art talk SaarLorLux

Verena Feldbausch

art talk - SCHLUSS MIT LUSTIG

Ausstellung SCHLUSS MIT LUSTIG in der HBK Galerie, Saarbrücken

04.07.2023 38 min Verena Feldbausch

Zusammenfassung & Show Notes

Die Ausstellung SCHLUSS MIT LUSTIG geht der Frage nach, wie präsenter werdende weibliche Positionen Gesellschaft und Kunstwelt verändern. Antworten haben wir erhalten von Gabriele Langendorf und Darja Linder, selbst Künstlerinnen und Kuratorinnen der Ausstellung, die in der Galerie der Hochschule der Bildenden Kunst Saar in Saarbrücken im Rahmen einer Lehrveranstaltung entstanden ist.


art trailer Feldbausch https://feldbausch.com
art talk, Kunstpodcast https://feldbausch.com/blog/
Hochschule der Bildnenen Kunst Saar www.hbksaar.de
Malerei an der HBK Saar www.malereihbksaar.de
Darja Linder, Künstlerin https://www.instagram.com/darjalinder/
Foto Credits:
Florian Luxemburger (Vernissage), Gabriele Langendorf, Darja Linder, Verena Feldbausch
Fotos in Blog:
01  Sofia Müller
02 Isabelle Rein
03 Rebecca Berthold
04  Severine H. Maier
05 Mia Winter
06 Juliane Kühr
07 Toni Stakenkötter
08 Marco Gunkelmann
09 Verena Ann Schaan
10 Yann Biehl und Chi Weber
11 Meret Sophie Preiß,
12 Anica Seidel
13 Gabriele Langendorf
14 Darja Linder.
Foto Credits:
Florian Luxemburger (Vernissage), Gabriele Langendorf, Darja Linder, Verena Feldbausch



Transkript

Wir reden über Kunst in art talk, dem Kunst-Podcast aus SaarLorLux. Wir treffen Kurator*innen und Künstler*innen dort, wo sie gerade ausstellen. Entdeckt zeitgenössische Kunst, neue Künstler*innen und unbekannte Kunsträume in SaarLorLux. art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt. Heute sprechen wir über die Ausstellung "Schluss mit Lustig" in der Galerie der Hochschule der Bildenden Künste Saar, kurz HBK Saar in Saarbrücken. Und ich begrüße ganz herzlich Gabriele Langendorf. Sie ist freie Künstlerin und Professorin an der HBK und Daraj Linder, ebenfalls Künstlerin und Lehrbeauftragte an der HBK. Und das sind die beiden Kurator*innen dieser Ausstellung. Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Juli hier zu sehen. Und jetzt meine erste Frage. Was bedeutet der Titel "Schluss mit Lustig" und wie seid ihr darauf gekommen? Es war eine demokratische Entscheidung mit den Studierenden. Die Ausstellung ist ja Teil einer Lehrveranstaltung oder ist aus einer Lehrveranstaltung entstanden. Und es ging ja um weibliche und queere Positionen in der Kunst. Auf jeden Fall durch die vielen Vorgespräche haben wir natürlich dann auch einen Titel gesucht und dieser Titel ganz konkret war ein Vorschlag von einer Studentin und den haben wir dann auch aufgegriffen. Genau und wir fanden gut daran, dass er diesen Protestgedanken, diese Rebellion irgendwie auch so in sich trägt und sagt, okay, uns reicht es jetzt. Wir wollen jetzt über bestimmte Dinge reden und einfach bestimmte Sachverhältnisse ansprechen. Genau, was ist der Kern der Ausstellung "Schluss mit Lustig"? Worum geht es? Ja, das ist schwer zu sagen, weil hier so viele verschiedene Themenkomplexe vereint sind. Also ich würde sagen, so im Großen und Ganzen geht es um Positionen, die sich mehr oder weniger mit dem Thema Feminismus beschäftigen. Also es sind Positionen, die aus der Beschäftigung auch mit anderen weiblichen und queeren Positionen entstanden sind, die da so die Vorbilder waren. Und teilweise basieren die Arbeiten auch auf schon Sachen, die die Studierenden auch vorher schon gemacht haben. Genau, ich kann da noch ergänzen. Also es sind schon auch viele Positionen, also wie Darja gesagt hat, die schon auch bestehen oder die zum Teil durch diese Impulsvorträge über andere Künstlerinnen und Künstler auch verstärkt wurden. Und es ist ein breites Feld, aber man kann halt, und es kommt auch viel aus eigenen Erfahrungen, das haben wir auch ganz bewusst gefördert. Aber im Grunde geht es schon um viele Facetten, aber es ist vereinheitlicht schon irgendwie Feminismus ist Care-Arbeit, ist ein Thema, sich kümmern, aber auch Mutter und Kind, also vom klassischen Mutter-Kind-Porträt, Körperwahrnehmung, Überforderung, psychischer als physischer Art. Es geht natürlich aber auch um Gewalt gegen Frauen, verbale Gewalt, aber auch körperliche Gewalt, Rollenvorstellungen, Rollenzuschreibungen, also das ist alles so angerissen. Schönheitsideale, Schönheitsvorstellungen, also wir könnten noch viele Ausstellungen befüllen, um das ganze Feld zu bespielen, aber es ist wirklich aus der eigenen Arbeit entstanden und aus den Diskussionen und die Ansätze, die die Studierenden auch interessiert haben. Also wir haben jetzt keine einengungen vorgegeben oder ein konkretes Thema. Genau, also da kommst du meine nächste Frage, wie war der Prozess, also wie seid ihr vorgegangen? Also es hat ja zwei Semester gedauert, diese Lehrveranstaltung, und wir haben im Wintersemester damit begonnen und zuerst haben wir eigentlich erstmal die Arbeiten der Studierenden auch kennengelernt und uns mal so kurz vorgestellt, was eigentlich alle so machen. Und dann haben wir einen großen Teil des Semesters damit verbracht, Impulsvorträge zu hören. Die waren also ganz kurz, es ging halt wirklich nur darum, verschiedene Positionen kennenzulernen, die sonst vielleicht nicht so sichtbar sind, weil das einfach auch der Wunsch war von vielen Studierenden, mehr junge, mehr weibliche, mehr queere Positionen in der Kunst zu hören, zu sehen und zu besprechen. Und daraus sind ganz viele Diskussionen entstanden, die auch wirklich so in das Leben der Studierenden hineingingen und wo sie dann auch selber Anknüpfungspunkte gesehen haben. Und dann sind wir daraus eigentlich in die Ferien gegangen, also in die vorlesungsfreie Zeit und haben gesagt, dass wir in dieser Zeit schon mal erste Ansätze entwickeln wollen und das Sommersemester hat sich jetzt zum großen Teil damit beschäftigt, diese Ansätze zu besprechen und weiterzuentwickeln und auch diese Ausstellung auf die Beine zu stellen. Ja, also im Prinzip, die Arbeiten sollten eigentlich schon relativ früh fertig sein. Das Sommersemester war schon angesetzt, um die Ausstellung auch wirklich umzusetzen. Also der Wunsch nach einer Ausstellung ist aus diesen vielen Gesprächen entstanden, auch dass es hier an der Hochschule ist, auch dass man genau das alles mal anspricht oder dass andere Studierende das auch sehen. Und da sind natürlich viele Fragen verbunden. Also da kam man dann quasi aus den Gesprächen heraus in die ganz konkrete Umsetzung einer Ausstellung mit allem, was dazu gehört. Also es war dann schon auch eine Art Professionalisierung. Also nicht, dass wir beide alles gemacht haben, sondern wir haben immer Arbeitsgruppen festgelegt, dass die Studierenden sollten Pressetexte machen, Plakate entwerfen. Wir haben ja morgen ein Künstlergespräch, das Gespräch vorbereiten, die Fragelisten, eine Broschüre wurde erstellt, Texte zur eigenen Arbeit, die Ausstellungskonzeption, also Modellbauen, Einrichtung, also alles, was eigentlich so drumherum gehört, so im Ausstellungsbetrieb. Also das war uns auch wichtig, dass die Studierenden diese Schritte kennenlernen, bis auch zum Aufbau. Also nicht, dass das irgendjemand macht oder irgendwelche anonymen Angestellten, sondern dass man bis zur finalen Realisation dabei ist und im Prinzip auch dann wirklich miterlebt, wie eine Ausstellung wächst. Genau, da komme ich zu meiner nächsten Frage. Die Wände sind hier bunt gestaltet, also es ist nicht das übliche Weiß, was man oft in Galerien sieht, sondern die sind ganz bunt, gelb, lila, hellblau, schwarz. Wie ist es dazu gekommen? Also das war ja eigentlich deine Idee. Vielleicht kannst du zuerst was dazu sagen. Die Idee habe ich schon länger oder habe auch manchmal solche Anregungen für Rundgänge gegeben. Das wurde aber nicht so gut angenommen, weil es natürlich auch Arbeit ist. Aber für diese Ausstellung wollte ich das unbedingt machen. Auf der anderen Seite hat es natürlich aber auch inhaltlich gut mitgespielt. Es sind ja schon nicht immer leichte Arbeiten, die hier ausgestellt werden, aber die Ausstellung kommt erstmal so fröhlich bunt daher und soll vielleicht auch ein bisschen locken, diese fröhliche Buntheit, quasi so im Kontrast stehen zu oft manchmal auch schwierigen Themen. Und dann natürlich eben, wie ich schon angesprochen habe, aus eher so pädagogischer Hinsicht, weil die Studierenden, wenn man immer nur erlebt, wie Bilder an weiße Wände gehängt werden, dann finde ich fehlt was. Also ich finde, die dürfen das ruhig mal erleben, wenn ihre eigenen Bilder an bunten oder farbigen Wänden hängen, weil es verändert die Arbeiten. Also wir sehen ja natürlich auch hier im Museum oder auch in anderen Ausstellungen, ich glaube jetzt gibt es gerade eine große Cindy Sherman Ausstellung in Stuttgart, wo auch alles so ähnliche Farben sind wie wir. Das verändert die Arbeiten, das erhöht sie, das gibt eine gewisse Atmosphäre. Es macht viel aus und das sollte wirklich auch durch mal eine eigene Anschauung erlebt werden. Ja und ein großes Ziel im Kurs war es ja auch, den persönlichen Standpunkt in der Kunst als Künstlerin, als Künstler zu definieren und vielleicht auch neu zu überdenken. Und dadurch, dass jetzt eigentlich jede Arbeit so eine eigene Farbigkeit bekommen hat durch die Wände, stehen die noch mal mehr so im Vordergrund. Also keine dieser Arbeiten, der Position geht irgendwie verloren, weil jeder einfach so stark hervorgehoben ist. Und wir haben dann auch in Zusammenarbeit, also in einer großen Gruppe, beschlossen, welche Arbeit welche Farbe kriegt. Also natürlich gab es dann, am Ende haben wir glaube ich zwei Bilder getauscht, aber im Großen und Ganzen hat das alles so geklappt, wie wir das geplant haben. Einfach damit so das Bestmögliche aus jeder Arbeit noch mal hervorkommt. Und das hat es auch noch mal ganz deutlich gezeigt, weil durch diese Inszenierung dieser farbigen Wände und Untergründe, bekommt noch mal so jede Arbeit so ihre eigene, sag ich jetzt mal, Aura der Ausstrahlung oder Präsenz, was sonst manchmal so an Gruppenausstellungen auch verloren geht, dass vielleicht schwächere Arbeiten dann eher verlieren oder Sachen, die eher ein bisschen leise sind. Und hier hat jede Arbeit so ihren eigenen Auftritt, ihre Bühne. Und ich finde, die sind sich auch alle irgendwie, stehen sich im Nix nach. Und bei manchen ist es ja sogar so, dass wir uns für die Farben entschieden haben, weil es auch inhaltlich gepasst hat. Also zum Beispiel bei Marco Gunkelmann, wo es um Erinnerungen an den Strand, an Vergänglichkeit und sowas geht, haben wir auch diese, ja so ein bisschen so was Lachsfarbenes gewählt, was an ungebräunte, helle Haut erinnert, wenn man vielleicht ankommt am ersten Tag am Strand. Bei Meret Sofie Preiß haben wir zum Beispiel dieses Anthrazit gewählt mit dem Rahmen, mit dem kleinen Passepartout außenrum noch, weil es in der Arbeit darum ging, dass sie über den Rand des Papiers hinaus malt oder zeichnet. Und dadurch haben wir quasi nochmal durch diese Wandfarbe so eine neue Begrenzung geschaffen. Genau, und so haben wir einfach versucht, bei jeder Arbeit möglichst was Individuelles zu entwickeln. Könnt ihr was zu der Arbeit hier sagen, Mutter mit Kind? Das ist die Arbeit von Sophia Müller. Sophia arbeitet normalerweise recht klein. Genau, also das war auch eine Herausforderung für diese Ausstellung, dass Studierende manchmal neue Techniken ausprobiert haben oder auch neue Formate. Also sie hat sich an ein Großformat gewagt und es geht um der Arbeit, eigentlich um ein klassisches Thema Mutter und Kind, das kunstgeschichtlich ja auch ein gängiges Thema ist und auch natürlich viel mit Bedeutung, unabdingbarer Mutterliebe verbunden ist. Und sie hat ein Porträt ihrer Freundin genommen, die jetzt junge Mutter ist und wollte sie darstellen so zwischen Glück und Erschöpfung. Weil halt auch nicht alles, auch dieses Muttersein nicht nur mit Glück verbunden ist, sondern auch mit großer Verantwortung, Überforderung, einen Alltag hinzubekommen. Also alles, was man so kennt, ja auch seine manchmal auch nicht immer nur rosige Seiten hat. Ja und toll finde ich auch, dass sie jetzt hier ins Großformat gegangen ist, weil dadurch das Bild einfach so eine riesige Präsenz auch im Raum bekommt und dieses Thema auch eine gewisse Wichtigkeit dadurch erhält. Ich würde noch gerne was erfahren über diese Kugeln, die man ja auch in die Hand nehmen kann und schütteln kann und es schneit ja dann auch da drin. Was sind das für Szenen oder Interiors, die man da sieht? Also das ist von der Isabelle Rhein. Sie hat sich da auch an einer neuen Technik ausprobiert, also eigentlich Malerin. Und hier ist sie ins Objekt gegangen und hat dort mit kleinen Figürchen und kleinen Szenerien, die sie dort gebaut hat, Szenen nachgestellt, die von sexueller Belästigung zeugen oder von unangenehmen Situationen, in die man als Frau häufig kommt und die man sonst schnell versucht zu vergessen, mittlerweile vielleicht auch durch so einen Mechanismus schnell irgendwo wieder abschüttelt. Und hier hat sie diese Szenen aber festgehalten in diesen kleinen, schönen Schneekugeln. Und dadurch wird man dazu forciert, sich an diese Alltagssituationen, die eigentlich immer passieren, wirklich auch regelmäßig zu erinnern. Und das Ganze kommt halt auch sehr schön und niedlich daher und so ein bisschen, also Schneekugeln haben ja auch immer so was Kitschiges und man freut sich darüber, wie es alles so glitzert und so. Und dann, wenn man es dann mal schüttelt und es genauer anguckt, denkt man sich so "uff". Und zu dieser Arbeit hier auf der hellblauen Wand, das sind ja verschiedene Zeichnungen, glaube ich. Aquarelle sind das von Rebecca Berthold. Also sie beschäftigt sich immer mit Körper. Geschlechtslos kommt es oft so ein bisschen rüber. Und also so Körper empfinden, Körper wahrnehmen, eigenes Körper wahrnehmen. Auch zum Beispiel, dass so verschiedene Farben drin sind. Also das zum Beispiel ein gelbes Ohr. Also wie so vielleicht auch so Temperaturen, wie mit einer Wärmebildkamera Gesicht oder Körper beobachtet. Also sie arbeitet halt sehr fein. Es geht ja auch so ein bisschen um Selbstbehauptung, aber auch wieder so Fragilität, also auch wieder so Selbstverschwinden der Körper auch immer wieder so. Also sie hat noch andere große Aquarellarbeiten, wo so Körperwasen verschlingen, deformiert werden. Und auch immer so ein bisschen so zwischen einem ganz extremen realistischen Moment und aber auch wieder so von zerfließen und auflösen. Und auf der anderen Seite ist eine rote Wand mit so Mündern, die zugeklebt sind. Von wem ist das? Das ist eine Künstlerkollegin (Severine Henriette Meier), eine Freundin von mir, die ich letztes Jahr kennengelernt habe. Kommt eigentlich aus Frankfurt und die haben wir jetzt extra für die Ausstellung eingeladen, weil ihre Arbeiten und ihre Themen einfach auch sehr gut hier reinpassen. Und sie arbeitet zum Thema Schönheitsideale und den Repressionen, die die Kosmetikindustrie auch so für Frauen bereithält. Und sie malt auf ihren Bildern ganz oft so Instrumente, um schön zu bleiben. Also hier sind das ja diese Pflaster, die man sich so aufklebt, damit man keine Falten kriegt beim Schlafen und so. Also ganz verrückte Sachen. Und sie benutzt halt diese Utensilien, um Gesichter zu verfremden und das Ganze auch so ein bisschen so ins Makabre zu führen. Also es gibt zum Beispiel auch großformatige Malereien von ihr, wo Gesichter diese Tuchmasken aufhaben und auf einmal zu so einer Art Totenköpfen auch werden, wo es dann auch wieder um so Vergänglichkeit und so geht. Und dann kommen wir zu der grünen Wand. Da sind solche ausgeschnittenen Fotos aufgeklebt. Von wem ist das? Bist du? Ja, ich kann auch gerade, also das ist von Mia Winter. Diese Fotografien, die dort zerschnitten worden sind, die haben ihrer Großmutter gehört und sind in Kasachstan entstanden. Und so ihre Großmutter wohnt auch noch dort. Und diese Fotografien zeigen eigentlich so ganz typisch sowjetische kitschige Naturmotive, Blumen verschiedener Art. Und die hat sie in ganz spitze Streifen zerschnitten, die so ein bisschen scherbenartig oder so splitterartig wirken. Und das Ganze auf dieser vergelbten Tapete, die sie ergänzt hat durch Äußerungen, die sie von ihrer Großmutter gehört hat, während sie aufgewachsen ist. Und dabei handelt es sich oftmals um rassistische, sexistische Kommentare, um übergriffiges Verhalten. Also es sind wirklich ganz, ganz harte Sachen. Und das hat sie fein, säuberlich, ganz zart auf Kyrillisch aufgeschrieben. Und man kann auf der kurzen Seite der Wand aber noch die deutsche Übersetzung hören, wo man dann auch ihre Stimme hört, die das Ganze dann vorliest. Also es ist auch keine leichte Arbeit. Jetzt möchte ich gerne zu diesem grauen Quadrat kommen, da in der Mitte. Von wem ist das? Das ist von Juliane Kür, eine Studentin aus dem Produktdesign. Und das war ihre Bachelorarbeit. Es geht darum, Eigeninsemination. Also sie hat so ein Sextoy entwickelt, wo man in einem geschützten Raum, in einer entspannten Atmosphäre quasi eine Selbstbefruchtung vornehmen kann, also von Samenspende bis zur eigenen Befruchtung. Und das hat den Hintergrund, weil, also quasi als Alternative zu einer klinischen Methode, weil sie hat sich sehr lange mit diesem Thema beschäftigt, auch fast ein bisschen wissenschaftlich damit auseinandergesetzt. Anscheinend ist es auch für Singles und queere Paare sehr schwierig. Also der klinische Prozess ist sehr kostenintensiv. Das wird dann oft nicht übernommen. Oder es gibt sogar auch Kliniken, die solche Paare ablehnen. Also auch da ja auch eine Benachteiligung. Sie wollte halt so quasi ein angenehmes Werkzeug entwickeln, das auch wirklich sicher diese Samenspende bis zur Befruchtung vollzieht. Und dazu ist es ja auch noch was, was Spaß macht. Es bringt halt auch noch mal so diesen schönen Moment in den Vordergrund, damit es halt nicht so dieses ganz komisch abstrakte Geschehen wird, sondern halt wirklich wie auf natürliche Weise dann auch vonstatten gehen kann. Und jetzt hängen da so zwei Fahnen, die so halbtransparent sind mit roten Figuren. Könnt ihr dazu was sagen? Also das gehört zusammen. Das ist eine kleine Installation auch noch mit einer Art, einer Comic ist es gerade nicht, eine Bildgeschichte, eine gezeichnete im gleichen Stil. Also die Vorhänge, das sind zwei großformatige Siebdrucker auf halbtransparenten, auch selbstgefärbten Stoffen. Und es geht hier darum, also das ist von der Tonya Staatenkötter. Und es geht um ein Zitat aus dem Ovid, also von Daphne und Apollo. Es handelt eigentlich um von einem sexuellen Übergriff. Und Daphne versucht zu entgehen, indem sie sich in Pflanzen verwandelt. Und sie hat einen sehr schönen Text darüber geschrieben, also dass das nicht nur defensiv betrachtet werden kann, sondern auch als Strategie sich dieses Verwandeln in ein anderes Wesen oder auch in solche Pflanzen oder Tiere, die ja auch geschützt werden müssen, als Strategie gegenüber solchen übergriffigen patriarchalen Strukturen. Das ist so ein bisschen die Idee dahinter. Und diese kleine Geschichte, das ist so ein Heftgebundener, das sind Risografien, die sie selbst auch gezeichnet hat, also so eine Bildgeschichte, eine Interpretation aus dem Ovid. Über den Marco haben wir schon kurz gesprochen. Möchtet ihr da noch ganz kurz sagen, was über sein Werk? Also bei seiner Arbeit, das sind drei einzelne Finnpappen mit Figuren drauf. Und es geht dabei darum, um diese Erfahrung, wenn man am Meer ist, am Strand, dass man eigentlich schon ein bisschen wehmütig davor wird, diesen Ort wieder verlassen zu müssen. Und dass man eigentlich dann schon in Erinnerung schlägt, obwohl man noch dort ist. Und um Erinnerung geht es ihm auch in dieser Arbeit. Denn Finnpappe hat zu eigen, dass es sehr schnell vergilbt. Und diese Figuren werden nach einer gewissen Zeit nochmal abgenommen und hinterlassen dann im Prinzip so einen hellen Abdruck. Wie so Schattenfiguren dann, ja, von Erinnerung. Also es geht ihm hier schon einfach auch um diesen Ort, diese gelebte Zeit mit Freunden und auch so eine gewisse Melancholie, wenn auch diese Freundschaften oder Begegnungen auch wieder auseinandergehen. Auf der Rückseite hier sieht man eine so eine exotische Frau mit auch sehr bunten Farben. Wer hat das geschaffen? Das ist eine Arbeit von Verena Anschan. Und das ist eigentlich beruht auf einer digitalen Zeichnung. Also es ist auch ein neues Medium, was Verena ausprobiert hat. Und im Zuge des Kurses sind mehrere dieser kleinen Illustrationen entstanden. Und diese hier hat sie jetzt großformatig auf die Wand gebracht. Und ihr ging es darum, dass sie sich eigentlich immer selbst so ein bisschen eingeschränkt hatten in den Motiven, in der Farbwahl, die sie benutzt, weil sie nicht so typisch weiblich arbeiten wollte. Und jetzt hat sie aber versucht, einfach mal so drauf loszuzeichnen, um das zu machen, was sie gut findet, was sie irgendwie wichtig findet, zu zeigen. Und versuchten, so diese eigenen internalisierten Begrenzungen im Kopf wieder loszulassen. Genau, und entstanden sind daraus einfach sehr ausdrucksstarke Portraits von Frauen. Und gerade bei der ist auch noch ganz interessant, es zeigt so eine junge Frau auch zum Beispiel mit Pigment-Denstörungen am Körper. Also es hat ja auch zwei, es hat ja so Flecken auf der Hautfarbe. Also es geht natürlich auch um Schönheit, um Schönheitsideale, um Inszenierung. Die Zeichnungen sind ja auch ein bisschen wie so Fotoshootings angelegt, mit schönen Attributen. Und schließlich kommen wir noch auf der Rückseite der Grünhand. Was ist das? Das ist eine Gemeinschaftsarbeit von Jan Biel und der Chiara Weber, also quasi ein Mann und eine Frau. Und von ihm sind diese Fotografien, die sehr stark verfremdet sind, von Chiara die Zeichnung. Und es geht darum, eine so ein bisschen zu zeigen, wie Körper oder so, wie man oft auch so verstrickt ist oder Beziehungen in Verstrickungen festhängt. Sie haben das zum Beispiel auch am Text über so, zum Beispiel am Anfang dem Beispiel Depression erklärt. Das sind Sachen, über die man nicht gern redet oder die ein bisschen tabuisiert werden. Aber weil man eben nicht richtig darüber reden kann, dann entstehen auch solche Verstrickungen. Also das ist so ein bisschen die Idee hinten dran. Die Fotografien sind so, die verblassen so zum Rand hin, so ein kleines bisschen. Es geht auch so ein bisschen um die Auflösung vom Körper. Und gleichzeitig aber auch mit diesen Knoten, die da gezeichnet sind, auch in so eine Art von Verstrickung, dass man irgendwie auf der einen Seite ganz eng ist und auf der anderen irgendwie gar nicht so richtig miteinander kommt. Ich wollte noch kurz auf Meret's Arbeit kommen, weil da haben wir nur über den Hintergrund gesprochen. Also bei Meret geht es eher um ein methodisches Vorgehen als Statement. Also für sie, sie hat ja so Schraffuren in Tusche auf großes Format gezeichnet. Und die sind relativ intuitiv entstanden. Aber es gibt da halt auch immer so manchmal Lichtestellen, manchmal Verdunkelungen, also durch viele Überlagerungen. Und sie schreibt selbst, oder sie sagt, das ist auch eine Methode, also quasi um diesen Überforderungen, die sie ständig erlebt, also im Alltag oder Reizüberflutung, wo sie ganz zu sich kommen kann. Also so ein Prozess ist ähnlich wie Atmen oder so, die Zeit für sich findet und quasi so eine eigene Landschaft daraus wieder entwickelt. Hinter mir sind jetzt noch drei Objekte. Sie sehen aus, als wenn Sie aus Metall wären, aber sind Sie das auch? Das sind sie. Die sind von Annika Seidel. Das sind drei, das ist ein Maulfarb oder Maultrommeln, könnte man sagen. Und die sind entwickelt aus sogenannten Vorhängeschlössern, also die man überall in jedem Baumarkt kaufen kann. Und die sind einfach mit metallischen, Metallwerkstätten, Methoden umfunktioniert worden, also dass sie ihrer Funktion enthoben sind. Und in die Mitte sind quasi kleine Sägeblätter eingefügt, die auch sehr scharfkantig sind und gebogen. Also man kann die bespielen wie eine Maultrommel, aber es steht natürlich auch, das Sicherheitsschloss steht ja für Vertrauen und Liebe und hier ist es ja total gebrochen. Also es ist Vertrauensverlust, es ist natürlich auch wie, die Sprache ist verboten. Also man hat sehr viele Assoziationen zu dieser Arbeit und sie beschäftigt sich auch schon länger in ihren Arbeiten. Das sind immer oft so entfremdete Objekte, die dann so zu Musikinstrumenten werden oder Klanginstrumente, die Krach machen. Oder sie hat zum Beispiel ein großes Bett gebaut aus Metall-Käsereiben, Gemüsehobel. Ja, da geht es auch immer so um diese suggerierte Erfahrung. Ja, genau. Also es ist so eine Mischung aus Gebrauchsgegenständen, aber mit so einer SM-Ästhetik. Und es resultiert schon auch aus, glaube ich, es geht schon auch um Gewalt gegenüber Frauen. Das ist auch so ein urscher Mut und das ist bei ihr so der Kern der Arbeit. Genau. Und jetzt kommen wir zu euren Arbeiten. Ihr seid ja auch mit jeweils einer Arbeit vertreten. Wer möchte anfangen? Bist du? Ja. Also von mir hängt eine Arbeit in der Ausstellung, die ist 35 Jahre alt. Ich habe sie mit 27 Jahren gemalt. Das war also die Entscheidung, warum diese Arbeit da drin ist. Also es handelt sich um ein gemaltes Rennrad, ein Herrenrennrad. Aber es war mein Rennrad in Originalgröße. Das Bild habe ich nachkonstruiert. Also es ist nicht nach einer Fotografie oder so entstanden, sondern es ist eine gemalte Konstruktion. Und es hängt deshalb da, weil das so die erste Erfahrung war, mit welchen Rollenvorstellungen, was Künstlerinnen malen sollen, zu tun hat und was man dann auch hört. Die Arbeit ist kurz nach meinem ersten Kunststudium entstanden. Darin habe ich etwas eher so typisch gearbeitet, wie damals junge Künstlerinnen in den 70er, 80er Jahren gearbeitet haben. Es ging um Körper und eigene Körperwahrnehmung. Also ich habe mich gedruckt, abgegipst, also alles, was möglich war. Aber irgendwie kam ich, ich hatte das Gefühl, das wurde mir auch so ein bisschen aufgestülpt, weil das halt damals so eine Konvention war, sich in diesen Traditionen auszudrücken. Und ich habe dann nach dem Studium einen radikalen Bruch gemacht und habe eben mit diesen Architekturen, also mit Konstruktionen angefangen, mit Linealen, mit Zirkeln und alles. Und das hat doch bei vielen männlichen Rezepienten und Künstlern schon fast eine Aggression hervorgerufen. Also ich musste mir einfach immer sehr viele unangenehme Bemerkungen hören lassen, wo es darum ging, eigentlich die eigene Leistung abzuwerten. Was war der Kommentar? Was haben die Leute gesagt? Also bei dem Bild, das habe ich öfters gehört, auch im Nachhinein, aber hier speziell war es jetzt, das Bild wäre deshalb so interessant, weil es aussieht, als hätte es einen Mann gemalt. Also das waren so die typischen Sprüche. Und ich wollte es halt, ja, was bringe ich hier rein? Ich dachte, ich zeige das jetzt, weil es ist eine Erfahrung, die ich gemacht habe, wie ähnliche Studierenden, die jetzt im gleichen Alter sind wie ich damals, um auch zu zeigen, dass es jetzt kein neues Thema ist, sondern es ist schon länger und dass man vor allen Dingen einfach auch nicht, auch wenn man so Sachen hört, den Mut verlieren sollte und einfach weitermacht. Und ehrlich gesagt auch ein bisschen darüber lachen, wie blöd das alles ist. Oder mit welchen Klischees. Also ich habe einfach weitergemacht. Aber es hat mir dann auch vieles bewusst gemacht. Also so wie, ja, dass es halt ein Unterschied ist, wer die Arbeit macht und welches Geschlecht. Von dem her kann man vielleicht ja nur dankbar sein. Und Daria, zu deiner Arbeit? Also meine Arbeit ist Teil einer Werkreihe, bei der ich verschiedene Handschuhe gemalt habe. Also bei der hier sieht man jetzt einen Latex-Handschuh, so beige Farben, den man sonst so aus dem medizinischen Bereich kennt, der so eine Art Waffe bildet mit den Fingern. Vor einem roten Kreuz und gebrochenen Herzen. Also die bilden so ein Muster im Hintergrund. Und in dieser Handschuhreihe geht es an sich darum, also um die Funktion der Handschuhe natürlich auch. Es sind Schutz vor Verletzungen, Verschmutzung, sind quasi Schutz nach außen, dass man halt nichts dreckig macht oder niemanden verletzt. Aber auch natürlich so ein Selbstschutz, dass man sich selber auch nicht verletzt und nicht dreckig wird. Und das wollte ich jetzt auch so ein bisschen im übertragenen Sinne auf verschiedene Bereiche übertragen, wie zum Beispiel Feminismus oder auch Antiklassismus, weil ich das Gefühl habe, dass gerade Frauen dazu neigen, mehrfach diskriminiert zu werden. Gerade wenn man zum Beispiel eine Migrationserfahrung noch hat, landet man häufiger in einer eher prekären Situation mit wenig Geld oder auch beim Dating. Das Bild trägt jetzt zum Beispiel den Titel "Don't ruin my life" und mit den Klammern arbeite ich dann immer bei dieser Werkreihe "I will save yours at night shift". Also geht quasi um diese doppelte Rolle, wo man eigentlich in so einer ausgelieferten Situation ist, ganz oft beim Dating oder so im Liebesleben, also gerade wenn es um so heterosexuelle Beziehungen geht und auf der anderen Seite aber häufig in Berufen steckt, wo man für sehr viel Verantwortung sehr wenig Geld bekommt. Warum sollte man eure Ausstellung auf keinen Fall verpassen? Ich glaube, man sollte sie auf keinen Fall verpassen, weil wir hier ganz viele Positionen gebündelt haben, die sehr stark sind, die mal laut oder leise sind, aber immer mit einer sehr wichtigen Botschaft. Und ich glaube, dass das auch so ein bisschen so vielleicht der Startpunkt für viele sein könnte oder vielleicht auch so ein bisschen Mut machen könnte, auch einfach persönlich autobiografisch zu arbeiten, weil wir ja gesehen haben, dass es dafür sehr viele Strategien gibt, ohne sich komplett nackig zu machen. Ja, ich finde, sie ist sehr besonders, die Ausstellung. Ich glaube, so in dieser Art gab es sie an der HBK, glaube ich, auch noch nie. Also dass so ein Thema auch in einer künstlerischen Arbeit, in einer Ausstellung auf den Punkt gebracht wurde. Es lohnt sich auch, wegen der schönen vielen Wände. Es sieht einfach toll aus. Ich glaube, es ist gerade im Moment auch ein attraktives Ausstellungsangebot in Saarbrücken. Also wer noch nicht müde ist von der Saarart, kann gerne zu uns kommen. Ja, genau. Das Schluss mit lustig kann man hier in der HBK-Galerie noch bis zum 11. Juli sehen. Und ja, also vielen Dank. Ich finde die Ausstellung auch ganz toll, kann sie nur jedem empfehlen. Und danke euch beiden für das Miteinander. Dankeschön. Dir hat art talk gefallen? Dann hinterlasse fünf Sterne, erzähl deinen Freund*innen davon und hör wieder rein, wenn es heißt "Wir reden über Kunst". art talk, der Kunstpodcast aus SaarLorLux. *Musik*