Abenteuer Reportagefotografie – Podcast über visuelles Storytelling

Kai Behrmann: Visueller Storyteller und Fotograf

Andreas Jorns: “Im Jahr des Drachen” – oder wie man seiner Kreativität neuen Schwung verleiht

Andreas Jorns teilt seine Erfahrungen aus einer kreativen Auszeit, in der er seine Leidenschaft für die Fotografie neu entdeckte. Außerdem spricht er über den kreativen Prozess hinter seinem neuen Bildband "Im Jahr des Drachen".

16.02.2025 125 min

Zusammenfassung & Show Notes

Andreas Jorns ist bekannt für seine eindringlichen Schwarz-Weiß-Porträts, doch in seinem neuen Bildband "Im Jahr des Drachen" geht er bewusst neue Wege. In diesem Interview erzählt er von seiner kreativen Auszeit, der Bedeutung des Unvollkommenen in der Fotografie und der Herausforderung, sich immer wieder neu zu erfinden. Dabei gibt er wertvolle Impulse für alle, die ihre eigene fotografische Entwicklung reflektieren und vertiefen möchten.

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Transkript

Andreas Jorns
00:00:00
Das alles ist entstanden im vorletzten Jahr in meiner Auszeit, als ich überlegt habe, wie geht es weiter. Du hast jetzt schon so viel gemacht und willst du so weitermachen? Hast du eigentlich noch Lust? Ich merkte, ich war auch ein bisschen ausgebrannt von diesem Thema, Lust haben zu fotografieren. Also das war alles super wertvoll, diese Auszeit.
Kai Behrmann
00:00:30
Ja, Andreas, herzlich willkommen. Guten Tag, freut mich, dass du hier im Podcast bist.
Andreas Jorns
00:00:37
Hallo Kai, ich freue mich auch. Danke für die Einladung.
Kai Behrmann
00:00:40
Sehr gerne, Andreas. Wir haben ja uns im vergangenen Jahr in Forchheim das erste Mal persönlich getroffen und uns da kennengelernt. Und eigentlich hatte ich dort vor, schon die Podcast-Folge aufzunehmen. Da hast du aber gesagt, nee, lass mal lieber noch bis Anfang des Jahres warten, da kommt noch was. Damals wusste ich nicht, was du da in petto hast. Mittlerweile kann man drüber sprechen. Was war der Grund, warum du damals noch nicht aufnehmen wolltest?
Andreas Jorns
00:01:08
Ach guck mal, das wusste ich gar nicht mehr, dass ich das gesagt habe. Ja, schau mal an. Vorher war ja September. Und da haben sich ja schon die Anzeichen verdichtet, dass es ein neues Werk, einen neuen Bildband von mir geben wird. Und jetzt ist es soweit. also seit wenigen Tagen kann man sagen vor drei Tagen ist mein neuer Bildband im Jahr des Drachen veröffentlicht worden wir hatten am Samstag Release Party und es ist war schon mein neunter Hardcover Bildband also eine gewisse Routine sollte man mir jetzt schon unterstellen, aber ich war wirklich so kann ich ja echt mal erzählen, ich war so aufgeregt wie lange nicht mehr also eigentlich wie fast vielleicht sogar bei meinem ersten Bildband, weil das schon eine gewisse Zäsur darstellt jetzt. Und ich auch unglaublich gespannt war, wie die Menschen darauf reagieren. Ich habe nämlich, glaube ich, zum ersten Mal, ich bin ja immer so ein bisschen kleiner Geheimniskrämer, aber diesmal habe ich ja gar nichts rausgelassen. Also ich habe das Einzige, was ich verraten habe, ist den Titel und das Coverbild, was auch noch reichlich abstrakt ist. Jedem habe ich erzählt, dass der ganz anders ist als alles, was ich bisher gemacht habe. Und trotzdem haben so viele Menschen dieses Ding vorbestellt. Und das hat mich eigentlich, je mehr Vorbestellungen reintrudelten, desto nervöser wurde ich. Und das alles hat sich dann am 8. Jetzt aufgelöst, so langsam während der Release-Party, als dann auch die ersten Feedbacks kamen. Und da war ich ganz happy.
Kai Behrmann
00:02:52
Ja, du hast wirklich eine Geheimniskämmerei betrieben. Und auch jetzt gibt es noch nicht sehr viele Informationen, die über das Buch vorhanden sind. Das hat mir die Vorbereitung jetzt ein bisschen erschwert, aber auf der anderen Seite natürlich jetzt auch ganz schön, dass ich dich jetzt hier direkt fragen kann, wo genau diese Zäsur bei diesem Projekt besteht. Lass uns da mal da reingehen. Also du hast schon gesagt, das Titelbild ist schon mal sehr abstrakt. Also auch da kann man nicht so wirklich viel draus ableiten, worum es in dem Bildband geht.
Andreas Jorns
00:03:27
Ja, ich habe, ich war letztes Jahr, war ich auf meiner ersten größeren Vortragstour seit langem, also auch schon bevor wir uns im Forschheim getroffen haben, anlässlich meines Bildbands Finally, also meines letzten Bildbands. Und das alles ist entstanden im vorletzten Jahr in meiner Auszeit, als ich überlegt habe, wie geht es weiter, was mache ich. Also ich habe mich ja fast ein halbes Jahr ausgeklingt mit der besten Ehefrau von allen, wie ich sie gerne liebevoll nenne. Und wir sind durch Europa gereist und ich merkte, es hat sich so ein bisschen, erst war da ganz viel Routine und Routine kann ja auch positiv sein, aber im kreativen Bereich ist Routine schon etwas, was eher kontraproduktiv ist. Und ich war auch ein bisschen ausgebrannt und tatsächlich mit so ein bisschen Abstand, den man dann bekommt. Und spätestens nach drei Monaten hast du ganz viel Abstand, wenn du drei Monate dich auch fernhältst von allem. Und dann denkt man so drüber nach, wie geht es jetzt eigentlich weiter, was machst du weiter und du hast jetzt schon so viel gemacht und willst du so weitermachen, hast du eigentlich noch Lust? Ich merkte, ich war auch ein bisschen ausgebrannt von diesem Thema, Lust haben zu fotografieren, also das war alles super wertvoll, diese Auszeit. Und dann habe ich entschieden, dass ich, ich hatte zu diesem Zeitpunkt ganz viele angefangene Projekte, sage ich jetzt mal. Also ich arbeite gern so in Projekten, dass ich jetzt nicht einfach nur sage, ich mache hier mal ein Porträt und da mal ein Porträt, sondern dass ich sage, das sind so Langzeitgeschichten, die ich mache. Und irgendwann gucken wir mal, was daraus dann entsteht, auch publikationsmäßig. Davon hatte ich einiges Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, nicht so richtig zu wissen, ob ich Lust habe, die weiterzuführen. Und wenn man sich diese Frage schon stellt, dann weiß man es ja eigentlich. Also dann ist da ja schon so ein bisschen dieser Zweifel. Wenn er einmal laut ausgesprochen ist, dann hast du ja eigentlich schon deine Antwort. Und manchmal traut man sich ja auch nur nicht, das mal laut auszusprechen. Und ich habe gesagt, nee, ich nehme jetzt mal alles, was ich noch in der Schublade habe. Die gut gefüllt war und macht dann Bildband raus. Ich veröffentliche das, ich nenne den Finally, weil das so eine schöne Doppelbedeutung hat. Dieser Name kann sich jetzt jeder mal überlegen, was ich damit meine. Auch da war das so etwas, dass ich das eigentlich mehr nur gefühlt habe, noch nicht komplett durchdacht habe, das ist häufig so. Und ja, und dann habe ich den letztes Jahr veröffentlicht und die Schublade war leer. Also ich habe zum ersten Mal etwas gemacht, was ich all die Jahre nie gemacht habe, wenn ich einen neuen Bildband veröffentlicht habe. Da lagen dann immer noch Sachen drin, die für die nächste Publikation schon waren. Und diesmal habe ich alles rausgeräumt und sage so, und jetzt mache ich den Release dieses Bildbands. Und dann fange ich mit einem weißen Blatt Papier ganz neu an. Und dann bin ich erst mal auf Tour gegangen. Die war auch sehr, sehr ausdauernd. Also ich habe über 30 Stationen gehabt in Deutschland und in Österreich. Und je mehr ich erzählt habe über die Entstehungsgeschichte von Finally, desto bewusster wurde mir, dass es tatsächlich ein Abschluss ist. Ich habe, weißt du, ich weiß gar nicht, also wenn ich jetzt ein bisschen wirr rede, dann liegt das daran, dass gerade ganz viele Gedanken in meinem Kopf sind, weil ich gerade die neue Tour vorbereite und den neuen Vortrag vorbereite und sage, ich will ja so ein bisschen erzählen, wie ist es jetzt zu diesem neuen Bildband im Jahr des Drachen gekommen. Und ich habe oder ich werde wahrgenommen und werde auch überall vorgestellt, hier Andreas Jorns Akte und Porträtfotograf. Und ich merkte in den letzten Jahren, dass mich das immer häufiger stört. Ich sage, wieso stellt ihr mich als Porträt- und Aktfotograf vor? Ich bin Fotograf. Ich mache doch auch ganz andere Sachen. Ich habe sozialpolitische Projekte gemacht wie Inseljugend, was ausgestellt wurde auf Föhr. Das war das Leben der Jugend auf einer nordfriesischen Insel. Wie leben die eigentlich, wenn die Touristen weg sind? Was machen die? Wie vertreiben die sich die Zeit auf einer Insel, wo man nicht so schnell weg kann? Das war schon ein Riesenprojekt. Oder ich habe ein Projekt mit alten Menschen gemacht zum Thema Pflegenotstand, sehr dystopische Bilder. Also in meiner eigenen Wahrnehmung hatte ich immer schon auch ganz andere Sachen gemacht. Ich habe auch viel in den letzten Jahren schon so ein bisschen Street und Urban Landscape gemacht, habe die aber immer nur so in homöopathischen Dosen eingestreut. Also immer so als Stopper zwischen die Porträtstrecken, wenn man so will. Trotzdem hieß es immer hier Andreas Jörns, das ist der Schwarz-Weiß-Fotograf, Porträt und Akt. Naja, ist ja also die Geister, die ich rief, das war ja auch selbst schuld. Und ich merkte eine gewisse Porträtmüdigkeit bei mir. So vor allen Dingen, was anlasslose Porträts angeht, nenne ich das jetzt mal. Also einfach nur, ach komm, mach mal coole Bilder von dir. Ja, aber warum? Wieso? Was ist der Zweck? Was ist die Aussage? Ich liebe Menschen, ich interessiere mich Menschen. Das ist wirklich das, wofür ich mich am meisten eigentlich interessiere, in der ganzen Fotografie, wenn das irgendwie mit Menschen zu tun hat, aber es gibt eben so viel mehr darüber hinaus. Und mein Plan für das abgelaufene Jahr und damit auch das, was dann daraus entsteht, war, keinen Plan zu haben, kein Ziel zu haben, sondern einfach mal viel häufiger die Kamera nehmen und losgehen, fotografieren und gucken, was passiert. Das habe ich lange nicht mehr gemacht. Es war eigentlich immer so, wenn ich die Kameratasche gepackt habe, dann war klar, das ist für Projekt XY oder ich mache jetzt so ein Shooting, ich mache jetzt so ein Shooting. Was jetzt neu ist seit Anfang letzten Jahres, die Kamera steht hier auf dem Schreibtisch und wenn ich rausgehe, habe ich die dabei. Immer. Und mache Fotos. Und jetzt war ich ja viel unterwegs. Da haben wir den Vorhinein. Da habe ich jetzt nicht so viele Bilder gemacht, da war ich ja gut eingespannt. Aber ich war in verschiedenen Ländern. Ich bin ja auch mit Annette rumgereist und habe Bilder gemacht. Und bin einfach auch mal, was weiß ich, habe mir vorgenommen, ich habe einen Vortrag in Dresden und anschließend habe ich einen in Norddeutschland. Da fahre ich zwischendurch, habe zwischendurch vier Tage Zeit. Da fahre ich nach Berlin und laufe einfach durch Berlin und mache Fotos. Oder mache mal zwei Tage, ach das Wochenende von Dresden mal eben rüber nach Prag und mache mal einen Tag in Prag Fotos und so weiter und so fort. Das habe ich immer wieder gemacht. Und so sind ganz viele Bilder entstanden, die ich stellenweise erst Wochen später auf den Rechner überspielt habe. Ich habe mir da auch nie etwas von angeguckt. Nie. Also ich bin mit einer Kamera losgezogen letztes Jahr mit der Leica M11D, die hat kein Display. Das heißt so Das war eine Digitalkamera, du kannst dich aber selber nicht kontrollieren. Und das fand ich genau die richtige Kamera für das Projekt und bin dann losgezogen. Und immer, wenn ich mal zu Hause am Schreibtisch war, was selten genug war, habe ich die Bilder überspielt, geguckt und ach krass. So, und dann hatte ich drei Fotoshootings mit Menschen. Die hatte ich geplant. Eins im... April, eins im Juni und eins im August. Richtig schön aufgeteilt, alle zwei Monate. Zwei Männer, eine Frau. Alle drei kannte ich schon länger. Und komm, wir müssen mal was machen. Alles drei jetzt nicht irgendwo im Studio, sondern den Marcel habe ich in München bei sich zu Hause besucht. Mit dem Sascha, der ist aus Flensburg. Mit dem habe ich mich in St. Peter-Ording getroffen, weil ich da einen Vortrag hatte. Und mit Isabel bin ich nach Nürnbrecht in so eine alte Papiermühle. Das ist bei uns hier im Oberbergischen gefahren. Alles drei Orte, wo ich noch nicht war und was für mich auch eine neue Herausforderung war. Und diese Bilder, die da entstanden sind, nach dem gleichen Schema, als ich wieder zu Hause war, überspielt. Und Ende letzten Jahres habe ich mich dann wochenlang zu Hause hingesetzt und geguckt, was hast du eigentlich gemacht? Und habe montiert. Und dann bin ich bei all diesen verschiedenen Touren, habe ich ja gesagt, immer anlasslos. Und irgendwann in Berlin war das, hatte ich auf einmal eine Idee, hatte ich auf einmal die Idee, weil ich Dinge fotografiere, dachte ich, krass. Und dann habe ich, ich wollte meine Schwiegermutter besuchen, total bescheuert. Ich hatte meinen Bulli auf dem Wohnmobilstellplatz und bin mit der Straßenbahn, wollte ich nach Hohenschönhausen meine Schwiegermama besuchen. Und bin einfach ein paar Stationen vorher ausgestiegen, weil ich den Rest laufen wollte. Ich laufe immer ganz gern, einfach so rum. Und dann sehe ich ein Hinweisschild, Gedenkstätte, Hohenschönhausen. Und da war ich noch nie. Und dieses alte Gefängnis aus der Vorwendezeit, wo man die politisch unliebsamen Menschen kaserniert hat und gefoltert hat. Und da habe ich mir einen Vortrag angehört und habe mir das alles angesehen. Und auf einmal, das hat was mit mir gemacht und dann habe ich festgestellt, ganz viele Bilder, die ich bis dahin gemacht hatte in dem Jahr, waren sehr symbolisch und auch metaphorisch zum Teil und alles, was ich von da an gemacht habe, den Rest des Jahres, war so ein bisschen die Suche danach, wie kann man, wie finde ich hier einen roten Faden, wie kann ich die Dinge verknüpfen, was kann ich damit erzählen, wie passen die Bilder mit Isabel, Marcel und Sascha da rein. Das war meine Aufgabe dann Ende letzten Jahres, das war insgesamt waren das 10 Wochen, wo ich nichts anderes gemacht habe als Bildauswahl und Sortierung, Aneinanderreihung 14 verschiedene Versionen habe ich dann gemacht und die 14. Ist dann in Druck gegangen, so jetzt habe ich ganz lange gesammelt, habe nicht überhaupt nicht zu Wort kommen lassen, aber das steckt dahinter ganz und zusammengefasst heißt das, es ist zum ersten Mal sind all die Genre-Fremden-Bilder, die ich früher nur homöopathisch verteilt habe, die sind diesmal eine Überzahl. Und die klassischen Porträts sind so ein bisschen nur dabei gemischt.
Kai Behrmann
00:14:41
Eingestreut. Das ist eigentlich Neues. Ja, ich habe da jetzt zugehört, Andreas, ich wollte dich da auch nicht unterbrechen. Ich finde das sehr, sehr spannend, So einmal den Prozess von dir zu hören und da waren jetzt ganz, ganz viele Dinge drin, die ich gerne nochmal mit dir vertiefen möchte und ich finde es wahnsinnig spannend, einmal diese Idee, sich mal zurückzunehmen, sich eine Auszeit zu nehmen, zu reflektieren, was habe ich gemacht? Du fotografierst ja auch schon eine ganze Weile, ich glaube über vier Jahrzehnte, da schleifen sich natürlich Dinge ein und das ist so ein bisschen Fluch und Segen ja, dass man in gewisse Schubladen auch eingeordnet wird. Auf der einen Seite hilft es, nach außen klar erkennbar zu sein, auch für was zu stehen, dass die Leute wissen, womit sie dich verbinden können. Aber auf der anderen Seite kann das, so wie du es dann zum Schluss auch empfunden hast, so ein bisschen einengen. Bei mir ist es auch so. Bei mir ist es die Street- und Reportagefotografie. Mittlerweile sage ich auch nicht mehr, ich bin Streetfotograf, sondern ich bevorzuge auch das Label Fotograf, weil ich da auch sehr, sehr vielseitig unterwegs bin. Diese Auszeit, wie hast du die gefüllt oder wie bist du da rangegangen? Wie hat da so ein Tag bei dir ausgesehen und du gesagt hast, okay, ich lasse die Fotografie oder das Bewusste nachdenken, wo es jetzt hingehen soll, einfach mal beiseite und ja, wie hast du die Fotografie ersetzt oder wie hat sich dein Tagesverlauf da verändert?
Andreas Jorns
00:16:22
Also in der Auszeit selbst, das war ja im vorletzten Jahr, sind wir viel rumgereist. Ich habe natürlich auch eine Kamera mitgehabt, aber ich habe gedacht, das gehörte auch zu diesem Entschleunigungsprozess. Ach, machst du mal wieder analog, hast du auch lange nicht mehr so richtig intensiv gemacht. Das ganze Jahr 2023 habe ich eigentlich nur analog fotografiert und war dann, als wir durch Italien gefahren sind und vor allem in Skandinavien, Mit der X-Bahn, weil mich auch dieses Format schon lange total reizt. Ich habe sogar Farbe fotografiert. Also alles so Sachen, die ich mir lange Zeit, was heißt verboten habe, aber lange nicht mehr auf dem Schirm hatte. Es ist ja so, ich bin ja eigentlich dafür bekannt, eben nicht dogmatisch zu sein. Und dieses Black and White Only, Ja, das Label habe ich mir selber mal gegeben. Das war auch so eine Trotzreaktion damals, als ich weg auch bin von der Auftragsfotografie. Ja, mein Herz schlägt für die Schwarz-Weiß-Fotografie, aber das bedeutet natürlich nicht, dass ich keine Fachfotografie mag. Im Gegenteil, ich mag sie von anderen Fotografen sehr, sehr gern. Ich selber hatte oft das Gefühl, dass ich es nicht kann oder dass es bei mir nicht passt. Aber das hat auch wiederum mit dem Genre zu tun. Dann gibt es auf einmal Motive, wo du sagst, es wäre jetzt eigentlich dämlich, das in Schwarz-Weiß zu fotografieren. Und wenn man so will, fing das schon 2019 an, als ich das Inseljugendprojekt auf Hör gemacht habe. Diese ganzen dokumentarischen Bilder und Reportagebilder, die habe ich überwiegend farbig gemacht. Weil ich gedacht habe, also ich ahnte ja das könnte was sein, was auch im Museum ausgestellt wird, was vielleicht auch medial aufgearbeitet wird, so ist es dann ja auch gekommen und jetzt das Leben der Jugend in Schwarz-Weiß das hätte für viele schon wieder so, das hätte ich schon wieder in so eine Schublade gepackt, wo es nicht reingehört und damals habe ich den Kunstgriff für mich gefunden zu sagen, okay die Porträts mal in Schwarz-Weiß. Das ist das, was für mich stimmig ist. Immer wenn ich so Reportage und Doku unterwegs bin, dann war ich Farbe. Und so haben wir es dann auch in der Ausstellung gemischt. Und das fühlte sich für mich auch total schlüssig an, hat auch nicht wehgetan. Und seitdem war das immer wieder. Und ich habe ja jetzt seit vorletzten Jahren auch, das war ja auch so eine Idee aus der Auszeit, meine Zeitung, die ich als Ersatz habe, für Social Media gepostet. Diese Zeitung Einblick, die ich verschenke und da habe ich auch jetzt schon immer mal wieder auch ein Farbbild reingestreut, um die Menschen jetzt nicht so komplett zu verschrecken, sozusagen. Also diesen sanften Übergang, das bedeutet nicht, dass ich jetzt immer auch Farbe machen werde, gar nicht, aber ich lasse es auf mich zukommen, das ist so.
Kai Behrmann
00:19:25
Du hast dir selber die Erlaubnis gegeben, da auch mal ein bisschen auszubrechen aus den gewohnten Baren. Es ist sehr, sehr spannend. Bei mir führt der Weg so ein bisschen gerade in die andere Richtung. Ich habe bisher, bei mir war es immer Farbe only und ich habe jetzt durch einen Workshop im vergangenen Jahr auf Kuba die Schwarz-Weiß-Fotografie so ein bisschen für mich entdeckt, wo ich früher auch gesagt hätte, Schwarz-Weiß passt überhaupt nicht zu mir. Bei anderen habe ich es sehr gerne gesehen, so wie du es jetzt beschrieben hast, aber für mich und meine Fotografie konnte ich mir das nicht vorstellen und das hat mir jetzt schon ein bisschen die Augen geöffnet, weil gerade was Kuba angeht, unser Wahrnehmung, unser Bild ist ja sehr farbig. Also wenn wir an Kuba denken, dann kommt uns dieses tolle Licht da, die Farben, dieses Bunte in den Sinn. Aber das ist halt größtenteils geprägt von nicht-kubanischen Fotografen, wie Alex Webb, David Allen Harvey. Und wenn man sich die kubanischen Fotografen anschaut, gerade im Dokumentarbereich, die fotografieren ausschließlich in Schwarz-Weiß. Und das fand ich faszinierend, haben da mal ein bisschen gefragt, woran das liegt. Und ja, bin dann auch so ein bisschen drauf gekommen, also die Antwort war, dass die Kubaner häufig das Gefühl haben, dass die Farbe so ein bisschen die Tiefe und den Inhalt verdeckt. Dass das so an der Oberfläche bleibt, so schön aufgebauscht und so, aber häufig die Farbe einfach nur der Farbe wegen fotografiert wird. Und ja, das fand ich einen spannenden Ansatz und ich bin da noch nicht am Ende, weiß noch nicht genau, wo das hinführt, aber ja, bei mir geht die Beschäftigung jetzt so ein bisschen in die andere Richtung, dass ich Schwarz-Weiß auch mal eine Chance geben möchte.
Andreas Jorns
00:21:18
Ja, siehst du, und das ist doch, das kann man ja total vergleichen. Was ist es? Das ist sich selber auch mal herausfordern, die Abwechslung suchen, Routine vermeiden. Ich selbst bin ja zu Schwarz-Weiß gekommen. wegen meiner ersten Helden waren alles Schwarz-Weiß-Fotografen, Ansel Adams, Cartier-Bresson, um mal zwei zu nennen, die mich eigentlich so ein bisschen zur Fotografie gebracht haben. Und später dann Lindbergh natürlich und Corbein und wen es da so gibt. Erst kannte ich es nicht anders und später dann, nach einem Ausflug zur Farbe, habe ich gemerkt, die beiden wesentlichen Gründe für mich, für Schwarz-Weiß, sind ja zwei. Das eine ist das Thema Zeitlosigkeit. Schwarz-Weiß ist zeitloser. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme kannst du zeitlich nicht so gut verorten wie vielleicht eine Farbaufnahme. Kann theoretisch 50 Jahre alt sein, weiß man ja nicht. Und das andere ist was ist denn schwarz-weiß, wir nehmen Farbe weg wir reduzieren auf das Wesentliche, sagt man ja auch häufig es ist nichts anderes als eine Abstraktion, wir abstrahieren und das finde ich für mich unglaublich wichtig dass ich die Dinge, die ich zeige, eben nicht einfach nur abfotografiere Das ist ja meine persönliche Interpretation, das fängt vom Ausschnitt an, den ich mache. Ich spiele ja gerne und viel auch mit Unschärfe, sowohl Defokus als auch Bewegungsunschärfe. Schwarz-weil, also ich abstrahiere bewusst, um den Menschen möglicherweise auch in eine Richtung zu lenken, aber eben meinen meinem Blick zu zeigen und das mag ich eben und das hat mich häufig abgehalten von Farbfotografie tatsächlich.
Kai Behrmann
00:23:18
Und was ist es jetzt heute, wo du sagen würdest, da ist Farbe eher das Mittel der Wahl?
Andreas Jorns
00:23:27
Es ist, also Farbe ist deutlich unterrepräsentiert, nicht, dass jetzt die Schwarz-Weiß-Fans Angst bekommen, auch mein neuer Bildband ist überwiegend Schwarz-Weiß, aber gerade der Mix und es gibt tatsächlich auch ein paar wenige Doppelseiten, wo ich so ein Farbbild mit einem Schwarz-Weiß-Foto mische, layout-technisch. Das klingt irre, aber es funktioniert. Wie gesagt, ich habe da Monate lang dran gesessen, in dieser Gestaltung die Bilder zu matchen, wenn ich denn mal zwei auf einer Doppelseite habe. Nicht selten ist es auch so, dass ich Farbe so als Signal. Du blätterst und es sind zwei, drei Schwarz-Weiß-Fotos und auf einmal kommt so, es knallt auf einmal und das hat ja einen Grund. Auch das hat vielleicht etwas damit zu tun, den Betrachter aus einer Routine rauszuholen, dass er nicht schon weiß, was als nächstes kommt, sondern dass er überrascht wird. Ich mag es selber, mich selbst zu überraschen, aber ich mag es natürlich auch, den Betrachter zu überraschen. Und deswegen auch die Tatsache, die Urversion des Bildbands war rein schwarz-weiß. Aber als ich dann angefangen habe, so ein bisschen anderes zuzulassen, war klar, das funktioniert sehr, sehr gut.
Kai Behrmann
00:24:54
Es ist schwierig, finde ich, Schwarz-Weiß und Farbe zu mischen, aber so wie du es jetzt beschrieben hast, wenn es wirklich mit dieser klaren Idee dahinter ist, dann kann das sehr, sehr wirkungsvoll sein und bewusst eingesetzt ist das dann eben auch ein tolles Stilmittel für so ein Bildband.
Andreas Jorns
00:25:13
Also das finde ich ja ganz wichtig. Ich schimpfe ja immer mit meinen Workshop-Teilnehmern. Wir hatten jetzt gerade einen Workshop auf Mallorca, einen Street-Fotografie-Workshop. Und dann habe ich morgens, bevor wir losgezogen sind, gefragt, was fotografierst du heute, Farbe oder Schwarz-Weiß? Und wenn die dann sagen, ich fotografiere erst mal Farbe und hinterher kann ich ja immer noch in Schwarz-Weiß umwandeln, dann springe ich immer aus der Hose und sage, nein, nein, nein. Also da bin ich dann doch wieder so ein bisschen Dogmatiker und sage, entscheide dich gern vorher und kann man aber alles machen. Trotzdem muss man eine klare Idee haben. Warum mache ich das jetzt Farbe? Warum mache ich das jetzt Schwarz-Weiß? Das sollte schon so sein. Also es sollte nicht so, ach, jetzt werden wir mal wieder nach Farbe, sondern es sollte eine Idee dahinter stecken, ja.
Kai Behrmann
00:26:08
Ja, gibt uns ja dann auch Orientierung, wenn wir rausgehen mit der Kamera und schon so ein bisschen da so eine Grundidee haben. Also immer so dieses Wechselspiel aus Intuition, spontan reagieren auch auf Situationen und sich auch die Freiheit lassen, Weil viel, gerade in der Street passiert ja dann eben auch spontan und dann muss man eben schnell reagieren. Aber ich glaube, so einen gewissen Kompass schon zu haben, das kann durchaus helfen.
Andreas Jorns
00:26:40
Also diese Freiheit, das ist auch das, was ich sehr schätze an der Street-Fotografie. Das ist einfach zu sagen, ich laufe hier jetzt rum und ich fotografiere einfach mal das, was ich was mir auffällt, was ich vielleicht merkwürdig finde, was ich skurril finde, was mich irgendwie anspringt, aus welchen Gründen auch immer, ich weiß das gar nicht. Und das ist ja das eine, das Machen und das andere, was ja mindestens genauso wichtig ist, wenn du es durchschaust, das ist dann, du skippst durch, durch die Bilder, die du gemacht hast und auf einmal, da ist dieses eine, wo du sagst, das ist, das kann ich jetzt auch irgendwie gebrauchen, das spricht zu mir und ja, jetzt gucke ich mal, wo ich das hin montiere.
Kai Behrmann
00:27:32
Und das sind häufig gerade die Bilder, die man gar nicht so bewusst gemacht hat. Das sind Dinge, die du vielleicht noch aus dem Augenwinkel wahrnimmst und dann plötzlich dich umdrehst, einfach auf den Auslöser drückst, aber gar nicht genau sagen kannst, warum. Also geht mir das auch häufig, wenn ich die Bilder dann später anschaue. Das waren jetzt nicht die, wo ich mich dran erinnere, das war ja eine Szene, da bin ich jetzt gespannt, wie das geworden ist, sondern ganz zufällige Bilder zwischendurch, die zwischen diesen, die dir im Kopf geblieben sind, dann sind. Ja.
Andreas Jorns
00:28:04
Also vor der Frage habe ich am meisten Angst, wenn ich jetzt ab nächster Woche auf Vortragstour gehe. Was hast du dir bei dieser Aufnahme gedacht? Denkst du, oh man, ich kann mich gar nicht an die Situation erinnern, also geschweige denn, was ich dabei gedacht habe. Das ist aber auch völlig, das muss man zulassen. Das ist leicht gesagt. Viele gehen ja auch relativ verkopft dann da oben und bei so einem Street-Fotografie-Workshop geht es eigentlich um nichts anderes, als dass die ihre Blockade im Kopf lösen. Die Teilnehmer.
Kai Behrmann
00:28:40
Ja, absolut.
Andreas Jorns
00:28:41
Die Motive sind ja alle da. Die liegen ja alle auf der Straße.
Kai Behrmann
00:28:43
Ja, spannend. Du hast auch gesagt, gerade so dieses, du wirst ja primär als Porträt- und Aktfotograf wahrgenommen, auch jemand, der sehr projektbezogen arbeitet und dir da jetzt die Freiheit auch zu geben, einfach mit der Kamera loszuziehen, Street-Photography zu machen, intuitiv zu reagieren. Ist das was, was du schon immer gemacht hast? Hast, wo du die Bilder dann aber nicht gezeigt hast oder ist das jetzt etwas, was du noch mal forciert hast in deiner Auszeit mit Blick eben auch auf die Frage, was kann jetzt als nächstes kommen?
Andreas Jorns
00:29:26
So ein bisschen beides. Ich habe das schon immer gemacht, aber dann irgendwann zu, immer weniger, weil ich so sehr auch gebunden war in den verschiedenen Porträtprojekten. Und ich kann mich erinnern, als ich acht Jahre lang mein Atelier hier hatte in Hahn und habe unfassbar viel fotografiert und es war zu 99 Prozent waren das aber Porträts oder eben mit und ohne Klamotten, sage ich ja immer. Und es war gar nicht die Zeit, mal dazwischen etwas anderes zu schieben und wenn, dann habe ich das irgendwie in Urlauben gemacht oder so und dann waren die aber irgendwie als Urlaubsfotos irgendwo auf der Festplatte also deutlich unter Wert geschlagen und ich habe dann irgendwann angefangen, so subtil ein bisschen was dazu zu mischen in meinen Bildbänden, das fing irgendwann vor ein paar Jahren an, dass ich gesagt habe, nee, es muss ja jetzt auch nicht jedes Mal ein Mensch drauf sein Oder es muss nicht zwingend ein Porträt sein. Und das ist ja auch immer, dann habe ich ja, ich mache jetzt, glaube ich, seit acht Jahren meinen Workshop Shoot Your Own Mac auf Usedom, wo die Teilnehmer eine Woche Zeit haben, ein eigenes Magazin zu erstellen. Jeder Teilnehmer kriegt ein Model zur Verfügung und eine Woche arbeiten in ihrem eigenen Magazin. Und was ich dann immer spätestens, Sonntagabend geht der los, spätestens am Mittwoch, frage ich dann immer nach, wo sind die Bilder ohne dein Model? Also ich kenne ja häufig dann die Geschichte, die die erzählen wollen. Für die Geschichte ist es nicht immer notwendig, dass dein Model in die Kamera guckt. Und das ist unheimlich wichtig, also gerade diese Sachen dazwischen, um eine Geschichte zu erzählen. Und ich meine, wenn man das selber lehrt, dann muss man sich natürlich auch drauf halten. Also ich habe das schon seit vielen Jahren, mag das sehr, mochte das immer sehr und habe es seit der Auszeit forciert, so richtig. Und habe gesagt, ja, aber warum soll ich da nicht auch mal mehr von zeigen?
Kai Behrmann
00:31:29
Ja. Du hast eingangs auch gesagt, dass du teils oder zwischenzeitlich so ein bisschen auch die Lust am Fotografieren verloren hattest. Lag das hauptsächlich daran, dass du das Gefühl hattest, dich zu sehr in ausgetrampelten Faden zu bewegen? Oder gab es noch andere Gründe, warum du so ein bisschen den Spaß verloren hast, die Kamera in die Hand zu nehmen?
Andreas Jorns
00:31:58
Ich habe das immer so umschrieben mit ich hatte Angst, dass ich die Lust verliere, ich drohte die Lust zu verlieren das war aber mehr so unterschwellig es hat sich ein bisschen verstärkt als ich dann meine Offline-Zeit hatte was mache ich hier eigentlich was mache ich als nächstes ist das alles sinnvoll natürlich fotografiere ich sehr gern, aber dieses immer fokussiert sein auf diese Projekte und dann hatte ich das Gefühl, das habe ich alles schon gemacht, das fällt mir auch alles viel zu leicht, ich kann das alles und ich diese Herausforderung fehlte mir, das war etwas, wo ich dann öfter mal tatsächlich die Kamera nicht mitgenommen habe und das fand ich doof und dachte, das muss ich unbedingt ändern ich habe damals ja unfassbar viel gelesen in der Auszeit und dann was ich an Büchern mit hatte, unglaublich und unter anderem hatte ich diese gesammelten Interviews mit Henri Cartier-Bresson, da gibt es so ein kleines Büchlein, der hat ja nicht viele Interviews gegeben in seinem Leben, aber die, die er gegeben hat, die waren dann auch sehr ausführlich und da steht ja, also Cartier-Bresson hat ja irgendwann aufgehört zu fotografieren, der hat ja irgendwann die Kamera weggelegt, gesagt Das war es jetzt, ich male jetzt wieder. Der hat ja angefangen mit Malerei und dann ist er der berühmteste Street-Fotograf der Welt geworden und dann hat er aufgehört, ja, ich habe alles gemacht, ich habe alles gesehen, ich habe alles brauche ich jetzt nicht mehr. Ich weiß noch, als ich das damals das erste Mal las, vor vielen, vielen Jahren, dachte ich, wie kann man nur? Also, wie doof und wie arrogant. Und in dieser Aussage, als ich das gelesen habe, habe ich gedacht, ja, ich verstehe ihn so ein bisschen, das kann passieren, wenn du Das muss man aber persönlich mit sich selber ausmachen. Also es gibt Menschen, die können auch 20 Jahre lang das Gleiche fotografieren und haben Spaß dabei. Das ist völlig okay. Und ich bewundere das sogar ein Stück weit. Ich kann das einfach nicht. Ich brauche immer so was anderes. Und ich bin dann in eine Zeit gekommen, das fing schon so, naja, es gab ja eine erste Auszeit, die ich nicht so nenne, das war Corona. Das war ja unsere Zwangsauszeit, als wir nichts machen konnten. Da war ja das erste große Loch. Da habe ich dann ja dieses wahnsinnige Projekt Lucid Dreams ist daraus ja geboren und entstanden. Und da habe ich mich auch kreativmäßig echt ausgepowert. Ich war leer hinterher, dachte, wow, so kreativ war ich schon lange nicht mehr. Und wenn du einmal so kreativ bist und so kreativ gearbeitet hast, Dann fällt das unheimlich schwer, wieder sowas anderes zu machen. Machen wir mal wieder ein paar normale Porträts. Da fing das eigentlich schon an, dass ich gesagt habe, ich brauche eine andere Herausforderung und habe dann gemerkt, dass ich so lange überlegt habe, doch nicht, dass ich gar nichts mehr gemacht habe. Ich habe einfach nur gedacht, ach nee, das ist nicht, ich warte mal, bis ich die nächste große Idee habe. Und dann wartete ich und wartete ich und monatelang habe ich überhaupt nicht fotografiert. Ich habe mich eigentlich um mich selbst herum gedreht. Und da kam die Auszeit, die genannte, kam dann genau richtig, zu sagen, ach, ich fotografiere jetzt mal, Norwegische Fjorde analog mit einer X-Pan auf Farbfilm einfach immer wieder was komplett anderes zu machen, also wie aufzuräumen.
Kai Behrmann
00:35:50
Ja, aufzuräumen oder sich auch mal wachzurütteln dann, irgendwie egal, wo das jetzt dann hinführt, aber einfach auszubrechen aus den alten Mustern und dann ja, um irgendwie wieder das Rad in Bewegung zu bringen.
Andreas Jorns
00:36:05
Ich weiß noch, wie ich die ersten Bilder zurückbekommen habe. Ich habe die bei Silbersalz entwickeln lassen und die machen ja so einen wahnsinnig tollen Scan dann auch davon und ich sah die Bilder und dann kriegst du ja immer mit Wochen Versatz, naja wie früher halt und dachte krass, erst hat mich kaputt gelacht, was hast du denn da fotografiert und dann so aber boah ja, aber da sind aber auch richtig coole Sachen dabei und ja, es war einfach notwendig mal Abstand zu nehmen was man immer gemacht hat, ich werde nie, nie, nie, nie der Portrait- Fotografie, das mal eine ganz große Schublade zu machen, also Portrait kann man ja sehr, sehr weit fassen. Ich werde ja nie den Rücken kehren. Dafür mache ich das viel, viel zu gern. Dafür bin ich viel zu sehr an Menschen interessiert, aber ich würde mir wünschen, dass das dann immer mit einem Kontext ist.
Kai Behrmann
00:37:01
Also das ist.
Andreas Jorns
00:37:04
Nicht einfach nur so.
Kai Behrmann
00:37:06
Ja, vielleicht auch ein bisschen so vergleichbar mit Musikern, die dann am nächsten Album basteln. Du bist ja auch sehr musikaffin und kann ich mir gut vorstellen, dass das da auch so funktioniert. Wenn man einmal so ein Album gemacht hat oder so ein Stil, der sich eingeschliffen hat, dass da auch Momente kommen, wo man dann im Studio sitzt oder wo auch immer und überlegt und überlegt und da kommt einfach nicht die nächste Idee. Vielleicht auch der Druck dann an irgendwas anknüpfen zu müssen, Erwartungen zu erfüllen.
Andreas Jorns
00:37:37
Das ist ich meine da ist natürlich jetzt mein Lieblingsbeispiel überhaupt angesprochen ich sehe eine unglaubliche Parallele zur Musik und verstehe heute viele Musiker, viele Künstler viel besser als ich das vielleicht damals getan habe als Konsument, ich bin ja so ein Musikjunkie was auch Platten sammeln und so weiter angeht Und Und damals nicht verstanden habe, Mensch, wenn man doch so ein erfolgreiches Album macht, warum macht man das nächste so, mein Lieblingsbatsch ist Radiohead, das habe ich schon oft zitiert, da hauen die halt mit Creep den Song des Jahrhunderts raus auf ein Wahnsinnsalbum. Und das nächste Album kommt raus, okay, Computer. Und damals haben wir ja, also ich zumindest bin Plattenland, oh, Radiohead eine neue, komm hier gleich mitnehmen. Legst sie auf zu Hause und denkst, was ist das denn für ein Scheiß? Das hört sich überhaupt nicht in der Radiohead an. Was machen die denn da jetzt irgendwie mit so einem elektronischen Krams? Und dann habe ich die Platte weggepackt. Heute zählt sie zu meinen Liebsten. Das war eine totale Herausforderung. Die haben Fans verloren ohne Ende. Aber die sind auf Tour gegangen und die Leute, was wollten die? Sind auf Tour gegangen mit OK Computer. Was wollten die Leute hören? Creep. Die haben ja sieben Jahre lang Creep nicht live gespielt. Haben sich ja komplett verweigert. Und dann haben sie gesagt, ihr könnt euch ja mal unserem Arsch lecken. Wir erfüllen eure Erwartungen nicht. Heute verstehe ich das total. Weil das, was du gerade geschaffen hast, dein neues Baby, das ist das, was du präsentieren willst. Du willst kein Best-of singen auf so einem Konzert. Ich kapiere das heute viel, viel besser.
Kai Behrmann
00:39:19
Da gibt es wenige Beispiele, Rolling Stones, die das anscheinend erfolgreich immer noch mit Spaß machen. Bei denen ist es ja tatsächlich so, jedes Konzert so ein Best-of mit Satisfaction zum tausendsten Mal. Aber dann immer wieder.
Andreas Jorns
00:39:35
Ja, ist bewundernswert. Wobei die natürlich auch wieder, ein schönes Beispiel, letztes Jahr ein Album raus haben, wo auch keiner mehr mitgerechnet hat. Ich bin jetzt nicht der größte Stones-Fan, aber das Album liebe ich halt und denke, guck mal an, ein Duett mit Lady Gaga. Wer hätte das vermutet? Ein richtig geiler Song. Also auch die im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, jetzt nicht immer wieder das Gleiche zu machen und sich irgendwie auch herauszufordern. Da stehe ich gut.
Kai Behrmann
00:40:11
Ja, noch immer sehr, sehr aktiv und was so neue Studioalben angeht und so, da kommt viel Neues dazu, aber ich glaube, das hält die vielleicht dann so ein bisschen frisch, aber auf den Konzerten, dann gibt es dann für die Fans dann doch die Klassiker eher. Ich habe dieses sorry.
Andreas Jorns
00:40:36
Dass ich dich jetzt unterbrochen habe aber ich musste gerade dran denken wo du das gesagt hast, mein Vortrag mit dem ich jetzt dieses Jahr unterwegs bin, der wird Bleibt alles anders heißen Bleibt alles anders war tatsächlich der Arbeitstitel auch für im Jahr des Drachen, also der Titel im Jahr des Drachen, der stand von Anfang an fest aber ich hatte immer so diesen Arbeitstitel Bleibt alles anders, weil ich wollte alles anders machen, also bisschen zur Gestaltung des Bildbands auch, der ist kleiner, der ist schmaler, der hat eine andere Aufmachung auch von der Umschlaggestaltung, er ist limitiert, es ist erstmal wieder Farbe drin, es sind andere Genres drin, also Pipapo von bis. Und gleichzeitig kann und will ich mich aber auch nicht selbst verleugnen. Und da steckt ja alles in diesem Titel, bleibt alles anders. Man muss mit der Zeit zu gehen auch Dinge hinterfragen und auch mal verändern. Der erste Stein fehlt in der Mauer, der Durchbruch ist da, sinkt er ja auch. Der Refrain fängt an mit, es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen. Und da steckt für mich ganz viel drin, weil ich natürlich in dem Moment, wo ich mich von dem Bewerten abwende, ist es natürlich ein Risiko, wenn man jetzt betriebswirtschaftlich denken würde. Wenn man betriebswirtschaftlich denken würde, müsste man, müsste ich weiter bei dem bleiben, was mich erfolgreich gemacht hat und müsste ich Black is the Color Volume 2 herausbringen. Und nächstes Jahr Black is the Color Volume 3. Aber das gilt es also zu verlieren. Andererseits, wenn du sagst, nee, ich höre jetzt trotzdem auf meinen Bauch, ich höre auf mein Herz, kannst du nur gewinnen. Du wirst Fans verlieren, du wirst vielleicht aber auch andere dazu bekommen. In jedem Fall macht es dich selbst zufrieden und glücklich. Und das steht eben über allem. Und Da bin ich eigentlich, deswegen bin ich auch so unglaublich happy mit dem Bildball.
Kai Behrmann
00:42:50
Da strahlst du auch aus und du bist ja jemand, der auch immer wieder sich bewusst so gegen die gängigen Trends gewendet hat. Da gibt es ja viele Beispiele, ob das jetzt dein Abschied von Social Media ist oder das reduziertere Nutzen. Dann jetzt mit deinem Magazin mit Einblick, da gibt es ja viele Beispiele. Aber ja, ich sehe es auch so, also wenn da die Basis nicht so ist, dass ich sage ich stehe hinter dem, was ich mache, ich mache das mit Freude, dann kann man das auch nicht nach außen hin vermitteln und über kurz oder lang würde das dann auch durchscheinen und, du verlierst dann dein Publikum und selbst machst dich damit auch unglücklich, also ich finde diesen Weg, den du da gehst ja, bewundernswert und ganz klasse.
Andreas Jorns
00:43:37
Ich habe Aber es ist ja nicht so, dass ich nicht auch alle Fehler selber schon gemacht hätte. Und wenn ich heute manchmal darüber erzähle, dann kann ich das auch nur erzählen, weil ich sagen kann, ich bin den gleichen Weg auch gegangen, bin auch mal falsch abgebogen. Auch ich habe mal versucht, Erfolg zu kalkulieren, indem ich sage, mein erster Bildband war so erfolgreich und das mache ich jetzt nochmal. Weil ich sicher bin, dass Fantastilliarden sich davon verkaufen. Das funktioniert nicht. Es könnte funktionieren, aber mal ganz ehrlich, wenn ich die Erfolgsrezeptur wüsste, dann säße ich jetzt wahrscheinlich auch nicht hier. Das ist nicht so, sondern Wenn du dann etwas kalkuliert machst, wo du tief im Innern weißt, nee, eigentlich will ich es gar nicht, aber ich mache das jetzt, weil das erfolgreich ist. Und wenn es dann nicht erfolgreich ist oder nicht so, wie du es dir vielleicht vorgestellt hast, dann bist du ja doppelt gearscht. Und wenn du sagst, keine Ahnung, vielleicht ist das auch total unerfolgreich, aber ich fühle es so, ich finde es selber so großartig, ich feiere das. Dann stehst du da und dann kauft es keiner. Dann kannst du immer noch sagen, ja, ihr habt ja alle keine Ahnung. Ich finde es super und ich lasse mir auch nichts anderes einreden. Verstehst du? Also das ist so ein bisschen, dann doch lieber die Variante, dann mit fliegenden Faden untergehen.
Kai Behrmann
00:45:26
Finde ich auch weitaus sympathischer, diese Variante. Und man lernt aus allen Fehlern, auch wenn es mal nicht funktioniert hat, in Bezug auf den Erfolg nach außen. Aber wie du es sagst, also wenn ich es vor mir selber vertreten kann oder wenn ich dahinterstehe und sage, das war richtig, das in diesem Moment zu tun, auch wenn es dann nicht das Feedback bekommen hat, dann ist es aber absolut wert, das gemacht zu haben. Und oft verkopfen wir diese Dinge eben auch zu stark und wenn wir uns, du hast es gesagt, eben zu sehr an den gängigen Regeln für Erfolg orientieren, ist es auch keine Garantie, dass es funktioniert und ja, auf jeden Fall nachhaltiger und für einen selber befriedigender, wenn man da sich auf die eigenen Werte verlässt.
Andreas Jorns
00:46:14
Ja, kann ich unterschreiben.
Kai Behrmann
00:46:17
Andreas, lass uns noch mal zum Thema Musik zurückkommen. Ja, gerne. Wir haben ja auch einen Musikgeschmack. Also ich höre deinen Podcast ja auch sehr gerne und schätze den auch wegen deiner Musikauswahl. Da sind immer wieder Dinge dabei, die ich nicht kenne oder nicht kannte, auch Bands, die dann mal wieder, die ich ein bisschen aus dem Blick verloren habe, die wieder aufbloppen. Und ich weiß, dass du ein ganz großer Tom-Waite-Fan bist und das ist auch einer meiner absoluten Lieblingskünstler.
Andreas Jorns
00:46:51
Ein Gleichgesinnter, wie cool.
Kai Behrmann
00:46:53
Absolut, ich liebe Tom-Waite und das ist auch immer so mein Soundtrack für die Straße häufig, also ich habe auch so einen Weg hinter mir, wo ich, an so einen Punkt gekommen bin mit der Street-Photography, ich gedacht habe, irgendwie wiederhole ich mich ständig. Weißt du, wenn man anfängt zu fotografieren, das Erste, was man dann wahrnimmt, sind diese harten Lichtkontrast-Situationen. Dann fängt man an, Lichttaschen zu fotografieren, wartet, bis eine Person durchläuft. Also so ein bisschen malen nach Zahlen, wenn man anfängt. Genau. Und dann sich davon so ein bisschen zu lösen und einfach zu fragen, ja, warum fotografiere ich das öffentliche Leben eigentlich? Was interessiert mich daran, was möchte ich erzählen für Geschichten über unseren Alltag. Das ist ja die Stärke auch der Street Photography, dass das ein Blick auf unsere Gesellschaft ist. Und da hat mir das geholfen, einfach Tom Waits mir da auf die Ohren zu legen. Auch gerade nicht die etwas weniger gefälligeren Stücke. Also es ist ja so einmal Downtown Train etc. Sehr eingängig, aber dann auch immer wieder dieses Experimentelle und das so ein bisschen auf die Fotografie dann auch zu übertragen, auch zu sagen, ich fotografiere jetzt mal ganz bewusst, intuitiv, achte nicht, ob das gerade ausgerichtet ist, kreuz und quer, aus der Hüfte geschossen, all solche Dinge einfach mal so ein bisschen fließen zu lassen. Und das hat mir geholfen, da so ein bisschen auch den Spaß wieder zu finden, auch so dieses Dreckige reinzubringen, dieses Unperfekte in die Bilder. Wie würdest du sagen, oder was wäre das Soundtrack für Im Jahr des Drachen? Gibt es da auch vergleichbar etwas, was musikalisch dazu passt, was du drüberlegen könntest?
Andreas Jorns
00:48:41
Ja, eindeutig ja. Das habe ich ja sogar gemacht. Es gibt zu im Jahr des Drachen eine Playlist, die ich angelegt habe. Die ist auf Spotify und Apple Music verfügbar. Die liegt in gedruckter Form dem Bildband bei, auf sehr hochwertigem Papier mit einem QR-Code, dass man sich die dann quasi auch digital runterladen oder streamen kann. Und sie ist, das ist eine gute anderthalb Stunden, also reichlich Zeit, um da auch richtig reinzutauchen in den Bildband. Und die Playlist ist diesmal geprägt. Es ist zum ersten Mal Neoklassik dabei, etliche Stücke. Es sind aber auch Sachen dabei wie Apokalyptiker, sagt ihr vielleicht, die Finnen, die ja berühmt geworden sind mit ihren Celli und, ich glaube, wen haben sie damals, Metallica haben sie damals gecovert, genau, von Apokalyptica ist was dabei, von Sigur Rós, die Isländer, die sehr epische, also Das Ganze ist diesmal ein etwas, es fängt an mit dem Main Title, mit der Filmmusik von Brochurch, ich weiß nicht, ob dir die Serie noch etwas sagt, ist auch ein Isländer, glaube ich, der diese Musik geschrieben hat, sie ist so ein bisschen Silmaskopisch. Also es ist so ein bisschen es wirkt wie so ein bisschen so eine Filmmusik und ja, die kann man die ist auch öffentlich die Playlist und die kann man tatsächlich finden. Die heißt auch so wie das Buch Im Jahr des Drachen. Das ist das, was mich da sehr stark geprägt hat. Ansonsten, ich muss einfach nochmal zurückkommen auf Tom Waits, der ja auch Namenspate war für meinen Vortrag im letzten Jahr. Seltsame Dinge, verwaiste Melodien, ist ja aus dem Zitat von ihm damals. Ähm, Ich habe ja, als ich den Vortrag letztes Jahr gemacht habe und als ich den konzipiert habe, habe ich gemerkt, dass meine eigene fotografische Entwicklung sehr viel, dass es da so Parallelen gibt. Bei ihm war das ja auch so, du hast es gesagt, es gibt sehr eingängiges Zeugs, gerade am Anfang die Klassiker, die in der Regel durch andere berühmt geworden sind und hinten raus wurde es dann immer kauziger und skurriler und er hat seine Sachen zu Hause im Badezimmer aufgenommen. Und es ist so ein bisschen die Blaupause für Perfektion ist langweilig und lasst die Unperfektion in euer Leben und lasst vor allem die Unperfektion in die Fotografie. Das gilt umso mehr dann, wenn die digitale Fotografie uns eigentlich fast alles abnimmt. Alles ist also hochauflösend und also Wahnsinnsensor mit irrer Auflösung und Wahnsinnsautofokus und man kann jetzt Windhundrennen fotografieren und kein einziges Bild ist unscharf und automatische Motiverkennung. Wahnsinn. und einfach aber zu sagen, nee, wenn ich irgendwo, mal ein blödes Beispiel, irgendwo spätabends in einer Großstadt unterwegs bin und es ist dunkel und es ist kalt und es ist nass und da sind Pfützen und ich fotografiere das, dann will ich das nicht clean dargestellt haben, sondern ich will das ja fühlen. Also Endi Liebowitz hat das ja mal formuliert, als sie damals für Rolling Stone fotografiert hat und bei einem Interview, Das Interview fand dann in so einem Kellerlokal statt und sie hatte sehr zu kämpfen, musste ihren Film da drei Stufen pushen und dann hat sie die Bilder... Von ihren Kollegen und Kolleginnen gesehen, für andere Zeitungen fotografiert haben. Die waren schon digital unterwegs und die saßen schon in der Lobby und haben dann schon Bilder geguckt. Und sie kamen hoch und sagten, wow, coole Bilder, aber das ist doch nicht das Rattenloch, in dem ich gerade war. Das ist so etwas, wo ich sage, ja, heute wird propagiert, du kannst also auch im Kohlekeller den Schornstein fähiger fotografieren ohne Blitz. Das wird man alles noch und das mit 37 Millionen Graustufen. Ja, aber Schatten sind, wenn du nachts unterwegs bist, die sind halt schwarz. Da ist auch nichts.
Kai Behrmann
00:53:28
Ende.
Andreas Jorns
00:53:30
Lass es zu, dieses Rotzige. Und für mich war immer Tom Waits einer der Vertreter, das ist eigentlich so die fleischgewordene Fotografie, die ich gerne habe. Es ist ja kein Wunder, dass er und Corbyn dieses kongeniale Duo geworden sind, wo Korban halt diesen Bildband draus gemacht hat. Der fotografiert ja auch so.
Kai Behrmann
00:53:52
Ja, da berauben wir uns häufig vieler Möglichkeiten, wenn wir zu perfekt denken. Auch wenn man vergleicht zur Malerei vielleicht auch zieht, wo es darum geht, in erster Linie auch Gefühle zu vermitteln. Ob das jetzt Impressionismus ist, Surrealismus, das sind ja alles Dinge, die jetzt nicht konkret, kein Abbild von konkreten Dingen. Und genauso kann Fotografie ja auch sein, wenn ich es schaffe, über eine Unschärfe ein Gefühl zu vermitteln, auch in dem Beispiel von Andy Liebowitz, dann habe ich ja mein Ziel als Fotograf erreicht. Da muss keine Schärfe drin sein. Es gibt vielleicht einige Bereiche, Genres, da ist Schärfe eben wichtig. Aber wenn ich jetzt im künstlerischen Bereich denke, dürfen wir uns das, glaube ich, viel öfter erlauben.
Andreas Jorns
00:54:42
Ja, unbedingt. Also wie Kollegin Esther Hase gesagt hat, ist es nicht so, dass Schärfe in der Fotografie überbewertet ist, aber Unschärfe ist definitiv unterbewertet. Ich verstehe das auch nicht, also ich werbe ja so ein bisschen dafür, auch wenn ich so rumreise und dafür zu werben, für dieses Unperfekte, dass es cool sein kann, weil es vielleicht etwas viel eher eine Stimmung oder eine Emotion transportiert. Wenn man so etwas durchschaut, ich habe das auch jetzt in meinem neuen Bildband, Spoiler-Alarm, das erzählt ja eine Geschichte und die Reihenfolge der Bilder ist extrem wichtig und dann auf einmal siehst du sehr nah einen Hund, den ich fotografiert habe. Der ist vorne unscharf, die Schärfe liegt wahrscheinlich irgendwo, wo sie nicht hingehört. Aber trotzdem ist das alles gut zu erkennen. Durch die Unschärfe ist es eher noch so ein bisschen interessanter, weil du merkst richtig, der Hund kommt auf dich zu. Ich kenne ja die Geschichte sehr gut dahinter und ich denke, das ist catchy jetzt so richtig. Und dann gibt es Menschen, das hatte ich jetzt auch, die dann zu mir kommen und sagen, ja, aber jetzt der Hund ist unscharf. Da denke ich, ja, das stimmt. Es ist interessant, dass ihr das aufgefallen ist, aber so analysiere ich schon lange keine Bilder mehr, schon gar nicht Bildbände oder Ausstellungen, dass ich sage, das Bild ist jetzt sehr blau oder sehr rot oder sehr scharf oder es ist unscharf. Und das ist ja nur, das ist ja deskriptiv. Und Bilder bewerten, also was ist ein tolles Bild, wenn das irgendwas mit uns macht, wenn das irgendwas auslöst. Und dazu muss man, glaube ich, ganz viel im Kopf abschalten, also die Schere aus dem Kopf herausnehmen.
Kai Behrmann
00:56:47
Ja. Ist vielleicht so ein bisschen die gleiche Diskussion oder warum Fotografen gerne über Technik sprechen, weil das sehr objektive Maßstäbe ja sind, die man da diskutieren kann und dann auch vielleicht das Gefühl hat, da auf einen Nenner zu kommen oder Kriterien zu haben, was ist gut, was ist schlecht, was ist, und genauso eine Diskussion, eine Bildbewertung, wenn man es an diese, und diesen Kriterien ausrichtet.
Andreas Jorns
00:57:20
Da hast du was Interessantes angesprochen, Kai, Kriterien. Die Menschen lieben Kriterien, die Menschen lieben Schubladen. Und wir müssen uns insgesamt mehr davon freimachen. Also das muss ein bisschen dieses Schubladendenken. Ich verstehe das, dass man gerne kategorisieren will. Bei Technik kann man das. Ich persönlich kann auch stundenlang mit dir über Technik quatschen und was ist jetzt da und das neue Kameramodell und das Objektiv. Das ist für mich völlig okay und ich kann die Faszination verstehen, warum man darüber reinkommt in die Fotografie. Man sollte das nur irgendwann ablegen, weil wenn du so technisch denkst, stehst du dir selber im Wege.
Kai Behrmann
00:58:09
Ja.
Andreas Jorns
00:58:11
Ist nicht förderlich für die Kreativität. Aber am Ende jeder nach seiner Fasson. Ich sage immer, solange die Leute glücklich sind und wenn sie glücklich sind, nur glücklich sind, wenn sie dies oder jenes Objektiv oder die oder die Kamera nehmen, dann go for it. Ich weiß, vor vielen Jahren habe ich ein Video gesehen von Peter Lindberg so ein Behind-the-Scenes-Ding ich weiß gar nicht, er hat sagen wir mal Kenmos fotografiert das war am Strand, oben in der Normandie wo er ja viel gemacht hat und wo er diesen Cage, dieses schwarze Zelt aufgebaut hat und dann fotografiert er und da ist offensichtlich ein Presse-Team vor Ort und filmt ihn während er fotografiert und dann dreht er sich er macht dann ja immer so fertig, gibt die Kamera ab und so dreht sich um. Und dann stellen die die Frage, ja, mit welcher Kamera fotografieren Sie denn? Und dann dreht sich Peter Lindberg um und ruft seinem Assistenten zu, sag mal, mit welcher Kamera habe ich Sie fotografiert? Das war einfach völlig... Es ist jetzt nicht so, er hat ja mit Nikon augenscheinlich, also digital die letzten Jahre fotografiert, aber auch nur, weil das war er gewohnt, da wusste er, welcher Knopf wo ist, da musste er sich jetzt nicht umorientieren, ansonsten, da hätte er jetzt auch Canon, Sony, Fuji draufstehen können, ähm, Das war, wenn man den gefragt hat, wie wichtig ist, das ist ziemlich Latte. So einer taugt dann nicht als Markenbotschafter. Aber das ist doch eigentlich die Wahrheit. Das ist letzten Endes egal. Auch wenn ich erzähle, dass ich wahnsinnig gerne meine Leica in der Hand habe, weil die mir irgendwie ein gutes Gefühl vermittelt. Ja, dann ist das aber rein emotional und ganz individuell und wahnsinnig subjektiv. Wenn mich einer fragen würde, sagen wir mal drei Gründe für die technische Überlegenheit von Leica, dann würde ich dem auch sagen, keine Ahnung, kann ich nicht. Ist die wahrscheinlich gar nicht. Oder ganz sicher ist sie nicht technologisch überlegen. Aber darum geht es ja auch nicht.
Kai Behrmann
01:00:26
Nee, das Gefühl dahinter oder was es mit dir macht. Und ja, das ist ein bisschen vielleicht auch so, wie einige schrauben gerne an Autos rum und müssen unter jede Motorhaube schauen, was da drin steckt. Und für andere ist es einfach nur ein Vehikel, um von A nach B zu kommen. Und da steht eher das Ziel im Vordergrund. Und so ist es vielleicht auch mit einer Kamera oder mit der Fotografenwelt. Die eine Hälfte, die beschäftigt sich eben gerne mit der Technik und hat da eine Affinität dafür, was absolut seine Berechtigung hat. Aber wenn man das Ziel hat, sich in der Fotografie weiterzuentwickeln und mit seinen Bildern dann auch etwas auszudrücken und so, dann braucht es eben diese kreative Komponente, die in den seltensten Fällen über die Technik kommt.
Andreas Jorns
01:01:19
Das ist so. Ich meine, das hat ja auch jahrelang super funktioniert mit der Technik, weil es immer etwas gab, was noch verbessert werden konnte und wo es tatsächlich immer noch so einen großen Step gab. Und jetzt ist es auf einmal seit einiger Zeit vorbei. Wir sind auflösungstechnisch, was heißt am Limit, das hat man früher schon gesagt, aber es gibt jetzt eigentlich keinen mehr, der sagt, ich brauche unbedingt mehr Auflösung. Kenne ich jetzt nicht viele, die das sagen. Autofokus, ja, wie schnell soll er noch werden? Also mehr geht nicht. Wir können jetzt, wahrscheinlich sage ich jetzt auch noch eine falsche Zahl, aber wahrscheinlich 30 Bilder pro Sekunde und alle sind scharf. Super. Also das ist es jetzt auch nicht mehr. Jetzt kannst du noch ein bisschen beim Sucher und so weiter, Fakt ist da ist nicht mehr viel Potenzial und was passiert, prompt stürzt die Kameraindustrie in eine Krise, haben wir Und es stützen auch viele Amateurfotografen und Fotografinnen, weniger die Fotografinnen, weil Frauen sind, auch wenn das jetzt ein übles Klischee sein mag, aber das ist meine Erfahrung, per se nicht so technikinteressiert. Die sind von vornherein mehr fokussiert aufs Motiv. Und die ganzen Amateurfotografen sind auch in einer Krise, weil sie jetzt ja gar nicht mehr wissen, wofür sie sich interessieren können. Auf einmal reden wir wieder über Inhalte. Und das finde ich toll. Lass uns über Inhalte reden, das ist auch viel interessanter. Was wollen wir fotografieren? Warum wollen wir fotografieren? Was habe ich für eine Idee? Und dann nehme ich halt irgendeine Kamera. Ich habe hier teilweise eine Kamera, mit der ich letztes Jahr am meisten unterwegs war, die ist zwölf Jahre alt. Da gibt es schon Nachfolger, Nach-Nachfolger, Nach-Nach-Nachfolger. Egal, die tut es ja noch verstehst du und jetzt höre ich schon den einen oder anderen Rufen und sagen, ja wenn du ihr immer nur unscharf fotografierst, das Sehburscht haben sie recht also das ist so
Kai Behrmann
01:03:25
Ja das Schwierige ist ja dabei mit Inhalten und Kreativität, das erfordert so ein bisschen Gehirnschmalz und Anstrengung dem dann auf die Schliche zu kommen Sich zu fragen, was ist es eigentlich, was ich ausdrücken möchte und ich glaube, das ist auch in meinen Workshops und bei dir wird es wahrscheinlich auch ähnlich sein, so eher oder eine zentrale Frage, einfach diese Fragen zu fördern und jetzt vielleicht nicht alle Antworten zu geben, was kaum möglich ist, aber die Menschen dann ein bisschen so auf den Weg zu bringen, in die Richtung zu stupsen. Diese Antworten für sich selber zu finden, um eben so etwas auch zu finden, wie du es jetzt hast. Du weißt, wofür du fotografisch stehst und findest dann immer wieder auch die Wege zu neuen Ufern. Wie gehst du sowas an oder was würdest du jemandem raten, der jetzt sagt, er ist da so ein bisschen verloren in dieser Themenfindung für sich selber?
Andreas Jorns
01:04:34
Schöne Frage. das ist ich habe vor Jahren ich habe ja immer Workshops gegeben also relativ früh schon, weil ich so auch so ein bisschen rein in die durch die ersten beiden Bücher, die ich geschrieben habe dann habe ich so Blitz Workshops, also viele technische Workshops vor vielen Jahren irgendwann hat mir das selber nicht so viel Spaß gemacht und jetzt ist es schon seit ein paar Jahren so, dass zu meinen Workshops kommen immer Menschen, die fotografieren können. Also die Haben ihre Kamera mehr oder weniger im Griff und können auch leidlich mit Licht umgehen. Und was denen fehlt, ist das, was du gerade gesagt hast, so Inspiration und dadurch vielleicht auch Motivation. Das sind die Themen. Darum geht es eigentlich. Und das coache ich, indem ich versuche, auch herauszukitzeln, was interessiert dich denn eigentlich? Woran hast du Spaß? Also darum geht es. Fotografiere doch bitte nicht von Dingen, von denen du glaubst, dass sie auf Instagram gut ankommen, sondern woran hast du Spaß? Was interessiert dich? Und probiere dich aus. Und vor allen Dingen, wenn dann Menschen zu mir kommen, wie gesagt, die zum Teil auch durchaus schon erfahren, also ich habe auch schon Berufsfotografen bei mir im Workshop gehabt. Das ist manchmal sogar schwieriger als jemand, der noch relativ frisch dabei ist und sehr open-minded und dann gucke ich mir an und ja, ich bin es gewohnt, ich fotografiere jetzt seit vielen Jahren Porträts mit 85 Millimetern und dann versuche ich die zu überzeugen, dass man einfach mal eine ganz andere Brennweite nimmt. Mach mal 28 Millimeter drauf und wenn wir heute jetzt losziehen, dann auch nur das. Nimm nicht deine Kameratasche mit fünf Brennweiten mit, sondern versuch dich mal zu reduzieren. Wir haben das schon gemacht, das war, komm, die ganze Woche eine Brennweite. Jetzt beim Street-Fotografie-Workshop auch, als wir losgegangen sind vom Hotel, welche Brennweite heute? Eine, nicht hin und her wechseln, dass man anfängt auch so zu denken, dass man wenn es am Anfang schwierig ist, ja, es muss manchmal auch ein bisschen schmerzhaft sein, es muss vielleicht auch, es darf nicht so leicht fallen, dem fällst du wieder in irgendwelche Routinen. Trau dich. Es geht eigentlich mehr um dieses Trau dich. Jeder kann Kreativität lernen. Das hätte ich vor zehn Jahren auch noch nicht so gesagt, aber ich bin da mittlerweile von überzeugt, du kannst denn, wir kommen alle kreativ zur Welt. Wir waren als Kinder unglaublich kreativ. Weil wir einfach gemacht haben. Wir haben uns getraut. Also verrücktesten Geschichten. Und das wird uns alles so ein bisschen ab erzogen nicht unbedingt von unseren eltern aber von der gesellschaft und das darf man nicht und das sollte man nicht und das ist doch quatsch und ja einfach mal zulassen auch mal dummes zeug zu machen Mir hilft, lesen, Filme gucken, gerne alte Filme, nicht so CGI-Quatsch, sondern alte Schwarz-Weiß-Filme oder Musikvideos können, toll, was da teilweise passiert. Menschen beobachten, Ausstellungen besuchen, selbst wenn man manchmal kopfschüttelnd davor steht. Also einfach, um zu lernen, was alles möglich ist, was man alles darf. Also so, ach, das darf man auch. Das ist ja so diese eigene Schere im Kopf. Hätte ich mich nie getraut, höre ich unheimlich oft in meinem Workshop. Hätte ich nie gemacht. Das Bild hätte ich gleich gelöscht. Nein, das ist so. Dieses, hätte ich persönlich gleich gelöscht. Wenn ich das mal höre, auf gar keinen Fall wird irgendetwas gelöscht. Du hast es gemacht. Speicherplatz kostet nichts, hebt es auf. Wer weiß, wie du in ein paar Wochen möglicherweise oder in ein paar Jahren darüber denkst. Also dieses freigeistiger Sein und Bildbände bei mir, Bildbände guck hinter mich, also da siehst du ein paar von meiner großen Sammlung immer mal wieder in das gucken, was andere so gemacht haben und steht da Tropfenhüll den Stein. Das ist jetzt nicht so, dass man sagt, ich besuche die Ausstellung, hinterher bin ich kreativ. Aber immer wieder das zulassen und irgendwann fängt man an, Ideen zu entwickeln. Das macht man mal.
Kai Behrmann
01:09:20
Ja, ich weiß gar nicht mehr, wer das war. Ich glaube, das war ein Schriftsteller, Neil Gaiman, das ist so ein Fantasy-Autor, von dem habe ich mal eine Masterclass gesehen zum Thema Kreativität. Und er hat das auch sehr, sehr schön beschrieben, genau das, was du jetzt auch gesagt hast. Also diese verschiedenen Quellen, aus denen man sich bedienen kann, ob das jetzt Literatur ist, Musik, Filme, all das zahlt so ein bisschen auf unser kreatives Konto ein und er hat so mit so einem Komposthaufen verglichen. Also alles landet irgendwo dann auf dem Kompasshaufen, wird zersetzt, wird zu Mutter Erde und daraus erspriesst dann irgendwas, von dem man am Anfang gar nicht weiß, was es ist oder was daraus entstehen wird.
Andreas Jorns
01:10:10
Großartiges Bild. Ja, großartiges Bild, das gefällt mir, das übernehme ich. Das macht total Sinn. Es landet erstmal alles gerade, kannst dich ja gar nicht gegen wehren. Und dieses, aber dieses Zersetzen, es ist halt genau das Ding, du, Kreativität ist ja nicht eins zu eins etwas nachzumachen, sondern Man speichert ab und mir haben häufig Ausstellungen auch geholfen, aus denen ich Kopfschütteln rausgegangen bin. Und ich dachte, echt jetzt? Und dann denkst du, ja, aber auf der anderen Seite, warum auch nicht? Das ist halt, und wenn man ehrlich ist, ich will jetzt nicht gegen Social Media wettern, aber das ist eigentlich viel zu Stromlinien für mich und viel zu gleichgerichtet, als dass es das ersetzen kann. Kann es nicht. Also es kann ein Baustein sein. Für mich ist das schon lange nicht mehr. Trotzdem schimpfe ich nicht auf Social Media, weil es gibt Dinge, dafür ist es gut, fürs Vernetzen, fürs Austauschen, sogar für Kommunizieren. Ich bin ja alt genug, um immer noch auf Facebook unterwegs zu sein. Aber da gibt es Gruppen, da sind gleich Interessierte, wo man sich auch mal austauschen kann, nichts ersetzt, aber natürlich das Face-to-Face und das Persönliche und das wahre Leben. Das andere ist eine Parallelwelt.
Kai Behrmann
01:11:39
Ich fand das sehr schön, was du auch eingangs gesagt hast, dass es schon damit anfängt, sich einfach Dinge zu erlauben, auch Regeln zu brechen. Regeln haben ihre Berechtigung und können uns ja auch helfen, eine Orientierung zu haben. Aber wenn wir uns da zu starr dran halten, dann steht das eher im Wege und auch der Kreativität. Weil Kreativität ist ja letztendlich nichts anderes als neue Wege für eine Sache zu finden. Wie kann ich ein Problem auf andere Art und Weise lösen? Und da ist eben diese Routine, die du auch schon genannt hast, in die wir auch leicht mal fallen, was uns hilft, eben so ein bisschen Gehirnkapazität zu sparen, Wenn wir wissen, okay, da muss ich jetzt nicht jedes Mal überlegen, wie das ist, wenn ich mir die Zähne putze, solche Abläufe, da hat es seine Berechtigung, aber wenn wir da zu starr in diese Muster verfallen, dann fehlt es uns oder der Blick einfach zu überlegen, wie könnte ich das auf eine andere Art und Weise machen.
Andreas Jorns
01:12:45
Ja, es ist so. Ich bin ja selber auch in diese Falle getappt. Falle ist gut, aber der Mensch ist ja von Natur aus bequem und ich nehme das für mich auch in Anspruch, ein bequemer Mensch zu sein. Und es ist ja auch ganz schön, wenn man eine Routine hat und weiß, dass das funktioniert. Und einer der Gründe, warum ich mein Lattel je nach acht Jahren aufgegeben habe, war auch, dass das eine solche Routine war. Und ich wusste genau, wo stelle ich die Menschen hin und welche Uhrzeit an welches Fenster. Und dann, ja, Kamera war eh, dann wurde ich immer bewundert dafür. Ach krass, das weißt du einfach so, dass das jetzt Blende 2 und 125 bei ISO 400 ist. ich sage, ja, das sehe ich. Was heißt sehen? Ich weiß es einfach alles jeden Tag. Wenn die Sonne so und so ist, dann ist es so. Schön. Routine. Aber nochmal, ich war dann ja auch irgendwann kein Auftragsfotograf mehr. Also da hilft das unheimlich, wenn die Dinge in Fleisch und Blut übergegangen sind. Da muss das so sein. Als Künstler darf es dann auch mal unbequem sein. Also daraus entstehen eigentlich die interessanteren Dinge. Wenn ich ganz ehrlich bin, das ist so eine meiner Lieblingsanekdoten für die Entstehungsgeschichte meines neuen Bildbands. Als ich die vier Tage durch Berlin gelaufen bin, ich habe eigentlich die ganze Zeit vor mich hingeflucht. Berlin zählt nicht zur Weihungsschläden, da bin ich ganz ehrlich. Und es war kalt und es war irgendwie teilweise auch schlechtes Wetter. Und überall gab es nur Döner zu essen. Also es waren so viele Dinge, die waren für mich unbequem und ich musste mich aufraffen und ich hatte auch irgendwie nicht das Gefühl, besonders kreativ zu sein, mal bei diesem Beispiel zu bleiben und habe ich jetzt wirklich irgendwas Gescheites hier eigentlich fotografiert oder nicht? Und ja, als ich es dann überspielt habe auf den Rechner und dann dachte ich, krass, dann hat sich das ja doch gelohnt, da stundenlang da rumzulaufen es ist doch was bei rumgekommen ja, weil und ich habe mich dann mit den Ergebnissen überrascht, weil sie waren nicht offensichtlich sie waren nicht naheliegend sie waren nicht erwartbar ja ja,
Kai Behrmann
01:15:12
Schönes Beispiel kann ich nachvollziehen, dass das häufig die Situationen sind in denen man sich jetzt nicht in seiner Bequemlichkeit befindet, wo am Ende die spannendsten Ergebnisse bei rauskommen, Andreas, jetzt haben wir schon über Musik als Inspirationsquelle gesprochen, über andere Quellen. Ich würde gerne nochmal auf die Literatur zurückkommen. Ich lese auch unheimlich gerne und frage dann auch immer mal gerne meine Gäste, was denn so bei Ihnen zuletzt dran war, was Sie gelesen haben. Du hast gesagt, auch in der Auszeit hast du unheimlich viele Bücher verschlungen, diesen Ball mit den Interviews von Henri-Cathier-Bresson, den habe ich auch schon gelesen. Also eine ganz, ganz tolle Art, sich mit den Gedanken von so einem tollen Fotografen zu beschäftigen. Was gibt es darüber hinaus, was du so in letzter Zeit in der Hand gehabt hast an Büchern, was dich inspiriert hat?
Andreas Jorns
01:16:14
Also ich lese von bis. Ich lese gerne Thriller, gerade die skandinavischen Thriller sehr, sehr gerne. Ich lese viel Autobiografien. Ich lese viel Biografien und Autobiografien von Künstlern, ob das jetzt Musiker sind oder Fotografen oder Maler, was auch immer. Es gibt so einen kleinen Band von Interviews, die Hans Micha, weiß der, Kötzle, mit verschiedenen Menschen aus der Fotografie und darüber hinaus geführt hat. Dann hat er mit Fotografen und mit Verlegern und mit Kuratoren gesprochen. Ich habe in der Auszeit die achtsamen Mordenbücher verschlungen. Ich habe mich totgelacht darüber. Ich bin ein großer Fan von Kishon-Satiren. das ist was hatte ich jetzt als letztes warte mal, ich habe als letztes da muss ich mal eben nachgucken kann ich aber sofort ich habe noch nicht reingeguckt, aber das ist das, was ich mir als nächstes vornehme, ist jetzt gerade angekommen das war auch eine Empfehlung das waren die Bücher das ist so eine Reihe Alle Toten fliegen hoch von Joachim Meierhoff, so heißt er. Da bin ich mal sehr gespannt. Das ist sehr launig offensichtlich auch geschrieben. Und ja, da bin ich mal sehr gespannt, was mich da erwartet. Aber von bis, also ich, Fitzek habe ich gerade ein neues Buch mir gekauft. Den liebe ich ja auch. Andreas Gruber ist ein österreichischer Schriftsteller der ganz tolle Romane geschrieben hat ja You name it, natürlich hier habe ich auch in der Aussicht gelesen wie heißt er denn der Skandinavier, der hat so eine Reihe geschrieben War das Harknessa, ne der war das nicht, wie heißt der andere sehr sehr, ach naja ja aber die habe ich und dann verschlinge ich auch tatsächlich dann lese ich dann auch mal vier, fünf Bücher in einer Woche ja,
Kai Behrmann
01:18:52
Ein ganz breites Spektrum, aber viel auch Krimi Literatur nicht nur hochgeistiges.
Andreas Jorns
01:18:59
Sondern ich brauche unbedingt auch zwischendurch mal die komplette Zerstreuung und weil da bin ich geprägt schon seit meiner Kindheit an, also ich habe mir glaube ich als zwölfjähriger oder 13-Jähriger, habe ich mir zu Weihnachten, da gab es so eine Gesamtausgabe aller Kriminalromane von Agatha Christie, damals bei Weltbild. Oder wie das hieß. Und das haben wir dann in 36 Büchern oder so. Und das habe ich dann bekommen. Also sämtliche 108 Romane, die, glaube ich, Agatha Christie geschrieben hat.
Kai Behrmann
01:19:33
War sehr produktiv.
Andreas Jorns
01:19:34
Sehr. Die hat ja nicht nur Miss Marple und Hercule Poirot, als Protagonisten gehabt, die hat sogar die hat sogar das, was man heute Spielnage-Thriller nennen würde, geschrieben, die in den USA spielen und ja, die habe ich dann alle innerhalb eines Jahres, also bis zum nächsten Weihnachtsfest durchgelesen und das habe ich so beibehalten, also da habe ich schon Unmengen von gelesen von solchen Sachen.
Kai Behrmann
01:20:03
Kannst du den Finger drauflegen, wenn du liest, was es ist, was du daraus auf deine Fotografie übertragen kannst? Sind es bestimmte Szenen, die beschrieben werden, die bei dir Bilder hervorrufen, die du dann versuchst fotografisch umzusetzen oder ist es eher so eine Stimmung, die da produziert wird mit Worten, die sich auf deine Fotografie dann legt, eher so was die Ästhetik angeht?
Andreas Jorns
01:20:34
Ja, letztes. Also letztes Stimmung. Wenn es der Autor oder die Autoren schaffen, eine Stimmung zu erzeugen und vielleicht, klar, das eine ist irgendwie ein spannender Plot, wenn es jetzt um Kriminalromane geht, aber ich finde mindestens genauso, also vielleicht kann man es sogar besser erklären an Filmen und Serien. Es gibt da diese Broadchurch, das habe ich eben schon mal erwähnt, weil ich diese Musik verwendet habe. Das war mal eine Miniserie. Ich weiß gar nicht, wo die lief. Ich glaube aber auch im Öffentlich-Rechtlichen. Die spielt in einem fiktiven Ort im Südwesten Englands. Und der Kriminalfall an sich ist wahnsinnig simpel, also nicht mal besonders originell. Aber die haben es geschafft, eine Stimmung zu erzeugen, dass man richtig reingesogen wird in diese Geschichte. Und da hat sicherlich diese Landschaft auch damit zu tun oder die Skandinavier schaffen das regelmäßig. Es gab eine ganz wunderbare Serie, die Brücke hieß, das war auch so ein Sechsteiler oder sowas in der Art, der zwischen Dänemark und Schweden spielt, wo eine Leiche genau auf der großen Brücke, die die beiden Länder verbindet, Mittendrauf und die Grenze verläuft ja genau durch die Brücke. Da gibt es ja einen Grenzstreifen und da hat der Börder diese Leiche eben genau auf diesen Grenzstreifen gelegt, was natürlich dazu führt, wer ist hier zuständig, die Dänen oder die Schweden. Und dann war das erstmal Kompetenzgerang und dann haben die Zusammenarbeit wunderbar und gespielt wurde die, ich weiß gar nicht mehr, wie diese Schauspielerin hieß, das war eine Kommissarin, die hatte aber leicht autistische Züge. Asperger, keine Ahnung, sowas in der Art das hat eine Stimmung erzeugt immer wieder, weil sie ja jetzt nicht so sozialkompatibel auch im Umgang mit anderen Menschen war das hast du so geglaubt und bist da so reingesogen worden in die Geschichte, also nur zwei Beispiele und das gibt es eben auch bei Romanen wo du Du liest ja nicht, um dir eine Idee, also ich mache das zumindest nicht, um dir eine Idee für das nächste Projekt zu holen, sondern du liest erst mal, um abzuschalten, zu entspannen und wegzutauchen, auch möglichst nicht in so einen Tunnel zu kommen. Und dann auf einmal kann es aber passieren und du weißt nie wo und an welcher Stelle, wo es so Klick macht. Was ist das denn? Das ist ja cool und ich habe da jetzt gerade so ein Gefühl. Es ist nicht selten, dass ich mir dann auch schon mal Notizblock nehme und also heute häufiger mein Smartphone und hacke da mal eben so eine Idee ein also so eine Idee habe ich nie verwirklicht die basierte mal auf dem Buch das ist auch verfilmt worden hier Fräulein Smiller und das Gefühl für Schnee oder irgendwie sowas ja da das Buch hatte ich gelesen, ich habe erst das Buch gelesen, dann den Film geguckt und danach hatte ich eine Idee. Eigentlich auch für ein Bildband. Das muss ich irgendwann nochmal aufgreifen. Also das passiert dann, unmittelbar. Also alles, was so ein bisschen atmosphärisch ist, so ein bisschen atmosphärisch dichter, nicht nur so tak, tak, tak, da passiert das, das, das, sondern ein schöner Vergleich ist zum Beispiel Serien, die Serienkultur hat sich ja verändert Anfang der 2000er und das ist passiert durch die amerikanischen Serien rund um dieses ganze CSI-Imperium. Ich glaube, das fing ziemlich genau 2000 an und was die gemacht haben, waren auch abgeschlossene Behandlungen innerhalb von einer Dreiviertelstunde erzählt, aber die haben sehr viel mit Zeitraffern gearbeitet, haben nicht alles immer auserzählt, sondern dann Lücken auch dem Betrachter überlassen, wo man sagt, da ist offensichtlich das oder das. Und was haben sie eingeführt? Sie haben immer wieder kurze Sequenzen dabei gehabt, 30 Sekunden, manchmal 60 Sekunden, wo keine Dialoge stattfanden, sondern Musik war. Sie haben Musikstücke gespielt. Teilweise kannte man die auch aus der Alternative-Szene. Ich habe jetzt kürzlich eine Wiederholung der Wiederholung von irgendeiner uralten CSI-Vegas-Serie gesehen, wo, ich glaube, das war eine Autopsie, die Leiche wurde eine Autopsie und auf einmal kommt ein Song von Massive Attack, Teardrop. Und 60 Sekunden siehst du nur teilweise totale, teilweise Detail und die Musik dazu. Und das hat mehr erzählt und mehr für die Stimmung beigetragen, als Viertelstunde irgendein komischer Plot und merkwürdige Dialoge. Das war schlau. Das haben die quasi erfunden und eingeführt und ist heute Gange und Gäbe, Weil sie gemerkt haben, nee, es ist nicht nur die Erzählung wichtig, sondern Stimmung, Atmosphäre. Früher, also wir kennen das jetzt nicht so, Atmosphäre zu erzeugen, Film noir, das kennt man schon lange, aber das über zum Beispiel so Musik zu machen, das fand ich faszinierend.
Kai Behrmann
01:26:22
Ja. Ja, spannend. Wirklich ein schöner Gedanke, sich dahingehend dann mit Büchern und Filmen zu beschäftigen und so ein bisschen losgelöst von dem eigentlichen Plot, aber eher zu schauen, was liegt da drunter, wie werden diese Stimmungen erzeugt. Da kann man sehr, sehr viel mitnehmen.
Andreas Jorns
01:26:42
Ich hatte ja dieses Projekt Lucid Dreams vor zweieinhalb Jahren, 22. Bildband erschienen und das war wahnsinnig aufwendig, zum ersten Mal so richtig stark inszeniert und Und die Idee zu dem Look, also zu dieser Wirkung der Bilder, wenn man so will, kam aus einem Musikvideo, Harmony Corrine von Stephen Wilson, den ich sehr mag. Und normalerweise guckst du ja heute keine Musikvideos mehr. Ich weiß gar nicht, reiner Zufall. Ich glaube, ich hatte Musik zusammengestellt, vielleicht für Radio Jons. Das wird das Wahrscheinlichste sein. Und hatte dann das YouTube-Video dazu. zu sehen. Ich dachte, oh, das ist so cool. Und diese, wie die da, also es ging eigentlich um den Look. Also auch mit Vogelköpfen sind die da zum Teil rumgelaufen und es war auch in schwarz-weiß gedreht und es hatte diesen etwas schmutzigen Look. Da sind wir wieder bei Tom Waits und dachte ich, ja, so in die Richtung muss das gehen. Ich habe mir nur als Stichwort dann in meiner Kleider Harmony Corinne aufgeschrieben, nur um ein Gefühl zu haben, wie ich die Bilder anlegen will. Das hat mir geholfen. Ich habe mich quasi teilweise auch mit dieser Musik dann in Stimmung gebracht. Also genauso wie Tom Waits mich die letzten zwei Jahre meines Projekts mit Katharina damals für Kamerandan haben. Wir haben nur Tom Waits gehört. Auf dem Weg zum Set irgendwo, auf dem Weg nach, wenn wir irgendwo hingefahren sind, haben wir Tom Waits gehört und haben uns damit in Stimmung gebracht. Und waren irgendwie in so einer Stimmung, wo dann die Bilder von alleine irgendwie passierten.
Kai Behrmann
01:28:38
Lass uns noch mal abschließend zurück zum aktuellen Bildband kommen. Andreas, da hattest du gesagt, du hast 14 Versionen durchgespielt und die 14. Ist es dann letztendlich geworden. Nimm uns mal so ein bisschen mit in den Prozess, wie so wo ein Buch bei dir entsteht, aus dem Material, aus dem Fundus, den du dann irgendwann hast. Wie sieht das aus?
Andreas Jorns
01:29:04
Ich habe alles erst mal in einem Lightroom-Katalog. Mache die Bildauswahl immer von jedem einzelnen Shooting. Was man so macht, mache ich wie alle anderen auch. Dann gucke ich durch, vergebe mal einen Stern. Das verdichtet sich dann so ein bisschen. Ich nehme mir viel Zeit, weil ich die finale Auswahl nie an einem Tag mache. Da liegen manchmal auch Wochen dazwischen. Ich gucke dann durch und beim nächsten Mal durchgucken, vergebe ich zwei und dann drei Wochen später gucke ich nochmal durch Ich vergebe dann drei und so weiter und so fort. Dann habe ich so eine Grundauswahl an Bildern, das sind 200, 300, wie auch immer, die ich in einen Katalog packe, nicht in Katalog, in eine Sammlung packe. Wer mit Leitung arbeitet, weiß, dass Sammlungen haben den Vorteil, du kannst dann auch die Reihenfolge hin- und herschieben, kannst die Reihenfolge verändern. Und dann gehe ich auch schon mal hin, wenn ich das dann noch mal so eingedampft habe, vielleicht auf 180, dann drucke ich die auf A4 mit dem Laserdrucker aus und lege die hin oder hänge die irgendwo hin und dann mache ich, fange ich schon an mit Reihenfolge. Also bis zu einem gewissen Grad machst du erstmal die Auswahl nur so und dann, wenn das Ding in der Sammlung ist, fängst du an, über eine Reihenfolge Gedanken zu machen und einen Flow zu bekommen. Ich sitze dann teilweise auch hier davor und mache so eine Wellenlinie, dass ich so überlege, das Bild von da nach da. Und manchmal spiele ich, oder relativ häufig spiele ich auch Musik dazu, um zu gucken, funktioniert das? Hakt das irgendwo? Bin ich da irgendwo mal rausgenommen? Und Ja, und dann hast du, irgendwann hast du das Gefühl, ich habe es jetzt. Und dann vergibst du eine Versionsnummer. Das war dann Version 1, die du dann in so ein PDF hackst. Also da macht man so ein ganz rudimentäres Ansicht. Also noch nicht das fertige Layout, aber wenigstens die Reihenfolge soll dann schon mal da sein. Dann, wenn ich besonders überzeuge, dann schlafe ich drüber. Übernächsten Tag, übernächsten Tag guckst du drauf, stellst sofort fest, ah, das würde ich eigentlich jetzt anders machen. Ich würde das Bild mit denen tauschen, das brauche ich eigentlich gar nicht. Und so kommt dann immer, so konzentriert sich das immer mehr. Version 5 habe ich drucken lassen als Magazin und dann spätestens, das ist dann der Moment, wo ich die beste Ehefrau von allen drüber gucken lasse und dann hat die natürlich, sie hat ja bis dahin dann nichts oder nicht viel davon gesehen und wie wirkt das? Ja, dann gucke ich sie an und sie sagt dann auch schon mal, also sie sagt immer ihre Meinung, kann ich was mit anfangen oder nicht. Und das stört mich jetzt. Ja, aber wieso stört dich das? Nein, dann ist es so dieses Zwiegespräch, weil ich verstehe dann immer nicht, dass sie es nicht versteht. Und naja, ich bin dann erst mal beleidigt, aber es ist immer sehr, sehr hilfreich. Und diesmal war es ja auch so, dass ich tatsächlich keinen externen mit dazugeholt habe, sondern das alleine gemacht habe. Dann nehme ich mir lieber ein paar Wochen mehr Zeit dafür. Und so verdichtet sich das immer mehr. Stück um Stück um Stück. Und dann lässt du das auch mal ablaufen als Film hintereinander. Funktioniert das? Und das war für mich so hilfreich, dass ich das jetzt bei meinem Vortrag dieses Jahr zum ersten Mal machen werde, dass ich auch einen Clip zeige, wo man die Bilder aus dem Bildband mal sieht. Weil ich glaube, dass das einen Unterschied macht, ob man das jetzt so durchblättert, einzeln guckt, also ganz schlimm einfach nur in der Mitte aufklappt und guckt, da erklärt sich ja nichts. Oder ob man so einen Clip mit Musik unterlegt sich anschaut, weil da mit Sicherheit die Wirkung eine ganz andere ist. Also lange Rede, kurzer Sinn, viel Zeit nehmen für Auswahl und Reihung der Bilder und zwischendurch ausdrucken. Also, weil es wirkt einfach tausendmal anders, wenn es ausgedruckt ist. Du willst es ja nicht erst ausgedruckt sehen, wenn du davon ein paar hundert Stück produziert hast und dich dann möglicherweise erinnerst. So gedruckt sieht das gar nicht so aus wie auf dem Bildschirm, aber jetzt habe ich es leider schon produzieren lassen. Die Überraschung will man dann ja nicht haben.
Kai Behrmann
01:33:43
Ja. Das ist sicherlich anders, als wenn man eine Ausstellung konzipiert, weil man die Bilder ja anders wahrnimmt. Im Buch hat man zwei Seiten, eine Doppelseite. Was verändert das? Wie schaffst du es da, im Buchformat diesen Fluss zu bekommen und wie spielen da die Seiten miteinander?
Andreas Jorns
01:34:04
Also ich, also alles hat seine Vor- und Nachteile. Nachdem ich jetzt die ersten, damals die ersten Ausstellungen hatte und Gott sei Dank auch Kuratorinnen und Kurator hatte, weiß ich, dass man das überhaupt nicht vergleichen kann. Dass es ganz anders funktioniert, weil du eine zusätzliche Komponente bei Ausstellungen mit drin hast und das ist der Raum und dass Bilder auf einmal über Eck funktionieren müssen oder mit gegenüberliegenden Wänden, das ist Wahnsinn. Also mit Sichtachsen und Pipapo. Du hast also mehrere Ebenen, die hast du beim Bildband nicht, sondern du hast eine, linear das Ganze, also wenn wir uns darauf einigen, dass wir im Bildband von vorne nach hinten durchblättern, Bild für Bild, ist es eine lineare Geschichte und dadurch eigentlich leichter zu layouten und leichter auszuwählen. Du hast zwar auch in der Aufstellung unterschiedliche Bildgrößen da ist es so, dass es bei einem Bildband dahingehend schwieriger ist vielleicht hast du sogar mehr unterschiedliche Bildgrößen auf alle Fälle die Kombination groß klein, groß groß, also wenn wir jetzt über eine Doppelseite reden oder doch eine Weißseite und ein Bild das sind unglaublich wichtige Überlegungen die man da anstellen muss Die größte Gefahr ist einfach, dass man zu viele Bilder in einem Bildband reinpackt. Meine Kuratorin damals in Düsseldorf, die Ulla Born, hat dann gesagt, wir müssen uns hier für ein Bild entscheiden. Die Bilder tun sich gegenseitig nicht gut. Die fressen sich auf. Oder die nehmen gegenseitig die Aufmerksamkeit von sich, weil sie beide so einzeln für sich zusammen kannst du sie nicht bringen. Und das ist das, was man lernen muss. dass man, wenn man Bildpaare macht in einem Bildband, auf einer Doppelseite, dass die sich gegenseitig zuspielen. Dass sie also in der Gesamtheit als Paar stärker sind als Einzelbilder. Und nicht umgekehrt. Nicht auf einmal sagen, boah, wenn ich die Einzelnen sehen würde, wäre es cooler. Das ist dann schade. Dann haben die sich gegenseitig nicht gut getan. Und das sind so die Sachen, die man zusätzlich beachten muss. Jetzt könnte man hingehen und sagen, ich mache pro Doppelseite nur ein Bild. Da gibt es viele Beispiele auch davon, wo das funktioniert, wo das gut aussieht. War auch mein allererster Entwurf, war dann aber doch zu clean und zu, ich will jetzt nicht sagen langweilig, aber vielleicht doch. Und deswegen muss man dann gucken, gibt da ja so, ich habe mal gehört, es gibt eine goldene Regel, 1,3 Bilder pro Doppelseite wäre ein guter Wert für ein schönes, luftiges Layout und ich glaube, dass das einigermaßen hinkommt.
Kai Behrmann
01:37:12
Du hast ja eine Menge Erfahrung, was das Büchermachen angeht und hast gerade gesagt, bei diesem Buch hast du dir nur die Meinung deiner Frau mit ins Boot geholt. War eine bewusste Entscheidung.
Andreas Jorns
01:37:30
Ja, in dem Fall ja. Ich habe jetzt nicht eine andere Meinung gescheut oder so. Ich habe das ja immer mal so, mal so gemacht bei meinen verschiedenen Bildbänden. Aber diesmal war, weil das für mich ja auch etwas Besonderes war, mit dieser Zensur habe ich ja gesagt, habe ich gesagt, nein, ich kann das auch allein. Ich will das auch allein, aber ich merke, also offengestanden, wenn ich das mit jemandem anders mache, wie mit dem Mathis Kalter in der Vergangenheit, der verschiedene Bildbände für mich auch layoutet hat. Und er hat ja nicht nur layoutet, sondern er hat mir ja auch Feedback gegeben dazu, das Bild würde ich eher nach da packen und das nach da. Also da ging es dann auch um die Reihung oder Vorschläge, das Bild groß, das Bild klein und dann waren wir so in so einem Dialog. Dann ist das auch häufig deswegen passiert, weil ich im Vorfeld mir nicht so viel Arbeit damit gemacht habe, sondern weil ich die Bilder hatte, Mir eine Idee zurechtgebastelt habe und ihm dann gegeben. Und dann kam er mit diesem und dann war das diese Wechselwirkung und so ist es dann irgendwann zum finalen Ergebnis gekommen und heute und diesmal habe ich halt viel mehr im Vorfeld überlegt und deswegen ja auch diese 14 Versionen ich habe ja noch nie so viele verschiedene Versionen gehabt, von denen ich immer dachte also spätestens ab der fünften Version habe ich ja gedacht das ist es jetzt und da bin ich eine Woche später hingegangen und da waren manchmal auch so Sachen bei, wo ich dachte, krass also das geht auf gar keinen Fall Das musst du unbedingt ändern. Und wenn man das irgendwann nicht mehr hat, das Gefühl, wenn du also wirklich eine Woche lang aufstehst und guckst dir das an und findest es immer noch grandios und immer noch cool und weißt einfach nicht mehr, was du daran ändern sollst, dann kannst du auch ruhig ein Gewissen sagen, so wird es jetzt gemacht.
Kai Behrmann
01:39:25
Mhm. Und war das so von Version zu Version, dass die Änderungen minimaler wurden oder gab es auch ziemlich weit hinten nochmal so den Moment, wo du radikal vieles über den Haufen geworfen hast und nochmal richtig umgestattet hast?
Andreas Jorns
01:39:42
Nein, das passiert nicht mehr. Also das war, die ganz radikalen Dinge waren tatsächlich so bei Version 5, 6, 7 dann auch weg. Und dann sind es Feinheiten. Also klar, der eine oder andere wird sagen, mein Gott, das war vielleicht hier und da auch mal kosmetisch. Für mich dann aber immer hat es das Bild immer etwas mehr abgerundet und besser gemacht. Also vor allen Dingen war es so, dass hinten raus, also selbst bei Version 10, 11, 12, ist immer nochmal ein Bild rausgefallen. Es wurde etwas, man sagt ja, also was ist der perfekte Zustand, ist, wenn du nichts mehr wegnehmen kannst. Darum geht es. Das ist natürlich höchst subjektiv, aber ich wollte diesmal wirklich jedwede Redundanz vermeiden. Also dieses Klassische, das ist gut, das ist auch gut und das ist eigentlich auch gut. Ja, aber eins reicht.
Kai Behrmann
01:40:42
Zack.
Andreas Jorns
01:40:43
Wann diese wahnsinnige Reduktion. Und für mich war interessant, Es sind ja nur in Anführungsstrichen 104 Bilder in diesem Bildband. Ich komme so von 160 bis 180, allerdings auch bei größerem Umfang. Und ich hatte gar nicht das Gefühl, also wenn du dann das erste Mal durchguckst, auch den fertigen Bildband, du hast nicht 0,0 das Gefühl, oh, der ist aber kurz, oh, das ist aber wenig, wieso kommt da nicht mehr, sondern Punkt. Während man meine letzten Bildbände, so ein Finally, das in einem durchzugucken, ist eher schon schwierig. Da brauchst du zwei, drei Anläufe. Es ist einfach zu viel. 288 Seiten ist dann schon, das ist schon gut zu tun. Und das ist halt, das wollte ich vermeiden, dass da irgendwann der Punkt kommt, boah, jetzt werde ich gerade müde, ich mache morgen weiter, sondern ich wollte, dass der Betrachter da richtig gefesselt bleibt und sagt so, hier geht es weiter.
Kai Behrmann
01:41:57
Die Bilder sind über einen längeren Zeitraum entstanden auf deinen Reisen, immer mal wieder zwischendurch, ohne dass du lange auch wusstest, wo die Reise dahin geht. Wann war für dich dieser Moment, wo für dich da der rote Faden erkennbar wurde, der dann dazu geführt hat, dass du diese Auswahl von den Bildern treffen konntest, die letztendlich auch in das Buch gekommen sind?
Andreas Jorns
01:42:23
Ich glaube, das war im Oktober nach meinem Berlin-Besuch. Also ich kann also ich kann tatsächlich wenn ich es jetzt noch genauer sagen würde, würde ich zu viel spoilern
Kai Behrmann
01:42:40
Das war meine Befürchtung, genau, ich taste mich so ein bisschen vor ja.
Andreas Jorns
01:42:45
Ja das ist verrückt ich weiß es eigentlich auf den Tag genau also es gibt ein Foto wo ich wusste Stimmt nicht ganz. Nicht beim Machen. Ich wusste, oh, das ist jetzt mir wichtig. Aber vor allen Dingen beim Betrachten dann hinterher. Und jetzt gucke ich mal, was habe ich denn sonst so gemacht? Und dann habe ich festgestellt, dass ich ganz tief im Unterbewussten eh schon ganz viel gemacht habe, was dem, was dieser Idee, was dieser Grundidee zuspielt. Und dann halt so klackt, das war ein toller Moment. Das war ein großartiger Moment, wo sich dieser Nebel so ein bisschen gelichtet hat und ich auf einmal wusste, das ist es. Und alles was, ich habe ja danach auch noch weiter fotografiert, da wusste ich dann ganz genau, was ich noch suche und was ich noch brauche, was ich noch will. Also nicht genau dieses Motiv, aber was ich an Stimmung und Emotionen noch erzeugen will und was mir möglicherweise hilft. Das war dann eine richtige Kür, weil das war so, es hat sich dann gut angefühlt. Ich bin dann noch einmal für einen Tag nach Paris gefahren Da habe ich gar nicht so viele Bilder gemacht, aber ich habe das Cover-Motiv dort entdeckt. Einst der wenigen Sachen, die ich nicht geplant habe, die sind dann genau da passiert.
Kai Behrmann
01:44:16
Ja, spannend, dieser Moment, wie sich das entwickelt hat, so um ein Schlüsselbild, was dann plötzlich aufgeploppt ist und dann dir so ein bisschen die Richtung auch gewiesen hat.
Andreas Jorns
01:44:30
Ja, genau.
Kai Behrmann
01:44:32
Ohne da inhaltlich jetzt zu viel vorwegzunehmen, aber vielleicht können wir mal über das Bild, was du gerade erwähnt hast, sprechen, was du in Paris gemacht hast, was dann letztendlich auch auf dem Cover gelandet ist. Magst du mal die Geschichte dahinter erzählen und vielleicht eingangs auch kurz beschreiben hier für die Podcast-Hörer, was darauf zu sehen ist?
Andreas Jorns
01:44:55
Also darauf zu sehen, also es wirkt erstmal abstrakt, wenn man dann guckt, denkt man, oh, das sieht so ein bisschen aus wie ein Herz, wo so, also weiß auf schwarzem Untergrund und da gehen so Fäden von runter, so, also mit ein bisschen Fantasie, ein Herz oben rechts und dann so weiße Fäden darunter. Das war ein Hochkantbild auf dem Cover. Fotografiert habe ich das im Querformat. Das war ein umgestürzter weißer Farbeimer auf einem schwarzen Trottoir, also auf einem dunklen Trottoir in Paris. Dieser Kontrast gefiel mir, diese weiße Lache fand ich irgendwie spannend ich habe das fotografiert tatsächlich auch nur einmal, bin weitergegangen und habe gar nicht wahrgenommen also erst als ich das Bild dann zu Hause betrachtet habe und dachte krass, wenn man das 90 Grad dreht, sieht das aus wie ein Herz und habe es dann noch durch starken Kontrast so abstrahiert diese graue Zwischentöne sind eigentlich relativ verloren gegangen. Es ist schwarz-weiß. Und das war ein schönes Symbolbild. Ohne jetzt, damit erzähle ich ja nicht zu viel. Für das, was... Weil das ist ja so immer das Ding. Das eine ist der Titel eines Buches, das andere ist das Cover-Motiv, unendlich wichtig. Es soll ja irgendwie ein bisschen neugierig machen, aber auch nicht zu viel erzählen und ach je, was nimmt man da? Und dann war es diesmal tatsächlich so, dass das sofort klar war, wow, das passt am aller allerbesten und das macht, da haben jetzt viele bestätigt, das Cover-Motive ist toll, wenn der Rest jetzt genauso ist, naja, schauen wir mal.
Kai Behrmann
01:47:00
Gut, da kann dir jeder mal einen Blick draufwerfen und versuchen zu erahnen, was dann folgt in dem Bildband. Der Titel im Jahr des Drachen, wie ist der entstanden?
Andreas Jorns
01:47:16
Im Jahr des Drachen, ich habe ja gesagt, dass ich letztes Jahr nach dem Buchrelease von Finally mit einer leeren Schublade angefangen habe und ganz bewusst wieder anders losgehen wollte, fotografieren und mein Ziel war es, kein Ziel zu haben. Und deswegen habe ich einen Titel gewählt, der neutral ist und eigentlich gar nicht viel erzählt. Das, was wir, was im letzten Jahr war, war das Jahr des Drachen, nämlich nach dem chinesischen Motkalender. Die haben ja ein etwas abweichendes Jahr. Und das hat Anfang Februar begonnen. So genau da, wo mein Buch released wurde. Und ging jetzt Ende Januar diesen Jahres zu Ende. Und dann dachte ich auch, das ist eine schöne Idee, sich selber einfach so zu challengen und zu sagen, das kommt alles da rein, das habe ich im Jahr des Drachen fotografiert und es sagt noch nichts aus, es ist schon gar nicht irgendwie deskriptiv die Bedeutung oder die Geschichte, die ich damit erzählen will. Aber das Ding, der Titel stand eigentlich von Anfang an fest. Ich habe das schon mal in einem anderen Interview erzählt. Meine Patentante, die war Hobby-Astrologin und ich selber bin da auch so ein bisschen geimpft und also wer Lust hat, kann auch gerne mal nachgoogeln, wofür das Jahr des Drachen gestanden hat. Auch das war eine Überlegung für diesen Bildband. Wie ich überhaupt sage, da ist nichts zufällig dran. Bisschen zur Farbe der Vorsatzseite, die ich gewählt habe dieses Mal. Ja, das sind so Überlegungen, die man dann macht und da hatte ich auch viel Spaß dran. Also auch und gerade das Symbolische, so ein bisschen die Dinge auch zu verstecken, nicht zu offensichtlich zu machen. Aber ich sage immer, wer Lust hat und sich für mehr interessiert, kann es ja nachgoogeln.
Kai Behrmann
01:49:12
Ja. Wie wichtig ist dir bei deinen Bildbänden oder bei deiner Fotografie, dass die Betrachter das dabei mitnehmen, was du oder deine Absicht dahinter klar erkennen können? Oder gehst du eher dran und sagst, ich fotografiere und gebe dem Betrachter viel Freiraum, seine eigene Interpretation mit reinzulegen, seine Fantasie anzuregen und wo es dann letztendlich hinführt, kann ich ja ohnehin nicht beeinflussen. Es ist ja, Fotografie ist sehr gut da drin, Dinge zu zeigen, aber nicht zu erklären.
Andreas Jorns
01:49:58
Ganz klar Letzteres. Du hast den Grund eigentlich auch schon erwähnt. Es war nicht immer so, aber von Jahr zu Jahr, je länger ich das mache, desto wichtiger finde ich, weil ich das an mir selber auch merke. Nichts langweilt mich mehr als Fotografien, Bild, wo alles erklärt ist. Also auch ich bin mir gerne den Vergleich gezogen zu Filmen oder Serien. Ich bin ein riesen Fan von offenem Ende, wo man selber vielleicht Dinge reininterpretieren kann. Fan von Filmen, die ich vielleicht nicht sofort verstehe. Deswegen war ich großer Fan von David Lynch. Ich finde, das ist die besondere Stärke der Fotografie. Der Kunst im Allgemeinen, dass man Raum gibt für Interpretation des Einzelnen. Das ist wichtiger als viele denken. Viele sagen, es gibt gute und schlechte Kunst, das ist Quatsch, sondern das ist ja immer höchst individuell, das ist höchst subjektiv und hat viel mit dem zu tun, was man selber an Vorlieben hat. Viel damit zu tun, was man selbst an der Erfahrung hat. Wenn ich jetzt von Symbolen zum Beispiel spreche, seit vielen Jahren arbeite ich gerne. Also Lucid Dreams ist vollgepackt mit Metaphern und Symbolen. Ich habe hier das Buch stehen im Regal, das große Buch der Symbole aus dem Taschenverlag. Das mag ich unheimlich gern und wenn man jetzt Über die Jahre sich ein bisschen Wissen angeeignet hat, dann weiß man, Also jeder weiß, wofür eine schwarze Katze steht, aber natürlich gibt es da auch ganz andere. Es gibt Zahlen, die stehen für etwas. Es gibt Tiere, die stehen für etwas und Farben und so weiter und so fort. Da kannst du ja nicht hingehen als Fotograf. Ich habe unheimlichen Spaß damit zu spielen, das einzubauen. Aber ich kann natürlich nicht erwarten, dass das jeder entschlüsselt. Das ist ja Wahnsinn. Mir ist nur selber wichtig, dass ich das sehe. Ich freue mich dann immer diebisch, wenn ich mir selber dann die Bilder angucke. Ich freue mich wirklich wie ein Schnitzel, wenn ich dann mal eine Zuschrift bekomme oder einen Kommentar, vielleicht auch beim Artist Talk, bei einer Ausstellung oder beim Vortrag. Und der sagt, ich habe da das und das rein interpretiert. Du meinst das und das. Und der trifft jetzt vielleicht genau das Schwarze. Finde ich natürlich total super. Wenn er etwas ganz anderes darin sieht, finde ich das aber auch gut. Also manchmal sehen Menschen Sachen darin, die hätte ich gar nicht auf dem Schirm. Das ist der Grund, warum ich nicht gerne, warum ich möglichst vermeide, die Bilder zu erklären. Weil dann ist der Zauber weg. Ich habe letztes Jahr auf dem Vortrag, du warst ja auch dabei, da habe ich mal zu ein paar meiner Bilder aus dem Archiv etwas erzählt. Einfach weil, um zu zeigen, was habe ich mir dabei gedacht, wie war die Geschichte, pipapo. Aber das sollte man nicht immer machen, sondern man sollte das für sich stehen lassen. Also um dann Fragen zu beantworten, das ist mir nicht wichtig, dass jeder so versteht. Was hast du eben gesagt? Kein eh nichts dafür. Also ich kann es nicht ändern. Ich gehe dann aber auch nicht hin und sage, ja, aber hast du das nicht gesehen? Das und das und das.
Kai Behrmann
01:53:33
Nee. Nee, finde ich, bin ich auch deiner Meinung. Also wir machen unsere Fotografien, denken uns unseren Teil dabei, aber dann werden sie in die Welt rausgesendet und dann zieht sich dann unserer, Einflussnahme, was die Menschen dann daraus machen.
Andreas Jorns
01:53:51
Das hast du auch schön gesagt. Da gibt es ja dieses Zitat von dem japanischen Street-Fotografen, dessen Namen ich jetzt vergessen habe. Der hat ja das mal ähnlich formuliert. Und übrigens auch als Plädoyer dafür, nicht immer alles sofort rauszublasen. Die Bilder, die wir machen, sind ja erstmal unsere Babys. Die gehören uns. Das ist ja unsere Schätze. In dem Moment, wo du es veröffentlichst, hast du auch die Deutungshoheit verloren. Das ist vorbei. Dann gehören sie den anderen mit Fug und Recht und können geliebt, aber auch abgestoßen werden und das liegt dann nicht mehr in unserer Macht.
Kai Behrmann
01:54:33
Ja. Du hast sie jetzt rausgeschickt, diese Bilder in diesem Bildband, gehst damit jetzt demnächst auf Tour, bist wieder viel unterwegs in diesem Jahr. Wohin führt dich deine Tour diesmal und auf was freust du dich ganz besonders und auf was dürfen all die Menschen sich freuen, die bei diesen Veranstaltungen dabei sein werden?
Andreas Jorns
01:54:59
Ich freue mich auf alle Tourstationen. Ich freue mich wieder, Neugierigen Menschen gegenüber zu sitzen und ein bisschen was zu erzählen über meine Fotografie. Die Tour wird nicht so umfangreich wie letztes Jahr, weil das war einfach ein bisschen viel. Letztes Jahr hatte ich glaube ich 33 Stationen und das war dann auch, also ich habe versucht, das diesmal ein bisschen zu konzentrieren, mich auf Wochenendtermine zu konzentrieren, sodass möglichst auch nur einen Termin pro Großraumregion, sodass die Menschen dann also auch mal von weiter her anreisen können, das so terminiert. Und habe jetzt so ein bisschen Termine dort, wo ich vielleicht letztes Jahr nicht war, aber auch Österreich und Schweiz ist dabei. Also ich fange jetzt am Samstag an in Düsseldorf, Heimspiel bei Leica hier in der Leica-Galerie. Und dann bin ich im März, geht es dann weiter mit Berlin, was toll ist, weil Berlin war ich lange nicht und bin dann in meiner alten Heimat. Da freue ich mich auch besonders drauf. Ich komme aus Hameln und es gibt tatsächlich jemanden mit dem Matthias Nordmayr, der dann Fotostudio hat, der gesagt hat, ich will dich hierher haben und wir machen das hier. Also es ist immer ganz, ich bin mal in Galerien, mal im Kino ist wieder dabei, weiß ich schon, ich bin in, ich bin also in erwartbaren Städten wie in Wien, in Basel, freue ich mich endlich mal wieder in der Schweiz zu sein, während der Art Basel. Ich habe den Südwesten mit Villingen-Schwenningen abgedeckt. Die Großraum München bin ich am Ammersee in Inningen. Und der Osten ist diesmal nicht, da muss Berlin reichen, weil den hatte ich letztes Jahr sehr, sehr stark bereist. Ich habe Ostwestfalen einmal. Ich habe aber auch so unverrückte Orte wie Bönebüttel. Das kennt keiner, das ist Schleswig-Holstein im Kreis Plön. Insofern kannst du dir vorstellen, es ist so ein bisschen verteilt, überall bin ich dann mal, es sind 12 oder 13 Termine und habe jetzt gerade erst so ein bisschen die Notbremse getreten, weil eigentlich wollte ich dann so im Sommer ein bisschen Urlaub machen und dann im Herbst wieder weitermachen, das habe ich jetzt gekippt, weil es zu viel wird, weil es mir auch zu viel wird und zu stressig wird und deswegen wird es eine zweite kleine Auszeit geben. Wir werden nochmal Norwegen und Schweden ein bisschen bereisen. Weil ich will ja auch ganz viel fotografieren wieder dieses Jahr und Zeit haben fürs Fotografieren.
Kai Behrmann
01:57:43
Ja, das darf man nicht...
Andreas Jorns
01:57:45
Nein, nein, Entschuldige, um den Schluss so zu beantworten, was erwartet die Leute? Ich, anderthalb Stunden Vortrag, wo ich über die Entstehungsgeschichte erzähle, die Bilder zeige, mit Musik unterlegt und ja, für Fragen und Antworten zur Verfügung stehe.
Kai Behrmann
01:58:04
Klingt, ja, nach einer tollen Veranstaltung, einer tolle Tournee, die du da geplant hast und diese, was du auch immer wieder machst, diese Auszeiten zu nehmen. Ich glaube, das kann man nochmal betonen, wie wichtig das ist, auch sich manchmal, der Langeweile hinzugeben, weil gerade in diesen Momenten, wo man nicht aktiv damit beschäftigt ist, irgendwas erzwingen zu wollen, kommen einem die besten Ideen, wenn einfach mal alles so sacken kann.
Andreas Jorns
01:58:34
Ja. Richtig.
Kai Behrmann
01:58:37
Andreas, letzte Frage. Du hast dir in der letzten Zeit, in den letzten Monaten sehr, sehr viele Fragen gestellt, was deine eigene Fotografie angeht. Welche Fragen sind aktuell die, mit denen du dich am meisten beschäftigst? Gibt es da was oder hast du für dich erst mal das Gefühl, jetzt an so einem Punkt zu sein, wo du Klarheit herrscht und du erst mal dir gar nicht so grundsätzliche Fragen mehr stellen musst?
Andreas Jorns
01:59:10
Also ich für mich persönlich bin gerade an einem Punkt, der mich sehr glücklich und zufrieden macht, weil ich schon das Gefühl habe, ohne jetzt das nächste große Ding schon konkret benennen zu können, aber das Gefühl habe, dass ich schon weiß, wo mich die Entwicklung hinführt und wie ich das auch gerne weiterführen würde. Insgesamt würde ich sagen, was die Fotografie angeht ist es wichtig Flagge zu zeigen also die Fotografie ist als Kunstform mal wieder gefährdet durch ohne jetzt KI als den großen Antichristen darzustellen, das tue ich überhaupt nicht das ist eigentlich oder es kann eine wunderbare Geschichte sein und sehr hilfreich sein. Aber wir Wenn wir schon wissen, dass ganze Berufszweige wegfallen werden durch die KI, also wir erleben, dass Stockfotografie ist, Todwerbefotografie ist massiv unter Beschuss und viele andere Genres auch, umso wichtiger ist es, dass wir den Bereich der künstlerischen Fotografie stärken. Weil eigentlich anerkanntermaßen das das Einzige ist, was bleiben kann. Und das gilt es aber zu bewahren, indem man es nicht einfach verfeuert in den sozialen Medien, sondern sich bewusst macht, dass Fotografie etwas Großartiges ist und eben auch eine Wertigkeit hat. Und diese Wertigkeit, dass man diese Wertigkeit auch dadurch zeigt, dass man Bilder druckt. Das muss nicht immer für Coram Publico sein, aber man kann das ja auch für sich tun, wenn man seine Lieblingsbilder ausdruckt, an die Wand hängt oder ein Jahrbuch für sich selber macht und, und, und. Dass man einfach sagt, nee, das macht den Wert der Fotografie eigentlich aus. Das sind Dinge, die mich bewegen, die mich auch in der Verbandsarbeit, also ich bin ja Mitglied im DGPH, bestärken, wo ich mich immer versuche für stark zu machen, stark zu machen für Machtausstellungen, Machtbildbände. Fotografiert auch das tägliche Leben, fotografiert euer Umfeld. Seid vielleicht mal wieder ein bisschen mehr Chronist, als ihr das früher wart und empfindet es als nicht zu peinlich, auf der Silberhochzeit eurer Tante Fotos zu machen, zum Beispiel. Denn da haben ja auch so manche Ausstellungen ein bisschen die Augen geöffnet, wie jetzt Evelyn Richter oder Sabine Weiß, die 40, 50 Jahre lang fotografiert haben, ein unglaubliches Archiv haben. Was haben sie fotografiert? Trivialitäten, wenn man so will. Ihr tägliches Leben, ihr Umfeld. Und du stehst 50 Jahre später, stehst du in der Ausstellung und bist auf einmal zeitzeuge von von dingen wie das leben vor 50 jahren war vor 60 jahren war und wer sagt denn dass es nicht in 50 60 jahren menschen gibt die das in gleichermaßen interessiert und die sich daneben unsere bilder anschauen und dafür müssen sie halt machen und wir müssen sie nicht mit dem smartphone machen wo sie dann weg sind wenn das smartphone offen auf dem müll liegt
Kai Behrmann
02:02:42
Ja, das ist der Punkt. Also wir müssen die Bilder machen, weil nur dann haben wir sie später irgendwann. Und gerade in dieser Rückschau, wenn man über so einen langen Zeitraum sein Leben dokumentiert hat, seinen Alltag, dann kommt da ein Fundus zusammen, der Einblicke gibt, die sonst einfach verloren gehen würden. Genau. Ja Andreas, du schaffst es immer wieder, die Fotografie rauszutragen auch erlebbar zu machen das jetzt in gedruckter Form ist mit deinem Magazin Einblick, was du gratis versendest gegen den frankierten Rückumschlag, auch ein ganz tolles Projekt, sich da so ein bisschen von der Social Media Logik unserer Zeit zu lösen, auch diese Tour das ist ja ein unheimlicher Aufwand den du da betreibst, immer wieder loszufahren, ja aufzuholen Orte zu organisieren, Locations, dann die Leute da hinzubringen. Und ja, aber hast es wirklich geschafft, dir darüber auch außerhalb des Netzes eine tolle Community aufzubauen. Da wünsche ich dir viel, viel Erfolg mit dieser Tournee. Auch allen viel Spaß, die da vorbeischauen werden. Das wird bestimmt eine tolle Sache. Und ja, dein Bildband, der aktuelle im Jahr des Drachen, 300 Stück, glaube ich, so ist die Auflage. Die verlinke ich natürlich dann auch in den Shownotes auf deiner Webseite aoyorns.com, kann man dann auch die Termine sich dann anschauen, wo du überall sein wirst und ja, hat mir viel Freude gemacht, Andreas, mit dir hier zu sprechen, wir sind gut über zwei Stunden, sehe ich ja gerade, also allen, die bis hierhin durchgehalten haben, auch vielen Dank, aber ja, ich denke, das war wirklich ein Gespräch, in dem viel drinsteckt, ganz ganz vielen dank für deine zeit andreas ganz.
Andreas Jorns
02:04:34
Herzlichen dank an dich vielen dank
Kai Behrmann
02:04:36
Tschüss.
Music
02:04:39
Music