BauertothePeople (B2P)

Wilhelm Geiger

B2P116 - Die Ökosoziale Marktwirtschaft - Josef Riegler

Eine realistische Utopie in unrealistischen Zeiten

23.03.2025 196 min

Video zur Episode

;

Zusammenfassung & Show Notes

Grias eich!

Er war unter anderem Landwirtschaftsminister und Vizekanzler Österreichs. Vor allem aber war und ist er auch Vor- und Zusammendenker der Ökosozialen Marktwirtschaft. In dieser Folge BauertothePeople Podcast war ich in Graz und habe dort mit Josef Riegler gesprochen. Und dieser Josef Riegler blickt heute im zarten Alter von 86 Jahren nicht nur auf eine Welt zurück, sondern auf Welten.

Man muss sich das mal vorstellen: Josef ist 1938 geboren, ein Jahr vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, in eine Welt voller Veränderung und Umbrüche. Er hat eine Zeit selbst miterlebt, welche die meisten von uns nur aus dem Geschichtsunterricht kennen. Bei ihnen in der Bauernstube standen noch Nazis (ja, DIE Nazis!) und forderten ihren Anteil ein. Er hat den Hunger der Nachkriegszeit selbst miterlebt und nicht nur in der Geschichts-Dokumentation gesehen. Er hat die Hoffnungslosigkeit dieser Jahre miterlebt und dann auch die Begeisterung, als man in Österreich 1955 wieder Eigenständigkeit und neue Hoffnung fasste. Josef Riegler hat all das nicht nur beobachtet, sondern viel Geschichte und somit auch viel Gegenwart maßgeblich mitgestaltet und mitgeprägt.

Als Vorreiter der Ökosozialen Marktwirtschaft erkannte er früh, dass Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft nicht alle drei Jahrzehnte zufällig mal bei Kaffee zusammensitzen und dann auch nur am Streiten sind, sondern untrennbar voneinander zusammengehören und zusammengedacht werden müssen.

Ja, 86 Jahre in denen sich die Welt gleich mehrfach neu erfunden hat. 86 Jahre in denen man zwischendurch schon meinte, dass Ende der Geschichte sei erreicht. Und 86 Jahre innerhalb derer man nun doch wieder erkennt, dass es sich wohl eher um eine Geschichte ohne Ende handelt. Saß man in der Jugend noch gespannt um den Röhrenempfänger, versammelte sich für die Wochenschau im Kino, bevor überhaupt noch überall die Haushalte mit Strom versorgt waren. Für viele von uns sind das aber nur noch abstrakte Beschreibungen einer Vergangenheit, deren Bedeutungen für die Errungenschaften der Gegenwart zunehmend verstummt. Ja, und mit diesem Bezug verstummt auch der Zauber, der das vermeintlich Selbstverständliche unserer Gegenwart doch eigentlich so besonders macht.

Umso wichtiger ist es, genau hinzuhören und hinter der konstruktiven Fassade des Gesagten auch jene Weltzusammenhänge zu erahnen und zu erfühlen, aus denen heraus so vieles möglich war. Wozu? Ich würde sagen, um selbst an unserer Geschichte weiterzuschreiben und nicht an ihrer Wiederholung.

Vermutlich habe ich viele Fragen nicht gestellt, die auch noch gestellt hätten werden müssen. Ich kann nur sagen, ich hab mich redlich bemüht und sehr über das Gespräch gefreut. Lieber Josef Riegler, vielen Dank für deine Zeit und euch viel Freude beim Reinhören und Reinschauen.

Und wer es noch nicht gemacht hat: Abonniert den BauertothePeople Podcast und lasst uns gerne ein paar Sterne und eine konstruktive Bewertung da. Kostet nix, bringt aber viel. Danke.

INFOS ZUR FOLGE
Josef Riegler - Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Riegler_(Politiker,_1938)
Ökosoziale Marktwirtschaft - Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Ökosoziale_Marktwirtschaft
Ökosoziales Forum Österreich & Europa
https://oekosozial.at/
Podcast mit Josef Riegler der HBLFA Raumberg
https://raumberg-gumpenstein.at/forschung/infothek/agrar-science-wissen-kompakt/podcast-videos-aktuelles/50-dr-josef-riegler-oekosoziale-marktwirtschaft-podcast.html

📣 Bleib verbunden mit BauertothePeople! 

Newsletter:
Jetzt abonnieren – Erhalte regelmäßig exklusive Insights und Hintergrundinfos direkt in dein Postfach. 

YouTube:
Unser Kanal – Das Bild zum Podcast-Ton und viele zusätzliche Videos

B2P Shop:
Merchandise entdecken – Produkte mit Persönlichkeit, die deinen Style unterstreichen. 

Social Media: 

Podcast Plattformen:

Musik:

„Leit hoits zamm“ – Haindling
*thx an Jürgen Buchner

„Power to the People“ – Junior Kelly
*thx and Michael Lechleitner @ Irievibrations Records

 … und ein bisserl selbst gesungen 😊
*thx to me, my voice und eure Schmerzschwelle 

Und Jetzt?
Abonniere, folge und teile – so bringst du frischen Wind in den Dialog! 
Viel Spaß beim Reinhören und Entdecken!

Transkript

Josef
00:00:00
Und als ich dann Parteiobmann geworden bin, habe ich gesagt, das ist eigentlich, das muss unser Erkennungsmerkmal werden, dass wir eben Wirtschaft, Soziales und Ökologie in einem gesellschaftspolitischen Modell zusammenführen. Und das war in dem Sinn, war das wirklich eine Weltneuheit. Weil ich bin ja als BOKU-Student noch voll in der technologie-euphorischen Phase zivilisiert worden. Da ist mir erstmals bewusst geworden, ja, wir leben auf einem begrenzten Planeten. Und das kann nicht immer alles nur nach oben gehen. Wie können wir der Klimakatastrophe noch ausweichen? Und da ist eben der völlig neue Ansatz im Modell der ökosozialen Marktwirtschaft, dass man Umwelt- und Klimaschutz kann man nicht verordnen. Das war meine Erfahrung als Umweltlandesrat, Sondern ich muss die wirtschaftlichen Signale so setzen, dass sich Umwelt- und Klimaschutz auch wirtschaftlich lohnt. Und zwar für den Einzelnen genauso wie für das Industrieunternehmen. Es ist immer der Geist aus der Flasche und das Wiedereinfangen wird mühsam. Aber es muss gelingen, Sonst geht unser demokratisches System den Bach runter. Es zieht sich eigentlich momentan global durch, Dass ein Hang Hin zu neuen autoritären faschistoiden Systemen im Gang ist.
Willy
00:01:34
Das ist eine Pendelbewegung der Geschichte.
Josef
00:01:36
Ja, das ist hochgefährlich. Ich glaube, was wir als Zukunftsbild für unsere österreichischen Realität der Landwirtschaft brauchen, ist nicht der klassische landwirtschaftliche Familienbetrieb, sondern das Zukunftsbild für mich ist das bäuerliche landwirtschaftliche Unternehmen.
Willy
00:01:59
Leute, holt's zusammen, sonst dauert's nicht mehr recht lang.
Music
00:02:00
Music
Willy
00:02:03
Auf einmal tut's einen gescheiten Schreiber und dann kraucht alles zusammen. Bauer to the People, der Podcast für Perspektiven rund um Essen, Menschen und Landwirtschaft. Weil nur durchs Reden kommen die Leute.
Music
00:02:16
Music
Willy
00:02:23
Grüß euch. Ja, er war unter anderem Landwirtschaftsminister und Vizekanzler Österreichs. Vor allem aber war und ist er auch Vor- und Zusammendenker der ökosozialen Marktwirtschaft. In dieser Folge des BauertothePeople-Podcast, da war ich in Graz und habe dort mit dem Josef Riegler gesprochen. Ja, und dieser Josef Riegler, der blickt heute im zarten Alter von 86 Jahren nicht nur auf eine Welt zurück, sondern sicherlich auf Welten. Man muss sich das einfach einmal vorstellen. Der Josef, der ist 1938 geboren, ein Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in eine Welt voller Veränderungen und Umbrüche. Er hat eine Zeit selbst miterlebt, welche die meisten von uns eigentlich nur aus dem Geschichtsunterricht kennen. Bei ihnen in der Tiroler Bauernstube, da standen noch Nazis. Ja, die Nazis. Und die haben dort ihren Anteil eingefordert. Er hat den Hunger der Nachkriegszeit selbst miterlebt. Und nicht nur in der Geschichtsdokumentation im Fernsehen gesehen, so wie die meisten von uns. Er hat die Hoffnungslosigkeit und die Zerstörung dieser Jahre miterlebt und selbst gesehen und dann aber auch wieder die Begeisterung erlebt, als man in Österreich 1955 wieder zu einer Eigenständigkeit gekommen ist und das ganze Volk neu Hoffnung fasste. Der Josef Riegler hat alles nicht nur beobachtet, sondern viel Geschichte und somit auch viel Gegenwart maßgeblich mitgestaltet und mitgeprägt. Als Vorreiter der ökosozialen Marktwirtschaft erkannte er früh, dass Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft nicht alle drei Jahrzehnte zufällig einmal bei einem Café zusammensitzen und dann eigentlich enorm streiten sind, sondern untrennbar voneinander zusammengehören und zusammengedacht werden müssen. 86 Jahre, in denen sich die Welt gleich mehrfach neu erfunden hat. 86 Jahre, in denen man zwischendurch schon meinte, das Ende der Geschichte sei erreicht. Und 86 Jahre, innerhalb derer man dann doch wieder erkennt, dass sich das Ganze wohl eher um eine Geschichte ohne Ende handelt. Saß man in seiner Jugend noch gespannt zu Hause vor dem Röhrenempfänger. Versammelte sich für die Wochenschau noch im Kino, bevor überhaupt noch alle Haushalte einen eigenen Stromanschluss hatten. Für viele von uns sind es nur noch abstrakte Beschreibungen einer Vergangenheit, deren Bedeutung für die Errungenschaften der Gegenwart zunehmend verstummt. Und mit diesem Bezug verstummt auch der Zauber, der das vermeintlich Selbstverständliche unserer Gegenwart doch eigentlich so besonders macht. Umso wichtiger ist es, genau hinzuhören und hinter der konstruktiven Fassade des Gesagten auch jene Weltzusammenhänge zu erahnen und vor allem auch zu erfüllen, aus denen heraus damals so vieles möglich war. Und wozu? Ich würde einmal sagen, um selbst an unserer Geschichte weiterzuschreiben und eben nicht an ihrer Wiederholung. Vermutlich habe ich viele Fragen nicht gestellt, die auch noch bestellt hätten werden müssen. Ich kann nur sagen, ich habe mich redlich bemüht und vor allem sehr über das Gespräch gefreut. Lieber Josef Riegler, vielen Dank für deine Zeit und euch viel Freude beim Reinhören und beim Reinschauen. Und wer es noch nicht gemacht hat, abonniert doch den Bauer zu der People Podcast und lasst uns gerne ein paar Sterne und eine konstruktive Bewertung da. Das kostet nichts, bringt aber viel. Danke. Dann würde ich sagen, jetzt wo wir beide am Tisch sitzen, wir starten in die neue Folge des Bauer to the People Podcast. Ja, wie soll ich sagen, ich komme jetzt gerade noch von einem Berg, ich war jetzt wirklich in der Früh noch auf einem Bergbauernhof in der Steiermark, also bin jetzt in der steirischen Hauptstadt und hucke jetzt mit einem, wie ich gelesen habe, mit einem gebürtigen Bergbauern da am Tisch. Ist das richtig? Genau, richtig. Josef Riegler, grüß dich, schön, dass du dir Zeit genommen hast.
Josef
00:06:36
Gerne.
Willy
00:06:37
Ja, wenn man die jetzt ankündigen würde, da kommt man dann einen halben Tag einmal nur mit dem Lebenslauf, glaube ich, verbringen.
Josef
00:06:43
Es sammelt sich quasi innerhalb von 80 Jahren, ja.
Willy
00:06:46
Es geht sowas aus. Und du hast, glaube ich, du hast ein sehr, sehr aktives Leben hinter dir, ein sehr, sehr bewegendes Leben, hast sehr, sehr viel erreicht und bist für den Bauer zu den People Podcast ja quasi fast ein bisschen der prototypische Gast mit allem, was du gemacht hast. Auch mit der, sage ich mal, mit der Lebensspanne, die du überblicken kannst und überblicken kannst, kannst du uns vielleicht heute einiges an Fragen beantworten und Perspektiven geben, damit wir die Landwirtschaft ein bisschen besser verstehen. Vor allem die Entwicklung der Landwirtschaft von, sagen wir jetzt mal, damals bis heute, was da die Gründe waren. Und vor allem dein großes Werk, mit dem du immer wieder in Verbindung gebracht wirst, die ökosoziale Marktwirtschaft, wo du ja quasi als Begründer giltst, die sehr integrativ wirkt. Was das genau ist, auf das kommen wir dann im Laufe des Gesprächs auch noch drauf. Ich würde sagen, wir fangen einfach so an wie bei allen Podcast-Gästen von BauertothePeople, nämlich ganz, ganz vorn. Das ist jetzt bei dir so mittellang her, würde ich sagen. Das geht dann zurück auf das Jahr 1938, was ist da passiert? Also wir wissen, was da passiert ist, aber eine gute Sache ist zumindest da auch passiert. Eine gute Sache ist ja da auch basiert. Du kamst zur Welt.
Josef
00:08:03
Am 1. November noch dazu.
Willy
00:08:04
Am 1. November noch dazu. In welcher Welt bist du damals hineingeboren worden?
Josef
00:08:10
Na gut, es war so. Ich komme an sich vom kleinsten und steilsten Bergbahnhof im Möschitzgraben. Das ist in St. Peter-up-Junburg. Meine Großeltern haben im Jahr 1902 unter viel Mühe diesen Hof angekauft und bezeichnend war, Er ist, glaube ich, Innerhalb von zehn Jahren siebenmal verkauft und wieder von jemand angekauft worden. Und die Großmutter habe ich noch gute zehn Jahre erleben dürfen. Der Großvater ist im Jahr 1939 verstorben. Sie haben erzählt, wie sie hingekommen sind, war praktisch alles ausgeräumt und die haben dann mit viel Mühe diesen Bergbahnhof wieder zum Leben gebracht. Mein Großvater war gelernter Zimmermann, hat also nebenbei als Zimmermann gearbeitet und vor allem auch den Hof dadurch gut herrichten können.
Willy
00:09:07
Wann war das? Wann haben Sie den Hof gekauft?
Josef
00:09:10
1902.
Willy
00:09:11
1902?
Josef
00:09:12
Ja, 1906 ist mein Vater auf die Welt gekommen und was sich bei mir als erstes, als kleines Kind sozusagen eingebrannt hat, war das Wort Krieg. Das war, wie wir historisch wissen, 1. September 1939. Ich war also noch ein kleines Kind, Aber irgendwie der Schrei der Großmutter, Krieg, Krieg, Krieg, also wieder Krieg, Das hat sich bei mir im Unterbewusstsein tief eingegraben. Und das war dann auch das erste prägende Schicksal. Mein Vater, obwohl aktiver Bauer, musste 1941 einrücken. Ich habe ihn dann nur zweimal ganz kurz auf Heimaturlaub erlebt, im Jahr 1943. Und im November 1944 kam die Nachricht, dass er in der sogenannten Abwehrschlacht in Italien sein Leben lassen musste. Das war so ein riesiger Einschnitt in unserer Familie. Und man muss sich ja vorstellen, meine Großmutter war schon in Richtung 80. Meine Mutter, eine ältere Schwester, Eine jüngere und zwei entfernt Verwandte, wobei die eine Frau war erblindet und der Mann war auch körperlich behindert. Also es war ja fast unmöglich, diesen Betrieb arbeitsmäßig überhaupt am Leben zu halten, abgesehen von der wirtschaftlichen Not, die bestanden hat. Also meine Kindheit war wirklich geprägt von diesem Kriegstrauma, von der existenziellen Not und halt, dass die Familie versucht hat, irgendwie das Ganze am Leben zu erhalten.
Willy
00:10:59
Wie kannst du damals, du hast gesagt Krieg, du hast dieses Wort Krieg, ab wann, wie kann ich mir das denn damals vorstellen? Es ist schön, dass man jetzt ein bisschen darüber reden kann, weil es gibt wenig Leute, die einfach nur Erinnerungen an Krieg haben. Was hat das geheißen? Wann kannst du daran erinnern, was hat das für dich bedeutet? Was war das für ein Gefühl vielleicht auch in der Zeit? Hast du das fassen können?
Josef
00:11:20
Das Erste eigentlich war... Im Mai 1943, also im 4,5 Jahrhalt, ist auf einmal ein mir fremder Mann in Uniform dahergekommen. Ich habe ihn für einen schönen Abend gehalten.
Willy
00:11:39
Für den Papa oder was?
Josef
00:11:40
Und der hat eben dann gesagt, ja, wo ist der Papa und so, der ist in Russland. Und irgendwie ist mir das dann aber komisch vorgekommen. und dann bin ich eben davon gerennt, aufs Feld hinaus, wo meine Leute waren und der ist eben dann nachgekommen und dann große Umarmung und so. Es war also wirklich so, dass ich den Vater eigentlich eher nur als fremden Mann in Uniform wahrgenommen habe.
Willy
00:12:09
Er hat sich gefreut, dass er dich gesehen hat.
Josef
00:12:11
Ja, natürlich. Und wirklich, das ganze Drama ist mir bewusst geworden dann mit der Nachricht, dass der Vater nicht mehr lebt. Das war dann, bin ich in die erste Klasse Volksschule gegangen und vom Berg bin ich da den steilen Weg runter marschiert. Dann ist mir der Bürgermeister entgegengekommen. Der Bürgermeister war ein Nachbar von uns und ich habe mich freundlich gegrüßt, guten Morgen. Und er hat mich dann eigenartig angeschaut und hat dann gesagt, bist du auch ein Ormsbibel? Und mir war das im Moment gar nicht so bewusst, was er damit meint. Aber dann ist meine Mutter schreiend und weinend dahergelaufen gekommen und dann ist erst bewusst geworden, was sich ereignet hat. Und dann eben die sogenannte Helden-Ehrung. Das hat mir schon bewusst gemacht, hier ist etwas Einschneidendes passiert. Und sonst war eigentlich nur das Gefühl da oder die Sehnsucht, das hat sich jahrelang dahin gezogen, vielleicht taucht er doch irgendwann wieder mal auf. Und erst 1947 habe ich eigentlich dann innerlich mit dieser Frage abgeschlossen. Und dann war noch Folgendes. Ich bin ja an sich als Hofübernehmer programmiert gewesen, als Kind. Und meine Großmutter hat dann die Idee entwickelt, um die Zeitspanne zu überbrücken, bis ich in der Lage bin, das anzutreten, einen sogenannten Vorhauser zu nehmen.
Willy
00:13:53
Ein Vorhauser?
Josef
00:13:54
Vorhauser hat sie gesagt, ja. Also einen Wirtschafter. Und da sind dann...
Willy
00:14:00
Der den Papa quasi ersetzt hat, oder?
Josef
00:14:02
Ja, der hat den Hof bewirtschaftet, genau, den Hof führt. Und das ist dann tatsächlich im Jahr 1947 ein Mann zu uns gekommen, der eben, Gott sei Und das war natürlich jetzt von der Bewirtschaftung her ein großer Sprung nach vorne. Aber menschlich war es eine Katastrophe. Der Mann hat sich innerhalb kurzer Zeit als streitbar und streitsüchtig und einfach äußerst menschlich unangenehm herausgestellt. Und das ist dann zwei Jahre so dahingegangen, bis dann Ende 1949 meine Großmutter und Mutter gesagt haben, es geht nicht mehr weiter und das musste dann eben das Ganze wieder abgelöst werden. Im Jahr 1951 hat dann meine ältere Schwester ihren Mann kennengelernt und dann mit meiner Mutter entschieden, dass sie den Hof übernimmt. Und damit war dann eben die Schwester mit dem Mann, war die Betriebsführung in die andere Richtung geregelt.
Willy
00:15:10
Da bist du sozusagen zum weichenden Erben geworden.
Josef
00:15:12
Oder? Damit genau, von einem Tag auf den anderen zum weichenden Erben geworden. Ich habe damals noch die letzte Klasse Volksschule besucht und habe dann bis zum Jahr 1955 daheim mitgearbeitet. Wir haben damals schon begonnen, eine Art Zuerwerb zu entwickeln. Das heißt, mein Schwager war ja vorher in der Forstwirtschaft tätig. Das heißt, wir haben dann Holzschlägerarbeiten übernommen. Zusätzlich eben zur Bewirtschaftung des Betriebes. Der Betrieb war damals noch eigentlich als Selbstversorgerwirtschaft geführt. Und das ist übrigens für meine Lebensspanne, glaube ich, schon interessant. Bis zum Jahr 1950 haben wir unseren Hof in der reinen Gespann- und Handarbeit bewirtschaftet.
Willy
00:16:08
Gespann- und Handarbeit?
Josef
00:16:08
Ja, wir haben keine Pferde und Ochsen gehabt, da war der Betrieb zu klein, sondern die Kühe waren sozusagen das Allzweckvieh. Z.B. mit den Kühen ist die ganze Zugarbeit bewältigt worden. Und auf der anderen Seite haben sie auch ein bisschen Milch gegeben, und das war für die Versorgung der Familie.
Willy
00:16:27
Das war nur eine Dreinutzungsrasse quasi, oder? Genau. Milch, Arbeit und Fleisch.
Josef
00:16:31
Oder? Ja, und wir haben ja damals noch mit dem Kuhgespann, muss man sich vorstellen. Sämtliche Äcker bestellt, also mit dem Gespannpflug, haben alle Getreidesorten angebaut, Erdäpfeln, Rüben, Gemüse.
Willy
00:16:48
Und das war steil.
Josef
00:16:50
Und das war aber extrem steil, genau. Manchmal war es so steil, dass das Ochsenjoch weiter sein musste, damit die Kühe überhaupt nebeneinander gehen konnten. 1951 war dann der erste technologische Sprung. Das heißt, da haben wir uns dann einen Dieselmotor erworben und das war damals die große Errungenschaft der Seilzug. Das heißt, man hat dann mit der Seilwinde den Flug von unten nach oben gezogen, musste dann wieder runterlaufen und dann ist wieder nach oben gezogen worden.
Willy
00:17:26
Nein, ernsthaft, da oben und im Motor immer weiterkommen und dann immer noch? Ja, genau.
Josef
00:17:30
Diese Umlaufrolle hat man dann immer nachgespannt und so ist das. Aber es war eine extrem körperlich anstrengende Geschichte, weil man ja mit dem Flug dann ständig wieder hinuntergerannt ist und dann wieder hinauf.
Willy
00:17:44
Aber besser als vorher, weil sonst hätten man es nicht gemacht?
Josef
00:17:47
Ja, es war jedenfalls ein technologischer Sprung. Ja. Und, na gut, 1955 bin ich dann durch einen Cousin motiviert worden, in die Landwirtschaftsschule Grottenhof zu gehen. Und damit hat dann eigentlich mein anderer Weg begonnen.
Willy
00:18:11
Aber schauen wir noch ein bisschen, also da geht dann quasi der neue Weg dann los, aber die Zeit davor, wie muss ich mir das Leben damals bei euch am Hof vorstellen oder generell in deiner Region, wo du groß waren bist, das wird ja nicht nur ihr gewesen sein. Wie war das Leben? Was war Landwirtschaft, was hat die Landwirtschaft für Funktionen gehabt damals? Ein paar Mal gehört zur Subsistenz?
Josef
00:18:32
In erster Linie war die Landwirtschaft eigentlich, dass sich eine Familie ernähren konnte und einfach ihren Lebensunterhalt durchgefunden hat. Wobei ja versucht worden ist, also wie gesagt, so viel als möglich auf dem eigenen Hof zu erzeugen. Denn Geld gab es ja fast keines. Die einzigen Geldeinnahmen waren, dass wir eben die Jungrinder, die nicht gebraucht worden sind, also vor allem die männlichen Jungrinder, die sind dann eben als sogenannte Junnochsen oder Terzen verkauft worden im Herbst am Viehmarkt. Und auch bei den weiblichen Nachkommunen, wo man nicht für die eigenen Kühe das Stück gebraucht hat, ist dann als Jungrind verkauft worden. Das war eigentlich die wichtigste Geldeinnahme. Beziehungsweise hin und wieder, wenn etwas Besonderes anzuschaffen war, hat man halt ein bisschen Holz heruntergeschlagen.
Willy
00:19:35
Für was, die Frage klingt heutzutage, also ich habe einen Selbstversorgungsgrad von null. Für was hat man damals bei so einem hohen Selbstversorgung, für was hat man das Geld gebraucht? Ich meine, die Frage klingt blöd, aber ist wahrscheinlich gar nicht so.
Josef
00:19:50
Ja, Geld hat man gebraucht für das, was man eben nicht selbst erzeugen konnte, das war Salz und Zucker im Wesentlichen und dann halt hin und wieder etwas, was an Schulden oder Begleitung gebraucht wurde oder hin und wieder, wenn irgendwas an Geräten nachzuschaffen war. Die Geldaufwendungen waren wirklich minimal. Das hat dann erst ab dem Jahr 1950, 1951 hat sich das dann sehr rasch radikal geändert. Um die Mitte der 50er-Jahre war es dann nicht mehr notwendig, selbst Getreide anzubauen. Zumindest war kein Brotgetreide, denn dann war da der freie Markt und man konnte sich Mehl kaufen. Und dann ist ja sehr rasch die totale Veränderung gekommen. Von der Selbstversorgerwirtschaft in die Landwirtschaft in Form der marktwirtschaftlichen Einbindung.
Willy
00:20:52
Also das kann man sich wirklich so vorstellen für Menschen, Weil Menschen, die uns hören, sind natürlich auch Bäuerinnen und Bauern, aber viele Menschen, die keine Ahnung haben, aber Interesse in der Landwirtschaft. Das heißt, wir haben bis in die, also nach dem Krieg, Nachkriegsjahre, bis 50 sagst du jetzt. Im Prinzip war Landwirtschaft zum großen Teil, zum Hauptteil Selbstversorgungswirtschaft. Das heißt, jeder Hof hat für sich selbst. Das war nicht so wie heute, dass man die Milch quasi abholt etc.?
Josef
00:21:18
Nein, das hat in den 1950er Jahren erst begonnen. Was ist das passiert? Milchverkaufen war eigentlich, weil es hat dann natürlich am Land schon die größeren Betriebe gegeben, die damals schon Milchwirtschaft betrieben haben und dann die Molkerei geliefert haben. Aber in den Berggebieten war das eben bis ungefähr zwischen 1950 und 1955, wie Jahrhunderte vorher in der Art, wie man gearbeitet hat und wie man gelebt hat, in Richtung Handgespannarbeit, Selbstversorgung.
Willy
00:21:50
Also da waren wir für sich aber auch dann, oder? Bitte? Da waren wir dann auch mehr für sich, oder? Ja, richtig. So in der Familie? Ja, genau. Hat die Familie da auch so, die Bedeutung von der Familie, könnte ich mir vorstellen, hat sich auch verändert?
Josef
00:22:00
Das war ja, ich meine, bis ... Ich sage nur, aber 1950, 1955 war der große Schnitt. Und da war ja in den Bauernhöfen einmal eine große Familie, weil meistens auch einige der Kinder oder entfernten Verwandten im Familienverband mitgelebt und mitgearbeitet haben. Und dann gab es ja fast überall Knechte und Mägde. Und die haben Ja mehr oder weniger dann auch zur Großfamilie gehört. Weil das ist praktisch, Das Leben ist ineinander gegangen. Ja, und man muss sich das heute wirklich, man kann es sich kaum vorstellen. Dann hat sich innerhalb weniger Jahre, also zwischen 1950, 1955, ist auf einmal die Industrialisierung aufgebrochen, war ein riesiger Bauboom. Da hat dann der Marshallplan der Amerikaner mit hineingespielt, dass sich das plötzlich so entwickelt hat. Und innerhalb weniger Jahre, da hat man selber das mit zuschauen können, sind als erstes die Knechte und Mägde von den Bauernhöfen weg, weil die haben attraktive Arbeitsmöglichkeiten. Bei uns war das in Judenburg das Gutstahlwerk und verschiedene Industriebetriebe oder eben innerhalb der Bauwirtschaft attraktive, gut bezahlte Arbeitsmöglichkeiten gefunden. Und relativ bald sind dann auch die sogenannten weichenden Kinder von den Bauernhöfen weggezogen. Erstens, weil auf einmal Bildungsmöglichkeiten entstanden sind und einfach viele attraktive Berufsmöglichkeiten. Es war auch bei mir so, ich habe das schon angedeutet, ich bin 1955 in die Landwirtschaftsschule, 1956 dann in die neu gebaute höhere Bundeslehranstalt in Raumberg bei Irtning. Ich habe dann Dort Matura machen können etc. Also das war eine Umbruchssituation unvorstellbaren Ausmaßes, wobei ja dann auch die Gefahr einer riesigen Landflucht entstanden ist oder eigentlich da war. Denn viele der Menschen sind ja dann aus den Dörfern weggegangen. Sind in die Städte gezogen. Und das war eigentlich die erste große Herausforderung für die politische Gestaltung, dass man diese Landflucht in etwas Positives wieder verändert. Und es ist... Mit großem Erfolg sehr viel unternommen worden, dass eben das Weggehen von den Bauernhöfen nicht bedeutet hat, das Weggehen vom Land. Sondern, dass man versucht hat, die Menschen am Land Sees aufzuhalten, indem man es erleichtert hat, Wohnungen zu schaffen, Häuser zu bauen, Wege zu bauen, Straßen zu bauen, Stromerschließung. Also, dass die Lebensbedingungen in den ländlichen Gebieten so gestaltet wurden, dass man dort bleiben konnte.
Willy
00:25:11
Wovor hat man sich da gefürchtet, wenn die Menschen in die Städte quasi jetzt flüchten, was ja negativ dargestellt quasi jetzt nicht? Also was hat man befürchtet? Was war die große Befürchtung?
Josef
00:25:21
Das ist das Land verödet. Und wir haben in Europa Regionen, wo das ja auch passiert ist. Also ich finde schon, Dass damals eine sehr kluge und vorausschauende politische Gestaltung gemacht wurde. In der Steiermark gab es ja den legendären Landeshauptmann Josef Greiner, den älteren, der ihm damals schon gesagt hat, wir müssen Wege bauen, wir müssen Einrichtungen des Landes, zum Beispiel Berufsschulen, nicht in Graz bauen, sondern draußen in den Bezirken, damit Kristallisationspunkte entstehen. Man hat versucht, einfach auch die wirtschaftliche Entwicklung so zu unterstützen, dass es sich auf das Land verteilt hat. Also es war schon eine bewusste Gestaltung, dass das Land nicht verödert, sondern dass die wirtschaftliche Entwicklung dazu führt, das Land lebensfähig zu halten.
Willy
00:26:20
Du hast ja vorher gesagt, es ist so schnell passiert, dass einfach Bildungschancen entstanden sind, neue Arbeiter entstanden sind. Was war das für eine Bildung, die da entstanden ist? Was hat da so gezogen? Warum ist es so schnell gegangen in dieser Zeit? Was ist da passiert?
Josef
00:26:33
Erstens war eine riesige Aufbruchstimmung.
Willy
00:26:36
Aufbruch wohin?
Josef
00:26:38
Aufbruch in eine bessere Zukunft.
Willy
00:26:41
Da musst du die Zeit vorher verstehen. Die Nachkriegszeit war ja Mangelzeit.
Josef
00:26:45
Es waren Jahrzehnte der Not. Man muss sich vorstellen, es war der Erste Weltkrieg. Es war eine riesige Notzeit, So wie das die Großmutter immer erzählt hat. Dann war die sogenannte Zwischenkriegszeit, also die Zeit der Ersten Republik. Mit all den Schwierigkeiten, mit der Massenarbeitslosigkeit, mit der Wirtschaftskrise, mit den Bürgerkriegszuständen etc. Und dann kam nahtlos der Zweite Weltkrieg.
Willy
00:27:11
Also in einer Zeit, die sich noch nicht erholt hat, ist quasi dann eine Zeit.
Josef
00:27:14
Wo ich dieses Ganze noch einmal... Das Nächste kommt und das Nächste. Also zwischen 1914 und 1945 war durchgehend Notzeit. Zeit der Hoffnungslosigkeit, dann der Zweite Weltkrieg in der ganzen Brutalität, weil es war dann so, Weil die Frage vorher war, wie ich den Krieg wahrgenommen habe.
Willy
00:27:36
Ja, ich bin jetzt wieder dahinter.
Josef
00:27:37
Ich habe schon erzählt, 1944 durch den Tod des Vaters. Aber dann, ich kann mich gut erinnern, im Jänner 1945 ist der Knittelfeld von den amerikanisch-britischen Bombern total zerstört worden. Und wir waren, also ich war offensichtlich nicht in der Schule. Ich kann mich erinnern, dass am Vormittag begonnen hat, und das war immerhin fast 20 Kilometer Luftlinie entfernt, Dass bei uns am Hof die Fenster geklirrt haben und dass man ständig die Detonationen gehört hat.
Willy
00:28:13
Ich bin vorher gerade noch durchgefahren nach Knittelfeld.
Josef
00:28:15
Ja, und ich kann mich erinnern, dass meine Mutter dann gesagt hat, ja wann hören die endlich einmal auf? Und dann kam im Mai 1945 die Schreckensnachricht, die Russen kommen. Die sowjetische Armee ist im Mai 1945 bis nach Unsmarkt in der Steiermark vorgestoßen. Das heißt, wir waren in den ersten Monaten sowjetisches Besatzungsgebiet. Und es haben sich dann schon wilde Dinge abgespielt. Da sind Menschen verschwunden. Es ist gestohlen worden. Es gab Übergriffe. Hast du dich bewusst aktiv mitbekommen? Die Angst habe ich total erlebt. Zu uns sind es Gott sei Dank nicht heraufgekommen, weil der Weg war zu schlecht. Aber direkt in St. Peter sind Leute ausgeraubt worden. Und es ist sogar bei uns in Möschlitzgaben eine junge Frau, irgendwo erschossen, aufgefunden worden. Also es waren wirklich dramatische Situationen.
Willy
00:29:32
Ob man in dem Moment glaubt, dass das irgendwann mal aufhört? Oder war die Zeit dann quasi ewig endlos?
Josef
00:29:39
Es war zuerst schon eine Zeit der Verzagtheit. Und ich kann mich erinnern, dann sind ja im Juli, August 1945 sind dann die Besatzungszonen neu geordnet worden. Das heißt, die Steiermark wurde dann britische Besatzungszone und damit ist das Ganze in eine zivilisiertere Situation übergegangen. Wir waren trotzdem besetzt, das Gebiet. Und ich kann mich erinnern, bis eigentlich zum Jahr 1950 war insgesamt eine Stimmung der Trostlosigkeit vorhanden.
Willy
00:30:25
Hoffnungslosigkeit.
Josef
00:30:26
Hoffnungslosigkeit, Unzufriedenheit. Man hat das Gefühl gehabt, es geht nichts weiter eigentlich.
Willy
00:30:31
Also es war keine Perspektive für eine bessere Zeit.
Josef
00:30:34
Sondern... Und dann, als es begonnen hat, aufwärts zu gehen, war, glaube ich, wirklich der sogenannte Marshall-Plan eine ganz wichtige Initialzündung. Ich glaube, in den USA damals, 1945, eigentlich einen Richtungsstreit.
Willy
00:30:59
Kennen wir jetzt, ist aktuell.
Josef
00:31:01
Und zwar war die eine Richtung praktisch, Deutschland zu einem Agrarstaat zurückzustufen. Und die andere war die Linie des Außenministers George Marshall. Der hat gesagt, nein, Im Gegenteil, wir müssen Europa wieder auf die Beine bringen. Natürlich auch im Hintergedanken, damals gab es ja schon das Ringen zwischen der Sowjetunion und den sogenannten Westmächten, wer die Vorherrschaft in Europa bekommen wird.
Willy
00:31:31
Das ist schon kalt worden.
Josef
00:31:32
Und der Marshallplan war eigentlich in einem hohen Maß strategisch gedacht, dass ein wirtschaftlich wiedererstarktes Europa die beste Gegenpassion ist, um dem sowjetischen Expansionstrang Grenzen zu setzen. Aber für Österreich jedenfalls hat das auch bedeutet, es konnte investiert werden in Industriebetriebe. Kaprun zum Beispiel konnte gebaut werden mit Hilfe des Marshall Plans.
Willy
00:32:03
Was ist Kaprun?
Josef
00:32:04
Kaprun war das riesige Speicherkraftwerk, um einfach die Industrie mit Strom versorgen zu können. Oder eben Schulen wurden gebaut, Wege gebaut, Straßen gebaut. Das war auf einmal eine Aufbruchstimmung entstanden.
Willy
00:32:21
War das die Hoffnung, die dann kommt? Wie habt ihr das mitgekriegt? Du erzählst das jetzt gerade so aus der Distanz, aber wie habt ihr das damals mitgekriegt?
Josef
00:32:31
Ja, man hat das einfach gespürt, jetzt tut sich was. Und zwar auf vielen Ebenen. Und man hat auch gemerkt, dass bei den Leuten Optimismus eingekehrt ist. Ich habe ja gesagt, Es gab auf einmal viele Arbeitsmöglichkeiten. Es sind Häuser gebaut worden. Es hat sich einfach weiterentwickelt. Und dann kam ja das Ringen um den Staatsvertrag. Das habe ich dann auch schon als Jugendlicher mitbekommen. Immer wieder die Anläufe. Gab es einmal eine Konferenz in London, 1954 eine Konferenz in Berlin. Da hat man immer gehofft, Jetzt wird es werden mit der Freiheit. Dann hat es wieder geheißen, leider Verhandlungen sind im... In die Sackgasse gelandet. Und dann kann man gut erinnern, zu Oster 1955 ist eine Delegation nach Moskau gereist und auf einmal kam im Radio die Meldung, es besteht eine Aussicht, den Staatsvertrag zu bekommen. Und das war zunächst eine Botschaft, an die man gar nicht zu glauben gewagt hat. Und erst als dann Raab und Fiegel und Schärf und Kreiske zurückgekommen sind und gesagt haben, wir haben jetzt die Möglichkeit bekommen und dann war das natürlich ein riesiges Aufatmen.
Willy
00:34:08
Inwiefern, aber Entschuldigung, dass ich das frage, ich möchte noch ein bisschen in der Zeit bleiben, wie hat sich das, was war das, was man da errungen hat? Weil ich glaube, ein großer Teil, das darf ich mir auch positionieren, ist so ein bisschen, nicht eine Geschichtsvergessene, aber wir spieren die Geschichte nicht mehr. Und du hast sie gespürt damals, die Geschichte. Bitte, sagen wir, aus diesem Zustand der Besatzung, wie hat sich das angespürt und was war das für ein Gefühl von dir, von der Familie oder auch von den Leuten, die du kennst, wie dann diese Möglichkeit gekommen ist mit dem Staatsvertrag, wieder in diese Eigenständigkeit hinein? Was war das?
Josef
00:34:42
Ja, es war einfach das Gefühl zuerst der Unfreiheit. Wir waren zwar ein Land mit Regierung und Parlament etc., Aber die letzte Entscheidung war bei den Besatzungsmächten.
Willy
00:34:54
Also nicht deine, also nicht unsere quasi. Genau.
Josef
00:34:57
Und man hat auch immer wieder die fremden Soldaten erlebt. Die waren ja auch in der Obersteiermark präsent. Also es war schon das Gefühl da, Wir sind besetzt. Wir sind ein unfreies Land. Und ich war dann in der Zeit, als der Staatsvertrag abgeschlossen wurde, im Mai 1955, war ich schon in der Landwirtschaftsschule. Und wir haben dann einfach im Radio miterlebt, diese euphorische Stimmung. Und dann, als 1956, nein, 1955, als dann die Besatzungstruppen abgezogen sind, ist ja das in der Wochenschau groß präsentiert worden. Und das war wirklich ein kollektives Aufatmen.
Willy
00:35:53
Radio war das damals, Wochenschau, oder?
Josef
00:35:56
Die Wochenschau war im Kino.
Willy
00:35:57
Die war im Kino noch?
Josef
00:35:58
Ja, es gab ja kein Fernsehen damals noch, Aber im Kino gab es, Bevor der Film angefangen hat, gab es immer die sogenannte Wochenschau. Und das war so eine Art Wochenrückblick, wo übrigens bei uns die sogenannte Fox-tönende Wochenschau, also diese amerikanische Filmindustrie Fox. Und dort ist das natürlich zelebriert worden, ja. Und ich muss einfach sagen, es war, glaube ich, ein kollektives Gefühl, jetzt geht es aufwärts. Und das war praktisch jeder Tag ein Stück weiterer. Und das war wirklich eine Stimmung des Optimismus, auch eine Stimmung der Freude, die die Menschen miteinander verbunden hat.
Willy
00:36:49
Aus einem Zustand des totalen Elends heraus und auf das möchte ich noch einen Schritt einmal zurück. Nämlich die bitten um so eine Beschreibung, was kann ich mir unter diesem Elend vorstellen. Weil Büdeln kennen wir, wir kennen uns aus dem Fernsehen und so weiter. Irgendwie, man haut es vor Augen, aber man greift es nicht. Also es ist so, es hat nichts mit mir zu tun.
Josef
00:37:09
Mein Elend, ich kann nicht sagen, dass wir uns damals im Elend gefühlt hätten. Auch wenn es ein kleiner Bergbauernhof war, es gab immer zu essen. Es gab allerdings Notsituation, also zum Kaufen gab es fast nichts. 1945, kann man erinnern, gab es nicht einmal Zucker oder Salz. Und auch dann, es war Notsituation in all den Lebensumständen. Es gab ja keine Krankenversicherung. Das war total unmöglich. Es war undenkbar, einen Arzt aufzusuchen. Auch wenn jemand schwer erkrankt war, dann hat man sich einfach mit irgendwelchen Hausmitteln versucht, rüberzuretten. Und eine Situation, kann man erinnern, das war, glaube ich, 1943, 1944, ich habe erzählt, eine entfernt Verwandte war als Markt und die hat dann plötzlich starke Schmerzen in den Augen bekommen und ist dann Tagelang schreiend im Bett gelegen, vor lauter Schmerzen und nach einigen Tagen war sie total erblindet. Und das war nicht daran zu denken, Krankenhaus oder ärztliche Hilfe zu beanspruchen, nur um zu zeigen, wie die Lebenssituation war.
Willy
00:38:39
Kein I-Karte, kein Krankenhaus, kein Geld, kein Geld.
Josef
00:38:44
Ja, richtig. Man war auf sich selbst zurück. Man war auf sich gestellt und musste mit dem einfach zurechtkommen. Das demonstriert die Lebensumstände. Wobei noch einmal, wir haben das nicht als Not so sehr empfunden, sondern es war einfach so.
Willy
00:39:02
Es war einfach so.
Josef
00:39:04
Und ich kann mich erinnern, die erste Orange habe ich geschenkt bekommen vom Holzhändler, der bei uns Holz angekauft hat. Die erste Orange und die ersten Zuckerl, 1949.
Willy
00:39:19
Wie hat die erste Orange geschmeckt?
Josef
00:39:22
Ja, unvorstellbar, wunderbar, aber bis dorthin hat es einfach zugekaufte Dinge nicht gegeben.
Willy
00:39:34
Ich weiß nicht, wie sehr man darauf herumreiten sollte, aber ich glaube, dieses Gefühl, dass es so etwas nicht gibt, du hast das selber gesagt, für euch war es normal, weil es die Alternative nicht gesehen hat. Für uns ist das auch normal, wenn wir das nicht gesehen haben, aber ich glaube, was dann entstanden ist, dann sind wir wieder bei 55, der große Aufbau, die Freude daran, dass man Bildung gekriegt hat, Einkommen gehabt, dass man sich etwas leisten hat. Das war ja auch nur deswegen etwas wert, weil man gewusst hat, dass man nichts gehabt hat.
Josef
00:40:08
So ist es. Und ich kann mich erinnern, wieder die Wochenschau.
Willy
00:40:16
Habt ihr auch ein Kino gehabt, oder? Bei euch in der Gegend. Habt ihr ein Kino gehabt, wo sie immer hinseht?
Josef
00:40:21
In Wundfurt gab es ein Kino,
Willy
00:40:21
Ja. Da hat sie.
Josef
00:40:23
Aber wir haben auch das noch nebenbei. Es gab bei uns nur Petroleumbeleuchtung. Also eine Petroleumlampe. Muss ich vorstellen, im Stall. Nein, es gibt dort eine Berühmung. In der Küche eine. Und wir hatten, die erste Versorgung mit elektrischen Strom war bei uns 1961. 1951, wie gesagt, haben wir mit dem Dieselmotor eine erste mechanische Kraftquelle bekommen. Und ich glaube, das Fernsehen ist irgendwann Anfang der 1970er Jahre ins Haus gekommen. Das erste Radiogerät, da kann ich mich noch gut erinnern, da war mein Schwager schon da, haben wir am Beginn 1952 angekauft. Und da kann ich mich erinnern, da war die Übertragung, als die Bummerin nach Wien gekommen ist. Das war ein riesiger Freund-Taumel. Und das haben wir damals im Radio schon mitbekommen. Aber was ich sagen wollte, Wegen dem Gefühl, jetzt geht es auf, 1956 wurde in der Wochenschau gezeigt, dass Österreich mit der Auer eine eigene Fluglinie hat. Und da kann man auch gut erinnern, war das Bild, das Flugzeug steigt auf und der Kommentator sagte dazu, und jetzt geht es mit Österreich aufwärts. Das waren schon Bilder, die sich einfach eingeprägt haben und die einfach ein Lebensgefühl vermittelt haben. Und eigentlich hat dieses fast euphorische Gefühl, meiner Erinnerung nach, bis in den Beginn der 1960er Jahre angedauert.
Willy
00:42:20
Das ist dann quasi die nächste Zeitspanne, die beginnt, also um 55 bis… Genau.
Josef
00:42:24
Dann ist es wieder holpriger geworden.
Willy
00:42:28
Aber was hat dich jetzt in deiner Jugend, das ist etwas Wichtiges, es gibt ja immer, wann bist du politisch geworden? Weil du bist ja, du warst irgendwann einmal Landwirtschaftsminister, Vizekanzler, hast Das ist ökosoziale Frauengründe. Da hast du ein bisschen was gemacht dann. Das kann man so sagen. Wann bist du, von wem bist du quasi politisiert worden?
Josef
00:42:48
Meine Politisierung hat eigentlich begonnen mit dem Beginn meines Studiums.
Willy
00:42:53
Ja, die faktische. Aber vom Interesse her?
Josef
00:42:56
Ja gut, ich war immer interessiert. Ich habe schon als Kind alles, was ich erwischt habe, gelesen. Mich hat Geschichte wahnsinnig interessiert. Es gab bei uns ja nur die Murtaler Zeitung, den steirischen Bauernbündler und das Sonntagsblatt. Das war eine wöchentliche...
Willy
00:43:18
Die Trilogie.
Josef
00:43:19
Genau. Das war unsere Informationsquelle. So ein Radiogerät hatten wir noch keines. Also diese drei Dinge, Murtaler, Bauernbündler und Sonntagsblatt. Und es gab den Rhein-Michel-Kalender. Rhein-Müchel war ein Tiroler Pfarrer, der einen Bauernkalender herausgebracht hat. Und dieser Rhein-Müchel-Kalender war sozusagen die Begleitung durch das ganze Jahr mit den verschiedenen Geschichten, die drinnen waren. Aber was mich immer interessiert hat, war eben alles, was mit Geschichte zu tun hatte. Und da war eben der Bauernbündler eine wichtige Informationsquelle. Ich kann mich erinnern, ich habe sehr, sehr lebhaft innerlich mitvollzogen die erste Bundespräsidentenwahl. Das war 1951. Karl Renner war Ende 1950 verstorben. Und dann gab es die erste Volkswahl des Bundespräsidenten, Wobei einerseits der Oberösterreich-Landeshauptmann Heinrich Gleisner von der ÖVP als Kandidat aufgestellt war und Deodor Körner, der Wiener Bürgermeister für die SPÖ. Und das war im ersten Wahlgang hatte Heinrich Gleisner die meisten Stimmen. Und das war eine große Euphorie, wir gewinnen das. Und dann hat aber Deodor Körner gewonnen und das war dann einigermaßen depressiv. Also mich hat das schon innerlich bewegt, als Schüler in Raumberg, War schon politisches Interesse da, aber nicht in einer aktiven Form. Und ich bin dann im Oktober 1960 nach Wien gekommen, an die damalige Hochschule für Bodenkultur.
Willy
00:45:12
Die Boku, ja.
Josef
00:45:14
Und da war es dann so, ich war in Ramburg vom Lernmässigen ein sehr guter Schüler.
Willy
00:45:20
Ja, das habe ich schon erklärt.
Josef
00:45:24
Und irgendwie waren dann Raumberger Kollegen, die ein, zwei Jahre vor mir in Raumberg waren und dann auch auf die BOKU gegangen sind, die haben mich dann relativ bald als Ältersemestrige angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, in der österreichischen Hochschülerschaft aktiv zu werden. Und ich bin dort auch durch einen anderen Freund wieder motiviert worden, in der katholischen Hochschuljugend aktiv zu werden. Und das war eigentlich dann mein Einstieg in echte politische Aktivität.
Willy
00:46:03
Also gesellschaftspolitisch damals noch. Genau, gesellschaftspolitisch.
Josef
00:46:06
Einerseits in der Studentenpolitik. Die Hochschülerschaft hat mir die Möglichkeit geboten, Dann zu internationalen Studentenkongressen zu fahren. Also dann Paris und Brüssel und London. Berlin, Grüne Woche war damals ein großes Ereignis. Und auf der anderen Seite in der katholischen Hochschuljugend sind wir gesellschaftspolitisch motiviert worden. Das war eben die katholische Soziallehre sozusagen als gesellschaftspolitisches Modell, letztlich eben im Sinne einer sozial ausgewogenen Marktwirtschaft. Und das war eigentlich meine gesellschaftspolitische Anwendung.
Willy
00:46:58
Also deine politische Lehrstube. Genau.
Josef
00:47:02
Wo ich wirklich dann ein gefestigtes gesellschaftspolitisches Fundament für mich entwickelt habe.
Willy
00:47:10
War das eine Bestätigung dessen, was du vorher schon auch gelernt hast? Weil du hast einen anderen Podcast gehabt, eh mit Raunberg umgefallen, den verlinke ich dann auch in die Shownotes, wo du eher darüber sprichst. Und du sagst, Leistung war für dich immer schon ein ganz wesentlicher Teil. Das war für dich etwas Positives. Und die katholische oder die religiöse Verwurzelung, war das Teil deiner Kindheit und hast du das dabei stetig gefunden?
Josef
00:47:36
Genau. Im Prinzip war es schon so. Meine Großmutter war eine sehr christlich geprägte Frau. Und das war eigentlich die für mich prägende Person in meiner Kindheit. Also ich bin in einem christlich sozialen Milieu als Kind aufgewachsen. Es war ja auch interessant, ich kann mich erinnern, so in der Zeit also jetzt 1942, 1943, kamen immer wieder von den Nationalsozialisten Hauskontrollen. Es gab ja Ablieferungsverpflichtungen und es wurde dann kontrolliert, Ob man genug abgeliefert hat oder ob irgendwas versteckt wurde oder Ähnliches. Und wenn also die nationalsozialistischen Funktionäre zu uns gekommen sind, dann sind sie natürlich mit Hitlergruß, Heil Hitler, aufmarschiert. Und meine Großmutter hat dann immer gesagt, grüß Gott auch. Und das war einfach ihre ureigenste Prägung. Aber es war natürlich auch ein bisschen provozierend. Daher waren wir auch nicht unbedingt als unbedingt verlässlich eingestuft.
Willy
00:48:56
Also du hast es wirklich nur mitgekriegt? Das ist so Geschichte, Geschichte und du siehst du die noch?
Josef
00:49:04
Was ich vor mir habe, das Bild habe ich vor mir.
Willy
00:49:07
Du siehst die noch? Ja, ja.
Josef
00:49:09
Und gut, und dann nach dem Studium, das ja mit der Leistung.
Willy
00:49:15
Mit der Leistung, ja.
Josef
00:49:17
Ich bin eingeladen gewesen, in eine CV-Verbindung mir das anzuschauen und eben durch einen anderen Freund, der hat gesagt, geh mal mit zur katholischen Hochschuljugend, schau dir das an. Und als wir dann in die Hochschulgemeinde in der Ebendorfer Straße in Wien gekommen sind, war der Monsignore Strobl der legendäre Studentenseelsorger. Und der hat uns gleich als Interessierte sozusagen einer ersten Schocktherapie unterzogen. Er hat gesagt, naja, wenn Sie zu uns kommen, bekommen Sie keine Protektion. Unser Prinzip ist... Tüchtigkeit als Legitimation und Kampf der Korruption auch im Kleinen. Und das waren also schon starke Ansagen. Und irgendwie hat mich das innerlich herausgefordert. Aha, keine Protektion, Tüchtigkeit als Legitimation und Korruption gibt es auch nicht. Und das ist eigentlich eine tolle, herausfordernde Geschichte. Und daher habe ich mich dann dort engagiert.
Willy
00:50:28
Das hat mich angesprochen, dieses Leistungsfreiheit.
Josef
00:50:29
Genau, das hat mich angesprochen, ja. Das war herausfordernd und das war einfach auch ein neuer Stiegel sozusagen.
Willy
00:50:37
Du hast jetzt ein paar Mal gesagt, du lernst dich leicht. Ich finde das immer so faszinierend, wenn Menschen dann reden und dann ist das 30, 40 gehören und sagen, du merkst dich das auch wirklich leicht, oder?
Josef
00:50:48
Ja, ich habe ein irrsinniges Gedächtnis, ja, das ist ein Geschenk.
Willy
00:50:51
Ich bin so neidisch, wirklich.
Josef
00:50:55
Ich habe irgendwann einmal dann ein Büchchen geschrieben, Erinnerungen. Und da haben mich dann Freunde gefragt, sag ich mir, hast du Tagebuch geführt? Ich habe gesagt, nein, das brauche ich nicht, das ist einfach da, das brauche ich nur abrufen. Wobei beim Kurzzeitgedächtnis wird es schon schwieriger jetzt. Aber das Langzeitgedächtnis, das ist intakt.
Willy
00:51:15
Also du merkst ja die Sachen wirklich, wirklich gut. War das, ich überlege nämlich einmal, wie man so erfolgreich sein kann, gerade in der Politik, weil du so viele Details ermerken musst, glaube ich. War das ein wesentlicher Faktor auch, dass du dann in den entscheidenden Situationen die Informationen einfach auch bereit gehabt hast?
Josef
00:51:32
Ich glaube schon, ja. Ich glaube schon. Und vielleicht kommen wir dann eher auf das. Mein Politikstil war ja dann, mir ein Ziel zu setzen, mich sachlich bestens zu informieren und einfach dann auf das hinzuarbeiten. Und da war die Merkfähigkeit nicht schlecht.
Willy
00:51:51
Wenigens habe ich das jetzt einmal bestätigt. Schaut nicht. Ja, wir waren dann 1955, hast du gesagt, bei der ersten Karte, da bist du dann langsam über die einzelnen Schulen, die du besucht hast, über die Hochschülerschaft, über die, nein, sagen wir es, die Kirche.
Josef
00:52:08
Katholische Hochschulung.
Willy
00:52:09
Katholische Hoch, genau, politisiert worden. Genau. Was waren da so die prägenden, weiß nicht, Momente, Erlebnisse, wo du sagst, oder hat sich das, weil wir kommen ja dann irgendwie auf den politischen Laufbahn. Ja. dann auf langsam hat sich in dir dieses Bewusstsein für ökosoziale Marktwirtschaft, die ja auch aus dem irgendwo sich entwickelt hat. Wo waren da so diese prägenden Momente, Erlebnisse oder vielleicht Menschen.
Josef
00:52:35
Die da einen Schub zu geben haben? Also eine ganz starke Die Prägung war, im Oktober 1960 habe ich mit dem Studium begonnen. Und dann war es herausgekommen, der Kontakt mit der katholischen Hochschuljugend. Und die katholische Hochschuljugend hat im Bildungshaus Buchberg bei Wels in Oberösterreich, Glaube ich im November, Eine sogenannte agrarpolitische Studienwoche veranstaltet. Und ich bin dann als Erstsemestriger dort auch hingefahren und eigentlich der Hauptreferent war der damalige Landwirtschaftsminister, Diplom-Ingener Eduard Hartmann. Und das war für mich eigentlich die prägende Persönlichkeit für meine spätere eigene politische Entwicklung.
Willy
00:53:33
Hartmann.
Josef
00:53:36
Das war für mich eine Erscheinung. Ein Mensch mit hohem Wissen, mit einer ganz hohen ethischen Ausstrahlung, mit hoher Eloquenz und einfach eine starke Persönlichkeit.
Willy
00:53:56
Er war einfach da, wenn er da war.
Josef
00:53:57
So ist es quasi. Das war für mich wow, das war ein Moment. Und ich muss sagen, für mich von den vielen tollen Persönlichkeiten, die ich kennenlernen durfte, war das wahrscheinlich für mich die prägendste. Und irgendwo habe ich vielleicht innerlich versucht, so ein bisschen in die Richtung auch selber tätig zu werden.
Willy
00:54:17
Waren es die Sachen, was er gesagt hat, oder waren es einfach sein Gesamt?
Josef
00:54:21
Es war die gesamte Scheinung der Persönlichkeit.
Willy
00:54:23
Richtig, so ein Vorbild.
Josef
00:54:24
Hohes Wissen, spürbar hohe ethische Qualität, hohe Eloquenz und einfach eine dominierende Persönlichkeit. Ich habe dann auch das Glück gehabt, den Leopold Fiegl, der war damals Landeshauptmann in Niederösterreich, persönlich kennenzulernen in der Steiermark, Landesrat Priersch und dann den Landeshauptmann Josef Kreiner. Genau. Oder Unterrichtsminister Trimml oder dann der Unterrichtsminister Piefel-Percevic auch als Student. Also ich habe als Student wirklich die Chance gehabt, mit vielen der führenden Persönlichkeiten sozusagen so wie wir an einem Tisch zu sitzen und miteinander reden zu können. Super. Das war ein großes Geschenk.
Willy
00:55:15
Also du hast quasi genetzwerkt. Du hast ja da dein Netzwerk langsam aufgebaut, hast die Menschen kennengelernt.
Josef
00:55:22
Es hat sich so ergeben, ja.
Willy
00:55:23
Und hast auch Eindruck hinterlassen, offensichtlich. Wie ist es dann weitergegangen? Du warst jetzt quasi an der BOKU. Wie wird das Studium gehausten?
Josef
00:55:33
Landwirtschaft.
Willy
00:55:34
Landwirtschaft.
Josef
00:55:35
Das Studium war insofern auch ganz toll, weil es war im ersten Studienabschnitt reine Naturwissenschaft. Also Chemie, Physik, Botanik, Theologie etc. Also die reinen naturwissenschaftlichen Grundlagen, Mathematik etc. Das ist sehr intensiv. Dann der zweite Studienabschnitt war Produktionstechnik, also Pflanzenproduktion, Tierproduktion, Landtechnik, Melierationen und so weiter. Und der dritte Abschnitt war dann Betriebswirtschaft, Rechtswesen, ein bisschen Philosophie, Staatswissenschaft und so weiter. Ich finde, das war eigentlich ein sehr, sehr gescheiter Aufbau und wir waren damit sozusagen universal Gelehrte als fertige Diplom-Ingenäure. Also wir haben eine sehr fundierte naturwissenschaftliche Grundlage gehabt, wir haben die Produktionstechnik in der ganzen Ausprägung der Landwirtschaft mitbekommen und eben dann im dritten Abschnitt eher Wirtschaftswissenschaftliche, rechtswissenschaftliche Ausbildung. Und bei mir war ja dann die berufliche Entweder, ich bin dann Also im letzten Teil des Studiums habe ich dann noch den Präsenzdienst absolviert. Ich habe mich dann auch aus einem gewissen Zweckmäßigkeitsgrund, das war im achten Semester abgeschlossen, aber noch die letzte Staatsprüfung vor mir, da habe ich mich gemeldet für das Garde-Bataillon, weil das in Wien war und daher ein besserer Bezug auch zur Hochschule geblieben ist. Das war eine sehr harte Ausbildung. War auch gut, ja.
Willy
00:57:30
Aber du hast ja nicht geschaut, die Leistungsorientierte. Genau.
Josef
00:57:33
Und dann habe ich die Chance bekommen, an der Heeresport- und Nahkampfschule, das war die gleiche Kaserne, Fassangartenkaserne in Wien, wurde jemand gesucht für das Büro. Und für das habe ich mich dann gemeldet. Und das war auch spannend, weil dann habe ich die Chance gehabt, Spitzensportler wirklich so auf Du und Du mitzuerleben. Das waren Hammerwerfer, Ringer, alle Eisläufer. Der Emmerich Tanzer zum Beispiel, berühmter Eisläufer, war damals in der Fasangartenkaserne und so weiter. Also auch das war ein spannender Einblick.
Willy
00:58:13
Mit welchem Hintergrund oder mit welchem Hintergedanken, weil ich habe mir irgendwo die Frage aufgeschrieben, ich weiß es nicht, wo es steht, aber ich habe es mir aufgeschrieben, Wie viel Strategie war bei deiner Karriereplanung dabei und wie viel ist da von dem Ganzen einfach nur quasi passiert?
Josef
00:58:30
Also Karriereplan in dem Sinn war es nicht, sondern es war bei mir. Ein großes Interesse, ja. Ja, ich war offensichtlich sehr neugierig und ich war sehr unbekümmert, wenn es darum ging, irgendeine Aufgabe zu übernehmen. Es war in der Hochschülerschaft so, Man musste sich dort ja auch Wahlen stellen. Bei der ersten Weise bin ich untergegangen.
Willy
00:59:01
Achso, Niederlage bei der ersten.
Josef
00:59:03
Ja, ja. Da ging es darum, wer Kandidat wird für den Spitzenkandidaten an der BOKU, für die ÖH-Wahl. Und da gab es eben innerhalb der CVA ein stärkeres Netzwerk. Und ich bin ja da eher von der Außenseiterposition der katholischen Hochschuljugend gekommen und wurde eben dann überstimmt. Das hat mich schon zu schaffen gemacht. Aber dann habe ich eben die Funktion des Fachschaftsleiters übernommen und damit für den Bereich die Zuständigkeit erhalten.
Willy
00:59:44
Aber du wolltest dorthin, oder? Du wolltest dich aufstehen lassen, du wolltest gewählt werden.
Josef
00:59:48
Ja, ich bin ja motiviert worden von meinen Raumberger Freunden, die schon höhersemestrig waren, so stell dich doch.
Willy
00:59:56
Weil sie deinen Talent erkannt haben, aber sie selber nicht draußen.
Josef
01:00:00
Sie haben mir das zugetraut, oder haben mich halt motiviert in die Richtung. Und gut, dann war es ja so, nach dem Studium habe ich mich entschieden, eine Stelle als Landwirtschaftslehre in der Steiermark anzunehmen. Damals hatte ich noch den Hintergedanken, nebenbei noch Jus zu studieren und eventuell in den diplomatischen Dienst auf internationaler Ebene zu gehen, das war so eine Vision. Mich hätte interessiert die Arbeit in der EVO zum Beispiel, also im Rahmen der UNO. Und dann kam aber eine Einladung, Das war hauptberuflich, innerhalb der katholischen Aktion zuerst als Diözesanjugendführer und dann als Generalsekretär der katholischen Aktion tätig zu werden. Und das habe ich dann angenommen und habe dann die Tätigkeit als Landwirtschaftslehrer quasi nebenbei weitergeführt.
Willy
01:01:12
Das hast du gemacht.
Josef
01:01:12
Aber… Ja, ja. Ich war dann, zuerst war ich hauptberuflich, ein halbes Jahr Landwirtschaftslehrer und dann bin ich die Tiozesan-Jugendführer geworden, war im Ordinariat hauptberuflich, habe aber als Landwirtschaftslehrer weitergearbeitet.
Willy
01:01:25
Das ist so als Ausgangenehmer.
Josef
01:01:26
Ja, irgendwie schon.
Willy
01:01:28
Ja, Leistung.
Josef
01:01:30
Und dann eben, sehr stark war natürlich dann die Prägung der Generalsekretär der katholischen Aktion, denn da war ich genau in der Gesellschaftspolitik drin. Da war ja die Zeit des Konzils, das Vatikanische Konzil 62 bis 65 und danach war eine wahnsinnig explosive Stimmung eigentlich. Einerseits innerhalb der Kirche gab es riesige Veränderungen und es begann auch der Dialog zwischen der katholischen Kirche und der Arbeiterschaft. Und als Generalsekretär der katholischen Aktion war ich da mittendrin. Und da war wieder dann die katholische Soziallehre, das war sozusagen die Brücke hin zur Gewerkschaft, weil man in der katholischen Soziallehre gab es vor allem drei Prinzipien. Die Personalität, das heißt einfach, die Würde des einzelnen Menschen Muss ins Zentrum gerückt werden. Das zweite war das Prinzip der Solidarität und das dritte, das Prinzip der Subsidiarität. Also Solidarität heißt einfach füreinander einstehen und Subsidiarität heißt, was ich auf der unteren Ebene machen kann, soll ich dort machen und Und die höhere Ebene ist dann dazu da, das zu übernehmen, was die Jungtere nicht kann. Und das ist eben das Grundprinzip der christlichen Soziallehre. Und das war dann auch gerade für den Dialog etwa mit der Gewerkschaftsbewegung eine sehr gute Brücke. Und dieses Prinzip habe ich verinnerlicht und das hat mich über alle weiteren Stufen einfach in meiner Gestaltung begleitet.
Willy
01:03:17
Darf ich das Thema Glauben, also wenn du es so willst, dass du jetzt aufzählst, ist es ja eigentlich eine Gesellschaftspolitik, also absolute Gesellschaftspolitik. Was hat für dich, oder auch jetzt noch, was hat für dich Glaube dann bedeutet eigentlich? Weil das ist ja im Prinzip wirklich politisch.
Josef
01:03:37
Gut, der Glaube ist für mich einfach das Fundament, dass ich einfach zutiefst davon überzeugt bin, wir sind kein Zufallsprodukt, sondern es gibt eben der Pater David Steindl-Rast sagt das immer wieder so schön, was wir Gott nennen, nennt er den Urgrund allen Seins und das große Geheimnis. Das heißt, wir werden wissen, was Gott eigentlich ist. Gott ist für den Menschen nicht wirklich erfassbar, weil er viel größer ist. Aber ich glaube, bei mir war das eigentlich eine Entwicklung. Ich bin als Kind katholisch geprägt worden, war einmal sogar sehr, sehr tief bewegt von dem. Dann in der Pubertät hat sich das etwas gelockert oder gelöst und bin dann eben vor allem im Studium wieder sehr stark in das Glaubensleben zurückgekommen.
Willy
01:04:43
Mit einer neuen Perspektive, einem neuen Zugang.
Josef
01:04:46
Genau, mit viel höheren Zugang. Und das ist bei mir im Prinzip auch so geblieben, also der Glaube ist einfach mein persönliches Fundament sozusagen für alle Lebenslagen, auch für Krisen, die zu bewältigen sind. Und gesellschaftspolitisch war das eben genau die eine Linie von der katholischen Hochschuljugend über katholische Aktion bis in mein eigenes direkt tagespolitisches Wirken.
Willy
01:05:13
Ist das auch das, was dir die Sicherheit gegeben hat? Weil du hast ja dann, ich komme ja nicht darauf, viele politische Ämter auch bekleidet. Das heißt, man braucht da schon eine dicke Haut. Man wird sehr oft hinterfragt von allen anderen. Diese Sicherheit, die du da gehabt hast, kommt die aus der Familie, kommt die aus dem Glauben?
Josef
01:05:34
Ich glaube aus allem zusammen. Meines Erachtens ist das eine Linie, die sich da einfach durchzieht. Dann jetzt zur Politik. Ich bin dann 1970 wieder voll in den Landesdienst zurückgekehrt. Und bin 1971 Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule in Steins geworden. Das war eine neue Schule und ich hatte die Chance dort als Direktor zu starten. Und dann kam aber bereits ein Jahr später, 1972, durch den zweiten Josef Greiner, Ja, den Dr. Josef Kleiner, der war damals bereits Landesrat in der Steiermark und war vorher Direktor des Steirischen Bauernbundes. Und nach einer Übergangslösung hat man eben jemand Neuen für den Steirischen Bauernbund gesucht und der wurde dann eingeladen, Direktor des Steirischen Bauernbundes zu werden. Das war im Oktober 1972. Das war dann bereits in der Zeit der sozialistischen Alleinregierung. Also es war dann für den Bauernbund eine Zeit der starken Konfrontation. Eingestiegen bin ich eben vom Bildungswesen herkommend mit einem starken bildungspolitischen Impuls innerhalb des steirischen Bauernbundes. Das heißt, wir haben gesagt, wir müssen unsere Funktionäre auch mit guter Information ausstatten. Also wir haben den Winter über eine Fülle von Bildungsseminaren veranstaltet. Aber in Wahrheit bin ich dann sehr schnell direkt in die Agrarpolitik hineingekommen, wobei ich schon vorher... Als Landwirtschaftslehrer nebenbei als agrarpolitischer Referent im Steirischen Bauernbund Konzepte geschrieben habe. Also ich war von Beginn an sehr agrarpolitisch interessiert und habe auch versucht, meine Ideen und meine Meinungen einzubinden. Ich habe dann zum Beispiel für das erste Modell Steiermark, das war das Grundsatzprogramm der Steirischen Volkspartei, Damals noch als Direktor der Landwirtschaftsschule in Steins das Kapitel Agrarpolitik geschrieben. Das ist dann in einer Diskussionsrunde diskutiert worden, aber im Grunde so übernommen worden, wie ich das konzipiert gehabt habe. Und mit dem Eintritt als Direktor des Steirischen Bauernbundes bin ich dann direkt in die agrarpolitische Gestaltung. Also ich war weniger Organisator, sondern mehr der agrarpolitische Akteur und habe mich auch in diese Richtung entwickelt und profiliert.
Willy
01:08:42
Was hast du in der Zeit erkannt, dass – wir sind jetzt in den 60ern – du hast vorher schon gesagt, dort hat es schon wieder angefangen, dass es ein bisschen rattert, also mit 60. Was war das in der Zeit, wie war die Landwirtschaft da und was hast du da versucht, weiterzubringen und zu verbessern in der Zeit schon?
Josef
01:09:03
Ein steirischer Bauern tut ein Dokument, Bauern mit Zukunft, Zukunft mit Bauern. Das war also meine Überlegung. Wir müssen in all den wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Bauern ein positives Berufsbild geben. Und einfach sagen, ihr seid wichtig. Und ich habe das eben dann versucht, auch gesellschaftspolitisch zu argumentieren. Die Bauern sind ein ganz wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Natürlich als Erzeuger der Lebensmittel. Aber dann immer stärker, und das ist ja dann schon ab 1972 auch Programm im österreichischen Bauernbund gewesen, die Bauern sind Gestalter des ländlichen Raumes. Sie sind also das Rückgrat eines lebendigen Landes. Also ländlicher Raum hat mir lieber vom Land gesprochen. Es gab dann auch später im österreichischen Bauernbund mein Programm, Damit das Land Zukunft hat. Also man hat immer diese Zukunftsperspektive bewegt. Und es ist also darum gegangen, auf der einen Seite eben den Bauern Selbstbewusstsein zu vermitteln, indem er gesagt hat, wir sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Und andererseits aber auch durchaus mit demokratisch-kämpferischen Mitteln für die unmittelbaren Belange einzutreten. Eine meiner Erfindungen war eine Urabstimmung innerhalb der österreichischen Bauernschaft, ob sie bereit sind, wenn es darauf ankommt, bestimmte Kampfmaßnahmen zu ergreifen. Und da war zur Abstimmung angeboten, ein Milchlieferstreik, ein Käuferstreik und als Positives ein Engagement in Richtung Nachbarschaftshilfe, um mit Notsituationen fertig zu werden.
Willy
01:11:20
Du warst so Bauerngewerkschafter eigentlich.
Josef
01:11:21
Es war so in die Richtung, die Bauern tun sich ein bisschen schwerer, die Arbeit niederlegen ist ja kein Kampfmittel. Wir wollten das eben indirekt und das war eine spannende Geschichte. Es gab also in der ersten Phase der Regierung Kreisky von ihm das Bemühen, die Bauern aus der ÖVP herauszulocken. Und zwar mit einer Methode Zuckerbrot und Peitsche. Und es gab ja für ihn auch den Ausspruch, wir werden den Bauern den Brotkorb der Subventionen höher oder niedriger hängen, je nachdem, wie sie sich politisch verhalten. Und das war also schon eine innerpolitisch spannende Situation. Und es gab eben da wieder eine schwierige Verhandlungssituation und da habe ich eben diesen Vorschlag gebracht, da machen wir eine EU-Abstimmung. Und ich kann mich dann gut erinnern, da gab es im österreichischen Bauernbund eine Krisensitzung. Da habe ich gesagt, okay, zu den Maßnahmen haben wir eine hohe Zustimmung bekommen. Wie gehen wir jetzt weiter vor? Und da ist dann der damalige Bundesparteiobmann der ÖVP, Dr. Karl Schleinzer, in unsere Krisensitzung gekommen, hat sich die Debatten angehört und ist von dort direkt zum Bundeskanzlerkreis gefahren. Der Bundeskanzler, ich komme jetzt gerade von der Bauernbundssitzung, das schaut so und so und so aus. Also ich mache Sie darauf aufmerksam, Das könnte kritisch werden. Und wir wurden dann... Unverzüglich zu Verhandlungen eingeladen. Und damit war eigentlich das Eis gebrochen. Also es war die letzte große Konfrontation. Man hat dann zu einem gewissen Modus wie Wendi gefunden, in dem man sich nicht geliebt hat, aber man ist miteinander ausgekommen.
Willy
01:13:30
Jetzt hast du gesagt, das war dein großes Ziel quasi, der Bauernschaft Selbstbewusstsein zu geben. Da gibt es ja fast zwangsläufig die Frage nach dem Gegengrund, wo war denn das, oder warum war denn deiner Ansicht nach in dieser Zeit das Selbstbewusstsein der Bauernschaft hilfs- oder rettungsbedürftig oder verbesserungsbedürftig?
Josef
01:13:51
Man muss sich schon vorstellen, die Bauernschaft hatte einen dramatischen Strukturwandel erlitten. Ich habe es geschildert, am Beginn der 1950er Jahre, das Weggehen der Mitarbeiter und dann gab es ja praktisch eine Krise nach der anderen. Einerseits einen technologischen Sprung um den nächsten, es gab ja auch viele Sackgassen in der Mechanisierung der Landwirtschaft, viele Fehlinvestitionen. Dann gab es immer mehr die Absatzschwierigkeiten. Also die Produktion ist schneller gewachsen als die Nachfrage.
Willy
01:14:35
Überschüsse?
Josef
01:14:36
Ja, dann kamen die Überschüsse, Genau. Dann kam natürlich ein Preisdruck. Dann kam bei der Milch der Krisengroschen. Und natürlich war es so, damals waren ja noch die wichtigsten Preise politische Preise. Das heißt, der Milchpreis wurde ausverhandelt in der Paritätischen Kommission. Landwirtschaft, Wirtschaft, Gewerkschaft, Arbeiterkammer. Ebenso die Getreidepreise und in gewissem Maß auch die Preise für für tierische Produkte, also zumindest bei Rinder und Schweine.
Willy
01:15:19
So kann man einen fixen Preis geben?
Josef
01:15:21
Bei Rinder und Schweinen keinen fixen Preis, aber ein Preisband, das man mit Importen und Exporten versucht hat zu regeln und bei Milch und Getreide waren amtliche Fixpreise und zwar abgestuft, was kriegt der Bauer, was bekommt die Molkerei, was bekommt der Bäcker und so weiter, bis zum Brotpreis und bis zum Milchpreis hinauf und das musste immer politisch ausgestritten werden. Und das war natürlich dann ein zweifaches politisches Ringen. Einerseits innerhalb der Sozialpartnerschaft, wo die Landwirtschaft eine Minderheit war, also eins zu drei. Und in der politischen Ebene eine absolute Nationalratsmehrheit der SPÖ, eine SPÖ-Alleinregierung und die Bauern waren ja nicht die Freunde dieser politischen Macht. Und sich in der Situation zu behaupten, war eine schwierige Herausforderung. Und daher eben auch in der ersten Phase diese Demonstrationen, es gab ja die riesige Traktor-Demonstration am Josefetag 1971 in Wien, wo also, ich glaube, 10.000 Traktoren die Innenstadt lahmgelegt haben. Und dann eben bis zu dieser Urabstimmung 1974. Es ist auch dann immer ein Spannungsverhältnis geblieben, aber man konnte zumindest einigermaßen vernünftig miteinander umgehen. Ich bin ja dann 1975 in den Nationalrat gewählt worden. Und bereits ein Jahr später, 1976, Agrarsprecher im Nationalrat. Ich war dann der Hauptverhandler für Marktordnung, also alles, was halt agrarische Gesetzgebung war. Und 1980 wurde ich dann Direktor des österreichischen Bauernbundes und in dieser Personalunion Agrarsprecher und Direktor des österreichischen Bauernbundes hatte ich wirklich eine starke politische Position. Gut, dann 1983 ging es zurück in die Steiermark als Landesrat und 1987 wieder zurück in Berlin.
Willy
01:17:40
Das heißt, du hast wirklich alle relevanten und wichtigen Posten, wenn es rund um die Landwirtschaft geht, in einer sehr prägenden Zeit auch inne gehabt. Aber für die Menschen, die uns zuhören, die jetzt diese Zeit einfach nicht kennen. Wir haben vorher gesagt, das Image der Landwirtschaft war irgendwie ein bisschen angeknackst oder in der Öffentlichkeit nicht so hoch, es hat die Überschüsse gegeben, die anderen Sektoren sind auch wichtiger geworden. Es war ja quasi im Prinzip, die Industrie hat einen großen Aufschwung gehabt, Dienstleistung war damals glaube ich noch nicht so das drin, aber die Industrie war natürlich riesig.
Josef
01:18:15
Die Landwirtschaft… Tourismus war auch schon ein großes Thema.
Willy
01:18:18
Ja, es hat sich einfach etwas verändert und du hast versucht, da quasi der Landwirtschaft wieder ein bisschen mehr Stellenwert zu geben, weil du gesehen hast, das nimmt ein bisschen ab. Wir haben vorher gehabt, diese Überschüsse, das war komplett, wie war denn die Landwirtschaft? Weil die meisten von uns, die was uns hören oder viele von uns kennen, die Landwirtschaft eigentlich als Erzählungen nur nach dem EU-Beitritt 1995. Da war dann, man kennt die Förderungen bei den Landwirten, man kennt vielleicht noch die Direktzahlungen, vielleicht ein bisschen Öpol und die zusätzlichen Maßnahmen. Aber was war das für eine Landwirtschaft so in diesen, sagen wir mal 20, 20, 25 Jahren davor, wo du dann quasi auch schon die wichtigen Ämter dann bekleidet hast. Was war das für eine Landwirtschaft? Hat es da keine Förderungen gegeben in der Zeit? Oder wie hat sich die Landwirtschaft selbst auch erhalten?
Josef
01:19:03
Ja, es war eben so, der wichtigste Teil, das ist der Unterschied zur jetzigen Situation, der wichtigste Einkommensteil waren die Preise für die landwirtschaftlichen Produkte. Es gab für die Bauern garantierte Preise, also zumindest bei den Hauptprodukten Milch und Getreide. Es gab einen garantierten Absatz. In den anderen Sparten gab es eben auch mit handelspolitischen Instrumenten gewisse Steuerungsinstrumente. Das heißt, der Hauptteil oder eigentlich der ausschließliche Teil des Einkommens kam vom Erlös der Produkte. Es gab eine andere Schiene, Die in den 1950er Jahren begonnen hat. das war, dass die Bauern schrittweise in das System der sozialen Sicherheit einbezogen wurden. Das erste war 1957 eine sogenannte Zuschussrente. Das heißt, für die Bauern, die übergeben haben, gab es das sogenannte Ausgedinge, dass er am Hof Wohnen und Verköstigung und Betreuung hatte. Die Zuschussrente war da eben gedacht als kleine finanzielle Absicherung. 1965 war dann ein ganz großer Sprung die Schaffung der Bauernkrankenkasse.
Willy
01:20:28
Es war alles bis dort hin, hat es alles gegeben.
Josef
01:20:30
Es hat es vorher nicht gegeben. Krankenkasse gab es nur für die Dienstnehmer. Also es gab die Landwirtschaftskrankheit, die war aber nur für die Dienstnehmer in der Landwirtschaft. Die Bauern hatten keine Krankenversicherung, die war erst 1965.
Willy
01:20:44
Also die hat man vergessen bis dort hin, die waren einfach in diesem System drinnen, oder?
Josef
01:20:48
Es gab in der Bauernschaft selbst zum Teil sogar Widerstände gegen die Einbeziehung, weil man gesagt hat, wir sind ja selbstständige Bauern, wozu brauchen wir eine Krankenkasse. Also zumindest in der Steiermark zum Beispiel, in der Obersteiermark bei den sogenannten Großbauern war das gar nicht sehr gewollt.
Willy
01:21:11
Ah, wollte man gar nicht.
Josef
01:21:12
Ja, aber es war natürlich, und die kann man erinnern, da war ich Student an der BOKU, Und wir hatten im Niederösterreichischen Bauernbund, da gab es eine sogenannte Akademikergruppe und da gab es ein Seminar und da hat uns der damals zuständige Referent, ein gewisser Dr. Heider, der dann auch der erste Obmann der Bauernkrankenkasse war, gesagt, die Steirer sind da dagegen dabei, das ist doch die Chance, dass wir für die Bauern was tun können. Und das war ja tatsächlich so, dass eben die Bauernkrankenkasse eine 50-50-Finanzierung hatte, nämlich 50 Prozent Beiträge der Bauern und 50 Prozent aus dem Bundesbudget. Also sozusagen der Dienstgeberanteil wurde vom Bund geleistet. Und insofern war das natürlich sozialpolitisch schon eine große Errungenschaft. Dann der nächste ganz große Sprung war dann, 1969 gab es ja innerhalb der ÖVP einen großen Bauernaufstand und das Ziel war ein Beschluss über die Schaffung einer wirklichen Bauernpension. Und diese Bauernpension wurde dann auch tatsächlich 1969 beschlossen, allerdings erst 1971 unter der Regierung Kreisky dann in die Tat umgesetzt. Das war auch im Fristenlauf so vorgesehen. Gab es eben dann auch unterschiedliche politische Interpretationen, wer die Bauernpension gebracht hat. Aber von der Genesis her war es eben so 1969, hat der damalige österreichische Bauernbundpräsident Josef Wallner, in dessen Raum wir da sind, in einer Abgeordnetenklausur am Semmerin dem Bauernbund abgehört und gesagt, so Freunde, jetzt packen wir die Koffer und verlassen die Klausur, wenn wir die Bauernpension nicht bekommen. Und damit hat er den damaligen Bundeskanzler Klaus mehr oder weniger gezwungen, diesem Vorhaben tatsächlich zuzustimmen. Also das war die andere Seite. Und das Problem, das sich immer mehr aufgetan hat, war, dass wir handelspolitisch in eine immer schwierigere Situation hineingeraten sind. Als Nicht-Mitglied der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ist es immer schwieriger geworden, unsere Überschussprodukte, der naheliegende Markt war ja Italien und Deutschland, zu verkaufen, weil die EWG hat ein sehr wirksames System, Importe abzuhalten und die eigenen Exporte zu favorisieren.
Willy
01:24:13
Entschuldigung, dass ich da jetzt reinfahre. Wir haben gesagt, Subsistenzwirtschaft, dann langsam für den Markt produzieren. Dann sind die quasi, du hast gesagt, gesicherte Preise gekommen. Aber quasi noch keine Quote dazu. Du darfst nicht so und so. Überschüsse werden produziert, weil ich kann so viel absetzen wie Revue zu dem Preis, Und da war natürlich der Anreiz im System drinnen, zu maximieren. Und dann haben wir auf einmal zu viel gehabt. Und das haben wir aber nicht weitergebracht, weil wir quasi bei der Krähen zu angestanden sind.
Josef
01:24:43
Genau so war es, und das ist dann immer unerträglicher geworden. Das heißt, es gab ja schon Ende der 15 Jahre bei der Milch den sogenannten Krisengroschen. Die Bauern mussten dazu zahlen, um die Überschüsse finanzieren zu können. Bei Getreide wurde dann in den 1970er Jahren auch ein sogenannter Verwertungsbeitrag eingeführt. Auch der ist dann immer größer. Und ich hatte ja dann 1978, da war ich eben Agrarsprecher im Nationalrat, mit dem österreichischen Bauernbund akkordiert den Vorschlag eingebracht, dass wir bei Milch eine sogenannte Richtmengenregelung einführen, das heißt eine Mengenbegrenzung.
Willy
01:25:33
Die Quote oder was?
Josef
01:25:34
Genau. Und das war natürlich ordnungspolitisch ein massiver Systemumstieg. Ich war eben davon überzeugt, das macht keinen Sinn. Garantierte Preise und unbegrenzte Absatzmöglichkeiten. Die EG hat das noch viel länger weitergeführt und das ist ja auch in das Desaster gemündet. Also wir haben uns dann dazu entschieden, wir machen eine Mengenbegrenzung und mein Vis-a-vis war damals Landwirtschaftsminister Diplomischen Heiden. Das war eine extrem schwierige Verhandlungssituation, Aber wir haben uns dann auf dieses Modell der Richtmengenregelung geeinigt, die sozialistische Regierung und Parlamentsmehrheit. Und nachdem es ja, die Marktordnungsgesetze waren ja verfassungsändernd, das heißt, es war eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat notwendig. Daher konnten nur die beiden Parteien, SPÖ und ÖVP, das miteinander beschließen.
Willy
01:26:38
Aber es ist damals wenigstens nur gegangen irgendwo. Ja, natürlich.
Josef
01:26:40
Wir hatten eine breite Mehrheit mit der Hand an den 90 Prozent. Und wir haben uns eben dann darauf geeinigt, 93 Prozent der bisherigen Anlieferung pro Hof wurde als Richtmenge zuerkannt. 93 Prozent.
Willy
01:27:11
Weil man davon ausgegangen ist, es war ja eh schon ein Überschuss, das heißt man da ein bisschen weniger gemacht hat.
Josef
01:27:14
Also man hat praktisch die Gesamtmenge um 7% heruntergeführt. Das war dann sozusagen das Lieferrecht. Das war die Richtmenge, zu der hat man den vollen amtlichen Preis bekommen. Und was darüber hinaus angeliefert wurde, ist, also für die Gesamtmenge gab es einen allgemeinen Absatzförderungsbeitrag, das war sozusagen der alte Krisengroschen. Und für die Überlieferung, über die Richtmenge hinaus, gab es einen zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag. Und dieser zusätzliche Absatzförderungsbeitrag war dann sehr variabel. Je höher die Überlieferung, umso höher dieser Beitrag. Und der sollte damit auch indirekt als Bremse wirken, dass es uninteressant wurde, so und so viel anzuliefern. Auch der Bauernbund hatte eine sehr schwere Zeit durchzustehen, mit der Einführung dieses Es war ein struktureller Grundfandel, oder? Es gab massive Widerstände innerhalb der Bauernschaft, weil das völlig neu war, dass ich auf einmal irgendwo eine Begrenzung bekomme.
Willy
01:28:28
Und du greifst deine Strukturen.
Josef
01:28:30
Oder? Ja, und ich habe da auch viele heftige Diskussionen erlebt. Aber es hat im Grunde dann durchaus positiv gewirkt. Nur was wir trotzdem hatten, war eben das ungelöste Problem des Agrarhandels in Richtung europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Und da gab es ja dann gewisse doppelbödige Situationen. Also auf Deutsch gesagt jetzt, es war verboten, zum Beispiel bei Rindern Exportstützungen zu geben. Aber unsere Rinder wären nicht verkaufbar gewesen ohne Exportstützungen. Und das hat damals der Landwirtschaftminister Weiß ein System eingeführt. Es gibt zwar Exportstützungen, aber offiziell gibt es das nicht. Und das ist dann auch jahrelang gehandhabt worden. Bis dann irgendwann die Bayern ungehalten geworden sind. Da kommt eine unlautere Konkurrenz ein. Und die Bayern haben uns dann in Brüssel verklagt. Und das war dann schon in meiner Zeit als Landwirtschaftsminister.
Willy
01:29:45
Zeitraum war das?
Josef
01:29:46
Ja, die Verklage war Mitte 1980er Jahre.
Willy
01:29:51
Mitte 1980er, ja.
Josef
01:29:52
Und ich war Ende der 80er Jahre Landwirtschaftsminister und habe dann eben mit dem EU-Agrarkommissar, das war dann der Holländer, Franz, mit dem ich dann einen neuen Modus gefunden habe.
Willy
01:30:27
Aber war das quasi dieses Problem aus der Landwirtschaft gekommen, dass wir unsere Überschüsse quasi… Wir waren einfach nicht mehr kompatibel mit dem Raum rund um uns eigentlich. Wir waren so eine Insel, wenn man so will. War das dann ausschlaggebend oder ein Druck stärker hin zum Beitritt 1995? War das wesentlich? Schon. Ja.
Josef
01:30:49
Naja, es war dann so. Es kommt eigentlich jetzt die nächste große Etappe, war dann meine Berufung zum Landwirtschaftsminister nach dem Zwischenspiel Agrarlandesrat in der Steiermark. Aber du hast schon gewusst,
Willy
01:31:04
Dass die Karriere dort hingehen konnte, oder? Das war schon… Haben Sie da noch Ahnung?
Josef
01:31:08
Sag mal so, mein Interesse war eigentlich immer stärker bundespolitisch als landespolitisch.
Willy
01:31:16
Weil?
Josef
01:31:17
Weil mich die Bundespolitik einfach interessiert hat.
Willy
01:31:20
Größerer Hebel, oder?
Josef
01:31:21
Ja, weil es irgendwo spannender war. Ich bin eben 1983 gebeten worden in die steiermärkische Landesregierung einzutreten als Agrarlandesrat. Ich habe dann das Umweltressort als erster Umweltlandesrat dazubekommen, bin aber trotzdem in der Bundesagrarpolitik verankert geblieben als Agrarsprecher. Und mit der Regierung Franitzki-Mock war es eben dann der große Wunsch von Allesmock, dass ich das Landwirtschaftsressort übernehme. Und das war dann eine sehr herausfordernde Geschichte. Es war schon in den Verhandlungen zur Regierungsbildung sehr schwierig.
Willy
01:32:16
Die eilte ja schon einen Ruf voraus quasi damals zu der Zeit, oder?
Josef
01:32:19
Naja, es war nämlich so, die Bundesagrarpolitik war total in der Sackgasse gelandet. Durch die gegenseitige Blockade, sind einfach notwendige Beschlüsse gar nicht mehr zustande gekommen.
Willy
01:32:35
Da hat sich nichts verkommt gegenseitig quasi, oder?
Josef
01:32:37
Nein, es ist überhaupt nichts mehr gegangen. Die Folge war, dass die Absatzförderungsbeiträge in astronomische Höhen gestiegen wären und dass sich die damaligen Minister, also zuerst Haydn und dann Erich Schmitt, gar nicht mehr getraut haben, die Beiträge in der Höhe vorzuschreiben, wie sie notwendig gewesen wären.
Willy
01:33:01
Also die Penalen für die Überschusslieferung, weil das war ja Absatzförderung, das war ja so positiv schon fast dann. In Wirklichkeit war es eine richtig harte Sanktion für die Überschüsse.
Josef
01:33:12
Genau. Die Beiträge hätten wesentlich höher sein müssen und das war dann, vor allem in der Vorwahlzeit hat man sich überhaupt nicht mehr getraut, das vorzuschreiben. Die Folge war aber, Die Bauern hatten beim Bund hohe Schulden. Beides zusammen ungefähr 1,3 Milliarden Schilling damals. Bei Getreide etwas mehr als bei Milch. Und jetzt hätte ich als Landwirtschaftsminister als erstes von den Bauern diese Schulden eintreiben müssen. Das heißt, dann wäre das noch einmal explodiert. Und ich habe daher von Beginn bei den Regierungsverhandlungen gesagt, um überhaupt in die Regierung einzutreten, brauche ich diese Schulden. Da können die Bauern nichts mehr dafür. Ein Schuldenschnitt. Genau, wir brauchen einen Schuldenschnitt. Und wir brauchen ein komplett neues Agrarbudget, denn das war komplett ausgeräumt. Und wir brauchen eine Neuaufstellung der Agrarpolitik insgesamt.
Willy
01:34:18
Wie hast du das zusammengebracht? Wie hast du das zusammengebracht, also 1,3 Milliarden auf dem Moment?
Josef
01:34:23
Mit dem Anspruch bin ich angetreten. Und wir haben begonnen und mein Verhandlungsvis-a-Vis war damals der amtierende Finanzminister Ferdinand Lazzina, der amtierende Landwirtschaftsminister Erich Spitt, der war ein prominenter Gewerkschafter.
Willy
01:34:41
Ich glaube, der kriegt den Namen.
Josef
01:34:42
Ja, und der Agrarsprecher der SPÖ, der Josef Pfeiffer. Und die haben in der Verhandlungsphase vor Weihnachten gesagt, das ist völlig absurd, was ihr da wollt, das kommt nicht in Frage. Und ich habe dann innerhalb der ÖVP klargemacht, dass es seitens der Landwirtschaft keinen Regierungseintritt geben wird, wenn wir nicht eine vernünftige Basis bekommen.
Willy
01:35:14
Du hast die Power hinter dir gehabt.
Josef
01:35:17
Ja, und das war dann, das darf man jetzt ja sagen, mein Mitverhandler im politischen Verhandlungsteam, Wolfgang Schüssel. Dem ist das klar geworden, um was es da geht, hat den damaligen Präsidenten der Nationalbank, Stefan Koren, gesagt, du Stefan, wenn wir in der Landwirtschaft da nichts zustande bringen, dann ist es fraglich, ob es zu der Koalition kommt. Und mit dieser Botschaft ist der Stefan Koren zum Franz Waranitzki. Und er hat gesagt, Herr Bundesglanzler, ich mache Sie darauf aufmerksam, ihr müsst in der Landwirtschaft eine Lösung finden, sonst wird es mit der Koalition nichts. Und das war dann nach Weihnachten die Verhandlungssituation wie Tag und Nacht. Auf einmal war Aufgeschlossenheit und ich habe mich dann wirklich bemüht, sehr seriös einen Vorschlag zu entwickeln. Und der war eben dann, die Schulden der Bauern werden vom Bund in vier Jahresetappen abgetragen, also Schuldenschnitt. Das Agrarbudget wird, ich glaube, von 5,7 um 1,7 Milliarden aufgestockt, damit wir wieder handlungsfähig werden. Ich habe mich aber auch verpflichtet, dann das Agrarbudget auf vier Jahre stabil zu halten. Ich habe gesagt, wir richten das einmal her und ich brauche dann vier Jahre lang keine Erhöhung, sondern ich richte das dann mit inneren Reformen, dass wir damit zurechtkommen. Das haben wir dann auch im Regierungsübereinkommen, im Agrarkapitel. Das ist das Konkreteste. Da stehen ganz genau auch die Budgetzahlen drinnen. Wie das Budget verändert wird und dass das vier Jahre stabil gehalten wird und auch alle anderen Maßnahmen. Und mein Hintergedanke war, dass es gelingen muss, Mit einer entsprechenden Produktionsumstellung von den Überschüssen wegzukommen und damit auch den Budgetrahmen zu halten. Das war dann mein Einstieg. Statt Überschüssen attraktive Produktionsalternativen und überhaupt ein völliger Neueinstieg in der Agrarpolitik. Und das habe ich eben dann bei meiner Antrittsrede angesprochen, in der man gesagt hat, wir brauchen für Österreich einen kompletten Neustart in der Agrarpolitik. Und ich habe das damals genannt, wir müssen als Landwirtschaft und Verarbeitung wirtschaftlich leistungsfähiger werden. Wir müssen aber auch unsere ökologische Verantwortung wahrnehmen. Das kommt rein. Und wir wollen eine sozial orientierte bäuerliche Landwirtschaft. Und aus diesen drei Worten, ökonomisch, ökologisch und sozial, habe ich dann als Kürzel die ökosoziale Agrarpolitik entwickelt.
Willy
01:38:28
Ökosoziale Agrarpolitik.
Josef
01:38:29
Ja, genau. Die ökosoziale Agrarpolitik war der Einstieg im Jänner 1987 und im Frühjahr 1988 habe ich dann eben dieses Manifest für eine ökosoziale Agrarpolitik in der Öffentlichkeit präsentiert. Inzwischen haben wir schon eine Reihe von rechtlichen Maßnahmen gesetzt gehabt, um eben diese Umorientierung einzuleiten. Und im Mai 1988 gab es eine wirklich tiefgreiende Reform der agrarischen Wirtschaftsgesetze, wo eben dieses Prinzip dann sozusagen in die Gesetzgebung umgesetzt wurde. Das heißt, wir haben auch bei Getreide Mengenbegrenzungen eingeführt, dafür aber den Anbau von Raps, von Sonnenblumen, von Soja preislich sehr attraktiv gestaltet. Bei Milch wurde von der SPÖ-Seite zuerst verlangt, eine lineare Reduzierung der Richtmengen. Und ich habe gesagt, ich habe eine andere Idee, wir machen einen freiwilligen Lieferverzicht und den haben wir dann auch im Marktordnungsgesetz verankert, das heißt, Wer bereit war, seine Anlieferung zwischen 5 bis 10 Prozent zu reduzieren, hat einen anteilsmäßig höheren Milchpreis bekommen. 5 Prozent und mit jedem Prozent höher. Und wir haben damit genau das erreicht, was wir wollten, nämlich eine Reduzierung der Anlieferung um ungefähr 10 Prozent. Aber eben auf freiwilliger Basis und mit einem umso attraktiveren Milchpreis je stärker die Lieferrücknahmen haben.
Willy
01:40:26
Aber auch noch bis zu gewissen Grad, weil es uns geht runter auf Ostfamilien.
Josef
01:40:28
Zwischen 5 und 10 Prozent, zwischendurch das Band, ja. Und wir haben sehr massiv tierische Produktionsalternativen gefördert, vor allem die Mutterkuhhaltung und andere Formen der Tierhaltung. Aber besonders stark war die Umorientierung im Bereich der Ackerproduktion. Also eben mit einer Mengenbegrenzung bei Getreide und mit der starken Forcierung der Produktionsalternativen. Und was ich auch begonnen habe, bereits 1987, war sozusagen die offizielle Anerkennung des biologischen Landbaus. Das war bis dorthin ein heftiger Streit innerhalb der Bauernschaft. Und ich habe ihm dann gesagt, wir beginnen den biologischen Landbau zu fördern. Zunächst einmal, indem wir die Organisationen finanziell unterstützt haben aus dem Agrarbudget, Und dann vor allem Franz Fischler, mein Nachfolger, hat dann im Rahmen der Umweltmaßnahmen Die direkte Förderung des biologischen Landbaus sehr stark ausgebaut. Nur zur Verdeutlichung, als ich Minister wurde, 1987, gab es, ich glaube, ganz genau 560 Biobauern in Österreich. Und vor dem EU-Beitritt 1995 waren es über 20.000. Es ist wirklich explodiert. Übrigens, der Name ist mir jetzt auch angefangen, Franz Andriesen, war der Agrarkommissar.
Willy
01:42:12
Man darf aber nicht mal denken, dann kommt es dann selber wieder.
Josef
01:42:16
Und den habe ich eben, mit dem habe ich 1988 getroffen in Brüssel, zu einem ersten Gespräch, wo ich ihm versucht habe klarzumachen, dass wir die Rinderexporte in die EU einfach brauchen, weil das ist für unsere Berggebiete existenzsichernd. Und das ist mir dann gelungen, ihn Anfang Juli nach Österreich einzuladen. Wir haben dann ein anschauliches Programm gestaltet. Das heißt, ich bin in meiner Heimatregion zu Bergbauernbetrieben hingeführt, um eben zu zeigen, wie die Lebenssituation ist. Wir waren dann an der tschechischen Grenze, damals Eiserner Vorhang, und haben auch dort einen Rinderbetrieb gezeigt. Mein Ding war ihm einfach, dass wir auf eine politisch gesicherte Basis kommen. Und er ist dann auch darauf eingestiegen und gesagt, okay, wir akzeptieren in einer gewissen Menge diese Exporte aus Österreich. Aber er will auf der anderen Seite auch eine Begünstigung für Sektexporte aus der EWG nach Österreich. Und da hatte ich dann noch ein Problem. Wir haben gesagt, ja, wir machen das. Und dann gab es auf Beamtenebene einen Einspruch aus dem Finanzministerium. Und als ich dann die Abschlussbesprechung eröffnet habe, kam einer meiner Beamten aus dem Ministerium und sagte, Herr Minister, das Finanzministerium hat ein Veto eingelegt. Franz Andriesen macht seine Mappe zu und sagt, dann brauchen wir nicht weiterzureden. Und ich habe dann den Minister Lazzina angerufen und gesagt, Herr Minister, ich brauche sofort einen Gesprächstermin bei Ihnen. Bin ins Finanzministerium, habe ihm dann die Situation dargelegt. Er hat sich für den Sekt zuständigen Ministerialrat geholt. Ja, gut, das geht so nicht. Ich habe vor allem dem Finanzminister klargemacht, um welche finanziellen Dimensionen es geht. Beim Sekt, das war eine Bagatelle. Und bei den Rinderexporten, das wäre eine Riesengeschichte.
Willy
01:44:38
So haben wir es relativ billig gekriegt, wenn man es umhört. Genau, recht billig.
Josef
01:44:41
Es war damit ausgeräumt und wir konnten die Geschichte damit abschließen.
Willy
01:44:46
Okay, das Redensatz da quasi.
Josef
01:44:48
So ist es, genau. Wobei ich auch sagen muss, ich habe mit Finanzminister Lazzina, obwohl wir ideologisch sehr gegensätzlich waren, aber eine sehr, sehr konstruktive Zusammenarbeit von Beginn an gehabt. Und es war immer wieder möglich, Bei ihm mit Argumenten einfach Entscheidungen auch klarzumachen. Also es war immer wieder, wenn es brenzlig war, haben wir beide im direkten Gespräch Lösungen gefunden.
Willy
01:45:17
Ich muss dann quasi den Punkt jetzt vorziehen, wir haben ihn eh oft geschrieben. Du giltst ja auch als jemand, der immer wieder den Dialog hergestellt hat und quasi parteiübergreifend gedacht und verhandelt hat. Was habt ihr damals können, was wir heute gefühlterweise teilweise ein bisschen verlehrt haben, dass man quasi, wenn man wirklich weit auseinander liegt, ideologisch sage ich jetzt einmal, im guten Wortsinne, dass man dann trotzdem miteinander geredet hat und dann zu einem Kompromiss oder Oder zu einem gemeinsamen Statement gefunden oder was?
Josef
01:45:51
Ja.
Willy
01:45:53
Große Frage.
Josef
01:45:54
Das war letztlich nur, indem man wirklich erstens sich von beiden Seiten bemüht hat, auf eine sehr sachorientierte Zielsetzung hinzuarbeiten. Also wirklich eben mit Fakten, mit Sachargumenten. Es war oft extrem mühsam, gerade diese Marktordnungsverhandlungen. Und von dort rührt ja auch einmal meine Augen, also 90 Prozent der Energie ist notwendig, um Widerstände zu überwinden. Das eine, also wirklich eine sehr sachorientierte Lösungsorientierung. Und das zweite, Verlässlichkeit. Die Handschlagqualität, das war das Um und Auf. Und das war ja, als ich mit dem Vorschlag gekommen bin, ich brauche ein neues Agrarbudget, aber ich verpflichte mich, das bleibt vier Jahre stabil. Und da hat der Minister gesagt, ja, das versprechen Sie jetzt, aber ich habe ja keine Sicherheit, dass Sie das dann auch einhalten. Ich habe gesagt, aber ich stehe dafür ein, dass das halten wird. Und wir haben das dann ja auch in das Regierungsübereinkommen hineingeschrieben. Genau die Budgetzahlen und die sind vier Jahre stabil. Es war dann sogar für mich ein Vorteil, weil ja dann so wie jetzt lineare Budgetkürzungen verordnet wurden und mein stabilisierter Teil ist aber stabil geblieben.
Willy
01:47:22
Das konnte ich aber an dem Beginn.
Josef
01:47:24
Aber noch nicht wissen. Aber wir aber wirklich für mich war klar, ich halte das ein. Und auch Franz Fischler als mein Nachfolger hat das dann ebenso umgesetzt. Also diese zwei Komponenten waren es, glaube ich, die Sachlösung und die Vertragstreue.
Willy
01:47:42
Aber was haben wir verloren? Warum funktioniert das gefühlterweise? Vielleicht sagst du jetzt, das funktioniert eh, aber es kommt nicht mehr nach außen. Was haben wir denn verloren.
Josef
01:47:52
Dass das jetzt so schwierig wird,
Willy
01:47:53
Auf einmal gefühlter? Ja, es ist viel zum Reden im Podcast, gell?
Josef
01:48:04
Ja, es sind einerseits, ich glaube, die Polarisierungen sind stärker geworden, auch die politische Aufsplitterung ist stärker geworden. Und ich muss schon sagen, mit dem Auftreten von Jörg Haider als Parteiobmann der FPÖ ist ein anderer Stil in die Politik gekommen, nämlich wirklich der Stil der persönlichen Diffamierung. Wenn ich bei aller Gegensätzlichkeit, und gerade Landwirtschaftsminister Haydn war ein brutaler Ideologe oder auch ein brutaler Machtpolitiker. Aber es war trotzdem so, dass wir uns persönlich nie verunglimpft haben. Wir haben im Nationalrat harte Wortgefechte gehabt, aber die waren immer sachbezogen. Wir haben gesagt, das und das und das, was Sie machen, ist falsch aus dem und dem Grund. Und er hat es mir versucht, deutlich zu machen, dass es so sein soll. Aber wir haben uns nie auf der Persönlichkeit, und das war, glaube ich, insgesamt so. Und dieses Element, den anderen verbal zu diffamieren, bloßzustellen, lächerlich zu machen, das war ein Stil, der erst mit Jörg Haider über die FPÖ in die allgemeine Politik hereingekommen ist. Und der hat dann eigentlich in der letzten Regierung auch mit diesem Vernichtungszug Kurz muss weg und mit dieser Aggressivität in Untersuchungsausschüssen und mit der Verquickung politischer Auseinandersetzungen, mit rechtlichen Auseinandersetzungen und eben mit diesem Verdächtigmachen in Untersuchungsausschusses, mit medialer Vorverurteilung, das hat das politische Klima schwerst geschädigt.
Willy
01:50:24
Aber kriegen wir diesen Geist, der ist ja nicht nur in Österreich, heute war ich sehr, sehr früh, aber ich war ja nicht der Einzige, das ist ein europäisches oder globales Phänomen eigentlich. Richtig. Kriegen wir den Geist wieder irgendwie in die Flaschen oder ist der jetzt draußen? Und wenn ja, wie würde uns sowas gelingen?
Josef
01:50:40
Es ist einmal der Geist aus der Flasche und das Wiedereinfangen wird mühsam. Aber es muss gelingen, Sonst geht unser demokratisches System den Bach runter. Und wenn jetzt so nebenbei gesagt, es ist ja... Es zieht sich eigentlich momentan global durch, dass ein Hang hin zu neuen autoritären faschistoiden Systemen im Gang ist.
Willy
01:51:08
Das ist eine Pendelbewegung der Geschichte.
Josef
01:51:10
Ja, das ist hochgefährlich und ich hoffe ja wirklich, dass sich das freie Europa jetzt wirklich am Riemen reißt und sagt, wir müssen eine Bastion werden, die auch für politische Kultur steht. Und da sehe ich schon gewisse Chancen. Ich glaube, es ist jetzt in der Europäischen Union angekommen, dass es Zeit zum Handeln ist.
Willy
01:51:41
Es gibt ja ein paar so politischen Kommentaren, Podcasts auch, immer wieder gehört, die Zeit der regelbasierten Weltpolitik oder generell der regelsbasierten Politik ist vorbei. Früher hat es sowas gegeben, du kommst ja aus der katholischen Kirche ja auch, es hat so Institutionen gegeben in der Welt, die haben einfach so eine gewisse Stabilität und Ordnung reingebracht. Du hast ja in dem anderen Podcast auch gesprochen von den Erfolgen, dass die Forderungen der ökosozialen Marktwirtschaft, Agrarwirtschaft und Marktwirtschaft später auch in der UNO untergebracht haben. UN ist ja auch so eine Metaebene wie die Politik, wie die katholische Kirche, die lange Zeit irgendwie Stabilität gegeben hat und wir haben uns, das ist ja diese regelbasierte Ordnung, auf die wir uns geeinigt haben, dass wir diese Regeln einfach befolgen. So ein bisschen, wie du es gesagt hast, Minhaider hat ein bisschen die Regeln gebrochen, jetzt sieht man es gerade ganz massiv natürlich in den USA etc. Was hilft uns, diese Metaebene, die so lange stabil war, wie kriegen wir die wieder zurück? Weil die merkt man, die zerfällt jetzt, die hat keine Wirkung mehr. Aber ohne die geht es halt auch.
Josef
01:52:50
So ist es.
Willy
01:52:51
Wie kommen wir da wieder hin?
Josef
01:52:52
Ich weiß es momentan auch nicht, aber vielleicht können wir das einschieben. Die ökosoziale Agrarpolitik war also eine wirkliche Erfolgsgeschichte und sie hat auch große Aufmerksamkeit ausgelöst, sowohl innenpolitisch wie auch europapolitisch. Ich habe dann Viele Einladungen bekommen in alle möglichen Institutionen, um einfach das darzulegen. Und innerhalb der Volkspartei, ich glaube es war da Walter Heinzinger und irgendwo auch Wolfgang Schüssel und einige, die gesagt haben, diese ökosoziale Agrarpolitik ist eigentlich eine interessante Geschichte, können wir aus der nicht mehr machen. Und aus dem heraus ist ja dann die Idee der ökosozialen Marktwirtschaft entstanden. Und als ich dann im Mai 1989 Parteiobmann wurde, habe ich gesagt, die ökosoziale Marktwirtschaft wird unser neues Markenzeichen. Und wir haben dann in der ÖVP eine Arbeitsgruppe eingerichtet, mit jungen Wissenschaftlern unterstützt, Genau. Ein erstes Konzept auszuarbeiten unter dem Titel ökosoziale Marktwirtschaft.
Willy
01:54:25
Da ist quasi die Agrarwirtschaft zur Marktwirtschaft geworden.
Josef
01:54:29
Bei den Schritten habe ich noch nicht erkannt. Das war also wirklich das erste durchformulierte Konzept, die soziale Marktwirtschaft zur ökosozialen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln.
Willy
01:54:41
Am Zukunftsparteitag 1989.
Josef
01:54:44
Und zwar, kurz gesagt, ist es darum gegangen, eben die soziale Marktwirtschaft war ja das Balancemodell, Wirtschaft, Arbeitnehmer, auch im Sinne der katholischen Soziallehre. Und jetzt ist es darum gegangen, das Prinzip der Nachhaltigkeit, Den Schutz des Lebensraumes in ein solches Modell zu integrieren.
Willy
01:55:09
Genau, weil die hat uns noch gefehlt irgendwie. Hat gefehlt, ja.
Josef
01:55:11
Und die ist ja dann immer drängender geworden. Das Umweltproblem wurde immer massiver. Und als Umweltlandesrat habe ich das ja sehr hautnah erlebt. Und daher war meine Überzeugung, Wir müssen in das Wirtschaftsgefüge, In das Preiskostengefüge den Schutz des Lebensraumes integrieren. Das heißt einfach ökologische Kostenbarheit, Verursacherprinzip und auch den Umbau bei Steuern und Förderungen, damit sich das ökologisch Notwendige auch wirtschaftlich rechnet. Das war der Grundgedanke.
Willy
01:55:46
Entschuldigung, darf ich da ganz kurz fragen, nur so ein bisschen zusammenfassen. Du kommst ja eigentlich so gesehen jetzt aus der Landwirtschaft, kommst über die Wahrnehmung der Landwirtschaft, über deine unterschiedlichen Funktionen und nebenbei Kirche, glaube, in die Politik, Versuchst quasi erst einmal in der Landwirtschaft soziale Rahmenbedingungen auch wieder einzuführen. Merkst dann, okay, wie zieht es eher in die Bundespolitik, kommst dann quasi aus der Landwirtschaft raus, eher allgemein in die Politik, also das Herz komprimiert und irgendwo bei dem Ganzen, wo dann jetzt quasi Wirtschaft ist, wir kriegen das wirtschaftlich auch im Verhältnis mit der EWG damals noch, soziale Faktoren, also die Landwirte auch ein bisschen absichern, besser absichern und irgendwann kommt dann dieses ökologische Momentum dann noch dazu, weil das ist relativ spät dann und es ist in den 89 Jahren, du hättest das als Umweltlandesrat, einfach ignorieren können. Damals haben viele noch das ökologische Momentum, heute sogar noch teilweise. Aber wodurch ist das dann dazugekommen?
Josef
01:56:50
Naja, bei mir ist das eigentlich schon, Hat auch einen langen Vorlauf gehabt. Das eigentliche Momentum für mich war der erste Bericht des Klapp auf Rom 1972.
Willy
01:57:01
Medos.
Josef
01:57:01
Ja genau, Medos. Das war für mich wirklich ein Aha-Erlebnis, weil Ich bin ja Als BOKU-Student noch voll in der technologie-euphorischen Phase zivilisiert worden. Der technische Fortschritt war gut.
Willy
01:57:18
Die zahl sich bis heute durch.
Josef
01:57:19
Und dort habe ich erstmals, das ist mir so klar geworden, mit diesen Kurven, die da...
Willy
01:57:24
Begrenzen des Wachstums, das ist mir erstmals bewusst geworden.
Josef
01:57:28
Ja, wir leben auf einem begrenzten Planeten. Und das kann nicht immer alles nur nach oben gehen. Ja, das hat mich dann im Hinterkopf schon begleitet. Da in diesem Programm Lebenschancen im ländlichen Raum ist das dann schon etwas stärker angeklungen. Der Umweltlandesrat war für mich innerlich ein ganz starker Schub in diese Richtung. Und als ich dann Parteiobmann geworden bin, habe ich gesagt, das ist eigentlich, das muss unser Erkennungsmerkmal werden. Dass wir eben Wirtschaft, Soziales und Ökologie in einem gesellschaftspolitischen Modell zusammenführen. Und das haben wir dann versucht einmal zu formulieren. Und in dem Sinn war das wirklich eine Weltneuheit. Dieser Gedanke ist erstmals von uns in der Form formuliert worden. Wir haben dann auch versucht, das sowohl nach innen wie nach außen zu kommunizieren. Wir waren auch ein bisschen euphorisch, auch in Richtung der Wahlauseinandersetzung, dass wir eine tolle Geschichte haben. Wie bekannt, die Wahl war eine schwere Enttäuschung. Einfach weil ich vordergründig zwischen Frau Nitzke und Haider irgendwo aufgerieben wurde. Und das war dann für mich auch der Anlass, mich aus der Tagespolitik geordnet zurückzuziehen. Also ich habe mir gesagt, Wahlniederlage, okay, Regierungsverhandlung, Parteireform und personelle Erneuerung innerhalb eines Jahres. Und ich habe das dann auch so umgesetzt.
Willy
01:59:24
Ist damals die Idee der ökosozialen Marktwirtschaft als Idee gescheit oder hast du einfach einen blöden Zeitpunkt erwischt?
Josef
01:59:28
An der Idee nicht, also es war damals durch eine Aufbruchsstimmung in die Richtung, die dann später wieder total verflogen ist, auf das komme ich dann auch noch, sondern gescheitert wirklich an den Vordergründigkeiten eben der Personalisierung, die sich da zwischen Franitzke und Haider hochgeturnt hat.
Willy
01:59:51
Also die Bohle eigentlich?
Josef
01:59:52
Genau, die wurde dann zwischeneingezwickt. Aber zur äußeren Situation, Wie gesagt, in der Zeit, Am Beginn der 1990er-Jahre, gab es ja zunächst den Brundtland-Report im Auftrag der UNO. Es gab 1992 die erste große, bitte?
Willy
02:00:13
Von Bankimung, glaube ich, den Auftrag gegeben?
Josef
02:00:15
Ja, der war seitgleich mit mir eigentlich so zwischen 1988, 1989, 1990. 1992 war die große Rio-Konferenz für Nachhaltigkeit und Entwicklung. Also dort wurden eigentlich erstmals diese Pfeiler eingeschlagen, dass es darum geht, Nachhaltigkeit zum Ordnungsprinzip zu machen. In der Folge gab es ja dann das Kyoto-Protokoll, wo man schon erkannt hat, wir müssen die Treibhausgase reduzieren. Also da war ich mit meinem Modell goldrichtig. Das hat aber nur bis etwa 1994 angedauert, denn dann kam von den USA der Pendelschlag, die reinen Schrauben, Ich soll sagen, Marktradikalen haben sich dort durchgesetzt und die USA haben mit der Welthandelsorganisation, mit der Freizügigkeit der Finanzmärkte, mit einer rein profitgetriebenen Globalisierung eine völlig andere Entwicklung aufs Auge gedrückt.
Willy
02:01:27
Was war eigentlich in dieser Zeit, der Goldstandard wurde ja aufgekündigt, also die Bindung des, Das war eine Liberalisierungswelle, 89 der Mauerfall, quasi wie der Sieg über das, das war so ein bisschen dieses Aufatmen, jetzt hat sich der Markt durchgesetzt wahrscheinlich, oder?
Josef
02:01:45
Also es war von den Amerikanern so, unser System hat gesiegt, das heißt das kapitalistische System gegenüber dem kommunistischen.
Willy
02:01:53
Und jetzt gehen wir folgendes.
Josef
02:01:54
Und das europäische Modell war immer ein anderes. Das europäische Modell war das der sozialen Marktwirtschaft in unterschiedlichen Ausprägungen. Das europäische Modell wurde überrollt. Zum Teil hat man sich auch dann daran angehängt. Zum Teil ist man überrollt worden. Also jedenfalls, es hat dann nur mehr die profitgetriebene Globalisierung dominiert. Und wir waren auf einmal zu Exoten verurteilt. Ich habe dann das Ökosoziale Forum gegründet, um das Pflänzchen weiter zu pflegen. Und das hat eigentlich angedauert bis 2008, bis dann die große Spekulationsblase zusammengestürzt ist.
Willy
02:02:38
Die Immobilienblase, die große.
Josef
02:02:39
Genau, mit der Limmenpleite und wo dann die Gefahr bestand, dass die Weltökonomie überhaupt zusammenbricht. Und dann ist Eigentlich das Umdenken gekommen und in der Zeit haben wir aber es geschafft, eine gewisse geistige Vorarbeit zu leisten. Es waren dann wieder Zufälle, dass ich zum Beispiel mit Franz-Josef Radermacher, einem herausragenden deutschen Wirtschaftswissenschaftler, in Kontakt gekommen bin. Und wir haben dann versucht, Die Idee der ökosozialen Marktwirtschaft auf die globale Ebene zu heben. Wir haben das dann genannt Global Marshall Plan für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft. Das heißt eben ein wirklich regelbasiertes System einer Global Governance, das heißt einer weltpolitischen und wirtschaftlichen Gestaltung. Unsere Überlegung war die, wir haben die Instrumente, wir haben die UNO, Wir haben die Welthandelsorganisation.
Willy
02:03:47
Die großen Institutionen.
Josef
02:03:49
Wir haben verschiedene andere. Wir haben den Internationalen Währungsfonds, Wir haben die Weltbank, Wir haben internationale Verträge, wir haben die Folgeaktivitäten der Rio-Konferenz. Es gab ja dann schon das Kyoto-Protokoll, wenn wir diese Dinge verschränken und auf der anderen Seite auch versuchen, einen finanziellen Ausgleich zwischen Nord und Süd anzusteuern. Und unsere Grundüberlegung damals war, dass wir zumindest die Hälfte der Rüstungsausgaben für Entwicklungszusammenarbeit aufbringen, um eben dann Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne des damaligen Marshall-Plans nach dem Zweiten Weltkrieg. Das war unsere Überlegung. Und wir haben halt versucht, mit unseren bescheiden Möglichkeiten das möglichst international bekannt zu machen. Und es ist uns dann tatsächlich gelungen, als Ban Ki-moon Generalsekretär der UNO war, Mit dieser Idee bei ihm zu landen. Da hat wieder unser österreichischer Botschafter bei der UNO mitgewirkt, dass er da Papiere weitergetragen hat. Jedenfalls war es dann so, für mich das beglückende Jahr war dann 2015, da gab es zuerst die Enzyklika Laudato Si' vom Papst Franziskus. Dann wurde im September bei der Generalversammlung der UNO die nachhaltigen Entwicklungsziele beschlossen. Und diese 17 Sustainable Development Goals beinhalten eigentlich den Kern unserer Idee des Global Marshall Plan.
Willy
02:05:44
Die Züglicha ist ja im Prinzip ein Manifest für die Ökosozial- und Wachschöpfung.
Josef
02:05:48
Und dann gab noch im Dezember 2015 der Klimavertrag von Paris, wo sich die Staaten verpflichtet haben, an der Reduzierung der Treibhausgase entsprechend mitzuwirken. Also da haben wir gesagt, ja, jetzt haben wir ein Etappenziel erreicht. Das wäre aber nur kurz, denn 2016 gab es einen neuen amerikanischen Präsidenten namens Donald Trump und eine seiner ersten Maßnahmen war, aus dem Klimavertrag wieder auszusteigen und also den Returgang einzusteigen. Die vier Jahre haben wir glimpflich überstanden. Dann war die Hoffnung, Jetzt geht es wieder in die andere Richtung und jetzt geht es aber radikal in die verkehrte Richtung. Und zwar insgesamt. Ordnungspolitisch, demokratiepolitisch. Das heißt, jetzt ist der Moment der großen Sorge wirklich angebrochen.
Willy
02:06:50
Hast du da, das ist natürlich eine saublöde Frage, aber ich stelle sie trotzdem, hast du so eine Vermutung, was funktionieren könnte? Also was man politisch, aber politisch stehen wir irgendwie an, aber ich sage immer, Politik ist immer das Aggregat des Phänomens jeder Einzelentscheidung. Was kann ich machen, was kann man als Bürger machen, nicht verzweifeln?
Josef
02:07:10
Ich glaube, jetzt ist wirklich das Momentum für die Europäische Union gekommen. Die kann jetzt die Chance nützen, Zu einer globalen ordnungspolitischen Kraft zu werden. Aber in dem Sinne, Dass sie das Beispiel ist, dass lebendige Demokratie das attraktivere Modell für die Entwicklung der Menschheit ist. Und nicht die neuen Pseudo- oder Direktdiktaturen, die im Entstehen sind. Und dass es insgesamt gelingt, eine geistige Gegenbewegung zu entfachen, der sagt, das kann nicht der Weg in die Zukunft sein, wie jetzt von der Diktatur einiger Milliardäre in den USA und von der Diktatur in Russland und in China weltweit angezettelt wird. Also ich glaube, Wir sind hier wirklich in einer Schicksalstunde der Menschheit angelangt.
Willy
02:08:24
Ich spring da jetzt gerne noch einmal zurück. Zum einen, wir müssen noch einmal ganz klar das Prinzip und die wichtigen, die wesentlichen Faktoren der ökosozialen Marktwirtschaft noch einmal klar auf den Tisch legen, dass das quasi so in einem zehnminütigen Privatissimum, dass wir das dann auch einmal haben. Das andere war, du hast damals gesagt, 1987 hast du angefangen mit 600 Biobau, bis 1995 hast du geschafft, auf 20.000 zu kommen. Wie schafft man das in so kurzer Zeit, so viele Menschen, so viele Betriebe dazu zu überzeugen, auf Bio umzustellen?
Josef
02:09:00
Ja, es waren schon zwei Dinge. Erstens ist es mir gelungen, mit meinem Antreten, mit dieser Idee der ökosozialen Agrarpolitik, einfach ein attraktives Zukunftsmodell zu präsentieren.
Willy
02:09:19
Eine Vision.
Josef
02:09:19
Ja, also es war wie in einem Vakuum, da gibt es ja eine Idee,
Willy
02:09:30
Wir sind ja in einem Vakuum quasi wieder.
Josef
02:09:32
Und vor allem sind... Die geistig virulenten Kräfte innerhalb der Bauernschaft sind voll aufgesprungen. Es waren also die… Die haben geschlummert,
Willy
02:09:45
Bist du da ein bisschen.
Josef
02:09:46
Ja, es waren zum Beispiel all die Leute, die in der landwirtschaftlichen Beratung tätig sind. Die Lehrer in den landwirtschaftlichen Schulen. Die Leute in der Landjugend. Die jungen Bauern. Auf einmal haben sie gesagt, ja hoppla, wir haben ja eine Idee. Ja, das war wirklich fast wie eine Explosion. Das war also die eine Seite eine Aufbruchsstimmung und auf der anderen Seite auf einmal erstens eine offizielle Anerkennung. Als Biobauer bist du kein Spinner, sondern du bist eigentlich an der Spitze der Bewegung.
Willy
02:10:26
Eine Legitimierung.
Josef
02:10:27
Ja, nicht nur eine Legitimierung, sondern überhaupt eine hohe Aufwertung des Status. Du kehrst zur Spitze der Entwicklung. Du bist nicht der, der jetzt ins Vorgestern zurück will. Gekoppelt mit einer attraktiven finanziellen Förderung. Und ich muss sagen, der Franz Fischler hat das als Landwirtschaftsminister wirklich großartig gemacht. Eigentlich sind wir ungefähr in der Größenordnung bis heute geblieben. Wir sind heute bei ungefähr 25.000 oder 23.000. Es hat jedenfalls stabil gehalten. Und diese Grundprinzipien der ökosozialen Agrarpolitik haben sich ja dann auch in der europäischen Entwicklung immer mehr durchgesetzt. Und ich muss noch einmal Franz Fischler lobend hervorheben. Also er hat das in Österreich echt weiter gut verankert. Meine Zeit war leider zu kurz, um das voll implantieren zu können.
Willy
02:11:36
Traust du ihm noch? Traust du dem auch ein bisschen nach?
Josef
02:11:40
An sich schon, ja. Ich hätte gerne das Werk weitergeführt. Aber es war, wie es sich so geht. Und er hat ja dann diesen geistigen Fundus auch als Kommissar nach Brüssel mitgenommen. Er ist zwar manchmal nicht sofort verstanden worden. Und er war ja dann in der EG, dieses Riesenschiff der gemeinsamen Agrarpolitik in eine andere Richtung umzupolen, das war ja ein gewaltiges Vorhaben. Man muss sich ja vorstellen, Diese gemeinsame Agrarpolitik war ja zuerst einmal nur für Großstrukturen ausgerichtet.
Willy
02:12:19
Flächenförderung.
Josef
02:12:19
Ja, zunächst einmal unbegrenzt produzieren zu garantierten Preisen. Und dann ist man ja sehr schnell bei den Milchseen und Getreidebergen gelandet.
Willy
02:12:30
Genau, ja.
Josef
02:12:30
Dann kam, als die WTO Realität wurde, dann sind ja Subventionen in der Landwirtschaft verboten worden, Also keine Exportstützungen mehr. Damit war das EWG-Agrarmodell obsolet. Und dann gab es 1992 die McSherry-Reform. Das heißt, man ist von garantierten Produktpreisen umgestiegen, freie Marktpreise, aber dafür Direktförderungen, also Direktzahlungen. Das waren dann Zahlungen pro Hektar Ackerland, beziehungsweise pro V-Einheit in der Master-Rinder-Produktion, also in diesen Bereichen. Franz Wischler hat dann, als er Agrarkommissar geworden ist, 1996 eine große Konferenz in Kork in Irland organisiert, wo erstmals das Konzept ländliche Entwicklung geschah. In die gemeinsame Agrarpolitik eingeführt wurde. 1997 hat dann der Agrarministerrat als Gesetzgeber für Agrarpolitik das sogenannte europäische Modell beschlossen, mit den Begriffen multifunktional, also nicht nur Produktion, sondern auch Gestaltung der Landschaft, Erhaltung der Umwelt, Tiergesundheit etc. Etc. Multifunktional, flächendeckend, das heißt also auch in den benachteiligten Regionen soll die Landwirtschaft als Bewirtschaftungsfaktor erhalten bleiben, aber auch wettbewerbsfähig. Und dann gab es noch weitere Rahmenbedingungen wie eben Ernährungssicherheit, Gesundheit und garantierte Qualität für die Verbraucher etc. Das ist das sogenannte europäische Modell. Und 1999 wurde dann im Rahmen der Agenda 2000 dieser Ansatz in die gemeinsame Agrarpolitik integriert. Es gab dann die Umstellung, die große Umstellung, erste Säule die traditionellen Direktzahlungen, also flächenbasiert, flächenbezogen oder tierbezogen, aber als zweite Säule ländliche Entwicklung. Und das war eigentlich der Teil aus der ökosozialen Agrarpolitik, Umweltprogramm, Unterstützung benachteiligter Gebiete, Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten, Lieder und so weiter, was eben dann entstanden ist. Es gab dann vom Fischler 2003 noch einmal eine große Reform angesichts der bevorstehenden Beitritte der mittelosteuropäischen Länder mit riesigen Produktionspotenzialen. Hat er erkannt, mit den produktionsbezogenen Direktzahlungen schaffen wir das nicht. Daher hat er dann die Entkoppelung vorgenommen. Keine produktionsbezogenen Direktzahlungen mehr, sondern produktionsunabhängige Betriebsprämien. Eben einen bestimmten Fixbetrag pro Hektar Ackergrünland bzw. Tiereinheit, unabhängig davon, was und wie viel du produzierst. Und dieses Prinzip haben wir eigentlich bis heute. Es ist dann immer nachgeschärft worden mit mehr Auflagen in Richtung der Umwelt, in Richtung Ertragsbegrenzungen etc. Aber im Prinzip sind diese beiden Reformen zwei Säulenmodell und Entkoppelung von der Produktion heute Grundlage für die gemeinsame Agrarpolitik.
Willy
02:16:22
In Österreich ist ja das dann quasi das ÖPUL-Programm.
Josef
02:16:26
In Österreich haben wir von Beginn an, das waren die zwei großen Instrumente, die uns in der EU das Überleben überhaupt gesichert haben, das war das ÖPUL. Und ich finde das großartig, dass man einfach ganz klar definierte Leistungen, die für die Umwelt erbracht werden, mit ganz konkret fixierten Bezahlungen koppelt. Das heißt, es wird direkt Leistungsabgeltung ganz konkret maßnahmenbezogen durchgeführt.
Willy
02:16:54
Da gibt es die Kritik, dass es nicht einkommenswirksam sein darf, glaube ich, hat man mal gesagt. Also das sind quasi nur die Aufwände, die quasi für die Erbringung der Umweltleistung abgegolten werden, aber es darf kein zusätzliches Einkommen darauf generiert werden.
Josef
02:17:06
Das ist richtig. Es wird praktisch nur die Umweltauflage honoriert.
Willy
02:17:10
Also es besteht kein Anreiz, darüber hinaus quasi zu machen, aber es wird zumindest der Mehrwert.
Josef
02:17:15
Ist es nicht, genau. Genau, das stimmt. Ja, ist auch so konzipiert oder gedacht. Aber das zweite Instrument, das ist dann schon einkommensbezogen, das sind die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete. Und dass wir die bergbaren Gebiete heute, es ist ja eigentlich heute so, wenn man den Strukturwandel anschaut, Die Bergbauerngebiete sind stabiler, was die Anzahl der Höfe anlangt, Als die Gunstgebiete. Und da spielt die Ausgleichszulage eine beachtliche Rolle, weil das ist eine gewisse einkommensmäßige Absicherung.
Willy
02:17:52
Wo die Fläche nicht so einen großen Flatsch.
Josef
02:17:54
Abgesehen davon, dass es auch einen Mentalitätsunterschied gibt. Also ich glaube, dass die bergbäuerliche Bevölkerung einfach wie soll ich sagen, bodenverbundener oder auch widerstandsfähiger ist.
Willy
02:18:12
Wir kommen zurück zu deinen Wurzeln.
Josef
02:18:14
Ja, richtig.
Willy
02:18:14
Je steiler desto widerstandsfähig.
Josef
02:18:17
Ich muss sagen, vor einigen Jahren einmal war ich mit meiner Frau einige Zeit intensiv in der Region um Oberwölz unterwegs, im Bezirk Murau. Und ich muss sagen, ich bin von einer Begeisterung in die andere gefallen, Wenn ich die schmucken Bergbauernhöfe gesehen habe, wo man wirklich merkt, mit welcher Freude die Familien an ihrem Hof hängen, wie sie den nicht nur bewirtschaften, sondern den zu einem Schmuckkaster machen. Natürlich sehr viel im Nebenerwerb. Multifunktionär. Und natürlich zum Teil auch, Gott sei Dank, mit einer gewissen Waldausstattung. Aber es war wirklich eine Freude zu erleben, wie vital diese bergbäuerlichen Regionen sind. Natürlich gibt es auch Probleme In der Region, das ist schon klar. Aber eigentlich ist uns da schon einiges gelungen.
Willy
02:19:11
Da sind wir ja wieder im Prinzip im Kern der ökosozialen Marktwirtschaft, da sind wir dann im Kern auch, wenn es darum geht, eine Kostenbarkeit herzustellen, nämlich den gesamtgesellschaftlichen Mehrwert eines Hofes zu adressieren. Denn es ist ja mehr wie das, was er produziert, es ist ja das, was du sagst, sondern es gibt ja, Kulturraumerhaltung, Tourismus, was weiß ich, was er meint, dass das irgendwie adressiert wird. Wie sehr war, wir haben vorher den Club of Rome erwähnt, du hast ihn erwähnt, wie sehr war der Schuhmacher mit seinem Small is Beautiful, der im Prinzip ja auch nur zwei, drei Jahre später den Wert der kleinen Strukturen ja hochgegeben hat. Das Unterschied zwischen Kapital und der Traube war das auch.
Josef
02:19:53
Das war bei uns ein ganz starkes Motiv auch für dieses Programm, Lebenschancen im ländlichen Raum. Weil natürlich ist dann durch die Globalisierung, wie sie dann ab Mitte der 90er Jahre gelaufen ist, hat vieles an unseren Strukturen zerstört, überhaupt keine Frage. Einerseits, weil die öffentlichen Haushalte massiv unter Druck gebracht wurden und weil einfach dieser Druck zu großen Wirtschaftsstrukturen massiv forciert wurde. Also das haben wir leider auch nicht wirklich voll kompensieren können, sondern ich habe ja als Landesart zum Beispiel, ich war da auch für Raumordnung und eben für Umwelt zuständig, versucht gegen diese Seuche der neuen Einkaufszentren rund um die Orte herum etwas zu tun.
Willy
02:20:46
Also wo die Ortskennen dann fährt?
Josef
02:20:48
Ja, also ich habe zum Beispiel einen wirklichen heftigen Kampf ausgetragen gegen das entstehende Zentrum Sajersberg im Westen von Graz, wo ich mich damals bemüht, Instrumente zu schaffen, Orte zu ermutigen, in ihre Erneuerung, in ihre Kernerneuerung etwas zu tun. Aber leider ist, wie gesagt, da wirklich vieles zugrunde gerichtet worden.
Willy
02:21:23
Wieso ich vorher zurück von der großen Ebene zu den Biobauern gegangen bin? Da ist mir ein bisschen gegangen um das Weltbild, was wir zugrunde legen, oder das Menschenbild, was wir auch zugrunde legen. Weil im Endeffekt, wie viele von diesen eigentlich fast 20.000 Biobauern, die da mehr worden sind in dieser Zeit, wie viele haben begonnen, weil sich auch die Förderstruktur, also der monetäre Anreiz quasi positiv auf die Hofumstellung ausgewirkt hat, wie viele würden dann auch wieder aufhören, wenn die monetären Anreize wegfallen würden. Also wie sehr sind wir von einer Vision zu beflügeln und wie sehr muss es immer quasi einen Sorgen.
Josef
02:22:06
Mehr… Es ist, glaube ich, beides da. Und es ist auch irgendwo nachvollziehbar, warum dieser Anstieg der biologisch arbeitenden Bauern vor allem im bergbeulich-grün-milchproduzierenden Gebiet am stärksten ist, weil es dort auch wirtschaftlich am naheliegendsten ist oder am attraktivsten ist, das umzusetzen. Es ist im Getreidebereich oder in Sparten der Veredelungswirtschaft schwieriger. Also die größten Anteile haben wir bei der Milchproduktion, haben wir in diesen bergbäuerlich grünlandorientierten Gebieten. Klar spielt die Förderung und damit auch der betriebswirtschaftliche Effekt eine Rolle. Sonst wäre dieser schnelle Anstieg auch nicht zustande gekommen. Aber ich glaube schon, Dass auch der ideelle Ansatz gleichzeitig mitgewachsen ist oder zumindest auch ermutigt wurde.
Willy
02:23:04
Ein Gedanke, der mich schon seit Langem inzwischen ein bisschen verfolgt ist, wie müssen wir, auf die Landwirtschaft als Teil einer Volkswirtschaft blicken, was ist da der richtige Blick, weil wenn man ein bisschen zurückschaut von einer Subsistenzwirtschaft, die haben wir heute schon berichtet, hin, auf einmal waren wir am Markt, am Markt sind wir schnell in eine Überproduktion gekommen, dann sind schnell irgendwelche Förderungen da gewesen, jetzt sind wir wieder in die EU, da gibt es auch wieder alles mit Förderung, irgendwie versuchen man die Landwirtschaft zu erhalten, aber immer mit Förderungen, was ich auch habe in meinem Podcast zum Thema Suizid in der Landwirtschaft auch gehört, dass ich quasi diese fremdbestimmte, weil du hast ja vor der Freiheit vorher auch schon geredet, diese fremdbestimmte durch Förderungen sehr, sehr schlecht auf die Selbstwirksamkeit zu empfinden und so auf die Psyche von vielen Menschen auch auswirkt. Was ist Landwirtschaft eigentlich? Kehrt Landwirtschaft auf den Markt, gehandelt? Oder ist Landwirtschaft viel mehr so etwas wie ein Merit-Gut oder ein Gemeingut eigentlich, wo wir aus Gesellschaft, aus Volkswirtschaft, innerhalb von nationalen Grenzen schauen müssen, dass wir das quasi als Grundvoraussetzung zu masslerische Bedürfnispyramide, wir müssen was essen, wir müssen was trinken, wir brauchen ein Dach über den Kopf, bevor wir da Mikrochips und Selbstverwirklichung machen, müsste man das Bild, das ist jetzt wirklich eine steile These einfach einmal, müsste man den Blick auf Landwirtschaft, nicht einmal ganz radikal ändern und sagen, das ist eigentlich kein Marktgut, sondern das ist etwas, das wir uns als Gesellschaft. Leisten müssen und dann quasi Förderungen aus einer ganz anderen Entwicklung nicht völlig neu denkt. Also wirklich eine radikale Frage. Das wäre überaus wünschenswert.
Josef
02:24:45
Wobei ich sage, es gibt verständnismäßig durchaus positive Ansätze. Ich glaube, dass die Wertschätzung für die Bauernschaft heute höher ist, als sie vor Jahrzehnten war. Und der Bauer wird auch wahrgenommen als ein positiver Faktor. Also es ist heute nicht mehr das Bild des dummen Bauern, sondern man weiß heute, Bauer sein erfordert hohe Intelligenz, erfordert hohes technologisches Können, er fordert ungeheures Wissen in den vielen produktionstechnischen Bereichen, er fordert aber auch unternehmerisches Agieren. Die Diskrepanz ist nur, wie kann ich ein solches gesellschaftliches Grundverständnis auch in wirtschaftliche Realitäten umsetzen. Das heißt, wo ist das Problem? Das Problem ist, dass wir auf der marktwirtschaftlichen Seite eine Konzentration im Lebensmittelhandel haben Und dass der Konkurrenzkampf zwischen den Giganten des Lebensmittelhandels in einem hohen Maß über den Preisdruck gerade bei Lebensmitteln ausgetragen wird. Nicht nur, aber auch bei Lebensmitteln. Und dieser Preisdruck wird ja dann an die Verarbeiter und an die Konsumenten weitergegeben. Also hier haben wir eine riesige Diskrepanz zwischen einerseits der Notwendigkeit, eigentlich einem gewissen Grundverständnis und der wirtschaftlichen Realität. Und da haben wir derzeit noch keine Lösung, muss man ganz offen sagen. Ich meine, es gibt Bemühungen, sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene, dass diese Diskriminierungen gegenüber den heimischen Agrarprodukten etwas eingeschränkt werden, aber sehr viel ist uns bisher da noch nicht gelungen. Wir haben ja auch das Problem in völlig freien Märkten, dass halt dann die Billigprodukte von irgendwoher importiert werden, die unter völlig anderen Produktionsbedingungen erzeugt werden als die heimischen und dann aber in direkter Konkurrenz stehen. Da sind wir erst am Beginn einer Entwicklung. Es ist etwas, was vorher in der Frage schon angeklungen ist. Ich glaube, was wir als Zukunftsbild für unsere österreichische Realität der Landwirtschaft brauchen, ist nicht der klassische landwirtschaftliche Familienbetrieb. Als wo eine Familie, einen Betrieb bearbeitet und Rohprodukte herstellt, sondern das Zukunftsbild für mich ist das landwirtschaftliche, das bäuerliche, landwirtschaftliche Unternehmen. Das heißt, im Vordergrund muss der unternehmerische Aspekt stehen in all den vielfältigen Möglichkeiten.
Willy
02:28:02
Also nicht rein auf die agrarische Ruhrproduktion?
Josef
02:28:05
Genau. Wir haben ja heute in vielen Bauernfamilien die Situation, dass es sehr unterschiedliche Berufsqualifikationen gibt. Es gibt junge Bauern, die eine Lehrerin heiraten oder junge Bauern, die selbst einen handwerklichen Beruf erlernt haben oder einen Beruf im Bereich der Wirtschaft oder was immer. Und ich glaube, die anfälligste Sparte in der Landwirtschaft ist der Rohstoffproduzent, der nur ein Produkt erzeugt. Und zwar das möglichst in großer Menge, wie das ja suggeriert wird. Sondern die Zukunftssicherheit sehe ich eigentlich dort, dass man versucht, eher auf mehreren Existenz- oder Einkommensbeinern zu stehen.
Willy
02:29:02
Ein diversifiziertes Portfolio.
Josef
02:29:05
Genau, richtig. Innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft. Ich sehe das auch in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis, dass ja auch gelebt wird. Das heißt, wir haben diese Entwicklung schon hin zur bäuerlichen, Es hat einmal ein Journalist, der so gesagt hat, ein moderner bäuerlicher Betrieb ist eigentlich ein kleiner Mischkonzern, wo eben die unterschiedlichsten Produkte, Berufs- und Wirtschaftsqualifikationen angewandt werden, je nachdem, was sich ergibt und was sich anbietet. Und ich glaube, in diese Richtung müssen wir hingehen. Und dann sehe ich auch durchaus ein hohes Maß an Stabilität, auch für die bayerischen Strukturen.
Willy
02:29:56
Das ist ein positives, ich habe ein Gespräch gehabt mit Alois Wohlfahrt, liebe Grüße Alois. Der hat etwas ähnliches gesagt, weil der hat aus seinem, ich glaube es war ein Schweinestell, das haben wir nicht, Schweinestell, der Rinderstall, hat der das erste Glasfasernetz bei ihm in Deutschland im Allgäu. Da hat er Glasfasernetz reingebaut und hat quasi dort das IT-Zentrum gemacht. Wie das nicht mehr funktioniert, hat er quasi aus dem gleichen Stall wieder gemacht eine Seniorenbetreuung, weil Bauernhof und das ist ja ein Volksmodell auch in der Seniorenbetreuung. Und der hat halt auch gesagt, man muss den Bauernhof mehr als Unternehmen betrachten und schauen, was kann auf diesem Stück Erde. Also nicht diese klassische Fokussierung auf agrarische Rohproduktion, sondern...
Josef
02:30:42
Genau, genau um das geht es. Und mir gefällt der Wigge auch sehr gut, in der bäuerlichen Presse, in der Steiermark verfrühe ich das, wird immer eine Bäuerin oder Bauer der Woche vorgestellt. Und das sind meistens, Weil die genau das leben. Und da fällt mir auf, dass oft unter ganz schwierigen äußeren Bedingungen, was die Betriebsgröße, was die Lage oder was die Steilheit des Betriebes anlangt, Erfolgsmodelle gemacht werden. Das geht halt in erster Linie um menschliche Qualitäten. Das heißt, ich muss unternehmerisch erfinderisch sein, also ich muss die Chancen erkennen.
Willy
02:31:24
Du musst unternehmen, ja.
Josef
02:31:26
Ich muss fleißig sein.
Willy
02:31:29
Jetzt kommen wir wieder.
Josef
02:31:30
Ich muss finanziell klug agieren. Vieles Unglück passiert ja mit unüberlegten Rieseninvestitionen, mit der Schuldenfalle und mit dem Zugrunde gehen von Betrieben. Das heißt, wenn ich was Neues, muss ich schauen, das muss ich organisch entwickeln. Ich muss schauen, geht das oder geht das nicht. Ich glaube, die menschliche Qualität ist das Um und Auf. Und die müssen wir einfach unterstützen durch die Bildungsangebote, durch die Angebote in der Information, in der Beratung und ob das jetzt das Geldinstitut ist oder die Landwirtschaftskammer oder andere Partner. Und auch ergänzt durch ein gescheites Netz von Gemeinschaften, dass man einfach die Kräfte auch bündelt. Das geht von der kleinen Erzeugergemeinschaft oder ganz interessant werden die Energiegemeinschaften. Da tut sich ein neues, tolles Feld auf. Wir sind dann auch zur Genossenschaft, die ich durchaus positiv sehe als Bindeglieder zwischen bäuerlicher Struktur und großen Marktstrukturen. Ich brauche irgendwo ein Transmissionsrad, das diese Überbrückung schafft.
Willy
02:32:56
Und auch groß bündelt, in dem Fall einfach unter Verhandlungsmacht aufbaut. Die Grundidee von den Genossenschaften ist, aber inwiefern, ich habe schon oft genug diesen Satz gehört von vielen Bauern, ja, wir denken halt nur in Förderungen. Also es sind diese Förderstruktur, die, was da aufgebaut worden ist, die, was zum Teil viele Betriebe würden ja ohne die Förderungen nicht mehr leben können. Ist das nicht so ein bisschen die Hineinführung des Bauerntums in so eine fremde oder selbstverschuldete Ummündigkeit, wie es so schön heißt? Weil woher sollte denn die Innovationskraft kommen? Woher sollte das kommen, wenn das so in so einem passiven System, Das ist ja in dem Podcast zum Thema Suizid in der Landwirtschaft rausgekommen, dass das ganz, ganz viele Menschen sehr, sehr belastet, diese Fremdbestimmtheit und Abhängigkeit. Gibt es da irgendwo einen positiven Weg raus aus dieser förderfinanzierten Mittelempfänger-Logik hin in ein selbstbewusstes, selbstbestimmteres System? Oder ist das einfach nur utopisch?
Josef
02:34:00
Ein Versuch war ja mit der Entkoppelung, dass man etwas weniger durch die Förderung in Produktionen hinein versucht wird. Herauskommen würden wir wirklich nur dann, wenn sich das globale Wirtschaftssystem in Richtung unseres ökosozialen Modells verändert.
Willy
02:34:24
Sagt hätten wir es ja noch.
Josef
02:34:26
Es ist wirklich so lange das globale System in die Richtung agiert, wie es derzeit tut, ist das wahnsinnig schwierig. Wobei eines ja schon auch interessant ist. Seit 2008 gibt es in der UNO ein neues Paradigma im Hinblick auf die Landwirtschaft. Früher war in der UNO die grüne Revolution, Chemie, Technik, Gibin. Inzwischen heißt es, das Modell ist die Familienlandwirtschaft. Und die UNO hat vor einigen Jahren eine Dekade der Familienlandwirtschaft ins Leben gerufen. Das darf man jetzt nicht überbewerten, Aber es ist immerhin ermutigend, Dass die Weltorganisation sagt, nicht die Agrarfabrik, nicht die Plantage und die Raubbau-Landwirtschaft ist gewollt, Sondern die Familienlandwirtschaft. Und jetzt eine Zahl, die das auch sehr verdeutlicht. Es gibt also, Wenn ich es Recht im Kopf habe, ungefähr 570 Millionen landwirtschaftliche Unternehmen weltweit. Davon sind 90 Prozent von Familien bewirtschaftet. Jetzt gehören natürlich die Millionen von Kleinstubsistenz-Landwirtschaften dazu, das ist ganz klar. Aber es ist auffallend, dass sie eigentlich global betrachtet die Familienlandwirtschaft das weitaus dominierende Modell ist. Und was noch eindrucksvoller ist, diese 90 Prozent haben zwar nur 25 Prozent der bewirtschafteten Fläche, aber sie leisten 80 Prozent der Welternährung. Weil auch die vielen Selbstversorgungsunternehmen... aber auch die marktproduzierenden, familiengeführten Unternehmen. Und insofern sollten wir eigentlich von daher auch eine Stärkung unserer Selbstbewusstseins bekommen.
Willy
02:36:49
Ja, die Frage ist nur, wie kommen wir dorthin, weil wir wissen, die Zahlen, das Bild war jetzt gut, weil diese Zahlen, dieses Verhältnis, glaube ich, haben viele Leute noch nicht gehört. Genau. Aber wir wissen es ja.
Josef
02:37:01
Ja, das Grundproblem ist, wie schaffen wir, dass diese Großstrukturen anders aufgestellt werden können. Da haben wir momentan noch keine wirkliche Lösung bei der Hand. In der Global Marshall Plan Initiative, unsere Vorstellung war ja, die Welthandelsorganisation zum Instrument für diese Umorientierung zu machen. Indem wir sagen, die Welthandelsorganisation sollte eben genau die sozialen und ökologischen Standards vorgeben, die dann auch im globalen Gefüge zu respektieren sind. Jetzt wissen wir, leider ist die Welthandelsorganisation weitgehend an den Rand gedrückt, weil man sich zu keinen Entscheidungen durchringen konnte. Wir sind viele andere Institutionen. Ja, leider. Ein anderes Instrument haben wir noch nicht.
Willy
02:38:08
Jetzt geht ein bisschen die Instanz auf.
Josef
02:38:09
Nein, ich würde sagen, momentan sind wir ja von einem Tag auf den anderen immer wieder fassungslos, was sich hier abspielt.
Willy
02:38:19
Also wirklich im Tagestag im Moment.
Josef
02:38:20
Es ist wirklich, es ist wirklich.
Willy
02:38:22
März 2025.
Josef
02:38:23
Man braucht nur die letzten zwei Wochen hernehmen und man sagt, man versteht ja die Welt bald nicht mehr. Und man weiß ja nicht, was kommt am nächsten Tag, was kommt nächste Woche. Also was ich damit sagen will, wir steuern in einem Riesentempo auf eine globale politische Katastrophe hin. Ich hoffe, dass sie nicht so eintritt wie vor 90 Jahren oder 80 Jahren, aber momentan ist es atemberaubend oder atembeklemmernd besser gesagt. Und eine Logik ergibt sich damit ganz klar, wir dürfen uns nicht mehr auf globale Lieferketten verlassen. Dieses Prinzip der globalen Arbeitsteilung und wir bekommen jederzeit alles zu Billigpreisen, woher wir wollen, das hat ausgedient. Das haben wir schon im Rahmen der Pandemie erleben müssen. Dass es auf einmal Medikamente nicht mehr gibt. Und der heikelste Punkt in dem Zusammenhang ist die Versorgung mit Lebensmitteln.
Willy
02:39:36
Das habe ich gemeint mit der Bedürfnispyramide.
Josef
02:39:38
Genau. Und ich glaube, das muss ein Weckruf sein. Die Autarkie beginnt dort, wo es um die Ernährung geht, wo es um das tägliche Essen geht. Und die Autarkie beginnt natürlich auch dort, wo es um meine Medikamente geht. Dann geht es also nicht mehr jetzt dort, wo kriege ich das Elektroauto billiger her, sondern was ist wirklich für die Existenz das Entscheidende. Und da, meines Erachtens, muss nicht ein Bewusstseinswandel, sondern ein Politikwandel erfolgen. Wir sagen, wir müssen wieder dorthin kommen, Dass es im Bereich der Lebensmittel Autarkie gibt. Das meine ich sowohl nationalstaatlich als auch europäisch.
Willy
02:40:25
Und gleichzeitig aber... Da wäre ich das Subsistenzprinzip wieder, worüber du gesprochen hast eigentlich im Prinzip, ne? Bitte? Das wäre im Prinzip, von der Idee her, das Subsistenzprinzip.
Josef
02:40:32
Ja, genau.
Willy
02:40:33
Versorge dich auf der niedersten Ebene, wo es möglich ist, also vielleicht klammern wir mal jetzt die einzelnen Haushalte, das wird aus, aber...
Josef
02:40:40
Richtig. Richtig, genau. Ja? Ja?
Willy
02:40:42
Aber besteht irgendwie die Möglichkeit, dass wir auf dieses Prinzip, und da waren wir wieder bei Schuhmacher mit Small as Beautiful, da wären wir wieder bei dem Resilienz und wir tun mal wieder renaturieren, alles, was man vorher begräutigt, haben. Also wir lernen ja eh. Aber gibt es irgendwie die Hoffnung, dass wir dieses Lernen, diese Erkenntnis aus Vernunft heraus gewinnen und nicht erst wieder durch Angst heraus?
Josef
02:41:03
Ja, mein Wunsch war immer, dass wir das aus Vernunft schaffen. Auch in der Frage Klimawandel haben wir gesagt, wir sind ja vernunftbegabte Menschen, wir müssen noch in der Lage sein, vorauszudenken. Das hat nicht funktioniert, sondern es kann wahrscheinlich erst unter Druck erfolgen. Ich sehe aber schon auch die positiven Beispiele. Bitte. Wenn ich konkret unsere Familie hernehme, wir versorgen uns eigentlich zum allergrößten Teil auf unserem regionalen Bauernmarkt. Mit Ausnahme der Dinge, die man halt beim Spar oder irgendwo kaufen muss. Also Salz und Zucker und deine...
Willy
02:41:47
Das wäre wie Flerer. Ja.
Josef
02:41:50
Aber ich wollte damit sagen, das heißt, sogar in einer, ich will nicht sagen Großstadt, aber in einer mittelgroßen Stadt, ist dieser direkte Zugang möglich. Graz ist ja die Stadt der Bauernmärkte.
Willy
02:42:04
Auch für Einkommensschwächere?
Josef
02:42:06
Ja, gerade für Einkommensschwächere.
Willy
02:42:08
Wieso? Man sagt immer, Bauernmarkt kostet mehr. Ist ja zum Teil so.
Josef
02:42:11
Nicht? Ja, nur.
Willy
02:42:12
Wie kann ich das sozial gerecht machen wieder?
Josef
02:42:15
Wenn ich aber, was auch aus gesundheitlichen Gründen gescheit wäre, von dem Überkonsum von Fleisch weggehe und vor allem von all dem ungesunden Zeug, das gekauft wird, zu mehr Gemüse, Obst, dann ist das auch von der preislichen Situation her eine attraktive Alternative. Das heißt wieder gescheite und gesunde Ernährung ist gleichzeitig gekoppelt auch mit einer kostengünstigen Ernährung. Also es gibt schon Ansätze, nur in den großen Strukturen haben wir es nicht geschafft.
Willy
02:42:59
Im kleinen dann?
Josef
02:43:00
Ja.
Willy
02:43:02
Aber das ist wieder, man merkt zwar ein bisschen, da ist so, die Antwort liegt irgendwo so drinnen, weg von diesen großen Strukturen. Wir gehen ja auch jetzt wieder, wie du gesagt hast, mit der Ernährungssicherheit. Wir haben in einer Zeit des Friedens, des globalen Friedens oder einem weitgehenden Friedens, haben wir eine Globalisierung aufgebaut. Ist ja auch gut, diese gegenseitige wechselnde Handelsabhängigkeit. Also die Idee ist ja nicht schlecht. Aber man sieht, sobald irgendwo eine Struktur bricht, diese großen Systeme sind extrem anfällig, also nicht sehr resilient, diese Versorgungsstrukturen. Und im Fall eines Konfliktes etc. Bist du halt wieder auf deine, in dem Fall politische Struktur, Nationalgrenzen zurückgeworfen. So ist es. Und das muss man halt, ich bin da der Fragesteller, der dir was angehört zu geben soll, aber mir erscheint es, das könnten sich doch alle denken, also so aus der Vernunft heraus und nicht warten, bis wieder...
Josef
02:43:52
Ja, wobei, ich glaube, jetzt ist wirklich der Punkt erreicht, jetzt muss gehandelt werden.
Willy
02:44:02
Ja, aber den Punkt, den haben wir seit dem Club of Rome gefühlt.
Josef
02:44:05
Ja, aber nur jetzt ist es dramatisch. Und ich glaube, zumindest für Europa hoffe ich, dass nicht nur verstanden wird, jetzt müssen wir massiv aufrüsten, sondern dass auch verstanden wird, wie geht es insgesamt um unsere Zukunftssicherheit. Und die beginnt bei den Lebensmitteln. Und die setzt sich fort.
Willy
02:44:28
Ganz knallharte Hierarchie, oder?
Josef
02:44:30
Ganz genau. Lebensmittel, Arznei, also Medikamente, Energie. Und dann kommt das Weitere. Mit der Kleidung kann man sich einige Jahre drüber verretten, wenn es sein muss. Mit den Grundnahrungsmitteln aber nicht. Weil die Die Lichtesser.
Willy
02:44:51
Aber das ist so ein Fakt, das kann man lernen. Kommen Sie orientieren, Orientierungsformen.
Josef
02:44:57
Ich glaube, wir haben ein historisches Momentum, wo wir diese Chance nützen können. Wir können sie versäumen, aber wir können sie wirklich nützen.
Willy
02:45:05
Also die Krise, die wir jetzt haben. Das ist jetzt natürlich ein geflügelter Satz, die Krise als Chance begreifen, aber die Frage ist, wie griffstutzig wir momentan dem entgegensteuern. Ich glaube, Es ist auf hervorragende Kisten, aber jetzt gehen wir noch einmal auf die ökosoziale Marktwirtschaft, und das wird auch der Titel dieser Podcast-Folge sein. Und ich freue mich einfach, dass wir das jetzt tun, weil ich glaube persönlich, und ich positioniere mich sehr, sehr selten als Journalist zu einem Thema, aber ich glaube, das ist so ein fraktionsübergreifendes, links-rechts-imittengestaltes, grundsätzliches Idee, die an sich grundvernünftig ist. Warum es jetzt nicht schon uns ist, sei dahingestellt, aber wir haben dieses Prinzip, was sind diese Grundprinzipien der ökosozialen Marktwirtschaft, wenn wir es jetzt wirklich lehrbuchmäßig mal nebeneinander stellen? Ich wollte die Frage an dich. Ja, ja.
Josef
02:46:05
Ich habe mir gedacht,
Willy
02:46:06
Das muss ich so aufzählen, jetzt kriege ich eine Prüfung. Willi, kannst du das eh?
Josef
02:46:11
Das Grundprinzip ist einmal das strategische Dreieck. Wirtschaftlich leistungsfähig, das heißt also wirtschaftlich leistungsfähig, was bedeutet das konkret? Ein Höchstmaß im Bereich Bildung, Weiterbildung, Innovation, Forschung, also all das, was der geistige Hintergrund von Leistungsfähigkeit ist. Dort beginnt es und geht natürlich dann in eine leistungsfähige, in ein marktwirtschaftliches System, Weil wir aus der Geschichte gelernt haben, dass einfach bei allen Schwächen marktwirtschaftliche Systeme einfach anpassungsfähiger, leistungsfähiger sind als planwirtschaftliche oder zentralistisch gesteuerte Systeme. Das ist also der eine Eckpunkt. Wie gesagt, wissensbasierte, würde ich jetzt einmal sagen, forschungsbasierte, innovationsbasierte, leistungsfähige Marktwirtschaft. Der zweite Eckpunkt ist soziale Solidarität. Das heißt, Man darf keinen Menschen zurücklassen, wie es so schön heißt. Und das war ja das Geheimnis der sozialen Marktwirtschaft. Dass wir eine leistungsfähige Wirtschaft haben, aber nicht als Selbstzweck. Das ist der Unterschied zum Kapitalismus, wo der eine nur Profit machen will und das andere bleibt auf der Strecke. Sondern eine leistungsfähige Wirtschaft dient dem Wohlstand. Und der Vater der sozialen Marktwirtschaft, der deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, hat 1957 formuliert, Wohlstand für alle. Das war das Leitmotiv der sozialen Marktwirtschaft. Das heißt also nicht Anhäufung von Gütern bei wenigen Milliardären, jetziges US-Modell und die anderen landen unter der Brücke, sondern ein Wohlstand für alle. Das heißt nicht Luxus für alle, Sondern ein gutes Leben für alle.
Willy
02:48:21
Du hast einmal quasi den Satz, den Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl vom Kopf auf die Füße gestört. Geht es den Menschen gut.
Josef
02:48:31
Geht es der Wirtschaft gut.
Willy
02:48:32
Dann hast du es irgendwann einmal umsagt.
Josef
02:48:34
Richtig, genau. Ich glaube, es ist auch so. Nicht einen breiten Wohlstand habe, eine gewisse breite Kaufkraft. Von ein paar Milliardären wird die Wirtschaft nie leben können. Das ist der zweite Eckpunkt. Wobei dann eben, also das heißt also erstens in der gesamten Einkommensentwicklung, Solidarität, aber natürlich auch in den sozialen Einrichtungen, Sozialsysteme, Gesundheitssysteme, eben es darf kein Mensch zurückbleiben. Und je benachteiligter er ist, umso mehr Hilfe braucht er. Genau, Ausgleich.
Willy
02:49:12
Generationenübergreifend.
Josef
02:49:13
So ist es. Generationenübergreifend, spatenübergreifend. Einfach eine gesellschaftliche Klammer. Und der dritte Eckpunkt ist eben dann die ökologische Nachhaltigkeit. Das heißt, Umweltschutz und immer mehr heute natürlich, wie können wir der Klimakatastrophe noch ausweichen. Und da ist eben der völlig neue Ansatz im Modell der ökosozialen Marktwirtschaft, dass man Umwelt- und Klimaschutz kann man nicht verordnen, das war meine Erfahrung als Umweltlandesrat, sondern ich muss die wirtschaftlichen Signale so setzen, dass sich Umwelt- und Klimaschutz auch wirtschaftlich lohnt. Und zwar für den Einzelnen genauso wie für das Industrieunternehmen. Und das heißt eben dann ökologische Kostenbarheit, Verursacherprinzip und intelligenter Umbau bei Steuern, Abgaben und Förderungen. Und darum war für uns die ökosoziale Steuerreform ein so zentrales Anliegen, weil das genau das auf den Punkt bringt. Das, was ich für die Zukunft vermeiden will, ist das zu viel an CO2, das uns die Atmosphäre und das Klima vergiftet, übertragen. Und wenn ich das vermeiden will, Dann muss ich schauen, Dass das CO2 so teuer wird, Dass es keiner mehr will. Dann funktioniert es. Und das CO2 kann ich nur teurer machen, indem ich sage, ich besteuere es. Und da haben wir in Österreich ja Gott sei Dank in der türkis-grünen Regierung nach jahrenlangen diskutierenden ersten Schritt setzen können. Ab 2027 wird das Modell der EU wirksam. Denn dieses Fit for 55 wird ab 2027 ja den Emissionshandel auch für alle Bereiche bringen, also auch für Treibstoffe,
Willy
02:51:18
Für Heizstoffe. Ach so, wird er aufgemacht? Ja. Da war ja nur begrenzt auf ein paar Schlüsseln. Deswegen habe ich ja, das wäre mein kritischer Punkt jetzt gleich gewesen.
Josef
02:51:25
Nein, das ist ja, es ist beschlossen, wird aber erst 2027 wirksam.
Willy
02:51:32
Wenn es bis dort keiner ändert.
Josef
02:51:33
Ja, und das heißt also, unser österreichisches Modell der Ökosozialsteuerform wird dann dort münden.
Willy
02:51:41
Wie viel Prozent der CO2-Emissionen, zumindest mal in der EU, sind dann von diesen Mechanismus?
Josef
02:51:48
Von den beiden Handelssystemen? Eigentlich ziemlich alles. Ja, ziemlich alles. Wobei dann, das Modell wird ja so sein, so schon wie bei dem, das bestehende Emissionshandelssystem bezieht sich ja nur auf Industrie- und Energiewirtschaft. Und das System sind ja ansteigende Preise für das CO2. Das wird dann auch, wie gesagt, für Treibstoff, für den Verkehr, Heizstoff und für alle Bereiche gelten. Wird auch gekoppelt mit einem Grenzausgleichsmechanismus, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu unterlaufen. Das heißt, Produkte, die aus Regionen angeboten werden, die nicht dieser Bepreisung unterliegen, bekommen eine Grenzabgabe. CAPM heißt das.
Willy
02:52:41
Also Pauschalabgabe ist das dann.
Josef
02:52:45
Carbon Border Adjustment Mechanismen, also Grenzausgleichsystem.
Willy
02:52:49
CAPM, ja. CBAM, ja.
Josef
02:52:51
Und Das wird, glaube ich, schon ein beachtlicher Schub werden. Wünschenswert ist natürlich, dass so etwas weltweit zur Anwendung kommt.
Willy
02:53:04
Genau, wollte ich gerade fragen.
Josef
02:53:05
Jetzt können wir sagen, Okay, China beginnt mit einem solchen System. Wie weit das jetzt durch den Rüstungswahnsinn wieder gebremst unterlaufen wird, ist momentan schwer zu sagen. Nur Faktum ist, die Klimakatastrophe klopft so heftig an, dass man am Handeln nicht mehr vorbeikommen wird. Und ich sehe eigentlich für die Rettung aus der Klimakatastrophe vier Ansatzpunkte. Der eine ist eben durch den CO2-Preis den Druck zur CO2-Vermeidung in allen Sparten und Stufen, weil es einfach wirtschaftlich unattraktiv wird. Zweitens ist die Land- und Forstwirtschaft ein ganz wichtiger Hebel, um unser Gleichgewicht wieder herbeizuführen. Denn die grüne Pflanze kann seit Jahrmilliarden etwas, was wir trotz aller technologischen Entwicklung noch nicht können. Sie kann mit Hilfe von Sonnenenergie, Mit einem Katalysator, dem Chlorophyll, CO2 aus der Luft nehmen und es in der Pflanze zu Zucker und zu all den Folgestoffen umwandeln. Und das Gleiche müssen wir lernen im Bereich der Technologie. Die Technologien gibt es bereits. Es gibt also, der Klasse ist das, CO2 bei der Entstehung abzufangen, also Carbon Capture.
Willy
02:54:52
Die meine ich lassen als Storage.
Josef
02:54:54
Nicht vergraben, sondern nützen ist die Zukunft. Carbon Capture and Utilization. Und was dazukommen muss, ist eben, dass CO2 aus der Atmosphäre herausholen und in verwertbare Stoffe umwandeln. Das ist momentan noch technologisch möglich, aber noch extrem teuer.
Willy
02:55:15
Protein zum Beispiel.
Josef
02:55:16
Genau, Protein, man kann das chemische Grundstoffe, Grundstoffe, also gibt es genauso wie in der pflanzlichen Umsetzung, die Kohlenwasserstoffchemie ist ja wunderbar, weil sie so vielfältig in der Anwendung.
Willy
02:55:30
Aber irgendwo sind wir dann schon wieder quasi bei der Technologie, die ist in dem Fall ein bisschen richtet.
Josef
02:55:37
Richtig. Schon auch.
Willy
02:55:38
Also man darf sich nicht gar nicht abschreiben.
Josef
02:55:39
Oder? Ich setze sogar sehr stark auf die Technologie. Nur die Technologie wird dann wirksam, wenn der wirtschaftliche Rahmen stimmt. Und daher ist der CO2-Preis der Schlüssel. Und daher bin ich überzeugt, dass wir das hinkriegen können, auf jeden Fall. Also wir haben wirtschaftlich, technologisch und in der Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft die drei entscheidenden Hebel in der Hand. Gut, und das wäre es eigentlich dann.
Willy
02:56:10
Das ist es vielleicht.
Josef
02:56:12
Ja, und es ist zum Politischen, für mich ist völlig klar, Aber es gibt keine, jetzt ohne Überheblichkeit, es gibt keinen anderen Lösungsansatz, der in sich so logisch ist, als dieses integrative Modell, das wir im ökosoziale Marktwirtschaft genannt haben. Man kann alle möglichen Namen dafür finden. Es ist zum Teil nach wie vor ein gewisses Tabu für andere politische Kräfte, weil es sagt, das ist ÖVP. Nee, in Wahrheit ist das von mir zufällig in die politische Diskussion gebracht worden. Aber in Wahrheit ist es ein Modell, Das eigentlich für fast alle politischen Kräfte genauso anwendbar ist.
Willy
02:57:02
Ja, aber da sitzt jetzt quasi ein Ex-Landwirtschaftsminister, Vizekanzler der ÖVP, der im Prinzip für stärkere politische Rahmenbedingungen für den Markt plädieren würde, damit sich der in seiner Funktion, die er erledigen kann, besser das Beste daraus machen kann. Also so gesehen, so ÖVP ist es.
Josef
02:57:23
Ich habe 2019, als wir es um die Regierungsverhandlungen gekommen sind, die ökosoziale Marktwirtschaft ist eigentlich die Brücke, auf der sich ÖVP und Grüne begegnen können.
Willy
02:57:33
Und die Roten auch?
Josef
02:57:34
Die Roten sowieso. Warum steigst du das? Die haben nur eine gewisse Scheu, den Begriff zu verwenden. Wobei ich sage, der Begriff ist ja nicht das Entscheidende, der Inhalt ist das Entscheidende.
Willy
02:57:48
Und das wäre es im Prinzip. Die Kostenwahrheit finde ich das spannendste, das spannendste neue Modell, was da dazukommt, weil, Erwin Thomas hat irgendwie gesagt, du kannst ja so viel CO2 in Holz speichern, wenn du es nicht gleich wieder thermisch verwertest. Das heißt, Wald kann wachsen, Holzbau, wenn man mehr auf Holzbau setzen würde, es gibt Möglichkeiten im Holzbau. Irgendwie haben wir den Pfad auch irgendwann einmal verloren, obwohl es ja auch Spaß machen würde, wahrscheinlich in Holz zu bauen. Also da ist ja, wahrscheinlich schafft man es über Motivation.
Josef
02:58:20
Es ist zumindest einmal eine Überbrückungstechnologie.
Willy
02:58:23
Ja, es bleibt halt einmal 100, wir brauchen einmal 100 Jahre Abkühlphase quasi.
Josef
02:58:27
Und die andere Ergänzung ist ja wirklich, dass man CO2 nicht nur über die Pflanze, sondern auch über Technologien einfängt und genauso für alle möglichen chemischen Prozesse zur Anwendung bringen kann.
Willy
02:58:44
Jetzt weißt du, die längste Zeit deines Lebens in öffentlichen Ämtern und wahrscheinlich auch immer wieder der Kritik aus den Medien ausgesetzt oder hast natürlich auch die Medien genutzt, um zu kommunizieren. Was ist denn deine aktuelle, diese Frage interessiert mich, weil ich selber Medien bin, was würdest du von Medien wünschen, die Rolle von Journalismus, von Medien in der heutigen Zeit? Was ist da der Medienkritik auch vielleicht?
Josef
02:59:13
Ja, weg von dieser Vordergründigkeit, also wenn ich jetzt an die großen Medien denke, wenn man die Zeit im Bild anschaut oder alles Mögliche oder auch Tageszeitungen, da geht es immer um das Klein, Klein, Klein, meistens sehr personenbezogen und sehr affektbezogene und eine gewisse Grundaufgeregtheit in der ganzen, zum Beispiel jetzt in der Begleitung der Regierungsverantwortung, kann man nicht abwarten, bis ein Ergebnis da liegt, sondern tagelang herumraten, was sein könnte. Und wirklich einfach Bewusstseinsbildung. Und jetzt mal in der Zeit der Fake News wird das überhaupt dramatisch. Ich finde ja wirklich, wir leben eigentlich momentan in einer Zeit, wo einfach die Lüge dominiert. Und zwar von höchstem...
Willy
03:00:15
Das alternative Faktum, meinst du?
Josef
03:00:17
Ja, ja. Also ich würde mir... Von Medien wünschen, dass sie wirklich beitragen zur Bewusstseinsbildung in Richtung einer positiven Zukunftsbewältigung. Einerseits wirklich Fakten bewusst machen, Aber auch persönliche Verantwortung bewusst machen. Auch die ökosoziale Marktwirtschaft beginnt bei den Milliarden einzelner Individuen. Der stärkste Effekt ist dort, wie verhalte ich mich als Konsument, Wie ist mein Mobilitätsverhalten. Wenn sich da bei Milliarden etwas ändert, dann haben wir einen Riesenschub. Wir dürfen nicht nur an die Riesenindustrien denken, sondern wirklich, was bewirkt das einzelne Mosaiksteinchen.
Willy
03:01:08
Aber wie komme ich in diese Wirksamkeitserfahrung? weil ich höre sehr, sehr viel öfter und auch ganz genial dieses Argument, wir in Österreich brauchen ja nichts machen, weil die anderen ja noch viel mehr emittieren. Ich kann es nachvollziehen, warum man das sagt, aber wie komme ich in diese Wirksamkeit, aus dieser Unwirksamkeitserfahrung wieder raus? Gibt es da ein Mantra? Gibt es da einen Schlüssel?
Josef
03:01:37
Erstens ist es so, wir haben auch als Österreich Verpflichtungen übernommen, Gerade auch innerhalb der EU haben wir minus 48 Prozent bis 2030. Wenn wir das nicht schaffen, dann müssen wir zahlen. Also das ist einmal ein ökonomisches Moment. Und das andere Moment ist einfach, es kann sich niemand auf die Seite stellen. Es ist eine Herausforderung für die Menschheit als Ganzes. Entweder schaffen wir es oder wir gehen unter. Und vielleicht, weil wir ja wirklich jetzt jedem Sommer schon mit Bange entgegenstauen, was wird wieder passieren, wenn die Adria und das Mittelmeer eine Meerestemperatur von 30 Prozent hat,
Willy
03:02:26
Anstieg um 30 Prozent?
Josef
03:02:30
Nein, auf 30 Prozent Meerestemperatur.
Willy
03:02:32
Also Grad, 30 Grad.
Josef
03:02:33
30 Grad.
Willy
03:02:34
Achso, ja, okay.
Josef
03:02:36
Ja?
Willy
03:02:36
Ja.
Josef
03:02:37
Das heißt, es ist wahrscheinlich ein Anstieg um 7 Grad gegenüber.
Willy
03:02:41
Das ist ein bisschen was. Ja.
Josef
03:02:43
Das heißt also, plus 1 Grad Meerestemperatur heißt plus 7 Prozent Niederschlag. Und das möglichst konzentriert irgendwo.
Willy
03:02:54
7 mal 7?
Josef
03:02:57
Um die Hälfte mehr Wasserdampf, Der entsteht. Und der Wasserdampf bleibt nicht oben, sondern irgendwo kommt der runter und zwar immer mehr massiert an einem Punkt.
Willy
03:03:09
Und auf einmal.
Josef
03:03:11
Das heißt also, das bedroht uns ja hautnah. Und das heißt, es darf sich niemand abseits stellen.
Willy
03:03:19
Aber was sagst du jetzt den Menschen? Die sind wirklich, die sind nicht wenig und die sind auch sehr, sehr gescheite Leute. Und dann kommen wir eh schon langsam zum Ende, die sagen, ja, ich glaube eh, das ist ein Klimawandel, aber das ist, wir sind am Ende von einer Eiszeit und es ist halt jetzt, und so weit, also die was halt quasi das Versuchen zu rationalisieren und zu sagen, das hat eigentlich mit uns nichts zu tun.
Josef
03:03:43
Gut, das ist visikalisch so extrem widerlegt. Wir können das jetzt bildlich nicht darstellen, aber wir haben in kurzer Zeit zusätzlich 2.000 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gepulvert, unabhängig von den natürlichen Zyklen.
Willy
03:04:02
Was sich keiner vorstellen kann, wofür ist das?
Josef
03:04:04
Nein, das geht so steil. Bei einer anderen Zahl ist es verständlicher. Eiszeit hin oder her. Der Anteil an CO2 in der Atmosphäre hat sich immer irgendwo in einer Größenordnung zwischen 200 und 300 ppm, also Parts per Million, Bewegt. In der Eiszeit war er unten Richtung 200, in der Warmzeit oben bei 300 oder ein bisschen drüber. Innerhalb von 50 Jahren ist der Wert auf 420 explodiert. Das geht so hinauf. Das ist ein Schock für unser Natursystem, denn eine Eiszeit hat sich nicht innerhalb von 50 Jahren, sondern innerhalb von 1.000 Jahren angewandt. Das heißt, wir haben als Menschen mit der Verbrennung von Erdöl, Erdgas, Kohle der Atmosphäre einen Schock versetzt. Schockfrost. Ein Sprung von 300 auf 420 Anteile CO2 in der Atmosphäre. Und das bewirkt diesen Klimaschock. Und das können wir nur in einer Verhaltensänderung wieder ändern. Und da ist jedes einzelne Zahnrädchen genauso wichtig wie der Föstbetrieb oder irgendwas anderes. Einkaufsverhalten, mit welchem System erzeuge ich meine Wärme, wie gestalte ich meine Mobilität. Das heißt, kurz gesagt, es darf sich niemand abseits stellen.
Music
03:05:42
Music
Willy
03:05:52
Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich für diese kurze Pause, weil es gibt endlich wieder mal die Gelegenheit, unser beliebtes, allseits beliebtes und bekanntes Pinkelpauselied einzuspielen. Ein extra Lied dafür. Aber wir sind eigentlich schon fast durch. Wir schauen jetzt nur noch in die Zukunft. Was glaubst du, wo die Landwirtschaft in 10, 15, 20 Jahren stehen wird? Wohin, glaubst du, wird sich die WZD entwickeln? Aus jetziger Sicht, wenn sie das, ja, du hast viel Erfahrung.
Josef
03:06:26
Ja, ich hoffe, dass sich die Landwirtschaft doch in die Richtung hin entwickelt, die wir mit dem ökosozialen Modell aufgezeigt haben. Das heißt, eine Dem Lebensraum, also einem Lebensraum der Gesundheit, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienende bäuerliche Familien, Unternehmen, Landwirtschaft.
Willy
03:07:10
Das ist jetzt schön, weil normalerweise, ich springe, okay, lassen wir die Frage nach der Zukunft, meine Abschlussfragen. Da gibt es immer drei bis vier an der Zahl. Die erste würde heißen, wenn du die Chance hättest, was würdest du in einer utopischen Welt, an unserem Lebensmittel, das hat die Bianca immer gestellte Frage, also was würdest du in einer utopischen Welt an unserem Lebensmittelsystem ändern, wenn du könntest? Und ich glaube, das war auch die Antwort drauf. Oder würdest du noch irgendwas geben, wenn es wirklich alles ändern könnte? Was würdest du machen?
Josef
03:07:42
Was ich mir wünschen würde, wäre natürlich herausfordernde Politik, dass nicht mehr produzieren zu lassen, was Menschen krank macht. Also ich frage mich oft wirklich, Warum lasst man das zu, dass diese Unmengen von Dingen erzeugt werden, die nachweislich die Menschen krank machen, die unser Gesundheitssystem riesig überfordern. Also wenn ihr in der Einkaufszene seht, welche Berge hier an Dingen angeboten werden, von denen man weiß, sie sind ungesund, sie sind falsch. Und ich würde mir wünschen, dass es gelingt, Menschen wieder bewusst zu machen, dass ihre Gesundheit mit einer gesunden Ernährung beginnt und dass gesunde Lebensmittel eben auch sehr stark zusammenhängen, dass sie in einer Weise erzeugt werden, die eben genau unseren bäuerlichen Anforderungen entsprechen. Das wäre für die Gesellschaft wahnsinnig gut. Das wäre für die Landwirtschaft natürlich attraktiv.
Willy
03:09:01
Was sagst du dazu? Ich war jetzt gerade vor einem Monat zum Podcast in Costa Rica und dann in Nicaragua. Eine Freundin von mir war vorher ein Monat in Kolumbien. Ich habe viel erlebt dort. Aber das, was mir am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist, ist, dass beide Länder, 80 Prozent der Menschen übergewichtig sind. Das ist wirklich. Ich habe dann gefragt und die haben gesagt, ja, das ist so, das ist in den letzten 20, 30 Jahren passiert, weil der Wohlstand ein bisschen gestiegen ist und auf einmal sind es auf ganz industriell gefertigte Produkte, hochverarbeitete Produkte und sie hucken an so Spiritosen, wie heißt das, an, so Cola-Dosen und so weiter, das zeige ich es, treiben wir so süß wie das, was wir bei uns haben. Und dann habe ich meine Kollegin, meine Freundin gefragt, die drüben war in Kolumbien, und die hat gesagt, gleiche.
Josef
03:09:57
Nein, es ist eigentlich eine Frechheit. Dass die Menschheit das zulässt. Aber das passiert dann, ne? Ja, ja. Ich weiß, aber mich beschäftigt das wirklich. Wie kann man einem System zuschauen, Dass sich die Menschen selbst vergiften?
Willy
03:10:19
Verpreiste Freiheit.
Josef
03:10:20
Man kann nichts tun, ja. Gut, die Engländer haben zuerst versucht, zum Beispiel eine Steuer auf Zucker. Gut, es hat etwas bewirkt, weil dann haben sie den Zuckergehäut reduziert. Aber es ist wirklich ein Wahnsinn, was da abläuft. Ich meine, jetzt von den USA gar nicht zu reden, welche Kaliber da unterwegs sind. Und das ist alles nur das Übermaß an Zucker, das in raffinierter Form in all diesen industriellen Produkten den Menschen untergehobelt wird.
Willy
03:10:51
Also utopische Welt, Zuckersteuer oder Zucker verschwindet lassen?
Josef
03:10:54
Nein, ich würde eine Politik überhaupt wünschen, die jetzt sagt, was schädlich ist, verbiete ich. Und natürlich dann im Sinne ökosozialer Marktwirtschaft mit der Gestaltung von Preisen und Kosten.
Willy
03:11:07
Also über zusätzliche Kosten, also Zuckersteuer wäre in dem Fall genau so was.
Josef
03:11:11
Wäre auch ein Instrument, aber bei manchen Dingen müsste man überhaupt sagen, okay, was wirklich schädlich ist, gehört unterbunden. Man muss sich die Industrie halt umorientieren.
Willy
03:11:26
Ja, wenn es für alle gleich gelten würde.
Josef
03:11:31
Wir kommen ja in Wahrheit, wenn man die großen Herausforderungen hernimmt, die Klimakatastrophe, das ganze Migrationsproblem, das ganze Problem von Arm-Reich und alles was dann mit Gewaltentwicklung zusammenhängt. Wir kommen um eine wirksame Global Governance nicht herum. Jetzt brauche ich keine Weltregierung und eine Weltarmee, sondern die Instrumente, die da sind, sinnvoll kombiniert, ist es ja möglich. Momentan geht es in die andere Richtung. Jetzt geht es wieder in diktatorische Potentaten, die sich dann gegenseitig bekämpfen. Aber ich hoffe, dass dieser Zwischenschritt nicht katastrophal wird. Im Sinne, dass man doch lernen kann.
Willy
03:12:26
Ich sehe uns schon ein bisschen als so ein globalpolitischer Ghostbusters. Wir schauen, dass wir diesen Geist wieder in die Flaschen zurück reinbringen. Bucket List. Von Dingen, die du... Welche Dinge würdest du unbedingt gerne noch machen? Was steht auf deiner Liste ganz oben? Oder hast du schon alles gemacht?
Josef
03:12:47
Ja. Nein, ich versuche einfach immer noch, wo das gewünscht wird, meine Erfahrung einzubringen. Ja, ich mache Vorträge, Ich schreibe Bücher mit.
Willy
03:13:01
Setzt sich ewig lang in Podcastgesprächen aus.
Josef
03:13:04
Ne? Ja, auch ja.
Willy
03:13:06
Also du bist leidensfähig, gell?
Josef
03:13:09
Vielleicht darf ich es so sagen, ich bin 1991 aus der Tagespolitik ausgeschieden, weil das für mich einfach der Hand aus war, Konsequenzen zu ziehen. Und ich habe mir dort gesagt, Ich möchte aber meiner Idee treu bleiben. Und wir haben dann das Ökosoziale Forum gegründet und eigentlich einmal Jahre unter extremen Widerstand die Idee am Leben gehalten. Dann hat es Phasen gegeben, wo es wieder attraktiv geworden ist. Das ist also so ein wechselbarer Gefühl, aber ich bleibe meiner Idee treu. Und solange ich etwas tun kann, dafür werde ich es tun.
Willy
03:13:47
Wo steht es heute? Bist du zufrieden mit der Entwicklung?
Josef
03:13:51
Nö. Also wir hatten schon bessere Zeiten in den letzten zehn Jahren.
Willy
03:14:01
Von der Wirksamkeit her.
Josef
03:14:03
Ja und nein. Also die EU hat viel auf den Weg gebracht, wo wir die Wirksamkeit erst in den nächsten Jahren noch deutlicher spüren werden. Aber das steht auf Schiene. Globalpolitisch ist leider momentan wieder Returgang angesagt. Und in Österreich, ich gebe es dann nicht ganz unrecht, dass ich das natürlich klimapolitisch schon weitergegangen ist. Ich war mit dem Kopf an die Wand rennen nicht einverstanden, aber ich war immer ein Anhänger der Zusammenarbeit zwischen Türkis und Grün, weil ich der Meinung war, das ist eigentlich im Sinne ökosozialer Marktwirtschaft anwendungsorientiert. Und das ist ja auch vieles in die Richtung vorangegangen. Wenn Pandemie und Krieg und alles nicht gewesen wären, wäre es ein bisschen leichter gewesen, aber gut, ist so. Ja.
Willy
03:15:13
Wenn du, irgendwann diese Welt für immer verlassen wirst, Wofür soll man sich an dich erinnern?
Josef
03:15:26
Ich hoffe, dass ich versucht habe, etwas Positives beizutragen in dem Weg der Menschheit.
Willy
03:15:33
Punkt. Das ist Friedle. Und damit wir das jetzt beschließen, am Ende immer ein Zitat, ein Witz oder ein Gesatz, was da besonders wichtig ist, zum Schluss mit dem wir jetzt den Podcast endgültig beenden. Ein Zitat, ein Witz oder irgendein Sprücherl oder irgendwas, was da besonders wichtig ist, was du uns zum Schluss noch mitgeben möchtest.
Josef
03:15:54
Okay, dann gebe ich die goldene Regel mit. Was du nicht willst, was man dir tut, füge auch keinem anderen zu.
Willy
03:16:04
Silv Riegler, vielen Dank für das Gespräch. Danke dir.
Music
03:16:07
Music

Feedback geben

Dir gefällt der Podcast und Du möchtest das mal loswerden? Du hast Tipps für neue Themen oder magst über den Inhalt bestimmter Folgen diskutieren? Dann wähle im Formular die jeweilige Episode aus und schreib uns eine Nachricht. Vielen Dank für Dein Feedback!

Mit einem Klick auf "Nachricht absenden" erklärst Du Dich damit einverstanden, dass wir Deine Daten zum Zwecke der Beantwortung Deiner Anfrage verarbeiten dürfen. Die Verarbeitung und der Versand Deiner Anfrage an uns erfolgt über den Server unseres Podcast-Hosters LetsCast.fm. Eine Weitergabe an Dritte findet nicht statt. Hier kannst Du die Datenschutzerklärung & Widerrufshinweise einsehen.

★★★★★

Gefällt Dir die Show?
Bewerte sie jetzt auf Apple Podcasts