art talk SaarLorLux

Verena Feldbausch

art talk - mit Tina Gillen

Tina Gillen führt durch ihre Einzelausstellung in der Galerie Nosbaum Reding in Luxemburg Stadt

24.09.2024 33 min Verena Feldbausch

Zusammenfassung & Show Notes

Die luxemburgische Künstlerin Tina Gillen beschäftigt sich in erster Linie mit dem Medium der Malerei und untersucht, wie wir mit der Welt um uns herum in Beziehung stehen, insbesondere mit den Themen Landschaft und Architektur. Ihre Gemälde gehen oft von Fotografien aus, die sie verändert, vereinfacht, bildlich "übersetzt" und mit anderen Elementen kombiniert, um zu Kompositionen zu gelangen, die bewusst eine gewisse Mehrdeutigkeit zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen der Oberfläche der Leinwand und der Übersetzung eines Raums fördern. Ihre Einzelausstellung in der Galerie Nosbaum Reding in Luxemburg Stadt statt trägt den Titel „Nailing colours to the mast“ und ist bis zum 9. November zu sehen.

Tina Gillen findest Du auf Instagram: https://www.instagram.com/studio_tinagillen/
auf der Seite der Galerie Nosbaum Reding:
https://www.nosbaumreding.com/en/artists/biography/3/tina-gillen-bio
auf der Webseite vom Mudam: https://www.mudam.com/de/kunstsammlung/tina-gillen
und auf der Seite der Kunsthalle Esch: https://www.konschthal.lu/de/ausstellungen/tina-gillen-flying-mercury

Die Galerie Nosbaum Reding findest Du hier: https://www.nosbaumreding.com/

Mehr Kunstpodcasts von art talk und Fotos der Installationen von Raphaela Vogel in Delme gibt's in meinem Blog: https://feldbausch.com/blog/

Mehr über art trailer findet ihr hier:
https://feldbausch.com/



Transkript

Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. Wir treffen Kurator*innen und Künstler*innen dort, wo sie gerade ausstellen. Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region. Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von art talk. Heute hört ihr den ersten Kunstpodcast aus Luxemburg. Wir sind in der Galerie Nosbaum Reding in Luxemburg-Stadt und sprechen mit der Künstlerin Tina Gillen, die hier Malerei ausstellt. Und ein Hinweis in eigener Sache, verpasst nicht den nachfolgenden Podcast, denn dann Wir sind in der Galerie Nosbaum Reding in Luxemburg-Stadt und sprechen mit der Künstlerin Jetzt erstmal viel Spaß beim Zuhören, eure Verena Feldbausch. Herzlich willkommen Tina Gillen. Ich möchte Sie kurz vorstellen. Tina Gillen ist Jahrgang 72 in Luxemburg geboren und ihr künstlerisches Medium ist vor allem die Malerei. Tina Gillen lehrt Malerei an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen und lebt in Alsemberg in Belgien. Ich freue mich sehr, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich mit mir zu unterhalten, während Sie mit dem Aufbau Ihrer Ausstellung hier bei Nosbaum Reding beschäftigt sind. Die Ausstellung heißt "Nailing Colours to the Mast". "Nailing Colours to the Mast" heißt im übertragenen Sinne, eine trotzige Weigerung, sich zu ergeben und die Bereitschaft, bis zum letzten Mann zu kämpfen. Könnten Sie mir den Titel erklären? Ich glaube, dass dieser Spruch... ein Sprichwort ist. Es handelt sich eigentlich darum, dass man sehr selbstbewusst die Ziele umarmt und alles einsetzt, sagen wir mal 100 Prozent nach einem gewissen Ziel strebt. Was ich interessant finde an "Nailing Colours to the Mast", an diesem Spruch, ist, dass es eigentlich um ein Boot geht. Es ist ein Spruch aus dem Jahr 1800 oder so, wo eigentlich auch sehr viel Unruhe war zwischen verschiedenen Ländern. Schiffe haben sich bekämpft. Und wenn man dann bestimmte Flaggen an den Mast angemacht hat, dann hat das eine bestimmte Bedeutung. Wenn man jetzt Rot, Weiß, Schwarz… Der Titel ist eher metaphorisch zu gebrauchen. Für mich auf jeden Fall war er eigentlich eher eine Auseinandersetzung mit der Zeit, in der wir leben, die eigentlich auch ein bisschen unruhig ist. Und wir konfrontiert werden mit ganz vielen Politiken, ökonomischen Unbestimmtheiten, die vielleicht...ein Seilboot auf einem Meer scheint Sehr schön und ruhig und fließend, aber zur gleichen Zeit ist es auch Ruhe vor dem Sturm vielleicht. Ich konnte mich eigentlich irgendwie da hineinleben. Die Seile sind gefüllt mit Luft, aber man sieht nie das ganze Schiff, man hat nie die ganze Perspektive. Man weiß auch nie, wer da an den Seilen zieht. Es ist eine Malerei natürlich auch. Ich spiele ein bisschen mit dem Fragmentarischen vom Bild, was man sieht und was man nicht sieht. Die Fenster, die auch in den Ausstellungen vorkommen, verweisen eigentlich auch nach einem Inneren von einem Schiff, wo man hinausguckt und die Weite, die Unbestimmtheit in der Ferne sieht. Zugleich ist man irgendwie noch geschützt. Das ist ein bisschen so die Idee von der Hütte oder dem Shelter, die ich gemalt habe, vielleicht für die Biennale. Das Boot ist eigentlich auch ein Shelter, aber auf dem Wasser und ein kleines Haus, was mobil ist. Ich glaube, das Spiel mit dem Licht ist natürlich super wichtig, auch für mich, immer in meinen Bildern, wie das Licht darauf steht. Die Momentaufnahmen kommen natürlich auch ein bisschen von der Fotografie, aber zugleich zeigt, glaube ich, dass meine Bilder sich entfernen vom fotografischen Bild, weil ich wirklich versuche, die Motive malerisch zu entknüpfen. Es muss alles im Bild stimmen. Es stimmt nie während dem Malen, aber so lange, bis das Bild stimmt. Ich wollte jetzt nicht sagen, dass ich jetzt immer sehr exakt bin oder so, das glaube ich eigentlich nicht, aber ich habe gerne, wenn sich langsamerweise das Bild eigentlich so selbst anzieht, so ein bisschen wie man ein Seil vielleicht fast spannt, auf einmal sieht alles in der richtigen Komposition und dann scheint das gut. Also es sind verschiedene Sichten auf die See oder das Gefühl, dass man irgendwo steht und in die Tiefe guckt, aber auch nicht alles sieht. Das Schöne daran ist, dass es doch viel Raum zulässt für weitere Assoziationen. Sollen wir vielleicht mal rumgehen? Fängt man irgendwo an? Ja, man kommt da rein. Es gibt vier Bilder, das Gelbe da und diese drei sind eigentlich von einem Interieur, von einem Boot. Die Sicht ist eigentlich die von verschiedenen Zeitpunkten aufs Wasser und den Übergang zum Grünen, zum Land eigentlich. Ich habe eine bestimmte Stelle am Kanal in Brüssel fotografiert und zu verschiedenen Zeitpunkten, im Sommer auch, und wo ich dann die Farben vom Gras, von der Wiese nebenan, zur gleichen Zeit aber auch die Oberfläche des Wassers fotografiert habe und habe dann eigentlich Übergänge gemacht, die sind für eine bestimmte Region neben dem Wasser. Also zu unterschiedlichen Tageszeiten, aber aus derselben Stelle in Brüssel war das? Ja, in Brüssel. Und das sind quasi diese vier Bilder, also das Gelbe. Es ist eigentlich mehr ein Peniche, so ein Motorboot eher, also vielleicht eher als das Seilboot. Genau. Und dann kam eigentlich, das war eigentlich die Anleitung zum "Nailing Colors to the Mast", eigentlich heißt die Arbeit "Anatomie eines Seilbootes". Das ist ein bisschen ein wissenschaftliches Zeichnen, das ich versucht habe zu übersetzen in eine Malerei. Und die roten Striche sind eigentlich Anweisungen, wie die Seile heißen und wie das alles funktioniert. Bestimmt wird es mit Namen und so. Und ich habe das rot gemacht und auf einmal fand ich eigentlich, dass das so aggressiv auch war. Und habe dann auf einmal diesen Titel gefunden, der mir sehr treffend war und dachte so, ja, wie kann ich das eigentlich weiterspinnen von der Idee und habe dann eigentlich das Bild gemacht. Half light. Halbes Licht. Jetzt scheint die Sonne drauf. Das sind die Segel von einem Segelboot? Ja. Also ich habe schon wirkliche Fotos genommen von Seilbooten und habe dann gesucht, bis ich das Richtige gefunden habe, wo ich das Spiel mit dem Licht und Schatten gesehen habe und sah dann Potenzial, um weiterzubauen. Okay, und das basiert auf dem Foto, was Sie selbst gemacht haben oder das Sie irgendwo gefunden haben? Das ist auch unterschiedlich. Manchmal im Sommer habe ich auch am Meer gesessen und habe dann auch viele Fotos gemacht von Seilbooten, die schon recht oft vorbeikommen, weil ich in Griechenland war und das hat mich auch inspiriert, dass während dem Tag die Boote, die irgendwie hinfahren, ich weiß nicht richtig wo, aber zur gleichen Zeit in Griechenland hat man auch die Flüchtlinge, die irgendwie auch angespielt wurden. Also es gibt da viele verschiedene Boote. Aber in diesem Fall habe ich ein bestehendes Foto gesucht mit verschiedenen Seilen, weil ich das dicht dabei haben wollte. Und das ist jetzt eigentlich nochmal eine andere Situation, das ist jetzt von vorne von dem Boot, vom Bug. Ja, genau. Auch von einem Segelboot? Ja, von einem Segelboot. Und das mit den roten Segeln hier, also das ist jetzt… Das heißt "Riot of Colours". Ja, also das ist ja auch ein bisschen ein… Vielleicht die Farben sind vielleicht auch irgendwie ein bisschen heftiger, auch das Schwarz und das Rote bekämpft sich irgendwie so, oder auch ein bisschen stürmischer, man weiß das Richtige. Da scheint das eine Seil nicht mehr so gespannt zu sein. Ja, das ist ein Kampf mit dem Wind oder mit der Situation auf der See eigentlich. Es ist mehr unheilsvoll. Es ist sehr angespannt. Ja, angespannt und da weniger. Ich glaube, das spürt man einfach. Und das wollte ich eigentlich auch ein bisschen. Und jetzt habe ich noch eine Frage zu diesen beiden Bildern. Also eins ist das runde Bild. Ja, das ist eigentlich ein Fenster von einem Boot, wenn man rausguckt. Das weiß ich noch nicht, ob ich das zeigen möchte, aber das ist ein sehr frühes Bild, das ich vor 20 Jahren gemalt habe. Ich habe es als Bild gebracht, jetzt ist Alex dran. Jetzt weiß ich schon mal mehr über die Ausstellung. Und natürlich interessiert mich jetzt auch, was inspiriert Sie, Kunst zu schaffen? Tagtäglich, glaube ich, werde ich inspiriert durch das Leben selbst. Also was mir, was so wie wir alle, glaube ich, sagen, natürlich hängt es immer davon ab, wie aufmerksam man wirklich ist und wie viel Gefühl man zeigt für seine Umwelt. Bei mir ist es sehr deutlich, dass ich das sehr viel mache. Also ich bin sehr aufmerksam. Und nehme halt sehr viel auf, was rum zu mir geschieht. Also mir ist die Realität sehr wichtig. Natürlich gibt es auch so die Realität von den Medien zum Beispiel und die Informationsquellen, die uns überspülen, von irgendwo anders. Und die sind vielleicht nicht unbedingt immer zu begreifen, aber ich versuche mich da hineinzuleben. Also irgendwie bei mir die Welt wichtig ist irgendwie. Also ich fühle mich schon irgendwie als Weltbürger und wohne vielleicht in Brüssel, in Alsemberg, aber wenn ich hier in Luxemburg bin, dann bin ich auch gerne hier. Ich glaube, ich nehme überall, wo ich hingehe, Situationen wahr und versuche zu notieren. Ich lese auch viel und schreibe dann kleine Sätze auf oder wie da das Sprichwort zum Beispiel. Und dann knüpfe ich manchmal verschiedene Titel aneinander, die sich dann finden auf einmal. Das ist ein sehr langer Prozess, aber das geht nicht in einer Woche so. Das baut sich langsam auf, bis die Spannung dann da ist und dann weiß ich ja, dann ist die Zeit gekommen ins Atelier zu gehen und es einfach zu malen. Ich habe in diesem Sinn, glaube ich, manchmal wenig Imagination. Also ich bin manchmal sehr neidisch auf Personen, die sehr kreativ sind und alles von innen aus so bedenken können. Ich habe das auch gefühlsmäßig, kann ich es unwahrscheinlich, also ich bin sehr empathisch, ich glaube, ich kann mich sehr gut einfühlen, aber ich kann nicht wirklich sagen, was ich jetzt visuell … Es muss irgendwie immer gelinkt sein an die Realität oder an unser Bestehen. In diesem Sinn ist es sehr ernst immer. Es ist nicht wirklich witzig oder so. Ich bin dann auch neidisch auf die Personen, die sehr witzige und amüsante Arbeiten machen können. Bei mir ist es weniger. Es kommt eigentlich sehr dicht an meine Natur. Welche Rolle spielt die Fotografie für Ihr Werk? Sie haben schon gesagt, dass das auch hilft als Gedanke. Ich glaube, die Fotografie ist einfach auch eine Weise, um das Visuelle festzuhalten, also dass man den Moment einfach nicht vergisst. Obwohl ich auch denke, dass ich … Einerseits mache ich dann vielleicht selbst auch viele Fotos von einem bestimmten Ort oder Stelle, aber ohne das Gefühl, dass mich verbindet an den Ort, wäre das auch nicht dasselbe. Ich möchte das immer noch hineinprojizieren. Es geht mir nicht darum, nur das Bild zu reproduzieren. Es muss mehr sein als das. Es gibt ja figurative Elemente in Ihrer Arbeit, also das Segel oder diese Rehling. Und doch wirken die Kompositionen oft abstrahierend, vielleicht weil Sie auch Details rausnehmen. Farbe, Form und Textur spielen auch in Ihrer Malerei eine wichtige Rolle. Wie sind Sie zu dieser Bildsprache gekommen? Ich glaube, dass sich das auch über die Jahre hingezogen hat. Ich glaube, am Anfang … Ich arbeite jetzt vornehmlich mit Acryl eigentlich, und habe dann aber auch am Anfang mit Öl gearbeitet. Dann habe ich auch einmal Acryl und Öl zusammengebracht. Erst Acryl und dann Öl natürlich. Aber bei mir ist der Prozess von dem Malen wirklich in Schichten und in verschiedenen Lagen. Ich habe nur festgestellt, dass es einfacher ist, mit Acryl zu arbeiten, wo die Trockenzeiten einfach schneller sind. Die Technik hat mich dazu gebracht, mich für das Medium zu entscheiden. Nun, bei Acryl ist es auch so, dass man richtig Fett nicht richtig malen kann. Es ist weniger evident mit Öl. Da hat man so das butterige Gefühl. Bei Acryl kann man das auch machen, aber nicht, wenn man viele Lagen übereinander schiebt. Ich male sehr flüssig. In dem Sinn ist die Oberfläche eigentlich schon sehr flach. Aber ich glaube, dass man doch die Gefühligkeit sieht in dem Pinselstrich, der doch noch sichtbar ist. Der ist mir sehr wichtig. Die Oberfläche ist vielleicht flach, aber die sichtbare Bewegung von der Farbe ist sichtbar. Die ist wirklich anwesend und das ist mir sehr wichtig. Dann gibt es auch wieder einen Unterschied zu den Papierarbeiten, wo ich auch viel ausprobiere. Ich habe jetzt wenige Papierarbeiten in dieser Ausstellung, aber ich arbeite da flach auf dem Tisch. Die Farbe läuft dann auch anders weg, wie auf einem großen Tuch, was man auffangen muss, um zu arbeiten. Wenn man damit was arbeitet, dann läuft automatisch die Farbe nach unten und dann hat man Drippings. Die nehme ich dabei. Das ist kein richtiger Stil, das ist auch die Schwerkraft vom Medium, die das auch bestimmt. Dann habe ich sehr gerne die Zusammenstellung zwischen Landschaft und Architektur. Das inspiriert mich im Leben auch. Ich glaube, das ist so ein Thema, dass sich viele Motive darum bewegen. Alles, was Architektur ist, erlaubt mir auch, vielleicht anders zubehandeln. Ich kann z.B. Tape gebrauchen, um eine rechte Linie zu haben, muss das aber nicht machen. Manchmal mache ich das auch überhaupt nicht. Dann denken Menschen, ich habe hier Tape gebraucht, aber mittlerweile kann ich auch einen geraden Strich wegziehen ohne Tape. Ich weiß nicht, ob ich das alles beantwortet habe. Wie sind Sie zu Ihrer Bildsprache gekommen? Ich frage mich das auch. Wie kommt man da drauf? Man muss die Arbeit noch gerne machen. Eine Malerei muss mich auch herausfordern. Es muss auch nicht immer direkt gelingen. Es gibt sehr viele Arbeiten, die ich mit einem Schwappen wieder wegwasche. Z.B. in der Ausstellung die Malerei mit dem weißen Segel. Die hat einen Mast. Ich war nicht zufrieden mit dem gemalten Mast und habe dann einen Schwamm genommen und den Mast wieder weggemacht. Und dann war der Mast gut. Das ist natürlich auch ein Vorteil von Acryl, dass man da noch mal eingreifen kann und Dinge wegnehmen kann. Ja, mit Öl kann man aber auch mit Terpentin und einem Stofftuch das wieder wegmachen. Das geht auch. Aber die Möglichkeit hat man. In diesem Sinne arbeitet man nicht nur mit Pinseln, aber auch mit einem Schwamm vielleicht, oder? Ja. Ich glaube, man muss nur weitermachen. Während man etwas macht, hat man nie das Gefühl, dass man einen Stil hat. Das hatte ich nie, das Gefühl. Ich stelle mich auch noch immer in Frage. Sie sagen mir das so, das finde ich sehr nett, aber für mich ist es absolut keine Evidenz, dass man das hat. Wann ist denn für Sie ein Bild fertig? Das spüre ich einfach, wenn ich noch ein paar Linien mache, dass die Komposition stimmt. Ich bin schon sehr gefühlig vor Farben und Kolorit und Kompositionen. Und dann sehe ich, dass in der unteren Ecke noch etwas geschehen muss. Dann habe ich die Wahl, gehe ich noch einmal hinein in das Bild und verändere es. Mache ich das noch oder nicht? Auf einmal weiß man nicht mehr, was man machen muss. Dann kann man sagen, es ist vielleicht fertig. Und wenn der Galerist auch kommt und sagt, das ist schön, dann hört man auch auf. Das ist ja hilfreich, das denke ich. 2022 haben Sie den Luxemburger Pavillon auf der Biennale in Venedig gestaltet. Das Werk hieß "Faraway so close". Auch hier geht es um die Beziehung von Innenraum und Außenwelt. Was war der Ausgangspunkt für diese Arbeit, diese raumgreifende Installation? Das war eigentlich auch eine Inszenierung. Der Titel der Ausstellung war "Faraway so close". Der Ausgangspunkt war wirklich auch der Raum, die Sale d'Armi. Der Raum im Arsenal ist ja wirklich eine riesengroße Scheune. Ein Arsenal, wo man eigentlich auch überhaupt nichts gegen die Mauern aufhängen konnte. Ich musste eigentlich in meinem Projekt meine Arbeiten selbst aufhängen. Sie konnten nichts an den Mauern festmachen? Nein, das war verboten. Es war einfach eine Steinmauer, wo man nichts aufhängen konnte. Deshalb musste ich eigentlich eine ganze Szenografie selbst entwerfen. Ich habe mich dann inspiriert an Bildern, die eigentlich als Hintergründe für Filme gebraucht werden. Filmkulissen? Die alten Hollywood-Filme wurden noch gemalt. Die Hintergründe werden manchmal noch gemalt. Jetzt werden sie digital hergestellt. Es gibt noch immer diesen Beruf, auf jeden Fall. Ich finde, das ist ein sehr schöner Beruf. Nur werden manchmal diese Bilder nie als Arbeiten gesehen, weil sie immer mehr im Hintergrund stehen. Das hat mich irgendwie fasziniert. Ich dachte, warum könnte ich nicht eine Ausstellung mit Hintergründen von unserem eigenen Leben machen, von unseren eigenen Landschaften, von unseren Umgebungen. Im Zentrum der Ausstellung habe ich ein kleines Refugio aus Holz. Das ist doch sicherlich die Größe eines Zimmers. Man konnte es auch begehen, oder? Ja, man konnte wirklich hineingehen. Es war mir sehr wichtig, dass es einen Innenraum gab, der offen genug war, um die anderen Bilder im Raum zu sehen. Da gab es auch eine große Sonne, fast eine Explosion. Sehr grafisch, mit schwarz und gelb und rot. Das Bild war sieben auf vier Meter. Es war zentral im Raum, neben der Hütte. Die anderen Bilder sind rundherum angeordnet. Es waren Arbeiten zu sehen: Verschiedene Landschaften, eine Seelandschaft, eine Abbildung von einem Vulkan, ein Haus auf Stelzen, ein Haus unter Wasser, so halb, und auch eine Schneelandschaft. Die entstehen nicht durch eine Überschwemmung Auch ein bisschen unheilvoll. Ich wollte das Gewicht auf die Landschaft setzen und die Problematik von der Umwelt, die wir zurzeit haben, das Klima und die Veränderung, die das mit sich bringt. Wir müssen mit der Natur zusammenarbeiten und nicht uns isolieren. Das Haus steht offen, sodass man sich in die Landschaft hineinprojezieren kann und herum wandeln kann. Ich fand es ein sehr gelungenes Projekt für mich, wo ich auch die dritte, vierte Dimension ausprobiert habe. Wenn ich jetzt meine Ausstellung sehe, dann sind das meistens Bilder, die aufgehängt wurden an einer Mauer. Aber ich habe sehr gerne konzeptuelle Projekte, wo ich mit einem Raum zusammenarbeiten kann und die Historie von einem Raum mit einbeziehen kann. Auf der Biennale habe ich das auch gemacht mit dem Arsenal. Das haben Sie hier in Mudam, glaube ich, zusammengebaut? Nein, Sie müssen sich das vorstellen, dass ich gerade eine Woche vor dem Lockdown die Antwort bekommen habe, dass ich die Biennale machen kann. Und dann gingen wir in den Lockdown und alle Geschäfte gingen dicht. Und wir konnten nicht mehr reisen. Ich konnte nicht mehr nach Luxemburg. Das heißt, ein Jahr lang wurde die Biennale ausgesetzt. Und ich habe mir vorgenommen, mit Studenten ein Projekt zu machen, das mehr wissenschaftlich ist auf Landschaft, um auch Zeit zu haben, um die Arbeiten mit den Studenten zu entwickeln. Ich gebe da Unterricht in Antwerpen. Und während den zwei Jahren habe ich in meinem Atelier die Arbeiten gemacht. Ich habe wenig Besuch bekommen, weil wir noch immer – das hat doch sicherlich ein Jahr gedauert. Ich weiß auch schon nicht mehr. Das Mudam hat den Kurator gestellt und das Ministerium hat natürlich das Projekt unterstützt. Wer war der Kurator? Christophe Gallois. Der arbeitet als Kurator in Mudam. Aber ich meine, ich habe das in Mudam gesehen. Kann das sein? Nein, das war in der Kunsthalle in Esch wahrscheinlich. Ich konnte nicht die gleichen Arbeiten zeigen, weil die gingen nicht in den Raum. Ich habe da eine andere Ausstellung gemacht. Die Ausstellung hieß "Flying Mercury". Und die Ausstellung wollte ich die Kunsthalle zeigen. Von der Biennale, aber das ging überhaupt nicht. Weil die gemacht war für den Raum in Venedig. Ich habe dann eigentlich die Installation ein bisschen hergenommen und verschiedene Arbeiten herausgenommen und erweitert durch Arbeiten, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Ich habe die älteren und neueren, die Post Biennale waren, zusammengebaut. Das war eigentlich sehr schön. Ich war schon sehr zufrieden. Ich konnte da eigentlich mehr Arbeiten von mir zeigen als auf der Biennale. Auf der Biennale war es mehr ein Statement, wirklich eine Installation. Und hier an der Kunsthalle konnte ich auch kleine Arbeiten zeigen auf Papier. Meine Etappen, wie ich eigentlich zu einem Bild komme, waren da auch zu sehen. Das war sehr schön. An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell? Das Aktuellste war jetzt diese Ausstellung. Im November gibt es noch eine Gruppenausstellung in den Ardennen, in Belgien. "Fête de la Saint-Martin", wo ich auch in einer Scheune mit anderen ausstelle, da zeige ich einen Diptychon. Das ist auch eine Ausstellung an verschiedenen Orten. Verschiedene Künstler sind an verschiedenen Stellen in dem Ort ausgestellt. Es ist eine Kunstwanderung. Das ist im November. Das ist für dieses Jahr und dann schließe ich ab. Nächstes Jahr sind aber auch schon wieder ein paar Dinge geplant. Es gibt eine Ausstellung, wahrscheinlich im SMAK in Gent, in Belgien. Das ist eine Gruppenausstellung über Malerei, zeitgenössische Malerei, wo ich teilnehme. Und auch eine neue Arbeit präsentieren möchte. Und wahrscheinlich noch eine Solo-Show in Antwerpen. Sehr schön. Super. Vielen Dank. Ich möchte Ihnen herzlich danken. Es hat mir viel Spaß gemacht. Danke. Wie immer findet ihr Abbildungen von Tina Gillens Malerei in meinem Blog. Wenn ihr euch die Arbeiten live anschauen möchtet, dann kommt nach Luxemburg in die Galerie Nossbaum-Reding und schaut euch die Ausstellung "Nailing Colours to the Mast" an. Sie geht noch bis zum 9. November. Viel Spaß beim Entdecken und bis zum nächsten Mal. Eure Verena Feldbausch. Dir hat art talk gefallen? Dann hinterlasse 5 Sterne und empfehle uns deinen Freund*innen. Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Show Notes und in unserem Blog. Sei wieder dabei, wenn es heißt, wir reden über Kunst bei art talk, im Kunstpodcast aus Saarland-Luxemburg.