art talk SaarLorLux

Verena Feldbausch

art talk - mit Katharina Krenkel

Die "weiche Skulpturen" von Katharina Krenkel

11.07.2024 28 min Verena Feldbausch

Zusammenfassung & Show Notes

Katharina Krenkel arbeitet sowohl plastisch als auch grafisch. Ihre Skulpturen entstehen aus Wolle und anderen häkelbaren Materialien wie Absperrband, Müllsäcken, Draht, Videobändern und Gummiprofilen. Sie schafft „weichen Skulpturen“, im Gegensatz zum herkömmlichen Verständnis der Bildhauerei, das „harte“ Materialien bevorzugt. Ihre Arbeiten könnt ihr ab dem 26. Juli in der HBK Galerie in Saarbrücken sehen, dort stellt sie mit anderen ehemaligen Studierenden ihre zweiteilige Arbeit „ON/OFF“ aus, eine Vorstudie zu Ihrer Arbeit "Pleasure Patchwork".



Katharina Krenkel im Netz: https://www.katharina-krenkel.de/ und hier ihr Blog: http://katharinakrenkel.blogspot.com/

Aktuelle Ausstellungen:
Halbzeit - Fussball in der Kunst, Heyne Kunstfabrik, Bad Orb, 28.6.-21.7. 2024
HBK Galerie, Saarbrücken, ab 26.7. 2024
Salón Verde Textil: Genealogías del Verde, Museo Municipal Kakel Huincul, Maipú, Argentinien
XXVIII Salón Internacional de Minitextiles, Centro Argentino de Arte Textil, Buenos Aires

Hier hat sie bereits ausgestellt: The Archies, Australien: https://timelesstextiles.com.au/

Im französischen Verlag "Pyramid Èditions" ist ein Buch von Charlotte Vannier veröffentlicht worden zum Thema "Gestricktes und Gehäkeltes in der zeitgenössischen Kunst", auf den Seiten 32 bis 37 sind Arbeiten von Katharina Krenkel plus Portrait zu sehen: Charlotte Vannier : Ceci n’est pas un pull: https://pyramyd-editions.com/products/ceci-n-est-pas-un-pull

Mehr Kunstpodcasts von art talk und Fotos von Katharinas Kunstwerken gibt's in meinem Blog: https://feldbausch.com/blog/

Mehr über art trailer findet ihr hier:
https://feldbausch.com/



Transkript

Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. Wir treffen Kurator*innen und Künstler*innen dort, wo sie gerade ausstellen. Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region. Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt. Heute dreht sich alles um Textilkunst von Katharina Krenkel. Sie arbeitet sowohl grafisch als auch plastisch. Ihre Skulpturen entstehen nicht nur aus Wolle, sondern auch aus anderen häkelbaren Materialien wie Absperrband, Müllsäcken oder Draht oder auch Videobänder. Normalerweise werden in der Bildhauerei harte Materialien bevorzugt, doch Katharina Krenkel schafft mit ihrer Textilkunst weiche Skulpturen. Und darüber spreche ich jetzt mit der Künstlerin. Viel Spaß beim Zuhören wünscht euch Verena Feldbausch. Herzlich willkommen Katharina Krenkel. Du bist geboren in Buenos Aires und aufgewachsen in Stuttgart und dann nach Saarbrücken gekommen, wo du an der Hochschule der Bildenden Künste Saar bei Oskar Holweck studiert hast. Ein kleiner Exkurs zu Oskar Holweck. Das ist ein konkreter Künstler und was konkrete Kunst bedeutet, sage ich mal ganz kurz nach Max Bill. Konkrete Kunst nennen wir jene Kunstwerke, die aufgrund ihrer ureigenen Mittel- und Gesetzesmäßigkeiten ohne äußerliche Anlehnung an Naturerscheinung oder deren Transformierung, also nicht durch Abstraktion entstanden sind. Er erforscht Material, in seinem Falle Papier. Das war jetzt ein ganz kurzer Exkurs, um Oskar Holweck einzuschätzen. Was hast du bei Oskar Holweck gelernt? Wie bist du zu deiner Ausdrucksweise gekommen und was waren deine künstlerischen Anfänge? Also ich habe bei Oskar Holweck natürlich nicht nur studiert. Ich gebe ihn immer an, weil ich ihn als prägendste Lehrperson empfinde. Mich am prägendsten. Also ich habe ja angefangen zu studieren, als es noch FH war, als er noch die Grundlehre unterrichtet hat. Das war ja vorgeschaltet ein Jahr. Schule des Sehens. Wo man sich mit den Grundlagen der Gestaltung konfrontiert hat. Das war sehr schulisch, das war auch sehr eng und hart manchmal. Also da kann man durchaus streiten über seine Person auch, das weiß ich. Das haben viele so erlebt. Ich habe bei ihm gelernt, nachdem ich auch erst mal drei Monate wirklich echt gehadert habe und gekotzt habe, weil ich dachte, was will der Mann? Bis ich kapiert habe, dass er diesen engen Rahmen steckt. Und in diesem engen Rahmen, wenn man den irgendwann mal nicht mehr als Gefängnis empfindet, ist plötzlich alles möglich. Man geht in die Tiefe und es eröffnen sich Welten. Und diesen Prozess, den erlebe ich eigentlich immer wieder. Und ich suche ihn auch regelrecht. Also ich habe manchmal das Gefühl, wenn ich so eine ganz knifflige Aufgabe habe und irgendwie Auftraggeber, der was ganz Spezielles will, was total nervtötend ist, dann fahre ich so richtig zu Hochtouren auf. Das habe ich gelernt. Ich habe gelernt natürlich auch wirklich mich zu fragen, warum machst du das? Das war eine klassische Frage. Warum hast du das in grün gemacht? Und wenn du dann gesagt hast, ich mag grün, dann gab es eine Watschen. Das geht also gar nicht. Da musste man begründen. Und dieses vor mir selbst begründen, warum ich was mache, das habe ich auch sehr verinnerlicht. Auch wenn es nur den Bezug hat zu mir, nach dem Motto, ich habe das so groß gemacht, weil ich bin genauso groß. Das ist ein serielles Arbeiten, also dieses Ausloten. Also das ist schon fast zwanghaft geworden bei mir, weil ich kann manchmal gar nicht mehr nur eins machen. Ich muss dann immer gleich mehrere machen. Und wenn man sieben macht, dann merkt man, es gehen auch noch zwanzig. Eigentlich gibt es noch mehr Möglichkeiten. Also man muss dann irgendwann mal wieder aufhören. Das würde ich mal so als Eckpfeiler sehen. Und auch einfach seinen eigenen Wahrnehmem immer wieder zu misstrauen. Sehe ich das jetzt wirklich so? Da denke ich nur, dass ich es so sehe, weil ich es schon mal gesehen habe. Weil das der gesellschaftliche Konsens ist, dass der Stuhl so und so aussieht. Aber vielleicht ist er im Moment aus der Perspektive eigentlich eher nur dreibeinig. Ja, interessant. Und okay, also Oskar Holweck war einer deiner Lehrer. Wie bist du aber zu dem Häkeln eigentlich gekommen? Also das Häkeln ist ja eine Handarbeit. Und gut, was ist Häkeln noch mehr, das können wir gleich sagen. Aber wie bist du dazu gekommen? Also ich konnte es einfach so von Kind an, habe es auch immer gerne gemacht. Auch wenn ich wirklich in der Schule eigentlich, ich bin ja schon die Generation, wo es Handarbeiten eigentlich nicht mehr so in der Schule gab. Also das war der Hintergrund, das Know-how war da. Und nach dem Studium war ich eher so latent verwirrt. Ich wusste nicht so genau, wer ich bin, was ich mache. Auch ich hatte in dem Sinne noch nicht wirklich so meine Sprache gefunden. Weil ich wirklich ja in so ganz vielen Bereichen, ich habe tatsächlich dieses interdisziplinäre Studieren sehr ernst genommen. Ich war bei verschiedenen Professoren, aber nirgendwo so richtig zu Hause. Es war eigentlich ein Zufall. Das waren zwei Aspekte. Also erstens war ich in den USA gewesen und habe da so eine Künstlergruppe kennengelernt, die so in der Punk-Ära einen Laden hatten, wo sie Klamotten verkauft haben, unter anderem gehäkelte Sachen. Also das ist lustig, oder? Punk und... Total. Häkeljäckchen, wilde Punk-Leute. Aber vor allem die Art, wie die gehäkelt haben, war so anders. Die haben praktisch so collagenhaft gehäkelt. Die haben also nicht unten angefangen und nach oben gehäkelt oder andersrum, sondern die haben irgendwo ein Teil gemacht und dann noch eins und haben das dann so aneinander gesetzt und das ist dann so, wie so ein Gewächs ist das so gewachsen. So ein bisschen Patchwork eigentlich. Genau, so kann man es auch nennen, richtig. Wobei das war nicht, die haben nicht Einzelteile und dann überlegt, sondern das ist wirklich gewachsen. Das sind oft sehr amorphe, wilde Teile. Und das fand ich total verblüffend, so dieses Gefühl, wow, das ist eigentlich alles erlaubt. Das Regelwerk, das existiert nur in meinem Kopf, das kann ich völlig hinter mir lassen. Das war auch so ein Aha-Erlebnis von neuen Dimensionen, die sich eröffnen. Und dann hatte ich tatsächlich nach dem Studium kein Atelier mehr, keinen Platz mehr und irgendwoher her von einer Freundin, glaube ich, ich kann es nicht mehr so genau verifizieren, eine Tüte mit Wollresten. Genau. Und dann hat es angefangen. Und dann habe ich losgelegt. Und dann noch das Dritte war noch eine Oma, eine Geschichte, die war irgendwie nicht so schön eigentlich, keine so liebe Oma. Die hat mir mal Topflappen schon als Zwölfjährige zu Weihnachten geschenkt und die hatte so eine ganz merkwürdige Doppelmoral in Bezug auf Körperlichkeit und vieles. Und die hat mich zu meinem ersten Objekt, nämlich diese Busendecke, wo ich heute noch die Topflappen mache, die Busentopflappen, das war im Grunde so die Initialzündung. Die drei Sachen kamen zusammen. Und dann hatte ich eine Ausstellung relativ kurz nach dem Diplom. Da dachte ich, okay, jetzt häkelst du einfach alles. Und danach habe ich gemerkt, ich kann nicht aufhören. Ich muss weiter häkeln. Und noch ein bisschen später habe ich gemerkt, ich kann alles häkeln. Alles, was ich erzählen möchte, kann ich häkeln. Und ich häkel einfach gerne. Also dieser Prozess, dieses Da-Sitzen und Häkeln, ich bin ein unheimlich hibbeliger Mensch, ist genau das Richtige, was ich als ... Also quasi auch so ein bisschen Meditation für dich. Total. Um mich selbst auszubremsen. Da muss ich mich hinsetzen und häkeln. Sehr schön. Ja, ja. Genau, also Häkeln ist eine Handarbeit und weiblich konnotiert. Häkeln ist verbunden auch mit Fleiß. Man fragt sich, wie lange muss man an so einer Decke, wie zum Beispiel, ich denke, an dieses Altartuch, häkeln. Ja, genau. Also du hast dir diese Technik ausgesucht. Eigentlich hast du es ja schon ein bisschen beantwortet, weil es dich beruhigt. Oder weil du das gerne machst auch erstmal, würde ich sagen. Also das ist ja ganz wichtig. Und weil du die Welt dann so erschaffen kannst, wie du sie dir quasi verinnerlichst. Und das kannst du dann nach außen tragen. Genau. Das kann ich halt auch wirklich so Masche für Masche sehr langsam. Ich kann dem Werden beim Entstehen zuschauen. Ich kann es auch wieder aufziehen. Das ist auch ganz toll, das ist reversibel. Also wenn ich merke, so gefällt es mir nicht, ziehe ich es einfach wieder auf, was ich auch wirklich ausgiebig immer mache. Ja, dieses Fleißigsein und dieses Emsigsein, das ist schon auch noch was, was meinem - ich bin schwäbisch, protestantisch - aufgewachsen. Da muss man fleißig sein. Also dieses Thema Fleiß, da arbeite ich mich auch dran ab. Und das Motiv der Brüste, sagst du, das war so ein bisschen am Anfang. Also das war deine erste Häkeldecke, die du künstlerisch gestaltet hast. Das waren Brüste. Das ist ja wirklich ein wichtiges Element auch in deiner Arbeit. Naheliegend, du bist eine Frau, klar. Aber gibt es da noch mehr? Also warum ist es so wichtig geworden für dich? Also erstens habe ich viele Themen, die sind tatsächlich klassische Häkelsujets. Also sprich, das ist eine Decke, die so aus diesen Quadraten zusammengesetzt wird. Dass diese auch so klassischerweise aus irgendwelchen Resten gemacht wird. Dann geht es wirklich um diese Vielfalt. Sprich, die Arbeit heißt ja "Die Busen der Natur", die sind vielfältig. Groß, klein, hell, dunkel, hängend, nicht so hängend. Dann ist dieses Thema, weil diese Technik ja auch so weiblich konnotiert ist, finde ich, fordert es ja geradezu dazu auf diese, ich sage jetzt in Anführungszeichen, man kann es nicht hören, aber ich sage sie dazu, diese weiblichen Tugenden eben, dass ich die so ein bisschen ironisiere. Also der Humor und auch diese Weichheit, dieses vermeintlich Kuschelige, was da so ankommt. Irgendwie dem so eine zweite, dritte, vierte Ebene zu geben. Also diese additive Technik, Häkeln ist ja ein Aneinanderreihen von Maschen. Und da habe ich mal gelesen, dass du mit dieser Kleinteiligkeit den Wundern der Welt im Großen auf den Grund gehen möchtest. Was sind für dich die Wunder der Welt? Naja, das ist dieses die Sachen verstehen wollen. Und ich finde das für mich einfacher, wenn ich vom Kleinen und ganz Banalen und auch diesem ganzen Häuslichen, wir sind ja alle mit diesem Alltag immer beschäftigt und der frisst uns ja auf und der erscheint ja manchmal so riesengroß und dann soll ich künstlerisch wieder so ganz philosophische, ewigliche oder abstrakte Themen angehen. Das fand ich immer schwierig. Also habe ich irgendwie auch diese Themen immer aus diesem Kleinen, Banalen, Alltäglichen auch genommen. Wo das Handarbeiten und dieses weibliche Schaffen ja herkommt, was ja auch oft nicht ausreichend wirklich gewürdigt wird als Tätigkeit. Weil es ist ja auch nie nachhaltig prüfbar. Also der Kuchen wird aufgegessen, keine Ahnung, die Wäsche wird wieder schmutzig und man fängt immer wieder von vorn an. Das waren also viel auch so meine Themen. Was war die Frage? Was sind für dich die Wunder der Welt? Die Wunder der Welt. Also ich habe das, glaube ich, dieses Gegenüberstellen von Mikrokosmos zum Makrokosmos immer gleichgesetzt mit meinen Maschen und den Atomzellen, aus denen alles Große ja dann doch auch zusammengesetzt wird. Also nach dem Motto, ich fange mal mit einer Masche an und dann häkle ich weiter und dann mal gucken, was dabei rauskommt. Genau, dann komme ich eigentlich zu deinem Blog. Seit 2010 führst du den Blog, einen Blog, in dem dein Motto für dieses Jahr zum Beispiel steht. Das lautet "Erschaffen, machen, spielen. Zuhause auf dem Wooly Planet". Und das Foto, was man da sieht, aus dem Foto wächst du aus einem Art Erdball raus, der aus unzähligen bunten Wollkugeln besteht und mit diesen gehäkelten Fingerpuppen übersät ist. Also das ist diese "Kittys Fuzzy World". Genau. Kitty, das bin ich. Kitty, das bist du, genau. Ich habe eine heimliche Schwäche für "Hello Kitty". Ach ja, okay. Ja, ich glaube, das sieht man auch in deinem Atelier. Da sind so ein paar "Hello Kitty"-Tassen. Und "spielen", ist das im Sinne vom Theaterspielen eigentlich für dich wichtig? Also weil diese Figuren, mit denen könntest du ja auch ein Theaterstück aufführen. Und was hat es mit dem Wooly Planet auf sich? Also das ist "Kittys Fuzzy World", das ist ein separater Blog, den ich ja noch gemacht habe. Das ist so ein bisschen in Anlehnung tatsächlich an "Hello Kitty". Also ich muss da ganz weit ausholen. Ja. "Kittys Fuzzy World". Diese "Hello Kitty", das ist ja eigentlich nur so eine Merchandising-Figur. Und die haben erst im Nachhinein, glaube ich, haben dieser Kitty noch eine Schwester und eine Geschichte und so was angedichtet. Aber es kam nie von einem Comic, sondern die wollten einfach ihre Produkte irgendwie, in Japan ist das ja, glaube ich, sehr üblich, mit diesem großäugigen Wesen versehen und verkaufbarer machen. Ich habe also praktisch jetzt auch mein eigenes Universum gegründet. Ich als die große Schöpferin, das ist ja auch irgendwie so eine künstlerische Frage. Ich bin die Schöpferin, inwieweit bestimme ich darüber? Über Daumen hoch, Daumen runter, Werden, Vergehen, du bleibst dabei oder nicht. Und das war so ein bisschen ein künstlerisches Nebenprojekt, Side-Project. Und da habe ich auch so ein ganzes Universum mit. Ich habe es, es ist pseudo-international, also auf Englisch, so gut wie ich eben Englisch kann, schreibe ich das alles. Und da gibt es die Hauptcharaktere, da mache ich pro Woche, eine kleine Fingerfigur. Das ist tatsächlich auch im Grunde ein Tagebuch, weil das sind Menschen, die ich treffe, die ich in dieser Woche real getroffen habe. Dann kommt jede Woche noch ein Gewächs dazu, ein Baum. Und dann mache ich noch so, es gibt so Side-Characters, die dann einmal pro Monat noch und pro Quartal. Und die kommen dazu, dann wird immer pro Monat noch ein Hero gekürt. Dann gibt es immer so kleine Diagramme, wie das alles zusammenhängt, wo ich das so ein bisschen auch noch zeichnerisch darstelle. Also es ist so, ich habe mich da völlig reinbegeben. Ursprünglich dachte ich dann auch immer, und dann spiele ich Theater mit den Figürchen. Tatsächlich ist es überhaupt nicht meine Sprache. Und ich habe auch festgestellt, das muss gar nicht sein. Ich stelle die Figürchen einfach so auf und die Geschichten erzählen sich von alleine. Also ich stelle die einfach nebeneinander. Ich habe so riesige Steckbretter, die langsam alle nicht mehr reichen. Ich bin jetzt im fünften Jahr, ja im fünften Jahr. Also ich habe über 200 Figürchen jetzt. Es fängt an, mich so ein bisschen zu überrollen, alles. Diese Menge, diese Masse von den Figürchen auch. Aber wenn man einmal mit so etwas angefangen hat, kann man ja irgendwie nicht mehr aufhören. Das hat so eine Eigendynamik bekommen. Also ich mache dann immer mal wieder Ausflüge mit denen. Wir gehen dann zusammen los, irgendwie in den Wald. Und dann stelle ich sie irgendwo hin, dann mache ich Fotos. Dann habe ich natürlich noch ganz viele Landschaften. Die wollen ja auch was erleben. Die wollen immer mal wieder Abenteuer erleben. Da habe ich mal wieder so kleine Filmchen gemacht. Und der Wooly Planet, das war einfach noch so eine Lücke, die gefüllt werden muss. Es ist ja die Frage, wo, also in meinem Universum, wo kommen die alle her? Und das ist ja ganz klar, die stammen alle vom Wooly Planet. Der Wooly Planet ist ein riesiger Planet, der nur aus Wollknäueln besteht. Das ist sehr schön, ja. Das ist sehr schön. Jetzt habe ich noch eine Frage zu deiner Arbeit "Pleasure Patchwork". Da kommt Musik und Tanz, Performance zu der Häkelkunst dazu. Was war die Idee und wie kam es dazu? Also da kommt wirklich ein ganz neuer Einfluss. Ich weiß auch noch nicht genau, wo das so in Zukunft noch hinführt und was das wird. Da kommt wirklich der Faktor Zeit und dieses noch viel mehr Unplanbare von der darstellenden Kunst mit rein, als ich das in der bildenden Kunst kenne. Wo ich auch feststelle, ich habe doch immer ganz gerne die Fäden in der Hand. Das fiel mir auch nicht so leicht, die da loszulassen. Das war eine Begegnung mit einer britischen Tänzerin. Das war bei so einem Kunstparcours in der Oberlausitz vor drei Jahren, glaube ich. Sie kam hinterher auf mich zu und hat gemeint, ich glaube, du bist genau die Richtige für die Zusammenarbeit. Und dann hatte sie diese Idee, "Pleasure", diesen Begriff, der ja auch im Englischen jetzt noch mal ein bisschen anders übersetzt wird, größere Bandbreite hat, den tänzerisch visuell zu übersetzen und wirklich so das zusammenzutragen in Form von Patchwork. Wir haben dann ganz lang, sie war mal hier, ich war mal bei ihr, sie lebt in Berlin bei - und haben irgendwie immer wieder konferiert. Das hat sich so im Laufe der Zeit verändert, die Idee, bis es wirklich eine Patchwork-Decke wurde, die ich praktisch in Einzelteilen hergestellt habe, ihr immer geschickt habe. Sie hat die immer schon in ihren Tanzworkshops. Also sie macht Contact Improvisation. Da geht es viel um Berührung, Gegenberührung, Aktion, Reaktion, Interaktion zwischen Personen und die haben dann immer so einzelne Scores, die sie sich vorher aufstellen. Also das wirkt wesentlich improvisierter, als es zum Teil ist, wo die sich dem immer auch einen Titel geben. Wir haben jetzt praktisch ein halbes, dreiviertel Jahr daran gearbeitet, real. Ich habe immer die einzelnen Quadrate, in vier Größen habe ich Quadrate gemacht, die so Ausstülpungen haben, die so ein bisschen fallisch aussehen, aber wurmartig. Man kann zum Teil in die größeren richtig reinkriechen, in die kleineren kann man dann auch in die Hand oder den Fuß reinstecken, aus einer ganz, ganz weichen, flauschigen Wolle in so, sagen wir mal, in den Hauttönen, so was die Welt an Hautfarben hergibt. Und jetzt im Februar war ich, war praktisch so die Geburt von der Decke. Ich habe die Quadrate zusammengesetzt und währenddessen haben die ganzen Tänzer*innen um mich agiert sind da reingekrochen, haben sich was auf den Kopf gesetzt und dann wurde die Decke immer größer und dann sind sie langsam unter die Decke gekrochen. Es hatte dann halt so dieses, das ist eine Schutzfunktion und einfach diese Ein- und Ausstülpungen. Also es ist nicht klar, was oben unten ist von der Decke, es stülpt sich in die eine und die andere Richtung aus, es kann auch dazwischen irgendwie stecken bleiben und das ist tatsächlich ein Thema, was mich schon lange beschäftigt, dieses An-Aus, On-Off. Schwarz-Weiß und bei meinem weichen Textil ist es halt, kann ich das sehr gut darstellen, dass es auch diesen Zwischenzustand gibt. Wurde dazu Musik gespielt? Ja genau, das war, im Grunde hat sich das alles sehr fluide ergeben, dass der Musiker noch dazu kam und der ist sehr eingebunden irgendwie in diese Tanz-Community, der konnte da ganz toll drauf eingehen. Okay, also der hat quasi euch gesehen und improvisiert ein bisschen? Nee, die haben sich immer auch genau abgesprochen. Also mir war anfangs tatsächlich auch nicht klar, dass ich so eine starke Akteurin sein werde. Ich habe meine Rolle, dieses emsige Arbeiten, auch dieses stille Arbeiten, auch dieses introvertierte Arbeiten, das habe ich da auf die Bühne gebracht. Ich saß da und habe meine Quadrate zusammengenäht und währenddessen haben die, ich war so wie so eine, ich habe mich wie so eine Spinnen-Mama irgendwie gefühlt, die da immer saß und ihre Kindchen sind da rumgewuselt und die haben sich dann währenddessen lustvoll irgendwie in diese Weichteile eingewöhnt. Also sie ist jetzt fast fertig, die Decke, sie ist immer noch nicht ganz fertig. Wir planen gerade, wie das weitergehen kann. Wir möchten auch gerne, dass wir im Saarland… Ja, das wäre eine schöne Performance, also ihr plant eine Performance praktisch nochmal? Also wir planen sogar weiter, dass wir das tatsächlich als Workshop machen würden und dass sie dann im Grunde die Rosalind Holgate-Smith heißt sie, dass sie die Performer*innen auch hier generieren würde in ihren Workshops. Also das ist auch so eine ganz spezielle Community, dieses Contact Improvisation, dass sie dann da ein paar Performer*innen finden würde und dass wir das dann ausstellen würden und dass wir aber auch, also eine Performance, aber auch diese Decke, also wir wollen sie eigentlich tatsächlich auch Museal wie so ein fliegender Teppich ein bisschen. Auch weiter noch entwickeln, also die ist jetzt noch nicht… Ja, ja. Die kann noch wachsen. Ja, genau. Ich möchte jetzt zu dem letzten Frauentag kommen, am 8. März. Da warst du auf einer Veranstaltung vertreten mit dem Porträt der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama und ihr Markenzeichen sind ja diese Polka Dots, farbige Punkte, die sie auf Leinwände, Skulpturen und Menschen malt. Und ihre Skulpturen sind ja ebenfalls weich und aus Stoff. Ist Yayoi Kusama eine Inspiration, ein Vorbild oder welche Künstlerinnen sind Vorbilder für dich? Also ich finde sie toll, vor allem, das ist das, was mir Vorbild ist, dass sie durchgehalten hat und immer weiter gemacht hat. Die war ja eigentlich schon in den 60er Jahren ganz, ganz künstlerisch, ganz aktiv, war eine, die schon ganz früh textile Skulpturen gemacht hat und ich meine, die Geschichtsschreibung ist nun mal sehr männlich, die hat mit Andy Warhol ausgestellt, aber die ist irgendwie verloren gegangen. Und jetzt, in den letzten Jahren, ist sie plötzlich wiederentdeckt, für meinen Geschmack ein bisschen zu popkulturell gehypt, weil die Sachen, die so gezeigt werden, sind natürlich sehr Louis Vuitton, poppig, bunt, witzig, die hat ganz andere Sachen auch gemacht, die richtig wild sind, irgendwie dieses Boot, was nur mit ihren fallischen Ausstülpungen überzogen ist. Und die hat sich wirklich, ich meine, sie hat ja wirklich auch psychische Probleme, deswegen die Punkte haben ja einen Hintergrund. Und dieses Durchhalten, Weitermachen und diese Talsohlen durchlaufen und immer weitermachen, das ist mir definitiv ein Vorbild. Auch in der Zeit, wo man manchmal nicht genau weiß, warum mache ich das eigentlich, aber ich mache halt weiter, weil ich halt auch nicht aufhören kann. So sein Schicksal zu akzeptieren und trotzdem weiterzumachen, also ich meine, bei ihr war es ja wirklich ein dramatisches Schicksal, weil sie halt diese psychische Erkrankung hat. Also das finde ich, bewundere ich sehr. Also ich weiß noch, mein allererster Ausstellungskatalog von Einzelausstellungen, da war sie auch, wurde von einer Kunsthistorikerin so als Beispiel herangezogen. Und damals kannte ich sie tatsächlich selbst noch gar nicht so richtig. Dieses Porträt, was ich gemacht habe, das geht tatsächlich auf eine Ausstellung in Australien zurück, vor drei Jahren, glaube ich. Da war ich eingeladen für ein Porträt. In New South Wales gibt es die Archies, das ist jedes Jahr so ein Porträtwettbewerb. Und die hatten zum Jubiläum, 100 Jahre dieses Porträtwettbewerbs, hatten eine Textilkunstgalerie, Textilkünstler*innen angefragt, ob sie ein textiles Porträt eines Vorbildes irgendwie machen können. Und da hatte ich die Yoyoi Kusama tatsächlich als Porträt und als Heldin irgendwie dargestellt. Und wie bist du da drauf gekommen? Bist du angesprochen worden? Ich bin in so einem Buch über Textilkünstler*innen, das ist vor vier, fünf Jahren rausgekommen von einer französischen Kunsthistorikerin, "Ceci n'est pas in pull". Und das gibt es auch auf Englisch, in englischer Übersetzung als "Unraveled". Und darüber haben die mich irgendwie gefunden und angefragt. Ja, sehr schön. Das war toll, ja. Das glaube ich. Das war eine tolle Zeit. Und dann ist das nämlich im Container in Singapur meine Kunst irgendwie festgesetzt worden, weil Australien nichts mehr reingelassen hat. Das war dann irgendwie, und die Ausstellung sollte beginnen. Also es war dann spannend und dann wusste man nicht genau, wo es ist. Ich versuchte bei DHL, jeder, der da schon mal was versucht hat zu finden, weiß, wie schwer das ist, das rauszukriegen. Absolut. Ja. Na ja, schön. Aber das hat funktioniert. Das hat dann funktioniert, genau. Aber du fragtest nach anderen Vorbildern. Ja, da gibt es noch andere Vorbilder, genau. Ja, ich finde viele Sachen toll. Also ich meine, ich mag Tony Craig genauso wie Louise Bourgeois. Also es ist tatsächlich die Bildhauerei. Wilhelm Lehmbruck finde ich ganz toll, geht in eine ganz andere Richtung. Aber trotzdem so dieses Raum verdrängende, seelenvolle, mit so einfachen Mitteln. Also ich bin definitiv vor allem in der Bildhauerei zu Hause. Claes Oldenburg? Ja klar. Also er ist der Namensgeber für meine, dass ich überhaupt einen Namen für das, was ich mache, gefunden habe. Diese "Soft Sculptures", dieser Begriff, der geht auf ihn zurück. Und diese Toiletten oder diese Schreibmaschinen, die er gemacht hat, so in überdimensioniert aus Stoff genäht, das ist einfach so herzerfrischend, dass die nicht stramm, aufrecht, hart, stabil dastehen wie sonst, sagen wir mal, eher so die männlichen Stahlskulpturen. Die hängen ja so ein bisschen immer. Damit kann ich mich doch sehr stark identifizieren, als Mensch und als Künstlerin. Ja, sehr schön. Ganz herzlichen Dank, Katharina Krenkel. Und wenn ihr Vogelgezitscher im Hintergrund gehört habt, dann liegt es daran, dass wir das Gespräch in Katharinas wundervollem Garten geführt haben. Ihre Arbeiten könnt ihr ab dem 26. Juli in der HBK-Galerie sehen. Da stellt sie in einer Alumni-Ausstellung unter anderem die zweiteilige Arbeit "On/Off" aus. Das ist eine Vorstudie zum Pleasure Patchwork. Und dann gibt es seit dem 28. Juni bereits eine Gruppenausstellung in Bad Orb in Hessen, die zeitgenössische künstlerische Position zum Thema Fußball zeigt. Da gibt es unter anderem auch gehäkelte Fußbälle von Katharina Krenkel zu sehen. Und wenn ihr zufällig im Sommer in Argentinien Ferien macht, in Buenos Aires gibt es gleich zwei Ausstellungen mit Arbeiten von Katharina Krenkel. Alle Termine und Orte der Ausstellungen sowie weitere Infos zur Künstlerin findet ihr wie immer in den Show Notes. Bis zum nächsten Mal, eure Verena Feldbausch. Dir hat art talk gefallen? Dann hinterlasse 5 Sterne und empfehle uns deinen Freund*innen. Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Show Notes und in unserem Blog. Sei wieder dabei, wenn es heißt "Wir reden über Kunst" bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. [Musik]