art talk - die Bildhauerin Sigrún Ólafsdóttir
Ein Portrait der Bildhauerin Sigrún Ólafsdóttir - ein Gespräch über ihre isländischen Wurzeln, ihre Arbeit mit Holz, Gummi, Stahl und ihre aktuellen Projekte
31.10.2025 44 min Verena Feldbausch
Zusammenfassung & Show Notes
Sigrún Ólafsdóttir (1963) studierte Bildhauerei in ihrer Heimat Reykjavík in Island, und setzte ihr Studium in Freier Kunst und Bildhauerei bei Wolfgang Nestler an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken fort. Hauptmedien der Künstlerin sind Zeichnung und Skulptur bzw. Plastik. Ihr zentrales Thema ist das Verhältnis von zwei sich bedingenden Kräften – z. B. Bewegung und Ruhe, Statik und Dynamik, Schwere und Leichtigkeit. Bei den Skulpturen spielt das Material - Stahl, Aluminium, Latex Gummi oder Holz - eine zentrale Rolle.
Die seit den 1990er Jahren in Saarbrücken lebende Künstlerin wurde im Jahr 2022 für ihr herausragendes Kunstschaffen mit der Verleihung des Albert-Weisgerber-Preises für Bildende Kunst der Stadt St. Ingbert geehrt. Für die Sonderpräsentation in Kooperation mit der Stadt St. Ingbert hat die Gastkuratorin Andrea Fischer von der Albert-Weisgerber-Stiftung zusammen mit der Künstlerin Exponate aus mehreren Jahrzehnten ausgewählt. Zu sehen sind ihre Werke in der Modernen Galerie Saarbrücken in der Ausstellung Gegenwärtige Bewegung, die ab dem 29. November 2025 bis 12. April 2026 läuft.
Shownotes:
Die Künstlerin: https://www.sigrun-olafsdottir.de
Die Ausstellung: https://www.modernegalerie.org/de/ausstellungen
Der Preis: https://www.wssi.de/sigrun-olafsdottir-erhaelt-den-albert-weisgerber-preis-der-stadt-st-ingbert/
Inspirationen: Louise Bourgeois, Eva Hesse, Richard Deacon, Tony Cragg, Barry Flanagan
Produziert von art trailer feldbausch: https://feldbausch.com/
Die seit den 1990er Jahren in Saarbrücken lebende Künstlerin wurde im Jahr 2022 für ihr herausragendes Kunstschaffen mit der Verleihung des Albert-Weisgerber-Preises für Bildende Kunst der Stadt St. Ingbert geehrt. Für die Sonderpräsentation in Kooperation mit der Stadt St. Ingbert hat die Gastkuratorin Andrea Fischer von der Albert-Weisgerber-Stiftung zusammen mit der Künstlerin Exponate aus mehreren Jahrzehnten ausgewählt. Zu sehen sind ihre Werke in der Modernen Galerie Saarbrücken in der Ausstellung Gegenwärtige Bewegung, die ab dem 29. November 2025 bis 12. April 2026 läuft.
Shownotes:
Die Künstlerin: https://www.sigrun-olafsdottir.de
Die Ausstellung: https://www.modernegalerie.org/de/ausstellungen
Der Preis: https://www.wssi.de/sigrun-olafsdottir-erhaelt-den-albert-weisgerber-preis-der-stadt-st-ingbert/
Inspirationen: Louise Bourgeois, Eva Hesse, Richard Deacon, Tony Cragg, Barry Flanagan
Produziert von art trailer feldbausch: https://feldbausch.com/
Transkript
Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux.
Wir treffen KuratorInnen und KünstlerInnen dort, wo sie gerade ausstellen.
Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region.
Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen.
art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt.
Verena Feldbausch: Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von art talk SaarLorLux,
dem Podcast über Kunst und kreative Menschen in unserer Region.
Ich bin Verena Feldbausch und heute freue ich mich ganz besonders auf ein Gespräch mit der Bildhauerin Sigrún Ólafsdóttir.
Sigrún studierte Bildhauerei in ihrer Heimat Reikjavik in Island
und setzte ihr Studium in freier Kunst und Bildhauerei bei Wolfgang Nestler an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken fort.
Hauptmedien der Künstlerin sind Zeichnung und Skulptur.
Ihr zentrales Thema ist das Verhältnis von zwei sich bedingenden Kräften,
zum Beispiel Bewegung und Ruhe, Statik und Dynamik, Schwere und Leichtigkeit.
Bei den Skulpturen spielt das Material, Stahl, Aluminium, Latex, Gummi oder Holz eine zentrale Rolle.
Wir sprechen heute über ihren künstlerischen Weg, über Inspirationsquellen
und was es bedeutet, als Bildhauerin zwischen zwei Kulturen zu leben und zu arbeiten.
Liebe Sigrún, schön, dass wir uns heute in deinem Atelier treffen können.
Wenn du dich selbst als Künstlerin in wenigen Worten beschreiben müsstest, wie würdest du das tun?
Sigrún Ólafsdóttir: Das ist schwer zu sagen, weil ich habe nie was anderes gemacht.
Und das war immer meine Nische als Kind, wo ich so meine Ruhe hatte und was ich nicht wusste,
was damals hieß, Meditation, alleine mit Gott und der Welt zu sein.
Bei mir war das Basteln und damit habe ich nie aufgehört.
Verena Feldbausch: Ja, das ist doch eine schöne Aussage schon mal.
Du bist in Island aufgewachsen, in einem Land mit einer sehr besonderen Landschaft und Kultur.
Wie hat diese Umgebung dein künstlerisches Empfinden geprägt?
Sigrún Ólafsdóttir: Also es gibt Menschen, die sagen, meine Kunst ist sehr nordisch.
Ich weiß nicht, was das bedeutet, weil meine Kunst oder mein Werk ist einfach mein Werk, was ich tun muss.
Und aus innerer Bewegung steht eine äußere Erscheinungsform.
Aber ich glaube, wenn man mit so Extremen aufwächst wie im Norden,
wir haben extrem viel Licht und extrem viel Dunkelheit.
Und das tragen wir auch in uns.
Und ich glaube, das ist die Hauptquelle.
Es war erst später und das ist das Dankbare, wenn man älter werden darf, zu sehen, was ist, im Rückblick, was ist das eigentlich, womit ich mich beschäftigt habe.
Und das war immer Ringen ums Gleichgewicht.
Verena Feldbausch: Genau, das ist dein Thema eigentlich.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja, das ist existenziell.
Das ist einfach, wieso muss ich um jede einzelne Arbeit ringen, damit sie steht.
Weil ich bin eigentlich ein sehr spontanes Wesen.
Ich könnte auch flups mit großen Gesten etwa.
Aber ich bin immer darauf zurückgekommen, das in Lot zu bringen, was ich in der Welt nehme und auch in meiner Welt wahrnehme.
Und dann war es mir klar, ja, gerade in dieser Beschäftigung, wo ich jetzt nur das Werkzeug bin für das, was gemacht werden will.
Ja, das Schönste, was ich mache im Leben.
Ja.
Und auch aus innerer Notwendigkeit.
Es war einfach meine Lebensrettung als Kind zum Beispiel.
Während das für andere Bücher oder Sport waren.
Ich hatte zwar auch Sport, das hat mir auch sehr, sehr gut getan.
Aber das war einfach das, was mir geholfen hat auf dem Weg, um diesen Gleichgewichtspunkt zu finden.
Deshalb habe ich oft gesagt, wenn Leute zu sagen, was machen sie von Beruf?
Ich bin eine Seiltänzerin.
erena Feldbausch: Schönes Bild, ja.
Es geht um Gleichgewicht, ganz genau.
Was hat dich ursprünglich zur Bildhauerei geführt?
Gab es einen Moment, in dem du wusstest, das ist mein Medium, damit möchte ich mich näher auseinandersetzen?
Sigrún Ólafsdóttir: Das war die Dreidimensionalität.
Ich habe auch Häuser, Räume, alles Mögliche gezeichnet, bevor ich dann mit Material anfing zu skizzieren.
Ich hatte das Glück, in einer Stadt, was damals ein Dorf war in Island, wir konnten unendlich viele Materialreste bekommen von den Werkstätten.
Holz, es gab auch eine Gummiewerkstatt, Leiterwerkstatt.
Das zog mich einfach mehr an, was Plastisches von allen Seiten.
Klar habe ich auch viel gezeichnet, aber das war die Faszination von der Vielseitigkeit im wahrsten Sinne.
Ein Subjekt hat immer mehrere Seiten, das hat nicht nur eine.
Unten, oben, alle Seiten, das war der große Anziehungspunkt.
Verena Feldbausch: Du lebst und arbeitest inzwischen in Saarbrücken. Was hat dich hierher geführt und wie beeinflusst dieses Leben hier deine Arbeit?
Sigrún Ólafsdóttir: Ursprünglich bin ich gekommen, um nur drei Jahre zu bleiben oder vier.
Zum Studium?
Ja, zum Studium.
Einfach weil ich die Gelegenheit hatte, weil man keinen Abschluss in Island damals machen konnte und ich wollte die Gelegenheit nutzen, ins Ausland zu gehen.
Und der Grund, warum ich Saarbrücken gewählt habe, war, dass wir hatten in der Bildhauerabteilung in Island immer Gastprofessoren und die waren aus Deutschland.
Und einer davon, der Volker Nestler, hat hier eine Professur, also eine Stelle an der HBK bekommen und hat uns darauf angewiesen, wir sollten uns, wenn wir ins Ausland gehen wollten, das auch anschauen.
Weil es wäre nicht unbedingt besser, in den großen Städten zu sein.
Und der Hauptgrund war, mein Sohn war damals zwei Jahre alt und ich wusste, es ist in einer kleineren Gemeinde einfach, alleine mit Kind zu sein, als in einer Großstadt.
Und das war der Grund, warum ich mir das hier angeschaut habe und ich fand das gut, übersichtlich und habe mich entschlossen, hier dann zu studieren und mein Diplom zu machen.
Verena Feldbausch: Das war damals in Island nicht möglich, dass du ein Diplom machst?
Sigrún Ólafsdóttir: Nicht, das war ein Master.
Ah ja.
Man konnte Vordiplom machen.
So ähnlich wie man BAföG kriegt, kriegt man in Island dann auch, das heißt, Studentendarlehen, wenn man etwas in Island nicht zu Ende studieren kann.
Verena Feldbausch: Ah ja.
Okay, das ist interessant, ja.
Die Vorbereitung einer Skulptur ist ja aufwendig.
Wie lange dauert dieser Prozess der Vorbereitung?
Wie gehst du künstlerisch vor?
Machst du Vorzeichnungen?
Ich weiß, dass du Modelle baust.
Wie passiert das?
Sigrún Ólafsdóttir: Meistens fängt das an als eine grobe Skizze auf Blatt Papier.
Dann fange ich an, in Material direkt zu skizzieren, um mindestens auszuschließen, was nicht geht.
Und dann Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.
Oft fängt das mit viel an und dann geht es mir darum, das auf den Punkt zu bringen und alles wegzumachen, was nicht notwendig ist.
Verena Feldbausch: Kannst du sagen, wie lange so ein Arbeitsprozess dauert?
Sigrún Ólafsdóttir: Sehr unterschiedlich.
Ich habe vielleicht zwei Werke geschenkt bekommen in meinem Leben, die mir so aus der Hand geflutscht sind oder gerutscht sind.
Aber das andere ist alles Ringen.
Einige stehen auch hier und sind nicht fertig.
Aber manchmal schauen die mich an, nach fünf Jahren, dann weiß ich genau, das ist der Schlussteil.
Jetzt weiß ich, wie es gemacht werden muss.
Verena Feldbausch: Das ist ja schön.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja.
Das ist unterschiedlich.
Es ist natürlich was ganz anderes, wenn ich Werke für Außenbereich mache.
Zum Beispiel jetzt dieser Kunst am Bau in Island.
Das muss erdbebensicher sein.
Das muss Wind aushalten.
Und dann ist die Arbeit mit einem Statiker.
Ja.
Das mache ich auch seit über 30 Jahren.
Verena Feldbausch: Genau.
Da kommen wir mal zur Materialität.
Also deine Werke sind aus Stahl, Aluminium, Latex, Gummi oder Holz gearbeitet.
Wie entscheidest du, welches Material zu einer Idee passt?
Sigrún Ólafsdóttir: Das kommt auf das Werk selbst.
Also klar bin ich ein Materialist, weil ich mit Material arbeite.
Aber das Material an sich, so wie bei Steinbildhauer oder Stahlbildhauer, war nie mein Medium,
sondern einfach das Material, was der Idee entspringt.
Zum Beispiel, wenn ich etwas Fragiles, Zerbrechliches machen will, dann mache ich das aus meinem Holz.
Weil es sieht aus, als wäre das zerbrechlicher, auch wenn es das nicht ist.
Das heißt, die Idee sucht sich das Material, was sie braucht, um sich zu entfalten.
Ja.
Genauso wie diese, wo ich anfing mit dem Gummi, diese Reihe von Arbeiten,
die Entspannung oder Ausdehnung mit dem festen Kern und der Flüssigen...
Dann dachte ich, was kann diese Idee unterstützen?
Verena Feldbausch: Und hier nochmal ein Hinweis in einer Sache.
Wie bei jedem Podcast stellen wir Bilder der besprochenen Arbeiten in unseren Blog.
Und wie ihr zu dem Blog kommt, das seht ihr in den Shownotes.
Und nun zurück zum Podcast.
Sigrún Ólafsdóttir: Und dann kam ich zurück, auch auf meine Kindheit, wo wir Gummi hatten, und dachte, ja, das wäre spannend.
Einfach das Haptische.
Auch das hat fast was wie die menschliche Haut.
Das ist auch spannend.
Das ist oft in Ausstellungen, wo die Wächter der Ausstellung sagen,
Leute wollen, die wollen es anfassen.
Und das lädt dazu ein.
Das finde ich spannend.
Einfach so wie die menschliche Haut.
Verena Feldbausch: Aber diesen Impuls habe ich auch sehr oft, wenn ich in eine Ausstellung gehe mit Skulpturen,
dass ich die anfassen möchte.
Ja.
Also, aber das ist halt nicht immer erlaubt.
Bildhauerei ist ja auch körperlich sehr anspruchsvoll.
Welche Rolle spielt der körperliche Aspekt für dich im kreativen Prozess?
Sigrún Ólafsdóttir: Momentan, wo ich jetzt stehe, kann ich natürlich nur Modelle bauen, was leichtes körperliches.
Aber ich habe sehr schwere körperliche Arbeit geleistet früher.
Aber jetzt macht das die Industrie.
Also ich arbeite mit einem guten Schlosser und er übernimmt dann die Ausführung in entweder Aluminium, Stahl.
Dann liefere ich die Zeichnungen, Modelle, was dann vom Statiker geprüft ist.
Verena Feldbausch: Und die Modelle sind in der Regel aus Holz, oder?
Sigrún Ólafsdóttir: In der Regel mache ich meine Modelle aus Holz.
Ich habe mein Lieblingsmaterial schon von Anfang an.
Das ist das Flugzeugsperrholz aus Finnland, Birken, womit früher die Segelflieger gebaut wurden.
Ein tolles Material.
Verena Feldbausch: Diese Modelle, die ich hier sehe, die sind ja oft schwarz.
Malst du die dann an, oder?
Sigrún Ólafsdóttir: Genau.
Wie gesagt, also meine Arbeiten brauchen keine Farbe.
Und trotzdem beinhalten die alle Farben.
Weil zwischen dem Weiß im Licht, lichtes Weiß, und dem Schwarz sind alle Farben.
Also der Betrachter kann sich seine eigene Farbe aussuchen.
Verena Feldbausch: Ja, das ist das ganze Spektrum der Farben.
Sigrún Ólafsdóttir Das ganze Spektrum.
Verena Feldbausch: Zwischen Schwarz und Weiß.
Gibt es ein Werk, oder auch vielleicht mehrere, an dem du besonders gewachsen bist?
Vielleicht, weil es dich technisch oder auch emotional herausgefordert hat?
Sigrún Ólafsdóttir: Ich weiß es nicht.
Das ist ein kontinuierlicher Prozess.
So ist das einfach gewachsen.
Manchmal greife ich auch zurück auf alte Ideen, die ich damals nicht so wertschätzen konnte,
die mit der jetzigen Erfahrung gewachsen ist.
Und diese Kombination ist interessant.
Weil ich denke, auch wenn wir das Glück haben, 100 Jahre alt zu werden, deshalb sage ich, kein Werk ist alt.
Und was ist mein Lebenswerk? Was ist ein neues Werk?
Es entsteht aus Erfahrung.
Und diese Tätigkeit ist wie eine Forschung.
Diese Neugier und ewige Forschung.
Immer wieder ausprobieren.
Nie aufhören, neugierig zu sein.
Verena Feldbausch: Das ist auch ein schönes Lebensmotto.
Ja.
Kommen wir mal zu den Themen und zur Inspiration.
Also es geht in deinen Skulpturen oder Plastiken ja um Gegensätze.
Um schwarz und weiß, männlich und weiblich, hart und weich, Weite und Nähe.
Was interessiert dich an diesen Gegensätzen?
Sigrún Ólafsdóttir: Mein innerer Gleichgewichtspunkt. Das weiß ich jetzt.
Verena Feldbausch: Das weiß man nach jahrelanger Forschung.
Sigrún Ólafsdóttir: Ich wusste es nicht vor 30 Jahren.
Warum habe ich das die ganze Zeit gemacht? Und genau so.
Verena Feldbausch: Und wie findest du das Gleichgewicht zwischen diesen Gegensätzen?
Sigrún Ólafsdóttir: Indem ich das mache.
Wie eine Meditation, nicht irgendwie sich hinsetzen zweimal am Tag, sondern den ganzen Tag.
Es ist ein wenig, wie auch Musiker sitzen müssen und Noten üben, um die tollsten Werke spielen zu können.
Es geht darum, einfach zu probieren, zu probieren, zu probieren.
Wegwerfen, weiterprobieren, üben.
Bis das irgendwann mal stimmt.
Und das meine ich mit dieser Meditation.
Das Innehalten, trotz aller Möglichkeiten, die Sachen gegen die Wand zu schmeißen und sagen, wie ich das früher gemacht habe.
Ich bin unbegabt.
Wofür habe ich acht Jahre Kunst studiert?
Wenn daraus nichts kommt.
Und das ist jetzt der Unterschied.
Und einfach mit mehr Geduld und Verständnis für das Ganze.
Das ist einfach Üben, Ausdauer, Entschlossenheit.
Und wenn etwas nicht stimmt und anfängt, mich zu ärgern, mich hinsetzen und sagen, okay, jetzt ist Zeit, nach Hause zu gehen und morgen schaue ich mir das an.
Ob das wirklich so schlimm ist, wie ich das jetzt genau sehe.
Das ist der Unterschied.
Verena Feldbausch: Dass du nicht mehr alles gegen die Wand schmeißt, sondern einfach sagst, okay.
Vielleicht ist Pause angesagt.
Sigrún Ólafsdóttir: Genau.
Verena Feldbausch: Und deine Plastiken sind oft nicht statisch, sondern eben in Bewegung.
Zum Beispiel bei dem Tänzer.
Diese Plastik bewegt sich, sie ist dynamisch.
Warum ist das wichtig für dich?
Sigrún Ólafsdóttir: Weil ohne Bewegung stagniert das Leben und alles.
Nicht alle meine Arbeiten sind so, aber jetzt sprechen wir über den Tänzer.
Ich sehe die auch als Körper.
Ich habe immer so eins zu eins, ich und mein Gegenüber, der auch etwas Menschliches, ist vielleicht zu viel gesagt, aber es ist auch ein Individuum.
Deshalb war ich nie für Sockel.
Ich war möglichst für etwas, was selbst alleine auf dem Boden steht, ohne Hilfe zu brauchen.
Und irgendwann mal kam es zu dem Tänzer.
Und ich wusste, das braucht eine sehr leichte Seite und eine sehr schwere Seite.
Und das musste ins Lot gebracht werden.
Beide mit der Höhe und Form des Flügels und diesem Halbkugelsegment, das stabil genug sein muss, das trotzdem leicht genug ist, sich bei Wind zu drehen.
nd da habe ich mit meinem Statiker gesprochen, wie kann ich das machen.
Und da hat er gesagt, das kann ich nicht.
Weil ich muss eine feste Form haben.
Ja.
Einen festen Punkt.
Also dann ging das wieder, wie gesagt, das ewige Experiment los.
Und das ist so bei, ich habe verschiedene Arten von Tänzern gemacht.
Und jeder ist nur für sich selbst gemacht.
Ich kann ihn nicht zweimal machen.
Und das ist so bei, wie die Gewichte und wie diese Halbkugelschale ausgelotet wird, ist eine einmalige Sache.
Wo es ständig probiert werden muss.
Mit der Bewegung des Flügels, mit der Neigung des Flügels.
In Kombination mit dem Durchmesser, was da unten steht.
Und dass es trotzdem sich bewegen kann.
Und das ist einfach, es ist sehr menschlich.
Es ist einfach, das Stehen trotz aller Möglichkeiten zu fallen.
Es ist eigentlich ein Wunder, dass wir leben.
Wie oft haben wir die Möglichkeit gehabt, einfach ein für allemal zu fallen und nicht wieder aufzustehen.
Und die sind auch alle so austariert, dass die auch bei höchsten, ja natürlich nicht beim Weltuntergang,
aber beim stärksten Wind sind die so austariert, dass die nicht wegfliegen.
Aber das Spannende ist, früher hatten die nicht diesen Drehkranz mit Kugellager, damit die an einem Ort bleiben.
Weil wenn die das nicht hatten, diesen Halt mit Kugellagern, dass es sich bewegen kann,
dann sind die gewandert bei Wind.
Und das war natürlich nicht gut, wenn die über die Straße wandern und irgendwie in die Stadt spazieren gehen.
Das heißt, die Idee hat sich weiterentwickelt, damit die einfach an Ort und Stelle bleiben,
aber sich trotzdem sich drehen und bewegen können.
Verena Feldbausch: Ja..
Genau.
nd wie wir schon jetzt gesagt haben, bei Deinen Arbeiten geht es ja oft um den kurzen Moment,
wenn beide Gegensätze gleich stark sind.
Also wenn sie im Gleichgewicht sind.
Ich zitiere die Cornelieke Laagerwart:
Es geht um die Pause zwischen Ein- und Ausatmen, zwischen Ebbe und Flut, zwischen Flieh und Anziehungskraft.
Wenn der hochgeworfene Ball einen Augenblick lang in der Luft hängt.
Wie findest du diesen Moment?
Sigrún Ólafsdóttir: Er kommt zu mir, wenn ich dafür bereit bin.
Und oft muss ich lange auf ihn warten.
Den kann ich nicht erzwingen.
Verena Feldbausch: Das hast du ja auch gesagt, mit dem Wegstellen, die Arbeit nochmal wegstellen und dann nochmal anschauen.
Und dann, das kann dann auch Jahre dauern.
Sigrún Ólafsdóttir: Ich glaube, dafür machen die meisten Künstler das.
ür diese, wir können das Belohnung nennen, aber du ringst so lange, du bist so lange am Sitzen, am Üben, Noten üben.
Wie die Musiker, die müssen lange sitzen.
Dann plötzlich kommt das.
Und das ist der Moment, wo ich sage, es nicht ich, die ich das tue, sondern es geschieht.
Wo man einfach nur das Werkzeug ist, was bereit ist zu geschehen.
Verena Feldbausch: Das zuzulassen.
Sigrún Ólafsdóttir: Zuzulassen und offen dafür zu sein.
Es geht auch um diese Offenheit für diesen Moment.
Und diesen Moment kann ich nicht erzwingen.
Das ist das A und O.
Das ist, glaube ich, das, da wo es mir ziemlich früh klar war, ich kann mir nichts anderes vorstellen, als das zu machen.
Als solche Momente zu erleben dann auch, wo alles stimmt und wo alles dann ins Gleichgewicht fällt.
Das andere ist Übung, klar.
Es fängt oft sehr leicht mit einer Idee an.
Dann kommt der Prozess und man denkt, was ist das eigentlich?
Und dann einfach, wie gesagt, diese Geduld, diese Verständnis für das, was geboren werden will, da nicht aufzugeben.
erena Feldbausch: Spielt Deine isländische Herkunft auch inhaltlich eine Rolle in deinen Skulpturen oder Plastiken?
Also ich denke an die Mythen von Naturgeistern, von Elfen und Trollen, von Symbolen und von der sehr besonderen Landschaft in Island.
Sigrún Ólafsdóttir: Mit Sicherheit.
Mit Sicherheit.
Also alleine diese Extreme.
Es ist einfach ein verrücktes Volk.
Mit verrückten Naturelementen.
Hell, dunkel, Erdbeben, Vulkanausbrüche.
Umso bewusster wird es uns, dass wir nur auf so eine hauchdünne Kruste wie einer Apfelschale, wenn man einen riesen Apfel hat, dann ist alles innen drin ein glühender Kern.
Und es braucht nur einen klitzekleinen Unfall, damit es alles wegwischt.
Weil es ist bei uns erlebbar.
Und ich bin auch auf so einem Ort in Island aufgewachsen, wo man entweder Erdbeben in Wellen sieht, und dachte, auf der Wiese ist man plötzlich auf dem Meer, oder aus dem Küchenfenster schaut man auf einen spuckenden Vulkan.
Für uns ist das natürlich, weil wir nichts anderes kennen.
Diesen Respekt auch für diese Naturkräften haben wir.
Und mit Sicherheit hat das auch mit diesen Gegensätzen und den hellen und dunklen Seiten in mir zu tun.
Ja.
Ich glaube, mittlerweile denke ich und fühle, dass es die DNA der Isländer ist und aller, die so weit im Norden leben.
erena Feldbausch: Geht man denn auch anders in Island mit dem Tod um?
Sigrún Ólafsdóttir: Weißt du, das ist so.
Wir haben durch den Heidentum und auch Christentum eigentlich das Beste von beiden.
Als die unterwegs waren, die Christen.
Ja.
Dann hat unser heidnischer Häuptling sich Tag und Nacht unters Fell gesetzt.
Und hat zu seinem Volk gesagt, wir nehmen das Christentum so.
Sonst werden die uns alle schlachten.
Aber die kommen nur zweimal im Jahr, um uns zu checken.
Und das haben wir das Schönste von beiden.
Ja.
Jeder Opa geht mit einem Kind, spätestens, auch wenn er sagt, was ist das für ein Aberglaube, das gibt keine Elfen und Trolle, und sagt dem Enkelkind das.
Ich sage, mein Opa war mein Ein und Alles.
Ich hatte das Glück.
Meine Eltern waren so jung, die waren 20 und 23 und kannten sich nicht mal, als ich gezeugt wurde.
Meine Mutter fand es irgendwie Zeit, zu probieren, Sex zu haben, weil ihre Freundinnen das alle gemacht hatten.
Und die ist beim ersten Mal schwanger geworden.
Daran hat sie nicht gedacht.
Und die kannten sich nicht, meine Eltern.
Und ja, man lebt einfach anders damit.
Das ist einfach ... wir werden auch manchmal beneidet.
Ich sage auch, weißt du, die weggegangen sind wie mein Opa.
Der war mein Ersatzvater.
Ich war das erste Enkelkind und an seinem Geburtstag geboren.
Und er hat lange darauf gewartet, weil meine Oma und Opa hatten die drei ersten Kinder verloren bei der Geburt.
Ah ja.
Und meine Mutter und meine Tante haben gelebt.
Das heißt, er liebte Kinder und hat auf Kinder gewartet.
Und die Beziehung zwischen meinen Eltern war sehr schwierig.
Und ich hatte immer meine Nische bei Oma und Opa.
Und ich dachte, Gott wird sterben, als ich 14 war und mein Opa im Sterben lag.
Und dann hat er gesagt, Sigrún schon, du weißt, ich werde nie von dir weggehen.
Auch wenn du mich nicht mehr siehst.
Ich werde immer bei dir sein.
Und du brauchst mich nur rufen und ich komme.
Und das schwöre ich dir.
Verena Feldbausch: Ja, schön.
Sigrún Ólafsdóttir: Und das ist auch immer so gewesen.
Wir sind nicht in Gottes Angst oder Gottes Fürcht.
Wir sind gläubig, aber nicht religiös.
Ja.
Das ist der Unterschied.
Wir glauben, aber es ist nicht so der strafende Gott.
Wir gehen in die Kirche immer Weihnachten und so,
weil es ist einfach für die wunderschöne Musik.
Die Pfarrer halten das auch kurz,
weil sie wissen die Leute kommen für die schöne Weihnachtsmusik
und für das Ganze.
Für die Atmosphäre so.
Ja, und mein Urgroßvater war der berühmteste Pastor,
den er in Island gab.
Über ihn wurden mehrere Bände geschrieben.
Weil er so, der war Sozialarbeiter.
Der hat selbst elf Kinder bekommen.
Die haben alle gelebt.
Es gab viel Kindestod.
Er ist von Bauernhof zu Bauernhof geritten.
Der war auf dem Land, um Menschen einfach Sauberkeit beizubringen.
Und weißt du, so das Menschliche.
Und auch wenn er auf dem Land war und die Bauern kamen zur Kirche sonntags,
dann hat er die Predigten auch kurz gehalten,
weil die Leute waren da gekommen, um zu schnuppern und zu küssen.
Und weißt du, die jüngeren Leute wollten lieber Hand in Hand
und irgendwo auf der Wiese ein bisschen knutschen.
Weißt du, es ging um die Menschlichkeit.
Ja.
Und das ist, glaube ich, der Unterschied.
Wir haben also von dem Heidentum und Christentum das Schönste.
Und Siggi sagt, mein Sohn, der hat auch seinen Vater mit 49 verloren.
Und der hat gesagt, Papa ist jeden Tag bei mir, wenn ich Rat brauche.
Der war auch Künstler, Musiker.
Und weißt du, oft in seinem Fach jetzt bei Kulturgut Ost,
dann braucht der Rat.
Papa, wie würdest du es machen?
Und da sagen die Deutschen manchmal, weißt du, seid ihr Islander alle verrückt?
Nein.
Ich sage, weißt du, die weggehen, die sind nicht weitergegangen als das,
dass die jeden Tag mit uns.
Aber wir gehen nicht zu Friedhöfen, da sind die nicht.
Naja.
Die sind in uns, mit uns.
Ja.
Verena Feldbausch: Wie gehst du mit dem Thema Lehre und Raum um?
Also in der Bildhauerei ist ja das, was nicht da ist,
oft genauso wichtig wie das, was da ist.
Sigrún Ólafsdóttir: Genau, das ist wie diese Pausen zwischen den Atemzügen.
Damit hat es auch zu tun.
Und ich sehe meine Arbeiten, die meisten meiner Skulpturen sind,
sehe ich auch wie Zeichnungen.
Und mir ist das wichtig, dass man rein und raus gehen kann.
Mir war es auch wichtig, zum Beispiel bei der Arbeit in der Stadt, Duo,
das ist gleichzeitig, weil es sollte, auch wenn es nicht so geworden ist,
es sollte ein Platz werden, was das nicht geworden ist,
weil wir haben andere Informationen zu dem Ort bekommen.
Verena Feldbausch: Das ist der Ort, an dem deine Skulptur jetzt hier in Saarbrücken steht.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja, wo das Café Barcelona ist.
Verena Feldbausch: Genau, an der Saar.
Ja.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja.
Und da war mehr Platz gedacht.
Und die haben jetzt mehr Bestuhlung, als uns gesagt wurde.
Mir war wichtig, da auch was zu machen, wo man rein und raus kann, für Kinder,
wo es auch gleichzeitig ein Ort ist, wo man spielen kann.
Und das ist das, was mich am meisten freut, wo ich die ab und zu mal besuchen gehe,
die Kinder hängen an dem Gummi, die klettern und die Skater fahren auch dort.
Man sieht an ein paar Stellen in der Skulptur, wo es sehr glatt ist,
und da ist es, wo die Skater auch versucht haben,
das auch mit zu integrieren in die Gesellschaft, unter die Menschen zu bringen.
Dass es nicht nur irgendwie eine heilige Statue ist, sondern,
und das habe ich versucht jetzt in den Skulpturen, die im Außenraum sind,
dass man rein und raus gehen kann.
Verena Feldbausch: Und dass die das auch aushalten vom Material her.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja.
Möglichst so fragil, wie es erlaubt.
Und wieder das stehend, trotz aller Möglichkeit zu fallen.
Verena Feldbausch: Ja, genau.
Und das ist ja auch das Interessante an Deinen Plastiken.
Die sind elegant und gleichzeitig hat man so ein Gefühl von Bedrohung.
Also man fragt sich, wie hält das eigentlich, was da von der Decke hängt oder was im Freien schwingt?
Fällt das nicht irgendwie um?
Also kannst du uns was nochmal zu dem Verhältnis von Stabilität und Labilität sagen?
Sigrún Ólafsdóttir: Da komme ich wieder auf mich selbst.
Das ist genauso wie in uns.
Manchmal glüht die Wut und manchmal ist die stoische Ruhe.
Und das ist auch in den Werken.
Ohne dass ich das vorhabe.
Ja.
Was war nochmal die Frage?
Verena Feldbausch: Also deine Plastiken sind ja oft super elegant, finde ich.
Du hast ja so sehr schöne Skulpturen, auch die von der Decke hängen.
Oder wenn ich neben dem Tänzer stehe, frage ich mich, fällt der jetzt nicht vielleicht auf mich oder sowas?
der kann es so eine, Bedrohung ist vielleicht zu viel gesagt,
Sigrún Ólafsdóttir eine Angst einfach um dieses Gleichgewicht?
Sigrún Ólafsdóttir: Das ist nämlich der Teil, der gewollt ist.
Das geht um die Achtsamkeit.
Viele meiner Arbeiten, wenn man nicht achtsam damit umgeht, kann man sich verletzen.
Genauso wie bei allem.
Aber das ist gewollt.
Die Achtsamkeit war nie so notwendig wie jetzt.
Weil es ist die Unachtsamkeit und die Ignoranz, die uns einfach in die Welt gebracht hat, wo wir jetzt stehen.
Gleichgültigkeit.
Dieses mangelnde Gefühl für Miteinander, Füreinander, Zusammenhalt.
Aber in dem Fall, den du gefragt hast, nein, es fällt nicht um, weil es eben mehrmals geprüft ist und ist kein Zufall.
Sondern ist das, was bedrohlich scheint, in sich stabil, auch wenn es so wirkt.
Ja.
Es ist so die Erinnerung daran, was auch passieren kann.
Und das ist wiederum auch diese beiden Seiten in mir, die ich sehr gut kenne.
Weil ich kenne meine lichten Seiten, kenne auch meine Schattenseiten.
Die sind nicht ohne.
Und genauso wie wichtig ist für mich, das ins Lot zu bringen, gelten genau die gleichen Regeln für meine Werke.
Ja.
Und das ist wiederum, aus der inneren Kraft kommt die äußere Erscheinung.
Verena Feldbausch: Gibt es Künstlerinnen oder Künstler, die dich besonders geprägt oder begleitet haben?
Sigrún Ólafsdóttir: Ich habe mehrere Favoriten.
Louise Bourgeois war immer eine.
Eva Hesse.
Ich könnte viele nennen.
Da waren auch in den 80er Jahren die Briten, so wie Richard Deacon, Tony Cragg und dann (Barry) Flanagan und mehrere.
Ich habe eine unglaublich schöne Ausstellung gesehen in San Francisco.
Das war 87, weil ich weiß, da war ich hochschwanger, wollte die Gelegenheit nützen, bevor ein Kind kommt und einige Zeit in Anspruch nimmt.
Ja, auch zum Beispiel die Sachen von Goya in Prado.
Also da könnte ich stundenlang...
Das ist einfach quer durch die Geschichte.
Ja, und Einflüsse kriegt man einfach sowieso, weil das ist so viel.
Und in den meisten Künstlern ist dieser Einfluss oder diese Erfahrung auf irgendeine Art und Weise neu interpretiert oder neu aufgefangen und in die Welt gebracht.
Verena Feldbausch: Genau, und das ist ja das Interessante dann an dieser Kunst.
Wie erlebst du die Kunstszene in unserer Region, also SaarLorLux, insbesondere für Bildhauerinnen?
Sigrún Ólafsdóttir: Das ist rar.
Verena Feldbausch: Ja, ich muss jetzt auch überlegen, welche Bildhauerinnen gibt es hier in der näheren Umgebung?
Sigrún Ólafsdóttir: Ich auch.
Es gibt einige, die beides machen, also die so in diese, wie sagt man, mit Klangkunst oder sowas, aber das ist nicht viel.
Ja, wie bei Wettbewerben bin ich oft die einzige Frau dabei.
Oder vielleicht zwei, drei und sieben... wenn es, ja, das ist halt, das sagt es eigentlich.
Verena Feldbausch: Ja, die Kunstszene ist jetzt nicht so offen für Bildhauerinnen oder was ist der Grund dafür?
Sigrún Ólafsdóttir: Es ist aufwendiger, du brauchst mehr Platz, es ist schwer, es ist unglaublich unpraktisch.
Was habe ich hier gemacht?
Wie mein Sohn sagte, wo er mir geholfen hat, hier beim letzten Umzug.
Mama, warum hast du dir nicht was Praktisches ausgesucht, so wie eine Bibliothekarin zu werden?
Lieber, ich habe jetzt keinen Humor dafür.
Ja, ja.
Nee, es ist klar, es ist viel einfacher mit zweidimensional.
Das auch zu lagern.
Verena Feldbausch: Das stimmt, ja.
Genau, und da kommen wir jetzt aber trotzdem noch zu Deinen zweidimensionalen Arbeiten.
Da haben wir nämlich gar noch nicht drüber gesprochen, zu den Zeichnungen und Malereien.
Ja.
Ich finde, also oft, wie gesagt, die Skulpturen sind ja oft sehr, sehr filigran.
Und bei den Zeichnungen habe ich ja auch schon mal so schwarze Röhren gesehen.
Und ja, die sind eigentlich ziemlich massiv, ja.
Wie entwickelst du deine Zeichnungen?
Sigrún Ólafsdóttir: Ich brauchte Zeit, um meine Zeichnungen wertzuschätzen.
Es war oft so eine herzlich willkommene Pause, einfach mal etwas auf Leinwand zu machen.
Also ich habe immer gezeichnet auf Papier, aber irgendwann mal, wie ich dazu neige, große Sachen zu machen.
Natürlich berührt das sich zwischen Malerei und Zeichnung.
Ja.
Aber wo es einfach zu groß war, zum Einrahmen oder Papier zu finden, wenn es die Dimensionen von zwei auf drei Meter oder größer geht,
dann habe ich selbst meinen Untergrund gemacht, so ähnlich wie Büttenpapier mit Kreidegrund.
Und bewusst auch, als ich da mit großen Gesten und schwarzen und dann weißen, einfach vor mich hin,
spontan zu arbeiten.
Und ich habe gesagt, ja, das bietet auch an das Umgekehrte, dass eine Zeichnung schwer und wuchtig sein kann,
auch wenn sie gewisse Bewegung und Leichtigkeit in sich hat, im Gegensatz zu der Bildhauerei,
wo es immer eigentlich der Gegenpol war.
Also Skulpturen waren schwer und Zeichnungen waren leicht.
Ja.
Und klar habe ich auch sehr einfache, leichte Zeichnungen gemacht, aber die waren oft auch die Vorstufe von Bewegungen in meinen Plastiken.
Und dann die anderen zum Beispiel, diese Tusche- und Gesso-Zeichnungen, die fast so wie Aquarelle mehrere Sichten übereinander, über diese Transparenz.
Dann ging es mir eher um die Bewegung.
Verena Feldbausch: Du zeigst ja jetzt auch in deiner Ausstellung in der modernen Galerie eine ziemlich große Zeichnung.
Sigrún Ólafsdóttir: Das ist auch eine große Tusche- und Gesso-Zeichnung.
Also beziehungsweise zwei.
Ein Format ist 160 oder 180 mal drei Meter und eine 140, 140.
Das haben wir natürlich zusammen ausgesucht, ich und die Kuratorin.
Verena Feldbausch: Ja.
Du hast ja den ersten Preis bei einem Wettbewerb in Raikjavik gewonnen, und zwar um einen öffentlichen Platz zu gestalten.
Dort kommt die Skulptur Reziprok hin, aus Cortenstahl.
Und du bist gerade dabei, diesen Auftrag quasi auszuführen.
Ja, wie weit bist du?
Also wie ist da gerade der Stand der Dinge?
Sigrún Ólafsdóttir: Wir sind so weit, dass wir eigentlich nur den festen Termin in Island brauchen, wann es aufgebaut wird.
Es ist schwierig im Winter, wenig Licht, Schneestürme.
Aber demnächst werden wir anfangen hier zu bauen.
Es wird hier gebaut, bei meinem Schlosser.
Darüber transportiert.
Und dann kommt er auch mit und baut es auf.
Und ich rechne damit, wir wollten das jetzt im Spätsommer schon fertig haben, aber das waren einige Sachen im Vertrag, den wir genauer bearbeiten müssten.
Rein praktische Dinge und so wird das, wie ich das schätze, im Frühjahr in Island aufgebaut.
Und wo kommt es genau hin?
Sigrún Ólafsdóttir: Es ist in der Stadtmitte von Reykjavik in einem neuen Baukomplex.
Da ergibt sich so ein Innenhof, der trotzdem offen ist, aber da ist ein Ort für Markt und Kaffee, Hotels, alle möglichen Aktivitäten, wo mehrere tausend Leute am Tag durchgehen.
Und da innerhalb dieses Baukomplexes, der offen ist und zugänglich allen Menschen, da kommt es rein.
Verena Feldbausch: Ja, schön.
Ja.
Toller Ort, bestimmt.
Ja.
Und sehr aufwendig.
Also es ist, von den Dimensionen her, wie groß ist das?
Sigrún Ólafsdóttir: 10, 12 Meter breit, 10, 12 Meter hoch.
So in dieser Dimension.
Ah ja.
Große Geste.
Verena Feldbausch: Das heißt, das wird wahrscheinlich nächstes Jahr dann irgendwann eingeweiht
Sigrún Ólafsdóttir: Wir warten eigentlich nur auf Nachricht aus Island, weil die organisieren das vor Ort mit den Krähnen und ganzen Behausungen, die wir für Schweißarbeiten und alles brauchen.
Ja.
Weil das ist natürlich ein riesen Bauwerk.
Ja, ja.
Ja.
Mit einem Schlosser arbeite ich zusammen seit über 30 Jahren.
Wir kennen uns mittlerweile sehr gut.
Es ist sehr wertvoll.
Er kennt meine Weise und ich seine.
Und das ist natürlich in dieser Zeit zusammengewachsen und gereift.
Ja.
Verena Feldbausch: Schön..
Ja.
Da wünsche ich dir gutes Gelingen.
Danke.
Ja, bin sehr gespannt.
Sigrún Ólafsdóttir: Ich auch.
Verena Feldbausch: Genau.
Kommen wir jetzt mal zu dem Albert-Weisgerber-Preis 2023.
Den hast du gewonnen.
Ganz herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung.
Sigrún Ólafsdóttir: Danke.
Verena Feldbausch: Und aus diesem Anlass sind deine Arbeiten ab dem 29. November in einer Einzelausstellung in der Modernen Galerie in Saarbrücken zu sehen.
Welche Botschaft oder Emotion wünschst du dir, dass die BesucherInnen mitnehmen, wenn sie vor deinen Skulpturen oder Zeichnungen stehen?
Sigrún Ólafsdóttir: Berührung.
Das ist das, was ich mir auch immer wünsche, wenn ich in Ausstellungen gehe oder wenn ich irgendwo hingehe, egal was es ist, ob ich in die Oper gehe oder so, das ist von etwas berührt zu sein.
Verena Feldbausch: Das stimmt, dass die Kunst dich berührt.
Ja.
Die Ausstellung trägt den Titel Gegenwärtige Bewegung.
Spielt der Titel auch auf die heutige politische und gesellschaftliche Bewegung an?
Sigrún Ólafsdóttir: In einer gewissen Weise.
Ich hatte einen anderen Titel, aber wir hatten auch lange darüber gesprochen, die Kuratoren und ich, das wäre vielleicht zu viel gesagt.
Aber das es eigentlich in meinen Werken immer um die Bewegung geht.
Bewegung, Beweglichkeit, Weiterkommen, Weiterentwicklung, nichts stagnieren.
Dann fanden wir beide, das beide für meine Werke und natürlich auch die Gegenwart passend.
Sehr passend.
Verena Feldbausch: Gibt es noch irgendein Material zum Beispiel, was du noch gerne mal ausprobieren möchtest?
Sigrún Ólafsdóttir: Ja.
Es gibt die industriellen Materialien, die ich noch nicht probiert habe, weil mich interessiert auch die Entwicklung in der Forschung von Materialien.
Was mir auf der Zunge liegt, aber noch nicht konkret ist.
Möglichst auch etwas umweltfreundlich und vielleicht wird das irgendwann mal so zum Schluss aussehen.
Etwas, was in vollkommener Auf- oder Auslösung... in die Richtung, das wäre schön.
So wie eine Wolke, die auseinander geht.
Aber noch habe ich das nicht probiert, aber ich habe schon eine Ahnung.
von neuen Experimenten durch Neugierigkeit.
Verena Feldbausch: Sehr schön.
Da sind wir ganz gespannt und warten drauf, was du uns noch alles so zeigst.
Sigrún Ólafsdóttir: Ja, darauf bin ich auch gespannt, weil ich weiß das nie.
Und das ist vielleicht das Spannendste in dem Ganzen.
Verena Feldbausch: Ja.
Vielen Dank, liebe Sigrún, für dieses inspirierende Gespräch und für die Einblicke in deine Arbeit.
Sigrún Ólafsdóttir: Herzlichen Dank, liebe Verena.
Wer nun neugierig geworden ist und sich gerne die Skulpturen von Sigrún Ólafsdóttir hier anschauen möchte,
der findet Informationen über aktuelle Ausstellungen und Arbeiten im öffentlichen Raum in den Shownotes.
Das war art talk SaarLorLux, der Podcast über Kunst und kreative Menschen in unserer Region.
Ich bin Verena Feldbausch und danke euch fürs Zuhören und freue mich schon auf die nächste Folge von art talk SaarLorLux.
Bis dahin.
Dir hat art talk gefallen?
Dann hinterlasse fünf Sterne und empfehle uns deinen FreundInnen.
Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Show Notes und in unserem Blog.
Sei wieder dabei, wenn es heißt
Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux.
Ende