Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Amarone: Wein aus Rosinen oder was?

05.10.2021 14 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Amarone! Ein Name wie ein Donnerhall in den norditalienischen Weinbergen, aus denen er stammt. Michael und Tobias freuen sich schon lange auf diese Folge, denn sie finden, Amarone gehöre zum Standard-Repertoire des gepflegten Weinwissens. Das besondere Herstellungsverfahren und die daraus resultierende Stilistik dieser Rotweine bieten reichlich Gesprächsstoff für die beiden. Zudem erfahrt ihr, warum Michael plötzlich „Miracoli ist fertig“ ausruft.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:10
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Heute spreche ich mit Michael über Amarone. Ja, dieser Rotwein aus dem norditalienischen Venetien zeichnet sich durch ein ganz besonderes Herstellungsverfahren aus, das maßgeblich für die große Beliebtheit dieser kraftvollen Weine verantwortlich ist. In unserem Telefonat sprechen wir genau darüber, berichten aber auch über andere wissenswerte Hintergründe. Zum Beispiel klären wir die Frage, warum Amarone überhaupt Amarone heißt. Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:00:54
Buonasera, signore Weinlakai. Wir beide haben heute ein italienisches Stelldichein, nicht wahr? Es geht nach Venetien und wir sprechen über Amarone. Ein Rotwein, der auf der ganzen Welt glühende Fans hat und vor allen Dingen wegen seiner besonderen Herstellung fasziniert.
Tobias
00:01:12
Ja, genau. Und ich befürchte jetzt schon wieder irgend so eine „Frage die Weinfreunde"-Challenge von dir, mit der du mein Wissen zum Thema Amarone abprüfen willst und mich dann bestimmt wieder aufs Glatteis führst. Deshalb fang du heute ruhig lieber mal an, gehört doch bestimmt zu deinem absoluten Standardrepertoire, die wichtigsten Amarone-Fakten vorzutragen, oder?
Michael
00:01:32
Mein Gott, Bacchus, was bist du heute so rigide bitter? Aber nun denn, wie du willst. Also A wie Amarone, der Amarone, männlich, ohne Sternchen und gesondertes Pronomen. Besonders geschätzter Rotwein aus der Region Valpolicella. Also so besonders, weil er im aufwändigen, wiederum A, Appassimento-Verfahren vinifiziert wird. Im Glas hat man dann was ungeheuer Intensives, Dichtes mit durchdringender Frucht und ordentlich Alkohol und ist ein echter Klassiker, aber auch zu gut geschmorten Fleischgerichten, das will ich schon mal anbringen.
Tobias
00:02:10
Ja, ja, aber Stopp! Stopp! Stopp! Was ist denn jetzt mit dir los? Ja, also ich glaube, du hast heute noch keinen Albariño verkostet, oder was? Denn du bist doch eigentlich immer der große Erzähler von uns beiden. Wo bleibt jetzt dein Feingefühl für diesen außergewöhnlichen Rotwein norditalienischer Provenienz? Ja, also ich brauche jetzt eine historische Einführung, mit Anekdoten garniert. Also enttäuscht mich, Povero Michele!
Michael
00:02:34
Povero Michele? das heißt Povero Rigoletto! Aber was verstehst du schon von italienischer Oper? Aber im Ernst, der Amarone ist für mich nur eine von vielen Errungenschaften des großen europäischen Weinmutterlandes Italien. So kann man das ja mal nennen. Überleg einfach mal, wie viel heimische Rebsorten es in Italien gibt. Das geht in die Hunderte. Ich glaube, über 600 sind das sogar. Und was haben die an Verfeinerung dieses klassischen Vinifizierens entwickelt? Also der Amarone ist ja nur ein Beispiel dafür. Es gibt ja dann auch noch so was wie Doppio Passo oder den Ripasso. Oder in der Toskana gibt es den Governo. Und wie diese ganzen Extrakniffe eigentlich heißen, bei der Weinerzeugung. Besser so?
Tobias
00:03:22
Ja, fast. Ich habe jetzt eher auf deine Erdkundekenntnisse gesetzt, ganz ehrlich gesagt. Also wo kommt ein Amarone della Valpolicella überhaupt her? Was gibt es da zu erzählen? Aber vielleicht übernehme ich das jetzt einfach mal selbst. Ja, also Valpolicella impliziert ja schon etwas. Wir sind in Norditalien und zwar in der Region Venetien. Und dann konzentrieren wir uns jetzt erstmal auf Romeo und Julia, also Verona. Und dann sind wir auch schon fast in der DOCG Amarone della Valpolicella.
Michael
00:03:53
Genau oberhalb von Verona zieht sich nämlich von West nach Ost oder von Ost nach West, wie man will, die Denominazione di Origine Controllata e Garantita, kurz DOCG, wie von dir genannt, Amarone della Valpolicella. Da muss man lange üben, wenn man das gut kann. Oder man hat vielleicht schon ein bisscehn Amarone getrunken. Nein, im Ernst, diese höchste Klassifizierung des Anbaugebiets, was es so in Italien gibt, ist nämlich dieses DOCG, hat man bereits seit 2010 inne. Mutet jetzt nicht so lange an, aber denk mal daran, dieses normale DOC, also dasselbe schöne, lange Wort, nur ohne Garantita am Ende, besitzt man bereits seit 1968 als Kennzeichnung und Auszeichnung. Das ist, diese DOC ist älter als du. Ja, und noch mal auch zur Anmerkung der Gardasee und der Lugana sind ja auch gar nicht so weit davon entfernt.
Tobias
00:04:49
Ja, richtig, es ist eine spannende Gegend und Amarone ja dann tatsächlich schon ein richtig traditionsreicher Wein. Und im Übrigen, um das noch hinzuzufügen: Wer wiederum nach Osten mit dem Auto Richtung Venedig startet, der kommt dann auch wiederum in die Heimat des Proseccos. Also es spricht sehr viel dafür, einmal Urlaub in Norditalien zu machen. Aber wir schweifen jetzt schon wieder ab. Du hast bereits das Stichwort Appassimento gegeben. Was sich dahinter verbirgt, beschreibt das erste der 2 kleinen Miracoli del Amarone, die beiden Wunder des Amarone. Reicht dir das jetzt als Steilvorlage?
Michael
00:05:28
Verstanden. Miracoli ist fertig! Nee, also Appassimento. Das muss man sich ja erst mal vergegenwärtigen, was das bedeutet. Und wenn man das so ein bisschen freier, salopper übersetzt, könnte man sagen, also da ist schon einige Zeit dahingegangen, die Trauben haben schon einiges durchgemacht. Kurzum, nach der Lese werden diese Trauben nämlich aufwendig getrocknet, bevor sie vergärt werden. Doppelpass.
Tobias
00:05:54
Ja, vielen Dank, denn dieses Lufttrocknen, früher wurde das in so Unterständen auf Strohmatten gemacht, heute meist in speziell klimatisierten Räumen, das entzieht den Beeren Wasser, das verdunstet schlichtweg. Und was den Beeren enthalten bleibt, sind die Aromen, der Zucker, all das, was man Extrakt nennt. Nüchtern ausgedrückt: Das Verhältnis von Flüssigkeit zu diesem Extrakt rückt näher zusammen und sorgt für diese ungeheuer intensiven, dichten, vor allem aber auch vielschichtigen Weine. Amarone halt. Ja, und du darfst nicht vergessen, zwischen 2 bis 4 Monaten dauert dieses Trocknen alleine. Und da sehen dann die Beeren eigentlich aus wie Rosinen.
Michael
00:06:38
Ja, und sie sind dann auch entsprechend süß und entsprechend süß heißt entsprechend viel Alkohol. Ich sage mal, weniger als so 15 % Alkoholvolumen sind bei einem Amarone sicherlich die Ausnahme, also...
Tobias
00:06:52
Absolut.
Michael
00:06:53
...trotz dieses Durchgärens weist der Wein zudem auch manchmal ja noch Restsüße auf.
Tobias
00:06:58
Ja, genau, das ist dann so ein bisschen eine stilistische Frage auch. Also ein bisschen so wie bei Primitivo. Aber es gibt auch ganz trocken gemachte Amarone. Du weißt ja, die liegen mir dann doch ein bisschen mehr. Beim Amarone geht es aber stets, das kann man, glaube ich, absolut unterschreiben, um Intensität und Dichte, Frucht, Extrakt, Alkohol. All das ist weit oben angesiedelt, wenn man sich das mal auf so einer Skala betrachten würde. Und damit es aber nicht alles viel zu schwer wirkt, besitzen die Weine trotzdem noch - Achtung, jetzt kommt wieder unser Lieblingsthema - eine schöne Frische. Ja, also das heißt, in den Beeren ist noch ausreichend Säure. Warum? Die Trauben für den Amarone werden vergleichsweise früh geerntet und dann ist da halt eben noch genügend Säure drin. Und deswegen, ich sage mal, wenn man die jetzt so normal vollreif ernten würde, hätten die Weine dann wahrscheinlich eher irgendwie 17 oder 18 % Alkohol. Also von daher, auch deshalb glaube ich, holt man die etwas früher vom Rebstock. Und durch diese Kombination aus Kraft und Frische eignet sich der Amarone auch super als Essensbegleiter. Am besten von kräftigem Fleisch, aber natürlich auch leckerem Käse.
Michael
00:08:16
Also bevor ich jetzt Hunger bekomme, erzähl uns doch erst mal was zu den offiziellen Regularien eines Amarone della Valpolicella. Was für Rebsorten sind überhaupt zugelassen?
Tobias
00:08:27
Ja, ja, jetzt überlässt du mir wieder die eher langweiligen Themen. Aber gut, ganz deine Italienschwärmerei folgend sind es 3 autochthone, also heimische Rebsorten. Ja, ganz genau gesagt: Corvina oder auch Corvina Veronese genannt, muss per Vorschrift 45 bis 95 % in einer Amarone-Cuvée ausmachen. Und dann ist da noch Rondinella zu nennen, mit einem Anteil zwischen 5 und 30 %. Also man hat da schon so ein bisschen aus Steuerungsmöglichkeiten, um den gewünschten Stil dann auch zu produzieren. Und weitere Rebsorten wie Corvinone und Molinara kommen auch zum Einsatz, sie müssen aber nicht zwingend dann wirklich dort enthalten sein, dürfen aber eben zu einem gewissen Prozentsatz mit reingegeben werden. Also ein durch und durch norditalienische Angelegenheit in Sachen Rebsorten.
Michael
00:09:21
Nur, damit ich das jetzt richtig verstehe, also selbst, wenn in dem Gebiet Valpolicella gewachsene und gelesene Merlot-, Cabernet Sauvignon- und Cabernet Franc-Trauben im Appassimento-Verfahren ausgebaut wären, wäre das doch immer noch kein Amarone, Herr Nebenberufler Weinmacher, bitte!
Tobias
00:09:43
Hahaha. Ja, das ist jetzt wieder so eine Steilvorlage, denn du spielst sicher auf den Appassimento an, den ich mit weinfreunde.de und dem Traditionshaus Sartori aus Verona gemeinsam gemacht habe. Und ja, in der Tat, der darf sich dann nicht Amarone nennen, aber eben Appassimento, also dem Herstellungsverfahren folgend, benannt, ja. Und ja, ich glaube, da bist du ja schon so ein bisschen neidisch, dass ich dieses Projekt umsetzen konnte. Aber na ja, auf der anderen Seite sitzt du natürlich im Shop direkt an der Quelle.
Michael
00:10:16
Als könnte ich mich da so einfach bedienen. Schön wär's! Leider nicht so. Aber mir geht es jetzt noch einmal um unsere Miracoli, unsere Wunder des Amarone. Wir müssen ja noch das zweite Wunder, Miracolo in der Einzahl bitte, erklären. Damit ist nämlich nochmals eine neu eintretende, 2. alkoholische Gärung gemeint, die nochmal Zucker in Alkohol umwandelt und auch sensorisch eine Spur hinterlässt. Müsste man zumindest meinen.
Tobias
00:10:46
Ja, ja, und das ist eigentlich schwierig zu beantworten. Ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, ob das sozusagen standardmäßig immer gemacht wird oder immer auftritt. Aber man könnte zumindest annehmen, dass dieser Prozess dafür sorgt, dass die Frucht ja noch noch mal so ein bisschen eingekochter, marmeladiger und man würde jetzt auch davon sprechen, so ein bisschen breiter wirkt. Ja, aber das ist gar nicht so, Man könnte nämlich auch wiederum glauben, dass dadurch der Alkohol noch mehr in den Vordergrund kommt, denn es wird ja dann noch mehr Alkohol produziert. Aber auch das ist nicht so, also in gewisser Weise wirklich ein Wunder, denn es bringt keine negativen Eigenschaften, sondern einfach noch mehr zusätzliche Konzentration und Dichte in den Amarone. Ja, und das ist nun wirklich ein Wunder.
Michael
00:11:33
Dann bleibt jetzt nur noch eine Frage offen, mein bittersweet Weinkumpan.
Tobias
00:11:38
Was kommt denn jetzt schon wieder? Du willst jetzt noch einen Exkurs zum Ripasso wahrscheinlich, dem sogenannten Baby Amarone, oder? Oder kommst du mir jetzt wieder mit, ach ja, wahrscheinlich mit Grappa aus Amarone Trester, du alte Schnapsdrossel.
Michael
00:11:52
Ach ja, durchaus eine verlockende Idee. Aber ganz ehrlich, ich hatte was ganz anderes im Kopf. Wieso, lieber Tobias, heißt der Amarone eigentlich wie Amaro, dem italienischen Wort für bitter? Warum ist er bitter?
Tobias
00:12:07
Okay, super. Du hast noch dran gedacht. Deswegen, Punkt an dich Michele, Angelo, der Weinfreunde. Ja, ja, ich kann das auch. Ich erzählte ja bereits, dass die Trauben recht früh geerntet werden, damit sie Frische behalten. Das birgt aber das Risiko, dass da so ein paar Beeren dabei sind, die noch nicht wirklich ausgereift sind. Und die sorgen dann für einen Bitterton. Man muss aber sagen, das ist so ein bisschen Amarone Historie. In der Gegenwart haben die Winzer das eigentlich im Griff. Also es gibt keine bittere Wahrheit, denn diese sogenannte phenolische Reife von Schalen und vor allem von Kernen, die ist in der Regel in Ordnung. Aber vielleicht gibt es ja auch Amarone-Winzer, die sogar diesen, ja, leichten Bitter-Touch suchen und auf der anderen Seite vielleicht auch Amarone-Freunde, denen das sehr gut gefällt. Wer weiß?
Michael
00:13:00
Das klingt jetzt schon fast wie ein Schlusswort. Und ich habe jetzt eigentlich auch nichts mehr, mit dem ich dich ärgern, Entschuldigung, herausfordern könnte. Also sage ich jetzt mal Arrivederci, Tobias della Valpolicella. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Mal, wenn wir wieder zusammenkommen.
Tobias
00:13:17
Ja, das geht mir natürlich genauso. Ich freue mich jetzt aber auch noch mal auf Reaktionen unserer Zuhörerinnen und Zuhörer, die nach wie vor Ihre Mail bitte an podcast@weinfreunde.de und den lieben Michael adressieren. Und dann muss man noch sagen, wir haben ja jetzt schon einige Folgen vom Bei Anruf Wein-Podcast gemacht. Das heißt, wenn das jetzt die 1. Folge ist, die ihr überhaupt hört, dann schaut doch mal, es gibt mittlerweile schon jede Menge andere Themen, die wir uns hier gewidmet haben. Ja, und mehr bleibt mir jetzt eigentlich gar nicht mehr zu sagen, außer, dass ich mich darauf freue, wenn es das nächste Mal wieder heißt: Bei Anruf.
Michael
00:13:58
Wein.