativen Kontext gesetzt werden muss man kann Methoden nicht einfach beliebig einbauen oder verwenden. Rittscher: Methoden müssen theoretisch eingerahmt sein. Das ist der Unterschied für mich zwischen Methoden und Techniken. Deshalb benutze ich den Begriff mit Methode und nicht den Begriff Technik weil ich finde Methoden Handlungsvorschläge Instrumente des Vorgehens die theoretisch eingebettet und theoretisch legitimiert sind. Und auch da gilt genau das Gleiche, dass wir diese Methoden immer wieder reflektieren und auf den Prüfstand stellen müssen und dass wir vor allen Dingen nicht meinen wir könnten Methoden technizistisch anwenden also nichts finde ich schrecklicher als eine so etwas wie eine technizistische bürokratisierte Anwendung zum Beispiel von therapeutischem Manual. Klein: Also nicht den Menschen die Methodik anpassen sondern die Methode der Lebenslage Problemlage der Menschen anzupassen. Wir kommen dann zum vierten Punkt Wenn ich Intuition. Genau das ist der vierte Imperativ das fand ich ja sehr interessant. Dass sie sich für den Imperativen Gebrauch von Intuition aussprechen. Das steht ja in der phänomenologischen Denktradition. Nur stellt sich da für mich die Frage, dass natürlich Intuition wenn man so will ein Erkenntnismodus ist. Aber wie mache ich das denn wenn Sie sagen gebrauche deine Intuition dann hat das schon in gewisser Weise etwas Methodisches. Aber in dem Moment wenn ich das tatsächlich Versuche methodisch zu entfalten dann mache ich eigentlich Intuition unmöglich. Lambers: Das wäre noch mal interessant zu erfahren wie sie das gedanklich füllen wollen den Gebrauch von Intuition. Zum zweiten muss man ja auch feststellen dass zumindest in der Theoriebildung der sozialen Arbeit. Diese Reflexion fast überhaupt gar nicht auftritt. Zumindest bislang nicht aufgefallen natürlich im Kontext der Theoriebildung von Psychologie und so weiter. Aber in den Theorien der sozialen Arbeit kommt Intuition nicht vor. Ich würde mal wetten wenn sie denn tatsächlich als ein Merkmal von Professionalität eingebracht würde das dann sehr schnell doch Widerspruch käme der da lautet Intuition gehört nicht in die Wissenschaft. Ja das ist etwas sehr Persönliches aber das lässt sich professionell eigentlich kaum bis gar nicht verwenden. Rittscher: Da muss ich zwei Sachen zu sagen Das eine ist Wir kommen ja vielleicht dann nochmal dazu. Eine meiner Kritikpunkte an unter anderem auch an vielen systemischen Theoriebildung aber nicht nur an denen ist dass zum Beispiel die affektive Seite menschlichen Lebens subjektive Existenz und auch interpersonelle Dynamik in ganz vielen Theorien überhaupt keine Rolle spielt oder randständig ist. Intuition hat immer auch etwas mit Affekt Affektivität Emotionalität zu tun, das ist Punkt 1. Punkt 2 Da muss ich auch wieder einfach auf meine Erfahrung verweisen. So wie ich Beratung Therapien oder auch sozial pädagogische Interventionen gemacht habe. Ich arbeite persönlich sehr intuitiv. Aber ich habe viele Jahre theoretisch gearbeitet. Und diese Theorien, die sind quasi Teil meines Gehirns. Meine Intuition wird schon in der Situation auch von diesen Theorien, Theoremen geleitet ohne dass ich das jetzt in der Situation ganz bewusst wahrnehme und formulieren kann. Klein: Aber diese Intuition führt mich ein Stück weit des Weges und dann gibt es einen Punkt wo ich merke Aha jetzt muss ich erst einmal genauer nachdenken und reflektieren. Der Weg den mich die Intuition bis zu diesem Punkt gebracht hat war gut. Aber jetzt stimmt etwas nicht mehr in der Beziehung zwischen mir und den Klientinnen und Klienten. Rittscher: Und dann muss ich anfangen zu reflektieren und muss die Intuition quasi auf eine andere Stufe heben auf eine reflexive Stufe. Das ist der Punkt wo man dieses Paradoxon, was Sie gerade formuliert haben das eigentlich methodengeleitete Verwendung von Intuition nicht geht. Da kann man das Paradoxon auflösen. Nachträglich. Das machen wir in der Familientherapie ja ganz oft dass wir Paradoxien dann auf der Meta-Ebene auf der reflexive Ebene dann versuchen aufzuheben. Lambers: Könnte man das so sagen. Watzlawick hat ja immer davon gesprochen dass es die sei spontan Paradoxie gäbe das ist ja mit diesem sei intuitiv fast identisch aber was sein muss wie eine geschulte Intuition. Eine geschulte Intuition das finde ich schön. Rittscher: Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, das so zu nennen aber das ist so zwar geschult über mein eigenes Theologiestudium und natürlich geschult über unglaublich viele Erfahrungen die ich halt im sozialen und psychosozialen Feld gemacht habe. Ich hab inzwischen 40 Jahre Praxis auf dem Buckel. Und da schult sich Intuition allein über die Lebenserfahrung. Klein: Ich denke dass wir dann nach dieser Klarstellung vielen Dank auch noch einmal dafür. Das ist sehr wichtig denn geschulte Intuition ist vielleicht eine ganz schöne Idee. Auch dieses was doch im Begriff der Intuition im Sinne von Alltags Verwertbarkeit liegt. Noch einmal deutlich zu relativieren. Und hier bekommt es dann durch diese Ausformung ja auch noch einmal einen sehr voraussetzungsvollen Kontext. Also nicht Intuition gleich aus dem Bauch heraus sondern eben Theorie basiert bzw. basierend auf der eigenen Auseinandersetzung mit fachlichen theoretischen Fragestellungen und eben auch ganz konkreter Praxis. Ja ich glaube wir sollten dann zu den Herausforderungen kommen. Die Herausforderung die Sie vielleicht sehen für die Theoriebildung oder auch für die Entwicklung von Theorie geleiteten Handbuches Modellen der sozialen Arbeit. Wenn wir mal so in die Zukunft schauen sehen Sie da etwas wo Sie sagen Da sollten wir mal genauer hinschauen. Rittscher: Ich bin ja jetzt schon einige Jahre aus der aktiven Hochschul Tätigkeit und damit auch aus der direkten Verbindung mit sozialer Arbeit draußen ich mache immer noch. Ich bin immer noch als Supervisor im sozialen Feld tätig und kriege da ja immer noch so Entwicklungen mit. Ich glaube, dass eine der Herausforderungen der für die Theoriebildung der sozialen Arbeit den nächsten Jahren wird werden die ganzen gesellschaftlichen Verwerfungen sein die wir jetzt schon beobachten können. Und so wie unsere Politik zurzeit gestrickt ist wird sich daran. auch unsere ökonomie unsere kapitalistische ökonomie wird sich daran möglicherweise nicht so viel ändern. Und ich glaube dass sozialarbeitswissenschaftliche Theorien diese gesellschaftlichen Entwicklungen diese Verwerfungen, diese Spaltungen, diese verrandständigung. Ich würde gar nicht sagen Exklusion ist mit dem Begriff habe ich hier auch schon Schwierigkeiten. Die Verrandständigung von bestimmten Gruppen und Milieus die diese von bestimmten Gruppen und Milieus im Bereich der Randständigkeit der Armut der Unterprivilegierten noch sehr viel stärker theoretisch auch in den Fokus genommen werden. Und die Frage was eigentlich diese gesellschaftlichen Spaltungen zu Verwerfungsprozesse nicht nur für die randständigen Gruppen bedeutet sondern auch für die anderen Gruppen und Milieus in unserer Gesellschaft. Das glaube ich ist ganz wichtig im Sinne des ökologischen Modells der gegenseitigen Abhängigkeiten. Und das zweite. Da sind wir jetzt voll drin ist ja auch klar warum Stichwort Digitalisierung. diese unglaublich schnellen technologischen Veränderungen. Ich habe das ja mitgekriegt. Ich habe ja praktisch alles in meiner Berufstätigkeit vom ersten Computer bis jetzt habe ich diese ganze Entwicklung mitgekriegt. Und ich glaube, dass wir überhaupt noch gar nicht richtig klar haben was diese Mediatisierung diese digitale Mediatisierung von Gesellschaft von gesellschaftlichen Teilsystemen von Subjekten was das für Folgen haben wird für das Zusammenleben von Menschen und damit für das was mir wichtig ist. Integration ist mir viel wichtiger in Fragen der Integration Desintegration zu denken als im Begriffspaar Inklusion und Exklusion. Weil in der Integration steckt die subjektive Perspektive in diesem Begriffspaar Inklusion Exklusion bei Luhmann völlig raus fällt weil Luhmann kennt ja keine Subjekte mehr. Klein: Ja ja das ist ein interessanter Diskurs. Kann man so weit zustimmen wobei man dann vielleicht einbringen könnte, er erkennt sie. Erkennt das Subjekt aber er verortet es außerhalb von Gesellschaft. Die Frage ist dann wie weit kann ein Subjekt tatsächlich noch gesellschaftlich Gestaltend noch auftreten. Aber das wäre ein gesonderter Diskurs aber führt uns vielleicht noch mal an den Punkt. Wenn ich Sie richtig verstehe. Für sie soziale Arbeit an der Schnittstelle von Person und Lebenslage sag ich mal angesiedelt ist aber damit eben auch an der Schnittstelle von Verhalten und Verhältnissen und Ihr systemischer Ansatz bezieht sich aber doch sehr stark wie sie jetzt auch schon mehrfach betont haben auf die Idee des Subjekts. Und da liegt. Rittscher: Das Interdependenzen das ist Wichtig. Klein: Ja Gut. Die Frage ist oder ist da nicht die Frage berechtigt das systemische soziale Arbeit vielleicht doch zu einseitig auf die Person wenn auch in ihren Wechselwirkungen zur Umwelt abhebt aber viel zu wenig auf das was wir Lebenslage oder die Bedingungen von Lebenslage gesellschaftliche Auslösebedingungen von Lebenslage sind oder sehen Sie keinen Widerspruch. Ökologisch sagen sie ist das mitgedacht. Aber wie kann das dann Operationalisiert praktisch auf der Handlungsebene. Mit dem Klienten eigentlich zum Tragen kommen. Da sind wir doch mit ihrem Modell sehr stark an der Person an den Interaction Verhältnissen dieser Personen und weniger an den. Verhältnissen die auch ein Teil der sozialen Problemlagen dieser Personen ausmachen. Rittscher: Wir können den theoretischen Diskurs führen und da müssten wir Subjekt Person Lebenslage Lebenswelt soziale Verhältnisse eigentlich zusammendenken. Aber wir könnten es auch an einem Beispiel deutlich machen. Ich glaube das bringt das auch auf den Punkt. Und zwar Ich war gerade fertig mit meinem Pädagogik Studium und habe dann Sozialarbeit in den Benzbarracken Mannheim in gemacht. Die Benzbarracken in Mannheim sind wir schon der Name sagt sozialer Brennpunkt. In Mannheim. Lambers: Dann haben wir eine Freizeit für die Kinder gemacht ich habe in der Arbeit mit Kindergruppen war ich. Rittscher: Und dann haben wir eine Freizeit am Bodensee gemacht. Klein: Wir haben uns Betreuer und Betreuerinnen haben uns wahnsinnig viel Mühe gegeben alles schön für die Kinder zu machen und schön zu kochen und was weiß ich nicht alles. Und dann haben wir ein wunderschönes Abendessen gestaltet. Heute würde ich schon sagen da liegt schon der Fehler dass wir das gemacht haben und nicht zusammen mit den Kindern. Und einer vielleicht neun oder zehn Jahre alt saß da. Und ich habe mich so geärgert und so aufgeregt dass ich ihn irgendwann angeschrien habe und hab gesagt zu Hause kriegst du fast nichts zu fressen und hier machst du so ein Theater. Lambers: Was hat der junge gemacht. Völlig zu Recht würde ich sagen. Der ist aufgestanden. Ist hoch in sein Zimmer gegangen. Hat seine Sachen gepackt und hat gesagt Ich geh jetzt nach Hause. Das hat er auch gemacht, der ist mit seinem Täschchen raus und ist einfach die Straße in Ludwigshafen wo wir waren am Bodensee einfach die Straße lang gegangen. Und ich natürilich, klar hinterher hab ihn so lange wortlos begleitet bis die ersten Emotionen ein Stück weit sich verflüchtigt hat. Was hab ich gemacht. Klein: Ich habe ein zentrales Konzept der Familiendynamik und der Familientherapie missachtet nämlich das Konzept der Loyalität. Lambers: Ich habe überhaupt nicht im Kopf gehabt dass dieser Junge natürlich seiner Familie gegenüber sehr sehr viel loyaler sein gebunden ist und sein wird als gegenüber uns den Betreuern die doch alles so gut machen wollen. Und dieses Konzept der Loyalität. Ändert das bleibt bestehen auch wenn die Lebensverhältnisse wenn die finanziellen Verhältnisse die Hierarchien in der Familie die ständigen Spannungen und Konflikte in der Familie. Rittscher: Die Fragen Was darf ein Junge Was darf ein Mädchen und so weiter. Die ganzen Konflikte die daraus entstehen sind letztlich weniger wichtig in der Situation als wenn ich von außen die Familie und ihn als Familien Mitglied angreife. Und da sind wir genau bei dem Punkt da muss ich Familie und dynamisch denken und nicht Individuum zentriert. Und damit ist ganz klar. Lambers: Es gibt diese Schnittstelle zwischen Person und Lebenslage und Lebenswelt. Aber es ist eine Schnittstelle. Und ich kann, und da bin ich ganz bei Luhmann in der Differenz von System und Umwelt muss ich die Umwelt natürlich immer im Blick haben. Und wenn ich auf die Person bezogen etwas sage und tue muss ich das immer unter dem Gesichtspunkt der Umwelt auch machen. Klein: Das habe ich in diesem Beispiel nicht gemacht. Lambers: Das sind ja hochkomplexe Anforderungen an den Sozialarbeiter und die Sozialarbeiterin. Rittscher: Deshalb müssen sie viel besser bezahlt werden. Lambers: Aber sie sagen auch in ihrem Buch gibt es das Fallbeispiel aus einer stationären Jugendhilfe wo dann gesagt wird so mit zehn Kindern und Jugendlichen das wäre ungefähr das was eine stationäre Wohngruppe noch ungefähr überschaubarer werden lässt. Gibt es denn auch Grenzen dessen. Grenzen der Anzahl von betreuten die man sich vorstellen kann gibt es dann im Rahmen der Komplexität Grenzen wo man gen kann, das kann man eigentlich kaum noch bewältigen Wir haben ja andere Schlüsselfragen zum Beispiel in der Case Management der Bundesagentur für Arbeit von eins zu hundert eins zu 120. Wie kann man das aufnehmen. Sie hatten das da thematisiert. Rittscher: Ja ich habe nochmal nach geguckt. Das ist ein Beispiel aus Wunder Fitz dass es eine stationäre Jugendhilfeeinrichtungen in Offenburg und die Arbeiten mit so einer kleinen Gruppe. Das selbe Beispiel. Ich habe auch über sieben Jahre neben meiner Tätigkeit als Hochschullehrer noch über sieben Jahre in einem Kleinstkinderheim als Familientherapeut gearbeitet und wir hatten nur sechs Plätze. Und ich finde dass diese kleinen Einheiten sehr viel überschaubarer sind der Kontakt sehr viel direkter schneller und selbstverständlicher sein kann als wenn es sich um große Einheiten und Organisation handelt. Klein: Man kann das natürlich ein Stück weit auch dadurch hinkriegen dass man innerhalb einer großen Organisation Kleine Teilsysteme bildet. Aber diese Teilsysteme müssen dann, das ist oft das Problem in diesen großen Einrichtungen müssen dann für sich auch ein Stück Kontinuität personelle Kontinuität und Sicherheit anbieten. Das heißt. Rittscher: Bei uns in dieser stationären Jugendhilfeeinrichtung wo ich war haben wir quasi die Kinder jeden Tag in ganz unterschiedlichen Situationen erlebt und hatten Kontakt mit ihnen in ganz unterschiedlichen Situationen. Und das kriegen sie in größeren Einrichtungen wo die Teilsysteme viel mehr voneinander abgegrenzt sind viel viel schwieriger hin. Deshalb bin ich für kleine Einheiten und wenn sie in großen Einrichtungen sind müssen sie auch eine relative Autonomie haben. Klar es muss so etwas wie eine personelle Kontinuität der Kolleginnen und Kollegen geben. Klein: Vielleicht noch einmal so langsam dem Ende zugehend. Wenn Studierende der Sozialen Arbeit sich mit dieser sehr vielfältigen Theorie Landschaft auseinandersetzen. Lambers: Dann sucht man sicherlich auch nach Gemeinsamkeiten oder Schnittmengen. Könnten Sie da vielleicht noch mal abschließend eine Einschätzung angeben wo sie sich vielleicht gut verorten können oder wo sie sagen Na ja zur Bewältigungsansätzen oder Lebensführung oder Bedürfnis theoretische Ansätze Staub-Bernasconi oder Befähigungsaansätze. Würden Sie sagen da Grenze ich mich von einem bestimmten Ansatz ab oder haben Sie da eine gemeinsame große Schnittmenge die Sie sehen. Rittscher: Auf theoretischen. Auf der theoretischen Ebene kann man unglaublich viele Abgrenzungsdiskussionen führen. Auf der praktischen Ebene wird man ganz oft sehen, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen theoretischen Ansätzen sehr ähnlich handeln. Und das ist auch gut so. Und ich würde mich überhaupt nicht Radikal von anderen Ansätzen abgrenzen sondern ich würde sagen alle theoretischen Konzepte bergen in sich wichtige Wahrheiten durchaus konstruktivistisch Verstanden. Wahrheiten die auch für meine Theorie und meine Praxis hilfreich und wichtig sind. Klein: Man sieht es ja auch in dem was ich geschrieben habe. Rittscher: Ich habe meine Gedanken und Konzepte überhaupt nicht in Abgrenzung zu anderen Konzepten entwickelt. Ich habe eigentlich erst mal geguckt was halte ich für plausibel für wichtig. Und dann gibt sich auf einer neuen Ebene möglicherweise mal eine Abgrenzungsdiskussion. Aber all die Konzepte die sie gerade eben genannt haben, Lebensführungsansätze das Bedürfnistheoretischeansätze und so weiter. Die enthalten alle ganz ganz wichtige Konzepte. Es gibt kein Wahrheitsmonopol einer Theorie. Das finde ich ganz ganz schrecklich und es ist auch empirisch nicht haltbar. Klein: Womit wir auch in gewisser Weise wieder bei Luhmann wären. Der genau das ja auch immer wieder gesagt hat. Rittscher: Aber paradoxerweise im Grunde eine universale Theorie im sozialen Bereich entwickelt hat die scheinbar alles klärt und erklärt. Klein: Zumindest ist der Anspruch der Soziologen ja machen wir uns ja in der sozialen Arbeit weniger zu eigen wobei die alte Frage natürlich immer wieder aufkommt kann es nicht eines Tages gelingen eine zentrale Theorie der Sozialen Arbeit zu entwickeln. Aber ich finde sie haben etwas ganz Wichtiges gesagt, dass das im Prinzip nicht möglich sein wird sondern dass diese unterschiedlichen Denkansätze alle in gewisser Weise auch Wahrheiten beherbergen die wir dann in der Gesamtsicht auch für die soziale Arbeit und auch für die konkreten praktischen Probleme die wir zu bearbeiten haben dann auch verwenden und zu Rate ziehen können. Rittscher: Deshalb brauchen wir eher Diskurse miteinander untereinander das ist glaube ich entscheidend. Klein: Ja auch der Gegenstand der sozialen Arbeit oder der Theoriebildung ist der Diskurs als solcher. Ich glaube wir kommen nun zum Abschluss. Lambers: Und da ist für uns die erste Frage Warum ist es für Studierende überhaupt eine gute Idee soziale Arbeit zu studieren? Rittscher: Weil es so spannend ist. Habe ich ja schon gesagt. Diese Vielfalt an Arbeitsfeldern an Tätigkeitsbereichen an Theorien. Ich glaube es gibt im sozialen Feld kaum einen Beruf der so viel Vielfältigkeit ermöglicht. Und ich würde auch allen Kollegen und Kolleginnen der Sozialarbeit raten Macht nicht ein Leben lang das gleiche und bleibt in einem Arbeitsfeld sondern diese Möglichkeit eines generalistischen Studiums für unterschiedliche Arbeitsfelder Kompetenz zu werden das finde ich total spannend. Deshalb sage ich studiert Soziale Arbeit und kämpft dafür dass soziale Arbeit auch in der gesellschaftlichen Bedeutung einen angemessenen Platz bekommt. Und das hat auch etwas mit Gehalt zu tun aber natürlich nicht. Lambers: Wenn Sie sich vorstellen Studierende ersten des ersten Semesters Soziale Arbeit sehen das hier und Sie haben die Möglichkeit den einen Tipp zu geben. Im ersten Semester. Was wäre das für ein Tipp. Ich würde Ihnen raten. Auf der einen Seite studiert ihr, das ist total wichtig und setzt euch mit Theorien und Konzepten Geschichte der Sozialarbeit auseinander aber versucht schon von Anbeginn des Studiums an irgendein praktisches Betätigungsfeld ausfindig zu machen indem wir euch auch in dem ihr euch praktisch schon ein Stück weit erkunden könnt. Nicht nur das Feld erkunden sondern auch sich selber erkunden also quasi ein selbst organisiertes Begleit Praktikum für das Studium. Rittscher: Leider Gottes weiß ich wie das hier Nordrhein-Westfalen ist aber durch die Umstellung auf Bachelor und Master ist bei uns in Esslingen das zweite Praxissemester gekippt. Was ich für einen Wahnsinn halte ich halte das für absolut falsch. Weil soziale Arbeit ist immer in der Beziehung und Balance von Theorie und Praxis zu verorten. Also macht irgendetwas, arbeitet mal ein Jahr im was weiß ich Kinderzentrum, dann geht ihr mal ein Jahr was weiß ich in die Suchthilfe und dann geht einmal ein Jahr oder ein halbes Jahr ist ja egal. Also versucht euch schon während des Studiums bestimmte Arbeitsfelder ein Stück weit zu erkunden und damit auch euch selbst zu erkunden würde ich den Studis im ersten Semester raten. Lambers: Und was würden Sie den Studierenden empfehlen die kurz vor dem Berufseintritt sind, also am Ende ihres Studiums sind. Rittscher: Denen würde ich raten, dass sie mal schauen welche Theorien und Theoriekonzepte für das was sie sich gerade als Berufsperspektive so Vorstellung konstruieren. Was dafür hilfreich und wichtig ist. Und da lest euch ein. Da finde ich Ihr Buch auch sehr sehr hilfreich. Dass ihr eben die andere Seite auch ernst nehmt. Klein: Und dass ist am Ende des Studiums sehr viel wichtiger als am Anfang. Da muss man glaube ich sehr auch einen praktischen Einstieg parallel auch haben. Lambers: Unsere Abschlussfrage Was ist für sie das wichtigste Buch das alle Sozialarbeiterinnen gelesen haben sollten. Rittscher: Ich kann das nicht auf ein Buch beschränken. Und da werden Sie überrascht sein. Da hole ich keinen Klassiker der Sozialen Arbeit hervor. Klein: Sondern nur gut ich bin ja auch eben Familien Berater und Familientherapeut. Rittscher: Wir haben ja überhaupt nicht über den Unterschied zwischen Beratung und Therapie gesprochen. Das ist ja nochmal ein wichtiger Punkt. Ich finde alle sollten das Buch von Salvador Minuchin gelesen haben. Das Familien-Kaleidoskop. Ich habe es mitgebracht um es noch einmal zu zeigen. Im Untertitel Bilder von Gewalt und Heilung. Und Salvador Minuchin einer der Pioniere der Familientherapie. Einer der ganz wenigen der auch Familientherapie und Familien Dynamik im Rahmen der Sozialen Arbeit gedacht und praktiziert hat. In New York. Der auch als alter Mann noch mit Unterprivilegierten randständigen Slumfamilien gearbeitet hat.Und der hat ein Buch geschrieben, in dem er genau beschreibt und zwar Erfahrungsorientiert beschreibt, nicht theoretisch, Erfahrungsorientiert beschreibt wie Menschen quasi in sozialen in soziale institutionelle Netze hinein kommen und sich darin auch verstricken können. Lambers: Sowohl die Gewalt als auch Heilung wie er das nennt eben auch notwendigerweise diese sozialen Netze und die Verstrickung in diese sozialen Netze zum Thema haben muss. Rittscher: Und das ist so von Herzen geschrieben Minuchin hat seine, sag ich mal, seine Poorpeople er hat sie geliebt. Er war immer auf ihrer Seite und das merkt man auch wenn man das liest. Diese Liebe zu seinen Klientinnen und Klienten die ja auch andere Sozialarbeiter und Sozialarbeiter für etwas ganz Wichtiges halten. Das würde ich jedem empfehlen und als Begleit Text dazu gibt noch ein Buch von Minuchin das heißt verstrickt im sozialen Netz, wo er das das Ineinandergreifen und gegeneinander arbeiten der sozialen Institution am Fall beschreibt. Denn was da bei uns auch nicht nur in den USA sondern auch bei uns alles gegeneinander arbeiten an Nicht-Kooperation an gegenseitiger Behinderung an gegenseitiger Deklassierung passiert und damit letztlich an den Klientinnen und Klienten rausgeht das muss man sich klar machen bevor man als Sozialarbeiter und Sozialarbeiter in die Praxis einsteigt. Deshalb wäre das mein zweites Buch Empfehlung und meine dritte Buch Empfehlung kommt aus einem ganz anderen Bereich. Peter Härtling Hölderlin Biographie. Peter Härtling in seiner Rolle in der klinischen Psychologie habe ich die Härtling die Biographie von Härtling über Hölderlin immer empfohlen als Buch um zu verstehen wie psychotische Prozesse entstehen, in Gang kommen, interaktionell in einem dynamischen Zehnteln sich verstärken und zum Schluss dann eben auch in akute psychotische Krisen einmünden. Auch das müssen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter kennen. Ich bin weiß Gott nicht Psychiatrie fixiert aber wir müssen uns auch mit der klinischen mit klinischen Fragestellung auseinandersetzen und wir müssen auch unsere Angst vor Psychosen verlieren wenn wir zum Beispiel in der Sozialpsychiatrie arbeiten. Das finde ich ein so wunderbares Buch weil es so von Liebe für Hölderlin zeugt wie Härtling das schreibt das wäre meine dritte Buchempfehlung. Lambers: Wir haben jetzt eine Frage vergessen die würde ich gerne noch anschließen. Sie haben sich viel mit dem Thema Therapie und Beratung beschäftigt und sie schauen sich diese beiden Bereiche an und versuchen die Grenze dazwischen aufzulösen. Da ist die Frage warum sie das versuchen. Rittscher: Also. Therapie kommt ja schon als Begriff aus dem Griechischen Therapeia. Die Behandlung und Heilung. Das ist ein sehr hoher Anspruch. Der auch im therapeutischen Sektor psychiatrisch therapeutischen im psychologisch klinischen Sektor oft überhaupt nicht eingelöst wird. Heilung finde ich einen viel zu hohen Anspruch. Da bin ich eher auf der Seite der Theoretiker. Es geht um Bewältigung. Alltagsbewältigung und Lebensführung wie das inzwischen auch theoretisch diskutiert wird. Das ist das eine. Das Zweite ist mit Therapie ist auch ein hierarchischer Anspruch im psychosozialen Feld verbunden. Also wenn ich sage Ich bin Therapeut dann bin ich schon fast an den Fleischtöpfen und den Pfunden. Und in der Prestigeskala nach oben gestiegen. Das ist das zweite was mich an Therapie stört. Das dritte an Therapie stört mich, dass Therapie im eingeschränkten Sinne sehr stark mit standardisierten klinischen Diagnosen arbeitet. Ich habe zwar auch viel über Diagnosen gearbeitet zusammen mit dem Buch herausgegeben hat übersetzt Diagnosen der sozialen Arbeit habe ich mich ja auch mit Diagnosen beschäftigt oder Frage Wie können wir Diagnosen der sozialen Arbeit fruchtbar machen. Aber das können wir nicht im Sinne von ICDC-10 DSM Diagnosen machen. Und ich finde Beratung ist ein sehr viel umfassenderer Begriff. Rogers zum Beispiel hat immer von Counceling gesprochen. Ich folge dem Vorschlag von Jochen Schweizer der mal gesagt hat also ich finde Beratung ist ein wunderbarer Schirmbegriff ein Oberbegriff. Und dann müssen wir gucken ganz konstruktivistisch. Wofür brauchen wir diese Veranstaltung die wir jetzt machen also im Rahmen von psychiatrischen Institutionen müssen wir von Therapie sprechen. Schon wegen der Krankenkassen Relevanz im Rahmen von Organisationen können wir von Coaching sprechen. Im Rahmen von unterstützenden Hilfen und Diskursen für Familien der Jugendhilfe können wir zum Beispiel von Familienberatung sprechen. Es gibt so viele Möglichkeiten da bin ich für Dekonstruktion, diesen Machtbegriff und Therapie ist ein Machtbegriff aufzulösen. Und so zu verändern. Ich glaube, dass viel mehr Berufsgruppen auch in dieser Arbeit Diese psychosoziale Prozesshafte Arbeit integrieren können. Therapie ist sehr sehr eingeschränkt. Man kann den Therapiebegriff ausweiten aber man kann auch im klinischen Bereich kann man den Therapie Begriff und die Krankheits zuschreibungen auflösen. Das Thema können wir jetzt nicht weiter drüber reden, wie man das machen kann. Klein: Herzlichen Dank. Lambers: Für Diese Erzählung die sicherlich auch nochmal die Professionelle Soziale Arbeit inspiriert. Denn die Grenze zwischen Therapie und dem was soziale Arbeit unternimmt wird ja durchaus noch gepflegt. Rittscher: Darf ich aber noch eine Sache loswerden. In dem Leitfaden geht es ja auch die Frage nach der Relevanz. Drei Beispiele warum ich finde dass systemische Sozialarbeit auch im Kontext der systemische Ansatz im Kontext der Sozialen Arbeit ganz wichtig ist weil er hilfreich ist weil er nützlich ist. Als junger Psychologe war ich mal hatte ich mal Anmeldungen von einem Jugendlichen der war 12 13 Jahre alt war im Gymnasium und kam im Gymnasium nicht mehr zurecht zurecht sollte in die Realschule und weigerte sich. Ich fand den Jungen ganz nett aber hab gedacht mit dir alleine zu arbeiten bringt nichts. Der Systemiker in meinem Kopf der Familie Dynamiker in meinem Kopf hat gesagt, ich muss sofort die Herkunftsfamilie mit sehen. Dann hab ich die Eltern mit eingeladen und das waren. Die hatten eine Kiesgrube. Und haben praktisch Kies als Baustoff hergestellt und abgebaut. Da hab ich mir mal so erzählen lassen. Was macht denn die Familie so im Alltag. Thiersch. Alltagsbewältigung. Was machen die denn da. Haben sie mir erzählt, dass sie ganz viel als Familie da draußen in der Kiesgrube sind und zusammen dort arbeiten als Familie. Da hab ich gesagt Das möchte ich mir noch mal anschauen darf ich sie mal besuchen kommen. Und dann bin ich da rausgegangen und da habe ich einen jungen Mann muss ich dann schon sagen 13jährige der sich völlig anders dargestellt und präsentiert hat. Als bei mir in den Gesprächen. Der ist Bagger gefahren der hat mit seinem Vater diskutiert der wusste Bescheid über die verschiedenen Körnung und was weiß ich nicht alles. Der hatte Kompetenzen die er dort zeigen konnte die im Therapeutischen Diskurs überhaupt keine Rolle gespielt hätten. Und dann habe ich angefangen an diesen Kompetenzen Ressourcen Orientierung auch ein ökologisches Konzept habe ich an dieser habe ich versucht diese Ressourcen zu betonen und herauszuarbeiten und die Kommunikation und Zusammenarbeit und die Frage wie viele Generationen gibt es denn schon diesen Betrieb und kann sich der denn in der jetzigen Zeit wirtschaftlich überhaupt halten und so weiter und so weiter. Das hat ein völlig anderes Dialog und Diskurs Klima auch in den Gesprächen die wir noch öfters da draußen gewesen und die haben mich dann zum Trollinger eingeladen und sonstige nette nette Geschichten. Das ist so ein Beispiel wo das Systemisch-Familiendynamische Denken so wichtig ist genauso wie in dem Kinderheim wo ich gearbeitet habe. Wir haben nur Kinder aufgenommen wo die Eltern von vornherein gesagt haben Ja wir arbeiten mit. Weil die Erfahrung ist ganz klar. Jugendhilfe Maßnahmen ohne eine motivierte motivierende Arbeit mit den Eltern und die Koordination, Kopplung mit den Eltern ist meistens für die Katz. Und dann haben wir die Eltern systematisch mit einbezogen. Deshalb auch kleine Einheiten. Die sind alle 14 Tage zu Familien Gesprächen gekommen. Die haben wir zum Kochen eingeladen. Wir haben mit denen Nachmittage veranstaltet und so weiter und so weiter. Das Einbinden der Familie als ein ganz wichtiges System unter vielen anderen in die Arbeit das ist für mich ein Zeichen dafür wie wichtig und auch plausibel der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit ist. Ich könnte natürlich noch viel mehr sagen. Klein: Das können Sie sicherlich. Wir könnten jetzt wahrscheinlich auch mal sagen Das schließt hervorragend an Lebensweltorientierung an, was Sie gerade ausgeführt haben. Lambers: Die Zeit ist begrenzt, herzlichen Dank. Rittscher: Auch für mich in der Vorbereitung musste ich überhaupt erst mal wieder gucken was habe ich denn da eigentlich alles geschrieben. Es war schön für mich noch einmal da reinzukommen.