BauertothePeople (B2P)

Wilhelm Geiger

Interview - Jäger des verlorenen Landes

Die Geschichte der Batwa in Ruanda

14.12.2025 63 min

Video zur Episode

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Zusammenfassung & Show Notes

Grias eich!

Wir sitzen mitten in einem Dorf im Distrikt Musanze im Norden Ruandas. Um uns herum herrscht Leben, im Hintergrund hört man den Alltag – und das ist gut so, denn wir wollen uns heute einer Realität annähern, die für uns kaum vorstellbar ist. Mein Gesprächspartner ist Otto Fischer, den ihr vielleicht schon aus Folge 257 kennt.

Es geht um die Batwa. Ursprünglich lebten sie als Jäger und Sammler in den Bergregenwäldern Ruandas. Doch um die letzten Berggorillas zu schützen, mussten die Menschen weichen.  Otto beschreibt diesen Konflikt ganz nüchtern: Das Habitat ist für die Menschen verloren, der Schutz der Gorillas und der Tourismus haben Vorrang. Was bleibt, ist die Frage, wie die Batwa überleben können.

Wir sprechen über den erzwungenen Kulturwandel: Wie vermittelt man sesshafte Landwirtschaft an Menschen, die Jahrtausende im „Hier und Jetzt“ gelebt haben und für die Vorratshaltung oder Planung fremde Konzepte sind? Otto erklärt, warum Begriffe wie „Stehlen“ oft nur eine Frage der Perspektive sind und warum Alkohol oft als tragischer Ausweg aus der Entwurzelung dient.

Mit seinem Verein „Future for Kids“ versucht Otto, diesen Familien eine Basis zu geben: 2.000 Quadratmeter Land pro Familie, feste Häuser und Bildung für die Kinder. Es ist ein Gespräch über pragmatische Humanität, die Grenzen der Hilfe und die Hoffnung, dass die nächste Generation ihren Weg in der ruandischen Gesellschaft findet.

Hinweis: Da wir direkt im Dorf aufgenommen haben, ist die Tonkulisse sehr authentisch und lebendig.

INFOS ZUR FOLGE
Future 4 Kids Website
www.future4kids.at
Kabagorozi Projekt (Batwa)
www.future4kids.at/kabagorozi-projekt
Spendenseite
www.future4kids.at/jetzt-helfen
Future 4 Kids auf Instagram
www.instagram.com/future4kidsat
Future 4 Kids auf Facebook
www.facebook.com/futureforkids

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„Leit hoits zamm“ – Haindling
thx an Jürgen Buchner

„Power to the People“ – Junior Kelly
thx and Michael Lechleitner @ Irievibrations Records
 
… und ein bisserl selbst gesungen 😊
thx to me, my voice und eure Schmerzschwelle 

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Viel Spaß beim Reinhören und Entdecken!

Transkript

Willy
00:00:23
Wie geht es dir?
Otto
00:00:24
Alles gut.
Willy
00:00:25
Bist du sicher?
Otto
00:00:26
Wir starten.
Willy
00:00:27
Wir starten. Otto hat einen leichten Stress, wenn wir schon wieder über der Zeit sind, aber das ist einfach kein Zeitpunkt.
Otto
00:00:33
Nein, es ist eigentlich nicht der Zeitstress, sondern es ist ein bisschen der Stress auf das, was jetzt kommt.
Willy
00:00:39
Wirklich?
Otto
00:00:40
Ja.
Willy
00:00:40
Das heißt, Otto, bist du bereit? Dann muss die Antwort Nein sein, oder wie?
Otto
00:00:44
Nein, nein, ich bin bereit, aber das, über das wir heute reden, ist eine komplexe und heikle Angelegenheit.
Willy
00:00:50
Wir werden, dann sagen wir einfach, wir wagen heute den Versuch der Annäherung.
Otto
00:00:55
Genau, das ist die richtige Definition. Den Versuch der Annäherung.
Willy
00:00:59
Ja, das ist psychologische Kompetenz des Interviewführers, am Anfang gleich ein bisschen Druck auszunehmen. Das ist super. Also, wir nähern uns nämlich heute an die Leute, die uns jetzt auf YouTube zuschauen, sehen Sie vielleicht im Hintergrund. Wir sind, ich habe noch aufgestellt, in Hohengheri im Distrikt Musanze. Du sagst es dann bitte richtig, ich habe es garantiert feucht gesagt, in Ruanda. Ja, und ein Podcast hier mit dir, Otto Fischer, für alle, die ihn noch nicht kennen, gibt es schon, du hast das Projekt Future for Kids in Lebens gerufen hier in Ruanda, das ursprünglich mal als Waisenhaus gedacht war, dann aber über die Zeit sich weiterentwickelt hat in ein Bildungsprojekt, in andere Projekte. Und eines dieser Projekte, da sind wir jetzt hier, eines der herausforderndsten, aber sicher auch eines der spannendsten und vielleicht auch leicht kontroversen Themen. Wir sind da bei den Batwa, oder Nutwa gesagt. Wir sind eigentlich ursprünglich Jäger und Sammler. Und eines dieser Projekte ist es, weil diese Menschen jetzt nicht mehr in ihrem ursprünglichen Lebensraum leben können, sie dabei zu unterstützen bei ihrer nicht ganz freiwilligen Sesshaftwerdung. Habe ich das jetzt so mal im ersten Schritt?
Otto
00:02:08
Das hast du mal sehr gut umrissen.
Willy
00:02:10
Was für Fehler und ergänzt das jetzt bitte mal und was ich da halt schon gesagt habe.
Otto
00:02:17
Warum wagen wir eine Annäherung? Weil wir auch keine definitive Antwort haben, die Anspruch hat auf Richtigkeit. Wir haben hier begonnen, die Menschen zu besuchen, die am Rand des Nationalparks, Volcano National Park, dem Park mit den Berggorillas im Grenzgebiet Ruanda, Kongo und Uganda leben. Und dieses Grenzgebiet ist ein letzter Rückzugsort und Schutzraum für etwa 1000 Berggorillas. Es hat leider nur etwa 100 Jahre in Anspruch genommen, nämlich die 100 Jahre, die Europäer hier aufgeschlagen sind, diese ganz tolle Spezies fast auszuraten.
Willy
00:03:07
Aha, da haben wir schon wieder unsere Finger im Spiel gehabt.
Otto
00:03:09
Ja, es war also, wenn man sich erinnert, in der Stummfilmzeit Godzilla, King Kong, es war also ein Riesenhype. Diese unglaublich, unheimlichen, aggressiven Tiere in Szene zu setzen, im Stummfilm, später im Film. Und es hat sich dann natürlich herausgestellt, es sind Pflanzenfresser, es sind sanfte Riesen. Sie haben natürlich ihre Rivalitäten.
Willy
00:03:37
Also nicht aggressiv?
Otto
00:03:38
Nein.
Willy
00:03:39
Also das war so quasi das Vorurteil, was er gehabt hat.
Otto
00:03:41
Ja, ja, also das war das, was der Mensch halt daraus gemacht hat. Und ja, es gibt Rivalitäten natürlich der Männchen, der Alpha-Männchen, aber ansonsten sind es sanfte Pflanzenfräser. Und wie hat sich die ganze Geschichte dann jetzt mit den Fatwa und den Bear-Gorillas entwickelt?
Willy
00:04:02
Das ist genau der Kern-Flexburg.
Otto
00:04:03
Also ursprünglich war Ruanda mit Primärwald übersät. Es haben die ersten Menschen begonnen, sich auch dieses Land zu eigen zu machen, und zwar eben als Jäger und Sammler.
Willy
00:04:19
Primärwald, wenn man es dazu sagen soll, also wenn der Anton jetzt zuhört.
Otto
00:04:24
Unser Botaniker-Freund.
Willy
00:04:25
Den wir in Costa Rica besucht haben, da wird uns vielleicht ein bisschen was dagegen haben mit Primärsekundär. Da weiß es dann noch ein bisschen gescheiter wahrscheinlich. Aber das ist eigentlich der ursprüngliche Regenwald. Ja, ja.
Otto
00:04:33
Ich bin ja sein Schüler, also darf ich da durchaus ihn zitieren. Und es gibt also hier im Nationalpark noch teilweise Primärwald, der also nie berührt wurde. Dann Sekundärwald, der wieder aufgekommen ist, nachdem der Mensch aufgehört hat abzuholzen. Ja. Wir wissen genau, dass es eine starke Wende in der Menschheit war, die Sesshaftwerdung und das Betreiben von Landwirtschaft. Das heißt, die Menschen, die ganz ursprünglich leben, die sogenannten Jäger und Sammler, die werden immer weniger, egal in welchen Erdteil wir schauen. Aber bis vor 60, 80 Jahren haben hier in diesem Bergregenwald noch Jäger und Sammler, Batwa, gelebt. Ganz ursprünglich mit praktisch keinem Fußabdruck.
Willy
00:05:31
Also was wird es messen? Ökologischer Fußabdruck?
Otto
00:05:33
Dieser bekannte ökologische Fußabdruck ist bei Jäger und Sammler so gut wie nicht gegeben. Es ist ja so, dass ein großes Gebiet erforderlich ist, um so dort zu leben. Von was leben die Menschen? Sie leben von Wurzeln, von Pflanzen, von Früchten. Natürlich auch von der Jagd, also von sogenannten Buschmied, Antilopen etc. Aber das, was sie der Natur entnehmen, kann die Natur leicht wieder ersetzen. Also ganz im Gegenteil zu dem, so wie wir heute leben, sogenannte Zivilisation, wo wir von 1900 mit einer Milliarde Menschen jetzt auf sieben, acht, neun Milliarden gestiegen sind. Also es ist eine Entwicklung, die die Natur sehr beansprucht hat. Die Jäger und Sammler, die sind die allerletzten, denen man hier irgendeinen Vorwurf machen kann. Sie haben so gelebt, dass es kein Problem war für die Natur.
Willy
00:06:37
Ich darf vielleicht kurz ergänzen, bevor die Leute sich jetzt wundern im Hintergrund. Wir sind mitten im Bad War Dorf, also in einem Projekt, wo wir dann eh noch drauf kommen. Oben ist eine leichte Straße, auf YouTube sieht man es auch. Vielleicht hört man es ein bisschen, wir werden es dann in der Nachbearbeitung vielleicht ein bisschen verbessern. Aber für alle, die das hören, wir sind jetzt mitten in dem Projekt, über das wir reden. Und das ist der perfekte Standort für dieses Gespräch. Aber im Hintergrund ein bisschen was hilft. Das wollte ich nur einwerfen. Entschuldige bitte.
Otto
00:07:02
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, wieso sitzen wir hier in einem Dorf? Die Jäger und Sammler, die sollten doch im Wald leben.
Willy
00:07:09
Übernimmt keine Dinge.
Otto
00:07:10
Und die sollten eigentlich dort ihr Leben zubringen, so wie die Gorillas sich ein Laubnest machen, jeden Tag, wo sie schlafen. Aber wir wissen ja alle, die Ausbreitung der Landwirtschaft hat dazu geführt, dass der ursprüngliche Primärwald immer kleiner wurde und letztlich eben nur mehr ein kleines Schutzgebiet hier vorhanden ist, das vor allem der Existenz und dem Schutz der Berggorillas dient. Es gab ja eine ganz bekannte Primatenforscherin, die Diane Fossi, die hat hier erstmals in den 60er Jahren erste Erfahrungen mit Primaten gesammelt und sich letztendlich dann auf die Berggorillas fokussiert in den 70er und 80er Jahren. Sie hat herausgefunden, dass diese sanften Riesen durchaus den Menschen ähnlich sind, sehr ähnlich sind, dass sie den Menschen freundlich gegenüber sind, wenn man es nur richtig und langsam beginnt. Was ist dann passiert? Diane Fossi hat also hier begonnen, sich für diese Gorillas einzusetzen. Und zum Teil auch mit etwas umstrittenen Maßnahmen. Sie hat also die Regierung überzeugt, dass es ganz wichtig ist, die letzten Exemplare zu schützen und ihnen einen Lebensraum zu geben. Und das stand jetzt im Widerspruch und im Gegensatz zu den letzten Jägern und Sammlern, die hier in diesem Wald gelebt haben. Und Diane Fossey ist ja mit den Wilderern in Konflikt gekommen und sie wurde 1985 ermordet. Sie ist also dort tot aufgefunden worden in ihrem Camp, im Karisoke-Camp und konnte also ihre Arbeit nicht fortsetzen. Ihr Tod ist aber... Sozusagen was den Schutz der Gorillas betrifft, durchaus nicht das Ende dieser Geschichte gewesen, sondern die Regierung und Organisationen haben begonnen, hier die Gorillas zu schützen. Für die BATWA natürlich keine gute Sache gewesen. Die Regierung hat ihnen dann zugesagt, dass man dafür sorgen wird, dass sie geschützt werden, dass sie eine Behausung bekommen, dass man für sie sorgen wird. Weil sie haben ja ihre Lebensgrundlage verloren.
Willy
00:09:49
Das war Mitte der 80er Jahre.
Otto
00:09:51
Das war 1980, also schon während Dian Fosse hier noch tätig war, ist das in Angriff genommen worden, diesen Park zu schützen. Aber es ist natürlich weitergegangen, dass die Menschen auch in den Park hineingegangen sind in der Nacht, dass sie Fallen gelegt haben und die Regierung dann halt mit immer schärferen Maßnahmen diesen Regenwald geschützt hat. Ich bin ja persönlich hier 2007 erstmals aufgeschlagen und nachdem wir ja damals auch als Tiersteinen einen Fokus hatten auf Artenschutz, sind wir in dieses Dorf gekommen und wir haben also durchaus beschlossen, diese Menschen zu unterstützen. Die große Frage ist, wie macht man das? Und wir haben also Lebensmittel gebracht, wir haben ihnen Kleidung gebracht, aber substanziell nachhaltig haben wir in den ersten Jahren nicht helfen können, beziehungsweise wir hatten ja damals einen anderen Fokus.
Willy
00:10:48
Wie kann ich mir das damals ein bisschen vorstellen, also du bist jetzt natürlich auch kein Experte wissenschaftlicherweise gesehen, aber du wirst dich natürlich über die Zeit mit dem Thema beschäftigen, wie haben die Menschen... Das war ja eine Vertreibung eigentlich auf Raten. Sie haben gesagt, wir kümmern uns um euch, aber dann geht's und dann sind sie halt gegangen und dann waren sie halt irgendwo, aber da war dann nichts für sie. Wie haben die Menschen gelebt dann die Menschen?
Otto
00:11:14
Die Menschen haben wir hier vorgefunden in Laubhütten.
Willy
00:11:20
Selber gebaut?
Otto
00:11:21
In selber gebauten Laubhütten aus. Holzstangen mit einem Grünschnitt aus den Bäumen, Zweigen, also durchaus sehr ursprünglich, aber eben unter sehr schlechten Lebensbedingungen, weil ihnen die Möglichkeit genommen wurde, in den Regenwald zu gehen, dort ihre Medizin zu holen. Sie sind also in ihrem Wissen um Pflanzenmedizin uns natürlich weit voraus. Sie können mit unserer Medizin relativ wenig anfangen. Sie können auch mit der Bildung, die ihnen angeboten wird, den Kindern in der Schule, sie können nichts anfangen mit dem Satz des Pythagoras, mit dem, was halt in unseren Lehrplänen gelehrt wird. Weil was machst du damit im Wald? Sie sind, also wie ich hierher gekommen bin, ja bereits eine Generation aus dem Wald heraus gewesen. Weil das ist eben ungefähr 1980 gewesen, dass es dann endgültig Schluss war mit Regenwald. und sammeln im Regenwald. Aber sie waren also und sie sind zum Teil heute noch völlig entwurzelt. Sie haben also begonnen, sich ihr Leben zu fristen mit Betteln, durchaus mit Stehlen von den Feldern der Nachbarn. Und da möchte ich jetzt gleich einhaken. Was heißt Stehlen? Stehlen heißt einfach, dass man etwas aus der Natur entnimmt. Das ist für einen Badwa. Das ist für einen Bad war etwas ganz Normales, dass man der Natur etwas entnimmt. Dass die Nachbarn natürlich, die das angebaut haben als Landwirte, dass die damit keine Freude haben und das ganz anders sehen, das ist schon klar.
Willy
00:13:08
Aber das zeigt auf,
Otto
00:13:10
Wie anders eine Gesellschaft aufgebaut sein kann.
Willy
00:13:16
Das ist ja genau das, was so interessant ist, wenn man sagt, Stehlen ist immer eine Sache der Perspektive, weil wenn du, ich glaube, das ist ja das gleiche Thema, was ich gelesen habe, auch mit den Landesgrenzen. Wir halten uns an Landesgrenzen, weil da ist jetzt Ruanda drüben, das nächste Land. Ich komme schon durcheinander mit den ganzen Ländern. Burundi, Tansania und was ist das?
Otto
00:13:35
Uganda.
Willy
00:13:36
Uganda. Kango. Kango, ja. Kango. Kurzer fix. Ihr und meine Namen. Aber da gibt es auch keine Grenzen. Die sind halt gewandert. Genauso ein Eigentum hat es ja auch nicht gegeben. und das heißt, sie werden aus ihrer Welt ausgegriffen und in einer Welt, wo komplett andere Grundvoraussetzungen gelten, ganz andere Regeln gelten, diese Regeln werden dann auf sie angewendet und nach denen werden sie dann auch bewertet und beurteilt.
Otto
00:14:02
Und genau durch diese Diskrepanz, diese unglaubliche Diskrepanz, über Jahrtausende so gelebt zu haben und das jetzt nicht mehr zu können, das schafft natürlich einen Konflikt mit anderen, Bevölkerungsgruppen in Ruanda. Sie werden ja offiziell als Marginalized People, also als Leute am Rande der Gesellschaft bezeichnet. Ruanda hat ja nach dem Genozid die Policy, dass man Menschen nicht mehr einteilt, sondern dass es alles Ruanda sind. Definitiv ist aber, dass die Batwa, wie wir sie doch bezeichnen dürfen, nur mehr vergleichsweise in minimaler Zahl hier leben, weil eben die Bedingungen für sie so widrig sind, dass sie schon fast zur Gänze verschwunden sind. Also man sagt, ungefähr 25.000 Menschen kann man hier noch zu den Batwa rechnen, im Gegensatz zu 13, 14 Millionen Einwohnern.
Willy
00:15:05
Wenn ich da vielleicht ein kurzes Einhaken darf, das habe ich recherchiert, die Bezeichnung, nun wieder liest man die Bezeichnung Pygmen, Das ist inzwischen gesichert, das ist eine abwertende Bewertung, weil sich die Menschen auf ihren Körper, das sind relativ kleine Menschen, das ist ja auch interessant, warum die Menschen eigentlich aus der Volksgruppe körperlich gesehen relativ klein sind, aber Pygmen bezieht sich auf eine Faustmaß, was ich gelesen habe, auf die Körpergröße und ist deswegen auch diskriminierend gemeint, weil man sagt, die kleinen Menschen so auf die Art und Weise.
Otto
00:15:34
So ist es, also es ist politisch unkorrekt und daher bleiben wir bei dem Ausdruck, die Ureinwohner von Afrika, beziehungsweise die Twa oder Batwa.
Willy
00:15:45
Twa oder Batwa.
Otto
00:15:47
Naja, und jetzt zurück zu meinem Ankommen hier 2007. Wir sind also hierher gekommen und ich habe dann über die nächsten Jahre das fortgesetzt, diese Besuche gemeinsam mit anderen und habe also ein bisschen begriffen und gelernt, wie schwer es sein muss, aus seinem Leben gerissen zu werden, aus seiner Kultur gerissen zu werden und sich eben, so wie du richtig gesagt hast, sich jetzt einem Staat und einem Gesetzeskonstrukt und einem Gesellschaftskodex unterwerfen zu müssen, der ganz anders ist.
Willy
00:16:25
Ich zeige gerade auf, ich muss ja die Frage stellen, bevor wir dann quasi auf deine Erfahrungen gehen. Du bist ja, und das vielleicht vorwegzunehmen, was die noch nicht kennen aus den anderen Folgen, du bist ja auch Veterinärmediziner. Du bist ja auch ursprünglich mit einem Artenschutzgedanken auch nach Wanda gereist. Und im Prinzip der Konflikt, der da jetzt stattfindet, oder der Konflikt oder wie man es auch immer nennen will, es gibt wenig tropischen Regenwand, Primärwald. Und dann war die Frage, die Batwa oder die Gorilla im Endeffekt? nicht. Die Batwa haben zum Bruttoinlandsprodukt, die haben keine Devisen gebracht, mehr oder weniger, die waren eher da und die Gorillas haben halt auch Die bringen ja auch ein Einkommen. Im Endeffekt war es auch eine ökonomische Entscheidung, warum die einen haben weichen müssen und die anderen bleiben haben können. Wie geht es dir da aus? Du bist ja an beiden Seiten. Du bist ja ein humanitärer Mensch, ein Arbeiter, Entwicklungszusammenarbeiter.
Otto
00:17:26
Ja, ja, ganz genau.
Willy
00:17:27
Und quasi eine Veterinärmedizin. Wie geht es dir da?
Otto
00:17:30
Naja, nach Hausverstand muss man den Weg gehen, der überhaupt gangbar und machbar ist. Und wenn man schaut auf die Bevölkerungsdichte von Ruanda, wenn man schaut auf den gesellschaftlichen Stellenwert der Batwa, so ist es einfach vollkommen undenkbar, dass dieses Stück Bergregenwald innen vorbehalten werden würde und man sie sozusagen so wie eine Spezies schützen würde. Das Habitat ist ein für allemal verloren, das muss man zur Kenntnis nehmen.
Willy
00:18:05
Das ist einfach so die bittere Einsicht, die man pragmatisch zur Kenntnis nimmt.
Otto
00:18:10
Und daher alle Ideen und Wünsche, diese Kultur doch unbedingt zu erhalten, da kann ich nur sagen, ja, dann bitte vorzeigen. Wie soll es gehen? Wer zaubern kann, der möge es tun. Über Jahre habe ich das Elend dieser Menschen gesehen und daher gab es eigentlich nur einen Weg, ihr Leben zu verbessern, indem wir sie weiter an das Ruanda von heute heranführen. Es ist undenkbar, sie wie eine exotische Spezies unter Schutz zu stellen und ihnen ein Reservat zur Verfügung zu stellen. Also das funktioniert, wie du sagst, ökonomisch nicht, weil die Berggorillas brauchen auch ein Habitat. Das funktioniert gesellschaftlich hier nicht. Ja, also der Staat hat ihnen zugesagt, man würde sich um sie kümmern außerhalb vom Park. Der Staat hat das auch versucht, muss man sagen. Aber, Ich weiß ja mittlerweile selbst, man braucht hier einen unglaublich langen Atem. Und den hat der Staat dann nicht gehabt, weil die Leute natürlich mit ganz viel Unverständnis auf die Hilfestellung des Staates reagiert haben. Da wurden also Häuser errichtet und mit Wellblech bedeckt. Ja, und dann war das Wellblech weg und das Wellblech verkauft und in Bananenbier umgesetzt und die Mütter und die Kinder sind wieder im Regen gestanden. Also das Verständnis, so zu wohnen, wie wir das kennen, so zu arbeiten auf einem Feld, wie wir das kennen, so zu planen, wie wir das kennen, das ist einfach nicht vorhanden.
Willy
00:20:02
Und jetzt zu sagen, quasi so der Impuls, ja sind die deppert, wieso bauen sie das Dach ab und werden sie wieder nass, das muss ja wohl jeder checken. Das ist so der erste Impuls, wieso kommen sie da nicht drauf. Das ist dann so diese Brille, wo du sagst, aus meiner Welt, das ist eigentlich logisch, dass ich das nicht tue.
Otto
00:20:19
Ja, es geht glaube ich schon sehr darum, in dieser Kultur in der Gegenwart und im Jetzt zu leben und nicht im Morgen. Weil die Natur ihnen immer alles geboten hat, dass sie nicht planmäßig anbauen mussten, dass sie nicht nachhaltig lagern mussten, sondern man hat es immer der Natur entnommen. Und sie haben den Häusern das Dach entnommen, damit sie einen Wunsch, den sie aktuell haben, befriedigen können. Also eine sehr unmittelbar, wir würden auch sagen, vielleicht frühkindliche Art im Leben zu sein, aber vielleicht auch etwas, mit dem wir auf ein bisschen Neid schauen. Weil wir ja geschlichtet, strukturiert, durchgedaktet, planend agieren. Und das ist halt etwas, was es hier nicht gibt.
Willy
00:21:13
Was könntest du jetzt sagen? Das ist fast eine aufgeregte Frage. Was könnten wir umgekehrt von dem Bad war lernen?
Otto
00:21:20
Erstens einmal unglaublichen Respekt zu haben, dass jemand so mit der Natur leben konnte, dass die Natur keinerlei Schaden genommen hat.
Willy
00:21:31
War das eine bewusste Entscheidung? Nein, es war viel Natur und wenig Bad war.
Otto
00:21:35
Ja, es war viel Natur und wenig Bad war. Das war eine Gegebenheit. Und die Gegebenheiten haben sich eben so geändert, dass dieses Leben hier im Norden Ruandas nicht mehr möglich ist. Es gibt ja noch ein paar Gebiete wie zentrale Kongo, wo das noch möglich ist. Außerdem die ganze gesellschaftliche Entwicklung. Die gesellschaftliche Entwicklung in Ruanda geht relativ rasch voran. Das heißt, der Abstand, das Gap wird immer größer zu dem Leben, das sie gewohnt waren. Naja, und wie haben wir jetzt konkret dann getan? Also jahrelang sind wir hierher gekommen und wie ich das dann im Verein Future for Kids 2011 geschultert habe, war ich wieder mal hier 2012 und die damengelige Chefin von diesem ganzen Dorf und Clan, die Cecile, hat mir tief ins Auge geblickt und hat gesagt, wir brauchen Land, Otto. Otto, wir brauchen Lacht. Und, Ich habe dann ein bisschen recherchiert, mit wie viel Land kann hier eine Familie leben. Und eine Familie kann hier leben mit 2000 Quadratmeter Land. Also das ist das, was manche Leute bei uns als Garten haben.
Willy
00:22:55
Also ein Fünftel Hektar.
Otto
00:22:56
Ein Fünftel Hektar, was viele Leute einfach als Vergnügen und Luxus haben, sich ärgern, übers Rasen mähen. Dieses Landstück ermöglicht hier einer ganzen Familie zu leben. Nach sehr kurzer Überlegung sind wir hier zum Sektor gefahren und haben mit den Behörden gesprochen, wie denn das wäre, wenn wir Future for Kids uns um Landankauf bemühen für 16 Familien, jeweils 2000 Quadratmeter. Wenn wir uns um den Volksschulbesuch, sechs Jahre Volksschule der Kinder kümmern und die Behörde müsste sich um die Behausung kümmern. Also nochmal einen Anlaufunternehmen, denen statt Laubhütten, wo es reinregnet, eine feste Behausung.
Willy
00:23:49
Wie lange hast du das angeschaut? Du hast gesagt, nach einer Zeit hast du dann angefangen, sich das Projekt auch anzunehmen oder sich der Menschen anzunehmen. Was waren das erste?
Otto
00:23:57
Ja, fünf Jahre. Von 2007 bis 2012. Von 2012 haben wir gesagt, so.
Willy
00:24:02
Hat sich da was verändert in den fünf Jahren?
Otto
00:24:05
Nein, da hat sich nichts verändert. Du bist immer wiedergekommen. Es war immer gleich elend und immer gleich traurig und immer gleich ein Tropfen auf den heißen Stein, das, was wir gebracht haben.
Willy
00:24:14
Von was haben die Menschen bis dorthin gelebt? weil du gesagt hast, weil die 2000 Quadratmeter Land haben sie nicht gehabt.
Otto
00:24:20
Die haben gar nichts gehabt.
Willy
00:24:21
Die brauchten sie aber, aber die haben fünf Jahre lang gehabt.
Otto
00:24:23
Sie haben also bei ihren Nachbarn als Tagelöhner gearbeitet, als Mägde, als Knechte. Und wie gesagt, stehen, betteln am Markt, am Rande der Gesellschaft. Die Leute haben nicht verstanden oder verstehen bis heute nicht, warum eben jemand nicht so fleißig arbeitet wie sie. Na gut, jetzt haben wir gesagt, passt, wir machen eine Aktion in Österreich, so wie der Anton und der Herr Schnitzler, Regenwalter Österreicher die Landzertifikate ausgegeben haben, wo man symbolisch 100 Quadratmeter, 500 oder was auch immer ankauft, so haben wir das auch gemacht. Wir haben also Bausteine verkauft, wo wir dann gesagt haben, wir werden diese Grundstücke machen. Und innerhalb eines Jahres hatten wir so viele Spenden beisammen, dass wir diese 16 Grundstücke angekauft haben. Es war uns natürlich bewusst, dass wir auch jemanden beistellen müssen, der das anleitet. Und am Weg, den wir dann gegangen sind, hat sich herausgestellt, das war noch etwas untertrieben. Es war nicht schwierig, es war sehr schwierig. Aber wir haben in kurzer Zeit durch diese intensive Betreuung schon erste Erfolge gesehen, dass Weizen, Erdäpfel, Erbsen und Mais angebaut wurde, geerntet wurde.
Willy
00:25:54
Aber vielleicht aus dem Zwischenfragen, was war schwierig, weil wir erleben da jetzt quasi du in der ersten Nachgeneration, inzwischen ist es die zweite und dritte Generation, haben wir vorher geredet, vor der Aufnahme auch schon hier in dem Dorf. Es ist ja historisch Eine historische Entwicklung, die hier stattfindet, sind eine der letzten Menschen, die noch auf einer nomadischen Jäger- und Sammler-Art gelebt haben, die jetzt quasi auch ihre Heimat verlieren. Das heißt, du beobachtest jetzt gerade, was die Schwierigkeiten sind, wenn man aus einer ursprünglichen Jäger- und Sammlergesellschaft übertritt und eigentlich zwischendrin einmal viele Zwischengesellschaften auslöst und eigentlich gleich in eine sehr moderne Gesellschaft, selbst in Ruanda, eintritt. Auf welche Probleme, die ihr dann auch wahrgenommen habt in eurer Arbeit, stoßen die Menschen dann? Wie seht ihr dann drauf und was sind auch die Erfolge und woran sieht man, dass man sich dann schon langsam adaptiert? Weißt du, was ich meine?
Otto
00:26:56
Wir nähern uns an und der Weg ist noch sehr, sehr weit. Und zu viel in zu kurzer Zeit zu wollen, bringt gar nichts. Zu viel in die Schlacht zu werfen, bringt gar nichts. Sondern es muss eine kontinuierliche Förderung sein, die auch mit viel Kommunikation, du hast es heute erlebt, das Palawa, das wir hier abgehalten haben, das in der Landessprache abgehalten wurde von unseren Mitarbeitern.
Willy
00:27:28
Hitzige Diskussionen hier im Kreis. Also wir haben jetzt nur noch zwei Sessel. Das war vorher bummvoll. Richtig hitzig.
Otto
00:27:33
Und es wurde gestritten und gekämpft. und geredet und das sind also ganz wichtige Dinge. Ja, also lass es mich so beginnen, wir haben auch versucht eine Visionsbildung zu ermöglichen. Eine Visionsbildung, in der wir uns eine Dame aus Uganda geholt haben, die da schon Erfahrung hat und die aus einer NGO herauskommt, wo die Landbevölkerung abgegredet werden soll. Und die hat zwei, drei Mal mit unseren, unter Anführungszeichen, mit unseren Familien hier ein Meeting abgehalten, zwei, drei Tage, wo es um Visionsbildung geht. Wo die Leute mit einbezogen wurden, wo wollen wir denn überhaupt hin?
Willy
00:28:22
Echter Visionsworkshop?
Otto
00:28:23
Ja, weil wenn die Leute nicht wissen, was wir da überhaupt mit ihnen tun wollen, das bringt ja gar nichts. Und die Visionsbildung war schon definitiv so, wir wollen durch Ackerbau uns von dieser Situation der Armut, des Hungers, des Stählens befreien. Und immer ist man auseinandergegangen in der Meinung, Alles klar, alles geklärt, wir wollen das. Aber dann kommen die Mühen der Ebene. Menschen, die nicht gewohnt sind, von früh bis spät am Feld zu arbeiten, bis der Rücken schmerzt, die haben dann gesehen, wie mühsam dieser Weg ist. Und natürlich haben sie ihn nicht geradlinig durchgehalten. Wir haben also Rückschläge gehabt, immer wieder, dass einzelne Familien gar nicht mehr mitgemacht haben oder vor allem die Männer alkoholkrank sind nicht mehr für schwere Arbeit überhaupt einsetzbar sind.
Willy
00:29:30
Das Alkoholproblem, das hört man immer wieder in so ähnlichen Kontexten. Warum ist Alkohol so ein großes Problem und gab es in jägern Sammelzeiten nicht alkoholähnliche Dinge auch oder ist das erst wirklich nur jetzt mit dieser Art Lebensweise und Hoffnungslosigkeit vielleicht einhergekommen?
Otto
00:29:54
Naja, es ist glaube ich wie bei allen Urbevölkerungen, Aborigines, nordamerikanische Ureinwohner, so ist es auch hier, die Menschen sind vollkommen entwurzelt. Und in dieser Situation dann mit einer Droge in Kontakt zu kommen, mit der man überhaupt keine Erfahrung hat, wie man damit umgeht, das hat die Folge, dass der Alkoholismus sehr weit verbreitet ist. Darin findet man angeblich Trost, soll bei uns ja auch so sein.
Willy
00:30:30
Ja, kurzfristig.
Otto
00:30:32
Kurzfristig und langfristig zerstört dann natürlich eine ganze Gesellschaft. Also das ist einer der größten Probleme, mit denen wir hier kämpfen und es sind freie Menschen. Also wir können sie nicht davon abhalten. Und daher habe ich auch gesagt, weniger ist mehr. Also zu viel beizutragen, dass mehr zur Verfügung steht, auch an Geldmitteln, ist nicht gut. Es sollte sozusagen immer so sein, dass sich die Sache verbessert, die Lebensmittelversorgung, die Kleidung, die verfügbar ist, die Kinder, die in die Schule gehen können. Das sollte schon immer weitergeführt werden, aber ja nicht mit zu schnell und zu viel.
Willy
00:31:15
Also die Menschen jetzt hier zu sagen, ich schicke dich jetzt auf ein Gymnasium nach europäischen Standards oder sowas, das wäre gut gemeint? Unmöglich.
Otto
00:31:30
Völlig unmöglich. Also die Politik der kleinen Schritte ist wichtig. Und wie gesagt, wir haben begonnen mit einem Deal mit den Behörden. Es hat dann das dänische Rote Kreuz hat dann hier Häuser errichten lassen da hat man zum Beispiel schon gesehen die haben da nicht mitgearbeitet aus zwei Gründen erstens haben sie keine Erfahrung mit Hausbau und zweitens, stehen sie auf dem Standpunkt wie uns wurde etwas genommen und man hat uns versprochen dass man für uns sorgen wird und obwohl das jetzt die zweite Generation ist, die nicht mehr in den Bergregenwald darf, dieser Gedanke ist natürlich immer noch da. Man hat uns ein Unrecht getan und dieses Unrecht sollte zur Folge haben, dass man für uns Sorge trägt. Dass wir unser Schicksal nicht selber jetzt in die Hand nehmen müssen. Die Realität ist aber eine andere. Sie müssen ihr Schicksal in die Hand nehmen und wir mit dem, was wir können, unterstützen sie dabei, dass sie überhaupt erkennen, dass es eben so ist, dass sie ihr Schicksal in die Hand nehmen müssen und dass sie auch eine Vorstellung haben, wie denn ihr Schicksal aussehen soll in Zukunft. Das sind eben diese Visionsworkshops.
Willy
00:32:54
Es ist so unheimlich schwer. Ich merke das jetzt gerade im Gespräch. Ich hoffe, man merkt es nicht, aber es ist so unheimlich schwer, darüber zu reden, weil man weiß einfach, und das ist so die größte Erkenntnis und gleichzeitig die größte Unerkenntnis, es ist absolut unmöglich, sich hineinzuversetzen in die Lebenswelt der Menschen, selbst in der zweiten Generation vermutlich jetzt noch, die da draußen, also die man im Hintergrund dann auch sieht und hört, das ist einfach eine komplett andere Welt.
Otto
00:33:20
So ist es, und diese Welten prallen aufeinander.
Willy
00:33:24
Wie schaffst du es, wenn du auf Menschen triffst, die mit uns eigentlich nur die Physiognomie gemeinsam haben, aber sonst eigentlich weltbildlich gar nichts. Wie schafft man da, dass man richtig mit ihnen arbeitet und dass man nicht selber wieder permanent Fehler macht?
Otto
00:33:41
Eines muss man schon sagen, auch wenn sie aus einer anderen Welt kommen, ein Lächeln zum Beispiel verbindet, Nähe spüren zu lassen und Interesse und Fürsorge spüren zu lassen, ist schon ein starkes Bindeglied zwischen Menschen.
Willy
00:34:01
Also zwischenmenschlich.
Otto
00:34:02
Ja, ein zwischenmenschliches Bindeglied. Ich komme jetzt seit 18 Jahren in dieses Dorf und ich habe seit 18 Jahren mit diesem Menschen Kontakt und das schafft Verbindung. Ich meine, du hast das vielleicht heute gesehen, nicht? Ja, Die freuen sich, wenn wir kommen, nicht nur, weil wir, wie auch heute, was mitgebracht haben, sondern sie wissen schon, dass wir auch eine Anforderung an sie haben, dass sie selber mitarbeiten an ihrer Zukunft und nicht sich zurücklehnen und sagen, man hat uns Unrecht getan, bitte schaut auf uns. Weil das tut niemand. Und dann kommen noch weitere Dinge dazu. Arbeitet man zusammen bei den zwei oder ist man eine Familie? Und die Tradition ist eigentlich jede Familie für sich. Und wir haben natürlich gesagt, das ist ja überhaupt kaum zu schaffen, sondern wir müssen da schauen, dass es eine Dorfgemeinschaft gibt und eine Zusammenarbeit.
Willy
00:35:07
Also dann noch einmal eine kulturelle Geschichte.
Otto
00:35:11
Weil ich kann jetzt hier nicht für 16 Familien jeweils ein Einzelprogramm zusammenstellen. Naja, dann haben wir eben begonnen mit der Landwirtschaft und mit den Volksschulkindern. Wir sind immer noch dran. Es gibt eben Rückschläge, wo wir dann draufgekommen sind, dass eine Familie den Grund einfach um einen Pappenstiel verpachtet hat an die Nachbarn, weil sie keine Lust mehr hatten, sich den Buckel wund zu arbeiten, sondern sie haben gedacht, so geht es auch irgendwie. Also da haben wir dann wieder eingreifen müssen, haben uns um einen neuen Agraringenieur umgeschaut, der da etwas strenger drauf schaut.
Willy
00:35:55
Das heißt, der leitet ja vor Ort das Projekt, der Agraringenieur.
Otto
00:35:59
Genau, der leitet sie an, wann wird was gepflanzt, wann wird geerntet, wie wird gegen Schädlinge vorgegangen. Und wir haben, den hast du heute gesehen, wir haben also ein großes Gebäude errichtet, wo man Lebensmittel, die geerntet wurden, lagern kann. Und zwar so lagern kann, dass man dort nicht leicht hineinkommt. Ansonsten wäre das alles über Nacht weg, würde... Viel zu billig verkauft werden, in Gendt umgesetzt werden und es wäre wieder alles weg. Also wir müssen quasi die Nachhaltigkeit sicherstellen.
Willy
00:36:35
Schauen wir vielleicht mal so einen kleinen Fokus auf das Thema Landwirtschaft, weil das ist ja im Prinzip das Kernding von einer Jäger- und Sammlergesellschaft in eine sehr, sehr frühe Form der Subsistenzlandwirtschaft, dieser Übersprung. Welche Landwirtschaft bringt ihr?
Otto
00:36:49
Ich möchte noch einmal kurz betonen, das wurde von uns mehrmals und nachhaltig verlangt. Das haben wir Ihnen nicht aufs Auge gedrückt. Aber bitte weiter.
Willy
00:37:02
Das würde verlangen von euch, dass ihr das macht.
Otto
00:37:04
Ja.
Willy
00:37:06
Gut, dann nehmen wir gleich den Punkt, weil das ist natürlich eine kritische Frage in dem Fall. Du weißt natürlich, sie sind aus ihren Gebieten vertrieben worden. Du hast es vorher indirekt eh schon beantwortet. Sie sind jetzt quasi in einer Art und Weise, in einer Lebensform, die sie nicht gewählt haben, sondern die ihnen aufgezwungen worden. Und man könnte es auch kritisch formulieren, durch das Projekt unterstützt ja sogar diesen Unrechtszustand und legitimiert den quasi so und sagt, das muss jetzt so sein. Was ist deine Antwort darauf?
Otto
00:37:37
Naja, ich glaube, ich habe es vorher schon einmal argumentiert. Es gibt einfach keine andere Möglichkeit. Wenn einer eine hat und ein Habitat aus der Kiste zaubern kann, wunderbar, aber das geht nicht. Und den Menschen hier beim Vegetieren und Sterben zuzuschauen, das kann ich nicht.
Willy
00:37:58
Genau, wer moralisch besser ist.
Otto
00:38:01
Es ist genau, wer hier glaubt, glücklich sein zu können, der möge es bitte vormachen und wir schauen dabei, dass die Menschen nicht untergehen.
Willy
00:38:14
Ganz einfach. Das heißt, Landwirtschaft, und jetzt interessiert mich, welche Art der Landwirtschaft, weil aus Österreich gekommen bin, habe ich ein Büdel von Landwirtschaft. Ich war jetzt in Brasilien, jetzt habe ich ein komplett neues Büdel von Landwirtschaft. Jetzt bin ich in Ruanda, welche Art der Landwirtschaft kann ich mir da vorstellen, was ist es da, welche Kompetenzen versuche ich zu vermitteln, dass wir da so ein bisschen ein Gefühl kriegen, von was wir da reden.
Otto
00:38:36
Also Landwirtschaft in Ruanda ist ohne jede Maschine. Landwirtschaft in Ruanda ist aufs Feld gehen von früh bis spät mit einer Haue, Ackern. Landwirtschaft ist Sehen mit der Hand. Landwirtschaft ist Mist, sprich Kuhdünger, aufs Feld tragen am Kopf in einer halboffenen Schale. Landwirtschaft ist Düngern mit den Händen, Einarbeiten von Kuhmist mit den Händen in die Ackerfurche. Landwirtschaft ist dort, wo es möglich ist, bewässern mit einer Wasserschüssel aus einem Rinnsaal neben den Feldern. Jeder Liter wird aufs Feld geschleudert, händisch. Landwirtschaft ist händisch ernten. Landwirtschaft ist zum Teil dann einbringende Ernte mit einem kleinen LKW, der halt, wenn es die Straße gibt, zufahren kann oder eben den Sack am Kopf tragen. Landwirtschaft ist also sehr mühsam. Landwirtschaft heißt auch mit Pestiziden umgehen, weil hier sehr viel Monokultur besteht. Sprich, zum Beispiel Erdäpfel gemacht wird und es ohne Pestizide keine gescheite Ernte gäbe. Also Landwirtschaft ist durchaus etwas, wo man sich auskennen muss, wo man hart arbeiten muss. Das übernimmt eben unser Agraringenieur.
Willy
00:40:03
Woher kommen die Pestizide dann? Bitte? Woher kommen die Pestizide?
Otto
00:40:06
Die Pestizide, die werden von den einschlägigen großen Firmen geliefert. Es gibt noch ein bisschen Buretrum-Anbau. Erklär das ganz kurz. Das ist ein Naturinsektizid. Das wächst hier ganz gut. Es wird Maniog angebaut. Es wächst ja hier prinzipiell alles sehr gut. Wir sind hier am Rande des vulkanischen Gebietes. Das heißt, es gibt hier eine gute und fruchtbare Erde. Ja, und man kann eben mit einem relativ kleinen Stück Land sich durchschlagen.
Willy
00:40:43
Das wollte ich noch ergänzen. Und Landwirtschaft, ich habe gesagt, dass Landwirtschaft ist. Landwirtschaft ist 2000 Quadratmeter, dass, wenn es da ist, eine ganze Familie ernähren kann.
Otto
00:40:52
Und ein Problem von Ruanda ist ja, dass eben die Felder immer kleiner werden, weil durch Erbteilung immer weniger Land zur Verfügung steht. Also es wird immer kritischer hier, dass man mit dem, was man hat, sich überhaupt noch ernähren kann.
Willy
00:41:07
Und sowas wie weichende Erben gibt es in dem Sinne weniger.
Otto
00:41:10
Gibt es wenig, die dann in die Stadt gehen und etwas anderes machen. Und insofern war das, was wir hier durch Spenden erreicht haben, einmal ein guter Schritt. Wir haben heute mit unserem Agraringenieur gesprochen, wir beide. Es ist halt nur so, dass das Land, das Sie zur Verfügung haben, für die Personenzahl in den Familien doch nicht reicht. Das heißt, Sie können etwa sechs Monate von diesem Ernteerfolg leben. Die anderen sechs Monate müssen Sie wieder als Tagelöhner oder wie auch immer schauen, dass Sie sich durchschlagen. Es wäre natürlich eine super Sache, wenn wir es da noch schaffen könnten, dass wir mehr Land ankaufen, sodass Sie sich dann wirklich mehr oder weniger durchgehend über das Jahr ernähren können.
Willy
00:41:59
Das ist jetzt der richtige Punkt, um zu sagen, wenn man da unterstützen möchte beim Landkauf, kommen das natürlich, die Links zu den Spendenseiten sind in den Shownotes, ich lege euch in die Shownotes, da könnt ihr ja schauen, vielleicht erklärt es ganz kurz nochmal, gibt es da ein spezielles Flächenprogramm, wo man spenden kann oder ist es generell einfach eine Spende?
Otto
00:42:21
Man kann zweckgebunden spenden, Landankauf-Batois.
Willy
00:42:25
Landankauf-Batois, okay.
Otto
00:42:26
Ganz einfach.
Willy
00:42:27
Habt ihr euch damals verschätzt beim Landankauf, bei der Badware oder ist die Population auch gewachsen?
Otto
00:42:33
Ich würde sagen, wir haben uns erstens verschätzt. Das sind zum Teil Grundstücke, die nicht sehr fruchtbar sind. Und, Wir haben auch von den Mitteln her einfach nicht mehr schaffen können. Muss man auch sagen, wir haben ja mehrere Projekte. Wir müssen da schauen, wie wir uns durchlavieren, sodass alle Projekte laufen.
Willy
00:42:55
Wären Flächen verfügbar? Was man vielleicht jetzt da auch anmerken kann, Ruanda ist ein Land, das ist so groß wie Oberösterreich und Niederösterreich zusammen. Man hat doppelt so viele Einwohner wie Österreich. Gibt es noch ausreichend Flächen, auch da in der Region, die ihr zukaufen könntet?
Otto
00:43:09
Ausreichend ist vielleicht übertrieben, aber es gibt immer wieder Flächen, die verkauft werden. Und wenn wir da mitbieten können, wäre es natürlich ein Hit.
Willy
00:43:19
Wie entwickeln Sie denn die Dorfgemeinschaft und auch die Population? Ich kann mir vorstellen, wann das jetzt funktioniert, es geht langsam besser. Langsam, Betonung jetzt auf langsam. Es werden ja auch mehr. Dann hast du ja das Thema, nächste Generation, Feldteilung. Wie geht es denn mit dem um? Oder ist es dann so, let's cross the bridge when we are there?
Otto
00:43:39
Ja, naja, es ist so, ich würde sagen, unsere Familien haben eine einigermaßen stabile Personenzahl. Es gibt ja leider auch eine hohe Kindersterblichkeit. Es ist die Akzeptanz moderner Medizin ist nicht im großen Ausmaß gegeben. Das heißt, der Altersschnitt, ich habe keine Zahl, aber der Altersschnitt hier durch, Das harte Leben, das Klima hier ist sehr kühl, feucht. Die Menschen schlafen, wie wir heute auch im Haus gesehen haben, die schlafen am gestampften Lehmboden. Fotos. Ja, also die Lebenserwartung ist sicher niedriger wie bei anderen Bevölkerungsteilen von Ruanda. Also ich glaube, sie halten sich stabil. Aber nicht so, dass wir jetzt fürchten müssten, durch unsere Zuwendung, dass da jetzt ein Druck entsteht und immer mehr werden.
Willy
00:44:41
Was sind die größten Erfolge und die größten Rückschläge vor dem Projekt, wenn du jetzt so auf die Jahre drauf schaust? Was sind die größten Erfolge und Rückschläge?
Otto
00:44:51
Ja, die größten Rückschläge sind, wie schon gesagt, dass das Land zeitweise nicht gut genutzt wurde und einfach an die Nachbarn verpachtet wurde. Der Weg des geringsten Widerstandes. Rückschläge sind, dass sie ihre... Und Rückschläge sind, dass sie ihre eigene Ernte oft aus dem Boden holen wollen, bevor es noch zum Ernten ist. In der Intention, nicht die kooperative Ernte, sondern ich schaffe mir was zur Seite. Also wieder der Gedanke der Nachhaltigkeit, der Gedanke des Zusammenhalts, der Gedanke, was ist vernünftig. Da gibt es halt immer wieder Rückschläge. Aber wenn ich mich hier umschaue in dem Dorf, die festen Häuser, ein regendichtes Dach, doch ausreichend Kleidung, wenn auch eben nur ein T-Shirt und eine Hose. Aber es ist eine minimale Versorgung da.
Willy
00:45:53
Wir dürfen ja mit unseren Bildern draufschauen. Wir dürfen nicht mit unserem Bild draufschauen.
Otto
00:45:59
Wir zahlen die Schuluniformen der Kinder. Wir zahlen den Elternbeitrag für das Essen der Kinder in der Schule. Wir haben vier Volksschulkinder, die außergewöhnlich guten Erfolg hatten, haben wir in eine bessere, sprich private Volksschule gegeben, damit sie dort noch besser gefördert werden. Ja, also es geht darum, wie gut können sie ihre eigene Vision weiterverfolgen. Haben sie eine Vision? Ja, sie haben eine Vision, sie wollen dorthin, wo die anderen Ruander sind. Sie wollen mehr Wohlstand haben. Sie wollen sich was leisten können. Also der Gedanke, der ist durchaus da, ganz normal. Aber der Weg dorthin... Da sind sie noch nicht so stabil und ich verdenke es ihnen nicht. Wie wir gesagt haben, es prallen hier Welten aufeinander, das ist unglaublich. Und wenn du keine Bildung hast, und darum ist unser Ansatz bei den Kindern, wenn du keine Bildung hast, wenn du nicht schreiben, nicht lesen kannst, ja was kannst du für einen Job erwarten? Du kannst da keinen Job erwarten.
Willy
00:47:11
Wie geht es in gesellschaftlicher Integration? Wenn man zurückschaut auf den Völkermord hier in Ruanda, es war ja ein Völkermord im Prinzip oder ein Kampf von Hutu Tutsi, also da hat man die Partei, die eigentlich dritte Volksgruppe hier in Ruanda sind, völlig, die waren einfach da kein Thema, die haben da gar nicht mitgemacht, die waren kein Thema,
Otto
00:47:30
Wurden aber zum Teil auch mit hineingezogen. So wie moderate Hutus mit hineingezogen wurden, die mussten auch Hand anlegen, weil sonst wären sie selber eliminiert worden und das ist sicher bei den Batwa auch nicht anders gewesen und es dürfte schon so sein, dass die Batwa-Population damals auch deutlich reduziert wurde und eines noch, was ganz wichtig ist, der Genozid hat dazu geführt, dass ganz viel geschützter Lebensraum im Sinne von Nationalpark, auch in landwirtschaftliche Fläche umgewandelt wurde. Also Ruanda hat damals ganz viel Nationalpark Fläche verloren, weil es war einfach so viel Not vorhanden, dass man Teile der Nationalparks freigegeben hat für Landwirtschaft. Hier im Volcano Nationalpark ist jetzt wieder mal der umgekehrte Weg beschritten worden. Man hat ihn wieder ein bisschen vergrößert. Aber flächenmäßig war die Einbuße 1994 durch den Genozid durchaus beträchtlich.
Willy
00:48:38
Deswegen habe ich auch die Frage jetzt ein bisschen so formuliert oder die Aussage von mir. Sie möchten so sein wie alle Ruander auch. Was sagen die anderen Ruanders zum Eintritt von Batwas in die ruandische Gesellschaft? Wie sehen Sie das?
Otto
00:48:54
Naja, man schaut auf sie herab, würde ich sagen. Man belächelt sie, weil sie eben in manchen Dingen... Kindlich naiv wirken. Und ja, also der Gedanke, das sind unsere Mitbrüder und auf die wir erstmal ganz wichtig schauen, der würde ich sagen, ist nicht ausgeprägt. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Man schaue, wie man bei uns daheim auf Roma und Sinti schaut, wie man bei uns daheim auf Minderheiten schaut. Also es ist durchaus so, dass das hier nicht anders ist, dass die Padwa von vielen als eine unnötige Gesellschaftsgruppe gesehen werden und nicht eine Bereicherung.
Willy
00:49:52
Also die Strukturen, die Muster hinter struktureller Ungleichheit, vielleicht dahinter Rassismus, hinter was auch immer, die sind global, sie kommen einfach nur in anderen Farben zutage, aber im Prinzip die Mechanismen kann man nachvollziehen, sie sind ähnliche oder sogar die gleichen.
Otto
00:50:09
Ja, es gibt Lichtgestalten aus dieser Gruppe. In unserem Social Business im Hotel gibt es einen Batwa, der bei uns als Abwäscher angefangen hat und sich mittlerweile zum Koch hochgearbeitet hat.
Willy
00:50:25
Zu einem, was ich jetzt an dieser Stelle mal sagen möchte, ich habe zwei Arme gegessen, zu einem sehr, sehr guten Koch.
Otto
00:50:32
Ja, das ist der Jackson. Und der Jackson, der hat eben das, was vielen Batwa abgeht, nämlich, dass sie bei einer Sache bleiben können. Dass sie dranbleiben können, dass sie einen Weg verfolgen, ohne wieder in das zu verfallen, Das, was ich jetzt will und das, was ich mir jetzt sofort verwirklichen kann, auch indem ich Dinge unters Volk werfe, die ich vielleicht morgen wieder brauchen würde. Aber dieser Rückfall, den hat er nicht.
Willy
00:51:04
Also er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes eine Zukunft gegeben.
Otto
00:51:08
Er hat sich eine Zukunft gegeben. Und warum ist das total wichtig? Weil er natürlich immer noch Teil dieser Community ist. Und die sehen bei ihm, das kann funktionieren. Das heißt nicht, dass jeder das dann auch tun kann, aber er ist jedenfalls ein Vorbild.
Willy
00:51:27
Was würdest du sagen, war bei ihm seine besondere Kompetenz? War er besonders kognitiv lernfähig oder war er kulturell schneller verstanden?
Otto
00:51:41
Er hat diese Spontaneität im Jetzt etwas zurückgestellt. Das jetzt haben zu wollen oder das jetzt nicht machen zu wollen, das ist so eine klassische Kerneigenschaft dieser Community. Eh schön, aber nur dann nicht schön, wenn es dazu führt, dass man materiell dahin vegetiert, weil es eben nichts mehr gibt, was man aufklauen kann und nichts mehr gibt, was man auch jagen kann oder darf. Und das ist eben der große Unterschied. Und insofern eben diese ganze Diskussion, dass wir hier beitragen zu einem Untergang in einer Kultur, wie gesagt, das kann ich durchaus, muss ich sagen, das ärgert mich dann, wenn Leute quasi, die noch nie hier waren, die das nicht über Jahre beobachtet haben, das Elend dieser Leute, wird die auf die Idee kommen, dass man das jetzt nicht so machen sollte.
Willy
00:52:45
Was würdest du den Menschen empfehlen? Also es hat nicht jeder die Möglichkeit, dass er mit dir da jetzt herumfährt, mit dir da direkt da sein darf. Wie würdest du empfehlen, wie kann man sich denn dem nehmen, wenn man dem offen ist oder wenn man seine Vorurteile hat und die einfach auf der Welt schmeißen will, dann kann man das ja auch machen. Nur bitte nicht dir gegenüber, sage ich jetzt einmal stellvertretend für dich. Aber wie kann ich mich dem Thema nähern, sodass ich dort auch was verstehe? Oder ist das schwierig?
Otto
00:53:14
Also ich glaube, aus der Entfernung vielleicht sogar ein bisschen schwierig, sich das theoretisch durch den Kopf gehen zu lassen. Also ich bin ja hier ohne jede Vorbildung in dieser Frage aufgeschlagen. Und ich habe halt meinen Hausverstand und ich habe mein menschliches Empfinden und Fingerspitzengefühl. Und nach dem agieren wir hier. Und ich muss sagen, wir haben also Fortschritte gesehen. Wir bleiben dran. Wir bleiben dran. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Wir bleiben dran. Und eben durchaus im richtigen Tempo. Im richtigen Tempo.
Willy
00:54:02
Wie viel Frustrationstoleranz braucht man für deinen Job und allen in diesem Projekt?
Otto
00:54:11
Meine Frustrationstoleranz, würde ich einmal sagen, ist höher als die der Ruanda, die Batwa auch versucht haben anzuleiten und zu begleiten. Da haben viele einfach das Handtuch geworfen. Ich nehme die Rückschläge zur Kenntnis. Ich rufe mir in Erinnerung, wo diese Menschen herkommen. Und dann sage ich, gut, gut.
Willy
00:54:47
Du hast gestern in einem Podcast gesagt, wir haben gestern einen Podcast aufgenommen, irgendwie auf das Hinfallen, Krone aufstehen, Krone richten.
Otto
00:54:53
Aufstehen, aufputzen, Krone richten, weitergehen. Und so handhaben wir das und ich bin so froh, dass wir eben eine lokale Mannschaft haben, die das mitschultert. Ich würde schon sagen, die würden das nicht tun, wenn es uns nicht gäbe. Also das sind nicht Ruanda, die sagen, oh, wir müssen jetzt die Patwa nach vorne bringen. Also das ist nicht der Fall. Aber ich glaube, wir haben es ihnen nahegebracht. Das sind Ruanda, die sehen, dass das eine Bevölkerungsgruppe von Ruanda ist. Nicht das alte Bild, dass das eigentlich Tiere sind, das muss man auch einmal in aller Härte sagen.
Willy
00:55:35
Den Satz habe ich auch schon mal gehört.
Otto
00:55:37
Dass es also die Debatte war, die Waldmenschen von denen, die sich als Kulturmenschen gesehen haben, durchaus auch als Tiere behandelt wurden. Dass man sie abgeschossen hat, dass man sie versklavt hat. Also die Zeit ist Gott sei Dank vorüber. Aber da reden wir jetzt nicht von vor hunderten Jahren, sondern da reden wir von vor 50, 60, 70 Jahren. Und der Staat Rwanda betrachtet sie als Rwanda, wir betrachten sie so.
Willy
00:56:13
Der Weg ist eingeleitet.
Otto
00:56:15
Der Weg ist eingeleitet. Aber nochmal, ob sie es schaffen, in die neue Zeit zu gehen, ich würde sagen, Schauen wir mal. Schauen wir mal. Ja, also man kann das nicht prognostizieren, weil das Tempo der Entwicklung der anderen ist so hoch, dass die große Frage ist, wie rasch sie folgen können, dass zumindest der Abstand nicht größer wird.
Willy
00:56:47
Ab wann würdest du sagen, ist das Projekt gescheitert?
Otto
00:56:55
Unser Projekt ist gescheitert, wenn hier alle die Hoffnung aufgegeben haben.
Willy
00:57:00
Die Häuser noch stehen, aber die Hoffnung weg ist.
Otto
00:57:02
Genau. Wenn niemand mehr hier unterstützend da ist, dann sehe ich nur einen Weg in Richtung Aussterben. Okay.
Willy
00:57:19
Was haben wir jetzt noch nicht behandelt? Vielleicht trägt sich auch diese Podcast-Folge ein bisschen besser dazu, auch in Entfernung, Remote-Verständnis ein bisschen zu entwickeln, in unserer Art und Weise, wie wir das machen. Wir sind inzwischen, das ist halt unser dritte oder vierte Aufnahme, wir sind schon eigentlich schon fast ein bisschen eingespült. Was haben wir jetzt noch nicht behandelt? Was aber jetzt aus deiner Sicht noch wichtig wäre, dass wir das jetzt noch zum Schluss auch mitgeben?
Otto
00:57:47
Ja, also ich möchte gerne noch einmal betonen, unsere Chance und die Chance der Batwa liegt nur bei den Kindern. Ältere Erwachsene, würde ich sagen, da bewegt sich nicht mehr viel in Richtung neue Zeit. Die verharren im Endeffekt immer noch in dieser Schochstarre.
Willy
00:58:06
Die ärmste Generation der Entwurzelung.
Otto
00:58:11
Wir haben ja festgestellt, das sind Menschen, die haben das Leben im Habitat, im Bergregenwald gar nicht mehr erlebt. Aber die sind so durchdramatisiert, dass da nichts mehr geht. Und bei den Kindern wäre natürlich gut, wenn man noch ein bisschen intensiver mitteln können. Was wir sehen, dass natürlich die Kinder, wenn sie nach der Schule heimkommen, wieder unter dem Einfluss der Eltern stehen, ist eine natürliche Sache. Ob einem das gefällt oder nicht, das soll auch so sein. Also dieser Weg, der in anderen Kontinenten beschritten wurde, Aborigines, dass man den Aborigines die Kinder entzogen hat und sie in Heimann großgezogen hat, Also das natürlich würden wir strikt ablehnen und das wird nicht gemacht und das ist auch nicht angedacht. Aber natürlich, das Heimkommen aus der Schule verlangsamt natürlich den Fortschritt. Aber das ist so.
Willy
00:59:20
Also wie so oft, die Hoffnung liegt wieder mal auf der Jugend oder in der Jugend. Ja, vielleicht magst du zum Schluss jetzt noch einmal einen kleinen Spendenaufruf starten. Also sag zumindest, wo man dieses Projekt und auch die anderen Projekte von Future for Kids unterstützen kann. Und dann würde ich sagen... Dann haben wir ein neues, sehr, sehr spannendes Projekt kennengelernt. Für mich war es wieder absoluter. Ihr könnt ein bisschen neidisch sein, weil ich darf das vor Ort erleben. Ich darf die Menschen kennenlernen. Ich habe einen Haufen Fotos mit, mindestens zwei Millionen. Aber jetzt sag uns bitte, bevor ich wieder zu red, wo kann man euch unterstützen?
Otto
00:59:57
Wir haben einen gemeinnützigen Verein. Alle Zuwendungen sind steuerabsetzbegünstigt. Und man findet uns über die Homepage, über Facebook und über Instagram. Future4Kids ist die Homepage mit einem Vierer, future4kids.at. Da kann man uns finden und kontaktieren. Und man kann natürlich speziell für diese wunderbaren Menschen hier ein zweckgebundene Spenden für Bildung, für Ackerbau machen. Wir versuchen diesen Menschen eine Zukunft zu geben.
Willy
01:00:42
Sehr schön. Und für alle, die das jetzt nicht mitgeschrieben haben, die was auf YouTube sind, es steht auf seinem Live-A-Low-OS drauf, was du wissen musst. Und sonst, es gibt eine eigene Podcast-Folge bei der konstruktiven Anhoxlosigkeit zu der Arbeit, zur Entwicklungszusammenarbeit von Future for Kids. Mit diesen Worten und jetzt habe ich auch noch ein bisschen einen kleinen Wärmeinschub gemacht. Lieber Otto Fischer, das war heute unser letztes Gespräch in einer Reihe von vier Gesprächen, die ihr alle nachher kennt. Vielen, vielen Dank für deine Zeit und gerade auch speziell für diesen Einblick in eine fast vergessene Welt. Und den wir so schnell wahrscheinlich auch nicht mehr vergessen. Danke für die Zeit und danke für alles.
Otto
01:01:20
Lieber Willi, ich danke dir und wir haben es trotz Lärmkulisse, denke ich, geschafft und der liebe Daniel wird es ein bisschen glätten.
Willy
01:01:30
Lieber Daniel, danke für deinen Aufwand und Otto, du hast gar keine Ahnung, wie diese Kopfhörer das rundherum verstärken. Also ich bin inzwischen ärdisch und es war eine kognitive Höchstleistung, dir zuzuhören und den Lärm auszublenden. Ich bin Banane. Ich brauche Bier, ich brauche Bier.
Otto
01:01:47
Das ist der Name, Bier.

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