art talk SaarLorLux

Verena Feldbausch

art talk - Richard Serra im Kunstverein Dillingen

Richard Serras Stahlskulpturen fotografiert von Dirk Reinartz

27.06.2024 45 min Verena Feldbausch

Zusammenfassung & Show Notes

Der kürzlich verstorbene amerikanische Bildhauer Richard Serra (1939-2024) ist der wichtigste Stahlarbeiter unter den Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine Kennzeichen: tonnenschwere Skulpturen aus rostendem Stahl. Für mehr als 100 öffentliche Orte hat er Skulpturen geschaffen, von Philadelphia und St. Louis über São Paulo bis nach Dillingen im Saarland ("Viewpoint“ von 2006). Richard Serra hatte eine ganz besondere Beziehung zum Saarland, denn seit 1986 bezog er das Material für seine Kunstwerke von der Dillinger Hütte. Die Ausstellung im Dillinger Kunstverein zeigt schwarz-weiß Fotografien von Dirk Reinartz, Grafiken von Serra aus der Sammlung Scheidt, ein Modell von Viewpoint sowie zwei Filme über den Künstler Richard Serra. Sie ist bis zum 14. Juli 2024 zu sehen.

Die Ausstellung Richard Serra ist bis zum 14.7. 2024 im Kunstverein Dillingen zu sehen.

Zum Kunstverein Dillingen: https://www.kunstverein-dillingen.de/

Richard Serra: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Serra

Mehr Kunstpodcasts von art talk und Fotos von Richard Serras Skulpturen gibt's in meinem Blog: https://feldbausch.com/blog/

Mehr über art trailer findet ihr hier:
https://feldbausch.com/



Transkript

Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. Wir treffen Kurator*innen und Künstler*innen dort, wo sie gerade ausstellen. Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer Region. Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt. Sein Kennzeichen sind riesige Skulpturen aus rostendem Stahl. Für über 100 öffentliche Orte hat der Bildhauer Richard Serra Skulpturen geschaffen. Von Philadelphia und St. Louis über Sao Paulo bis hin nach Saarbrücken, Luxemburg und Dillingen. Warum Richard Serra eine ganz besondere Beziehung zum Saarland hatte, das bespreche ich gleich mit dem Ingenieur Klaus Pape und um was es in der Ausstellung sonst noch so geht, das erfahren wir von Wolfgang Birk, dem Vorsitzenden des Kunstvereins Dillingen. Viel Spaß beim Zuhören wünscht euch Verena Feldbausch. Herzlich willkommen Herr Pape. Sie haben als Ingenieur auf der Dillinger Hütte gearbeitet und damals haben Sie auch den Künstler Richard Serra betreut. Serra hat seit 1986 den Stahl für seine Werke aus Dillingen bezogen. Wie haben Sie den Künstler erlebt? Wie war die Zusammenarbeit? Also zunächst mal warum 1986? In Dillingen ist 1971 ein großes Blechwalzwerk in Betrieb gegangen mit einer bestimmten Möglichkeit der Breite von Blechen. 4,3 Meter war das am Anfang. Im Jahr 1985 hat Dillingen sein Walzgerüst erweitert auf 4,7 Meter anstatt 4,3 Meter. Und damit war es klar, dass Serra sich sofort um Bleche von Dillingen kümmerte und Hatting abgehakt hat. Das war bei ihm nicht bös gemeint, sondern er hat das Maximum gesucht. Das Minimum an Form und das Maximum an Abmessung. Das Minimum an Form kann man beispielsweise an diesen Bildern erklären. Also die Bilder sind Fotografien von Dirk Reinartz. Das sind Richard Serra Skulpturen in London, in Luxemburg, in Berlin. Die einfachste Form ist dieses hier, das glatte Blech. So kommt es aus dem Walzwerk. Natürlich ist es im Walzwerk zunächst mal rechteckig über die gesamte Länge gleiche Breite. Dann wird das in dem Fall schon von unseren Betrieben auf die Maße geschnitten, die Serra wollte. Und dann wurden diese glatten Bleche wie so ein Lagerfeuer aneinander gestellt. Und so dass sie sich in ihrer Spitze trafen. Hier ist von innen heraus nach oben fotografiert. Und dass hier ein wunderschönes Quadrat entsteht, das ist kein Zufall. Das hat Serra so gewollt. Wir sprechen über die Skulptur "Exchange", die auf dem Luxemburger Kirchberg zu sehen ist. Als man die Dillinger größere Bleche bekommen konnte, hat er sofort umgeschwenkt und hat "Full-Schwung", das war die erste Skulptur, die aus Dillinger Blech gemacht worden ist. Und das war damals natürlich die größte, die es gab von der Sorte. Die nächste war dann "Axis" hier in Bielefeld. Da steht auch das Jahr 88, 89, also das kann man in der Chronologie sehen. So und die nächste in der Serie war dann Saarbrücken. "Torque", Campus von der Saarbrücker Uni, das war eine sehr reizvolle Sache für uns auch. Denn natürlich, hier jetzt wieder diese Form, glatte Bleche. Einfacher geht's nicht. Diese sechs Bleche sind jetzt wieder als Lagerfeuer aneinander gestellt in sehr symmetrischer Form. Luxemburg ist nicht so symmetrisch, aber die ist 15 Meter hoch und wiegt jede Menge, 250 Tonnen fast. Also war schon bombastisch. In der Logistik des Baufortschrittes wurden dann die Bleche angefordert. Hier von den Kränen wurden die Bleche übernommen und dann der Reihe nach aufgestellt. Die stützen sich gegenseitig. Zunächst mal schon die ersten zwei, die ersten drei allein sind schon standfest. Aber als dann alle sechs standen, dann steht das eben unverrückbar. Und das war dann in dem Augenblick die größte Skulptur nach diesem Typus. Und hier schon hat Serra sich wieder Skizzen gemacht. Da konnte man ihn sehen, wie er auf der Straße kniet. Gibt es vielleicht auch Bilder, weiß ich nicht. Und ihn in seinen Büchlein malt. Er hat immer ein Büchlein unter dem Arm gehabt und immer ein Grafittstift, kein Bleistift, ein Grafittstift. Und hat skizziert und man merkte oder man sah ihm an, dass er am Denken war. Und dann kam vier Jahre später die Skulptur in Luxemburg. Man muss es andersrum sagen. Die Stadt Luxemburg hat sich umgebaut. Sie kennen ja dieses Kirchbergplateau oder der ganze Kirchberg, der gebaut worden ist. Der war vorher eben nicht bebaut. Jetzt hat man die Autobahnen oben angeschlossen und die Stadt dorthin ausgeweitet. Und da kam dieses Riesen, der riesen Verkehrskreisel am Kirchberg und da wollte Luxemburg eine Skulptur haben, was anständig ist. Also Serra. Aber wir sind in Luxemburg. Da gibt es eine Firma namens Arbed und die macht Profile. Und zwar weltweit führend. Die haben sogenannte Jumbo-Träger gemacht. Also das waren Träger, aus denen man in China damals Hochhäuser gebaut hat. Das konnte keiner auf der Welt ihnen nachmachen. Das war schon toll. Und die haben natürlich zu Serra gesagt, du machst uns bitte eine schöne Skulptur, aber aus Jumbo-Trägern. Serra hat gesagt, nee, nee, ich mache euch die Skulptur, aber aus Dillinger Blechen. Und so ist es dann auch gekommen. Das war das erste Mal, dass wir erlebt haben, dass hier der Serra Werbeträger ist für uns. Weil er konnte seine Kunst nicht umsetzen mit Trägern. Dann lassen Sie uns doch zu dem Viewpoint gehen. Das ist ja die Skulptur hier in Dillinger. Ich sprach eben von dem Stichwort Form. Die einfachste Form ist das glatte Blech. Die nächste einfache Form ist das gebogene Blech. Geometrisch sind das gekippte Zylinderschalen. Und von der Form gibt es auch eine ganze Menge Skulpturen von Serra. Auch das ist eine einfache Form. Ist ja logisch, nichts Besonderes in der Herstellung. Man nimmt eine Biegemaschine und biegt das Blech auf Radius. Er hat daraus eine ganze Reihe von Skulpturen gemacht. Berlin zum Beispiel ist ein Beispiel dafür. Die haben wir auch gemacht. Die haben wir in Dillinger Bleche und in Dillinger umgeformt. Die stehen vor der Philharmonie. Die standen auch in irgendeiner Kunsthalle in Berlin und mussten durchs Fenster reingehoben werden. Diese Riesenabmessungen bekommt man nicht in die Gebäude rein. Da gibt es eine Firma, die Firma Fuchs. Die sitzt auch in Bochum. Die waren darauf geeicht, die Serra-Skulpturen aufzubauen. Das ist nicht so einfach, Skulpturen aufzubauen. Beispielsweise in Bilbao, in diesem Guggenheim-Museum. Oder in New York, im MoMA. Im fünften Stock oder so eine Serra-Skulptur unterzubringen, die kann man nicht mit dem Fahrstuhl hochfahren. Die haben also oft Skulpturen durch die Fenster reingemacht. Jetzt geht es aber weiter. Wenn sie durchs Fenster geschoben werden, kann man sich das noch vorstellen. Der große Riesenkran steht draußen, aber was steht drinnen? Wer hebt da die Skulptur? Dann gibt es also mit hydraulischen Kissen und solchen Dingen. Da haben die gearbeitet und man kann von denen nur den Hut ziehen. Und was nicht passieren durfte, ist, dass irgendein Schaden an die Skulpturen, Elemente kam. Da war Serra unerbittlich. Die Oberfläche musste wunderbar sein. Makellos. Das gehörte zu seinem ästhetischen Konzept. Er hat also Riesenskulpturen gemacht, die auf die Menschen wirken. Serra-Skulpturen lassen niemanden kalt. Also entweder man mag sie oder man mag sie nicht. Und genau auf diesen Hebel drückt er mit Lust. Baut Riesendinger, dass die Leute davor Angst haben oder sagen, das ist ja wunderbar. Aber was nicht sein darf, ist, dass sie in irgendeiner Weise in ihrer Ästhetik gestört sind. Da konnte er auch wütend werden. Da hat ihn das bestimmt sehr getroffen, dass diese Skulptur an dem Saarbrücker Unicampus da so total angemalt ist. An sich ist das in seinem Sinne, da gibt es eine Auseinandersetzung. Er sucht immer, dass sich die Menschen mit seiner Kunst auseinandersetzen, damit ein bisschen Zugang zu seiner Kunst finden, aber auch zu sich selbst. Philosoph, kann man sagen. Das ist ja ein interessanter Prozess und da war Serra Also insofern, dass in Saarbrücken alles voll Graffiti gemacht worden ist und die Segmente da beklebt sind, das hat ihn nicht gestört. Dass man da reinpinkelt, das hat ihn gestört. Aber selbst das konnte er ertragen. Er hat da eine ganz eigene Art der Sicht und so wie ich es jetzt gesagt habe, ist es glaube ich richtig. Er wollte die Auseinandersetzung. Wie war er denn als Kunde? Er hat also seine Ideen von Ingenieurbüros aufzeichnen lassen, damit sie technisch und auch gegenüber jeder Behörde unantastbar waren und damit man nachweisen konnte, dass die Standfestigkeit okay war. Denn es ist ja klar, der erste Gedanke, den man bei solchen Skulpturen immer hat, gleich fallen sie um. Was sie auch immer nicht taten. Aber das hat er mit Ingenieurbüros gemacht und da gab es dann richtige Zeichnungen mit Maßen und Winkeln und allem drauf, sodass man zweierlei nicht konnte. Also erstens, man konnte es genau verstehen, aber man wurde daran auch gemessen. Man musste genauso fertigen, nicht irgendwie so, sondern ganz genau. Er war also pingelig. Pingelig im positivsten Sinne, er hatte eine Idee, eine Vision und die wollte er umsetzen. Da war er unerbittlich. Und Kompromisse oder dass man ihm fragte, ach, es ist ja zufällig was passiert, das Blech ist 10 cm kürzer geworden oder so ähnlich, nehmen sie es trotzdem? Nein. Er hatte ja in New York etwas aufgestellt, das nannte sich Tilted Arc. Und das war ein Riesenteil zusammengebaut und sperrte sozusagen den Federal Plaza für den Fußgängerverkehr ab. Die Leute kamen morgens zur Arbeit, wo sie jahrelang drüber getappt waren und plötzlich stand da so eine Mauer, angeblich ein Kunstwerk. Und da gab es wahnsinnige Aufregung in New York und ein Protest bis zum "Geht nicht mehr" und das führte zu Prozessen und so weiter. Und die Stadt New York hat dann diese Skulptur acht Jahre später abreißen lassen. Also Serra wäre nie einverstanden gewesen, die umzusetzen, irgendwo anders hin, das gibt es nicht. Er konzipiert seine Skulpturen für einen bestimmten Ort, da gehören sie hin, sonst nirgends. Das gehört alles zu seiner Art zu arbeiten. Also man dürfte in Dillingen zum Beispiel die Skulptur nicht einfach abbauen und stellen sie in den Stadtpark oder so. Dann ist zumindest jede Nennung des Namens Serra nicht mehr erlaubt, würde ich mal sagen. Nun am Federal Plaza hat man das Ding verschrottet. Da war er absolut wütend. Und da gab es irgendein amerikanischer Präsident, ich weiß nicht mehr wer. Der wollte in Washington eine Allee mit Skulpturen bestücken, die irgendwie Richtung Weißes Haus oder so führte. Und da haben viele Künstler ihre Entwürfe abgegeben, unter anderem auch Serra. Natürlich Serra wieder mit einem provokanten Entwurf. Und dieses Modell hatte er dem Präsidenten geschickt und irgendwelche Leute des Präsidenten fanden das auch schön, haben aber auf jede von diesen kleinen Stahldingern, die da im Modell waren, eine amerikanische Flagge drauf geklebt. Und als Serra da hinkam und das sah, da hat er geflucht und hat die mit Wüstenbegriffen beschimpft, die ich jetzt gar nicht wiederholen will, und ist gegangen. Solche Dinge akzeptiert er nicht. Oder in Berlin das Mahnmal Holocaust. Das ist ja auch sein Entwurf. Und das war mit bestimmten Dimensionen. Das erschien damals der Bundesregierung ein bisschen zu groß. Und da hat man gesagt, das reduzieren wir von mir aus, ich nehme 10 Prozent oder so in den Maßen. Die Relationen bleiben ja dann und so. Könnte man sagen, Serra, akzeptierst du das? Nein, akzeptiert nicht. Er ist dann aus dem Projekt ausgestiegen, es ist doch realisiert worden und läuft jetzt unter dem Architekten, dem Eisenmann. Und Serra wird nicht mehr erwähnt, aber das war eigentlich sein Entwurf. Also unnachgiebig, unerbittlich, geradlinig und so. Das ist Serra. Und was man sagen kann zum Thema Zusammenarbeit. Wir bekamen also eine Zeichnung, manchmal auch eine Beschreibung, verbal. Die haben wir dann in eine Zeichnung umgewandelt und ihm zurückgeschickt und haben gesagt, meinst du das so? Und wenn ja, okay, dann hat man eine Zeichnung, wenn nein, hat er geändert, dann hat man auch eine Zeichnung. Es war also klar, was gemeint war. Bei der Fertigung seiner Skulpturen ist Serra nie anwesend gewesen. Er lernte seine eigene Skulptur kennen, wenn er zu uns kam, die Abnahme. Wir haben die Probe montiert und er kam zur Abnahme. Das waren also die spannenden Stunden im Betrieb, auch für uns. Es gab eine Skulptur, die haben wir eben wunderbar vorbereitet und regelrecht eine Bühne im Betrieb gebaut. Müssten Sie sich vorstellen, hier vorne ist jetzt ein Hallentor und das ist zu. Und vor dem Hallentor steht Serra. Und da haben wir gesagt, so, Mr. Serra, jetzt hier sehen Sie Ihre neueste Skulptur. Dann haben wir das Hallentor hochgefahren und da standen die Segmente, die sechs Stück, genauso wie sie hier jetzt stehen. Die nannte sich damals Canyon, ja, und da hat er ihr später einen neuen Namen gegeben, Betwixt the Taurus and the Sphere, also eine Mischung von Taurus und Kugel. Was das für Begriffe sind, können wir vielleicht gleich noch drauf kommen. Aber auf jeden Fall waren das für ihn ganz neue Formen. Das ist jetzt nicht mehr gekippte Zylindersegmente, sondern das sind gekippte Kugelsegmente. Also wir hatten ihm schöne Segmente gemacht und dann hat er die gesehen und seine normalerweise dann aufflammende Begeisterung blieb dann aus. Er war nicht begeistert, aber er merkte sofort, da stimmt was nicht. Und dann kam die Bitte, kann man das umstellen? Das haben wir natürlich fertig gebracht und jetzt stand es da, wo es für ihn richtig, also seiner Vision nach richtig stand. Und so gefiel auch uns die ganze Skulptur sofort viel besser. Und dann war er happy. Solche Skulpturen kann man eigentlich nur erleben im Sinne von Erfahrung bekommen, wenn man da durchgeht. Ganz am Anfang hatte ich mal gesagt, in Dillingen haben wir bestimmte Möglichkeiten der Umformung. Und die Firma Pichan im Siegerland, die hat der Herr Berswordt für den Serra aufgetan, diese Firma, und mit denen ins Gespräch gekommen, um größere Skulpturen zu machen, als man sie in Dillingen machen kann. Und auch andere. Dann haben sie diese Skulpturen gemacht, chronisch. Und diese für das Museum in Bilbao. Es gibt kein Gewaltwerk in der Welt, das größere Bleche machen kann. Wenn es eines gegeben hätte zu seinen Lebzeiten, wäre er da hingegangen. Das war uns vollkommen klar. Eine Treue zu seinem Lieferanten, in dem Sinne hatte er nicht. Er hatte uns ins Herz geschlossen, aber das bedeutet nicht, dass er auch woanders kaufen kann. Gab es außer Serra noch andere Künstler, die in Dillingen ihren Stahl haben fertigen lassen? Ja, gab es schon. Aber auf jeden Fall ist Serra der Bedeutendste und auch der mit dem größten Mut und der mit seinen Kunstwerken auch das meiste Geld erzielen konnte. Das heißt, er konnte sich auch erlauben, solche Dinge hier zu kaufen. Serra ist ein guter Kunde der Hütte gewesen. Effektiv. Also die Dillinger Hütte freut sich, wenn sie im Jahr, ganz über den Daumen gepeilt, zwei Millionen Tonnen Grobbleche herstellen und verkaufen kann. Da gibt es Großkunden. Früher war das mal die Industrie der Rohrherstellung durch die Gaspipelines und sowas. Die kauften 900.000 Tonnen im Jahr. Heute sind es absolut die Unterbauten für die Windgeneratoren im Meer, die sogenannten Monopiles. Da gehen auch 700.000 Tonnen hin heutzutage. Das sind Großkunden, logisch. Und von denen braucht man ein paar, die auch bezahlen. Serra war unter den kleineren Kunden ein bedeutender. Sie hatten mir vor dem Gespräch gesagt, Serra hat mehrere hundert Tonnen Blech abgenommen im Jahr und in Spitzenzeiten sogar um die tausend. Für wie viel hat er denn seine Skulpturen verkauft? Ein Serra kostet fünf Millionen Dollar. Fertig. Vor Ort, schlüsselfertig sozusagen. Und da steckt eine ganze Menge dahinter. Das ist nicht so, dass der Serra sich da jedes Mal eine absolut goldene Nase verdient hat. Denn diese Dinge kosten viel Geld. Der Stahl als solcher kostet irgendwas, aber das ist nicht viel. Dann kommen eigentlich erst die richtigen Schwierigkeiten. Transport. Da darf nichts passieren unterwegs. Das heißt, der Transport ist sehr aufwendig. Wir können das in Dillingen noch verladen mit aller gebotenen Aufmerksamkeit und Zuwendung, denn wir haben die Dinger selber gemacht. Jetzt werden sie aber von mir aus in Duisburg vom Lkw auf dem Binnenschiff umgeladen. Und die Leute haben keinerlei Beziehung zu diesem blöden Zeug, was da kommt, was schwer zu verladen ist. Und dann geht es nach Amsterdam oder Rotterdam in den Seehafen. Die haben noch weniger damit zu tun. Dann kommt es in New York an zum Beispiel, wo die Hafengewerkschaften sehr stark sind. Und die können auch mal Sachen machen, die nicht so sauber sind. Bei der Entladung in New Haven, das muss wohl einer der Häfen von New York sein, fielen zwei solcher Segmente aus dem Kran und waren damaged, unreparierbar beschädigt. Serra musste neue haben, ganz klar, und sehr schnell, denn Modern Art hatte einen bestimmten Termin. Haben wir auch gemacht, die zwei Segmente. Und er kam wieder zur Abnahme. Er ist ja hier bei der Abnahme dabei und blickte ein bisschen weiter in den Hafen rein. Da wurden gerade ganz andere Sachen verladen, nämlich sogenannte Kugelsegmente, auch aus unseren Betrieben. Und da war er erstaunt. Was ist das? Das müssen wir näher sehen. Zack, wandten wir alle, er vorneweg und die anderen in Keilform hinterher zu diesen Kugelsegmenten. Und er war fasziniert. Die Form hatte er nicht auf dem Schirm. Und da haben wir gesagt, ja, wir sind gerade im Betrieb dabei, solche Dinge herzustellen. Wenn Sie wollen, fahren wir hin und gucken uns das an. Da waren wir also viertel Stunde später an der Presse und haben zugeguckt, wie da große Kugelsegmente gemacht wurden. Er war fasziniert. Und sofort fing er an, Ideen zu entwickeln. Wie groß, wie breit, wie lang könnt ihr? Das waren die berühmten Fragen, die man auch manchmal per Telepax bekam. Er hatte was skizziert, als er wieder zu Hause war und stand dann nur dran, how long, how big, how wide, how thick and weight und all diese Dinge wollte er wissen. Ganz klar, er wollte Maximumformate wissen, dass er planen konnte. Wir haben uns ein Modellwerkzeug gebaut im Maßstab 1 zu 10. Das bedeutet nicht 50 Millimeter dicke Bleche, sondern 5 Millimeter und die Breite nicht 4 Millimeter, sondern 40 Zentimeter. Da haben wir Kugelsegmente draus gemacht und die haben wir in Holzkisten nach den USA geschickt. Dann hat er da in seinem Ort, wo er seine Kreationen sich einfallen ließ, das waren nämlich kanadische Urwälder, er ist nach Kanada gegangen in den Urwald. Dort hat er mit diesen Segmenten probiert. Was kann man mit den Dingern anfangen? Dann gab es eine erste Arbeit mit Kugelsegmenten. Bei der Abnahme dieser Arbeit hat er wieder eine andere Form gesehen, nämlich diese torischen Segmente. Daraus haben wir dann eine ganze Reihe von Skulpturen gemacht. Das waren die ersten Skulpturen, die geschlossen waren. Eine einzige davon hatten wir im Auftrag. Die haben wir eben gemacht mit unseren Möglichkeiten, Höhe also ungefähr 4,20 Meter oder so ähnlich. Die fand er wunderbar und die hat ihn beflügelt. Er ist jetzt mit diesem Gedanken nach Tupikang gegangen, denn diese hier sind 5 Meter hoch, sind höher als unsere. Aber hier so eine Wüffelherde durch Basel laufen zu lassen. Das ist in Basel? Das ist in Basel, ja. Also da wurden 5 oder 6, hier kann man es sehen, 2, 4, 5 solcher Skulpturen in eine Straße gestellt. Für den Betrachter kommen die auf einen zugelaufen. Das ist beklemmend. Aber mit dieser Präsentation in der Öffentlichkeit solcher Skulpturen muss erst einmal einer bezahlen, das ist auch klar. Das stimmt, aber Basel kann sich das gleich noch leisten? Ich habe es ja jetzt schon gesagt und wiederhole mich, dass Serra immer das Maximum gesucht hat und wenn er es in Siegen gefunden hat, dann ist er da hingegangen. Er kam dann später noch einmal zurück. Wir haben noch zwei Skulpturen, also da hinten der Canyon zum Beispiel, diese Kombination von diesen Formen kam tatsächlich nach Bilbao und glaube ich auch nach Basel, wurde nochmal in Dilling gemacht und dann kam natürlich die Dillinger Skulptur, Viewpoint. Das war was ganz anderes. Das war 2006. Also Sie bieten ja auch einen Vortrag an, das Dillinger Groblech in der Bildenden Kunst hier an der VHS in Dillingen. Ja, also unsere Arbeit bestand natürlich darin, die entsprechenden Branchen, Kesselbau, Anlagenbau und Behälterbau und so weiter zu versorgen mit riesigen, aus Grobblechen umgeformten Teilen. Das war unsere Arbeit. Aber mit dem selben Können konnte man natürlich auch solche Kunstwerke bauen. Insofern waren wir der Ansprechpartner für Künstler aus der Dillinger Hütte und haben also so einiges gemacht. Ich habe hier mal ein Modell von diesem Viewpoint. So steht das wunderbar. Das ist Serras Konzept. Die werden durch nichts gehalten in der Theorie. Das ist doch irgendwie fixiert, oder? Diese Skulptur in Dillingen. Wollen wir hoffen. Also sie hätten nicht fixiert werden sollen nach Serras Vorstellung. Aber da kommt natürlich sehr schnell eine Dillinger Bauaufsicht und sagt, Moment, das geht nicht. Wenn hier ein Wind kommt, die Wiebke war damals noch in jedermanns Erinnerung, glaube ich, und solche Stürme, kann man sich vorstellen, eine Windlast führt zu Situationen, die ein Bürgermeister nicht verantworten kann. Und dann wurde also beschlossen, dass man die Skulptur an den Fußboden, hier unter dem Sand ist eine Bodenplatte aus Stahl auch und da wurde die dran geschweißt. Und das führte dazu, dass die Skulptur in einer langen Nacht montiert wurde, bei Regen und so weiter. War eine sehr schwierige Baustelle. Aber morgens um acht stand alles und dann wurde die Skulptur eingerüstet und dann wurde die eingepackt in Plane, in Plastikplanen, weil die Schweizer kein Regenwasser gebrauchen können da unten. Das wäre nicht gut. Also musste die trocken bleiben. Deshalb wurde sie eingepackt. Als der Berswordt mittags mit dem Auto kam und die erst mal gesehen hat, hat er gesagt, Moment, wir wollten doch einen Serra machen und keinen Christo. Genau, so hat er gesagt. Und so war sie eingepackt den ganzen Samstag. Und den ganzen Samstag wurde geschweißt bis nachts um eins ungefähr. Dann war die Plane wieder weg und alles war weg. Da war sie sauber, frei, die Skulptur zum ersten Mal so nachts um drei ungefähr. Und dann kamen Heinzelmännchen und haben, also wirklich, vor denen ziehe ich den Hut, von dem städtischen Bauamt, war so geplant, dass die auf LKW diesen wunderschönen Kies hatten. Der wurde dann nachts von vier bis morgens um halb neun ungefähr da eingebracht und planiert. Und dann zogen die sich auch zurück. Und um zehn Uhr kam die Honoratioren, da war alles fertig. Das war ein Wunder von Dillingen. Wir haben durch Serras Herausforderung wir oft Neuland betreten. Das war das Gute. Er hat uns gefordert und damit aber auch gefördert. Dadurch haben Sie auch innovativ arbeiten können. Absolut, innovativ. Aber das Blech sieht jetzt für mich nicht so makellos aus. Weiß ich nicht. Ja, da gebe ich Ihnen recht. Jetzt kommen wir zur Oberfläche. Das Faszinierende für viele Künstler an diesen Kunstwerken aus Grobblech, und das sind jetzt auch vor allen Dingen andere Künstler, das ist die Tatsache, dass diese Bleche verrosten. Der Werkstoff rostet und dann hat er verschiedene Farben, die auch beim Regen anders aussehen als bei Trockenheit und changieren und so weiter. Das ist ein gewisser Reiz. Aber diesen Reiz wollten eigentlich alle namhaften Künstler aus Serra im Rahmen halten. Deshalb haben sie eine Stahlsorte ausgesucht, die auch rostet, aber nur bis zu einem bestimmten Maß und dann einen gleichmäßigen braunen, dunkelbraunen Rost bildet. Das nennt man dann eine Patina und die bleibt dann traurig. Die schützt auch vor weiterer Verrostung. Das ist ein Stahl, der mit ein paar Elementen legiert ist. Da muss ein bisschen Kupfer rein und Ähnliches in kleinen Mengen. Aber das reicht, dass man hier eine Edelrostschicht bildet. Das ist der Witz. Und dass auch jetzt keine Löcher entstehen. Ich meine, es könnte ja durchrosten oder sowas. Nein, Lochfraß kann da nicht entstehen. Ja, das wäre aber beim normalen Stahl, ungeschützten Stahl, auf Dauer das Schicksal eines solchen Kunstwerks. Es stirbt irgendwann. Und wenn es sterben kann, muss es vorher mal gelebt haben. Das ist nämlich der Witz. Dieser Umkehrschluss. Es lebt. Vielen Dank, Herr Pape. Ich weise gerne auf Ihren Vortrag hin. Er ist am 25. Juni um 19 Uhr in der VHS in Dillingen. Da sprechen Sie über Dillinger Grobblech in der bildenden Kunst. Ja. Herzlichen Dank an Klaus Pape und nun sprechen wir mit Wolfgang Birk. Herr Birk, Sie sind der ehrenamtliche Vorsitzende des Kunstvereins Dillingen. Den Kunstverein gibt es seit 1980. Bitte erzählen Sie uns etwas über den Verein. Welche Aufgaben verfolgen Sie? Welche Ziele haben Sie? Also der Kunstverein war zunächst mal im Dillinger Rathaus. Der Vorsitzende war auch der Dillinger Bürgermeister. Und Sie haben ja schon von Herrn Pape erfahren, es gab in Dillingen auch ein sehr großes Interesse an Kunst. Und dann ist der Verein Mitte der 90er Jahre umgesiedelt ins alte Schloss. Und das ging bis 2016. 2016 hat die Dillinger Hütte den Pachtvertrag gekündigt. Aber wir als Kunstverein, wir mussten halt schauen, wo wir dann eine andere Bleibe haben könnten. Und das haben wir hier im Zentrum August-Clüsserath gefunden. Der Ernst Clüsserath ist ein Investor, der nicht nur dieses Gebäude hier in Dillingen errichtet hat, und der hat uns diese Räume zur Verfügung gestellt. Ja, sehr schön. Ja, und da finden dann regelmäßig Ausstellungen statt. Also es sind drei Ausstellungen im Jahr, die wir als Kunstverein machen können. Und eine Ausstellung im Jahr gucke ich noch, dass wir die zum Thema August Clüsserath machen. Denn ich denke, das ist auch wichtig, dass ja immer wieder in Erinnerung gerufen wird, aber immer mit unterschiedlichen Themen. Haben Sie da ein Archiv auch von den Werken von August Clüsserath? Ja, ein Großteil ist hier. Also die August-Clüsserath-Sachen, das gehört der Gemeinnützigen GmbH, Zentrum August-Clüsserath. Also eigentlich sind wir zwei unterschiedliche Einrichtungen. Ernst-Glößerath ist ja auch in der Galerie Nostbaum-Reding vertreten. Also Nostbaum-Reding, die machen eher die ungegenständlichen Arbeiten, die schwarzen Arbeiten, was sich gut verkauft. Ja, wir gucken hier nach anderen Themen. Im Winter kommt jetzt Clüsserath und Picasso. Da gibt es ja auch einen interessanten Bezug. Ja, gut, jetzt kommen wir hier zu der Ausstellung Richard Serra. Also der Fotograf Dirk Reinartz hat die Fotos gemacht und sie zeigen ja die Stahlskulpturen von Richard Serra. Was erwartet die Sucherinnen in Dillingen? Also Dirk Reinartz ist zunächst einmal Dokumentarfotograf, hat Otto Steiner in der Volkwangsschule in Essen gelernt. Otto Steiner ist ein subjektiver Fotograf. Man sieht eigentlich beides. Diese Düsseldorfer Schule, das sind ja eigentlich die Dokumentarfotografen Albert Renger-Patsch, August Sander, Bernd und Hilla Becher. Von diesem Dokumentarischen sieht man bei Reinartz natürlich auch Dinge. Wobei man auch hier sagen muss, das sind alles Schwarz-Weiß-Fotos und alles Fotos, die Reinartz persönlich abgezogen, belichtet hat. Deswegen sieht man ganz oft auch sehr deutliche Belichtungsunterschiede. Wenn man hier schaut, das ist ein hartes Fotopapier mit sehr starken Kontrasten auch. Und hier beispielsweise nimmt er ein weiches Baryttpapier und dann hat man schon eine ganz andere Atmosphäre. Also von daher ist es eben keine serielle Arbeit, sondern alle Fotos sind Unikate, weil man die besonders belichten muss. Reinartz hat am Anfang, als er mit Serra gearbeitet hat, eher versucht Serra zu interpretieren. Er hat also wenige Fotos gemacht und das hat er nachher ausgeweitet. Hier sieht man eine solche Ausweitung. Das heißt, bei Lemgo Vectors geht es um eine riesige Walze, zwei riesige Walzen. Da sieht man eine dieser Formen und diese Walze wird umgeschmolzen zu Würfeln. Hier sieht man dann das Ergebnis, das sind insgesamt drei dieser Würfel, die dann hergestellt wurden aus dieser alten Walze. Das ist vom Gedankengang jetzt, vom künstlerischen Gedankengang, Serra ist ja nochmal was anderes als diese Blechskulpturen. Hier geht es ja um Verwandlung. Das heißt, ich habe einen Stoff, ich habe ein Material und wandle es um in ein anderes Material. Also das sind dann Serien. Aber solche Serien gibt es von Reinartz erst, sagen wir mal, gegen Ende seines Lebens, gegen Ende der Kooperation, so um 2000. Ab Mitte 80er Jahre haben die beiden zusammengearbeitet. Die ersten Sachen, das ist eher so rein dokumentarisch. Ich glaube, am schönsten kann man das zeigen von der Documenta, wo mitten in der Straße dann diese Bleche aufgestellt wurden. Das heißt, er sucht auch einen Blickwinkel, der zeigt, man kann da kaum vorbeigehen. Und das meine ich mit dokumentarisch. Da geht es nicht darum, wie sind die Bleche hergestellt, sondern es geht eigentlich eher darum, die künstlerische Absicht dann auch deutlich zu machen. Man sieht das hier, dass man eigentlich in Slalom gehen muss, um dort durchzukommen. Also das Interpretierende, das ist für Reinartz am Anfang wichtig und nachher geht es um das Dokumentarische. Okay, okay. Hier ist ja dieses 1 zu 10 Modell der Dillinger Skulptur "Viewpoint" zu sehen aus dem Jahre 2006. Ich denke, in Dillingen ist ja auch das Interessante, so dieses Mischverhältnis von sich identifizieren und ablehnen. Ich denke, das ist etwas, was Serra ja ganz häufig passiert ist, was man dann auch in den Filmen so sieht, wo die Leute stinkgesauer sind oder in Basel, da wurde halt über die Arbeiten gesagt, die kann man als Hundepissoire verwenden, aber ansonsten sind die nicht verwendbar. Also solche Dinge mit denen hat er halt immer zu kämpfen gehabt. In Dillingen hatten wir die besondere Situation, der Kreisel, dort war vorher ein Brunnen, der ganz vielen Leuten wunderbar gefallen hat und das gab natürlich eine sehr, sehr heftige Diskussion, auch im Stadtrat darüber, ob man dieses Geschenk der Skulptur annehmen soll oder ob das nicht ein vergiftetes Geschenk ist. Also das war auch vom Abstimmungsergebnis her sehr knapp. Der "Viewpoint" war ja ein Geschenk des Stahlunternehmens an die Stadt. Richtig, ja genau. Gut, also bei den Stahlskulpturen noch, da war mir halt wichtig, wenn wir Dirk Reinartz betrachten, "Work comes out of work", dann bezieht sich Dirk Reinartz auf den körperlichen Prozess des Arbeitens. Den geistigen Prozess, den lässt er aber weg. Und deswegen ist es mir auch wichtig gewesen, dass man diese Broschüre zum "Viewpoint" wieder neu auflegt, denn da sind auch die Planungsteile mit drin. Das heißt also die Überlegung, was soll das, wie ist es gemacht und ich glaube, das gehört genauso dazu. Also wenn ich über "Work" rede, kann ich nicht einfach nur die körperliche Arbeit betrachten. Also von daher war es uns auch wichtig, dass man so eine Ergänzung hat. Ja, das stimmt. Und also zu den Grafiken, die kommen aus einer Sammlung? Aus der Privatsammlung Scheidt und bei den Grafiken ist es ähnlich absolut wie bei den Skulpturen. Das heißt also, es geht auch um Minimalismus und das Wichtige dabei, das kann man vielleicht, ich zeige es mal hier, da haben wir eine Aqua Tinta und bei einer Aqua Tinta, bei Radierung überhaupt, ist das Problem, eine Fläche zu erzeugen. Eigentlich ist das eine Linientechnik, das ist entstanden aus der Gravur später zum Herstellen von Musiknotenblättern und für Serra geht es eigentlich darum, aus der Linie eine Fläche zu machen. Und dann druckt Serra so oft drüber, bis die Farben Volumen bekommt und bis aus diesen einzelnen Stegen eine Fläche geworden ist. Hier sieht man das auch bei den anderen Radierungen, dass es darum geht, diese Linie und den Punkt aufzulösen und daraus eine Fläche zu machen. Etwas, was eigentlich die Radierung gar nicht kann. Ziel ist, dass man großes Volumen erzeugt und er hat das auch auf unterschiedlichen Materialien gemacht. Das ist eine Serigraphie? Ja, das ist ein Siebdruck. Siebdruck ist ja eine Technik. Wenn ich ein Sieb habe, kann ich ein größeres Volumen eigentlich von mir aus schon mal drauflegen. Das heißt, ich kann in mehreren Schichten drucken und das hat er hier auch gemacht. Ihm geht es auch um die Spuren. Das heißt, man sieht, zuerst ist es ganz dünn, dann wird es immer dicker und dann wird immer mehr Volumen aufgebaut. Die Formen sind halt sehr einfache geometrische Formen. Aber eigentlich geht es um eine Elementarform. Denn die Frage ist nicht, was dargestellt ist, sondern das ist diese Philosophie. Ich mache aus etwas Flachem einen Relief. Und ich meine, diese ganz einfachen Formen hat er ja wirklich in allen seinen Skulpturen aufgegriffen. Das ist ja auch die Philosophie des Minimalismus. Ich konzentriere mich auf eine bestimmte Sache und ich filtere diese Sache raus. Und dann kann ich natürlich, wenn es nur eine Sache ist, auf die ich mich konzentriere, dann kann ich die auch weiterentwickeln, wie bei Malevichs Schwarzes Quadrat. Da kann ich natürlich sagen, das ist das Potenzial, in dem alles drin ist. Und das ist eine Denkweise, die auch für Serra eigentlich wichtig war. Auf jeden Fall. Sie bieten pädagogische Workshops auch für Schüler*innen an. Das beinhaltet, glaube ich, auch einen Gang zur Skulptur und durch die Skulptur. Welche Bedeutung hat das für Serra, das Begehen seiner Kunst, also die Innenansicht einer großen Plastik? Ich nenne es mal, wir haben einen stabilen Riesen. Das heißt also, in dem Fall, wenn ich dort reingehe, ist das erst einmal Angst, diese Größe, das Bedrückende. Aber andererseits weiß ich, es hat auch durch diese Größe eine ungeheure Kraft. Und deswegen ist dieses Durchgehen halt etwas ganz Wichtiges. Ich werde auch noch einmal anregen bei der Stadt Dillingen, dass man eine Überquerungshilfe an den Kreisel macht. Den muss man nicht ständig benutzen, aber eine Überquerungshilfe ist ja wie ein Fußgängerüberweg. Dass man auch vielleicht ein Wochenende dazu animiert, dass Leute auch mal dort reingehen und sich das mal von innen anschauen. Weil dieses Erleben gehört einfach dazu. Ein Riese, das ist was Emotionales. Und das hat ja auch der Herr Pape gesagt, es geht in erster Linie um dieses Emotionale. Das heißt also, in dem Fall der Minimalismus, ist ja etwas, das bei Serra auch mit der Statik zu tun hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hält, aber es hält trotzdem. Ja. Zum Begleitprogramm gehören auch zwei Filme aus den 70er Jahren. Was ist da zu sehen? Also es gibt einen Film, den Serra selber mit seiner späteren Frau gedreht hat, in der Heinrichshütte in Hattingen. Der beginnt mit Interviews, wo es darum geht, dass die Arbeiter mal ihre Situation darstellen. Wie mühselig doch die Arbeit ist, wie schwierig ein Schichtbetrieb ist. Der zweite Teil, der zeigt dann den Produktionsprozess selber im Stahlwerk. Das heißt die Lautstärke und die Dinge, die dort dann auch zum Tragen kommen. Also das ist eigentlich ein Film, der die Arbeiterschaft überhöht. Hintergrund, Serra hat selber, bevor er berühmter Künstler wurde, auch in einem Stahlwerk gejobbt. Das hat ihn besonders auch geprägt, diese handwerkliche Arbeit. Der zweite Film, in dem geht es um das Aufstellen der Skulptur Terminal, die ja auf der Documenta war. Und dort geht es auch darum, die Besucherreaktionen zu erfassen. Und neben Terminal wird in dem zweiten Film dann auch dargestellt, wie Serra in anderen Genres arbeitet. Also jetzt zum Beispiel in der Grafik, wie sieht eine Serra-Zeichnung aus, wie funktioniert so etwas. Jetzt hier im Saarland kann man Viewpoint hier in Dillingen sehen. Dann gibt es Torque auf dem Universitätscampus in Saarbrücken und Exchange auf dem Plateau Kirchberg in Luxemburg. Gerade für uns im Saarland ist es natürlich auch eine Frage der Identität. Man sagt hier, er hat mit Dillinger-Blechen gearbeitet. Das ist schon etwas Besonderes. Das stimmt, ja. Da kommen wir wieder zu dem, was eigentlich wichtig ist. Der Umstand, dass durch diese Metallbeimischungen der Stahl nur an der Oberfläche rostet. Das heißt also, man hat kein Durchrost, obwohl es so aussieht. Und das ist statisch natürlich ganz, ganz wichtig bei diesen Arbeiten. Und es ist auch so, dass der Stahl eigentlich unverletzbar ist. Also wenn ich jetzt irgendwo ritzen würde, dann bildet sich nochmal eine Rostschicht drüber und sonst passiert nichts. Also von der minimalistischen Philosophie her ist es so, es sieht aus, als würde es vergehen. Ja. Aber in Wirklichkeit vergeht es nicht und das ist genehmigungstechnisch das Wichtige dran. Es ist eine sehr interessante Ausstellung und auch ein schönes Begleitprogramm. Der Weg nach Dillingen lohnt sich. Ganz herzlichen Dank Wolfgang Birk und Klaus Pape. Und ich möchte euch die Ausstellung "Richard Serra in Dillingen" ans Herz legen. Hier könnt ihr auch wirklich selbst erleben, was man als Betrachter empfindet innerhalb so einer riesigen Stahlskulptur von tonnenschwerem Eisen. Nämlich genau das hat Richard Serra in seinen Stahlskulpturen immer wieder neu untersucht. Die Ausstellung in Dillingen ist noch bis zum 14. Juli zu sehen. Also nichts wie hin. Ich wünsche euch viel Vergnügen und bis zum nächsten Mal. Eure Verena Feldbausch. Dir hat art talk gefallen? Dann hinterlasse 5 Sterne und empfehle uns deinen Freund*innen. Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Show Notes und in unserem Blog. Sei wieder dabei, wenn es heißt "Wir reden über Kunst" bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux. *Musik*