Abenteuer Reportagefotografie – Podcast über visuelles Storytelling

Kai Behrmann: Visueller Storyteller und Fotograf

Fotojournalist zwischen zwei Welten: Fritz Schumann auf den Spuren des unbekannten Japan

Schumann reist seit 2009 regelmäßig nach Japan: In seinem neuen Buch erzählt er ungewöhnliche Geschichten, reflektiert über Identität und Tradition sowie Modernität und ermutigt Zuhörer, die verborgenen Orte Japans zu erkunden.

11.05.2025 108 min

Zusammenfassung & Show Notes

Fritz Schumann ist einer, der hinschaut. Und zwar dorthin, wo andere achtlos vorbeigehen. In seinem neuen Buch „Japan, wer bist du?“* taucht der Fotojournalist tief ein in ein Land voller Kontraste – zwischen Tradition und Gegenwart, Einsamkeit und Gemeinschaft, Sichtbarem und Verborgenem.

Dabei geht es ihm nicht um touristische Hotspots oder klischeebehaftete Kirschblüten-Folklore. Schumann erzählt Geschichten aus einem Japan, das viele so nicht kennen – in 15 Kapiteln, 15 Orten und noch mehr Facetten.

Weitere Informationen, Bilder und Links:
https://www.abenteuer-reportagefotografie.de/podcast/japan-wer-bist-du


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Transkript

Fritz Schumann
00:00:01
2018 ist ja auch ein zweites Jahr, weil ich dann das erste Mal so für mich nachgedacht habe und gemerkt habe, ey, okay, du bist Journalist, der auf Japan spezialisiert ist. Das hatte ich vorher so für mich gar nicht gesagt, weil ich halt auch in anderen Ländern unterwegs war oder auch in Deutschland Geschichten gemacht habe. Aber das, was ich eigentlich am besten kann und am liebsten mache, ist halt Japan.
Music
00:00:21
Kai Behrmann
00:00:30
Hallo Fritz, herzlich willkommen zurück im Abenteuer Reportage Fotografie Podcast.
Fritz Schumann
00:00:36
Hallo, danke, dass ich wieder hier sein darf.
Kai Behrmann
00:00:39
Ja, damals beim ersten Interview, da hieß der Podcast noch Gate 7. Ich musste eben nochmal nachschauen, wann du hier zu Gast warst. Das war die Folge 91, also schon eine ganze Weile her. Im Moment sind wir so bei Folge 417, glaube ich.
Fritz Schumann
00:00:56
Das ist ordentlich. Das muss so 2018 vielleicht gewesen sein. Das war zu den Bergmönchen, ne?
Kai Behrmann
00:01:02
Genau, die Bergmönche von Yamabushi. Darüber haben wir gesprochen. Wie viele Japanreisen sind in der Folgezeit noch bei dir hinzugekommen?
Fritz Schumann
00:01:14
Also seitdem, das ist gar nicht mal so einfach, weil da war ja Corona dazwischen. Also ich war 2000, weißt du noch den Monat, wenn wir gesprochen hatten?
Kai Behrmann
00:01:27
Ah ne, so aus der Hüfte weiß ich es nicht mehr.
Fritz Schumann
00:01:31
Also 2018 war interessant, weil ich dann nämlich ein Stipendium gekriegt habe für die Recherche, und dann war ich im Spätsommer 2018 nochmal einen Monat in Japan und habe eine größere Recherche gemacht, da ich eigentlich immer noch sitze. Und daraus ist dann auch ein Film entstanden und es ist auch ein Kapitel, ein Buch, geht um japanische Giftgas-Produktion auf der Insel Okunoshima, auch bekannt als Japans Haseninsel oder Insel der Kaninchen. Und der Film ist dann 2019 fertig geworden und dann bin ich 2019 nochmal nach Japan, hab den Film. War die Weltpremiere beim Hiroshima International Film Festival und dann war Corona und dann war Japan halt dicht, also wirklich dicht, dicht. Die waren bis Oktober 2022, haben die keine Ausländer reingelassen. Also es gab so Lockerungen 2022, dass so Stierende rein durften, aber bis dahin durfte gar keiner rein. Menschen in Japan durften frei raus und rein reisen. Also die konnten Tourismus machen, aber Japan an sich war dicht. Und das war natürlich auch ein bisschen doof, weil ich 2018 hatte ich halt das Konzept für das Buch entwickelt, was jetzt erschienen ist. Und auch Vertrag unterschrieben und so. Und dann war halt auch die Idee, dass ich so 2019, 20 die Recherchen mache in Japan. Und das war dann erst mal auf Eis gelegt. Wir wussten ja alle nicht, wie lange das dauert. Und Japan war tatsächlich das letzte Land auf der Welt, was dann halt die Restriktionen gelockert hat. Und ich hatte aber die Chance, 2022 mit einem Filmteam vom ZDF nach Japan zu reisen, bevor das Land offiziell geöffnet wurde. Wir haben dann, ich weiß nicht mehr genau, wie wir es gemacht haben, ich glaube, es war so ein Business Visum. Das ging dann wieder. War natürlich sehr streng und du musstest irgendwie Corona-Tests vorweisen. Auch diesen teuren PCR-Test hieß der, glaube ich. Also kein schreiender Schnelltest. Und dann sind wir im August 2022 nach Japan. Ich habe die dann zwei Wochen lang begleitet und dann habe ich meine eigene Recherche gemacht. 2022 war ich dann zwei Monate in Japan, habe dann eigentlich die restlichen Recherchen gemacht für das Buch. Und dann war 2023, war ich nicht in Japan, da habe ich jetzt quasi nur geschrieben für das Buch. Und letztes Jahr war ich dann nochmal für einen Monat, aber wie viel war das? Sechs Wochen? Sechs Wochen, ich war sechs Wochen in Tokio letztes Jahr, weil ich einfach wieder Lust hatte. Und 2022 bin ich halt super viel gereist, also weil ich habe dann durchgerechnet, so jeden vierten Tag ungefähr, habe ich den Ort gewechselt, weil ich jetzt sehr viel recherchiert habe und sehr viel gereist bin. Es war schon cool, es war auch echt anstrengend, weil irgendwie alle vier Tage komplett alles packen. Also eine Kamerabrüstung, die Klamotten und was ist Wäsche, was ist nicht Wäsche. Und wo musst du jetzt hin, wo ist das Hotel, Airbnb und es war schon cool, es war auch echt nervig. Deswegen war letztes Jahr mein Wunsch, okay das ist eine feste Base, da packst du deinen Koffer hin und dann von dort reist es halt irgendwo hin, wenn du Bock hast. Dann hätte man dann eine Wohnung gemietet in Tokio und zwar nicht mit Airbnb, sondern mit einem japanischen Service, weil die auch ein bisschen günstiger waren. Also die waren halt sehr, sag mal, nervös, das anderen Ausländern zu vermieten, also das ist komplett auf Japanisch, Schuftverkehr und so. Aber die gingen dann irgendwie durch und das war eigentlich ziemlich cool, meine eigene kleine Wohnung zu haben. Und ich hatte kein Rückflugticket gebucht letztes Jahr, weil ich ursprünglich von Japan weiter nach China wollte für ein Projekt und das China-Projekt hat aber nicht geklappt. Dann habe ich mir gedacht, okay, dann bleibe ich halt noch länger in Japan und habe dann noch zwei Wochen bei Freunden übernachtet und bin dann wieder nach Berlin zurück. Genau, dieses Jahr war ich noch nicht. Es ist momentan noch keine konkrete Reise geplant, aber vor Corona war ich einmal im Jahr mindestens in Japan und das würde ich eigentlich gerne weiter wieder fortsetzen, sofern es möglich ist.
Kai Behrmann
00:05:53
Das geht ja schon eine ganze Weile zurück. Ich glaube 2009 warst du das erste Mal in Japan und du hast es gerade erwähnt, jetzt zuletzt eben auch mit einem besonderer Fokus auf dein Buch, das im Reise de Passion Verlag erschienen ist. Japan, wer bist du? Verborgene Orte und unerzählte Geschichten. Und ja, auch im Vorgespräch eben hast du schon mal so ein bisschen Einblick gegeben, wie intensiv du dich in dieses Projekt reingestürzt hast. Also es sind nicht Geschichten, die du auf deinen vorherigen Reisen gesammelt hast und jetzt zusammengeführt hast, sondern du bist speziell für dieses Buch auch nochmal extra hingereist und hast neu recherchiert, neue Geschichten gesucht. Darüber sprechen wir gleich. Bevor wir da rein starten, Fritz, lass uns erst nochmal drauf schauen, was dich ursprünglich eigentlich so an Japan fasziniert hat, wie du dazu gekommen bist, einen Großteil deines Berufslebens und auch privates Interesse, denke ich mal, mittlerweile auch auf dieses Land zu fokussieren. Wie hat das Ganze begonnen?
Fritz Schumann
00:07:04
Es ist eine Frage, die ich häufig kriege und du müsstest meinen, ich habe inzwischen eine geschliffene, eloquente Antwort darauf, aber irgendwie habe ich sie nicht. Deswegen erlaubt mir so ein bisschen zu, ein bisschen auszuholen. Also ich bin natürlich als Kind, als Kind der 90er aufgewachsen mit japanischen Zeichentrickserien, Anime, auch japanischen Videospielen. Und so als ich ein Jugendlicher wurde oder auch früher schon, ich habe halt gemerkt, so die Sachen, die ich mag, so popkulturelle Sachen, Games, die kommen alle aus einem Land. Das fand ich irgendwie sehr faszinierend. Und dann so als Jugendlicher habe ich auch angefangen, mich mehr mit der Kultur und vor allem auch der Geschichte zu beschäftigen. Und fand das irgendwie sehr faszinierend. Und hat halt sehr früh irgendwie unschreibt, okay, du gehst irgendwann mal nach Japan, so nach der Schule. Und dann musste ich halt erstmal Zivil machen. Was nicht verkehrt war, weil ich noch ein bisschen Geld verdient habe und dann mit dem Geld dann damit nach Japan gegangen bin. Und meine Idee war halt, okay, das Japan ist halt weit weg. Wenn du da hinfliegst, dann willst du da auch länger bleiben. Wenn du länger bleiben willst, dann brauchst du ein Visum oder so. Man hat mir dann ein Working-Holiday-Visum besorgt. Es gibt einige Länder, die das anbieten, dass bis du, ich glaube, 30 bist. Das ist so ein begrenztes Arbeitsvisum, beziehungsweise Arbeits- und Reisevisum, dass man halt im Jahr in einem Land bleiben kann und halt so Jobs machen kann. Und das hatte ich dann für Japan mir besorgt. Und ursprünglich habe ich mir planiert, das ganze Land zu bereisen. Und bin dann aber, was ich ergeben hatte, in Tokio geblieben. Die meiste Zeit natürlich von dort auch woanders hingehen. Und das war ziemlich cool, weil ich war so 20 ungefähr und hatte halt die Möglichkeit, als Fotograf zum Beispiel zu arbeiten, was ich so in Berlin nicht hatte. Also ich habe halt für eine Tageszeit manchmal fotografiert, also hobbymäßig. Und weil in Deutschland, da erzählt halt er so, wo hast du Ausbildung gemacht, wo hast du studiert, bevor du die Chance hast, irgendwie dich zu beweisen. Und das war in Japan nicht so. Also da konnte ich einfach relativ schnell fotografisch arbeiten. Also nicht nur für Kunden dort, sondern halt auch für Medien in Deutschland. Weil das damals schon so war, dass viele Auslandskorrespondenten die Stellen wurden gekürzt. Aber es gab halt noch eine Nachfrage nach Japan-Themen. Und da bin ich so reingerutscht. Dass ich halt ein paar Sachen anbieten konnte. Und dachte ich, Mensch, das ist ja spannend. Also ich kann hier Themen machen, die mich begeistern. Und ich werde sogar dafür bezahlt. Das ist ja toll. Und das hat mich ziemlich angefixt, also natürlich nicht nur einfach, ich hatte auch eine Zeitlang als Kellner gearbeitet in einer japanischen Kneipe. Aber das Gegeneinander war es dann richtig gut, dass ich auch größere Recherchen machen konnte. Und bin dann zurückgekommen nach Deutschland, nachdem das Wiesum abgelaufen war und hatte ich eigentlich nur ein Ziel, wieder zurückgehen nach Japan. Also ich habe mir zwei Optionen gegeben, also entweder machst du es halt, was in Deutschland gewünscht ist, du studierst oder ich gehe jetzt dauerhaft zurück nach Japan und es gab nur eine Uni, die mich interessiert hat, das war die Hochschule Hannover, in dem Stündingang auf Fotojournalismus und Dokumentarfotografie. Und ich habe gesagt, okay, entweder nehmen die mich oder ich gehe nach Japan. Hatte mich beworben und war dann tatsächlich in Japan im August 2011, als die Zusage kam für Hannover, dachte ich, okay, dann gehst du wohl nach Hannover. Also ich war nur kurzzeitig in Japan, um Freunde zu besuchen, Recherche. Das große Erdbeben in Nordjapan und das Umblick von Fukushima war da gerade ein halbes Jahr vorbei. Und dann habe ich das Studium angefangen, aber trotzdem im Studium auch, wenn die das haben, ist einmal nach Japan geflogen und hatte halt die Möglichkeit, mit dem Stipendium nochmal zwei Semester in Hiroshima zu verbringen, weil Hiroshima ist die Partnerstadt von Hannover und habe in der Zeit natürlich auch Recherchen gemacht. Und dann war ich so ein bisschen durch, weil ich dachte, andere Länder haben auch schöne Orte und ich war immer nur so auf Japan fixiert. Hatte dann aber ein paar Einladungen bekommen, also wo ich für die Reisen nicht bezahlen musste. Da dachte ich, ja, warum nicht? Dann fliegst du halt nach Japan. Und das war irgendwie voll eine schöne Zeit, weil ich dann das erste Mal in Japan war, wo ich ein bisschen mehr Geld hatte. Also auch einfach, wo ich nicht wie, weiß ich, ein 20-Jähriger jeden Euro umdrehen musste. Und ich sprach die Sprache. Und dann habe ich gemerkt, Japan macht sehr viel mehr Spaß, als wenn man Japanisch kann. Und ich hatte auch immer so ganz Zugang zu ganz anderen Menschen und Orten und Erfahrungen und es hat mich wieder so ein bisschen angefixt, dass ich irgendwie dann doch wieder Blut geleckt habe, dass ich irgendwie dachte, ey, hier gibt es noch so viel zu entdecken in diesem Land und ich kann das jetzt, und ja, habe dann irgendwie diverse Recherchen gemacht. Dann die Uni abgeschlossen, genau, und da sind wir auch dann wieder bei 2018, die Bergmännische so morrend bis nach Corona. Und 2018 ist dann auch ein zweites Jahr, weil ich dann das erste Mal so für mich nachgedacht habe und gemerkt habe, ey, okay, du bist Journalist, der auf Japan spezialisiert ist. Das hatte ich vorher so für mich gar nicht gesagt, weil ich halt auch in anderen Ländern unterwegs war oder auch in Deutschland Geschichten gemacht habe. Aber das, was ich eigentlich am besten kann und am liebsten mache, ist halt Japan. Und das sage ich jetzt einfach mal so. Ich sage jetzt, ich bin Journalist, fokussiert auf das Land Japan. Das ist eigentlich völlig Banane, das ich vorher nicht so formuliert habe, aber ich habe da erst angefangen, das auf meinen Social-Media-Profilen und so weiter, mich so zu titulieren. Und dann kam mal dazu, dass mit 2019 hätte ich quasi Zehnjähriges. Also das ist Gott richtig gesagt, in 2009 habe ich angefangen und ich habe mir gedacht, okay, ich habe so viele Geschichten gesammelt in diesen zehn Jahren, das wäre doch mal schön, die zu sammeln als Buch. Und so ist halt die Idee für dieses Buch jetzt entstanden. Und dann hat das dann einem Verlag gepitcht, bei dem ich vorher schon ein Buch gemacht hatte. Die meinten, ja, das ist kein schlechtes Konzept, aber es passt nicht so zu denen. Und dann habe ich mit Reiseperschen gesprochen, weil ich den Verleger kannte. Und die fanden das cool, die meinten auch, ja, Fritz, du hast ja schon Bücher gemacht, das kriegst du auch schon hin. Und die meinten dann aber, ja, wir können dich nur alte Kanälen irgendwie aufwärmen fürs Buch, da müssen schon neue Geschichten fürs Buch entstehen. Aber so ein paar Geschichten, die ich schon hatte und so Ideen, sind wir durchgegangen. Und da war so das Konzept, also quasi das Oberthema war nicht Fritz, zehn Jahre in Japan, weil wer soll das kaufen oder wer soll sich dafür interessieren? Sondern mehr so altes und neues Japan. Und also was gibt es so für neue Entwicklungen in dem Land, neue Bestrebungen? Also nicht nur irgendwie alte Tempel und Schreine, sondern auch was passiert in dem Land? Wie verändert sich das Land? Und dann hatte ich, glaube ich, 16 Orte gepitcht. Und die Hälfte war, da war ich schon, und die Hälfte war, da war ich noch nicht. Und von denen sind eigentlich auch fast alle drin im Buch. Ich habe eigentlich nur zwei Sachen ausgetauscht. Und eins haben wir dann rausgenommen, weil es nicht mehr reinpasste vom Platz. Also 15 Kapitel, 15 Orte. Was auch passend ist zu 15 Jahren, die ich jetzt mich in Japan beschäftige. Und der Verlag war super cool und geduldig. Also die machen mehrmals ein Jahr so Autorentreffs von ihren Autoren, die sie im Verlag haben als Portfolio. Und der war jahrelang auch immer, die haben mich immer wieder eingeladen. Und ich habe kein einziges Buch gehabt bei denen. Das war mir so ein bisschen peinlich. Ich erzähle, ja, das wird schon mal ein Autor, aber ich habe doch kein Buch da. Und jetzt tatsächlich im März hatten sie wieder Autorentreff und das war das allererste Mal, wo ich das Buch auch draußen hatte. Und da war ich auch super stolz. Ich sage, ja, jetzt bin ich wirklich einer von euch. Ich habe hier ein Buch gemacht. Und die haben auch intern, wenn man den Vertrag hat 2018 so unterzeichnet, das Buch hat eine interne Nummer. Ich glaube 15 oder so. Was das 15. Buch war von dem Verlag. Inzwischen haben die sehr viel mehr als das und wir haben jetzt auch im ende des monats mai macht, book launch party und wir scherzen so ein bisschen weil der book launch war ja schon im september letzten jahre seit september letzten jahres erschienen und der verspätet das buch kriegt auch einen verspäteten book launch deswegen machen wir das jetzt im mai ein halbes jahr später was irgendwie auch ganz schön ist, weil man so ein bisschen sehen kann, wie es angenommen wurde und wie die Rezensionen sind und wie es sich entwickelt hat. Und es war auch ein langer Prozess, weil die die große Recherche war 2022, weil vorher konnte ich halt wegen Corona nicht rein. Da habe ich wirklich die meisten Orte besucht. 2023 war dann Schreiben und da habe ich wirklich jeden Tag geschrieben, auch wenn es irgendwie nur eine halbe Stunde war. 2024 war er dann halt Lektorat, was auch noch mal länger gedauert hat, als ich dachte. Aber super sinnvoll war, weil ich halt gewisses, also beziehungsweise der Lektor, der war schon mal in Japan, das war ganz gut, aber ist kein Experte. Und bei gewissen Begriffen meinte er, das muss man erklären. Fouton zum Beispiel. Hätte ich gedacht, man weiß, was ein Fouton ist, also so eine Ausrollmatratze, aber er sagte, nee, das muss man ausführen. Und es war halt ganz wertvoll, da irgendwie das nur so ein bisschen so gegenlesen zu lassen und nochmal so Perspektive von dem Publikum einzunehmen. Genau, das ging dann halt bis ich glaube Mai oder so, Mai, Juni. Dann haben wir auch lange über den Titel nachgedacht. Also wir hatten lange, gar keinen Titel, das war ich habe es intern immer gesagt, so Japan-Buch, Fritzes Japan-Buch oder so oder das Japan-Buch. Was ich SEO-mäßig auch nicht doof fand, so das Japan-Buch, weil das gab es, glaube ich, zu den Zeiten noch nicht. Und ich meine, das muss ja irgendwas auslösen, muss irgendwie inspirieren. Und wir sind da bei Japan, wer bist du gelandet, das trifft es auch ganz gut. Und es passt auch ganz gut zu einem anderen Buch, was sie gemacht haben, China, wer bist du. Wir hatten inzwischen auch mal überlegt, das auch so zu nennen, weil das China, wer bist du, das trifft es auch ganz gut. Dann hatten wir einen Titel Cover haben wir auch lange überlegt, welche Fotos machen wir, da war ich, habe ich letztes Jahr als ich in Japan war nochmal Cover-Motive fotografiert. Was ich irgendwie für sinnvoll hielt, am Ende haben wir keins davon genommen.
Kai Behrmann
00:17:46
Wie seid ihr dann zu dem Cover gekommen, was jetzt auf dem Buch ist?
Fritz Schumann
00:17:50
Das hat der der Verleger, also der ist ein kleiner Indie-Verlag und das, die zwei Hauptverleger und der eine ist halt Designer und der hat das gestaltet und, das ist auch kurios, weil er guckt das schon sehr mit einer. Publikumsperspektive drauf, also das Problem war einfach, ich hatte kein Foto, was so Standard-Klischees für Japan abdeckt, weil ich sowas nicht fotografiere und er meint, man muss ein bisschen damit arbeiten, man muss ein bisschen mit Erwartungshaltung, man muss die Leute abholen. Man muss dann halt schon ein bisschen mit gewissen Symbolen auch kommunizieren, hey, hier geht es um Japan. Dass das Buch selber eher so ein bisschen um die Ecke gedacht ist und eben auch Japan absatz der klassischen Wege zeigt, das ist klar. Aber man muss so für den Türöffner, braucht es halt so ein Cover. Und ich habe mit vielen Leuten gesprochen, also gerade die, die Japan nicht so kundig sind, die meinten, ja das stimmt, das holt ihr ganz gut ab und ich merke auch, dass das ganz gut auffällt. Also ich war in ein, zwei Läden schon, da habe ich das Buch halt gesehen, neben anderen Japanbüchern. Und hast du vielleicht auch schon mal gesehen, ganz viele Japan-Bücher haben halt Kyoto oder diese eine Straße in Kyoto und Gion. Also wenn ich dir jetzt ein Foto zeigen würde, so wirst du das garantiert erkennen. Und das ist halt super klassisch Klischee Japan und das stimmt auch und es ist halt schön aus Japan, aber es ist halt auch generisch. Und das ist wirklich dann auch schwierig, dann halt dieses eine Buch zu erkennen zwischen all den anderen. Und ich finde, da haben wir ganz gut einen Weg gefunden mit der Farbigkeit, mit den Symbolen. Was mir richtig gut gefällt, sind die Stromleitungen. Weil es eigentlich unschön ist. Aber wenn man mal in Japan war, hat man das gesehen, diese Stromleitungen, obererischen Stromleitungen, die sind halt überall. Das ist so, das kommuniziert schon viel, finde ich. So sieht Japan wirklich aus, obwohl es halt relativ versteckt ist auf dem Cover. Also ja, ich kann damit ganz gut leben, auch wenn es nicht mein Foto ist. Dafür gibt es in dem Buch ganz, ganz viele Fotos von mir.
Kai Behrmann
00:19:52
Genau, da wirst du gut vertreten. Und ja, lass uns mal das Cover ein bisschen beschreiben, was drauf zu sehen ist. Also auch mich hat das sofort abgeholt. Das ist Japan. Es steckt viel Symbolik drin, dass es auf den ersten Blick eben erkennbar ist. Ja, magst du mal beschreiben, wie das Cover gestaltet ist letztendlich?
Fritz Schumann
00:20:12
Auf den Covers zu sehen. Also drei, vier relativ große Symbole, aber auch alle nicht so sehr plakativ. Es ist eine Frau mit im, also sie sind im, wie sagt man, im Relief, im Schatten. Also sie sind jetzt nicht klar zu erkennen. Das ist mehr so wie so ein Symbolcharakter einfach. Also eine Frau, vermeintlich ein Kimono. Dann ein Lampion. Oder Laterne. So eine klassische Laterne, wie man sie in Restaurants findet, dann eine Pagode und ein großer roter Kreis, der in der Sonne sein könnte und halt eben diese Elektroleitung. Und aber keins ist so wirklich ausgesprochen, also keines der Objekte ist komplett zu erkennen, die sind also eher so angeschnitten. Gleichzeitig sind die halt irgendwie da, also es wirkt halt wie eine Straßenszene in Japan, das könnte so eine Straßenszene sein. Ähm, gleichzeitig ist es halt irgendwie nicht so explizit, so, hier ist diese eine Frau in Kimono, bitte kauf das Buch. Ähm, Ja, und dann hat in der Mitte der Titel eine starke, starke rote Färbung, was auch sehr passend ist für Japan. Die rote Sonne ist das Symbol für die Flagge. Und das kompensiert halt auch eine gewisse Leidenschaft, aber auch ein bisschen Blick hinter die Kulissen.
Kai Behrmann
00:21:35
Oder auch so die verborgene, ne?
Fritz Schumann
00:21:37
Ja, und auch so Japans Schattenseiten. Also das hatten wir auch schon lange Zeit, weil es halt eben nicht nur alles cool ist. Und das war mir auch ganz wichtig von Anfang an. Also das ist ja gefragt, wie bin ich zu Japan gekommen? Und ich habe eine große Leidenschaft für dieses Land. Und jedes Mal, wenn ich da bin, fühle ich mich sehr glücklich. Gleichzeitig ist es, ja, verkläre ich dieses Land auch nicht, weil es ist ein Land wie jedes andere Land. Das hat halt ein paar Sachen, die es gut machen, ein paar Sachen, die es nicht so gut machen. Wir hatten im Vorgespräch über die Burakungen gesprochen, das ist eine diskriminierte Minderheit, die heute noch diskriminiert wird, in Japan. Relativ massiv. Und die sind auch Teil von dem Buch. so ein Kapitel. Und man muss auch diese Ambivalenzen aushalten. Also wenn man ein Land wirklich mögen möchte, muss man auch alle Seiten sehen vom Land. Nicht nur wie schön, nicht nur irgendwie Tempel, nicht nur irgendwie Schreine oder Kultur oder irgendwie tolles Essen, sondern auch alles, was dazugehört, finde ich. Weil das, ja, kein Schatten ohne Licht, das simulisiert das auch so ein bisschen auf dem Cover, finde ich. Dass man eben auch guckt, okay, was ist hinter der Kehrseite, was ist auch ein Bild, was Japan gerne zeigen möchte und was ist ein Bild, was Japan vielleicht nicht gerne zeigen möchte. Und eigentlich gibt es das halt in jedem Kapitel, weil es auch so ein bisschen ein Blick ist. Also das ist irgendwie, es gibt coole Sachen. Wir hatten auch im Vorgespräch darüber gesprochen, über den, es gibt ein Dorf, in dem ich war, da wohnt nur noch ein Mann und der will das halt auf jeden, um jeden Preis erhalten, dieses Dorf. Und das ist irgendwie cool und ehrwürdig. Und gleichzeitig ist er auch relativ einsam. Also gerade im Winter, wo er das Dorf nicht verlassen kann oder keiner reinkommen kann, weil die Straßen zugeschneit sind, das ist wirklich komplette Einsamkeit. Und das gehört irgendwie beides dazu. Also schon noch ein Mann, der für sein Dorf kämpft, der aber irgendwie auch einsam ist. Oder auch Burakum, in die diskriminiert werden, die aber auch einfach sich viel erkämpft haben in den letzten 100 Jahren. Also die Interessenvertretung, also das war die erste Menschenrechtsorganisation in Japan, die Organisation der Borakumen, die wurden 1924 oder 1923 gegründet. Also wirklich 100-jähriges und die auch viel erreicht haben, aber immer noch nicht komplett alles erreicht haben. Und es ist halt auch konstant alles im Wandel. Und das ist irgendwie wichtig, gerade bei Instagram und so. Social Media generell hast du ja ein sehr positives, einseitiges Bild von Japan. Auch viele Berichte über Japan sind in deutschen Medien, sind ja einfach auch schlecht. Also weil du häufig jemanden hast, der das Land nicht kennt, die Sprache nicht kann. Die reisen dann kurz rein, haben zwei Wochen binnen Recherche und publizieren das dann. Und das ist halt nicht das ganze Bild. Tatsächlich gab es in letzter Vergangenheit zwei Artikel, die mich sehr geärgert haben. Das eine war in der SZ, das andere in der Zeit, wo das genau sowas war. Da ist halt jemand reingeflogen, hat irgendwas aufgeschrieben und es war faktisch einfach falsch. Bei dem einen Text, da geht es um Okinawa und dass da so viele hundertjährige leben sollen. Das stimmt einfach seit 20 Jahren nicht mehr, aber es wird immer wiederholt, dass auf Okinawa so viele hundertjährige leben. Da habe ich auch einen Text darüber gemacht über Medien. Und das gibt es halt relativ häufig, dass so ein verkehrtes Bild von diesem Land aufgebaut wird, gezeigt wird. Und das war so ein bisschen anders mit dem Buch, auch so einfach nur ein nuanzierteres Bild zu zeigen, dass Japan ist schön. Und auch nicht so schön. Das war so ein bisschen der Ansatz.
Kai Behrmann
00:25:23
Ja, bei dir, du hast es erwähnt, war eben auch der Schlüssel oder ist der Schlüssel, dass du die Sprache beherrschst. Japan gilt ja allgemein hin als ein Land, was es Fremden nicht so einfach macht, hinter die Kulissen zu schauen und reinzukommen. Ein guter Kollege und Freund von mir, der Thomas Jones, der war vor kurzem in Japan auf einem Event von Fujifilm und das war, was er eben auch berichtet hat. Also er hat dann auch versucht, abseits dieses Events ein bisschen Street Photography in Tokio zu machen und er sagt, es war unheimlich schwer, mit Menschen dort in Kontakt zu kommen. Man bleibt immer so ein bisschen außen vor, wenn man die Sprache nicht spricht. Wie ist deine Erfahrung und wie hast du es geschafft, Japanisch zu lernen? Also es ist ja eine Sprache, die jetzt auch nicht ganz einfach ist.
Fritz Schumann
00:26:16
Ja, also eine Freundin von mir, die hat Japanologie studiert, die hat aber viel vergessen, weil sie auch lange nicht mehr da war. Und die sagte im Prinzip, Japan, Japanisch lernen ist eine Lebensaufgabe. Und das stimmt. Also es gab, mein Level im Japanisch hat, wie sagt man, verschiedene Höhen und Tiefen. Also ich glaube, ich hatte einen Peak auf jeden Fall 2014 nach den zwei Semestern in Japan. Da habe ich so ungefähr 80 Prozent verstanden, was mir Leute gesagt haben. Und dann habe ich es aber nicht, also in Berlin habe ich es dann nicht benutzt regelmäßig und habe noch viel vergessen. Und dann hatte ich 2018, 2019 oder so, habe ich mir einen privaten Tutor genommen. Das war super, weil die, also ich habe halt einfach gesprochen Japanisch, aber ich habe nie so wirklich, ich habe am Anfang einen Volkshochschulkurs gemacht, um so die Basics zu lernen für Grammatik und Struktur, aber so richtig Grammatik oder irgendwie so mal so Verb durch Konjugieren, das habe ich nicht gemacht, weil ich es nicht musste. Und diese Tutorien hat das mir so ein bisschen so eingebläut und das war echt super wertvoll. Also da habe ich echt mal krasse Fortschritte gemacht, einfach so Lücken zu füllen. Im Studium hatte ich auch einen japanischen Kurs, der war ganz gut, aber der war halt. Ausgerichtet für Studierende, die noch nicht in Japan gelebt haben wie ich, also es war ein bisschen niedriger Level, aber es war okay, einfach in der Übung zu bleiben und die war sehr streng mit mir. Und die hat immer gesagt, dass ich so ein kaputtes Japanisch kann, weil die Japaner so nett sind und mir nie sagen, wenn ich was Falsches sage. Sie hat deswegen immer sehr ernst mit mir geschimpft. Das war ja auch ganz gut. Genau, also das war schon mal ganz gut, das zu festigen. Diese Tourin hat mir super viel Grammatik eingebläut und wir haben das auch, ich glaube, mehr als ein Jahr gemacht. Erst schon mehr als ein Jahr. Ich habe dann so alle paar Wochen mal gesehen. Und dann war bei irgendeinem Punkt, wo die Regeln sich wiederholt haben. Also sie hat mir irgendwie alles beigebracht, was sie machen konnte. Und der Rest war einfach dann das Üben. Und ja, 2022, dann als ich zwei Monate in Japan war, da war ich auch echt auf einem guten Level, wo ich keine Übersetzer mehr brauchte. Also für viele Geschichten habe ich mir noch Übersetzer genommen. Was ich so wichtig finde, einfach so kulturelle Nuancen in Interviews besser ansprechen zu können. Zudem war es auch mal praktischer, wenn ich halt mich auf Kamera konzentrieren musste und Ton, das dann jemand zu haben, der die Fragen stellt. Ja, aber 2020 habe ich auch Interviews übersetzt teilweise. Ich habe dann letztes Jahr, das bin ich immer noch schockiert, wenn ich darüber nachdenke, letztes Jahr wurde ich selber interviewt für ein YouTube-Format in Japan. Das Interview ging 90 Minuten. Ich glaube, 85 Minuten davon habe ich komplett auf Japanisch geredet. Ich dachte, what the fuck? Also das ging halt irgendwie doch, dass ich hier irgendwie frei Japanisch parlieren konnte. Es gab ja gewisse komplexe Sachen, da fehlt mir das Vokabular. Das ist ein bisschen mein Problem. Mein Wortschatz ist halt sehr klein. Also ich kann jetzt gut labern. Ich habe auch nur eine gute Aussprache. Aber ich kenne nicht so viele Wörter. Und was jetzt gerade meine Aufgabe ist in Japanisch, sind die Zeichen, weil labern, das geht ganz gut, aber so schriftlich bin ich nicht so stark. Und die Grammatik kann ich jetzt auch so oder besser, aber halt die Zeichen. Und das ist wirklich, das ist Üben. Und ich habe letztes Jahr, weil ich mich für eine Japanischprüfung vorbereitet hatte, jeden Tag die Zeichen gelernt, also ungefähr halbe Stunde um Stunde. Nach der Prüfung habe ich dann pausiert habe jetzt wieder angefangen seit ein paar Wochen und es ist halt krass ich habe zwei Monate ungefähr nicht gelernt und ich habe super viel vergessen, und er hatte letztens wieder so eine Marathon-Session, wo ich zwei Stunden am Stück diese Zeichen gelernt habe ich habe echt gedacht, mein Kopf explodiert aber das hat geholfen, also jetzt, geht es wieder schneller, ich kann mir die auch besser merken und es ist wirklich ein Lebensaufgabe du musst jeden Tag irgendwie Japanisch üben. Aber ja, ich habe jetzt auch nicht konkret das Ziel dass ich irgendwie für eine japanische Firma arbeiten möchte oder so gleichzeitig ist es wichtig einfach, diese Sprache zu erhalten und ja, mehr zu üben, aber es ist schon ein bisschen ein Struggle also ich komme zurecht ohne Probleme und wenn ich das Wort nicht kann, dann kann ich es einfach fragen und so Alltagskram geht aber ja, so zum Beispiel vor zwei Jahren habe ich, vor drei Jahren inzwischen habe ich ein Interview geführt mit einer Stadt, U-Buddy, das ist auch ein Kapitel im Buch, und da hatte ich dann einen Termin in der Stadt mit einem Finanzverwalter und einer Angestellten der Stadt und da ging es um die Insolvenz der Stadt und Wirtschafts, wie sagt man, Wirtschaftsvokabular, was ich einfach nicht hatte. Und ich habe mich ein bisschen vorbereitet und ich habe es dann später transkribiert und übersetzt, aber so im Interview, da war ich schon ziemlich am Schwimmen, und die haben ja auch sich Mühe gegeben, anstatt zu sagen, irgendwie. Fiskalplan, haben sie ja gesagt, ja, Geld, wir bemühen uns, dass Geld reinkommen soll. Okay, das habe ich verstanden. Deswegen sage ich immer jetzt gerne, ich habe so ein bisschen Kinderjapanisch manchmal. Wobei, wo ich mich sehr gut auskenne, inzwischen ist Zweiter Weltkrieg, weil ich mit Recherchen deckte, die ich eh mache. Da habe ich so Militärbegriffe, da habe ich schon einigermaßen drauf. Ja, aber so Fiskalpolitik, Wirtschaftspolitik, da bin ich eher so ein bisschen raus. Auch sehr so abstrakte Begriffe, ja, wie gesagt, normal reden das geht, aber es ist dann immer noch, man muss es halt ständig lernen, das ist das Ding, also gerade wenn man nicht in Japan ist, muss man sich schon echt bemühen, in der Übung zu bleiben.
Kai Behrmann
00:32:16
Ja, wie hältst du das dann frisch, durch Lektüre, durch Hören von Podcasts, was ist so dein Weg?
Fritz Schumann
00:32:25
Also ich glaube, ich sollte mehr lesen. Ich versuche schon noch so, also auf Social Media folge ich einigen, die japanisch Content machen. Das ist ganz gut. Ich hatte letztes Jahr mal angefangen, Manga zu übersetzen, weil ich sehr gerne Manga lese immer noch. Und es hilft auch so, das Visuelle zu haben. Ist aber auch am Anfang sehr frustrierend, wenn du halt jedes zweite Wort nachschlagen musst. Also, wo ich eigentlich jede Gelegenheit nutze, ist E-Mails zu schreiben. Also wenn ich keine Recherche-Anfrage, Interview-Anfrage stelle, aber vor der Woche habe ich wieder Anfrage gekriegt vom japanischen Fernsehen zu meiner Puppengeschichte. Also es kommt relativ häufig da aus Japan eine Anfrage. Die haben mir auf Englisch geschrieben und ich habe auf Japanisch geantwortet, weil ich einfach da jede Gelegenheit nutzen möchte, einfach Japanisch zu schreiben. Serien gucke ich manchmal auch. Das klappt so ganz gut. Wenn sie dann Slang sprechen, das ist schwierig. Ich versuche einfach links und rechts ein bisschen was aufzuschnappen, aber eigentlich müsste ich mehr machen. Aber Tag hat ja auch nur so viele Stunden.
Kai Behrmann
00:33:35
Ja, klar. Was würdest du denn jemandem raten, der nach Japan reist, aber jetzt nicht die Zeit und Energie in das Sprachstudium stecken möchte, wie man trotzdem mit den Japanern zumindest ein bisschen in Kontakt kommt?
Fritz Schumann
00:33:52
Also... Eine erfahrunglich gemachte Menschen in Japan ist, dass sie, sie haben eine gewisse Vorsicht, was Menschen aus dem Ausland angeht, weil sie nicht wissen, kennen die alle Regeln, kann ich mit ihnen reden, kann ich mit ihnen kommunizieren? Auch so ein bisschen die Angst, was falsch zu machen. Aber wenn man ihnen halt signalisiert, man kann mit ihnen reden, dann gibt es eine unfassbar große Neugier. So, was machst du hier? Wir bist nach Japan gekommen. Und große Offenheit auch, also die ist auf jeden Fall da bei ganz, ganz vielen Menschen. Man muss halt erstmal diese erste Hürden nehmen und ich kann mich an ein Treffen erinnern, oder Treffen, wie sagt man, eine Begegnung. In 2014 in Kitakyushu, das ist im Norden von Kyushu, da gibt es den Tunnel der, Visteria, wie heißt es auf Deutsch? Blauregen. Das ist so eine Pflanze, so eine Blume, die hängt halt von oben runter. Und in Kitakyushu gibt es halt so einen Tunnel, so ein Tunnelgewächs. Wunderschön, blüht irgendwie zwei Wochen im Jahr. Und da bin ich hingegangen, um die zu fotografieren, und hatte mich dann irgendwie, ich weiß nicht wie, Ich kam irgendwie ins Gespräch mit so einem älteren Paar auf Japanisch und dann irgendwie kam er drauf, von wegen mit Menschen aus dem Ausland reden und sagt, ja, ich kann ja gar nicht mit Menschen aus dem Ausland reden, ich kann ja kein Englisch. Und dann guckte sie mich an und fiel auf, okay, wir haben die ganze Zeit Japanisch geredet. Ja, aber du kannst ja Japanisch, stimmt. Das heißt, sie hatte irgendwie so eine mentale Hürde, dass sie, wenn sie Ausländer gesehen hatte, nicht davon ausgegangen ist, dass man mit denen reden kann. Weil Ausländer können kein Japanisch. Und wir haben die so ein bisschen überspielt, bis sie dann selber an ihre eigene mentale Hürde wieder gedacht hatte. Und ja, so ist das recht häufig. Wie kann man mit denen reden, ohne Japanisch zu können? Schwierig. Was es inzwischen mehr gibt, dass es so... Automatische Übersetzungen gibt. Also einige Zugschalter zum Beispiel haben das, dass man so ein Gerät rein und dann wird das automatisch übersetzt. Und die sprechen auch ein Gerät rein, das wird auch automatisch übersetzt. Das habe ich auch links und rechts mal gesehen von Leuten, die das erste Mal anreisen, dass die Übersetzungssoftware an sich auch besser ist. Also mit Google Translate oder DeepL. Ich glaube, ChatGPT kann das auch. Sachen übersetzen lassen kann. Und das wird auch mehr angenommen. Das ist natürlich immer ein bisschen Hürde. Aber es geht was auf jeden Fall zu empfehlen ist, ist eine höfliche Distanz dass man erstmal so ein bisschen abwarten guckt, wie die auf einen reagieren also nicht sofort fotografieren sondern erstmal da sein vielleicht und gucken, wie man wahrgenommen wird. Generell in Japan, wenn man Richtung Street-Fotografie auch überlegt, die sind sehr ähm, wie sagt man sehr bewusst, was den Datenschutz angeht, ein Recht im eigenen Bild, also dass man nicht fotografiert werden möchte. Das hat verschiedene Gründe. Es ist auch gesetzlich so geregelt, dass man eigentlich keinen fotografieren darf. Aber zum Beispiel auch in Onomichi, als ich da war für die Recherche zum Buch, bin ich abends zum Hafen gelaufen. Und da spielte eine junge Frau Gitarre, allein am Hafen. Und ich finde das so bemerkenswert, mit dieser Abendstimmung. Die Laterne war irgendwie an und sie spielte alleine Gitarre. Und ich habe sie fotografiert. Und dann bin ich zu ihr hingelaufen. Und ich habe sie gefragt, warum spielst du denn die Gitarre? Ja, ich würde gerne uben, aber zu Hause kann ich nicht, weil da hört man mich. Und deswegen hier am Hafen, da ist keiner und da hört mich keiner. Da kann ich einfach frei üben. Und dann habe ich ihr gesagt, ich fand diesen Moment so schön. Ich habe das fotografiert. Hier ist das Foto, also ich konnte es ihr zeigen mit der Kamera. Ist das okay? Ja, ja, ist ein schönes Bild, fand sie okay. So würde ich es halt machen. Also irgendwie schon noch eine Streetart, die Fotos machen, aber dann auch zeigen und sagen, ich habe jetzt nicht dein Bild gestohlen, sondern respektvoll einfach agieren. Ich habe sie kurioserweise am nächsten Tag getroffen und die war auch völlig schockiert. Ich habe sie nicht erkannt, weil sie am Hafen hatte sie eine Maske auf. Also diese, F2-Masken, die wir alle getragen haben während Corona, der hatte sie auf und ich habe sie dann nicht erkannt. Und sie guckte mich nur ganz schockiert an und meinte, ja, erinnerst du dich? Sag ich, was? Ja, gestern am Hafen. Ich habe Gitarre gespielt. Ah, du hast das. Ja, und das war eigentlich ganz gut. Also man weiß ja auch nicht, ob man sich wieder sieht. Deswegen dann halt immer respektvoll agieren. Es gibt ja auch gerade in Tokio Gegenden, da wollen Leute auch gesehen werden. Die wollen fotografiert werden. Also die stellen sich da speziell hin, um fotografiert zu werden. Es gibt dann auch manchmal auch Regeln. Ich habe einmal so ein Cosplay-Event fotografiert und da war wirklich quasi mit einer Schlange. Also der Fotograf nach vorne hatte die Cosplay-Person, ich wusste natürlich nicht, welches Geschlecht die hatte. Also die. Person hat einen genderfluiden Charakter gespielt und Und ich könnte dir nicht sagen, was die Person ist. Aber jedenfalls war es sehr interessant, gerade weil die Person so androgyn aussah, aber es ist halt ein Santos-Cosplay. Und es war eine Schlange vor der Person und nach und nach hat ein Fotografer Fotos gemacht und ist dann weggegangen. Und ich dachte, weil ich irgendwie clever bin, fotografiere ich mal die Person plus die Fotografen, die die Person fotografieren, weil ich die Szene einfach so lustig fand. Und dann guckt mich die Cosplay-Person an, sehr wütend und winkte so, von wegen, das macht man nicht. Und dann habe ich mich halt angestellt, kam dann in die Reihe, habe das Foto gemacht und weggegangen. Das ist okay. Also auch hier gibt es irgendwie Regeln. Klar, die wollen fotografiert werden, aber bitte ordentlich, dass man sich schön aufreißt. Also das gibt es halt auch noch. Gerade Tokio ist so präsentiert dafür, Menschen, die gesehen werden wollen, dass man die auch fotografieren kann und darf. Im ländlichen Raum ist es häufig auch ein bisschen entspannter, wenn man so ein bisschen mit denen schon eine Beziehung hat. Ja, aber natürlich Sprache. Also Respekt ist das Erste. dann ist eigentlich Sprache und auch so ein bisschen zu verstehen, also ist es hier okay zu fotografieren oder ähnlich? Ist das jetzt gerade ein gutes Timing oder ähnlich? Generell sind die schon so offen. Was ich halt häufiger schade finde, auch in Sachen Street-Fotografie, dass sobald sie sehen, dass du eine Kamera hast, dass dieser Moment weg ist, dass sie sich verstellen, dass sie halt irgendwie das Peace-Zeichen machen und dann ist das halt irgendwie auch der Moment dann weg. Also ja, Meine Empfehlung wäre, genau wie mit der Frau die Gitarre spielt hat, ein Foto machen, dann aber hingehen und sagen, hey, ist das okay? Und da kann man damit auch das fotografieren. Sie müsste auch ein Buch sein. Ich gucke eben mal nach. Ich glaube, das Foto ist auch drin. Ja, da sehe ich das gerade aufgeschlagen. Seite 54. Da sehe ich sie jetzt gerade. Wie sie da alleine spielt im Hafen. Ja. Ich habe mir auch einen Namen notiert, aber ich habe ihn gerade nicht im Kopf.
Kai Behrmann
00:41:04
Ah ja. Ja, ein sehr schöner, ruhiger Moment. Die Hafenatmosphäre, die Kräne im Hintergrund und sie sitzt da einsam auf der Bank und spielt Gitarre. Das überrascht mich ein bisschen, was du über die Street Photography auch gerade in den größeren Städten sagst, dass die Menschen da sehr, sehr sich dessen bewusst sind. Und weil Japan oder Tokio speziell ja als eins der Mecca für Street Photography gilt und eine große Metropole, in dem Menschen mit vielen Dingen beschäftigt sind und Fotos, Kameras allgegenwärtig sind. Und aber ja, nimm uns da nochmal ein bisschen tiefer mit, weil auch gerade das Thema Street Photography ja hier im Podcast eine große Rolle spielt. Was hast du noch für Tipps für welche, die speziell jetzt auch in Tokio oder in den größeren japanischen Städten Street Photography machen möchten?
Fritz Schumann
00:42:10
Also, das Ding ist halt in Tokio, das ist einfach sehr groß. Es gibt halt solche und solche Menschen, solche, die fotografiert werden wollen und die halt nicht fotografiert werden wollen. Ich hatte einmal tatsächlich ein bisschen eine haarige Situation. Da hatte ich etwas fotografiert, nicht Menschen, ich glaube, in Gebäuden oder so. Und da kam ein Typ auf mich zu und hat mich gefragt, warum habe ich ihn fotografiert? Sag ich, ich habe dich nicht fotografiert. Und er sagt ja, warum hast du mich fotografiert? Sag ich, ich habe dich nicht fotografiert und bin weggegangen. Der Typ folgte mir. Und rückte mir wirklich auf die Pelle. Und ich habe ihm dann versucht, irgendwie die Bilder zu zeigen. Da hat er mir nicht geglaubt. Und er hat gesagt, ja, lass uns zur Polizei gehen. So, ja, gehen wir zur Polizei. Wir sind zur Polizei gegangen. Und die haben dann versucht, zu beschwichtigen. Ich war völlig genervt. Und der Typ halt auch so. Und die Polizei, die waren recht sachlich. Er hat mir dann erklärt, ja, diese genauen Worte kriegen wir ja zusammen. meinten, ja, diese Person möchte nicht fotografiert werden. Ich hoffe, das verstehst du. Er sagte, ja, gucken Sie mal hier. Ich habe denen dann meine Kamera gegeben, der Polizei. Ihr könnt durchscrollen und so. Es ist kein Foto von ihm. Und dann hat er drüber geguckt und die Polizei durchgescrollt und hat festgestellt, da war kein Foto von ihm. Und dann guckte er so, war so ganz klein mit Hut und guckte irgendwie etwas verlegen. Und ich wartete auf die Entschuldigung und da kam keiner. Und dann habe ich es ihm quasi vorgekaut und habe mir angeguckt und meinte, der Gomenasai, also Entschuldigung, Ich hatte noch kleinlaut Entschuldigung gesagt. Ich war natürlich ein bisschen genervt in der ganzen Situation. Aber es hat mir immer verdeutlicht, wenn es da wirklich jemanden gibt, der nicht fotografiert werden will, der pocht dann auch darauf. Und deswegen muss man ein bisschen vorsichtig sein. Das war in Shinjuku, rund um den Bahnhof. Und da gehen einfach Pendler, Angestellte, keine Ahnung, der vielleicht irgendwie, gerade von der Arbeit kam, keinen Bock hatte, dann kommt noch dieser Ausländer und fotografiert ihn. Ja, da sollte man ein bisschen aufpassen. Tatsächlich, wozu ich inzwischen tendiere, also auch was ich veröffentliche, ich veröffentliche keine Fotos mehr von Menschen ohne deren Konsent. Und wenn ich Fotos mache von Menschen und die veröffentliche, dann entweder so, dass sie nicht zu erkennen sind, also von hinten zum Beispiel, oder dass sie die Maske aufhaben oder so, oder als Teil von Gruppen, also bei einer öffentlichen Veranstaltung oder so, Demos, was auch immer, weil ich da schon sehr sensibel geworden bin, wen man fotografieren darf und wen nicht, wie die vielleicht damit dazu stehen. Und alle, die im Buch veröffentlicht sind, da habe ich die Erlaubnis. Und ja, ich bin da einfach ein bisschen vorsichtiger geworden, nicht mehr jeden zu fotografieren. Wenn ich sie dann fotografiere, dass ich dann später wieder Erlaubnis abhole, dass es schon irgendwie okay ist. Ja, also man muss ein bisschen ein Gefühl dafür haben. Wie ist gerade die Stimmung hier? Sind Leute irgendwie genervt, weil sie von der Arbeit kommen? Ist das hier gerade irgendein Cosplay-Event? Ist das ein entspannter Abend, wo jemand Gitarre spielt? Ich glaube, das ist schon wichtig. Und da zahlt nämlich auch rein, wie sehr verstehe ich dieses Land? Was habe ich für ein Gespür für dieses Land? Welches Verständnis habe ich? Und deswegen bin ich auch so kritisch bei Leuten, die halt so kurz reinfliegen, Bilder machen, wieder abhauen. Weil dann nicht der Absatz von der Sprache, es fehlt so ein bisschen kulturelles Verständnis. Ist das jetzt hier okay zu fotografieren? Ist es okay in einem Katastrophengebiet, wo Menschen gerade ihr Haus verloren haben, ihre Familie verloren haben, draufzuhalten und zu fotografieren. Manchmal ist es okay, einfach darauf aufmerksam zu machen. Manchmal ist es eben nicht okay. Und das ist auch so ein bisschen so ein sehr altes Mindset, finde ich. Auch sehr westlich-europäisch geprägt. Wir reisen irgendwo hin, machen Fotos und dann passt das schon. Und heute sehen halt die Leute auch, die wir fotografieren, auch die haben Instagram, auch die haben Internet, was mit ihren Bildern passiert. und sie haben aber nicht unbedingt immer die Möglichkeit oder den Hebel, da was dagegen zu machen, wo sie gerne wollen. Und einfach ein bisschen sensibel sein. Und ja, vielleicht einmal mehr zuhören, abwarten als abdrücken. Und ich weiß, es tut auch weh. Ich trauere noch vielen Bildern nach, die ich nicht gemacht habe, weil ich erst mal wissen wollte, okay, bin ich hier okay als Fotograf? Darf ich hier Bilder machen? Aber damit kann ich irgendwie besser leben. Als, keine Ahnung, Foto raushauen, wo ich mir nicht sicher bin, ob die Person, die abgebildet ist, damit auch in Ordnung ist. Und das ist irgendwie, wenn ich so auf mein ganzes Werk zurückblicke, Das, was mich irgendwie auch, weiß ich nicht, was mich froh macht. Also es gibt gewisse Geschichten, die teile ich seit Jahren, die sind auch zeitlos, die funktionieren auch immer wieder, weil einfach die Menschen, die ich fotografiert habe oder begleitet habe, die haben mir vertraut. Und ich habe kein Problem damit, diese Geschichte jetzt nochmal neu zu zeigen oder zu teilen. Wohingegen irgendwie gibt es so Bilder, die ich früher gemacht habe in Japan von Passanten oder so, streetmäßig. Die teile ich heute nicht mehr. Die würde ich nicht mehr so veröffentlichen, weil ich eben nicht weiß. War die Person damit okay? Und ich habe da lieber ein reines Gewissen, weil wenn man sich wirklich mal die Langfristigkeit anguckt, also ich mache das jetzt seit 2009, das sind bald 16 Jahre. Also Sommer 2009 war es erstmal in Japan. 16 Jahren und irgendwie ich will da nichts bereuen, sondern ich will ein reines Gewissen haben, weil so kann man irgendwie mit genug Vertrauen auch in die nächsten 16 Jahre gucken. Also was ich damit sagen will, ich bin, ich fühle mich besser als Fotograf und Journalist mit einer reinen Weste und ich glaube, so kann ich bessere Arbeit machen und deswegen versuche ich das irgendwie anzuwenden. Wohl wissend, dass ich dann irgendwie tolle Bilder teilweise nicht machen kann und machen darf. Auch Beispiel in dem Buch. In Onomichi gibt es ein Buchladen, ein Mitternachtsbuchladen. Der macht so 11 Uhr abends auf bis 3 Uhr nachts. Also wirklich nur diese Zeit. Und da kannst du halt Bücher lesen, kaufen und die Atmosphäre genießen. Und der Typ, der den Laden macht, der hat so gar keinen Bock auf mich. Und auch keinen Bock auf Bilder. Ich bin da reingegangen, habe es mir angeguckt und habe mich vorgestellt und er meinte, ich habe gefragt, darf ich Bilder machen? Und dann sagte er, nee, die Leute würden sich davon gestört fühlen. Sag ich, ja, kein Problem. Ich kann das so fotografieren, dass man keine Menschen sieht. Und er sagt, nee, nee, das ist zu laut und das ist irgendwie unangenehm. Das will ich nicht. Sag ich, okay, gut. Also schade, ich habe kein Foto von diesem Mittagnachtsbuchladen, obwohl das so cool war. Mit seinen durchgesessenen Sofas und Bücherregalen bis zur Decke oder Bücherstapeln auf dem Boden. Das ganze Ding war ein umgebautes Krankenhaus. Also es ist so abgefahren, aber ich habe kein Foto davon. Weil er das nicht wollte. Und du siehst, ich bereue es ein wenig, kein Foto davon zu haben. Aber lieber so, als dass ich bei ihm hängen bleibe, auf dem Weg hat dieser eine Arschhochfotograf aus Deutschland, der war mal hier. Auch wenn ich den Typen vielleicht nie wieder sehe im Leben, aber das wäre mir unangenehm, sich da so respektlos verhalten zu haben.
Kai Behrmann
00:49:48
Ja, sprichst ein ganz wichtiges Thema an, also dass wir uns als Fotografen dann auch diesen Dingen bewusst sein müssen und uns selber auch unsere eigenen moralischen und ethischen Standards vergegenwärtigen, nach denen wir arbeiten wollen. Und ich kann das absolut nachvollziehen, dass es nicht schön ist, wenn man als Fotograf irgendwo verbrannte Erde hinterlässt und zwar irgendwie vielleicht dann mit einem Bild davon geht, was funktioniert, aber das eigene Erleben ist dann, glaube ich, in der Rückschau auch kein positives, wenn man sich diese Bilder anschaut im Nachhinein. Die Street-Photography ist da immer noch ein bisschen anders, weil es da ja häufig darum geht, eben Momente einzufangen, die dieses Unbeobachtete, diese ungestörten Szenen betreffen. Aber man kann es dann eben auch so lösen, wie du es gemacht hast, dass man im Nachhinein dann auf die Menschen zugeht, wie in dem Fall des Mädchens. Manchmal ergibt sich diese Situation, manchmal nicht, aber immer sich diese Frage mal zu stellen. Die Bilder, die man macht, zeigen diese Menschen in Situationen, in denen man auch nicht gerne fotografiert werden möchte. Fritz, du hast ja auch Fotojournalismus studiert. War das im Rahmen des Studiums auch ein Teil, also sich mit diesen ethischen Fragen auseinanderzusetzen? Und wenn ja, was hast du aus dem Studium mitgenommen und was kam dann später erst in der Praxis hinzu?
Fritz Schumann
00:51:27
Also ich meine, muss ich kurz überlegen, ich meine, dass es nicht so Thema war damals. Ich weiß aber auch, dass sich das inzwischen geändert hat. Also es hat ja mehrere Komponente und je älter ich werde und je länger ich diesen Beruf aufmache, desto mehr beschäftige ich mich auch damit. Also wir haben halt im Studium natürlich nur die großen, durchgenommene Magnum und so weiter. Und was ich so rückblickend auch gemerkt habe, okay, das sind immer irgendwelche Männer, meistens aus den USA, die wir besprochen haben, die quasi so der Goldstandard waren, für wie man fotografieren soll. Und es gibt so in den letzten Jahren auch mit Workplace-Foto so eine Diskussion, ist das noch zeitgemäß? Ist das rechtens? Ist das sinnvoll, irgendeinem weißen Dude aus den USA einen Preis zu geben für eine Geschichte, die er in Laos fotografiert hat mit sich. Minderjährigen Ostierten zum Beispiel. Konkretas Fall tatsächlich in Vietnam oder Thailand gab es einen Markenfotograf, der hat Minerikopostierte fotografiert, und hat hier teilweise auch dafür bezahlt. Also nicht für den Akt, sondern quasi für deren Zeit. Und das ist schon irgendwie grenzwertig. So verhält man es halt dort hin. Da sage ich, ja klar, der macht dann auch aufmerksam auf das Problem. Aber muss man das 2025 noch machen? Also das ist so eine Frage. Und ich habe das auch so nach dem Studium auch zunehmend so ein bisschen in Frage gestellt, welche Vorbilder hatte ich? Welche Vorbilder wurden mir vermittelt. Ein Prof von mir, der war lange in Indien. Der war super kritisch, was so indische Fotos aus Indien anging von Studierenden. Weil er da mangelnde Respekte vermutet hatte. Weiß ich nicht. Aber das war so ein Impuls auf jeden Fall. Der hat aber nicht überall angewandt. Wir haben ständig Geschichten gemacht aus dem Ausland. Da war es dann teilweise egal, ob die Sprache sprachen oder das irgendwie auskannten. Das war schon ein bisschen so mein eigener, also was ich auch gemerkt habe, ich fühle mich wohler in Japan zu fotografieren, weil ich eben die Sprache kann und das ein bisschen besser einschätzen kann, ist das grenzverletzend, was ich mache oder nicht. Und wo ich mich in anderen Ländern unwohler fühlte, ich habe auch in Libanon zum Beispiel ein paar Sachen gemacht, und das ist ja ein ganz anderer Kulturkreis als Japan und Europa Und das war schon anders und da fühlte ich mich auch sehr viel unsicherer, als das in Japan der Fall ist. Also am Stimmen, glaube ich, wurde mir glaube ich nicht so darauf vorbereitet. Also was er auf jeden Fall gab, so in Sachen Rechte, also Persönlichkeitsrechte, Nutzungsrechte und so, da hatten wir ein Seminar dazu, da hieß es auch Fotorecht. Und das war krass, weil wir da sehr sensibilisiert wurden von jemandem von Freelance, also du kennst ja vielleicht auch den Interessenverband für Fotografen und Fotogonisten, ich weiß gar nicht, Fotogonisten? Also kennst du Freelance?
Kai Behrmann
00:54:27
Ja, kenn ich.
Fritz Schumann
00:54:29
Und da war jemand dabei und das war cool, weil der wirklich konkrete Fälle vorgeschlagen hat, wo ein Fotograf zum Beispiel verklagt worden ist, auf Basis von Bildern, die er gemacht hat, die er nicht hätte machen sollen oder veröffentlichen sollen. Aber die waren alle nur im deutschen Raum. Und da wurden wir schon sehr, gewarnt, worauf man zu achten hat. Rechte an Kunstwerken, wenn die im Bild sind. Rechte an gewissen Gebäuden, darf man die veröffentlichen. Und Nutzungsrechte. Ich hatte auch einen Fall, das war wirklich krass, ich hatte ein Projekt gemacht in Hannover über die Weltaufstellung. Und da hatte ich halt einen Fotografen, einen Hobbyfotograf, der 2000 fotografiert. Und da habe ich ihn gefragt, ich ein paar Bilder von ihm nutzen darf für mein Studiumprojekt. Und er hat mir dann ein Formular hingesetzt, wo drauf stand, ja, er gibt mir die Bilder, aber er hat keine Verantwortung dafür, was ich mit diesen Bildern mache. Und wenn damit irgendwas passiert, bin ich quasi hassbar. Und ich dachte im Moment, ich bin ja im Student, was ist das? Er hat mir erzählt, er hat halt bei der Expo fotografiert, hobbymäßig, also in keinem Auftrag, und hatte das irgendwie einem Freund gegeben und der Freund war, ich weiß nicht genau, was er machte, Metzger oder sowas, er hat ein Gewerbe in Hannover und er hat das Foto genommen von der Weltausstellung, was er gemacht hat, hat das irgendwie groß auf einen Laster gedruckt und dann hat jemand, der auf diesem Foto zu sehen war, geklagt und der Fotograf, der Hobbyfotograf war dafür haftbar. Nicht der Typ, der das auf den Laster gedruckt hat, sondern der Fotograf. Und nach deutschem Recht ist das so, weil die hatten keine Vereinbarung und er war dafür haftbar. Und muss dann irgendwie, ich glaube 20.000 dem, nee, war schon Euro, also mehrere 10.000 Euro musste er zahlen, Strafe, für den Fehler, den nicht er gemacht hat und dann wollte er sich halt absichern mit diesem Formular und dann lasse ich, fuck, ich kann mal schon ordentlich zur Kasse gebeten werden und ich bin, auch wenn ich Jobs mache, lasse ich mir immer irgendwas unterschreiben. Also ihr kriegt die Bilder für meine Gage, ihr könnt auch machen, was ihr wollt, aber wenn irgendwas ist, ist quasi, ihr seid dafür, also ich habe es, Steht nicht so drin, aber ihr seid quasi dafür haftbar oder verantwortlich, so habe ich es formuliert, damit ich mich da so ein bisschen rausnehme. Also das war schon wichtig. Aber du siehst, das ist alles nur im deutschen Raum, aus Angst vor deutschen Kläger und Klägerinnen. Was im Ausland passiert, ist quasi der Wild West. Und das finde ich schon schwierig, weil das sind ja auch Menschen, die halt auch Rechte haben, die nicht so einfach umzusetzen sind, rein rechtlich oder juristisch. Wie jetzt hier, aber trotzdem haben die ja die Rechte und die nicht absprechen, mit dem Foto, also ja, also ich bin eigentlich auch bei dir, so dokumentarische Sachen, es gibt einfach Sachen, die sollten dokumentiert werden. Und wo man auch ein bisschen gucken muss, dann macht das Sinn da irgendwie von jeder einzelnen Person einen Schrieb zu kriegen, also von der Frau mit Gitarre, ich habe da auch kein unterschriebenes Formular, ich habe das ihr gezeigt ist jetzt abgenickt und ist okay. Ich habe auch von ganz vielen Menschen, eigentlich von keinen, nee genau, ich habe von keinen, den ich je im Jahrpunkt fotografiert habe oder gefilmt habe, habe ich was unterschrieben, weil es einfach so ein Understatement war. So, hey, da steht die Kamera, ihr sprecht da rein, das ist in Ordnung. Deswegen ist halt Vertrauen so wichtig, Vertrauen und Verständnis. Aber ja, also ich glaube, die gleiche Sorgfalt, die man in Deutschland anwenden, sollte man auch im Ausland anwenden. Einfach auch aus Respekt dem Menschen gegenüber und nicht nur aus Angst vor möglichen Klagen.
Kai Behrmann
00:58:08
In dem Buch sind ja weitere Porträts drin von den Menschen, mit denen du da gesprochen hast, auch wenn du es nicht so explizit oder offiziell gemacht hast, in Form von einer Unterschrift unter einem Dokument, hast du den Menschen gesagt, dass du an einem Buch arbeitest und dass dieses Bild möglicherweise im Rahmen des Buches verwendet wird?
Fritz Schumann
00:58:29
Also ich habe eigentlich alle Geschichten, die ich für das Buch gemacht habe, da habe ich explizit gesagt, das ist für ein Buch. Auch weil die, das habe ich häufiger, wenn ich Interviewfragen, Antragen stelle, dann fragen die halt, okay, für was ist das? Und die können auch nicht mal einschätzen, was ist das für ein Medium? Ist das jetzt irgendwie die Bild-Zeitung oder ist das jetzt die Süddeutsche? Weil die kennen natürlich die Zeitung nicht. Da muss man schon ein bisschen erklären. Und bei Buch halt genauso. Ich habe ja gesagt, ja, ich habe schon ein paar Bücher gemacht. Hier ist irgendwie meine Website auf japanisch. dann seht ihr, wofür ich so arbeite, wofür wen. Und diese Recherche ist es hier für ein Buch. Und genauso auch die Fotos. Also das. War eigentlich immer dabei. Ich glaube einige, das habe ich noch nicht gemacht, das muss ich noch machen. Ich wollte ein paar Bücher nach Japan schicken, als ich den Leuten nicht da getroffen habe. Ich glaube ein paar werden überrascht sein, dass ihr Foto drin ist, aber es ist mehr so von der Auswahl, dass das genau sie erwischt hat. Aber es ist dann irgendwie eine einfach, weil ich den Moment so schön fand. Aber es war eigentlich bei allen klar. Und wenn du sagst, du bist Journalist und wenn du eine Kamera rausholst und auch vor allem, wenn du sie posierst, ich weiß nicht, ich gucke auch mal nach, es ist zum Beispiel das von der Stadt Ubuddy, da habe ich eine Angestellte fotografiert, die mich auch begleitet hat. Ähm, Und das war ja klar, also wir posieren so ein bisschen. Und die war halt auch, das war eigentlich ganz süß, ich habe ihr dann die Fotos geschickt und sie war so ganz dankbar, weil sie meinte, sie hat irgendwie noch nie so einer fotografiert. Und da kommt auch ein Profi, das ist natürlich eine riesige Ehre auch für die, so fotografiert zu werden. Und vieles ist da auch so ein bisschen so ein, ja, wenn einfach Kamera rausgeholt wird und der Auffeller auch da ist oder ein Stativ steht, dann wissen die, okay, das ist hier schon ein professionelles Setting. Das ist jetzt nicht jemand, der mit dem Handy ein Foto macht aus der Hüfte und dann das Gesicht verhindert mit Photoshop oder so. Das meine ich halt, also Respekt den Leuten gegenüber und wenn sie dich auch respektieren und auch deine Professionalität anerkennen, respektieren, dann geht das schon. Ja, also jetzt, wie gesagt, alle, die ich jetzt fürs Buch begleitet habe, die wussten das. Wo ich sonst vorher war, das war entweder konkret für den für die Veröffentlichung oder den Film oder den Bericht, ja, also ich glaube bei manchen konnte ich auch gar nicht absehen, dass da zehn Jahre später mehr ein Buch draus folgt aber das ich habe ja auch vorher Bücher gemacht und da waren auch einige von denen, denen habe ich auch die Bücher gezeigt, das war dann auch okay für die waren eher ein bisschen überrascht, aber das ist ja häufig wenn die mit mir reden, die haben ja was zu erzählen. Also entweder unsere persönliche Geschichte, die sie teilen wollen, oder sie setzen sich für eine Sache ein, oder sie haben eine Funktion, dass sie halt wie bei der Stadt, die repräsentieren halt die Stadt, und sind halt während dieser Funktion fotografiert, nicht als eine Privatperson. Und das geht dann schon. Ja. So war auch dieses Buch, ich glaube ein paar Ein paar Geschichten, die ich schon ein paar Mal erzählt habe. Das ist jetzt quasi für mich mit dem Buch abgeschlossen. Also ich glaube, die Geschichten jetzt hier drin sind, die werde ich jetzt nicht nochmal in einem anderen Buch veröffentlichen. Und das ist wahrscheinlich für einige so die letzte Veröffentlichung, aber weiß man ja nie, vielleicht mache ich irgendwie, keine Ahnung, in 40 Jahren eine Autobiografie, wo ich die Geschichte nochmal erzähle. Aber ja, also ich versuche auch schon noch, bei dieser Geschichte mit den Puppen zum Beispiel, ich habe sie fotografiert, dann habe ich die Fotos ausgedruckt und ihr geschickt, und da war sie super dankbar für, weil keiner hat das gemacht vor also keiner der Fotografen oder Journalisten die vorher da waren, haben ihr die Fotos geschickt, was dazu führte, dass jedes Mal wenn neue Journalisten kamen, sie von mir erzählte und den Kontakt vermittelt hat weswegen ich dann halt interviewt wurde zu dieser Geschichte im japanischen Fernsehen, Magst du noch.
Kai Behrmann
01:02:27
Kurz mal den Hintergrund zu dieser Geschichte geben, viel schon häufiger das Stichwort deine Geschichten über das Tal der Puppen in Nagoro?
Fritz Schumann
01:02:38
Es ist auch ein Kapitel im Buch. Also in Nagoro ist ein Dorf in Japan, im Iya-Tal. Da gibt es mehr Puppen als Menschen. Die werden von einer einzelnen Frau gemacht, Ayano Tsukimi. Und sie macht das seit mehr als zehn Jahren inzwischen. Ich war quasi der erste Journalist, der was darüber gemacht hatte. Es hat halt einen riesen Run ausgelöst, ein großes Interesse, was dazu führt, dass heute das japanische Fernsehen immer noch regelmäßig berichtet über sie und dann auch immer wieder sagt. Das ist wegen einem, also JNTO, das ist die japanische Tourismusbehörde, die hat zum Beispiel auch in ihrem Bericht über das Tal stehen wegen einem ausländischen, wegen einem deutschen Austauschstudenten hat das Interesse an diesem Tal zugenommen. Also schon krass ist, aber es stimmt halt. Deswegen haben wir auch, das hat das japanische Fernsehen mich auch ein paar Mal interviewt und es gibt halt immer noch Interesse regelmäßig gibt es Anfragen aus Japan genau dazu. Inzwischen gibt es halt so viele Nachahmer, Also einen Monat nach mir zum Beispiel war die ARD schon da und haben teilweise Einstellungen eins zu eins skopiert aus meinem Film. Aber ja, keiner von denen kommt wieder. Und das ist auch auf einem anderen Ort, auch in dem Buch, ein Thema, Iwaishima, da war ich 2010, das war also meine erste große Recherche, vor der Küste von Iwaishima so ein Atomkraftwerk gebaut worden. Und alle sind dafür, bis auf diese Insel und die Insel ist halt nur mit Senioren bevölkert und die demonstrieren dagegen seit den 80ern, haben jetzt auch einen Erfolg, also das wird nicht gebaut, das ist ein Atomkraftwerk und das hat auch, 2010 war ich einer der, ersten ausländischen Journalisten, ich glaube es war vorher nur ein Schweizer und Franzosen da und dann 2011 war ein riesiges Interesse nach Fukushima, sind super viele Leute gekommen und darüber berichtet, und die meinen dann auch zu mir, du bist aber wiedergekommen, die meisten kommen nicht wieder und das ist auch nochmal, was halt langfristig auch so einen Verständnis und Respekt aufbaut, dass ich halt immer wieder komme, dass ich eben nicht nur kurz reinreise, sondern halt Leute teilweise immer wieder treffe und auch Kontakt mit denen halte. Ja, und das ist einfach, Fotos zeigen, Fotos schicken, das ist auf jeden Fall immer nette Geste, aber ich habe es ja selber gerade gesagt, ich habe Es gibt viele Leute, die im Buch sind, das Buch man nicht geschickt. Einfach weil ich nicht zugekommen bin. Ich würde es gerne verknüpfen mit, wenn ich selber in Japan bin, dass ich mal so eine Tüte mitnehme und das in Japan verschicke. Also wenn ich jetzt 30 Bücher verschicke aus Deutschland, das ist ein bisschen nervig. Aber ich habe eigentlich von allen die Adressen. Teilweise halt noch irgendwie Kontakt mit denen ab und an, dass ich sie noch gerne schicken möchte. Einfach so als Wertschätzung, auch wenn sie es nicht lesen können, dass ich sage, hey, guck mal, ich habe deine Geschichte aufgeschrieben.
Kai Behrmann
01:05:26
Ja, aber eine schöne Geste auf jeden Fall und ich mag diesen Ansatz von dir in die Tiefe zu gehen. Einmal über das kulturelle Verständnis, was du dir aufgebaut hast. Du hast den sprachlichen Zugang zu den Menschen und kommst dann auch immer wieder zurück und bleibst dran an solchen Geschichten, was eben auch eine Wertschätzung ist, den Menschen gegenüber, mit denen du dort zu tun hast. Also all das führt dann auch zu diesen tiefen Geschichten, auch zu Bildern, die mehr als so ein Schnappschuss im Vorbeigehen sind. Und egal, ob man das jetzt beruflich macht als Fotojournalist oder man vielleicht auch, wenn man ambitioniert fotografiert, sich auch so einen Ort sucht, an den man immer wieder zurückkehrt, kann natürlich auch reizvoll sein, immer etwas Neues zu erleben. Aber ich bin mittlerweile auch dazu übergegangen, dass ich sage, es gibt so drei, vier Orte, an die ich immer wieder zurückkehren möchte, um eben genau das zu machen oder diese Art von Arbeit, die du da auch in Japan machst. Fritz, du sagst, du warst einer der Ersten, die damals... Aber nochmal kurz. Ja?
Fritz Schumann
01:06:38
Welche sind denn das bei dir? Welche drei, vier Orte?
Kai Behrmann
01:06:41
Bei mir ist es einmal Argentinien, Buenos Aires, wo ich lange gelebt habe. Das ist so der Hauptort, an den ich auch mindestens einmal pro Jahr zurückkehre. Dann ist da Kuba noch hinzugekommen, wo ich mittlerweile auch schon fünf, sechs Mal war. Havana speziell. Auch da nicht das ganze Land, sondern ganz, ganz fokussiert. Eben eine Stadt, die so unheimlich viel bietet und mit jedem Besuch lernt man mehr Menschen kennen, vertieft die Kontakte vor Ort und das öffnet einem dann natürlich Einblicke auch hinter die Kulissen in private Räume, die man bei einer Reise so nie bekommen würde. Genau, dieses Thema zum Beispiel im Tal der Puppen, da sagtest du, dass du dort einer der Ersten war, der darüber berichtet hat und häufig heute noch als Referenz genannt wirst. Wie bist du damals auf diese Geschichte gekommen? Und du hast im Vorgespräch auch gesagt, du hast so ein Dokument mit fast 70 Punkten, noch Themen, Ideen für eine Recherche. Wie kommst du auf diese Ideen und wie sammelst du sie?
Fritz Schumann
01:08:01
Also bei der Puppengeschichte konkret, ich habe halt, als ich das erste Mal nach Japan ging und so von nichts in der Ahnung hatte, habe ich halt angefangen, so Blogs zu folgen. Also damals noch Blogs, bevor Social Media richtig krass wurde. Aber das natürlich erweitert mit Social Media Accounts, Medien, Newsletter, nicht mehr. Und beim Puppen war es halt so, da gab es einen Blog von einem Amerikaner, der in Japan lebt. Und der ist da durchgereist und hat irgendwie da so nebenbei von geschrieben, ja, hier gibt es Puppen. Und ich habe gehört, dass so eine Frau macht man hier in dem Dorf. Hat die Frau aber nicht gefunden. Ich wusste nicht mal, ob das stimmt. Und ich fand das so kurios. Und dachte ich, okay, da fährst du mal hin. War jetzt nicht so weit weg von Hiroshima, wo ich da gewohnt hatte zu dem Zeitpunkt. Und ich wusste aber nicht, also erstens, ob das wahr ist und wo genau das ist. Und dann sind wir einfach dieses Tal gefahren und haben uns herumgefragt und haben uns dann gefunden. Und inzwischen, wenn du es halt eingibst, irgendwie Kakashi Muda, das ist das Dorf der Vogelscheuchen, findest du es sofort bei Google. Und inzwischen gibt es auch mehr Bus-Verbindungen, weil mehr Interesse da ist. Es gibt inzwischen auch ein Puppenfestival, also das hat dann schon echt viel ausgelöst. Und ja, manchmal frage ich mich auch, also ich habe mal überlegt, so einen zweiten Teil rauszumachen und sie nochmal zu besuchen. Was ich mir mal sagen lasse, ich habe auch Kontakt gekriegt von Journalistinnen, die irgendwie hinreisen wollten, die haben mich vorher gefragt. Manchmal gebe ich dann auch Tipps, wie man hinkommt und bestelle dann schöne Grüße. Und sie finden dann schon die Aufmerksamkeit ganz gut. Aber ich weiß nicht, ob sie damit gerechnet hätte, dass es so weit schlägt. Freunde schicken mir das auch immer wieder, wenn irgendwie, keine Ahnung, ZDF jetzt schon wieder da war oder andere Sender. Es geht dann wirklich, also mittlerweile sind meine Bilder und ich bin der Einzige davon. Ja, und es gibt auch so viele Nachahmer. Ja, wie finde ich Themen? Vielschichtig. Also, das Wichtigste ist eigentlich die Auswahl. Also, weil ich natürlich jeden Tag sehr viele Infos kriege zu Japan, aber es muss irgendwas haben, was mich fasziniert, obwohl ich so ein Gespür dafür habe, okay, da könnte mehr dahinter stecken. Und das ist eigentlich, wo ich gelernt habe, mehr darauf zu hören, also wie, was spricht mich hier an und auch wirklich mich selber zu fragen, was genau fasziniert mich daran. Konkret bei den Puppen zum Beispiel, klar ist das kurios, da macht eine Frau Puppen, die teilweise an die Menschen erinnern sollen, die gestorben sind oder die weggezogen sind aus dem Dorf. Aber was mich konkreter und faszinierte, war das Thema Tod. Weil meine Oma ist jetzt 98. Und meine Oma redet aber seit 20 Jahren davon, bei jedem Weihnachten, na, wer weiß, ob wir nächstes Weihnachten nochmal so zusammenkommen. Und was einfach für Oma Realität ist, weil viele Freunde schon verstorben sind, auch Familienangehörige. Und Oma muss sich halt mit dem Tod ein bisschen auseinandersetzen. Und ich habe noch keinen gehabt, der mir nahe stand, der verstorben ist. Immer noch nicht. Also natürlich Opas und Omas sind schon gestorben bei mir, aber mit denen war ich nicht so eng. Mit Oma schon. Aber Oma ist halt immer noch da. Oma geht es nicht mehr so gut, aber mit 98 ist auch alles nicht so einfach. Aber sie ist noch da. Und das hat mich ja fasziniert. Wie geht diese Frau in Japan mit dem Thema Tod um? Also warum macht sie Puppen, die an die erinnern sollen, die nicht mehr da sind? Und das hat mich fasziniert. Und das ist auch das, womit so viele Leute connected haben. Also die Geschichte, also konkret ist meine Geschichte, die lief in Mexiko, die lief in Amerika, die lief in Italien, Großbritannien, Kanada, USA natürlich, in Japan selber. Und es hat weltweit connected und das ist schon krass. Also so eine random Geschichte in irgendwo in Japan. Irgendwo in Japan im Dorf macht eine Frau Puppen. Das ist eigentlich, wer soll sich dafür interessieren? Also was ist das? Aber weil es halt eben eine tiefere Ebene hat mit dem Thema Tod, hat das halt mit Leuten irgendwie connected. weil jeder sich auf der Welt mit dem Thema Tod beschäftigen muss. Früher oder später. Und, Und das war mir von vornherein klar. Das war eigentlich das, was mich angedeutet hat bei dieser Geschichte. Und das versuche ich auch weiterhin umzusetzen. Es klappt auch nicht immer. Es gibt Geschichten, die ich gemacht habe, die weltweit Anklang gefunden haben, andere aber nicht. Wo ich denke, ey, das ist eigentlich voll wichtig. Aber sehen andere vielleicht anders? Ich liege da jetzt auch nicht immer hundertprozentig richtig. Aber ich versuche schon darauf zu hören, was interessiert mich daran und warum. Viele Geschichten, die ich mache, gehen um das Thema Identität. Was heißt das, diese Person zu sein? Also meine nächste Geschichte nach dem Puppen war über das Hoshi, das ist ein Gasthaus, das ist mehr als 1300 Jahre alt und es wird halt seit 1300 Jahren von der gleichen Familie geführt. Und immer der Erstgeborene übernimmt das Hotel. Das ist auch ein Kapitel im Buch. Und das ist halt ähnlich wie in meiner Familie. Mein Vater ist Journalist, ich bin Journalist. Und das führt auch zu Konflikten, weil er auch gewisse Erwartungen hat vielleicht an mich. Oder er sagt, wie was zu funktionieren hat, wo ich vielleicht eine andere Meinung habe. Und ich komme mich da halt irgendwie reinfühlen, weil ich sage, okay, mein Vater macht den gleichen Job wie ich. Wie ist das bei euch? Vor allem, ihr macht das jetzt seit 46 Generationen. Wir machen es jetzt nach einer Generation, das ist schon irgendwie anstrengend. Und so halt, also was sind das für Menschen dahinter. Auch so, ja, dieser Mann, der da allein sein Dorf hält, warum macht ihr das? Und ich habe ihn halt mehrmals fragen müssen, warum er das macht, bis ich dann irgendwie ein bisschen tiefer kam, dass er mir das erzählt hatte. Und sowas halt, also irgendwie, wenn es mich persönlich fasziniert, es gibt eine Chance, dass es auch andere fasziniert und fasziniert über die, oberflächliche Ästhetik hinaus. Und die, also inzwischen ist es eine Tabelle geworden, früher waren es Notizen, ich habe das dieses Jahr angefangen in der Tabelle umzuwandeln, einfach um das Beste sortieren zu können nach Ort und Region. Und auch alle Geschichten in dem Buch zum Beispiel so entstanden, die waren notiert als Thema, das machst du irgendwann mal, wenn es passt, und konnte mich dann einfach da bedienen oder auch wenn irgendwie keiner, es gibt eine Anfrage von einem Medium oder es gibt eine Aufschreibung für ein Recherchestipendium zu einem bestimmten Thema, dann gehe ich halt in meine Tabelle, gucke, okay, was könnte irgendwie passen, worauf habe ich Bock, wie kann man es da irgendwie einreichen und. Ja, es sind viele verschiedene Quellen. Zwischen Media-Accounts, Freunde. Das ist zum Beispiel der Mann, der da alleine wohnt. Das hatte mir der Vater von einer Freundin in Kyoto erzählt. Weil der war Professor an der Uni in Kyoto. Und wir saßen da irgendwie abends zusammen. Ich war gerade zu Besuch. Und er hat erzählt, dass eine Studentin von ihm, die reist als Freiwillige manchmal in so ein Dorf, um das zu erhalten. Da wohnt nur noch ein Mensch. Ich sage so, was? Ich sage, ja, kannst du mir in Kontakt mal geben? Ich sage, ja, hat eine E-Mail gegeben, haben uns ausgetauscht. Und sie hat dann organisiert, dass ich da mal hinkommen kann. Er hat mich dann von Bahnhof aufgeholt, nachhin gefahren zum Dorf. Und so halt. Also das ist auch, je länger ich mich in Japan beschäftige, desto größer ist auch mein Netzwerk von Menschen, die ich da kenne, die mal dann sowas nebenbei erzählen. Und nicht jede Geschichte geht auch auf oder ist noch aktuell. Also ich habe bis letztens, als ich die Tabelle noch mal aktualisiert habe, auch ein paar Sachen rausgeschmissen, die so nicht mehr da sind oder die, wo ich auch keine Lust mehr drauf habe. Ich hatte sich die nach Bock auch sortiert. Also ich habe von einer Skala von 1 bis 5, wie viel Bock habe ich drauf? Und so ein paar Sachen, wo ich dann schon keine Lust mehr drauf hatte, habe ich dann rausgenommen. Deswegen die, die jetzt drin sind, da habe ich schon Bock drauf. Plus, man muss auch gewisse marktwirtschaftliche Aspekte betrachten, wie teuer ist es da, in Wind zu fahren. Es gibt zum Beispiel eine supergeile Foto-Location. Das ist ein Kraftwerk an einem Fluss, was seit Jahrzehnten eine Ruine ist. Es gibt keine Straße, die da hinführt. Du musst über den Fluss schwimmen. Das glaube, geht nicht. Es ist nicht tief genug. Du musst dann durch den Fluss durch, auf die andere Seite. Und dann bist du mit diesem alten Kraftwerk, was jetzt komplett begrünt ist. Das sieht so geil postapokalyptisch aus. Das ist wirklich ein Kraftwerk mitten im Wald, wo sich die Natur zurückgeopert. Das ist so geil als Location für Fotos, aber es ist schon ein Commitment, da hinzufahren, weil es auch ein bisschen in der Pampa ist. Und dann musst du schon rechnen, da habe ich das Budget dafür, kann ich das machen? Und das ist bei vielen Geschichten. Also ich habe in Vorgesprächen auch erzählt, das ist gerade eine Recherche zu Fukushima, Atomkraft und Solarstrom. Wo auch viele Locations und Personen involviert sind, das heißt eine Zeitfrage. Und wenn ich das nicht selber finanziere, muss ja jemand finden, der das tut. Und das sind irgendwie auch Faktoren, wo ich immer so abwäge, also grabe ich alle diese Geschichten sofort machen, wenn ich die Möglichkeit habe, aber muss noch ein bisschen abwägen, was davon realistisch ist, was dann machbar ist. Und manchmal sind auch Sachen zeitsensibel. Also dass ich mir Menschen notiert habe, die vielleicht schon ein bisschen älter sind, wo man nicht weiß, kann man die noch interviewen oder kann man die noch treffen. Sollte man das vielleicht bald machen, um mal ihre Stimme zu erhalten, bevor es dann zu spät ist. Ja, solche Faktoren. Also es ist nicht nur für Japan, sondern auch weltweit. Aber Japan ist definitiv länger. Du meinst da fast 70 Storys. Weltweit habe ich glaube so 16. Und davon sind drei in Deutschland. Also du merkst schon ein klares Gefälle, wo ich mehr Story-Ideen finde und wo ich irgendwie auch das Gefühl habe, okay, ich kann da Sachen finden, die hat noch keiner erzählt und die begeistern mich oder faszinieren mich komplett.
Kai Behrmann
01:17:46
Ja, aber eine spannende Herangehensweise oder ein schöner Einblick, wie man sowas angehen kann und sich da so eine Liste zurechtlegt von Dingen, auf die man dann vielleicht mal wieder zurückkommt. Ich glaube, das ist wirklich gut, wenn man sowas fortlaufend führt und einfach zwischen den Zeilen lesen, so Nuancen mitnehmen. Da stecken meistens die interessantesten Geschichten. Irgendwas, was man so zufällig aufschnappt oder ein Randaspekt von einem Thema, was besonders im Fokus steht, da eine Herangehensweise zu finden, irgendwie einen Ansatz, der ein bisschen neuartiger ist. So auf Ideen zu kommen, waren schon gute Anregungen dabei, ich glaube, die auch für jeden interessant ist, der so überlegt, was man mit der eigenen Fotografie auch machen kann, wenn es jetzt eben darum geht, auch Themen für Reportagen zu finden. Ja, da kann ich vieles wiedererkennen.
Fritz Schumann
01:18:50
Genau, also das auch sich ein bisschen dann auch lösen von ich muss das jetzt unbedingt jetzt machen, dass man über ihre frei Ideen Themen sortiert, sich auch immer wieder fragt, wo kann ich mich damit verknüpfen, warum ist mir das wichtig? Weil dann kann man auch formulieren, warum es für andere Leute wichtig sein könnte. Was ich bei jeder Geschichte mache, ein Faktor ist, sie muss visuell sein. Es muss irgendwie interessant aussehen. Und, Weil wenn du Menschen immer wirst, dann hast du zwangsläufig jemanden, den du fotografieren kannst, der da irgendwas macht. Aber das ist auf jeden Fall, wenn es nicht visuell ist, dann ist das eigentlich keine Geschichte für mich. Also wenn es nur abstrakt ist. Yubari als Beispiel, klar, ich habe da über Fiskalpolitik gesprochen mit den Leuten, aber Yubari, da haben mal 113.000 Menschen gewohnt, jetzt wohnen da 6.000. Und das ist aber immer noch halt eine Geisterstadt, die halt für irgendwie mehr als Zehnfache der Bevölkerung ausgebaut war. Und das siehst du einfach. Du siehst halt visuell die Vorgärten, die verwildern, die Rehe, die zwischen den Häusern herziehen, weil es einfach keine Menschen mehr gibt. Da war mir klar, ist das irgendwie eine Geschichte über eine verschuldete Stadt. Aber es ist halt irgendwie auch eine visuelle Geschichte. Und das ist manchmal auch irgendwie, wenn ich was sehe, manchmal auch auf Instagram, da ist irgendwie ein Ort. Und dann überlege ich halt, okay, ist da irgendwie mehr dahinter? Kann man da ein bisschen was erzählen? und dass man so ein bisschen tiefer geht als das Bild. Was gibt es über das Bild hinaus? Was kann man da noch entdecken? Und diese Osuchi, das Dorf, wo noch ein Mann wohnt, das ist als Kulisse einfach faszinierend, weil es wirklich mitten in den Bergen ist, so zehn Häuser, ganz versteckt, wie so ein Ninja-Dorf, was irgendwie versteckt in den Wäldern von Japan liegt dieses einsame Dorf. Es funktioniert visuell auch, aber es funktioniert menschlich. Das ist auf jeden Fall ein Faktor. Und ich glaube halt, je länger man was macht, je häufiger man auch in Land reist, wie bei dir jetzt auch, desto besser wird dein Netzwerk, desto mehr Geschichten hörst du auch. Ein klars Sprachenfaktor. Aber es gibt auch so Zwischenmedien, so Special Interests oder ja, Freunde, Freundinnen, die halt irgendwas hören und die halt nebenbei halt beim Abendessen irgendwas erzählen und das ist dann die nächste Geschichte. Und ja, dieser Mann, der da alleine wohnt, das ist echt ein Paradebeispiel. Da fragen mich auch ganz viele, wie bist du darauf gekommen? Wie hast du das gefunden? Wie findet man sowas auch? Und das Lustige ist, der Typ hat halt jetzt auch Instagram und hat sich gestern auch wieder gepostet. Da waren wieder ein paar Freiwillige da. Und auch die Bergmönche haben Instagram. Also man kann die schon finden. Man muss aber halt wissen, wo man nachher sucht. Und das ist halt, was heutzutage auch zunehmend schwieriger ist. Also es ist überall ein Gebot. Und auch gerade die, die halt nur kurz nach Japan reisen, die machen halt das, was alle anderen machen. Und ich sehe auch auf Instagram, dass es funktioniert, so richtig in die Tiefe zu gehen. Muss man nur gucken, wie man es irgendwie dann nachhaltig finanzieren kann. Mittlerweile denke ich auch zum Beispiel, ich habe letztens jemand getroffen, der arbeitet für Tourismusabteilungen der Präfekturen. Und jetzt überlege ich halt zum Beispiel auch den japanischen Präfekturen direkt eine Geschichte zu pitchen. Und für mich ist es teilweise sekundär, aber es ist für ein reaktionelles Medium, also für die Präfektur, wenn ich die Chance habe, da was in der Geschichte zu machen. Aber je nachdem, also wenn das ein Auftraggeber hat, ist mir völlig klar, dass ich dann gewisse Sachen nicht sage. Genauso auch wie wenn ich einen Satz doppelt verwerte einmal für die Tourismusgeschichte und einmal journalistisch dann schon mehr hinter die Kulissen gucke ja aber wichtig ist in der Tat so, ein großes Netz spannen und gucken was man so hört und dann aber auch nach innen hören und sagen hey, was verbinde ich damit wie reagiere ich darauf emotional wie, das mache ich auch ganz gerne, dass ich so Geschichten vorteste, dass ich Leuten davon erzähle und bevor ich die Geschichte gemacht habe, um schon zu checken, wie ist die Reaktion. Interessiert das die oder eher nicht? Und dann muss ich entweder daran fallen, wie ich es erzähle oder an einem Aspekt rausarbeiten oder vielleicht funktionieren die Geschichte nicht. Vielleicht ist es nur für mich interessant, aber nicht für andere. Deswegen also eine Liste haben, um es mal reinzugucken und auch mal zu testen. Ja, und wie gesagt, dieses mit dem Mann, der da alleine wohnt, das ist, wo ich starke Reaktionen kriege, weil es es schnell erfasst und dann kommen auch schnell Fragen, warum wohnt der da alleine, was macht der da? Und dann dachte ich, okay, das ist auf jeden Fall, ich finde, allerdings, es ist auch das erste Kapitel im Buch, weil wir auch gemerkt haben, das ist eigentlich ein guter Einstieg, dass es irgendwie, wenn du im Buchladen bist, du mal ein bisschen drin blätterst, das ist einfach, sich da reinzufühlen und so die komplexeren Sachen, die können später, wenn man schon quasi committed ist, das Buch zu lesen.
Kai Behrmann
01:23:59
Lass uns gerne bei dem Beispiel mal bleiben von Osushi, von dem Mann, der da als einziger noch in diesem verlassenen, abgelegenen Dorf wohnt. Ich finde, daran kann man ganz schön sehen, auch wie das Buch aufgebaut ist, wie du vorgehst mit dieser Geschichte, also eine sehr, sehr konkrete Geschichte von diesem einen Mann. Aber wenn man da ein bisschen abstrahiert und von dem Mann weggeht, dann verrät es eben auch sehr, sehr viel über Japan, Entwicklung, über die Gesellschaft, über Dörfer, die verlassen werden von den Menschen, die es eher in die Städte zieht. Also das ist, finde ich, auch immer das Spannende bei Geschichten oder wenn man sich überlegt, wie erzähle ich eine Geschichte, dieser Wechsel vom Konkreten dann zu schauen, für was das im größeren Kontext auch steht.
Fritz Schumann
01:24:50
Ja, das war auch von Anfang an eigentlich das Konzept, dass jedes Kapitel steht für was Größeres. In dem Fall halt Einsamkeit, aber auch Landflucht. Also konkret geht es auch um das Konzept Satoyama. Satoyama ist so ein Begriff, das ist so quasi heiß Bergdorf, also ursprüngliches Dorf. Das beschreibt halt so ein Ideal von einem japanischen Bergdorf, so wie das Leben früher war. Aber es ist auch ein bisschen ein Konzept, was in der Werbung benutzt wird, was teilweise auch vom Tourismusmarketing nutzt wird. Also hier ist das wahre Satoyama und der Mann, der halt in dem Satoyama lebt, dem ist das so ein bisschen egal, das ist halt seine Heimat. Und der benutzt diesen Begriff gar nicht. Und das fand ich interessant, so ein bisschen zu hinterfragen, also welche Vorstellungen haben Menschen von so einem japanischen Bergdorf oder welche Bilder gehen da auf? Und die freiwilligen Helfer zum Beispiel, die da waren, mit denen ich gesprochen habe, die auch immer wieder kommen, die suchen nämlich genau dieses Gefühl von einem ursprünglichen japanischen Dorf. Und was irgendwie auch so ein Ideal ist, was vielleicht unrealistisch ist, und er würde sich auch wünschen, da würden mehr Menschen wohnen, dass es nicht so ein idyllisches Dorf ist, was fast so eine Kulisse ist, so eine Kulisse für einen Satoyama, für ein echtes japanisches Dorf. Und das war interessant. Und auch die anderen Kapitel genauso. Also das war halt, was ist hier irgendwie, wofür steht das? Was kann man hier ableiten? Also ohne Michi ist dann geht es um die, da gibt es eine NGO, die renoviert alte Häuser. Weil man, es gibt sehr viele verlassen Häuser in Japan, Akiya. Das ist wirklich ein riesiges Phänomen. Weil eine Landflucht und demografischer Wandel und auch die Immobilien besteuert werden, führt alles dazu, dass so viele alte Häuser leer stehen und verfallen. Weil es natürlich günstiger ist, einfach diese Häuser stehen und verfallen zu lassen, als sie abzureißen. Und auch viele Menschen in Japan das gar nicht kaufen wollen. Ich werde auf jeden Fall irgendwann ein Häuschen kaufen in Japan, weil die echt erschwinglich sind. Also ich habe mir mal eins angeguckt, von Hiroshima, das war 110 Jahre alt, 10 Minuten zum Strand, für Haus und Grundstück 8000 Euro. Also das ist schon machbar. Hat dann so ein paar Sternchen dran, von wegen du musst dich halt verpflichten teilweise, das zu renovieren, was auch noch teuer sein kann. Diese Häuser sind halt auch nicht isoliert, das heißt du frierst dir deinen Arsch ab im Winter. Das ist halt nicht super easy, aber es ist machbar. Und das ist ein bisschen die Idee bei dem Kapitel zu Onomichi, bei einer NGO, die das seit mehr als 10 Jahren macht, Häuser renovieren, also tatsächlich die vergeben Häuser für gratis, wenn Menschen eine gute Idee haben, was man machen kann und wenn sie sich verpflichten, das zu renovieren, und ja, das habe ich mir so ein bisschen angeguckt, Burakumen, wir hatten schon drüber gesprochen, da geht es halt um Diskriminierung, das, weil Japan immer auch so gesehen wird von wegen als homogene Nation. Dass alle so ähnlich sind und gleich sind, dass auch eine Narrative ist, die Japan selber gerne erzählt, aber das stimmt nicht. Also das sind halt schon Gefälle für Land und Stadt, plus einzelne Präfekturen. Die Bergmönche, die ich fotografiert habe damals, ich hatte den Leuten davon in Tokio erzählt, die haben gedacht, ich komme vom Mars. Selbst für Menschen in Japan sind so Bergmönche super fremd, weil es einfach eine ganz andere Kulturregion ist. Das fand ich da interessant. In der Kriegsvergangenheit, wie geht man damit um? Oder auch das letzte Kapitel, da geht es um Glück. Ich war an dem glücklichsten Ort in Japan. Die haben also ein Ranking von allen Kommunen in Japan. Da waren sie auf Platz 1. Und habe mir angeguckt, was macht denn ein Mensch in Japan glücklich, was vor allem ist Glück, was bedeutet das? Das ist gar nicht mal so einfach zu fassen. Und das ist einfach jedem Kapitel, also das ist halt die Geschichte an sich, aber die auch für was Großes steht. Und das ist auch häufig genau dann das, was mich darüber hinaus fasziniert. Es war selten, dass ich da am Schwimmen war, aber es ist da was Tieferes zu finden. Ich glaube nur bei einem, aber das Kapitel ist dann auch rausgeflogen, weil ich da irgendwie nicht so tiefer gehen konnte. Es gibt ja auch ein Kapitel über eine Teefarm, eine Nähe von Kyoto. Ich trinke sehr gerne Tee, ich trinke auch jetzt gerade Tee. Bei mir ist es Zitterne bekommt das her und Teekonsum in Japan, wie ist das? Wie entsteht Matcha, habe ich mir auch zeigen lassen. Und dann jetzt auch so ein bisschen darüber hinaus. Also Japan hat eine sehr, sehr, sehr geringe Selbstversorgungsrate. Also die müssen mehr Essen importieren, als sie anbauen und anbauen können vor allem. Was jetzt gerade auch ein Problem ist, die Reispreise haben sich verdoppelt innerhalb von einem Jahr. Es hat mehrere Faktoren. Und da dachte ich, okay, da kann man einige Sachen erzählen und das auch dann irgendwie andere Fragen aufwirft. Kamikaze zum Beispiel ist ein Ort, der wollte müllfrei werden bis 2020. Sie haben es nicht geschafft aus verschiedenen Gründen. Und da habe ich mich gefragt, okay, Müll, wie viel Müll produzieren wir denn in Deutschland? Was machen wir damit? In Deutschland steht es relativ gut da. Wir recyceln sehr viel, sind sehr effizient, können aber auch nicht 100% recyceln. Wir haben einfach Möbel, wir gehen immer nö um und das ist häufig größere Fragen der Gesellschaft. U-Buddy zum Beispiel, die bankrotte Stadt, die groß und reich geworden ist durch Bergbau. Was heißt das, wenn der Bergbau weggeht? Tatsächlich musste die Stadt die Rechnung zahlen. Also hier Mitsubishi zum Beispiel, die haben halt da, also das ganze Ding ist so abgefahren, die Märkte gelesen hatte. Die hatten halt in den ersten Jahren Gefangene eingesetzt in den Minen, bis es verboten wurde. Aber als es verboten wurde, waren die schon so reich, durch die Gefangenenarbeit, also quasi Skrabenarbeit. Dass sie schon enormen Wollstand hatten und quasi Marktführer waren in Sachen Kohle. Das waren so ein bisschen 60er und dann wurden halt die Mienen geschlossen. Und das ist halt Schwerindustrie, das heißt, es ist auch sehr viel Abfall, chemischer Abfall, Metallabfall, also irgendwie auch so Grabungsgeräte, die dann verrostet sind, die rumstanden. An die Rechnung musste halt die Stadt zahlen. Die Stadt musste das dann halt wegräumen. Oder an sich auch, also das ganze Kapitel zu Yuba, die hat mich so begeistert in der Recherche weil ich da immer noch mehr entdeckt habe weil es irgendwie so viel gab, was, faszinierend ist und was ich eben erzählen konnte ja und das war eigentlich bei jedem Kapitel so also den, die ich vorher gemacht hatte, vor einem Buch das war eigentlich immer so, das muss irgendwas Tieferes geben, was mich da packt, und dann war halt der Sprung nicht so weit zu sagen, okay, auch bei den neuen Kapiteln muss es etwas geben und jetzt auch bei den. Kapiteln, die ich gerade gesagt, den Themenideen Liste, bei denen ist eigentlich auch bei jedem so, gibt es irgendwas Tieferes. Ein konkretes Beispiel, es gibt ein südlich von Tokio gibt es eine Insel, die so als lichtschmutzarmer Raum gilt. Kennst du vielleicht eine Lichtverschmutzung, dass du halt in Städten den Sternenhimmel nicht sehen kannst, was an der künstlichen Beleuchtung liegt und diese, Insel hat halt irgendwie so bekannt dafür, dass es da ganz wenig Lichtverschmutzung gibt und dass du den besten Sternenhimmel sehen kannst in Japan. Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Aber das fand ich interessant, weil es halt irgendwie so viel erzählt über unsere Beziehung mit der Natur. Eine Lichtverschmutzung, Sternenhimmel. Ich weiß nicht, wann du das letzte Mal einen superschönen Sternenhimmel gesehen hast, aber es war bestimmt nicht in der Stadt. Das macht schon was mit dir. Also ich war mal auf Klassenfahrt in Tschechien an so einem, was weiß ich, Schullandheim, wie die Dinger heißen, also wo Klassen einfach reingefahren werden. Eigentlich kann ich mich erinnern an diesen Sternenhimmel, den ich da gesehen habe. Das hat mich so umgehauen als Jugendlicher, weil ich das noch nie gesehen habe in Berlin. Und auch in Osuchi. In Osuchi gibt es auch wunderschönen Sternenhimmel, weil da halt keine Lichtverschmutzung ist oder wenig. Und das macht schon menschlich was mit einem, diesen Sternenhimmel zu sehen. Und da denken wir wenig drüber nach. Und du merkst allein, wie ich schon darüber, rede, da ist viel dahinter. Das ist nicht nur eine Insel mit einem schönen Sternenhimmel, sondern da ist eine ganze Menge drin. Und das irgendwie zu sehen, zu entdecken, zu erspüren und aber auch mit sich selber irgendwie zu fragen, was begeistert mich daran. Das sind wichtige Fragen, die mittlerweile auch sehr viel unbewusst bei mir passieren, wo ich sehe was und dann macht es so kurz Klick in mir und dann, okay, Moment, was ist das? Da gucke ich nochmal genauer rein.
Kai Behrmann
01:33:33
Ja, wirklich einen tollen Einblick, den du da gibst in ein Japan oder in Facetten, die normalerweise nicht so im Mittelpunkt stehen und abweichen von dem Bild von Japan, was allgemein hin so dominiert. Also mit allen Klischees, die da verbunden sind und auch eben ganz, ganz stark mit dem Fokus so auf Tokio, auf die großen Städte, aber nicht diese Perspektive auf das, was auf dem Land passiert. Und du nimmst dir da unheimlich viel Zeit. Das merkt man auch, wie viel Rechercheaufwand da drinsteckt in diesem Buch. Und ja, es ist wirklich ganz, ganz spannend, da mal einzutauchen in diese Bereiche in Japan. Also eine unheimliche Bereicherung für alle, die vorhaben, mal nach Japan zu reisen. Also neben dem klassischen Reiseführer sich das auf jeden Fall auch mit ins Gepäck packen. Ich glaube, das vervollständigt dann sehr, sehr viel und gibt einem noch ein tieferes Verständnis für den Ort, auch wenn man die Sprache nicht so perfekt beherrscht oder nicht so gut beherrscht, wie du das tust. Aber es gibt einem dann doch eine schöne Perspektiverweiterung.
Fritz Schumann
01:34:47
Du hast gerade das richtige Wort gesagt, vervollständigen. Also ein komplettes Bild von einem Land, ich meine, ich mache das jetzt seit ein paar Jahren und ich glaube auch nicht so das perfekte Bild von Japan, denke ich, das allumfassendste. Ich habe noch nicht mit jedem Menschen dort gesprochen. Aber das ist mir auch wichtig, immer auch zu sagen, dass ich dieses Land sehr, sehr, sehr, sehr mag, obwohl ich es auch kritisiere und obwohl es auch kritisierungswürdig ist. Aber es ist auch diese, Ambivalenzen auszuhalten, das ist nicht einfach. Und das, ich weiß nicht, am Anfang war ich in Japan mit einer, ja, ein bisschen verklärten Brille, denke ich. Irgendwie alles ist toll, es ist wunderbar, die Züge sind pünktlich, das Essen ist so toll, Tokio ist so aufregend und dann bist du ein bisschen länger da, da hast du auch andere Seiten. Aber beides ist irgendwie richtig, beides ist stimmend. Also man, ich finde es auch schwierig, ein Land nur zu kritisieren. Zu sagen, Japan macht nur Scheißsachen. Also zum Beispiel in China, ich war letztes Jahr, vor letztes Jahr mal in China, auch in Ergänzung zu Japan-Recherchen, weil die beiden Länder sehr verknüpft sind. Ich habe da auch ein anderes Bild einfach gesehen von China. Also man kann China durchaus kritisieren für gewisse Sachen. Ein paar Sachen sind sehr interessant dabei und auch sehr viel toleranter, als ich dachte, was Japan angeht, weil auch in Japan das China-Bild sehr negativ ist. Und das hat mir echt nochmal so was gezeigt. Ich war zum Beispiel in Peking, gibt es ein Museum für den, hat einen ganz langen Namen, aber im Prinzip der Krieg gegen Japan. Also Japan hat ja China versucht zu erobern und die Chinesen haben versucht dagegen zu kämpfen. Und dazu gibt es ein Museum. Und der letzte Raum, das war überraschend wenig propagandistisch, weil sie das gar nicht machen mussten, ich hab das erwartet, dass sie super krass auf Japan einhauen, das machen sie nicht. Die haben einfach nur gesagt, was passiert da so. Und der letzte Raum in diesem Museum, in dem Anti-Japanischen Kriegsmuseum, ist ein Raum für die chinesisch-japanische Freundschaft. Und das fand ich schön. Und vor allem, sie sind auch da nicht doof, weil der letzte Teil von diesem Raum sagt halt, ja, es gibt auch revisionistische Strömungen, anti-chinesische Strömungen in Japan, auf die müssen wir irgendwie achten. Weil die Chinesen kommen halt eher so aus einer Jahrtausendenperspektive. Die sagen halt irgendwie, Japan war eine Kolonie von China vor irgendwie 1300 Jahren. So betrachten die es eher. Japan sieht sich halt eher so im Zettelmodernen, dass sie halt seit dem 19. Jahrhundert ihre Beziehung zu China neu verhandeln, neu definieren. Und das ist halt, also das irgendwie diese Amövalenzen, irgendwie China-Japan auszuhalten, genauso wie Japan macht Sachen scheiße, Japan macht Sachen sehr gut. Und weder das eine noch das andere ist halt die eine Wahrheit und das war mir auch wichtig in dem Buch irgendwie darzustellen, dass es irgendwie nicht nur das eine Bild gibt und das, da habe ich aber glaube ich Jahre gebraucht, das auch so für mich zu verstehen. Ich hatte zum Beispiel, als ich diese Recherche gemacht habe zu japanischen Kriegsverbrechen oder Kriegsvergangenheit, da hatte ich einen sehr deutschen Blick und meinte halt, ja, wie Deutschland das gemacht hat, die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, darf man in Japan was lernen. Dann habe ich einen chinesischen Professor getroffen in Berlin, der gerade eine Gastprofessur hatte. Und der meinte, das war ein sehr westlicher Blick. Und Deutschland hat das auch nicht so aus freien Stücken gemacht. Das war Jahre Arbeit durch Polen, durch Frankreich, durch andere Nationen, die Deutschland darauf hingewiesen haben, was wir gemacht haben. Wo wir jetzt an einem Punkt sind, finde ich, wo wir sehr offen mit unserer Kriegsvergangenheit umgehen. Und das sind Jahrzehnte, die in Japan nicht passiert sind. Und diese Kritik übe ich an Japan, die stimmt auch, die muss man aber im Kontext sehen, dass es einfach in Japan ein bisschen anders war. Und ich glaube, das, um es zusammenzufassen, ich glaube, mein Japan-Bild verändert sich auch konstant. Deswegen fällt mir diese Eingangsfrage, die du gestellt hast, wie bin ich zu Japan gekommen, fällt mir auch immer schwierig zu beantworten, weil es auch immer anders ist. Ja, ein dynamischer Prozess. Ja, hättest du mich irgendwie mit 14 gefragt, hätte ich gesagt, ja, da kommen die Animes her, da will ich hin. Hättest du mich mit 16 gefragt, hätte ich gesagt, ja, da kommt irgendwie Zelda und Mario her, da will ich hin. Und als ich mit 20 da war, hätte ich gesagt, ja, hier ist Essen so cool und irgendwie Reisen macht so viel Spaß und die Ästhetik ist so cool. Hättest du mich mit 30 gefragt, was du auch getan hast, da war ich gerade 30, da habe ich die Bergmönche gemacht. Da weiß ich gar nicht mehr, was ich gesagt habe. Hört gerne rein in den Podcast. Aber da war ich schon relativ erwachsen und ich glaube, jetzt bin ich noch mal eine Stunde weiter, weil ich irgendwie so mit bis 30 mehr so mich auf die Menschen konzentriert habe. Und ich jetzt auch gerade mit der Recherche fürs Buch so eher so Systeme versuche zu erkennen oder Komplexitäten, wie was zusammenhängt. Und was ich auch interessant finde, wenn ich Menschen in Japan erzähle, was ich in Japan gemacht habe, die gucken mich an, als ob ich ihr Land besser kenne als sie. Und dass ich dann teilweise auch so Geschichtsvermittler bin, oder Geschichtshändenvermittler, in Japan, dass ich Leuten Tokio von den Bergmännchen erzähle, von denen sie es dann nie gehört haben. Und das ist irgendwie eine Position, die hätte ich vor zehn Jahren noch nicht. Und das ist interessant. Ich glaube, das Gleiche gilt auch für Deutschland. Ich habe definitiv in Japan mehr Orte gesehen, als ich in Deutschland Orte gesehen habe. Weil, das kennst du ja auch, warum sollte man das eigenes Land bereisen, das besser kennenlernen. Genauso auch die Menschen in Japan wahrscheinlich auch nicht komplett das Land so bereisen, wie ich das tue. Und das ist, ich weiß nicht, Menschen in Japan, Geschichten in Japan zeigen zu können, die sie noch nicht kannten, das ist neu und das ist irgendwie auch interessant. Und das hat mir auch nochmal gezeigt, was ich mittlerweile für einen tiefen Einblick bekommen habe. Und ja, auch ich hatte immer gedacht, es gibt irgendwann einen Punkt, wo du sagst, okay, ich habe jetzt alles gesehen in Japan, ich muss jetzt nicht mehr hinfahren. Also 2014 hatte ich gedacht, das ist so. Und dann bin ich nochmal hingereist und dachte, ey, du Blödmann, dieses Land ist so groß, es gibt so viel zu entdecken. Und dass ich mir immer noch Themen aufschreibe, wo ich denke, ey, das hört einfach nicht auf. Also es gibt irgendwie so viele unentdeckte Sachen in diesem Land, ich habe es vorhin gesagt. Also ich habe noch genug Stoff jetzt schon für vier weitere Bücher dieser Art. Zeit ist nochmal eine andere Frage. und das ich glaube, ja, um das von vorne zu beantworten, von vorher zu beantworten. Was mich an das Land so fasziniert, warum ich mich dann beschäftige, weil es irgendwie immer was zu entdecken gibt. Das klingt so klischeebehaft, aber stimmt, es ist irgendwie, du hörst was und dann fährst du da hin und entdeckst du da was. Es hört einfach nicht auf, spannend zu sein. Das ist eigentlich eine scheiß Aussage, Aber es ist halt einfach wirklich so.
Kai Behrmann
01:41:58
Ja, aber es ist ja eigentlich auch das Schönste, was einem passieren kann. Ob man jetzt als Fotojournalist arbeitet oder auch, wenn man als Hobbyfotograf unterwegs ist, irgendein Thema zu finden, so eine Region, so ein Land, in das man immer wieder eintaucht, immer wieder neue Facetten entdeckt und es einem nie langweilig wird.
Fritz Schumann
01:42:20
Jetzt muss man nur jemanden finden, der all das bezahlt und wie viel reisen und so. Das ist dann das Kunststück. Aber ich meine, da arbeite ich seit 15, 16 Jahren dran. Hat bislang ganz gut geklappt. Vielleicht gelingt es mir auch in den nächsten 15, 16 Jahren.
Kai Behrmann
01:42:36
Ja, dann hoffe ich auch, dass das Buch ein bisschen dazu beiträgt, dass sich viele Exemplare verkaufen. Obwohl ich auch aus eigener Erfahrung weiß, dass man allein mit Büchern nicht reich wird. Ich hoffe, dass du da aber trotzdem viele Bücher verkaufst. Erschienen im Reise The Passion Verlag. Es ist wirklich ein toller Verlag. Ich habe auch mit Johannes Klaus ein Interview geführt. Wir haben auch über diesen Verlag gesprochen. Das Buch ist ja hervorgegangen aus dem Blog Reise de Passion. Also wirklich ein ganz, ganz tolles Projekt. Einmal konzeptionell, inhaltlich, die Art und Weise oder die Art der Bücher, die da gemacht werden und dann auch die ganze Haptik. Also auch das, wenn man das Buch in die Hand nimmt, das ist sehr, sehr schön gestaltet. Ein schöner Umschlag aus Karton und dann auch im Buch drin selber das Papier, die ganze Kombination eben auch aus Text und Bildern. Ja, wirklich eine Rundumrunde Geschichte ist das geworden.
Fritz Schumann
01:43:46
Das war auch ein Grund, warum ich zur Reise fashion wollte, weil die so schöne Bücher haben. Ja, ich will auch schon ein schönes Buch haben. Auch, dass die halt so cool sind und so geduldig waren mit mir und irgendwie auch wirklich Dialog auf Augenhöhe. Das ist ja nicht mein erstes Buch und ich fühle mich hier wirklich sehr gut aufgehoben und war auch ein bisschen überrascht. Also bei meinen Verhältnissenbüchern, die sind erschienen und gut ist und hat der Verlag gar nicht mehr viel gemacht. Mir ist schon so, da bin ich ein bisschen mehr imobiert und die halt auch, was man irgendwie für Events machen kann, eine Lesung. Aber ja, was du meinst, dass ich häufig ein Feedback hatte. Vor zwei Wochen war ich bei einem Ort wegen einer möglichen Lesung, habe das Buch mitgebracht und dann guckte ich es sich an und meinte, das ist ja ein richtiges Buch. Das ist mit Hardcover und so. Und das fand ich auch kurios. Mit Büchern nicht reich werden, ja. Aber keiner wird mit Büchern reich, aber darum macht man auch nicht Bücher. Man macht Bücher, wenn man Geschichten erzählen will. Und das hat irgendwie, wenn man den ganzen Tag eh nur digital fotografiert, irgendwie Pixeln und herschiebt, auf dem Rechner, als ich Geschichten digital angucke, das ist echt noch was anderes, so ein Buch in der Hand zu haben. Und was ich davon interessant finde, mein verhältliches Buch, das war zehn Jahre auf dem Markt. Dann wurde der Verlag verkauft und die haben ja diese Serie eingestellt, also 151 hieß die. Also es lag jetzt nicht am Buch selber, sondern einfach nur das verlagsinterne Entscheidung. Das hätte ich auch nicht gedacht. Und das ist halt irgendwie auch so mein Hoffnung für dieses Buch, das ist auch so geschrieben, eher so zeitlos, dass man es in zehn Jahren sich angucken kann und einem schöne Geschichten erzählt bekommt. Und bislang läuft es ganz gut. Also wir reden über eine zweite Auflage gerade. Rezensionen sind eigentlich alle positiv. Es gibt gute Rückmeldungen aus der Presse. Und ja, es hat auch bei vielen Japan-Kennern genau das ausgelöst, was ich mir erhofft hatte, dass es ihnen eine neue Perspektive aufzeigt. Und ja, also ich glaube auch, dass es bei diesem Buch auch so ein Sleeperhead sein könnte, dass es halt immer weiter empfohlen wird. Und das ist so ein bisschen meine Hoffnung, dass man halt irgendwie, dass es lange funktioniert. Man hat es lange genug gedauert, es zu schreiben. Ich hoffe, dass es ähnlich lange dann auch draußen ist und Leute begeistert. Und ja, jedes Buch ist so auch eine Chance für das nächste Buch. Wie gesagt, jetzt genug Stoff für vier weitere und gucken, ob es dann auch ein Teil zwei gibt.
Kai Behrmann
01:46:12
Und Fritz, bleib mir dir viel Erfolg zu wünschen für dieses Buch und natürlich dann auch für alle folgenden Projekte. Wenn es da was Neues gibt, ich werde das im Auge behalten und dann können wir uns gerne nochmal wieder darüber unterhalten. Also ich finde es auch immer, ich mache diesen Podcast ja auch ein Stück weit aus Eigennutz, dass ich meine eigene Neugier damit befriedigen kann, die Möglichkeit habe, mit spannenden Menschen mich zu unterhalten. Und das war heute wieder so ein Gespräch, eine auditive Reise nach Japan, auch wenn ich selbst noch nie dort gewesen bin. Aber irgendwann muss ich, glaube ich, auch mal den Blick dorthin richten, nicht immer nach Südamerika zu fahren, sondern Japan reizt mich da auch schon. Und ja, aber auch was deine Herangehensweise an das Geschichtenerzählen angeht, da habe ich mir einiges jetzt auch mitgenommen und finde diesen Ansatz eben sehr, sehr spannend.
Fritz Schumann
01:47:11
Danke sehr, danke auch für das Gespräch, dass ich ein bisschen erzählen konnte. Vielleicht soll ich auch mal nach anderen Kontinenten gucken, nicht nur Japan, wie das deine Tipps zu Herzen nehmen und nach Südamerika mal gucken. Ja, genau.
Kai Behrmann
01:47:25
Dann gehst du mal in die andere Richtung und berichtest dann, wie du das dort empfunden hast. Sehr schön, Fritz. Dann an dieser Stelle ganz, ganz herzlichen Dank. Viel Erfolg für das Buch und ja, weiterhin viele Ideen und Schwung, diese auch umzusetzen.
Fritz Schumann
01:47:42
Danke dir.
Kai Behrmann
01:47:43
Bis dann. Tschüss.
Fritz Schumann
01:47:44
Tschüss.
Music
01:47:47