art talk - THE TRUE SIZE OF AFRICA - Teil 1
Im Gespräch mit Dr. Ralf Beil über die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte
23.12.2024 42 min Verena Feldbausch
Zusammenfassung & Show Notes
Im ersten Teil unseres Kunstpodcasts spreche ich mit Dr. Ralf Beil, Kurator der Ausstellung THE TRUE SIZE OF AFRICA und Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Unser Fokus liegt auf den zeitgenössischen Kunstwerken, von denen es hier 26 Positionen zu entdecken gibt. "Signifikante Kunstwerke der letzten Jahrzehnte treffen auf eigens für die Schau realisierte Sound- und Rauminstallationen von Künstler*innen aus Afrika und der globalen Diaspora. So entsteht ein dichtes Netzwerk an Impulsen und Wahrnehmungsmöglichkeiten, die nachhaltig und vielschichtig THE TRUE SIZE OF AFRICA in Vergangenheit und Gegenwart erlebbar machen." (Weltkulturerbe Völklinger Hütte) Wir laden euch ein, euch mit Hilfe unseres Kunstpodcasts über diese faszinierende Ausstellung zu informieren - vor oder nach eurem Besuch in Völklingen -, um dann die wahre Größe Afrikas tatsächlich besser ermessen zu können. Die Ausstellung läuft bis August 2025.
Mehr über die Künstler*innen der Ausstellung THE TRUE SIZE OF AFRICA findest Du hier: https://voelklinger-huette.org/en/exhibitions/the-true-size-of-africa/
Mehr Kunstpodcasts von art talk und Fotos der Exponate gibt's in meinem Blog: https://feldbausch.com/blog/
Mehr über art trailer findet ihr hier:
https://feldbausch.com/
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Mehr über art trailer findet ihr hier:
https://feldbausch.com/
Transkript
Wir reden über Kunst bei art talk, dem Kunstpodcast aus SaarLorLux.
Wir treffen Kurator*innen und Künstler*innen dort, wo sie gerade ausstellen.
Mit uns entdeckt ihr zeitgenössische Kunst und außergewöhnliche Kunsträume in unserer
Region.
Werdet Teil von Galeriegesprächen, Ausstellungseröffnungen und Finissagen.
art talk hört ihr überall dort, wo es Podcasts gibt.
Verena Feldbausch: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von art talk.
Bevor wir loslegen, noch ein Hinweis in eigener Sache.
Alle Werke, über die wir gleich sprechen, findet ihr als Abbildungen in meinem Blog.
Und der Link dazu steht in den Show Notes.
Wenn ihr euch also optimal auf eine Ausstellung vorbereiten möchtet, dann hört euch zuerst
den Podcast an und betrachtet die Bilder der Kunstwerke in meinem Blog.
Und jetzt auf nach Völklingen.
Viel Spaß.
Wir sind heute im Weltkulturerbe Völklinger Hütte und besuchen die Ausstellung
"The True Size of Africa" mit dem Kurator
Dr. Ralf Beil.
Bevor wir in den Hauptausstellungsraum in die Gebläsehalle kommen, gehen wir durch
das neu eröffnete Pumpenhaus und hören das im Saarland wohlbekannte Steigerlied mal
ganz anders".
(Musik)
Hallo Herr Dr. Beil.
Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben und heute mit mir durch die
Ausstellung "The True Size of Africa" gehen.
Wir haben gerade den namibischen Klängen der Sound-Installation "The Land Remembers" gelauscht.
Die Texte sind von Emeka Ogboh und musikalisch erkennen wir das Steigerlied wieder.
Von was handelt der Text und was hat es damit auf sich?
Dr. Ralf Beil: Der Text in "Oshiwambo" handelt von kolonialer Landnahme, von Schmerzen, Problemen und gleichzeitig
aber auch einem Neuanfang, der jetzt gesucht wird.
Also es geht sozusagen wirklich um die Geschichte der Kolonialisierung und ist dann somit auch
eine subversive Variante, wenn Sie so wollen, oder Version des Steigerliedes, was dieses
Lied eigentlich dann zu einem afrikanischen Liedgut macht, was von all den Problemen spricht,
die wir eben als Europäer quasi in Afrika eingebrockt haben.
Und deswegen ist es, glaube ich, sehr sinnlich und gleichzeitig auch sehr emotional, dieses
Lied als allererstes zu hören.
Gewissermaßen auch als eine Irritation, erst einmal begrüßt zu werden von diesem ja fast
ekklestialen, kirchlichen Lied, was aber dann doch einen sehr großen Tiefgang hat, wenn
man dann im Media Guide beispielsweise eben den deutschen oder englischen Text liest.
Es ist eben auch ganz bewusst gesetzt sozusagen wie so als einen Durchgang um auch so ein
bisschen diesen Alltag...
Wir kommen ja alle mit sehr unterschiedlichen Paketen hier an, haben irgendwie noch im Kopf,
was muss vielleicht noch gekocht werden, was passiert da noch, wie war es in meinem Job.
Und es ist quasi wie so eine Soundschleuse, die uns ermöglicht, einfach schon mal ein
erstes Mal reinzukommen in eine andere fremde Welt.
Verena Feldbausch: Sehr schön.
Was war der Ausgangspunkt von "The True Size of Africa"?
Dr. Ralf Beil: "The True Size of Africa", eigentlich hat das Ganze begonnen wirklich schon bei Recherchen
zu "Mon Trésor".
Da bin ich auf einen Grabstein gestoßen, einen Grabstein in Saarlouis und da stand drauf
"Hier ruht in Gott, mein lieber N***, Chim Bebe".
Und das ist natürlich einfach ein ganz untrügliches Zeichen gewesen, wie viel Afrika auch im Saarland
steckt.
Das ist nur ein Grabstein von vielen, ein Togolese, der von einem Möbelfabrikanten
dann hergebracht wurde, einem gewissen Herrn Koch.
Und da war sozusagen schon so eine Idee da, wir können was mit Afrika machen.
Da habe ich viele Skulpturen-Sammler von afrikanischer Kunst getroffen.
Und dann bin ich tatsächlich im MoMA 2021 auf Kai Krause gestoßen, in einer Wolfgang
Tillmanns Retrospektive.
Kai Krauses Karte "The True Size of Africa".
Wir stehen hier gerade davor und das ist eben dann der Umriss von Afrika.
Und da passen dann eben die Vereinigten Staaten, China, Großbritannien, Indien, ganz Europa
rein und es ist immer noch Platz.
Und man sieht erst da so wirklich, wie viel es wirklich an Größe in diesen 54 Ländern
gibt, was wir einfach total unterschätzen.
Und genau darum geht es ja, dass wir gegen diese Unterschätzung, diese fundamentale
Unterschätzung, die ja nicht nur geografischer Natur ist, sondern auch menschheitsgeschichtlicher
und überhaupt historischer Natur, dass wir dagegen anarbeiten wollen.
Und deswegen ist dieses Museum of Memorability auch entstanden und die gesamte Ausstellung.
Verena Feldbausch: Mit den Media Guides, die man mit der Eintrittskarte bekommt, kann man den ersten Teil der Ausstellung,
das Museum of Memorability, also das Museum der Erinnerungskultur, mit Hilfe von Texten
und Filmen sehr gut erkunden.
Unser Fokus liegt auf der zeitgenössischen Kunst und auf zeitgenössische Künstler*innen.
Es geht hier um 26 Positionen und natürlich können wir heute nur eine Auswahl treffen.
Wo möchten Sie beginnen?
Dr. Ralf Beil: Beginnen wir am Anfang.
Gehen wir jetzt zu Romeo Mivekannin.
Verena Feldbausch: Ja, sehr gut.
Nicht zu übersehen sind die 68 Porträttücher von Romeo Mivekannin.
Er stammt aus der Elfenbeinküste.
Was ist das Besondere an diesem Werk?
Dr. Ralf Beil: Das Besondere an dem Werk und warum es wirklich direkt nach dem Museum of Memorability hier
groß in der Halle hängt, ist, dass es einfach wirklich Menschen versammelt, Afrikaner*innen,
aber auch Menschen dunkler Hautfarbe aus der Diaspora, also aus den Vereinigten Staaten,
Hawaii und wo auch immer, die einfach natürlich für diese True Size of Africa stehen.
Wir haben hier Ray Charles, wir haben Wole Soyinka, den nigerianischen Nobelpreisträger,
Spike Lee, Kamala Harris ist dabei, Du Bois, der tatsächlich dem Ganzen den Namen gegeben
hat, denn sein Buch "The Souls of Black Folk" ist sozusagen die Grundlage, wirklich
wörtlich, da sind die Texte, die Buchseiten, auf denen diese Porträts gedruckt sind.
Wir haben hier wirklich ein Kaleidoskop von Menschen - Josephine Baker ist auch dabei-,
die alle schwarz waren, aber gleichzeitig eben auch aktivistisch unterwegs waren.
Selbst so jemand wie Alicia Keys, die hier auch in der vorderen Reihe hängt, ist eine,
die sich eben für Frauen einsetzt, für wirkliche Menschenrechte, und sich eben begreift als
ein aktiver Teil unserer planetarischen Gesellschaft.
Und das macht diese Arbeit so bedeutsam, dass wir eben sehen, es geht eben nicht nur um
Afrika, was schon riesig wäre, aber es geht auch um das, was der Sklavenhandel eigentlich
erstmal negativ verursachte, nämlich die Ausbreitung von Afrikanerinnen auf die ganze
Welt, von Indien bis nach Nord- und Südamerika, überall und natürlich auch Europa.
Und das ist eigentlich die Hauptmessage, hier ist dieses "True size of Africa" einfach
greifbar.
Man kann durchwandern durch diese Porträts und sie sich im Einzelnen anschauen und sozusagen
wirklich diese Größe tatsächlich dieser einzelnen Menschen erfassen.
Denn darum geht es uns ja auch immer zu betonen, dass Menschen etwas ganz Wichtiges sind, dass
es nicht Sachzwänge sind und dass es keine Automatismen gibt, dass alle Menschen sind,
dass einer weniger stark ist als der andere oder dass wir einen erniedrigen müssen.
Das sind alles Ideologien gewesen damals im Kolonialismus.
Warum hat man das gemacht?
Um einfach rechtfertigen zu können, dass man diese Menschen holt und sie als Sklaven
einsetzt.
Wenn man das nicht hätte irgendwie ideologisch überblenden können, dann wäre es gar nicht
möglich gewesen.
Vor allem im Zeitalter der Aufklärung, man muss sich vorstellen, der Sklavenhandel
fand während der Aufklärung stand.
Und für uns ist ja gemeinhin Kant, der kategorische Imperativ, das ist die große Welt des Westens.
Und genau das ist eben das Thema dieser Ausstellung, dass diese Welt gar nicht so groß ist, weil
sie einfach ganz viel Schuld auf sich geladen hat und wir einfach umdenken müssen.
Verena Feldbausch: Sehr beeindruckend und ideal für diese Gebläsehalle, finde ich.
Weiter würde ich gerne gehen zu der Installation von Dele Adeyemo.
Er ist ein Künstler aus Lagos und seine Installation hat den Titel "Tanz der Mangroven".
Das ist ja so eine Projektion auf Sand eigentlich.
Dr. Ralf Beil: Genau.
Lassen Sie uns mal da hingehen.
Dele Adeyemos Installation steht hier natürlich im Kontext.
Wir stehen zwischen diesen riesigen Maschinen der Gebläsehalle und hinter dieser Installation,
zu der ich gleich noch näher komme, steht eben ein Bücherschrank.
Das ist der Bücherschrank von Reinhard Klimt und da sind all die Projektionen der Europäer
versammelt auf Afrika.
Denn diese Reiseberichte sind natürlich eben auch gespeist immer von Fiktionen, von Vorstellungen
der Europäer, die eben leider nicht immer gestimmt haben, muss man ja so sagen.
Und dann haben wir hier im Kontrast davor diese Schale mit Sand und unten hat man tatsächlich
noch diese Verästelungen der Mangroven, die sich hier andeuten in dieser Projektionsskulptur,
wenn wir so wollen.
Also wirklich auch eine raffinierte Art, das zu installieren mit dem Sand, der auch auf
dem Podest liegt, auf dem Sockel.
Und das ist dann tatsächlich ein Blick in das heutige Lagos, in Rituale, aber auch tatsächlich
eben in dieses Zwischenland.
Denn die Lagune, um die es hier geht, die ist eben natürlich zwischen Meer und der
riesigen Megalopolis Lagos angesiedelt.
Und genau darum geht es ihm, um diese Erkundung, wie die Jugendlichen, wie die Menschen dort
leben auf dem Wasser, wie sie am Strand tanzen, unterwegs sind.
Also ein Blick in das heutige Lagos mit ganz unterschiedlichsten Facetten, dem gegenübersteht
tatsächlich der Projektionsraum der Bücher, hier versinnbildlich durch diesen wunderbaren
und dankenswerterweise ausgeliehenen Schrank des Afrika-Skulpturensammlers.
Verena Feldbausch: Reinhard Klimt, ja genau.
Ja, ich finde das ganz toll gemacht, muss ich sagen.
Es gefällt mir wirklich sehr, sehr gut.
Gehen wir doch jetzt direkt weiter zu dem Senegalesen Omar Victor Diop und seinen Fotoarbeiten,
die auf diese Großbanner gedruckt worden sind.
2020 war hier eine Ausstellung "Afrika im Blick der Fotografie".
Da war er auch schon dabei.
Was ist seine Perspektive?
Dr. Ralf Beil: Seine Perspektive ist auch tatsächlich eine Wiederaneignung von Geschichte.
Denn wir haben hier große Banner mit Fotos von ihm, das sind Selbstportraits.
Und er ist sozusagen dann in historische Gewänder gekleidet.
Und da haben wir hier tatsächlich eben einen venezuelanischen Freiheitskämpfer.
Wir haben einen Kleriker aus Afrika, der dann Sklave wurde in Amerika und dann aber das
erste Buch über das Sklave-Sein geschrieben hat.
Und hier oben haben wir tatsächlich einen Diplomaten, der aus dem Kongo kam und dann
eben in Holland unterwegs war.
Und gleichzeitig überblendet er aber diese historischen Kostüme noch mit zeitgenössischen
Utensilien, nämlich mit Sporthandschuhen, mit einem Fußball, den diese Figuren tragen.
Und weist daraufhin, in der ironischen Brechung, dass man eigentlich als Schwarzer immer noch
am schnellsten berühmt wird, wenn man einfach Sportler wird.
Also wenn man Basketballer oder Golfer oder was auch immer ist.
Und von daher eine durchaus vielschichtige Geschichte, die aber gleichzeitig auch zeigt,
was für Lücken immer noch bei uns in der Geschichte da sind.
Denn diese Menschen, die kennen wir alle nicht, aber wir müssten sie eigentlich kennen, denn
sie waren maßgeblich.
Sie haben tolle kulturelle Leistungen verbracht, haben zwischen Ländern vermittelt.
Und das zeigt einmal mehr, dass es noch ganz viel zu tun gibt.
Und ich kann vielleicht noch ergänzen, weil wir dort in der Ferne, wir haben ja hier eine
ganze, wenn man so will, eine kleine Retrospektive.
Wir haben drei verschiedene Serien hier in Ausschnitten, die wir präsentieren.
Wir haben hier eine ganze Laufstrecke hier längs neben den und an den Maschinen vorbei.
Und ganz da hinten leuchtet schon ein Bild auf.
Das sind die "Tireurs Sénégalais" mit diesen roten Kappen.
Und das ist sehr traurig, weil es ist gerade am 1.
Dezember, 80 Jahre her, ein fatales Jubiläum, dass dieses Massaker stattgefunden hat an
den Weltkriegssoldaten des Zweiten Weltkriegs, die dann in Dakar, bei Dakar in einem Lager
waren und einfach nur protestiert haben, weil sie nicht mal ihren Lohn, ihren Sold bekommen
haben und dann tatsächlich zusammengeschossen wurden.
Das haben die französischen Kolonialherren damals gemacht.
Ein besonders unrühmliches Kapitel wieder mal von den Europäern.
Das heißt, sie haben sie erst als Kanonenfutter eingesetzt und als sie dann noch nicht umgekommen
waren im Krieg und dann wieder zurück schon in Heimat waren, haben sie eben den Sold nicht
ausbezahlt und als sie dann protestiert haben, sind sie erschossen worden.
Das sind so emblematische Geschichten, die finde ich sehr stark sind und uns eigentlich
zeigen, dass wir ganz viel in der Geschichte noch aufarbeiten müssen.
Und dafür ist dieser Ort eben auch. Gleichzeitig hat er dieses Atmende,
Wir können diese, tatsächlich wie gesagt, diese ganze Landschaft an Kunst erwandern
und uns damit in diese Geschichtslandschaft hineinbegeben.
Das ist auch das Ziel.
Diese Halle ist dafür wirklich perfekt geeignet.
Verena Feldbausch: Ja, das stimmt.
Bleiben wir bei den Porträtfotos, aber Porträtfotos einer ganz anderen Art von Zanele Muholi.
Sie kommt aus Südafrika und zeigt ganz besondere Selbstporträts.
Welche Aspekte greift sie mit ihrer Kunst auf?
Dr. Ralf Beil: Erstmal muss man sagen, dass sie non-binär gelesen wird oder sich selber auch non-binär
liest und dass wir dann einen zweiten Weg auf der linken Seite haben, den eben Zanele
Muholi mit ihren Selbstporträts bespielt.
Und die spielen halt auch wieder eigentlich mit den Stereotypen und den Klischees,
in dem Fall im Besonderen.
Bei Diop ist es sozusagen das Planetarische, die Geschichte all dessen, was passieren kann.
Und sie spielt mit unserem europäische Blick.
Wir stehen hier gerade vor einer großen Portraitansicht und da ist sie eben zu sehen mit so grobem
Seil, was sie um den Hals geschlungen hat und um den Kopf.
Das ist ja das, was man immer dann mit Afrika verbindet.
Landläufig sind die Materialien, die Schwere, das Grobe.
Aber gleichzeitig hat sie dann eben wirklich Batterieklemmen, die jeder noch kennt, der
mal ein Auto aufladen musste, eben da dran gesteckt, so als Deko-Element.
Und sie übertreibt das tatsächlich in der Form, so dass es eigentlich dann bestenfalls
den Besuchern wie Schuppen von den Augen fällt, dass das eben natürlich ein Spiel mit unserem
Blick ist.
Wie gehen wir damit um?
*Und es sind halt Aufnahmen, die dann zum Teil eben mit einem riesigen Haar-Aufsatz spielen,
entweder sind sie geflochten oder sie sind halt riesig, wild
sozusagen die Haare.
Oder wir haben dann eine Figur dort hinten, die eben mit einer Decke umhüllt ist, quasi
sich in eine Decke einhüllt.
Das ist quasi das Klischee, dass alle Afrikaner*innen eigentlich Migranten sind und in Flüchtlingslager
leben.
Und wer einmal in Dakar war oder in Lagos, in diesen Riesen-Städten mit den Hochhaustürmen,
der weiß, dass es eben viel größere Städte gibt, als es Saarbrücken oder Frankfurt oder
selbst Berlin sind.
Dagegen ist das hier alles harmlos in Europa.
Und genau darum geht es hier natürlich, das Spiel mit den Bildern, die wir von Afrika
haben.
Und das wollen wir eben auch ein Stück weit erreichen durch "The true size of Africa",
dass man da ins Denken kommt.
Und ich habe mich sehr gefreut.
Ich hatte tatsächlich einen Anruf jetzt gerade schon.
Gestern haben wir eine Zoom-Sitzung gehabt von einem Industriellen, einem Maschinenbauunternehmen,
das tatsächlich eben einfach daraufhin mich gefragt hat, wie kann ich denn noch Afrika
darstellen.
Die haben mir wirklich ihre Zeitschrift gezeigt und wir sind in den Dialog gekommen.
Ich habe gesagt, ich würde das noch machen, damit wir eben nicht in die Stereotypenfalle
gehen.
Und das ist das, was mich sehr freut, wenn Kunst und Leben sich hier sowieso in der Ausstellung
verbinden, aber tatsächlich das auch im Saarland und weit darüber hinaus so geht, dass man
anfängt nachzudenken, wie zeige ich Afrika.
Und das ist wirklich ein großer Glücksmoment für mich gewesen, wenn dann solche Leute
anrufen und uns um Rat fragen, weil wir eben tatsächlich uns mit diesem Thema gerade auseinandersetzen.
Verena Feldbausch: Das ist ein tolles Ergebnis auf jeden Fall.
Gehen wir nochmal zurück zu William Kentridge.
Das ist ein Animationsfilm, der heißt "Mine", also Mine.
Es geht um einen weißen Minenbesitzer und seine schwarzen Arbeiter.
Dr. Ralf Beil: Ja, Kentridge ist ja ein weißer Südafrikaner, aber hat sich sehr kritisch auseinandergesetzt.
Es geht da natürlich um die gesamte Minenlandschaft, um Johannesburg herum und natürlich auch
um den Kapitalismus, um die Ausbeutung.
Es kommt das Sklavenschiff tatsächlich auch nochmal bildlich visualisiert vor in diesen
wenigen Minuten.
Was hier natürlich das Tolle ist, dass dieser Film mit Kohle gezeichnet ist und durch Umgestaltung
und Ausradierungen entsteht.
Also eigentlich eine wunderbare Materialidentität, weil bei Minen geht es
natürlich nicht nur um Gold, sondern auch um Kohle und um Erz, was dann rausgenommen
wird.
Es ist ein bildmächtiges Werk, ein früherer Film von ihm, der eben sehr deutlich eigentlich
dieses Gefälle von Schwarz und Weiß zeigt.
Und man muss ja sagen, schlimmerweise in Südafrika ist es bis heute so, das ist der Staat, wo
die Ungleichheiten am meisten verteilt sind und wo der Kolonialismus seit mehreren
Jahrhunderten da ist, es ist einer der ersten Stellen, wo die Europäer an Land gegangen sind,
eben beim Kap der guten Hoffnung.
Und das ist leider bis heute immer noch der Staat, der am meisten, trotz Nelson Mandela
und trotz der Congress-Partei und so weiter, immer noch ein Problem hat.
Also von daher leider immer noch ein aktueller Film.
Verena Feldbausch: Von wann ist der Film?
Dr. Ralf Beil: Der Film ist von 96.
Und es ist tatsächlich so, die meisten Werke sind ja tatsächlich
sowieso gerade direkt für die Ausstellung entstanden, das ist ja auch etwas Besonderes,
die sind wirklich aus den Jahren 2022/24.
Das heißt, wir sind hier eigentlich in einer sehr aktuellen Auswahl, aber hier beim Kentridge
musste es einfach dieses Frühwerk sein, weil wir haben ja hier auch diese Tiefen, in denen
dann dieser Film läuft, diese Tiefenbohrung.
Er drückt ja auf diese berühmte Alessi-Kaffeekanne und dann fährt er runter eben in die Tiefen
des Bergwerks und trifft auf die Arbeiter.
Also auch da sind natürlich viele surreale und wirklich erhellende Momente in diesem
Film eingefangen.
Verena Feldbausch: Absolut, absolut.
Gehen wir mal weiter zu dem Video von Josepha Ntjam Josepha.
Sie ist in Metz geboren und lebt in Frankreich und sie beschäftigt sich mit Afrofuturismus.
Was versteht man darunter?
Dr. Ralf Beil: Afrofuturismus, genau das ist das Schlagwort.
Das ist leichter, wenn wir davor stehen, dann kann ich nochmal genauer erklären, was
es damit auf sich hat.
Josepha Ntjam tritt tatsächlich mit einer Maske auf, die eben nicht mehr historisch
ist, nicht mehr afrikanisch, sondern, ja wie soll man das beschreiben, eher so wie ein
Stachelfisch oder sowas aussieht.
Man kann ihr Gesicht nicht mehr erkennen.
Es ist Plastik verwebt mit verschiedenen Teilen und sie hat eben sozusagen ein bunt gesticktes
Kleid an.
Was sie hier tut, ist tatsächlich Rezepte quasi aufführen, wenn sie so wollen, weil
sie tatsächlich mit ihrer Gestik, mit ihren Händen dann auch die Pflanzen zerreibt im
Wortsinne.
Und worum geht es da?
Es sind halt tatsächlich Rezepte für Widerstand gegen die Angst, also tatsächlich Selbstermächtigungsrezepte.
Und im tieferen Sinn geht es natürlich darum, den Anschluss wiederzufinden, weil sie müssen
sich vorstellen, Kolonialismus, das heißt eben nicht nur militärische Besetzung, das
heißt auch Besetzung im Kopf, das heißt eben Missionierung.
Die Missionen waren ganz wichtig, die Religion, und vielfach ist da einfach der Kontakt gar
nicht mehr da.
Es gibt viele Länder, das haben mir die Kongo Astronauts auch gesagt, die tatsächlich
eben ein sehr gespaltenes Verhältnis zu traditionellen Masken haben.
wird.
Das heißt, sie versucht auch den Wiederanschluss natürlich an diese Urrezepte, an die Pflanzenwelt,
an das, was man eben bevor man die westliche Medizin hatte und die westliche Religion eigentlich
brachte.
Und das ist natürlich etwas sehr Wichtiges, dass man sich wieder besinnt auf das, was
alles hart unterbrochen wurde und jetzt eigentlich mühsam sozusagen sich wieder angeeignet werden
muss.
Dieses Wissen von den Pflanzen, von der Natur und diese Nähe an der Natur, die ja zum Teil
eben auch da gelebt wurde und die jetzt einfach wieder angeeignet werden muss.
Verena Feldbausch: Ja, das ist eine tolle Arbeit auf jeden Fall.
Weiter würde ich gerne zu The Singh Twins gehen.
Die kommen aus England?
Dr. Ralf Beil: Ich muss vielleicht ein bisschen aussuchen, bevor ich auf das Bild komme, weil wir sind
hier in diesem Bereich, zwischen den Maschinen machen wir so etwas wie eine Weltreise.
Wir beginnen in Holland mit Vermeer, wo Romeo Mivekannin tatsächlich auch zeigt, wo der
Kolonialismus herkommt, nämlich dass eigentlich der ganze Reichtum der Bilder und das, was
Vermeer und Rembrandt eben gemacht haben, natürlich darauf basierte, dass es den Wohlstand
und diese schweren Stoffe und so weiter gab, die eben durch den Kolonialismus erarbeitet
wurden.
Und da stellt er sich eben rein, als Selbstporträt, nackt als Frau sogar in dem Fall, und bringt
das Bild sozusagen komplett zum Kippen, was eben einstmals ein Studioporträt von Vermeer
war.
Und dann kommen wir tatsächlich hier zu den Singh Twins und das Extended Triangle, das
heißt eben natürlich, dass es nicht nur den Dreieckshandel gab, der sich eben zwischen
Europa, Afrika und Amerika mit dem Slavenhandel, also eben dann dem Black Atlantic oder dem
Massengrab des Ozeans natürlich ereignete, weil auch viele Menschen ja gestorben sind
auf der Überfahrt, sondern es gibt natürlich auch noch das, was häufig vergessen wird,
nämlich Indien.
Da gibt es den Baumwollhandel und auch das gehörte mit dazu.
Und von daher sehen wir hier einen Leuchtkasten mit einer Collage.
Wir haben tatsächlich die Inderin hier, aber wir haben dann auch einen Malik
Ambar, der ein Slave Soldier Ruler ist.
Wir haben eben nochmal ein Sklavenschiff.
Wir haben aber auch Toussaint Louverture, der in der Karibik ein Freiheitskämpfer war.
Das heißt, wir haben sozusagen die verschiedensten historischen Zusammenhänge, auch hier Pondicherry,
der als Name auftaucht, der dann wiederum natürlich auf ein europäisches Schloss verweist, aber
im Namen tatsächlich das indische mitträgt.
Also von daher wirklich diese Verbindung und dass das ein weltumspannendes Netz war und
dass es eben nicht sozusagen einfach nur einen Dreieckshandel war, sondern wirklich eine globale
Dimension hat.
Von daher sind die Singh Twins für mich tatsächlich ein Beispiel, um das nochmal zu weiten.
Und innen drin, direkt hinter den Singh Twins läuft ja dann der Film von Campos-Pons, wo
dann tatsächlich die Kubanerin ihre chinesischen Ursprünge quasi entdeckt oder als Kunstperformance
auslebt, weil ihre Großmutter Chinesin war.
Also auch da sehen Sie, es geht um diese Hybridisierung.
Was zum Teil Leute postulieren, politisch oder auch nicht, nämlich dass es
eine Reinheit geben müsse und dass man das alles trennen müsse, das ist eigentlich nicht
machbar.
Wir sind von Beginn an hybride Wiesen, wir sind alle Afrikaner*innen gewesen, wir
sind alle von Afrika gekommen vor Jahrtausenden Jahren und hatten alle mal dunkle Hautfarbe,
das hat sich nur im Laufe der Zeit ergeben und all diese Zusammenhänge schweben hier
mit und wir enden dann tatsächlich diese kleine Weltreise
wieder in Deutschland bei einem Afrodeutschen, James Gregory Atkinson, der dann wiederum
sich damit auseinandersetzt, wie das ist als Kind von schwarzen Soldaten und einer weißen
Mutter, eben als, ja, nicht Ausgestoßener, aber als seltsam anerkannter
und mit großen Schwierigkeiten behafteter Lebenslauf sich zu präsentieren.
Das ist dann natürlich die Rückwendung wieder auf uns, auf Deutschland, nachdem wir sozusagen
von Holland über Indien und Kuba, China unterwegs waren.
Verena Feldbausch: Genau, das kann man gut mit dem Media Guide auch nochmal nachlesen, anschauen und anhören.
Dr. Ralf Beil: Das Video von James Gregory Atkinson ist tatsächlich im Stil eines Musikvideos
gemacht, aber ist dann eben in den Barracks gedreht, wo die Väter dieser jungen, schwarzen
oder dunkelhäutigeren Jugendlichen tatsächlich eben gearbeitet haben und gibt dann sozusagen
eine atmosphärische Bestandsaufnahme dieser Befindlichkeit.
Verena Feldbausch: Es gibt ja zwei Kollektive, die hier vertreten sind.
Das eine ist das CATPC, Cercle d'Arts des Travailleurs de Plantation Congolaise.
Hier arbeiten die Künstlerinnen auch selbst auf den Plantagen und ausgestellt sind Schokoladenskulpturen,
also Skulpturen mit Schokolade.
Und die eine trägt den Titel "White Cube Lusanga".
Bitte entschlüsseln Sie für uns dieses Werk.
Dr. Ralf Beil: Es ist so, dass es sich da durchaus auch um eine Kritik an unserem Museumswesen handelt,
weil die These, und die ist, glaube ich, auch gut zu belegen von diesem Kollektiv CATPC,
ist, dass natürlich unsere Museen auch auf dem Reichtum von Plantagen aufgebaut sind.
In belgischen Museen und auch in anderen ist es tatsächlich so, in den amerikanischen natürlich
auch, weil Plantagenwirtschaft war natürlich der Beginn von Amerikas Reichtum.
Und sie haben da tatsächlich in Lusanga auf ihren Plantagen, die sie eben wieder aufforsten
und wieder neu aufbauen, Gelände, was eben überlassen wurde, was einfach nicht mehr
aktiviert wurde von den Belgiern oder anderen Akteuren, das sie wieder aufkaufen und ökologischen
Landbau machen.
Und da stehen eben auch White Cubes.
Aber das hier ist tatsächlich dann natürlich eine Umformung, wo man ganz viele Köpfe oben
hat, aus denen ein Kopf im Besonderen rauskommt.
Und der White Cube ist dann eigentlich eben nicht mehr dieser Weißraum der Kunst, so
genauso wenig wie unsere Gebläsehalle ein Weißraum ist, sondern er steckt voll, als
wie ein Wimmelbild von Menschen, umgeben von Palmen, die natürlich die Plantagen andeuten
und die Natur.
Und ist der Versuch natürlich wieder eben eine Verbindung zwischen Mensch und Natur
zu bringen.
Und ich kann aber auch, jetzt wenn ich noch eine andere Skulptur anschaue, wie den Fischmonger
hier, dann sieht man auch, wie unterschiedlich man die Dinge sehen kann und dass man sich
eben nicht täuschen sollte.
Dieser Fischmonger sieht erst mal so aus wie ein klassisches Bild von Goya.
Saturn frisst seine Kinder.
Da ist es so, dass die Kinder einfach aufgefressen werden in Not.
Hier ist es aber ein ganz anderes Bild, nämlich dieser Fischmonger schluckt seine Kinder und
bewahrt sie sozusagen im Bauch, davor gefressen zu werden und spuckt sie dann nachher wieder
aus.
Das heißt, es ist auch sozusagen wie ein Mahnzeichen hier inmitten dieser Ausstellung,
dass man seinen Augen nicht unbedingt und seinen Bildern im Kopf trauen kann, sondern
dass man auch immer wieder genau hinschauen muss oder auch die Hintergründe einfach kennen,
weil man natürlich afrikanische Skulptur, in diesem Fall Schokoladenskulptur, natürlich
aus dem Palmöl gemacht, was man eben im Kongo gewinnt, also von daher sehr sinnig, eben
tatsächlich hier ein anderes Bild hat von dieser Kunst.
Verena Feldbausch: Sehr erhellend, dieser Kommentar.
Jetzt zu diesen großen Leinwänden hier.
Dr. Ralf Beil: Das ist Kaliko Nyamai.
Verena Feldbausch: Ist das auch hier entstanden?
Dr. Ralf Beil: Es gab drei Leinwände in Berlin und eine in New York und er hat extra zwei Leinwände
nochmal für uns hier realisiert, weil uns eben schnell klar war, dass wir hier eine
Dichte brauchen.
Es sind wirklich riesige Leinwände, die auch von meinem technischen Team wie Segel wirklich
hochgezogen wurden.
Und sie sehen auch aus wie Segel, die hier im Raum hängen und gleichzeitig eben riesige
Palimpseste sind, weil erst sieht man, wenn man von Weitem kommt, großflächige Figuren,
aber je näher man hinkommt, sieht man das extreme Material.
Es ist mit LKW-Reifen-Schnüren vernäht und man hat eben auch Collagen, Zeitungspapiere.
Es ist wirklich ein Palimpsest, also eine Überlagerung von verschiedensten Elementen.
Man hat Momente der Stille, des Ruhens.
Eine Frau jetzt hier gerade in diesem riesigen Blau, die sich einfach ausruht, aber dann
Szenen des Dialogs oder schon Streits, wie man den Gesichtern vielleicht entnehmen
kann.
Und so findet sich das auch auf allen anderen Bildern wieder.
Es heißt "Dining in chaos" und es spielt quasi aus der Situation heraus von Nairobi,
wo einerseits schon ganz viel möglich ist, in Kenia, wo jetzt auch schon Geothermie und
alles Mögliche da ist, aber gleichzeitig natürlich Demonstrationen auf der Straße immer noch
davon zeugen, dass politisch noch ein Weg gefunden werden muss.
Genau diese Zwitterstellung zwischen schon erreichtem Wohlstand und einer bestimmten
Situation, wo man das Leben genießen kann und dann gleichzeitig immer noch sozialen
Spannungen oder politischen Spannungen sind eigentlich in diesem Werk eingefangen, was
ungeheuer sinnlich hier die Hälfte dieser großen Spielfläche in
der Gebläsehalle auratisch einnimmt und es hat mich besonders gefreut, wie so vieles.
ist.
Weil wir haben überall eigentlich Werke, die speziell für die Ausstellung gemalt wurden.
Ein Künstler kam an, er sollte ein Werk von vier mal fünf Metern machen, dann hat er
ein Werk von neun mal zwei Metern gemacht.
Das ist die Größe dieser Halle, dass sie tatsächlich das alles aufnehmen kann.
Und das ist sehr schön, wenn man hier ein Werkzeug, einen Ort hat, der eben so gutmütig
ist und bereit, diese afrikanischen Künstler*innen mit ihren Werken tatsächlich auch in Szene
zu setzen, in einer ganz besonderen Qualität.
Verena Feldbausch: Auf jeden Fall.
Jetzt kommen wir hier zu dem zweiten Kollektiv, Congo Astronauts.
Das ist also eine dreiteilige Videoarbeit.
Und dann auch diese Astronautenanzüge, die so aus Elektroschrott gefertigt werden, glaube
ich auch hier in Völklingen wurden die gemacht.
Dr. Ralf Beil: Also Pisko und Eléonore, zwei von diesem Kollektiv Kongo Astronauts, waren wirklich
einen Monat lang hier.
Pikco hat auch noch eine Performance hier zur Eröffnung gemacht und sie haben diese Werke
aus Elektroschrott von Kinshasa und aber auch von Völklingen produziert.
Warum?
Der Ansatzpunkt ist, dass im Norden von Kongo tatsächlich Kobalt abgebaut wird.
Daraus entstehen dann als Urmaterial, ganz wichtig, Smartphones, Laptops und manches
mehr an elektronischen Geräten.
Und das Absurde der Situation ist, dass genau dieser Elektroschrott am Ende der Karriere
dann wieder zurückkommt, nach Kinshasa, dort auf Mülldeponieren gelagert wird.
Und um das zu exteriorisieren, also herauszubringen, haben sie tatsächlich angefangen, diese Astronautenanzüge
zu machen, die dann außen mit Elektroschrott appliziert sind, beziehungsweise überhaupt
aus Elektroschrott entstehen, bis hin zu den Helmen.
Und das ist natürlich eine starke Geschichte.
Und hier verdoppeln sie quasi den Aspekt nochmal, weil sie haben eben Aufnahmen gemacht in der
Hütte, in der Völklinger Hütte und die wird uns dann plötzlich sehr fremd, weil dort
eben ein Astronaut, manchmal mehr torkelnd und dann aber doch wieder entdeckend, durch
diesen seltsamen Ort, diesen aufgelassenen Ort, dieses Eisenwerk, wandert und uns eigentlich
diesen Ort wieder fremd macht.
Was ist das für ein seltsamer Ort?
Was haben dort Menschen eigentlich mal gebaut?
Wozu soll das dienen jetzt und in Zukunft?
Also viele Fragen, die sich stellen durch dieses Fremdwerden mit dieser Figur, die eben
das erkundet und eigentlich wie ein Außerirdischer sozusagen sich fragt, was ist hier wohl geschehen?
Und von daher für mich auch eine der ganz wunderbaren Arbeiten, die hier am Ende der
großen Gebläsehalle wirklich ihren Raum erfährt, mit den skulpturalen Ausprägungen,
die tatsächlich sogar noch auf dem Schlackenresten stehen, auf denen er eben im Film auch unterwegs
ist.
Also von daher wirklich eine wunderbare Verbindung, die auch zeigt, wie stark also Afrika auch
uns anschaut.
Weil es war wirklich so, ganz vielen Künstlerinnen musste ich dann sagen, bitte, wir brauchen
auch noch ein bisschen Afrika, weil viele kamen hier zur Hütte und
haben diese Geschichte in sich aufgenommen, die Identitäten entdeckt, natürlich Kolonialismus
und Raubbau.
Wir haben hier auch Erze sozusagen aus Afrika importiert in der Nachkriegszeit.
Davon handelt ja die Arbeit von Memory Biwa, die hier eine in situ Installation gemacht.
Also so dreht sich das ineinander und es ist eben so, dass wir auch viel über uns selbst
erfahren, wenn wir in dieser Ausstellung sind.
Über uns als Europäer und als Menschen, die eben Nachfahren sind genau von diesem
Ausbeutungssystem.
Verena Feldbausch: Das ist auf jeden Fall hier sehr gelungen.
Möchten Sie kurz noch auf diese beiden sehr farbigen Werke eingehen?
Dr. Ralf Beil: Ja, das sind zwei Arbeiten von Sandra Segir und wir haben ja im Museum of Memorabilit
zeigen können, dass eigentlich fast jeder Tanz oder Musik, die wir heute vor allem dann
entweder auch mit Südamerika und Nordamerika verbinden, eigentlich mit afro-globalen Menschen
eigentlich zu tun hat.
Denn die Rhythmen, die die Sklaven als einziges mitbrachten, denn sie hatten ja wirklich buchstäblich
nur die Ketten, sie waren nackt und hatten die Ketten auf den Schiffen und dann hatten
sie aber immerhin den Rhythmus und die Bewegung.
Und das spielt hier in diesen Gemälden dann eine Rolle in der Fortführung, weil das eine
Gemälde handelt von Fela Kuti, ist eine riesige Collage mit unterschiedlichsten Elementen.
die dort ist.
Und das ist ein Bild, was quasi eine Hommage ist an Miriam Makeba, also beides Figuren,
die nicht nur Musik gemacht haben, sondern auch wirklich Aktivisten waren.
Miriam Makeba nennt man unter anderem auch Mama Afrika.
Sie hat sich sehr für die Rechte und gegen die Apartheid eingesetzt, als gebürtige Südafrikanerin
Und sie zeigt tatsächlich in einem Strom, in einem Magma-artigen Umfeld, aus dem
hier mehrere Köpfe sozusagen auch herausschielen.
Man sieht sie mehrfach, vor allem dort in der Mitte.
Und das ist auch ein Bild, was dann speziell nochmal für uns entstanden ist, weil ich
habe in Dakar das Bild von Fela Kuti sozusagen dort entdecken können und habe dann gesagt,
wir bräuchten da nochmal quasi eine Erweiterung.
Und das spielt dann halt sehr schön.
Das ist mir auch sehr wichtig, dass wir diese Echo-Wirkung haben zwischen eben dem Museum
of Memorability, wo Themen aufgerufen werden, und dann tatsächlich in der Kunst, die
eben wie im Beispiel von Fela Kuti schon thematisiert waren.
Verena Feldbausch: So, jetzt wollte ich eigentlich noch zu Kara Walker gehen.
Das ist eine amerikanische Künstlerin, Kara Walker.
Und sie zeigt hier auch einen Animationsfilm.
Sie arbeitet viel mit Scherenschnittfiguren und ihre Themen sind Ethnie, Geschlecht, Sexualität
und Gewalt.
Themen, die die Geschichte Afrikas prägen.
Warum darf sie in dieser Ausstellung nicht fehlen?
Dr. Ralf Beil: Sie setzt eigentlich einen wunderbaren Schlusspunkt.
Und auch da muss ich kurz ausholen, denn wir haben tatsächlich eben natürlich hier
in dieser Verdichterhalle zuerst ein Werk zum Panafrikanismus, das ist hier in der Pseidira.
Da geht es eigentlich um die Selbstermächtigung, um die Unabhängigkeit.
Und gespiegelt auf der Seite direkt daneben auf einer Wand ist dann Carrie Mae Weems,
wo es eben eigentlich um die Rassenkonflikte geht in den 60er Jahren.
Das heißt, diese Ungleichzeitigkeit war mir da auch wichtig zu betonen, dass wir auf der
einen Seite halt in Afrika diese Freiheitsbewegungen haben, in Südamerika und in Südafrika eigentlich
das Schlimmste überhaupt passiert, nämlich die Segregation oder die Apartheid und all
die Proteste, die wir mit Martin Luther King und Malcolm X und so weiter verbinden.
Und wenn wir jetzt Kara Walker sehen, warum habe ich das erzählt, in diesem Kino hier,
in dieser Kinoabstraktion, die wir hier haben, dann ist es so, dass Kara Walker eigentlich
genau diese Schwierigkeiten, schwarz zu sein, in die Jetztzeit überträgt.
Denn es ist eigentlich nur in der filmischen Machart, die sich an Lotte Reininger, also
an einem Animationsfilm, den wir auch im deutschen Film gezeigt haben, einem Film wirklich der
20er Jahre orientiert, also quasi wirklich so Figuren, Scheren steht, Figuren hat, die
noch mit so kleinen Stäben bewegt werden und wirklich so Hintergründe, die dann mit
Sternen besetzt sind.
Das sieht erst mal relativ harmlos aus.
Der Soundtrack, den man über den Media Guide hören kann automatisch, der ist auch erst
mal sehr spielerisch, sehr aufgeregt.
Aber es geht dann tatsächlich wirklich zur Sache und zeigt eben die Gewalt, die eben
immer noch herrscht gegenüber Schwarzen.
Trump kommt tatsächlich dann auch einmal hier vor, so wie Kamala Harris ja bei Romeo
Biverganin da war und wir haben dann die Prepper, die Leute, die sich vorbereiten, die Weißen,
hier den Ku Klux Klan Mann, der dann gemeinsam mit einem anderen diesen Schwarzen
an ein Auto hängen wird.
Also es kommt dann doch zu sehr drastischen Szenen in diesem spielerisch anmutenden Ambiente.
Und ich glaube, das ist auch die Leistung von Kara Walker, dass sie sozusagen diese
bitteren Momente sozusagen in Kunst übersetzt und es einerseits aber auch nicht verharmlost,
sondern eigentlich eher noch heftiger macht auf eine Art, weil man das nicht realistisch
erlebt, aber dann tatsächlich eben in dieser Bildsprache wahrnehmen kann.
Also von daher für mich eine der ganz großen Künstlerinnen, die eben mit ihren Scherenschnitt
Wänden immer schon extrem überzeugt hat und sehr stark also das Publikum mitgenommen
hat und auch hier wieder ein Film, der wirklich dann gefangen nimmt und man muss eigentlich
dann wirklich hier sitzen.
Ich glaube, es sind insgesamt zwölf Minuten oder so etwas und diesen Film durchschauen
und dann ist man in der Jetztzeit.
"The true size of Africa" heißt natürlich auch das, was passiert heute immer noch mit
schwarzen Menschen.
Wie wenig selbstverständlich ist es, dass sie gleichberechtigt sind.
Das ist auch eine true SIze von Afrika, die wir hier darstellen wollen.
Verena Feldbausch: Das ist eigentlich ein schönes Schlusswort.
Ich wollte eigentlich noch mit Ihnen zur Erzhalle gehen.
Dr. Ralf Beil: Das ist schon ganz wichtig, dass Sie John Akomfrah noch erwähnen, weil die Leute müssen,
also alle Besucherinnen sollten wirklich dorthin gehen.
Warum?
John Akomfah in der Erzhalle ist eigentlich für mich wie die Summa oder die Coda musikalisch
ausgedrückt von der gesamten Ausstellung, weil sie das alles zusammenfasst, was Sie
sehen können.
Das, was wir zum Teil erzählen, eben wirklich im Museum of Memorability von den Getreidefeldern
Nordafrikas, vom Tourismus, von der Tierwelt, der Schönheit, aber auch dem Tod, den Klimafragen,
der Migrationsfrage.
Immer wieder wandern Menschen in Wüsten-ähnlichen Gegenden und auch das ist ja ein
großes Thema, weil wir haben eben in der Geschichte schlimmerweise das Massengrab Ozean
gehabt und wir haben das Massengrab Wüste heute, weil eben ganz viele Menschen von uns
unbemerkt eigentlich schon in der Wüste, in der Libyschen oder anderen, eigentlich
sterben, bevor sie überhaupt zu uns kommen, weil wir sehen immer dann nur diese Bootsunglücke
oder eben die untergegangenen Migrationsboote.
Aber das ist eben nur die Spitze des Eisberges, wobei das eben eigentlich ein schiefer Vergleich
ist in der afrikanischen Wüste.
Also von daher ein ganz wichtiger Film, der sozusagen wirklich in einer cinematografischen
Breite und einer Bildermacht ohnegleichen eigentlich all das zusammenführt, worum es
in dieser Ausstellung geht und sagt, Afrika, das ist eine globale Frage, das ist die Frage
für uns, das ist die planetarische Frage, wir können uns dem nicht entziehen.
Wenn Afrika scheitert, werden auch wir scheitern und ich glaube, das ist ganz wichtig.
Wir sind ein Weltkulturerbe, wir wollen uns nicht der Welt verschließen, ganz im Gegenteil,
wir wollen auch nicht sagen, wir sind jetzt hier ganz toll und wir haben jetzt das Eisenwerk
und so weiter, wir wollen Fragen stellen und dafür dient diese Ausstellung.
Aber das ist ganz wichtig, natürlich, es soll sinnlich geschehen, es soll sozusagen
mit Kunstwerken entstehen, wo sie eigentlich emotional, so wie wir es hatten am Anfang,
um den Bogen wieder zu schlagen, mit dem Steigerlied hatten, dass sie eingefangen werden, dass
die Kunst sie animiert, zu fühlen, zu denken und weiterzukommen im Leben.
Das wäre wunderbar, wenn das ein Stück weit gelingt mit dieser Ausstellung, die mehr will
als nur eine Kunstausstellung sein.
Sie will Augenöffner sein, nicht nur Augenweide.
Verena Feldbausch: Herr Dr. Beil, vielen Dank, das war wirklich sehr interessant und schön, dass Sie die
Zeit gefunden haben.
Dr. Ralf Beil: Sehr gerne.
Verena Feldbausch: Das war der erste Teil von art talk über die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte.
In der nächsten Folge spreche ich mit Prof. Dr.
Christiane Solte-Gresser, sie ist eine der Leiterinnen des Kälte-Hamburger-Kollegs und
sie und ihr Team haben wesentlich an der Ausstellung "The True Size of Africa" mitgearbeitet.
Wie ihre Unterstützung aussah und was das Kolleg so alles macht, das erfahrt ihr im
zweiten Teil des Podcasts zur Ausstellung "The True Size of Africa".
Unsere Podcasts in diesem Jahr wären so nicht möglich gewesen, wären wir nicht gefördert
worden vom Saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur und von Saartoto.
An dieser Stelle ganz herzlichen Dank für Ihre wertvolle Unterstützung.
Euch allen vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
Eure Verena Feldbausch.
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Mehr Infos zu dem Podcast findest du in den Show Notes und in unserem Blog.
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aus SaarLorLux.