Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Abenteuer Wein: Heinrich Vollmer zwischen Pfalz und Anden

28.10.2025 84 min

Zusammenfassung & Show Notes

Manche Winzer suchen neue Rebsorten, andere gleich neue Kontinente. Heinrich Vollmer gehört zu den Pionieren, die schon früh über den Tellerrand des deutschen Weinbaus hinausgeblickt haben. In den 1980er-Jahren gründete er ein Weingut in Argentinien: eine Geschichte, die so abenteuerlich wie außergewöhnlich ist. Michael und Tobias sprechen mit „Enrique“ über Mut, Unternehmergeist und die Fähigkeit, immer wieder neu anzufangen – vom Weinbau in der Pfalz und in Mendoza bis zu Begegnungen, die das Leben verändern. Ein Podcast über einen, der auszog, um Wein zu machen, und dabei sogar dem Tod ins Auge blicken musste.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. In dieser Folge geht es um einen Mann, dessen Lebensgeschichte Stoff für direkt mehrere Filme bietet. Der Winzer Heinrich Vollmer arbeitete bereits in den 60er-Jahren im Burgund, pflanzte Cabernet Sauvignon in der Pfalz, als es noch verboten war, und ging 1987 als einer der ersten Deutschen nach Argentinien, um Wein zu machen. In das Land, in dem er kurz zuvor fast sein Leben verlor. Michael und ich sprechen mit Enrique über Mut, Rebellion und die Kunst, im Wein wie im Leben neue Wege zu gehen. Neue Wege geht auch ihr, wenn ihr Bei Anruf Wein bewertet und dem Podcast folgt. Zudem macht bitte bei der Umfrage in den Shownotes mit und besucht gerne weinlakai.de für meine Weinseminare. Danke sehr! Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an! Ja, lieber Heinrich, schön, dass wir dir heute einen Besuch abstatten dürfen. Aber eigentlich müsste ich dich ja auch Enrique nennen dürfen, oder?
Heinrich
00:01:11
Heinrich: Ich bin ja 4 Jahrzehnte in Südamerika und dort nennt man den Enrique, äh, den Heinrich eben Enrique.
Tobias
00:01:20
Okay, alles klar.
Heinrich
00:01:21
Heinrich: Mit E vorne geschrieben. Im Französischen - Henry - wird ja mit H geschrieben und nicht gesprochen, aber im Spanischen ist es eben Enrique. Oder wenn du gute Freunde hast, die sagen ganz kurz zu dir „Quique". So wie bei uns Heini. Quique, mit G. Mit G. Weich gesprochen, „Gige".
Michael
00:01:41
Okay, das ist Kike. Ah, weich, okay.
Heinrich
00:01:47
Heinrich: Weich.
Tobias
00:01:47
Das ist auf jeden Fall jetzt schon ein exzellenter Einstieg, weil unser heutiges Thema ist ja deutsche Winzer, die im Ausland Wein machen. Und du machst das ja vor allem schon sehr, sehr lange. Erzähl doch mal ein bisschen.
Heinrich
00:02:01
Heinrich: Ich kam 1973 das erste Mal nach Peru. Das war meine erste Seligkeit, und ich habe mich damals interessiert für die Entwicklung einfach der lateinamerikanischen Politik und Unterwanderung durch den Sozialismus, Kommunismus und Ähnlichkeiten, die es bei uns auch gab. Wir hatten ja in der Zeit über 6.000 östliche Spione in Deutschland. Der eine saß sogar beim Bundeskanzler Willy Brandt auf dem Schoß. 1983 hatte ich einen schweren Bergunfall und bin auf dem Huascarán auf 6.400 Meter einfach liegen geblieben, nachts ein Lungenödem bekommen und am nächsten Tag war ich praktisch Außer Takt. So, mein Mitsteiger, am zweiten Tag habe ich ihn gebeten, sich in Sicherheit zu bringen und ist abgestiegen. So, und ich hatte Glück, dass Indios, bei denen ich mich die Jahre zuvor immer akklimatisiert habe, die lebten oder leben, auf 4.800 Meter und pflanzen dort Weizen, Kartoffeln und Mais an. Ganz nette Leute. Und statt auf dem Berg hin und her zu springen, habe ich immer die erste Woche mit Pickel und Hacke denen eine Woche geholfen, Kartoffeln zu ernten. Und das hat mir letzten Endes das Leben gerettet. Die haben von der, die leben auf der Gegenseite dieses Berges und haben das miterlebt, wie wir dort aufgestiegen sind. Ich habe ein rotes Zelt, und die haben dann gesehen, da bewegt sich nichts mehr und haben sich auf den Weg gemacht und waren am Tag 5 meines Liegens auf dem Berg, haben sie mich gefunden und runtergebracht. Ich war im Koma und habe also die letzten Tage, habe ich nichts mehr mitbekommen. Da oben hast du nachts -30 Grad, tagsüber hast im Zelt plus 25, wenn die Sonne drauf scheint, und gut.
Michael
00:04:19
Und wenig Sauerstoff die ganze Zeit.
Heinrich
00:04:21
Heinrich: Sauerstoff hast du ganz wenig. Mit Lungenödem habe ich sowieso noch weniger. Die Lunge ist voll mit Wasser. Der Körper entzieht oder die Lunge entzieht langsam dem Blut das Wasser. Es läuft dann zum Mund raus. Du bist, letzten Endes gibt es einen Erstickungstod, wenn die Lunge ganz voll ist mit Wasser, bist du tot.
Tobias
00:04:39
Da muss ich jetzt kurz noch mal zwischenhaken. Wir sprechen ja jetzt von was für einer Jahreszahl? Weil das ist, glaube ich dann schon...
Heinrich
00:04:46
Heinrich: 1983.
Tobias
00:04:48
1983.
Heinrich
00:04:49
Heinrich: 1983. Und dann bin ich also, habe es überlebt, lag da eine Zeit bei denen, habe es überlebt und kam zurück und habe dann das Augenlicht verloren, als ich hier nach Deutschland kam. Ich hatte noch 49 Kilo Körpergewicht, bin an der Makula erblindet. Mir sind auf beiden Augen die Adern geplatzt und Blut auf die Sehscheibe gelaufen. Das ist also ganz mit deutscher Sprache, ist diese Sache dann beschrieben. Dann lag ich in München in einer Spezialklinik und gut, man wollte mich dort operieren. Die Stabsärztin hat aber es mir ausgeredet. „Lass dich nicht operieren. Es sind nicht 2 % Erfolgsquote, sondern nur maximal 2 Promille Erfolgsquote. Und wenn die Makulascheibe beschädigt ist, bleibst du blind, das ganze Leben lang. Also habe ich nicht gemacht und bin dann auf ihr Anraten hin praktisch habe ich mich selbst entlassen und bin mit dem Zug, mich zum Eisen, zum Zug bringen lassen und heimgefahren und so weiter. So, da war ich zu Hause. Ich kam freitags hier an, das war auch ein unvergessliches Erlebnis, komme freitags an und sagt mein Betriebsleiter Chef, morgen Abend grillen wir und besprechen den Herbst. Das war am 5. September 1983. Am 7. September hat der Herbst angefangen. Das war auch damals der früheste Herbstbeginn der Aufzeichnungen. An dem Abend waren wir 12 Mann und haben viele, viele Flaschen Wein getrunken. Und morgens um 5:30 Uhr...
Michael
00:06:30
...war das Augenlicht wieder da.
Heinrich
00:06:32
Heinrich: War das Augenlicht wieder da.
Tobias
00:06:33
Nicht wirklich?!
Heinrich
00:06:34
Heinrich: Ja, ja.
Tobias
00:06:35
Ist ja verrückt!
Michael
00:06:36
Vielleicht kriege ich auch so meine Brille weg, weißt du?
Heinrich
00:06:38
Heinrich: Ja, wenn ich dir sagen würde, wie viele Flaschen wir getrunken haben, dann...
Michael
00:06:45
Doch nicht?
Heinrich
00:06:45
Heinrich: ...dann würdest du sagen, das mach ich doch nicht.
Tobias
00:06:47
Man hört ja eigentlich immer das Gegenteilige über Alkohol. Aber sag mal, warst du denn vorher schon so ein Bergsteiger und Gebirgefan?
Heinrich
00:06:54
Heinrich: Ja, ich bin ausgebildeter Bergführer und das hat mich immer schon interessiert.
Tobias
00:07:01
Okay, da kriegen wir jetzt ja vielleicht mal die Überleitung. Wir sitzen ja hier in der Pfalz, in Ellerstadt. Da kommst du aber ja ursprünglich gar nicht her, ne?
Heinrich
00:07:08
Heinrich: Ich bin heute, wenn ich es so sehe, wie meine Tochter, die Pfälzer ist, die hier geboren ist, die Pfälzisch spricht, und ich habe in meinen 50 Jahren, ich bin jetzt 53 Jahre hier in Ellerstadt, ich habe es nie gelernt, Pfälzisch zu sprechen. Hängt natürlich auch daran, weil ich keinen Pfälzer eine Flasche Wein verkaufen konnte. Also meine Kunden sind eben nicht in der Pfalz, sie sind in Hamburg, in München, in Frankfurt oder sonst wo in der Welt. Aber dem Pfälzer? Und ich glaube auch, wenn du als Baden-Württemberger in die Pfalz gekommen bist, damals warst zunächst auch mal Zugereister. Und das habe ich ja auch deutlich zu spüren bekommen. Allerdings leitete ich ja in Ellerstadt ein Weingut und da waren viele auch ein bisschen von dem Weingut abhängig, mal ganz einfach sozusagen, sodass sie diesen Flüchtling zwangsweise auch...
Tobias
00:08:18
Akzeptieren mussten?
Heinrich
00:08:19
Heinrich: ...akzeptieren mussten.
Tobias
00:08:20
Ja, okay.
Heinrich
00:08:21
Heinrich: Also dann war das alles eine ganz tolle Geschichte, aber ich leide heute noch darunter. Aber was noch, was schlimmer ist: 1962 war ich 15 Jahre alt. Und damals hat Adenauer und de Gaulle in Reims das deutsch französische Jugendaustauschprogramm unterschrieben. So, und ich war dann einer der ersten Deutschen mit 15 Jahren, der nach Frankreich ging. So, wenn ich heute darüber nachdenke, ich war der „Cochon allemand", das deutsche Schwein, mindestens 2 Jahre lang. Also der Austausch sollte nur 6 Monate sein, aber für mich war die Mission nicht abgeschlossen und ich blieb 5 Jahre. Ich kam 1968, am Karfreitag 68 kam ich aus dem Burgund zurück und die letzten 3 Jahre waren für mich mit die schönsten Jahre meines Lebens.
Tobias
00:09:20
Oh wow, also das Blatt hat sich dann völlig gewendet?
Heinrich
00:09:23
Heinrich: Völlig gewendet. Ich durfte Wein selber machen. Das war ein sehr großes Weingut, sehr berühmtes. Und dann hat einer meiner Weine die große Goldmedaille in Paris geholt und von dem Tag war ich saniert, anerkannt. Und dann war ich nicht mehr der Cochon, dann war ich der Henry. Fertig.
Michael
00:09:43
Mit H.
Heinrich
00:09:43
Heinrich: Genau. Und dann hast du an vielen Standorten immer wieder Auskünfte gegeben, mitgeholfen usw. Ja, also das war der Anfang. Ich finde es heute nicht in Ordnung, dass die deutschen Politiker die Kinder praktisch dorthin geschickt haben. Für uns war es gut, aber es war eine schwere Zeit.
Tobias
00:10:06
Ja, das glaube ich. Also mein Sohn, der ist gerade 15, wenn ich mir jetzt vorstellen würde, der wird jetzt 5 Jahre einfach mal ins Ausland geschickt...
Heinrich
00:10:13
Heinrich: Und das kurz nach dem Krieg, kurz nach dem Krieg. Es gab in der Anfangszeit keinen Franzosen, der ein freundliches Wort für dich hatte. Ja, und mein Vater hat mir geschworen, du kommst nach einer Woche schon wieder heim. Fertig. Und das hat mich gewurmt. Ich habe mich durchgebissen. Fertig, aus.
Tobias
00:10:32
Und wie war in der Zeit überhaupt dann der Kontakt zum Elternhaus? Ich meine, es gab ja damals noch kein WhatsApp.
Heinrich
00:10:37
Heinrich: Wenig Kontakt. Ja, und kein Telefon. Meine Eltern hatten damals noch kein Telefon. Ich habe so im Monat einmal geschrieben, wenn ich Zeit hatte. Und der Kontakt, mein Vater wollte nicht, dass ich nach Frankreich gehe, weil er hatte in der Normandie 5 Lungendurchschüsse von hinten eingefangen von der Résistance. Und das hat er nie verkraftet, dass sich einer anschleicht und schießt von hinten mit der Maschinenpistole, fünfmal auf seinen Rücken drauf. Hat es aber überlebt, sonst wäre ich ja nicht da.
Michael
00:11:07
Aber vielleicht fassen wir diese Reise jetzt noch mal zusammen. Du kommst ja aus dem Nordschwarzwald aus Baden.
Heinrich
00:11:14
Heinrich: Ja, ist Mittelschwarzwald.
Michael
00:11:15
Mittelschwarzwald.
Heinrich
00:11:16
Heinrich: Ja. Der Nordschwarzwald, die Hornisgrinde, das ist nicht so. Ja, es gibt auch Wein dort am Fuße.
Michael
00:11:24
Aber nicht weit von Herrn Schäuble.
Heinrich
00:11:26
Heinrich: Der Schäuble ist auch in Gengenbach und ich komme von der Rückseite dieses Berges. Also ich würde sagen, 500 Meter oder 1 Kilometer, mehr ist das nicht. Dort komme ich her.
Michael
00:11:38
Aber wie kommt man dann auf die Idee, ins Burgund zu gehen? Oder stand das Burgund gar nicht fest, sondern es hieß nur: „Geh nach Frankreich"?
Heinrich
00:11:45
Heinrich: Ich gehe nach Frankreich. Und ich war zuerst auch nicht im Burgund. Ich war in der Maconnais beim damaligen Weinbaupräsident. Das ist über die Präsidenten gelaufen. Erst war ich ganz kurz im Elsass beim Weinbaupräsident Melzers. Dann habe ich den gebeten, weil ich dort nie Französisch gelernt habe, weil damals wurde noch elsässisch Deutsch gesprochen, und der hat mich dann zu seinem Kollegen ins Maconnais gebracht, nach Mâcon. Und von dort aus ging ich dann rauf ins Hochburgund, also nach Beaune. Und dort blieb ich dann auch. Aber das war eine tolle Entwicklung. Der eine war biodynamischer Betrieb und Biodynamik hat mich hochinteressiert.
Michael
00:12:26
In der Zeit schon?
Heinrich
00:12:27
Heinrich: In der Maconnais, ja. Da hat er mich, monatelang stand ich an einer Kompostmiete und habe sie umgeschaufelt. Die war so 100 Meter lang und 2 Meter breit und 1,5 Meter hoch. Einen Monat lang habe ich geschaufelt. Ich wollte in einer Woche fertig sein, aber das war so eine große Masse, muss ich schon sagen, ja.
Tobias
00:12:46
Und gibt es denn aus der Zeit, also wenn man heute über das Burgund nachdenkt, die besten Pinot Noirs der Welt usw. Gibt es aus dieser Zeit zwischen 15 und 20 noch Dinge, die du jetzt nutzt als Wissen oder Erfahrung?
Heinrich
00:13:00
Heinrich: Ja, absolut, absolut. Der alte, der alte Franzose, der hat immer zu mir gesagt, ein Sprichwort, französisches Sprichwort: „plutôt verts que trop mûr", kurz vorm Herbst. Wenn ich zu ihm gesagt habe, wir müssen anfangen, wir müssen anfangen. Er hat immer gesagt: Lieber nicht zu reif - auf Deutsch übersetzt - wie zu reif. Also wenn ich gesagt habe, lass noch eine Woche hänge, hat er gesagt: „Wir fangen an!". Lieber nicht so reif wie zu reif. Und das ist auch heute jetzt, weil wir ja durch den Klimawandel ähnliche Bedingungen hier haben - nicht ähnliche, fast die gleichen. Und deshalb haben wir auch in diesem Jahr schon im August begonnen mit der Weinlese, um einfach diesem Sprichwort gerecht zu werden. Weil Fäulnis in den Trauben ist schädlicher wie ein bisschen weniger Sonne.
Tobias
00:13:53
Absolut. Und diese Zeit in Frankreich, hat die auch dazu geführt, dass du eine besondere Leidenschaft für Kulinarik, für Kochen, für Essen entwickelt hast?
Heinrich
00:14:03
Heinrich: Ja, die alte Chefin, die hat mich mittags immer um 11:30 nach Hause beordert und da habe ich mit ihr Mittag gekocht. Und wir haben gekocht für die Belegschaft. Damals war dann so ein Speiseraum, wo 12, 15 Leute saßen, und da habe ich gekocht dann. Und mit der Alten. Und die konnte. Das war, es gab manchmal 4, 5 Tage Coq au Vin hintereinander, aber es war völlig verschieden, völlig verschieden. Ja, einmal hat sie es mit Sauermilch gemacht, dann hat sie es mit Rotwein gemacht, dann mit Champagner. Das war immer der Beste. Das Beste Coq au Vin war im Champagner angelegt.
Michael
00:14:43
So, 5 Jahre Burgund. Dann geht es zurück nach Deutschland. Aber dann gehst du in die Pfalz?
Heinrich
00:14:50
Heinrich: Ja, 5 Jahre zurück, ich kam dann zurück. Und ich habe so viel in meinem Leben erlebt und mich durchgebissen. Ich wollte dann, dass mein Vater mit einem Teil der Weinberge aus der Winzergenossenschaft Durbach austritt und ich die Möglichkeit habe, Wein zu machen. Das hat er absolut abgelehnt. Und dann war für mich, bin ich gegangen.
Michael
00:15:14
Okay, also du wolltest von Anfang an Wein für dich machen?
Heinrich
00:15:18
Heinrich: Ja, ja. Ich wollte nicht jetzt 10, 15 Jahre aus dem Ganzen wieder rausgehen, sondern es war auch gut so, dass ich das so entschieden habe.
Michael
00:15:30
Aber dann hast du hier erst in einem anderen Weingut gearbeitet und da reifte dann die Entscheidung, ich bleibe hier?
Heinrich
00:15:37
Heinrich: Also es war so, ich kam am Karfreitag zurück und habe an dem Tag, ich war früher, als ich noch in Durbach war, war ich Oberministrant, das heißt, der zweite Chef in der Kirche. Und das war auch so, also mit 10 Jahren wurde ich Oberministrant, oder 11 Jahren, und dann hat der Pfarrer gesagt, der Pfarrer Müller: „Heinrich, hast du den Wein schon probiert?". Dann habe ich morgens um 6:00 Uhr den Wein probiert. Wenn ich gesagt habe: „Herr Pfarrer, der ist abgestanden", hat er gesagt: „Mach eine neue Flasche auf, fertig". Dann war das so.
Tobias
00:16:08
Sozialisierung, ja.
Heinrich
00:16:09
Heinrich: Das war, ich fand das toll. Im Religionsunterricht hatte ich immer eine 1 gehabt, aber ich war nie im Religionsunterricht. Immer wenn Religion war, hat er mich in die Kirche geschickt, jeden Mittwoch, um die Uhren aufzuziehen. Und da habe ich eine Stunde gebraucht, bis ich alle Gewichte droben hatte. Und bei jedem, wenn jede Uhr fertig hat immer, dann habe ich den große Bembel mal losgelassen, dann wussten die ganze Durbacher, der Heinrich Vollmer hockt wieder auf dem Kirchturm und zieht wieder die Uhr auf. Es war eine tolle Zeit in der Schule, muss ich sagen. Und ich kam zurück 68 und saß dann auf der Kirchentreppe. Ich wollte, es war am Karfreitag, da wollte ich nicht reingehen.
Michael
00:16:48
Ist ja ein Feiertag.
Heinrich
00:16:49
Heinrich: Ja, da hätte ich Applaus bekommen wahrscheinlich, wenn ich da reingelaufen wäre als Ministrant. Und ich saß auf der Treppe draußen und dann kam ein Mädchen raus, die war ein Jahr jünger wie ich, und dann sage ich zu ihr: „Sag mal, die Kirche ist doch noch gar nicht aus". Und dann sagt sie; „Ja, für mich reicht es." Das wurde meine erste Frau.
Tobias
00:17:12
Ah, okay.
Heinrich
00:17:12
Heinrich: Das wurde meine erste Frau. Aber meine Eltern waren nicht sehr glücklich. Und dann hat es nicht harmoniert. Und dann habe ich entschieden, Durbach zu verlassen, habe inseriert und habe dann durch das Inserat in Sausenheim, Grünstadt, ein Weingut gefunden - ich war 20 Jahre alt -, die mich als Verwalter dort eingestellt haben. Also der Verwalter damals war aber, dass du sämtliche Weinberge selbst bewirtschaftet hast, den Wein gemacht und verkauft hast. Genau diese 3 Komponenten waren ja meine Stärke.
Tobias
00:17:48
Ja, und das schon mit...
Michael
00:17:50
20.
Tobias
00:17:51
...20, in so jungen Jahren noch.
Heinrich
00:17:52
Heinrich: Und dann kam der Jahrgang 71- und 71er-Jahrgang war ja ein Prachtjahrgang. 72 im August hatten wir keine Flasche Wein mehr. Das Weingut war auf 0 ausverkauft. Alles war weg. Dann habe ich zu dem Inhaber gesagt: „Ich bleibe bei Ihnen, wenn Sie mich beteiligen. Und wir siedeln aus". Es war ein altes im Dorf drin. Wir siedeln aus. Hat er aber nicht gemacht. Und dann habe ich mich umgesehen. Und das Umsehen ging aber so, dass, 1970 hat in dem Weingut die Firma Oerlikon aus Genf 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Und das bei mir auf dem Weingut. Das Weingut wurde damals für 24.000 DM dekoriert. Da muss man sich nur mal vorstellen. Das ist so viel, wie wenn du heute 200.000 € ausgibst für eine Dekoration eines Weingutes im Keller als Burg und so. Es war interessant. Bei dieser Veranstaltung waren 70 Geschäftsführer von Oerlikon Welt dabei und auch die Hausbank der Oerlikon Eisenberg hier, die Vertretung machte für Geschirrspülkörbe und so Sachen und Schweißelektroden. Also, und so, auf jeden Fall, dieser Banker, am nächsten Morgen war er einer der Allerletzten, der rausging. Er sagte: „Junger Mann, machen Sie sich selbstständig. Das Geld kriegen Sie von mir".
Tobias
00:19:23
Uh, okay?
Heinrich
00:19:23
Heinrich: So, und dann...
Michael
00:19:24
So kennen wir Banker eigentlich gar nicht.
Heinrich
00:19:26
Heinrich: Ja, dann gab es ein Gespräch kurz danach und ich hatte noch keine Idee, wo ich hingehe, was ich tue. Und dann habe ich mich unterhalten und sagte: „Was denken Sie denn, was so etwas kostet?". Dann sage ich: „Ja, wenn ich Ihr Weingut kaufe, also 1 Million ist das Wenigste. Das ist das Mindeste". Gut, dann sagt er: „Machen wir". Fertig. Dann hat er mir ein Konto eingerichtet. Die Kundennummer lief damals oder hieß 144.667. Werde ich nie vergessen. Auf dem Konto stand ein Jahr lang 1 Million Deutsche Mark. Ja, und ich habe ein Jahr gebraucht, um mich zu entscheiden, wo gehe ich hin? Und jetzt, warum? Ich hatte Möglichkeiten in Kallstadt, Möglichkeiten in Neustadt und es gab sehr viele berühmte, bessere, sagen wir damals bekanntere Orte. Aber ich bin in Ellerstadt hängengeblieben, weil Ellerstadt war zu 90 % mit Rotwein bepflanzt.
Michael
00:20:29
Ah, okay.
Heinrich
00:20:31
Heinrich: Ja, und genau das war's. Das war, da hat es mich hingezogen. Da war ich, das war meine Stärke.
Michael
00:20:37
Wie viel Hektar hatte das eigene Weingut dann zum Start?
Heinrich
00:20:41
Heinrich: Also das eigene Weingut damals zum Start 3 Hektar. Aber die Winzer, das halbe Dorf hing ja dran, waren ungefähr 100 Hektar. So, jetzt hatte ich also, da habe ich mich entschieden, ich gehe nach Ellerstadt.
Tobias
00:20:58
Wenn du jetzt sagst, besondere Expertise in Sachen Rotwein, das war ja dann am Anfang natürlich insbesondere aus dem Burgund dann der Pinot Noir bzw. Spätburgunder, nehme ich an. Aber du hast ja dann auch sozusagen Schlagzeilen damit gemacht, dich irgendwann um eine Rebsorte zu kümmern,
Heinrich
00:21:10
Heinrich: Ja.
Tobias
00:21:16
die hier gar nicht hingehört. Erzähl davon doch mal ein bisschen.
Heinrich
00:21:19
Heinrich: Ja, gut. Aber das ist natürlich noch ein weiter Sprung. Dass das Ganze funktioniert hatte, du hast 1 Million Schulden, du hast das Ding gekauft und dann, die nächste Nacht schläfst du nicht mehr, weil das. Du kanntest das vorher nicht, dass das Geld jetzt plötzlich alles weg ist. Das ist alles weg. Es hat nicht einmal gereicht, aber man hat dann, weil ich jung war, die Augen sind zugedrückt worden, machen wir Genehmigungen, fertig. Aber jetzt war das Geld weg.
Tobias
00:21:48
Ja, und es muss ja wieder reinkommen.
Heinrich
00:21:50
Heinrich: Das war kurz vorm Herbst 72 und dann machte ich den Herbst. Der Keller war voller Wein. Das war im Dorf drin, im alten, das Gebäude steht heute noch. Im Januar, 5., 6. Januar, lese ich in der Rheinpfalz: „Weingut sowieso aus der Landauer Gegend hat Konkurs angemeldet" und darunter, letzter Satz: „War Lieferant der Lufthansa". So, das war mein Schlüssel. Ich hatte einen Anzug - und das war mein Hochzeitsanzug. Sonst hatte ich keinen. Hochzeitsanzug angezogen, fahre nach Frankfurt, gehe in den Flughafen und suche und suche. Das war vielleicht 9:00 Uhr morgens war ich dort. Ich habe das nicht gefunden. Abends um 17:30 Uhr, 18:00 Uhr gehe ich wieder in ein anderes Gebäude rein und da brannte eine rote Lampe über einer Tür. Ich laufe dahin und lese „Vorstand". Da denke ich, na gut, im Kirchenchor hatten wir auch einen Vorstand.
Michael
00:22:49
Kenne ich mich mit aus.
Heinrich
00:22:51
Heinrich: Der macht mir den Kopf schon nicht ab. Und ich klopfe und gehe da rein. Macht der mich fertig? Was mir einfällt, ihn mit so was usw. Und am Schluss sagt er: „Haben sie überhaupt gedient?" - Und das war sein großer Fehler.
Michael
00:23:08
Uiuiui.
Heinrich
00:23:09
Heinrich: Ich war damals Hauptmann bei der Bundeswehr und er war nur Leutnant im 2. Weltkrieg.
Michael
00:23:15
Erstmal stramm stehen lassen.
Heinrich
00:23:18
Heinrich: Das brauchte ich dem nicht sagen. Er ist aufgestanden und dann hat er gesagt: „Bitte setzen Sie sich". Da musste die Sekretärin 2 Zigarren bringen. Da wurde es mir sterbensschlecht. Und Kaffee. Und dann hat er mir sein ganzes Leben erzählt. War das ist der Vorstand der Lufthansa. So, und am Schluss war: „Herr Vollmer, ich habe vor 3 Tagen unseren ersten Weineinkäufer eingestellt. Würden Sie mir den ausbilden?" Da sage ich, selbstverständlich bilde ich den aus. „Also, morgen Früh, 9:00 Uhr, sind Sie wieder da. Und dann komme ich kurz ins Büro. Zimmer 274". Gut, ich war pünktlich. Dann kam er an: „Sie haben heute frei. Fahren Sie mit dem Herrn Vollmer in die Pfalz. Gucken Sie mal den Betrieb an, berichten Sie mir. Und wenn er Wein hat, bringen Sie mir Proben mit. Vielleicht können wir den Wein an Bord gebrauchen". So, 14 Tage später war ich Lieferant der Lufthansa.
Tobias
00:24:16
Wow.
Heinrich
00:24:16
Heinrich: Und das war der Schlüssel zum heutigen großen Betrieb. Wahrscheinlich auch, um zu überleben, würde ich mal, weil die Lufthansa hatte dann 73 die ersten Jumbojets bekommen und für jeden Jumbojet im Fernflug brauchtest du ungefähr 6 Hektar Weinberge. Damals wurde noch mehr Wein getrunken wie heute. Ja so, und der Betrieb ist gewachsen. Und so waren wir dann schon 4, 5 Jahre später hatte ich die Million zurückbezahlt und dann habe ich für 7 Millionen hier oben neu gebaut. Das war meine erste richtige Verschuldung. Für 7 Millionen hier einen Neubau hingestellt.
Michael
00:24:56
Also das Haus, wo wir gerade waren, mit dem Keller?
Heinrich
00:24:58
Heinrich: Mit dem Keller, der ganze alte Keller, das wurde alles damals gebaut und neu mit Edelstahl eingerichtet. Und damals war Edelstahl noch teurer. Das war, kurz davor gab es noch keinen Edelstahl in der großen Menge. Ja, und so hat das angefangen und da wurden wir durch Lufthansa, natürlich wurdest du auch bekannt. Lufthansa war ein Werbeträger, wie es heute keinen mehr gibt auf dem deutschen Markt. Das war damals so. Jeder wollte fliegen und jeder hat einen Wein getrunken. Es gab Weißwein und Rotwein, es gab nur (??) Wein, praktisch. Und dann habe ich 80 angefangen, Sekt herzustellen. Dann haben wir für die Lufthansa Sekt gemacht, und es war eine Bilderbuchentwicklung. Und gebrochen wurde die Entwicklung, als ich für 83 dann, als es bekannt wurde, dass ich nicht mehr nach Hause komme, hat die Lufthansa dann einen neuen Lieferanten zusätzlich mit aufgenommen. Das ging aber nicht lange, weil der - es war die Firma Pieroth - der dann 85 im Glykol-Skandal negativ aufgefallen ist. Und dann mussten die Weine an Bord zurückgeholt werden. Da war ich wieder alleine. Ja, und dann irgendwann kam der Tag, wo du das nicht mehr schaffen konntest. Die Flugzeuge wurden immer mehr und heute sind es ja 800. Wir beliefern jetzt seit 52 Jahren kontinuierlich. Jedes Jahr sind wir irgendwo dabei, aber eben nur noch irgendwo. Weil mehr wie 200.000 Flaschen oder so will ich auch nicht liefern unbedingt.
Tobias
00:26:40
Aber eine wichtige Starthilfe.
Heinrich
00:26:42
Heinrich: Das war die Starthilfe. Ja, das, wirklich, das war gut.
Michael
00:26:46
Ready for take off, heißt es. Ja.
Heinrich
00:26:50
Heinrich: Genau. Gut.
Michael
00:26:50
Aber in die Höhe zieht es dich ja, so und so, ne?
Heinrich
00:26:54
Heinrich: Ja, gut. Die Bergsteigerei, das war mein Steckenpferd. Aber warum habe ich das angefangen? Ich habe die Ausbildung gemacht, als ich mich selbstständig gemacht habe. Beim Selbstständig-Machen war der Einsatz der physische Einsatz von mir so groß, dass du manchmal 3 Tage nicht mehr im Bett warst. Und das hat es in der Wirbelsäule dann Spuren hinterlassen. Und dann ging ich zu einem, wurde zu einem Arzt geschickt, in Heidelberg, in der Uniklinik. Und der hat mich untersucht und hat gesagt: „Ihre Rückenmuskulatur ist zu schwach. Suchen Sie sich einen Sport neben Ihrer Arbeit, wo Sie Ihre Rückenmuskulatur stärken können". Und so kam ich dann zum Rucksacktragen und so weiter. Und irgendwann habe ich dann mal das Matterhorn bestiegen. Und da habe ich Freunde kennengelernt und, und, und. So habe ich dann die Bergsteigerei angefangen. Und ich habe ausgebildet, weil ich mache immer noch gerne Dinge, wo ich auch mich sicher fühle. Das ist meine Art.
Michael
00:28:00
Gerade beim Bergsteigen muss man sich sicher fühlen.
Tobias
00:28:03
Ja, allerdings.
Heinrich
00:28:04
Heinrich: Und immer aufhören, bevor du tot bist.
Tobias
00:28:08
Ja, aber auch das hast du ja fast nicht befolgt. Hat dich denn die Bergsteigerei letztlich auch nach Südamerika gebracht?
Heinrich
00:28:18
Heinrich: An und für sich, ja. Ohne die Bergsteigerei wäre ich dort nicht hingegangen, weil landschaftlich ist Südamerika ja wunderbar, aber landschaftlich allein ist ja langweilig. Jedes Tal sieht gleich aus. Ich bin jetzt 40 Jahre intensiv in Südamerika und bin jedes Jahr mehrere Monate dort, wenn ich das alles zusammenzähle, und 1985 war ich in Peru, hab mich bedankt bei denen, die mir das Leben gerettet haben und habe mit denen die ersten Gespräche geführt, dass ich, ich habe Pässe besorgt. Also bin ich in Lima gewesen, habe einen Pass beantragt, weil die haben noch gar nicht existiert. So, das alles durchgezogen, mit Unterstützung der deutschen Botschaften, alles toll. So, und 85 wollte ich dann, im Süden von Peru gibt es ein kleines Weinbaugebiet. Da habe ich das bereist und wollte dort so 10, 15 Hektar Land kaufen, um die anzusiedeln. Aber raus aus dem Gebiet da oben, weil die Kinder werden dort ja nicht mehr bleiben. Die landen alle in den Slums in Lima. Ja gut, dann hat mir das Weinbaugebiet in Peru. Das war nichts für mich. Da musste ich im Winter mit schwarzer Folie die Rebstöcke abhängen, damit eine Ruhe reinkommt. Weil der Rebstock braucht eine Winterruhe, sonst trägt er keine Frucht. Na ja, dann ging ich nach Chile und wollte in Chile, habe dort über die deutsche Botschaft mir 2 Grundstücke anbieten lassen. Und das war aber nichts, das war nichts. Da war ich ein bisschen verärgert über die Chilenen, hatte aber meinen Rucksack dabei und bin dann mit dem Bus von Santiago de Chile nach Mendoza rübergefahren und oben auf dem Pass, wenn du durch den Tunnel rauskommst, in Punta del Inca, sieht man die Südwand vom Aconcagua. Und das wurde dann mein Schicksalsberg wohl für den Rest meines Lebens. Ich bin dann vorgegangen, der Bus hat angehalten und durften die Touristen alle fotografieren. Aussteigen durfte man nicht, weil das Zollgrenzgebiet ist und die Einwanderungszollstelle ist 80 Kilometer unten im Tal. Und da dachte ich mir, na gut, ich fahre jetzt nicht runter und laufe da wieder rauf. Dann habe ich den Busfahrer gefragt, wie oft kommen Sie denn da durch? Und er sagt: „Ich fahre dreimal die Woche". Und dann bin ich hinten raus. Und als er wieder seine nächste Zigarette angesteckt hat, habe ich die Situation genutzt, bin nach hinten zur Hintertür raus und stand hinter dem Bus. Fertig. Und dann ist er irgendwann weggefahren. Ja, da ging ich zum Aconcagua. War toll, da war ich ganz alleine. Der Berg war noch zu war. Da war niemand da. Wie heute 2.000 Bergsteiger in der Saison, 2.500, 25 Tote manchmal, hat es schon gegeben in einer Saison. Damals ganz alleine.
Michael
00:31:16
Der ist wie hoch vielleicht sagt das was?
Heinrich
00:31:17
Heinrich: Knappe 7.000 Meter. Also 3 Meter weniger wie 7.000 Meter. Ich steige dann auf und habe mir Zeit gelassen. Damals musstest du dich teilweise mit gefährlichster Methode über reißende Flüsse drüber bewegen, und also rüber, Seil anspannen, zurück und Rucksack, den schweren, über Seile überziehen und so Zeugs. Wenn du alleine bist, darfst du keinen Fehltritt machen. So, dann finde ich bei dieser Tour auf 6.400 Meter, auf Independencia finde ich 2 Argentinier. Einer war tot und der andere wäre mit Sicherheit die nächste Nacht auch gestorben. Der hat Lungenödem gehabt, so wie ich. Als ich da hinkomme, sehe dem seinen Schaum vor dem Mund. Da war mir klar, noch einmal eine kalte Nacht und dann ist er weg vom Fenster. So, da habe ich dem geholfen und habe den praktisch mit einem Seil mir auf den Buckel gebunden. Das lernst du, wenn du Bergführerausbildung machst, wie man so was macht. Und dann hängt da wie ein Rucksack, hängt er dir auf dem Buckel. Habe ich den runtergetragen, das waren so acht Stunden ungefähr, habe ich gebraucht. Und dann war das große Glück, dass an dem Tag 4 Kanadier, die auch von Chile kamen, auch illegal im Land waren, 4 Kanadier und ein Arzt dabei. Ohne den Arzt hätte er es wahrscheinlich nicht überlebt. Der war dann Koma gelegen und der Arzt hat ihm eine Spritze gegeben. Und ich bin in derselben Nacht 52 Kilometer ins Tal abgestiegen und habe dort in dem, oben ist Militär stationiert, in Punta del Inca, und habe dort Meldung gemacht und habe gesagt, da oben liegt ein Soldat von euch. Und einer liegt da ganz oben und der ist tot. Und so weiter. Also gut, dann kam ein französischer Hubschrauber, ein Lama damals, hat in Punta del Inca gelandet, der Chef mitgeflogen. Und dann durfte ich da auch mitfliegen, was in Europa nie möglich wäre. Dass ein Tourist mit dem Militär - nie. Nie wäre das möglich. Das hat mir schon sehr gut gefallen, muss ich sagen. Und dann haben sie mich oben ausgesetzt, ich habe geholfen, den einzuladen, Hubschrauber abgeflogen, fertig. So, jetzt lag aber mein Rucksack auf 6.400 Meter. Ich hatte 3 Tage nichts zu essen, nur Schnee gefressen. Und dann bin ich aufgestiegen und das dauerte, bis ich wieder zurückkam, 18 Tage. Als ich zurückkam, war das Tal abgeriegelt. Da ging ich auf einen Soldat los und habe gesagt, was ist, was macht ihr? Macht ihr Manöver und so? Und dann sagt er: „Ne, wir suchen einen Ausländer". Oh je, habe ich gedacht, oh je, oh je. Und das argentinische Militär war ja nicht sehr berühmt.
Michael
00:34:04
Zu der Zeit nicht. Das ist schon Zeit der Militärdiktatur.
Heinrich
00:34:07
Heinrich: Das war kurz nach der Militärdiktatur. Alle gut. Auf jeden Fall habe ich mich mit ihm eine halbe Stunde unterhalten. Die Zeit habe ich mir genommen, um einfach diplomatisch mehr zu erfahren, ohne dass ich ihn frage. Und irgendwann hat er erzählt, dass der Vater von dem, der jetzt von dem Ausländer getragen wurde, dass der General ist und usw. der Infanterie, der Gebirgsjäger und so. Und irgendwann habe ich dann gefragt, wie geht es denn dem Soldaten? Und dann haben sie mir gesagt, der ist über den Berg. Dann war der Abend, da musste ich die Nacht in der in dem Regiment bleiben. Im Kompaniestärke ist das, kein Regiment, Kompanie. Und da gab es ein Essen. Ein Asado. Das war mein erstes Asado in Argentinien, mit einer Ansage vom Regimentskommandeur: Keiner verlässt diesen Tisch. Und bis ich mir das übersetzt hatte und mir das alles klar war im Hirn, was das hieß, und die alle aufgestanden, so gemacht, und ich saß oben neben dem Regimentskommandeur, da dachte ich, da bin ich mal gespannt. So, und dann ging die Trinkerei los - und essen. Und kann ich mich noch gut erinnern, dass wir noch 6 oder 7 Mann am Tisch saßen und die anderen entweder mit dem Kopf auf dem Tisch oder lagen auf dem Boden. Keiner verlässt diesen Tisch. Da wurde getrunken. Das war anscheinend dort so eine, nach einem Sieg, und für die war es ein Sieg, dass ihr Soldat und der Sohn des Generals...
Michael
00:35:49
Überlebt hat?
Heinrich
00:35:50
Heinrich: ...überlebt hat, ja. So, und das war praktisch für mich der Einstieg. Ich wurde dann nach Mendoza gefahren, von Mendoza mit dem Flieger nach Cordoba geflogen und dort war der Vater stationiert. Und da habe ich ihm meine Lebensgeschichte erzählt. Und da hat er gesagt: „Sie kaufen kein Weingut in Chile - wir sorgen dafür". Und so kam ich dann zu diesem Weingut, was wir heute dort haben. Und das habe ich dann 1986 mit dem Notar verabschiedet oder halt gekauft und so lange, seither bewirtschaften wir das dann, angefangen neu aufzupflanzen.
Michael
00:36:30
War das wichtig, eine gute Beziehung zu dem Militär zu haben in der Zeit?
Heinrich
00:36:35
Heinrich: In der Zeit, ja. In der Zeit, ja, in Argentinien.
Michael
00:36:37
War eine Lebensversicherung irgendwie auch, ne?
Heinrich
00:36:39
Heinrich: Ich habe bis zum heutigen Tag nie einen Cent Korruption bezahlt. Und wenn ich den Kontakt und den Schutz nicht gehabt hätte, wärst du, wäre ich schon längst dort auch wieder weggegangen.
Tobias
00:36:53
Und hatte denn jetzt dieser Gang nach Südamerika auch ein bisschen was damit zu tun, dass du hier in der Pfalz ja letztlich auch nicht so wirklich zu Hause warst?
Heinrich
00:37:05
Heinrich: Vielleicht. Also ich kenne kein Heimweh. Das ist schon mal, wenn ich Heimweh gehabt hätte, wäre ich auch als 15-Jähriger nicht ewig in Frankreich geblieben, weil ich erlebe ja viele junge Leute, die ich mitnehme, nach Argentinien mitgenommen habe. So nach 4, 6 Wochen wollen sie wieder nach Hause. Oder sie verlieren dann die Konzentration und du spürst, dass die mit ihrem Geist gar nicht mehr da sind, sind völlig woanders, eben zuhause. So, und das muss man, das Phänomen muss man wohl wegstecken können, dass man einfach - mein Zuhause ist überall, wenn du es so willst, ja. Ja, Und das finde ich gut. War schön. Mein Zuhause war auch mal eine Zeit lang in China. Vor China, in Japan, also in Japan, das kann meine Tochter jetzt bestätigen. Ich war jetzt im April, war ich in Tokio. Zum wahrscheinlich letzten Mal. Da kamen Kunden an, die vor 40 Jahren das erste Mal Vollmer-Wein gekauft haben. Mit Tränen in den Augen. 80 Jahre alt und älter, mit Tränen in den Augen. Es war ein Wiedersehen. Das kann man sich nicht vorstellen.
Michael
00:38:16
Sehr schön.
Heinrich
00:38:17
Heinrich: Und das ist sehr schön.
Tobias
00:38:18
Wir müssen jetzt aber trotzdem noch mal kurz auch zu deinem Unglück in den Anden, in den Bergen zurück. Wir hatten es ja bisher nur angerissen. Erzähl uns doch bitte mal, wie es dazu überhaupt kam.
Heinrich
00:38:30
Heinrich: Also wir sind aufgestiegen, über eine schwere Route. Und ich vermute, ich vermute, ich hatte ein halbes Jahr zuvor hier eine Schwefelsäurevergiftung gehabt. Also im Keller ist eine Flasche geplatzt und da war schweflige Säure drin. Und da hab ich halt ein paar Lungenzüge abbekommen. Und ich vermute, dass das die Ursache war, dass ich plötzlich, von abends noch alles okay, am nächsten Morgen war ich fertig, konnte mich nicht mehr bewegen, wie querschnittsgelähmt. Ich habe es aber überlebt, weil natürlich der Körper hoch gut trainiert war. Du warst leistungsfähig und es war alles nicht das Problem. Und wie gesagt, ich habe die Sache überlebt und bin dann auch, als ich hierher zurückkam, hatte ich noch 49 Kilo Körpergewicht, als ich im Krankenhaus erstmal auf die Waage gestellt wurde. 49 Kilo Körpergewicht bei 1,84 Meter Größe. Ich war nur Haut und Knochen. Und Blutdruck, also ich hatte damals eine Herzfrequenz von unter 40 und dann sagt der Chefarzt: „Machen Sie dem Mann sofort einen Bohnenkaffee". Und den habe ich natürlich überhaupt nicht vertragen, den Bohnenkaffee, mit meinem kaputten Magen. Ja, also so war das nun gewesen. Ich habe dann davor und danach - danach nie mehr, ich habe jedes Jahr noch einen Berg bestiegen, bis 2000 und länger. In der Regel alleine, weil ich wollte nie mehr für andere Menschen die Verantwortung übernehmen.
Michael
00:40:21
Nach dem Erlebnis.
Heinrich
00:40:22
Heinrich: Nach dem einen Erlebnis. Und dann kam der Heiner Geissler 1994, 1995: „Die Berliner Hütte am Aconcagua ist niedergegangen, und sei doch so gut". Da habe ich ihm gesagt, Heiner, ich habe mir selber geschworen, nie wieder übernehme ich Verantwortung für andere. „Ach komm, ich gehe auch mit". Na gut, Heiner, wenn du mitgehst, dann mach ich das. So, dann war die Organisation abgeschlossen. Die Hütte haben wir hier, in der Pfalz wurde sie gebaut, bei Herrn Laux in der Schreinerei. Und das ging also alles los. Der Transport lief über das Bundeskanzleramt. In Chile ist der Container angelandet. Dann ging der hoch nach, in die Anden. Oben am Pass wurde ausgeladen. Es hat alles bestens funktioniert. Ja, und Tage, bevor der Flug losging, wurde bekannt, dass es einen Misstrauensantrag gegen Kohl gibt. Und der Heiner Geissler blieb zu Hause. Jetzt hatte ich den ganzen Salat wieder alleine am Hals. So, wir waren 36 Pfälzer Bergsteiger. Als wir in Frankfurt eingecheckt haben, hatten wir 64.000 DM Übergepäck.
Tobias
00:41:54
Oh Gott!
Heinrich
00:41:55
Heinrich: So, normal war die Expedition schon beendet. Das war Samstagabend. Ich versuche, den Vorstand anzurufen, der Herr Weber, der war aber auf einer Hochzeit in Laach. Ich habe ihn erreicht. Er sagt, wir übernehmen als Sponsoring die 64.000, sorgt dafür, wir waren ja ein eingetragener Verein, mit Sponsorengeldern ist ja die Hütte neu gebaut worden und da war die Lufthansa der größte Sponsor. Dann sind wir eingestiegen. In Buenos Aires, aus dem Flieger raus, in den Flieger, nach Mendoza rein. 32.000 $ Übergepäck.
Tobias
00:42:45
Immerhin schon günstiger geworden.
Heinrich
00:42:47
Heinrich: Wieder war's nichts. So, dann rede ich dort, sage ich, kann ich mit dem Chef sprechen? „Chef gibt es nicht, es ist eine Chefin". Sage ich, Chefin ist mir auch recht. Man hat mich dorthin geführt. Und auf einmal fängt die mit mir Deutsch an zu sprechen. Und dann sagt sie: „Ich bin 1958 aus Berlin ausgewandert". Da war für mich klar, jetzt sind wir auch in Mendoza. So, dann habe ich erzählt, dass ich den Auftrag habe von der Bundesregierung, die Berliner Hütte neu aufzubauen. Und jetzt sind wir da und haben ein bisschen zu viel Gepäck.
Michael
00:43:26
Du musst noch mal den Zuhörerinnen und Zuhörern vielleicht auch sagen: Das ist eine Schutzhütte auf dem Weg zum Gipfel, die dazu dient, eben Schutz zu finden, falls es mal ungünstige Wetterumstände gibt. Oder falls man einfach da mal ein bisschen sicherer übernachten will.
Heinrich
00:43:42
Heinrich: Zu damaliger Zeit, wo die Ausrüstung und schlechter waren, gab es jedes Jahr zwischen 20 und 30 Tote am Berg. Und die Schutzhütte war wesentlich. Wenn du vom Gipfel runterkamst und hattest keine Kraft mehr und warst kurz vorm Lungenödem, dann hast du die Nacht in der Schutzhütte, bei Plusgraden oder bei, wenn da 10, 20 Leute drin sind, haben wir 30 Leute Platz, wird es etwas warm. Zumindest geht es nicht in den totalen Minusbereich auf 30 runter. So, und so haben also dort 42 Leute, solange die Hütte ein Hüttenbuch mitgeführt war, haben dort überlebt. Insofern hat es sich gelohnt, dass man die aufgebaut hat. Aber der Aufbau war für mich die allergrößte Katastrophe, weil ich hatte von den 36 Pfälzern 6 davon mit Verdacht auf Lungenödem abtransportieren lassen. Wir hatten 2 Ärzte dabei, Expeditionsärzte. Und es war schon gewaltig. Es war gewaltig. Und 380 Pferde und Maultiere waren im Einsatz, um das Baumaterial auf 6.000 Meter zu transportieren. Und jeden Tag hast du 6 Pferde gebraucht, die unsere Lebensmittel vom Tal hochtransportierten. Und das ganze 4 Wochen lang. Es war gewaltig. Und mitten in der Expedition kommt dann der Hauptmann zu mir, also ich hatte auch Militär dabei. Da waren die Gebirgsjäger von Punta del Inca mit dabei, so 30 Mann. Ohne die hätten wir das nie geschafft. Wir wären nicht in der Lage gewesen, das Baumaterial auf den Pferden so zu befestigen, dass es anhält oder hält, bis rauf auf den Berg. Unterwegs hätten sie die Hälfte verloren. Und plötzlich war kein Pferdefutter mehr da. Fertig. Und was glauben Sie, was Pferdefutter kostet auf 5.000 Meter Höhe, wie teuer das ist?
Michael
00:45:49
Angebot und Nachfrage.
Heinrich
00:45:51
Heinrich: So ist es. Und da hatte ich damals 28.000 $. Ich hatte 30.000 $ Bargeld dabei. Ich wollte das an und für sich im Weingut investieren, nach der Expedition. Und da kam ich noch an mit 2.000. 28.000 habe ich ausgegeben für Pferdefutter. Jeden Tag bar bezahlt, ja.
Michael
00:46:17
Jetzt hast du da ja aber nicht nur eine Schutzhütte gebaut. Du hast dich ja auch um eine Schule gekümmert, um auch diejenigen, die dir geholfen haben, als es dir ganz schlecht ging.
Heinrich
00:46:28
Heinrich: Vielleicht. Vielleicht mal ein ganz kleiner Rückdreh. Dieser Banker, der mir die Million gegeben hat, Helmut Walter, mit ihm habe ich auch einen Lions Club gegründet. Wir haben irgendwann mal so 1980 beschlossen, dass wir wohl Freunde werden und bei einer Flasche Wein mit noch 3, 4 anderen, einen Chemiker aus der BASF, einen Arzt von Heidelberg von der Klinik und so, haben wir beschlossen, einen Stammtisch zu gründen. Aber in kurzer Zeit war mit dem Stammtisch, war das keine Aufgabe. Und dann haben wir die Aufgabe gesucht und haben gesagt, wir gründen einen Lions Club. Und so haben wir den Mannheimer Lions Club Quadrate gegründet. Ja, das war so die Geschichte. Dann in Argentinien, der Lions Club, unser Club suchte nach Activities und ich war damals Jugendbeauftragter und habe jedes Jahr 14 Tage, 3 Wochen aus dem Lions Club von Paris, wir waren schön meliert mit Paris, hatte ich Jugendliche, also Franzosen, dabei. Dann sind wir Skifahren gegangen und ich hatte von der Bundeswehr eine Hütte, wo man drin kochen konnte, und die war oben im Schnee, so dass man morgens die Skier angeschnallt hat und den Berg runtergefahren, mit dem Lift wieder hochgefahren. War eine tolle Zeit. So, und in der Zeit kam mir die Idee, weil ich hörte, dass die Stadt, die Kreisstadt Tunuyán, wo das Weingut liegt, ein Krankenhaus bauen will. Und der Bürgermeister war ein toller Kerl, das muss ich sagen. Ein toller Kerl. Ich wurde immer von ihm, von seinem Fahrer, vom Flughafen abgeholt. Und dann musste ich mit ihm eine Tasse Kaffee trinken und ihm erzählen, was es nun wirtschaftlich Neues und Politisches in Europa gibt. Das wollte er immer wissen. Ja, Dr. Silvano hieß er. So, und dann hat er mir erzählt: „Enrique, ich baue ein Krankenhaus". Dann habe ich gesagt, soll ich dir helfen? „Wie kannst du mir helfen?". Ich versuche mal über den Lions Club, ob wir mit den Lions Deutschland vielleicht die Einrichtung machen können. So, und dann haben wir das hingekriegt und haben das gesamte Krankenhaus eingerichtet mit 2 Operationssälen und Gynäkologie, alles, ein komplettes Krankenhaus. So, und als die Geschichte dann umgesetzt wurde, da sind in zwei 40-Fuß-Containern, ist die Einrichtung rübergegangen, und in Buenos Aires wollte man jetzt nun vom Zoll 32.000 $ Bestechung haben. Das heißt dort „Voluntario", und das übersetzt heißt Trinkgeld. Trinkgeld, ja. Ja gut, ich gehe in den Club und trage das vor. Sammeln wir Geld oder was machen wir? Dann war die Übereinstimmung, wir versenken sie im Atlantik. So, dann rufe ich den General an, den Vater von dem Soldaten. Da hat der sich so aufgeregt, dass du ihn ohne Telefon hier fast hören das können. Und er sagte: „Du kommst sofort rüber, wir holen gemeinsam alles aus dem Zoll raus". So, also ich wieder in den Club vorgetragen und dann haben wir beschlossen, ganz kurzfristig, wir fahren zu viert, 4 Lions-Freunde, wir nehmen unsere Rennräder mit und fahren von Buenos Aires mit den Containern nach Mendoza. 1.200 Kilometer, ja.
Michael
00:50:02
1/3 Tour de France ist das schon.
Heinrich
00:50:03
Heinrich: Toll. Es war, die Reise war unvergesslich. Dann sind wir in Buenos Aires gelandet. Und das hatte jetzt Menem spitz bekommen, der Präsident hat das spitz bekommen, dass Deutsche, das Krankenhaus einrichten. Dann wurden wir direkt auf dem Flughafen aus dem Lufthansa-Flieger rausgeholt. Wir durften gar nicht aussteigen, sondern sind über die Treppe außen runter und aufgemacht und es standen dort acht BMW Motorräder von der Polizei und unsere Fahrräder raus, und dann mussten wir den Fahrrädern hinterherfahren zum Obelisken. 80 Kilometer, Da waren wir am Obelisk und dort war Kanal 1 vom argentinischen Fernsehen aufgebaut. Und da war das Erste, der erste Schnitt. So, habe ich erzählt, was wir da vorhaben usw. Und dann hat uns das argentinische Fernsehen verfolgt bis nach Mendoza.
Michael
00:51:05
Hast du denn in der Zwischenzeit Spanisch gelernt oder wie hast du mit denen gesprochen?
Heinrich
00:51:09
Heinrich: Ich habe Spanisch gelernt, ja. Autodidaktisch. So, und dann in Mendoza, als dann Einweihung war, und da war der Gouverneur von Mendoza, Ministerpräsident, Polizeichef, es waren 300, 400 Leute da. Und da kommt mir ganz heiß: Mensch, wir haben ja keinen Stempel im Pass. Und wir wollten am nächsten Tag über über Punta del Inca nach Chile und mit Lufthansa von Santiago de Chile. Da hätten wir einmal Südamerika durchquert gehabt, wollten wir rüberfahren. Da gehe ich zum Polizeipräsidenten und sagte, gib mir die Pässe in 3 Tagen, sagte ich, wir wollen morgen mit dem Fahrrad. Vergessen Sie es. Ich habe gedacht, mit den Chilenen komme ich zurecht. Wir fahren mit dem Fahrrad hoch auf einen Berg, ein Pass auf 4.000 Meter, und ich hatte von meinem Haus eine Flasche Ellerstadter Bubeneck blauer Portugieser, Rotwein. Das war ja mein Lufthansa-Erfolg, den hatte ich unter die Lenkstange gebunden und da habe ich zu dem Zöllner gesagt: Würden Sie mir Ihren Chef holen? Aber in militärischer Befehlsform. Ahora, jetzt, sofort! Und da haut der, geht er vor. Ich habe ihm gesagt, wir sind jetzt 12.000 Kilometer gereist, haben noch eine Flasche deutschen Rotwein dabei, mit eurem Chef möchte ich sie trinken. Der Chef kommt, welche Ehre. Fertig. Und dann wurde der Zoll geschlossen, alle Zöllner hochgerufen. Da war oberhalb vom Zoll so eine Steintreppe, ging es da hoch. Und dann haben wir dort dermaßen Wein getrunken - wir waren 4 Deutsche - dermaßen Wein getrunken, dass wir vergessen haben, den chilenischen Zöllner unsere Pässe vorzulegen. Dann sind wir runter gefahren. Da geht es runter zum Pazifik. 26, 27 Kurven bist du unten auf 0 Meter. Als wir unten ankadnm, da sagte ich zu Manfred Ollinger: Mann, wir haben wieder keinen Stempel im Pass.
Michael
00:53:14
Gar keinen. Weder den einen noch den anderen.
Heinrich
00:53:16
Heinrich: Wir sind quer durch Lateinamerika mit dem Fahrrad gefahren ohne Stempel im Pass. Alles gut. Dann sind wir zur Lufthansa marschiert und natürlich auch zur Deutschen Botschaft. Muss ich erst wieder, auf dem Rückflug haben wir verloren, mussten ein Ticket kaufen. Ja, das war ein Krankenhausbau in Argentinien.
Michael
00:53:36
Aber man merkt irgendwo, dein Herz hängt da schon so ein bisschen an der Gegend, an den Begegnungen, vielleicht auch ein bisschen an den Weinen von dort?
Heinrich
00:53:44
Heinrich: Ja, auch. In erster Linie an den Menschen. Ich habe ja das aufgebaut. Dann hast du die Belegschaft übernommen, die der Vorbesitzer hatte, und die waren ja alle dort geboren. Alle sind dort in die Schule gegangen. Und dann in der Nachkriegszeit, nach Militärzeit, ist das alles sehr vernachlässigt worden. Und dann habe ich mich in der Schule engagiert, immer jeden Tag 2 Frauen dort zum Kochen abgestellt usw. und habe die Schule unterstützt. Praktisch bis Kirchner an die Regierung kam. 2006, 2007, und die wollte es nicht mehr haben, dass ein Ausländer eine argentinische Schule begleitet? Ja. Also habe ich mich zurückgezogen. Und jetzt, seit der Kettensäge-Mann am Werk ist, der Milei am Werk ist, bin ich wieder willkommen in der Schule und darf die Schule wieder unterstützen.
Michael
00:54:43
Ja, und die Ex-Präsidentin hat gerade juristische Probleme.
Heinrich
00:54:46
Heinrich: Ja. Dort, wo sie jetzt ist, gehört sie hin. Ja.
Tobias
00:54:51
Und sag mal, als du jetzt 1986, 1987 das Weingut übernommen hast, da hattest du ja auch plötzlich wahrscheinlich mit ganz anderen Rebsorten zu tun als die, die du kanntest. Wahrscheinlich Malbec?
Heinrich
00:55:02
Heinrich: Ja. Der Cabernet war mir ja bekannt. Ich war ja in Deutschland der erste Winzer, der Cabernet gepflanzt hat.
Tobias
00:55:07
Ja, genau. Das hatte ich ja vorhin angesprochen. Da hatten wir dann etwas zu weiten Bogen sozusagen gezogen. Aber jetzt, jetzt ist dein Einsatz vielleicht darauf noch mal zurück.
Heinrich
00:55:16
Heinrich: Ja, ja, ich war von 1971, war ich Mitglied der Kommission beim Weinbauamt in Neustadt, wo die Weinprämierung durchgeführt wird, wo die QBA-Briefe usw. Das ist also ehrenamtlicher Job und habe ich 27 Jahre mitgewirkt und wir hatten 1983 den ersten Dornfelder mit Goldmedaille prämiert. Das müssen Sie sich jetzt mal vorstellen, auf der Zunge zergehen lassen. Und dann stehen wir auf dem Hof draußen und besprechen uns und gucken uns an. Dann sage ich zu dem Weinkontrolleur, Helmut Schreck, sage ich, Helmut Schreck, sie haben ja schwarze Zähne und schwarze Lippen. Sehen wir alle so aus? Wir sahen alle so aus. So, und das war an für sich, für mich der Auslöser, mich zusätzlich um eine andere Rotweinsorte zu kümmern. Und ich konnte damit nicht leben, dass man auf einem Bankett, wo Tausende Menschen sitzen, alle schwarze Zähne haben, konnte ich nicht. Damit konnte ich nicht leben. So, und dann hab ich mir also einen Antrag gestellt bei der Landesregierung. Und dann kam der Glykolskandal dazwischen. Die Reben hatte ich aber schon da, weil ich ja einen Freund hatte in Frankreich. Der war ganz schnell dabei und hat mir die Reben hier über die grüne Grenze gebracht und ich habe sie dort abgeholt und fertig. Jetzt hatte ich also die Reben da.
Michael
00:56:46
1.000 Stück, ne?
Heinrich
00:56:46
Heinrich: 1050 Reben waren das. Ja, und 1987 hat dann die Landeslehr- und Forschungsanstalt hier die paar Trauben, die ersten Trauben, die es gab, geerntet und waren da mit mehreren Fahrzeugen, alles, staatliche Schule und so. Und das muss dem Winzer, der mich denunziert hat, wohl nicht gefallen haben. Und der hat mich angezeigt und am nächsten Morgen ruft die Weinkontrolle an, ich muss heute den Cabernet einziehen. Da habe ich gesagt, aber Sie wissen doch, dass die Trauben gar nicht bei mir sind. „Ja, ich weiß das. Ich komme mit der Polizei". Fertig. Also, er kam dann mit der Polizei. Die umstellen dann das Haus, so läuft so was ab. Und dann sagt er zu mir vorher: „Leg ein paar Liter in den Tank und wenn du die Polizei siehst, machst den Schieber auf und lässt ihn laufen". Fertig. Und somit war ja das, Muster konnte er keins nehmen, weil die Muster lagen in der Lehranstalt und die hätten ja die Rente verloren, wenn das rausgekommen wäre, dass sie illegale Trauben in ihrem Keller liegen haben. Na gut, ich kam vor Gericht. Erster Prozess, 72 Tage Gefängnis wegen Verstoß gegen das Weinrecht. Gehe ich in Gegenrevision, und das Ganze habe ich ohne Anwalt gemacht. Beim Amtsgericht ist ein Anwalt keine Pflicht. So, und ich hatte ja nichts verbrochen. Ich hatte nichts verbrochen. Ich habe keine Tropfen verkauft, ich hatte nichts verbrochen. Ich hatte nur Kosten, sonst nichts. So, die 2. Instanz, hat sich wohl herumgesprochen bis zur Landeshauptstadt, und auf jeden Fall, beim 2. Prozess kommt der Richter rein und haut mit dem Hammer auf den Tisch und sagt: „Angeklagter Vollmer, kommen Sie mal raus!". Und dann schlägt er mir vor, § 153a zu machen. Da habe ich zu ihm gesagt, ist das gut für mich oder schlecht? „Ja, das ist gut für Sie". Gut, wenn Sie das sagen, ich vertraue Ihnen, dann können wir neu machen. Ich hatte keine Ahnung, was es ist, aber gut. Gehen wir rein und dann sagt er: „Die Anklage wird zurückgewiesen. Der Kläger zahlt für jeden Rebstock an eine gemeinnützige Stiftung eine Mark, und die Sache ist erledigt. Und die Rebstöcke müssen rausgerissen werden". Dem habe ich dann zugestimmt. Die Sache war für mich erledigt, bin ich nach Hause. Ja, und dann kamen Tage später die Polizei und haben auch die Rebstöcke ausgegraben. Bis auf einen. Wir haben ja die überall gepflanzt. Wo Stöcke gefehlt haben, haben wir gepflanzt. Aber mit dem Weinkontrolleur zusammen. Und der Weinkontrolleur hat auf einer Karte alles eingezeichnet gehabt. Also wir hatten nicht vor, etwas Illegales zu machen. Aber gut, 48 Stunden später war das Weinrecht geändert und die Einfuhr der Reben legalisiert. Und seit der Zeit darf in Deutschland Chardonnay, Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot und viele andere mehr gepflanzt werden.
Michael
00:59:59
Und mittlerweile auch mit sehr guten Ergebnissen, muss man ja dazu sagen.
Heinrich
01:00:03
Heinrich: Ja. Also unser derzeitig teuerster Wein, den wir im Verkauf haben, ist ein Cabernet Sauvignon. Also wir haben jetzt hier 6, 7 Hektar im Eigenbau stehen.
Tobias
01:00:15
Wie sieht der Rebsortenspiegel bei dir in Argentinien aus?
Heinrich
01:00:18
Heinrich: In Argentinien haben wir Cabernet, die Hauptsorte ist dort Malbec. Malbec ist eine burgunderähnliche Sorte. Dann Merlot, Syrah. Und als Weißweine haben wir Sauvignon Blanc und Chardonnay. Und die sind dort sehr gut, die Weißen, weil wir auf 1.100 Meter Höhe liegen, also relativ hoch. Und ich habe jetzt schon seit 2 Jahren, 3 Jahren keine weiße Trauben mehr, weil wir haben Reblaus bekommen und praktisch einen Totalschaden durch die Reblaus einstecken müssen.
Tobias
01:00:55
Reblaus kommt dann doch irgendwann überall hin.
Heinrich
01:00:58
Heinrich: Die Rebaus ist ja dort zuhause auf dem amerikanischen Kontinent und ich habe durch die Bewässerung, früher hat man ja Großflächen bewässert und immer die Erde abgeschwemmt, also eine massive Erosion. Dann habe ich Beregnungsrohre eingeführt in den 90er-Jahren und durch die Beregnungsrohre hast du keine Abschwemmung mehr gehabt. Du hast alle 2 Wochen nachts 50 Liter pro Quadratmeter Wasser regnen lassen und da war das gut. Und dadurch nur nachts, habe ich tagsüber ja wieder 30, 35 Grad Wärme gehabt, da hast du auch keine Peronospora oder irgendwelche Probleme gehabt. Hat also funktioniert. Dann kam die Kirchnerzeit und in der Kirchnerzeit wurde plötzlich der Nachtstrom, der dort durch Wasserkraft gewonnen wird, kostete früher 0,02 $, 0,03 $, also relativ preiswert. Das wurde eingestellt und jetzt musste ich plötzlich 32 $ Cent bezahlen. Und ich habe dort von KKB Frankenthal 3 große Pumpen gehabt, jede mit 200 kW. Und du konntest diese Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Ja, dann habe ich das aufgehört und habe mit Tropfberegnung angefangen. Und bums, war die Reblaus da. Und die Reblaus war vorher, konnte sich nicht ausbreiten, weil du hast dort einen Salzgehalt von, sagen wir mal, 350 bis 450 mg pro Kilo Erde. Hier im Rheingraben, das war ja auch mal Atlantik bis an die Schweizer Grenze, im Rheingraben haben wir die höchsten Werte so bei 150 bis 200 mg Salz. So, und 400, da fühlt sich die Reblaus nicht wohl. So, jetzt haben wir das Wasser zurückgefahren durch die Tropfberegnung - und schon war sie da.
Tobias
01:02:53
Alles klar.
Heinrich
01:02:54
Heinrich: Und schon war sie da. So, und dann ich habe sie eben rausgerissen und ich habe den Betrieb ja nie geführt, um dort für mich Geld zu verdienen, sondern einfach, um den Menschen Beispiel zu sein, zu zeigen, wie man das machen kann und die Arbeit. Ich hatte zur Hochzeit 51 festangestellte Mitarbeiter und dazu die ganzen Familien und Frauen, also die Kinder, in unserer Schule mit 180 Kindern waren praktisch alle von unseren eigenen Mitarbeitern. Na ja, und dann kam die Kirchnerzeit und in der Kirchnerzeit musstest du Personal abbauen oder du wärst pleite gegangen, weil die hat ja im Jahr zweimal um 30 % die Löhne erhöht. Aber der Außenwechselkurs ist gleichgeblieben. Das war ja die tödliche Situation.
Tobias
01:03:45
Das kann nicht funktionieren, ja.
Heinrich
01:03:45
Heinrich: Das war die tödliche Situation. Zu normalen Zeiten habe ich mal 5.000 $ für Löhne gebraucht und dann auf einmal hast du 50.000 $ pro Monat für die Löhne gebraucht. Und das konntest du von hier nicht mehr finanzieren. Das ist ja über eine gewisse Zeit, das war nicht machbar. Also habe ich dann das Personal abgebaut und das konnte ich nur über das Gericht, weil in Argentinien ist ein Landarbeiter Angestellter, der ist Beamter, der ist unkündbar. Ein Landarbeiter ist unkündbar. Ja, und der Personalabbau musste dann über das Gericht laufen und hat mich 870.000 $ gekostet.
Tobias
01:04:24
Oh Gott.
Heinrich
01:04:25
Heinrich: Ja. Habe ich aufgebracht, hat mir wehgetan, aber ich wollte das nicht aufgeben.
Tobias
01:04:33
Ja, ja.
Heinrich
01:04:33
Heinrich: Also, es gab hier genügend Stimmen, die gemeint haben, „Vollmer, gibt das auf". Aber aufgeben passt wohl nicht zu meinem Leben.
Tobias
01:04:44
Das Gefühl haben wir jetzt auch schon, glaube ich, bekommen. Und wie ist das denn heute, wenn man sich jetzt das Weingut in Argentinien anschaut? Ist denn sozusagen dadurch, dass du als Deutscher das Weingut besitzt, Deutschland auch der wichtigste Exportmarkt für das Weingut?
Heinrich
01:05:02
Heinrich: Ja, klar. Wie viel mal hat die Lufthansa argentinischen Wein geflogen? Viele Male. Also der erste Cabernet, den ich in Argentinien angebaut habe, ist die Lufthansa First Class geflogen bin. Die deutschen Reben, die ich hier ausgegraben habe, die Geschichte habe ich irgendwann mal der Lufthansa erzählt und dann kam dieser Wein in die First Class. Und alles, eins hilft zum anderen und so macht es dir Freude. Ja, und dann gibt es wieder einen Rückschlag. Aber das gehört im Leben halt auch dazu.
Michael
01:05:34
Aber ist es denn nicht ungeheuer anstrengend, sage ich jetzt mal, auf beiden Kontinenten Wein zu machen? Weil im Prinzip, wenn hier Lese ist, dann treiben da gerade die Rebstöcke aus und umgedreht. Also eigentlich ist man ja immer mit einerseits Arbeit im Weinberg und oder auch mit der Lese beschäftigt. Ist das schwierig, wenn man da seine Handschrift hinterlassen will? Oder gibt es da einfach Leute, denen du zu 100 % vertraust und die das dann machen?
Heinrich
01:06:03
Heinrich: Ich glaube, es ist nur schwierig, wenn Sie kein Vertrauen in Ihre Mitarbeiter haben. Das ist entscheidend. Und wenn Sie mal hier mit Ihrer anstatt mit meinen Mitarbeitern reden, ich habe jedem immer große Freiheiten gelassen. Auch jeder hat irgendwann von mir mal eine Messe gelesen bekommen, wenn es einfach sein musste. Aber im Grunde bin ich ein Mensch, der bereit ist, Fehler auch mal zu bezahlen bei den Mitarbeitern, weil sie können letzten Endes nur genauso gut wie du werden, wenn sie auch mal Fehler machen dürfen. Wie viele Fehler habe ich selber gemacht und habe dafür bezahlt? Es ist nun mal so. Das ist das menschliche Leben. Ja, und in Argentinien habe ich Mitarbeiter aufgebaut bis zum heutigen Tage, die das Weingut als ihr Eigentum sehen. Die sind dort auch geboren und da kann ich auch mal ein Jahr nicht dort sein, bricht das Ding nicht zusammen. Wichtig ist nur, dass du einen Kontakt hast zum Finanzamt, zur Behörde, auf den du dich ein bisschen verlassen kannst. Sonst kann es dir passieren, wenn du wiederkommst, dass es schon verkauft ist.
Michael
01:07:22
Immer noch so schlimm?
Heinrich
01:07:24
Heinrich: Unter Milei habe ich nichts erlebt, aber unter Kirchner, unter der Frau Kirchner stand ich zweimal vor der Zwangsversteigerung. Die hat, also einmal hat die mir eine Rechnung geschickt, das Finanzamt, über 2,2 Millionen, zahlbar innerhalb 14 Tagen oder Zwangsversteigerung.
Michael
01:07:47
Das kann man ja dran fühlen. Das ist ein Manöver.
Heinrich
01:07:51
Heinrich: Ja, klar. Also auch das überlebt, habe ich aber bezahlt. Habe ich bezahlt. Allerdings waren die 2,2 Millionen Peso, aber es waren auch 380.000 $ damals. Ja, und das war reine Willkür. Reine Willkür, um Ausländer eben einfach loszuwerden. Dabei braucht das Land dringend den Mercosur. Sie können sich nicht vorstellen, aber die Technik, die dort vorherrscht und das technische Verständnis, ist einfach 30, 40 Jahre zurück.
Michael
01:08:31
Außerhalb der großen Städte natürlich. Buenos Aires ist schon...
Heinrich
01:08:35
Heinrich: Ja.
Michael
01:08:36
...was anderes dann noch mal.
Heinrich
01:08:38
Heinrich: Klar. Aber die Mentalität des auch des Porteños. Den Menschen in Buenos Aires nennt man Porteño. Auch der geht am liebsten mit Draht, Beißzange und Hammer um. Das ist argentinische Mentalität. Das einzige Werkzeug, was sie beherrschen, ist eine Beißzange, Draht und ein Hammer. Das beherrschen sie. Aber feintechnologie ist sehr, sehr schwer. Die wollen das lernen, aber jetzt im Augenblick ist ja so, dass der Trend von top ausgebildeten jungen Argentiniern, ist der Trend, sie gehen nach Europa. Nicht nach USA, sondern nach Europa.
Michael
01:09:21
Es ist auch schwieriger natürlich jetzt in die USA zu kommen, und ob man das dann so will. Aber jetzt mal eine rein hypothetische Frage. Aber du hast gesagt, Peru hast du dir angeguckt wegen des Weinbaus, in Chile hast du rübergeguckt und bist dann in Argentinien gelandet. Würde diese Entscheidung wieder so ausfallen für Argentinien?
Heinrich
01:09:44
Heinrich: Ja, ja. Also vom Klima her ist Mendoza wohl eines der besten Klimata, die es auf der Welt gibt. Du hast dort Luftfeuchtigkeit in der Regel während der Vegetation von 25 bis 35 %. Das heißt, Peronospora heir hat keine Chance. Also Bioanbau ist völlig normal. Das ist völlig normal. Wir haben zwar immer dort auch eine Spritzvorrichtung gehabt, weil es kann mal sein, dass Gewitterstimmung kommt und 2 Wochen lang die Bewölkung zu ist und hohe Luftfeuchtigkeit. Und darunter stehen 90 % Luftfeuchtigkeit. Der Pilz ist dort zu Hause, der kommt dort her. Oidium, Peronospora gab's in Europa nicht, aber auf dem amerikanischen Kontinent, ja. Insofern, das Klima ist phänomenal, muss man sagen. Und dann die Böden dort sind, mein Weingut Vielleicht seit 80 Jahren in Bewirtschaftung, aber nie intensiv. Und unsere Böden sind ja hier seit 2.000 Jahren in intensiver Bewirtschaftung. Also das muss man alles gegeneinander mal sehen und dann kannst du ja Eins und eins zusammenzählen. Du hast dort eine mineralische Düngung mit Kunstdünger, ist absolut überflüssig. Es ist so viel Energie noch im Boden drin. Das Unkraut wächst 40 Zentimeter in 2 Tagen. Ja, das natürlich auch.
Tobias
01:11:12
Und jetzt dieser naturnahe Ansatz. Sind das tatsächlich auch noch Überzeugungen, die du schon mit aus dem Burgund genommen hast, weil du sagtest...
Heinrich
01:11:21
Heinrich: Ja, die Biodynamik hat mich hochinteressiert. Ja, das ging dann auch so mit Kuhhorn und Pferdemist und was weiß ich alles. Ich wusste nicht genau, ist es jetzt reiner Wahnsinn oder ist es wirklich? Ich hätte müssen 5 Jahre allein dort bleiben, um die Resultate zu überprüfen, weil nur das zählt ja, nur das Resultat. Das konnte ich nicht überprüfen. Ja, aber schön war, dass in Maconnais dieser Junge, der Sohn damals war 9 Jahre alt, war 9 Jahre alt und es war jetzt vor 58 Jahren, wenn ich zurückrechne oder 59 Jahre. Und vor 4 Wochen kam der Sohn, der damals 9 Jahre alt war, mich besuchen. Er hatte den Heinrich Vollmer nicht vergessen. Das hat mich schon berührt, muss ich sagen. Hat mich berührt. Und hat noch ein paar Worte Deutsch gesprochen, die ich ihm beigebracht hatte.
Michael
01:12:20
Hoffentlich keine Schimpfworte.
Heinrich
01:12:22
Heinrich: Nein, nein, nein, nein, nein.
Tobias
01:12:25
Aber das ist jetzt gerade ein ganz, ganz gutes Thema. Nämlich das Thema Generation, nächste Generation, Fortführung. Ein Thema, mit dem viele Winzer, aber auch andere Betriebe Riesenprobleme haben. Wir haben jetzt gerade schon deine Tochter, Eva, vorhin kennengelernt. Also auch da alles positiv mit dem Blick in die Zukunft?
Heinrich
01:12:46
Heinrich: Ja, Gott sei Dank. Gott sei Dank. Aber die Eva ist die Tochter. Und sagen wir, ich habe schon Jahre jetzt gebraucht. Sie wird ja das, was ich jetzt hier erzähle, sicherlich auch hören. Es hat Jahre gebraucht, bis ich die innere Zustimmung gebe, dass sie die Fähigkeit hat, dieses große Weingut und auch mit dieser guten Kundschaft, die wir haben, wir haben namhafte Kunden, das zu übernehmen und das fortzuführen. Die Diplomatie so zu beherrschen, dass man nicht durch Selbstverschulden sich etwas kaputt macht. Weil das kann passieren. Und natürlich, wichtig ist auch, wenn du so einen Betrieb führst mit Kunden wie Rewe und Lufthansa, die erwarten jedes Jahr, dass die Qualität besser wird. Jedes Jahr. Das heißt, wenn du als Winzer, als Kellermeister nicht in der Lage bist, permanent an der Schraube der Qualität zu drehen und dort permanente Verbesserungen, einfach durch Erkenntnisse kommt es ja automatisch. Nur musst du den Geist haben und die Kapazitäten im Hirn haben, daraus etwas abzuleiten, was ich im nächsten Jahr verfeinere. Dann geht es ja um Tannine. Da geht es um alles Mögliche. So, und diese Fähigkeit, so langsam begreife ich, dass sie die aufsaugt und den Betrieb auch dann nach meinem Ableben, das wird ja demnächst irgendwann mal passieren, so viel Glück kannst du im Leben nicht ewig haben. Irgendwann ist es vorbei und dann steht er da und nimmt dich mit. Ja, aber ich bin guter Dinge, dass der Generationswechsel hier super abläuft und erfolgreich das Unternehmen weitergeführt wird.
Tobias
01:14:53
Sehr schön. Dazu kann man ja tatsächlich nur gratulieren. Und ja, man kann auch dir zu deinem bisherigen Leben, glaube ich, von Herzen gratulieren, was du alles schon erlebt hast. Und wir haben ja jetzt über viele Ereignisse gesprochen, die ja sozusagen nebenher stattgefunden haben. Du hast ja eigentlich, sage ich mal, als Winzer eines der größten privatgeführten Weingüter auch in der Zeit aufgebaut plus dieser ganzen Erlebnisse, dieses sozialen Engagements. Also wirklich sehr, sehr beeindruckend.
Heinrich
01:15:26
Heinrich: Ja, es war eine tolle Zeit. Und wie gesagt, maßgeblich war, dass ich das Selbstbewusstsein und die Erkenntnis bekam durch Erfolge, durch Erfolge bei Lufthansa damals. Und dann kamen natürlich, wenn du Wein machst, Wein und Kochen gehört zusammen. Ja, ich habe da 1987 den Fleischeinkauf, da war ich Einkäufer für Fleisch für die Lufthansa, habe ich also Fleisch eingekauft in Argentinien. In Argentinien!
Tobias
01:16:03
Ah, okay, klar.
Heinrich
01:16:04
Heinrich: Das war ein Riesenerlebnis. Ich bin in einem Monat fünfmal nach Buenos Aires geflogen, und jedes Mal hatte ich eine andere Visitenkarte, weil mir war klar, du musst den Markt etwas durcheinanderbringen. Und einmal war ich für Lufthansa, dann war ich für British Airways, dann war ich für KLM. Und so ging das also rund. Und auf meiner fünften Reise, und der damalige Preis war 12 $ Rump of Loin sammelt die natürlichen Anteile. Filet, das sind 4 Zuschnitte, 4 Fleischstücke. Das ist die Masse des Rindes. Das war bei 12 $. Und drüben, der Auslöser war ja, dass ich dem Einkaufschef von Lufthansa erzählt habe, ich habe gestern noch Fleisch gekauft, das hat 98 Pfennige gekostet. Der sagt: „Bist du wahnsinnig?". Da sag ich, doch, es ist wahr. Und so kam die Idee. Und ich hatte dann auf der 5. Reise in einem Monat, hatte ich den Preis auf 4,20 $. Und da habe ich angerufen und gesagt, ich steige sofort in den Flieger. Heute Abend fliege ich raus, morgen früh bin ich da. Und dann haben wir den Vertrag gemacht. Der erste Vertrag. Ja, und wichtig war damals in der Zeit, wichtig war, dass das Geld da war. Und die Commerzbank hatte damals noch Filialen in Buenos Aires, ein komplettes Filialnetz in Buenos Aires. Und mit der Commerzbank, das war ja meine Mitbank hier, haben wir also die die letzten Verträge, beim Vertragsabschluss war immer der Commerzbanker mit dabei und der hat gesagt: „Ihr kommt zu mir und von mir könnt das Geld abholen". Das war für die. Das war wichtig. Ja, und dann haben wir 2 Schlachthöfe letzten Endes gehabt, die praktisch jede Woche mehrere Container für die Lufthansa gemacht haben. Ja, das habe ich 7 Jahre gemacht und dann einen Nachfolger ausgebildet. Aber die auf Sicht hat es nicht funktioniert. Du musst mit den Leuten umgehen können. Ja, muss man umgehen können. Das ist nun mal so. Fleisch war eine Mafia und mit der Mafia kann man, muss man auch hart in die Bandagen gehen und auch mal sagen, wenn es euch nicht passt, dann gehe ich wieder. Es hat so zu laufen, wie ich es will. Ich kaufe, ich bezahle. Und ihr verkauft. Und in der Metzgerei kriegt ihr 0,70 $ für das Kilo und von mir 4,20 $. Und jetzt sollte man, jetzt überlegt mal, jetzt muss man. Und natürlich hatten andere, die vorher das Geschäft gemacht haben, die haben viel Geld verdient. Viel zu viel.
Michael
01:18:57
Ja, ich meine, war ja eine ganze Zeit lang, ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, Hauptexportartikel, Rindfleisch. Und es hat ja hier zu ganzen argentinischen Restaurantketten und sonstiges geführt, dieser Ruf.
Heinrich
01:19:11
Heinrich: Ja, klar. Damals Maredo Restaurant war ja auch, da gab es nur argentinischen Wein von Vollmer damals. Wirklich, das ist eins zum andern. Manfred Holl, der lebt heute noch. Er lebt heute noch, hat aber verkauft 1994 an Whitbread damals, weil er einen Tumor bekam. Und ein halbes Jahr später war der Tumor geheilt, dann wollte er es am liebsten wieder zurückkaufen.
Michael
01:19:38
Aber so einfach ist das dann nicht.
Heinrich
01:19:40
Heinrich: Ne. Aber ja, 2 Jahre später, dann kam ja diese Fleischseuche und dann war das alles nichts mehr wert. Da war das nichts mehr wert.
Michael
01:19:47
Also eher Glück gehabt.
Heinrich
01:19:48
Heinrich: Er hat Glück gehabt. Ich würde sagen, mein Freund Manfred. Manfred, solltest du die Geschichte hören.
Tobias
01:19:54
Sehr gut. Wir kommen jetzt zum Abschluss noch mal sehr, sehr fokussiert auf das Thema Wein zurück. Wir fragen nämlich jeden Gast Bei Anruf Wein nach seinem Einsame-Insel-Wein. Also du musst dir folgendes Szenario vorstellen: Du bist auf einer einsamen Insel gestrandet. Du hast aber einen Top Weinkeller. Unterirdisch. Perfekt klimatisiert. Es gibt nur tatsächlich nur einen Wein, ein Jahrgang, Tausende Flaschen, alles gut, aber du müsstest dich für einen Wein entscheiden. Welcher würde es sein?
Michael
01:20:27
Hm.
Heinrich
01:20:29
Heinrich: Tja. Weiß oder rot?
Tobias
01:20:32
Egal.
Michael
01:20:33
Das ist egal.
Heinrich
01:20:34
Heinrich: Für welchen Wein würde ich mich entscheiden? Wenn ich auf einer einsamen Insel für viele Jahre, da muss er ja haltbar sein. Da entscheide ich mich für einen Cabernet Sauvignon.
Tobias
01:20:43
Und gibt es da einen spezifischen?
Heinrich
01:20:44
Heinrich: Der ist 25 Jahre haltbar?
Tobias
01:20:46
Ja, und gibt es da einen spezifischen, wo du sagst, ja, der würde auch noch an Tag 3, 4 und 100 nicht langweilig werden?
Heinrich
01:20:54
Heinrich: Ja. Tag 100, der Tag 100, irgendwo ist für Wein, also mein lebhaftester Weißwein, den ich hier im Haus habe, ist ein 92er. Der Wein ist heute noch so lebhaft, wie er 1995, 1996 sich präsentiert hat. Ist heute noch dasselbe. Allerdings Doppelmagnum-Flasche, aber super. So 1992. Es gab danach kein Jahrgang mehr, bis zum heutigen Tag, der diese natürliche Komponente mitgebracht hat, dass das alles so harmonisch gepasst hat und alt wurde. Und ich denke, jetzt, der Jahrgang 25, der ist ähnlich. Wir haben jetzt gestern Riesling gelesen, gestern war noch ein schöner Tag, Riesling gelesen mit 100 Oechsle und 9,2 Promille Säure. Das ist ja das Entscheidende. Was nützt dir 100 Oechsle und 6 Promille Säure? Der Wein wird nicht alt. Aber der mit 9 Promille Säure, nach der Gärung wird er noch acht haben, dann kannst du den Wein, und acht ist ja fast nur Weinsäure. Das ist also nicht sauer. Im normalen Jahr hast du ja 50 % Weinsäure, 50 % Apfelsäure. Und dieses Jahr haben wir bis zu 90 % Weinsäure.
Tobias
01:22:10
Ja, sehr gut.
Heinrich
01:22:12
Heinrich: Das ist super. Es gibt einen Jahrgang, von dem wir noch die nächsten 25 Jahre, dann bin ich ja 100. Ja, dann...
Michael
01:22:20
Dann kann man auch die erste Flasche da mal aufmachen, um zu gucken, auf die 25 Jahre.
Heinrich
01:22:24
Heinrich: Ich lege mir für den Tag, lege ich mal jetzt was weg.
Tobias
01:22:26
Okay, das ist ja schon mal eine gute Antwort dazu.
Michael
01:22:30
Kommen wir direkt auch dazu vorbei. Ja.
Tobias
01:22:31
Ja. Wein aus.
Heinrich
01:22:31
Heinrich: Benehmt euch aber gut.
Michael
01:22:32
Ja, ich bemühe mich.
Tobias
01:22:34
Okay. Aber der Einsame-Insel-Wein, das hat man ja so auch noch nicht. Das ist im Grunde genommen ein Wein, der noch gar nicht auf der Flasche ist. Aber wir einigen uns jetzt dann auf einen 2025er Cabernet Sauvignon.
Heinrich
01:22:44
Heinrich: Cabernet Sauvignon. Ich rechne, er hat 104 bis 108 Oechsle.
Tobias
01:22:49
Ja, also auch dann aus Deutschland, nicht aus Argentinien.
Heinrich
01:22:52
Heinrich: Ja.
Tobias
01:22:52
Sehr gut, okay.
Heinrich
01:22:53
Heinrich: Ja, also egal. Und auf der einsamen Insel? Glaubt mir, ich komme zurecht.
Tobias
01:22:58
Ich hatte den Eindruck, den haben wir jetzt, glaube ich, alle bekommen.
Michael
01:23:01
Glaube ich auch. Bevor wir uns jetzt hier verabschieden, möchte ich erst noch mal sagen: herzlichen Dank für die viele Zeit, für die tollen Geschichten. Also ich freue mich jetzt nicht nur auf diesen Cabernet Sauvignon in 25 Jahren, sondern ich freue mich tatsächlich auch schon darauf, wenn es das nächste Mal wieder heißt.
Heinrich
01:23:21
Heinrich: Bei Anruf.
Tobias
01:23:23
Wein.