Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Anbaugebiet Rheinhessen: zu Besuch bei Georg Fogt

28.05.2024 45 min

Zusammenfassung & Show Notes

Das größte deutsche Weinanbaugebiet ist Rheinhessen. Also längst überfällig, dass Michael und Tobias der Region einen Besuch abstatten, um aus erster Hand von einem Top-Winzer mehr über die Region, seine Rebsorten, Böden und Weine zu erfahren. Nebenbei geht es noch um wundersame Jugendstil-Etiketten, ein glühendes Bekenntnis zur Scheurebe und ein ganz persönliches Wein-Musik-Pairing. „Bei Anruf Wein“ zu Gast in Rheinhessen.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Rheinhessen ist das größte Weinanbaugebiet Deutschlands und liegt nicht etwa im Bundesland Hessen. Vielmehr führt die heutige Folge Michael und mich nach Rheinland-Pfalz, genauer gesagt nach Badenheim, denn dort sind wir mit Georg vom Weingut Fogt verabredet. Er erklärt uns besonders anschaulich, was dieses Anbaugebiet ausmacht, welche Rebsorten hier vorherrschen und wie vielfältig die Bodenbeschaffenheit in Rheinhessen ist. Doch Georg Fogt verrät uns aus seinem Weinphilosophie, erzählt eine Jugendstilgeschichte und lässt Dr. Scheu hochleben. Scheu solltet ihr nicht sein, wenn es darum geht, den Bei Anruf Wein-Podcast zu folgen und ihn auch zu bewerten. Das geht fast überall dort, wo ihr den Podcast hört. Danke euch. Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an! Ja. Hallo, Georg. Schön, dass wir hier sein dürfen bei dir in Rheinhessen. Ich grüße dich.
Georg
00:01:06
Hallo.
Tobias
00:01:06
Wir sind im größten deutschen Anbaugebiet. Ich glaube mit, Michael, wir haben die Zahlen aufgeschrieben.
Michael
00:01:12
So 27.000 Hektar.
Tobias
00:01:14
27.000 Hektar Rebfläche und 3/4 der Weine sind weiß. Also eigentlich ganz typisch deutsch, kann man irgendwie so sagen. 1/4 ist rot. Und wenn man jetzt so auf die DWI-Statistik guckt, irgendwas fehlt, ne?
Michael
00:01:29
Ich weiß auch nicht, wo sie den hinrechnen.
Tobias
00:01:31
Den Rosé gibt es ja wahrscheinlich auch, aber es wird nicht so viel sein. Also auf 1/4 bringt er es nicht, glaube ich. Und ja, jetzt ist ja logisch, dass wir jetzt hier gar nicht großartig sprechen sollten, weil du bist der Experte. Sag uns doch mal so im Großen und Ganzen, was zeichnet Rheinhessen aus? Insbesondere, wenn man jetzt auch so den Vergleich zu anderen Anbaugebieten zieht.
Georg
00:01:55
Ja, erstens mal die Größe auch von der Fläche her. Und für mich hat Rheinhessen immer so ein Lebensgefühl und das zeichnet Rheinhessen tatsächlich aus. Wer in Rheinhessen geboren ist, der kriegt das Gefühl mit in die Wiege gelegt, die Offenheit, das Lebensgefühl, die Lebensfreude. Und ja, und da kann man von Bingen bis Worms durchreisen und wird immer den gleichen Eindruck haben. Nette, freundliche Menschen, offenherzig und einfach, die ein gutes Lebensgefühl vermitteln.
Tobias
00:02:31
Und wir sind ja jetzt hier eher so im Norden von Rheinhessen. Jetzt ist ja das Rheingau noch relativ nah und beim Stichwort nah sind wir schon wieder beim Kalauer. Die Nahe ist auch recht nah. Was ist jetzt, sage ich mal, so für das Weingut Fogt oder hier deine unmittelbare Umgebung, deine Weinberge, noch mal das Besondere vielleicht innerhalb Rheinhessens?
Georg
00:02:53
Also wir sind ja generell etwas später als der Süden oder die Rheinfront und das spiegelt sich natürlich auch in den Weinen wider. Wir haben, vom Erntezeitpunkt sind wir immer eine Woche später als der Rest und das spielt uns natürlich manchmal auch in die Karten. Stichwort Klimawandel. Das heißt, wir versuchen ja möglichst lange, unsere Trauben am Stock zu halten, um möglichst viel Reife auszudefinieren und Aromen auszudefinieren. Und in heißen Jahren, wie zum Beispiel 22 oder 19, da kann es manchmal sein, dass das, dass der Alkohol in die Höhe schießt, aber die Trauben noch gar nicht richtig reif ist, das heißt, ihre Aromen noch gar nicht so ausgebildet hat. Früher war es also so, dass wir hier immer so ein bisschen belächelt wurden, weil wir von Westen her sehr windoffen sind und auch sehr anfällig für Frost sind. Jetzt hat sich das genau umgedreht. Also wenn es dann irgendwie mal im Wonnegau viel geregnet hat und wird dann warm im August und dann besteht halt die Gefahr, dass auch die Trauben früher gelesen werden müssen, weil dann manchmal auch Fäulnis einsetzt. Und wir sind davon so ein bisschen ausgeklammert, weil wir noch nicht in dem Reifestadion sind, wo die Trauben so anfällig sind, sondern einfach dann noch ein bisschen zuschauen können. Und der Wonnegau ist für uns immer der Spiegel oder die Vorschau auf das, was uns nächste Woche erwarten könnte. Es muss nicht sein, aber wir haben das immer sehr, sehr stark im Auge.
Tobias
00:04:31
Also Wonnegau, ein bisschen südlicher von hier. Das ist dann für euch schon mal so das, was auf euch zukommt. Ist ja praktisch.
Georg
00:04:36
Genau, ist total praktisch. Wir sind halt von der Säurestruktur bisschen frischer. Das heißt jetzt nicht, dass die Weine säuerlich wären oder so, aber es ist einfach diese gewisse Mineralik und dieses rote Band, das sich durch unser Sortiment zieht, ist da ganz klar zu erkennen.
Michael
00:04:56
Ja. Gerne eine Frage noch mal zu dem Windstellen. Habt ihr den früher als Nachteil wahrgenommen, dass da zu viel Wind drüberzieht, oder ist das eventuell jetzt sogar ein Vorteil?
Georg
00:05:08
Ne, das ist schon ein Vorteil. Die Trauben trocknen sehr schnell ab und die, die die schlechten Lagen, die früher so in den Frostsenken lagen und bisschen später waren, das sind die Lagen, die momentan die perfekten, reifsten Trauben hervorbringen, das ist schon. Also der Klimawandel ist tatsächlich schon bei uns angekommen, ja.
Tobias
00:05:33
Da sprechen wir, glaube ich, auch nachher noch mal drüber. Aber erinnert mich jetzt schon so ein bisschen an Südfrankreich und den Mistral.
Michael
00:05:39
Genau das Mini-Mistral.
Tobias
00:05:42
Genau. Weniger Krankheit, weniger Fäulnis und solche Geschichten. Also Wind ist erst mal, zumindest wenn er nicht zu stark ist, aber ich glaube, das ist ja in Rheinhessen selten der Fall. Es ist ja auch so, also bei so dem Thema das größte Anbaugebiet denken ja manche auch so ein bisschen daran, na ja gut, dann ist da auch viel Masse und es gibt so viel Wein usw. Gibt es so paar Klischees über Rheinhessen, wo du dann auch teilweise denkst, das ist jetzt irgendwie unfair?
Georg
00:06:15
Hm, also Rheinhessen kann alles. Es kann den Discounter bedienen, es kann auch die Lagenklassifizierung von VDP alles ausspielen. Es ist halt so wirklich ein Riesenspielplatz hier für Winzer, die was ausprobieren wollen. Natürlich gibt es überall solche und solche, aber ja, also das Vorurteil, was früher mal in den 80er-Jahren das Billigwein-Segment bediente, davon haben wir uns schon lange losgelöst.
Tobias
00:06:48
Also es gibt einfach eine große Bandbreite, logischerweise, weil es eben so groß ist, und letztlich entscheidet aber der Winzer darüber, welchen Ansatz er irgendwie fährt.
Georg
00:06:57
So ist es, ja.
Michael
00:06:58
Das kann man übrigens auch im Podcast nachhören. Wir waren ja schon in Rheinhessen, wir waren beim Kollegen Wittmann. Das ist ein VDP-Beispiel. Dann waren wir beim Kollegen Hothum, das war unser Bio-Beispiel damals. Da haben wir was...
Tobias
00:07:11
Biodynamisch sogar.
Michael
00:07:12
...Bio und biodynamisch gemacht. Also die Bandbreite ist groß, die Möglichkeiten sind groß und es gibt genügend Leute, die das nutzen. Jetzt kommen wir doch mal zu den allgemeinen Dingen. Ich habe mich in der Vorbereitung noch mal mit dem Rebsorten-Ranking beschäftigt von Rheinhessen. Und da weiß ich dann, das ist bei euch, ich guck mal hier die Reihenfolge nach, Riesling, Müller-Thurgau oder Rivaner, Grauburgunder, Silvaner, Weißburgunder und Chardonnay, in dieser Reihenfolge. Ist das bei euch im Weingut ähnlich oder habt ihr da?
Georg
00:07:44
Tatsächlich ist Riesling die meistangebaute Rebsorte bei uns im Weingut und dann dicht gefolgt vom Grauburgunder. Wir haben da also sehr lange, viele Jahre auch experimentiert mit Grauburgunder, wie wir da das bestmögliche Ergebnis erzielen können, mit Maischestandzeit und allem Drum und Dran. Und dann haben wir noch längst nicht ausgelernt. Also die Entwicklung geht immer weiter und man darf irgendwie nie sagen, so, das ist es jetzt und jetzt bin ich der Beste oder sonst was. Da sind wir also sehr, wir bleiben immer offen und wollen immer dazulernen.
Michael
00:08:24
Zumal ja auch jedes Jahr anders ist.
Georg
00:08:25
So ist es, ja. Also alles, was man sich vorgenommen hat, in diesem Jahr zu machen, das kannst du dann in der Regel eine Woche vorher über Bord werfen und eine neue Strategie überlegen. An dritter Stelle ist Scheurebe bei uns ein ganz, ganz großes Thema.
Tobias
00:08:43
Okay.
Georg
00:08:44
Das war ja in den 80er-Jahren auch so, als süße Weine, war das ja ganz in Mode, die ganzen Neuzüchtungen. Da gab es ja einige, die sind aber fast alle wieder verschwunden, bis auf die Scheurebe. Die hat es also geschafft als Neuzüchtung sich zu etablieren und hat irgendwann mal ein Kellermeister gesagt, also der war schon an die 70, hat er gesagt, also wenn du das gut machst, dann schmeckt das so ähnlich wie Sauvignon Blanc. Ja, und da war ich natürlich mal wieder neugierig und habe das versucht, so hinzukriegen. Und wir haben dann 2009 angefangen, professionell scheu auszubauen. Sonst war das immer Literwein, auch trocken ausgebaut, aber dann wirklich auf Qualität getrimmt und angefangen, an den Stellschrauben zu drehen, um qualitativ voranzukommen. Und das hat sich, also die Scheurebe hat sich bei uns total etabliert, also wir füllen unheimlich viel Scheu ab mittlerweile und sind auch bekannt überall für unsere Scheu. Und es holt die ab, die zum trockenen Wein noch nicht so den Zugang haben. Wir können auch jüngere Generationen von trocken überzeugen und hoffen natürlich, dass dann sich der Geschmack entwickelt und dann die Neugier wächst, auch mal trockenen Riesling zu probieren, Lagenriesling zu probieren, die Feinheiten herauszuschmecken. Ja, das ist so unser unser Ziel mit der Scheurebe.
Michael
00:10:23
Man muss ja dazu sagen, Scheurebe ist auch am Anfang immer sehr einladend, sehr offen, sehr zugänglich. Man riecht sofort, oh, da passiert was. Jetzt hast du uns aber den Rivaner ein bisschen verschwiegen.
Tobias
00:10:37
Der kommt nämlich auch. Der kommt auf Nummer zwei, ne?
Georg
00:10:40
Ja, ja. Der kommt jetzt an vierter Stelle statt an zweiter Stelle. Diese ganzen klassischen Rebsorten, also die haben ja nie gesagt: „Oh, das brauchen wir nicht mehr, wir machen nur noch Riesling oder Grauburgunder". Haben wir gesagt, dass das ist irgendwie was, was Rheinhessen auch ausmacht. Und Müller-Thurgau gehört auch dazu. Selbst beim Müller-Thurgau, wenn man das beherzigt, dass auch Müller-Thurgau eine gewisse Herkunft transportieren kann. Wir haben also Müller-Thurgau-Anlagen, die stehen auch auf Porphyr und die schmeckt man einfach raus. Also man kann auch Müller-Thurgau eine gewisse Herkunftsidentität verleihen. Und zum Beispiel haben wir dieses Jahr einen Rivaner vom Porphyr, haben wir gemacht, und das kommt einfach gut an. Also es ist jetzt, es ist nichts Ausschweifendes, aber das ist einfach jeder, der das probiert als Terrassenwein oder als Brot- und Butterwein, der ist total davon begeistert, weil es einfach in die Richtung geht weniger Alkohol. Da hat er auch nur 11 %, manchmal hat er auch nur 10,5, früh gelesen, mit einer schönen Säure, schlank getrimmt und das kommt auch gut an.
Tobias
00:11:56
Jetzt müssen wir da mal zwei Dinge noch mal ein bisschen aufklären für die Zuhörerinnen und Zuhörer. Du hast jetzt gerade Porphyr genannt. Das ist eine Bodenbeschaffenheit, ne?
Georg
00:12:07
Das ist ein Verwitterungsgestein, ein vulkanisches Verwitterungsgestein, auch Rhyolith genannt, in dem Fall in verwitterter Form. Das sind also so ganz kleine Krissel als Steinsedimente, die man dann im Boden fühlen kann, wenn man die Erde zwischen den Fingern reibt. Und das gibt immer so eine gewisse Salzigkeit den Weinen mit. Und das kann man immer rausschmecken. Also ich bin da sehr sensibel auf solche Sachen und versuche das natürlich auch zu kommunizieren.
Tobias
00:12:39
Ja, da kommen wir später auch noch mal zu, denn das spielt ja auch schon in der Bezeichnung deiner Weine immer eine große Rolle, die Herkunft, und das ist ja das, was du auch gerade beschrieben hast. Rivaner bzw. Müller-Thurgau ergibt jetzt vielleicht nicht die komplexesten Weine, aber spiegelt ja dann anscheinend die Bodenbeschaffenheit auch ganz gut wider. Und jetzt mein zweiter Punkt eigentlich, wir haben jetzt von Rivaner und Müller-Thurgau gesprochen, muss man vielleicht jetzt auch noch mal kurz erklären. Müller-Thurgau, glaube ich, war irgendwann ziemlich out und wenn ich es richtig erinnere, gehen die Rebflächen ja immer noch stetig zurück. Und deswegen hat dann, ich weiß gar nicht, welches Anbaugebiet es war, die haben dann irgendwann gesagt, wir nennen das jetzt Rivaner, um sozusagen das Image wieder so ein bisschen aufzupolieren.
Georg
00:13:23
Genau.
Tobias
00:13:24
Aber ist es denn langfristig auch für dich, sage ich mal, eine Rebsorte, auf die du auch noch setzen würdest? Oder sagst du auch, na ja, also wenn da mal irgendwie was rausgerissen werden muss von meinen Müller-Thurgau-Reben, dann setze ich die dann vielleicht doch auch durch was anderes?
Georg
00:13:40
Kommt drauf an, also je nach Bedarf. Also wir sehen dann ja in den nächsten Jahren, wo sich das hin entwickelt. Natürlich werde ich jetzt die Müller-Thurgau-Fläche nicht verdoppeln in den nächsten 3 Jahren, aber es gehört irgendwie zu Rheinhessen auch dazu. Ja, wenn ich jetzt auch heute für ganz Rheinhessen spreche, so kann ich ja nicht nur sagen, ich will nur Riesling oder ich will nur Grauburgunder, sondern das gehört einfach auch, finde ich, zu Rheinhessen dazu. Und dazu kann man auch stehen.
Michael
00:14:08
Zumal du ja einen Rivaner von alten Reben auch im Angebot hast. Vielleicht kannst du dazu noch mal was sagen. Was ist denn da der Unterschied zwischen nicht ganz so betagten Reben und den älteren?
Georg
00:14:20
Beim Müller-Thurgau ist es so, je jünger die Reben sind, die sind so ein bisschen halbstark, kann man sagen, sie bringen viel Ertrag, und wenn dann auch, das ist wie bei den Menschen, wenn die mal so ein bisschen gesettelt sind und ein bisschen ruhiger werden, dann steigt da natürlich auch die Qualität. Das ist...
Tobias
00:14:40
Also weniger Ertrag.
Georg
00:14:41
...liegt in der Natur der Sache, ja.
Tobias
00:14:42
Aber dafür dann irgendwie bessere Qualität.
Georg
00:14:44
Man kann sowieso Wein immer gut mit Menschen vergleichen, das versteht immer jeder. Und das ist, das ist so, ja.
Michael
00:14:52
Ja, ich bin die alten Reben bei uns, ne?
Tobias
00:14:54
Ja, das ist eindeutig. Natürlich, klar.
Michael
00:14:58
So, jetzt haben wir über die ganzen weißen Rebsorten gesprochen. Bei den roten haben wir ja ein vergleichsweise ähnliches Spannungsfeld. Da steht im Ranking an erster Stelle der Dornfelder, dann kommt erst der Spätburgunder und dann auch der Portugieser. Das war wieder die Reihenfolge. Wie sieht es bei dir mit den roten Trauben aus?
Georg
00:15:20
Also Rot macht bei uns tatsächlich nur, wenn ich es jetzt mal prozentual ausdrückt, ich habe es jetzt nicht genau ausgerechnet, aber keine 10 %. Und das war natürlich früher so. Früher gab es mal die Dornfelder-Welle und die Rotweinwelle, so 90er-Jahre, und da ist man natürlich auch, hat man sich mit dem Thema Rotwein stark befasst. Und es hat sich aber über die Jahre, also ich bin jetzt seit 2002 im Betrieb, hat sich das so bei mir entwickelt, dass ich ein Weißweinwinzer bin. Also ich mache gerne Rotweine, aber nicht jedes Jahr. Wenn es also am Stock hängt, perfekt, dass ich es einfach nur abpflücken muss, und das entscheide ich dann 2 Wochen vorher, und dann mache ich auch liebend gern einen tollen Spätburgunder. Und ansonsten halt auch viel Rosé. Das heißt also, wir haben da noch ein paar Dornfelder-Rebstöcke und auch Portugieser bauen wir noch an, das dann aber meistens in Rosé dann, zu Rosé gemacht wird oder eben beim Spätburgunder zu Blanc de Noir.
Tobias
00:16:34
Ja, da war er ja jetzt, der Rosé.
Georg
00:16:36
Das läuft also sehr, sehr gut, das wird sehr gut angenommen.
Tobias
00:16:39
Ja, glaube ich. Finde ich dann auch eine gute Verwendung für Dornfelder und Portugieser macht man ja jetzt als Rotwein auch nicht mehr so gerne. Aber wenn du jetzt sagst, 10 % macht der Rotwein bei dir derzeit aus, könnte sich das, sage ich mal, um wieder auf das Stichwort Klimawandel zu kommen, dann in Zukunft vielleicht auch ändern, wenn es wirklich immer wärmer wird, dass du vielleicht dann auch oder jetzt schon auch die Entwicklung siehst, der Rotwein entwickelt sich eigentlich von Jahr zu Jahr etwas besser, wird reifer usw., oder hast du da nicht so eine Angst davor? Kann man ja gar nicht sagen.
Georg
00:17:12
Ich glaube nicht, dass ich dann auf einmal zum Rotweinwinzer werden würde, da muss ich mir irgendwie, weiß nicht, als Alternative der Sauvignon Blanc, wobei der ja auch bei mir dann in Konkurrenz zur Scheurebe steht. Ja, ich habe irgendwie bewusst keinen Sauvignon Blanc gepflanzt, weil ich halt der Scheurebe halt auch die Stange halte.
Michael
00:17:31
Wobei, ist ja ordentlich im Kommen überall, ne?
Georg
00:17:33
Ja, ist echt ordentlich im Kommen und es erfüllt auch manchmal, dann so einen Weinberg auszutesten. Aber ich sehe mich da auch in 10, 15 Jahren immer noch im Weißweinbereich.
Michael
00:17:45
Man kann ja auch im Weinberg dann noch mal arbeiten, um sich klimatischen Veränderungen so ein bisschen zumindest anzupassen.
Georg
00:17:54
Also es ist ja, Klimawandel heißt ja nicht, dass alles jetzt wärmer ist oder dass alles konstant sich auf einem Niveau nach oben verschiebt. Klimawandel heißt ja auch, dass alles unbeständiger wird, mehr Risiko. Das hat man jetzt bei uns gesehen. Wir haben jetzt brutale Frostschäden in den Weinbergen seit April, weil wir eben so früh, so im frühen März schon über 20 Grad hatten und die Weinberge sind dann, waren dann extrem in Austriebsstimmung. Ja, das ist auch so eine Folge vom Klimawandel. Eben nicht nur das, dass wir jetzt hier die schönsten roten Trauben ernten könnten irgendwann, sondern dass wir vom Frost oder generell von witterungsbedingten Schäden halt viel, viel größer betroffen sind als wir das in den letzten Jahren waren. Früher hatten wir immer die Maifröste gefürchtet, jetzt fürchten wir uns schon, wenn es im März mal 3 Tage warm wird, so nach dem Motto, ja. Und ja, also Starkregen, Hagel-Ereignisse, das wird alles ein Thema.
Michael
00:19:04
Aber Hagel hattet ihr dieses Jahr nicht?
Georg
00:19:06
Nein, wir hatten keinen.
Michael
00:19:07
Im vergangenen Jahr war, glaube ich, das schwierig, ne?
Georg
00:19:08
Ja, in der Wormser Ecke war es ganz, ganz schlimm. Da waren wir verschont geblieben. Aber das ist halt so, da müssen wir mit leben. Und ich glaube, da macht mir die Rebsortenfrage weniger Angst als die Witterungseinflüsse, die spontan also, oder generell die Auswüchse von Unwettern und Frostgefahr.
Tobias
00:19:33
Jetzt vielleicht noch mal zu etwas, ja, weniger krisengeprägten Themen, nämlich noch mal zurück. Wir hatten es am Anfang schon mal gesagt, dein Bezug zwischen zwischen Rebsorte und Bodenbeschaffenheit wird ja immer relativ stark in den Vordergrund gestellt. Damit das jetzt mal unsere Zuhörerinnen und Zuhörer auch so ein bisschen nachvollziehen können, also du hast ja jetzt beispielsweise Rebanlagen in der Lage Wöllsteiner Äffchen, aber auch im Siefersheimer Goldenen Horn. Was sind da so jetzt vielleicht mal an diesen 2 Lagen als Beispiel, so die markantesten Unterschiede in Sachen Boden, aber vielleicht halt eben auch Mikroklima?
Georg
00:20:16
Also auf dem Goldenen Horn, da wächst Riesling und auch auf Porphyr. Also das ist wirklich Fels. Also rundherum sind Steinbrüche und zum Beispiel hier in dem Haus, in dem wir jetzt sind, das ist auch aus Porphyr gebaut.
Tobias
00:20:32
Okay, das hat mich so an die Bretagne erinnert. Das sieht schon, sieht schon wirklich irgendwie so richtig maritim aus.
Georg
00:20:38
Das ist eigentlich typisch für Rheinhessen. Also man kann immer an den Häusern ablesen, welche Boden oder Fels oder Steinarten in der Gemarkung vorkommen. Wenn du jetzt 3 Dörfer weiter fährst, da ist schon wieder Kalkfels und Kalksteine. Also man kann schon an den Häusern ablesen in Rheinhessen, was da die Bodenbeschaffenheit ist. In Siefersheim steht der Riesling, der ist mittlerweile 50 Jahre alt, der Weinberg, das sind 2 1/2 Hektar. Und das ist halt Terroir in Perfektion. Ja, der hat auch keinen Trockenstress trotz Felsen, weil die Wurzeln so tief in diesen Felsen reinragen, dass selbst 2018 und in 2020, in den trockenen Jahren keinerlei Wasser oder Trockenstress war, sondern das ist einfach ein Weinberg, den ich noch so lange wie möglich behalten möchte. Und der liegt halt 60 Meter höher als das Wöllsteiner Äffchen und das ist Luftlinie vielleicht noch keine 2 Kilometer, aber von der Stilistik komplett anders. Also das glaubt man gar nicht. Das ist manchmal, der fließt, in der Mitte fließt der Appelbach durch das Appelbachtal und der trennt ebenso die Gesteinsarten voneinander. Ja, dann gehst du wieder 500 Meter weiter, da hast du dann Lösslehm. In der Mitte liegt dann das Äffchen und da hast du dann Kalkstein, du hast Kiesadern, du hast Muschelkalk. Es ist alles da. Und das ist halt das Spannende als Winzer, sich da reinzufuchsen und genau zu beobachten, wo wird es am besten? Wo kann ich den Lagen-Riesling rausdefinieren? Und wo ist zum Beispiel ein bisschen mehr Wasser? Da setze ich dann lieber Burgunder hin, weil die Burgunder generell bisschen mehr Wasser benötigen als der Riesling. Der Riesling ist ja so ein Hungerleider, der kommt ja eigentlich mit allen Situationen zurecht. Und das, das ist die Herausforderung, das Schöne am Winzerdasein, das zu beobachten und dann irgendwann umzusetzen.
Tobias
00:22:51
Das heißt, im Äffchen ist kein Riesling, sondern?
Georg
00:22:55
Doch, im Äffchen ist auch Riesling, aber auch Burgunder. Aber es gibt da gewisse Wasseradern. Also unten drunter im Tal ist eine Gärtnerei und die hat immer Wasser. Also die hat einen Brunnen und irgendwo muss das Wasser ja herkommen und das zieht sich also wie so eine Ader durch den Berg da durch. Und in manchen Parzellen, da neigen die Trauben eher ein bisschen grüner zu werden, und in anderen Parzellen, da ist es perfekt. Also von der Wasserversorgung. Und das zu wissen und das rauszufinden, das macht es aus.
Tobias
00:23:26
Das zum Thema reinfuchsen, ne?
Michael
00:23:28
Rheinhessen-fuchsen, sozusagen. Ne, aber wie lernt man denn so was? Ist das jetzt reine Beobachtungsgabe oder gibt es da, du hast ja eben schon so ein paar?
Georg
00:23:38
Das lernt man eigentlich von Kind auf. Also wenn du als Kind im Weinberg mit dabei bist, also hier in Badenheim oder in Wöllstein, und früher wurde mit der Hand gepflanzt, und da hast du als Kind schon geholfen. Und du wusstest schon genau, das ist ein schwerer Boden, das ist ein leichter Boden. Und das hast du irgendwie schon so mit in der Wiege drin. Und dann unterhältst dich mit Älteren. Also so altes Wissen kommt dazu. Also es ist die eigene Erfahrung und so zieht man dann irgendwie seine Schlüsse und und handelt danach.
Michael
00:24:06
Weil das ist ja eine Kombination. Wenn du jetzt sagst, ich habe einen neuen Weinberg, den muss ich irgendwie neu bepflanzen, ich muss eine neue Rebsorte finden, das ist ja eine Entscheidung für Jahrzehnte eigentlich, ne?
Georg
00:24:18
Ja, also wir haben jetzt in Wöllsteiner Äffchen hat sich auch Chardonnay sehr gut etabliert und das funktioniert super da, weil auch der Kalkanteil sehr hoch ist. Das gibt also sehr schmelzige und füllige Chardonnays. Und ja, das ist halt eine Riesenspielwiese hier. Ja.
Tobias
00:24:37
Ja, und du versuchst es ja sozusagen auch, über deine Etiketten so ein bisschen edukativ zu transportieren. Ist aber dann natürlich schon auch immer ein bisschen erklärungsbedürftig, weil die meisten wahrscheinlich ja erst mal mit dieser Kombination aus Rebsorte und Bodenbeschaffenheit gar nicht so viel anfangen können. Aber dir ist schon wichtig, sage ich mal, einfach auch zu kommunizieren, dass diese Kombination mit der Bodenbeschaffenheit so ein Markenzeichen auch von dir ist.
Georg
00:25:06
Ja, genau. Also Chardonnay heißt bei uns zum Beispiel vom Kalkmergel und da wird schon so ein bisschen darauf hingewiesen, wie das Gefüge vom Wein dann sein kann. Damit weiß nicht jeder was mit anzufangen, aber die das schon mal gehört haben und die das so bewusst miteinander vergleichen, die, für die ist das schon ein Hinweis, ja.
Michael
00:25:33
Dann hilf uns doch mal, wir haben es noch nie gehört. Kalkmergel und Chardonnay, wieso klappt das so gut?
Georg
00:25:39
Weil der Chardonnay einfach unheimlich gut mit diesem Kalk zurechtkommt. In der Champagne ist es ja auch, da wächst Chardonnay auf Kalkfelsen. Und also überall, wo viel Kalk ist, ist auch die Neigung zu Sklerose. Das heißt, so einen gewissen Nährstoffmangel im Boden, der dann entsteht, wenn ein hoher Kalkanteil da ist und der dann fixiert wird. Und damit kommt der Chardonnay einfach gut zurecht und der hat einfach einen gutes, ausgewogenes Wachstum auf dem.
Tobias
00:26:11
Der kommt ja eigentlich nicht so gut damit zurecht. Er wird ja dann doch irgendwie so ein bisschen dadurch gestresst bzw. dazu angehalten, dann möglichst tief zu wurzeln.
Georg
00:26:20
Ja richtig. Und wenn diese Schicht mal durchbrochen ist, und dann kommt halt die Fülle da rein.
Tobias
00:26:26
Ja, ja, genau.
Michael
00:26:27
Ich habe noch eine zweite Kombination, die ich gerne abfragen würde, kenne ich auch von deinen Flaschenetiketten. Muschelkalk und Riesling.
Georg
00:26:34
Ja, das ist also die Besonderheit von den Badenheimer Weinbergen. Das ist also...
Michael
00:26:43
Er zeigt in eine Richtung.
Georg
00:26:44
...die Wienberge direkt um unser Heimatdorf Badenheim, das kann man auch immer ganz gut dem Goldenen Horn gegenüberstellen, das ist also wirklich Muschelkalk. Also man kann hier in den Weinbergen auf Muschelsuche gehen aus dem Tertiär, aus dem Urmeer. Man kann Haifischzähne finden, man kann, ja, man kann 30 Millionen Jahre in der Geschichte zurückreisen. Das ist halt das, was den Riesling auf dem Muschelkalk wirklich ausmacht. Das bringt die Fülle, die Frucht und dieses geschmeidige Gefühl beim Riesling mit rein.
Tobias
00:27:19
Ich versuche mir das ja immer so abzuleiten, je karger, je mineralischer der Boden ist, desto klarer und straffer und mineralischer natürlich sind dann auch die Weine. Sobald ich irgendwie über einen lehmigen Untergrund nachdenke, denke ich natürlich sofort auch an Fülle und Kraft. Das ist schon so eine Eselsbrücke, die einigermaßen stimmt, oder?
Georg
00:27:43
Ja, also es ist zwar Muschelkalk drin, es ist aber auch viel Tonmergel mit dabei. Also es ist ein Mischmasch.
Tobias
00:27:49
Ja, weil du hast ja Fülle gesagt, deswegen frage ich so nach.
Georg
00:27:52
Genau, das kommt eben auch durch den Tonmergel und durch den Muschelkalk. Das ist so eine Kombi. Und das, ich vergleiche auch immer viel Riesling miteinander, und so in der Form kenne ich es eigentlich nicht, weil das so klar und so, es ist schon klar, also die Richtung ist ganz klar, welche Richtung der einschlägt. Also sehr fruchtbetont, sehr füllig. Und das kommt eben auch durch den schweren Untergrund, aber auch durch den Muschelkalk.
Tobias
00:28:23
Jetzt versuchen wir mal vielleicht dem Anbaugebiet Rheinhessen, um das es ja heute geht, mal so ein bisschen untreu zu werden. Gibt es ein deutsches Anbaugebiet, wo du sagst, das würde mich auch reizen, da Wein zu machen? Oh, darf man das überhaupt beantworten als rheinhessischer Winzer?
Georg
00:28:40
Also reizen würde es mich schon an der Mosel, Ja.
Tobias
00:28:42
Ah ja. Da ist der Boden auch ein Riesenthema.
Georg
00:28:47
Aber ich glaube, nur so als Praktikum.
Tobias
00:28:50
Vielleicht beim Weingut Loosen oder so was. Da waren wir doch jetzt kürzlich.
Georg
00:28:54
Ja, das ist schon spannend, ja.
Michael
00:28:55
Okay, aber dann kehren wir doch mal nach Hause zurück. Badenheim, 36 Hektar, hast du gesagt, hat das Weingut. Wie lange gibt es das Weingut Fogt jetzt?
Georg
00:29:06
Also, wir haben gerade, vor 3 Wochen haben wir so ein bisschen Ahnenforschung auch wieder betrieben, wie was wo zusammenhängt. Es gibt also hier die kirchlichen Personenstandsregister, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Und da haben wir also genau, kann man also genau erkennen, seit wann die Fogts in Badenheim sind. Und das hat angefangen 1788, da war der erste Fogt in Badenheim. Ja, und seitdem gibt es schon die Familie Fogt. Also ich bin jetzt die 7. Generation, die hier Landwirtschaft und Weinbau betreibt und ja, mein Sohn, der ist jetzt die 8. und ich hoffe, dass er da auch Spaß dran findet, ja.
Tobias
00:29:52
Wie alt ist er?
Georg
00:29:53
8.
Tobias
00:29:54
Okay, es ist noch ein bisschen früh.
Georg
00:29:55
Aber er ist schon sehr affin. Er beobachtet gerne und ich denke, das könnte klappen.
Tobias
00:30:02
Und euer Familienname hat sich schon immer mit F geschrieben oder war auch mal ein V im Spiel?
Georg
00:30:07
Das da war mal ein V im Spiel und das haben wir da also auch erkennen können. Und zwar war Rheinhessen ja französisch besetzt von, also 1800. Ich habe jetzt 1700 bis 1814 oder 15, und da kann man also erkennen in diesen Personenstandsregistern, dass 1804 Vogt noch mit V geschrieben wurde, weil da alle Geburten festgehalten sind. Und dann, die nächste Geburt in der Familie wurde dann mit V geschrieben. Also innerhalb von 3 Jahren wurde das umgewidmet und man vermutet, dass irgendwie ein Schreiber, ein französischer Schreiber das einfach mit F fälschlicherweise übertragen hat und somit Fogt mit F geschrieben wurde.
Michael
00:31:00
Das V im Französischen wäre ja auch eher so ein W.
Georg
00:31:05
Ja, und also da, da war es dann besiegelt, dass wir Fogt mit F schreiben und das ist für mich ist es super, weil das kann sich jeder merken. Fogt mit F. Das ist irgendwie so.
Tobias
00:31:16
Mit Vogel-F.
Georg
00:31:19
Mit Vogel-F, ja genau.
Tobias
00:31:22
Ja, ich gucke jetzt auch auf dein Poloshirt, da sehe ich auch Fogt und sehe vor allem auch, sage ich mal, eine Gestaltung, die direkten Bezug auch auf eure Etiketten nimmt, die ich ganz toll finde. Das sieht so ein bisschen mit diesen Ranken usw. So ein bisschen jugendstilig aus. Das ist ja auch noch nicht immer so. Wie kam es zu der Idee?
Georg
00:31:43
Also es ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Es gibt schon seit den 90ern das Logo, und zwar waren meine Eltern damals nach der Wende direkt mal nach Berlin gefahren und wollten sich das mal angucken und wollten auch Weingeschäft natürlich machen und sich einen Kundenkreis natürlich wieder aufbauen und waren auf dem Rückweg dann durch Leipzig gefahren und kamen in die Specks Höfe. Und die sind ja geprägt von Jugendstil und da war eine Weinhandlung und da haben die sich überlegt, na ja, wenn die Weinhandlung ja hier im Jugendstil-Bezirk ist, dann könnte der ja ein Jugendstiletikett und Wein gebrauchen. Kam also zurück und meine Schwester, die also auch Kunst auf Lehramt studiert hat, die war also sehr kreativ und hat dann aus den so kleinen Exlibris, Büchereinlagen oder Geschenken hat die dann quasi sich als Inspiration genommen, diese Ranken-Ornamentik zu zeichnen. Und das Ganze hat dann anderthalb Jahre gedauert, bis es dann umgesetzt war. Es mussten dann, also sie hat alles in Schriften, in eine neue Schrift dann dafür quasi kreiert, also alles händisch. Es war auch nicht einfach zu drucken. Und dann kamen meine Eltern voller Stolz nach Leipzig und die Weinhandlung war pleite.
Tobias
00:33:16
Oh nein!
Michael
00:33:19
Aber das Etikett?
Georg
00:33:20
Aber das Etikett war geboren. Das war der Grundstein. Und das haben wir dann über die Jahre natürlich noch verfeinert und immer weiter den Fokus auf die Ornamentik und das Fogt gelegt. Und so war das dann geboren.
Michael
00:33:35
Ja, ich meine, man erkennt es sofort wieder. Das hat wirklich eine tolle Funktion an der Stelle.
Tobias
00:33:41
Gerade bei so einem großen Anbaugebiet mit so vielen Winzern, glaube ich, wichtig, so ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu haben.
Georg
00:33:47
Ja. Und dann irgendwann vor 6 Jahren kam dann einer, ein Weinhändler, der auch sofort an dem Etikett hängengeblieben ist, im Vorbeigehen, und sagt: „Das ist aber schön". Ja, wir kamen so ins Gespräch und dann war das der Nachfolger von der Weinhandlung in Leipzig.
Tobias
00:34:04
Nein!
Georg
00:34:05
Und dann war der Kreis endlich geschlossen, ja.
Michael
00:34:07
Ja, funktioniert also doch. Okay, das war jetzt die schöne Seite von dem Etikett. Jetzt muss man ja neuerdings in Zukunft noch mehr hinten ganz bestimmte Dinge draufschreiben.
Tobias
00:34:20
Oder ein QR-Code.
Michael
00:34:21
Oder QR-Code. Bereitet dir das viel Mühe? Bereitet das dem Weingut viel Arbeit? Wie kommst du da voran?
Georg
00:34:29
Hm, also ich sehe da keinen. Also das ist ja Routine. Wenn man das ein paarmal gemacht hat und man hat ja alle, es beruht ja auf Zucker, Alkohol und so, alles Nährstoffe und das, das ist ja. Also ich analysiere. Natürlich muss ein Wein auch analysiert werden. Das mache ich dann eigentlich direkt im Dezember schon so, damit ich halt auch weiß, wo ich stehe mit Restzucker, Säure und allem. Und dann habe ich alle Daten und dann, genauso wie ich das dann später im Tank so zusammen kreiere, wird es dann auch auf dem Papier gemacht und dann habe ich meine Daten und dann werden die einfach eingepflegt.
Tobias
00:35:12
Ja, ich glaube aber, manche Winzer haben ja auch so ein bisschen Sorge, dass dann Konsumenten auch sehen, dass teilweise halt doch auch noch ein bisschen mehr als nur Trauben drin sind. Also für den Winzer ist das ja relativ normal davon zu sprechen, dass ein Wein auch mal korrigiert wird, sagt man. Also in Sachen Säure, aber auch in Sachen Süße oder Zucker ein bisschen angepasst wird. Aber mit so was gehst du offen um, hast da keine Probleme mit?
Georg
00:35:39
Ne, gar keine. Weil ich, also ich habe nur Trauben. Manchmal muss halt ein bisschen chaptalisieren, also ein bisschen den Alkohol erhöhen, um einfach die Harmonie vom Wein, also man muss jetzt dazusagen, Zucker wird ja nicht zugesetzt, damit der Wein süßer schmeckt, sondern damit der Alkohol eben im Verhältnis auch zur Säure und auch zum ganzen Körper vom Wein steht.
Tobias
00:36:02
Weil Zucker ja in Alkohol umgewandelt wird bei der Gärung.
Georg
00:36:05
Die Franzosen, die nennen das so Elegant Chaptalisation. Da klingt das alles ganz, ganz toll. Ja, und bei uns heißt es halt anreichern. Ja, und die haben das schöner verpackt.
Michael
00:36:17
Die verschneiden ja auch.
Georg
00:36:18
Ja, ja, genau. Und das ist keine Assemblage. Das sind dann auch schon wieder viel besser an. Und ja, und dann setzen wir nur Schwefel zu. Also ohne Schwefel geht es nicht. Aber wenn du ein Ei isst, dann nimmst du mehr Schwefel zu dir, als wenn du eine Flasche Wein trinkst.
Tobias
00:36:37
Mal von Trockenfrüchten ganz abgesehen oder so was, ne?
Georg
00:36:41
Ja. Und ansonsten im Most wieder, Most sedimentiert, geht in die Gärung oder vergärt spontan. Und wir nutzen keine Stoffe zur Klärung oder um irgendwelche Sedimentationsvorgänge zu beschleunigen. Das war's. Ja, also ich habe da überhaupt keine.
Michael
00:37:02
Reine Weste.
Tobias
00:37:02
Genau. Wenn man ein reines Gewissen hat, dann ist das auch kein Thema.
Georg
00:37:05
Deswegen sind die Weine auch vegan, weil ja keine tierischen Zusatzstoffe oder irgendwas dabei ist.
Michael
00:37:10
Fragen denn deine Kundinnen und Kunden öfter danach? Ist der Bio, ist der vegan? Hat der Schwefel oder so? Was ja in den vergangenen Jahren viel diskutiert wurde. Aber ich habe immer das Gefühl, da wurde auch eine Welle drum gemacht, die es eigentlich gar nicht so richtig im größeren Maßstab gab.
Georg
00:37:30
Ne, also es ist kein Thema bei uns. Also ich müsste jetzt lügen und ich müsst mir was aus den Fingern ziehen, wenn ich sage, damit hätte ich jetzt tagtäglich zu tun mit der Thematik, aber nein.
Tobias
00:37:42
Und verlangen Leute nach alkoholfreien oder alkoholreduzierten Weinen? Ist das ein Thema, wo du schon mal drüber nachgedacht hast?
Georg
00:37:49
Ja, also wir haben einen alkoholfreien Riesling...
Tobias
00:37:54
Ah ja.
Georg
00:37:55
...im Sortiment. Das läuft beständig, aber jetzt nicht so, dass ich sagen kann jetzt, da wäre jetzt ein Riesenzuwachs jedes Jahr oder so. Aber wir, wir bewerben das ja auch nicht. Das ist halt so, es läuft halt mit. Wir machen da jetzt keinen großen Hype drum.
Tobias
00:38:16
Jetzt sind wir ja noch mal so ein bisschen an deinem Sortiment dran. Was wir immer gerne fragen, was ist denn so ein Wein von dir aus dem Sortiment, den du jemandem anbieten würdest, der dein Weingut kennenlernen soll? Also, was ist so ein Einstieg, so eine Visitenkarte?
Georg
00:38:33
Kannst du eigentlich sagen, der Siefersheimer Riesling. Das ist immer so ein Wow-Effekt, wo jeder gleich sagt, oh ja, also das, das hat Handschrift, das hat Charakter, das ist einzigartig.
Tobias
00:38:49
Jetzt musst du aber auch eine Scheurebe nennen, oder?
Michael
00:38:51
Ja, natürlich.
Georg
00:38:52
Natürlich, ja, gerne. Also, Scheurebe ist ja, wie eingangs erwähnt, schon ein Steckenpferd für uns. Und wenn ich irgendwo auf eine Präsentation gehe von anderen Winzern oder auf größere Verkostungen, dann halte ich immer Ausschau nach trockener Scheurebe. Das interessiert mich einfach, weil das so, weil mich das so fasziniert, auch die Rebsorte. Ja, und ich würde jedem, der bei mir aus Weingut kommt, auch wenn er manchmal Vorurteile hat, sage ich, den musst du jetzt aber probieren, und danach sind die total vorurteilsfrei gegenüber der Scheurebe.
Tobias
00:39:32
Und wie heißt der Wein? Ist das dann einfach nur Scheurebe bei dir?
Georg
00:39:35
Der heißt bei mir Steinmeer, weil auch wegen dem Urmeer, in dem Badenheim mal lag. Und das sind halt also alles Parzellen, die einen hohen Steinanteil hat, wo die Mineralik auch noch ein bisschen mit rein spielt. Ja, das macht einfach Lust auf mehr, Steinmeer.
Tobias
00:40:00
Steinmeer, auf Urzeitmeer.
Georg
00:40:01
Am Meer sitzen und Scheurebe trinken, zum Beispiel.
Tobias
00:40:03
Das ist so ein Wortspiel, das hätte jetzt von Michael sein können.
Michael
00:40:06
Ja, hab den Einsatz verpasst, tut mir leid.
Tobias
00:40:09
Aber hört sich super an!
Michael
00:40:10
Aber noch mal zum Weintrinken. Weintrinken ist ja auch immer so eine kleine Bildungsreise im Glas. Was für Weine trinkst du persönlich zu Hause?
Georg
00:40:20
Querbeet, also immer nach Tagesform.
Tobias
00:40:24
Viel Scheurebe auf jeden Fall, so viel steht fest.
Georg
00:40:26
Viel Scheurebe und ja, also man tauscht ständig mit anderen Winzern, man fährt irgendwo hin, nimmt was mit, also.
Tobias
00:40:41
Aber da du jetzt so ein Weißwein-Weingut bist, was kommt denn dann vor allem auch an Rotwein bei dir ins Glas? Also, wenn überhaupt.
Georg
00:40:51
Spätburgunder auf jeden Fall. St. Laurent. Das klappt nicht jedes Jahr, aber wenn es klappt, dann klappt es richtig gut. Ja, weil St. Laurent ist so eine kleine Diva. Die flippt im einen Jahr total aus mit hohen Erträgen und im anderen Jahr hängen dann wieder, hat sich ausgepowert und dann hängt sie, so ein bisschen Katerstimmung. Und dann ist sie aber auch ganz zahm und dann kann man auch Top-Rotweine daraus machen.
Tobias
00:41:20
Also noch schlimmer als Pinot Noir? Da sagt man doch auch schon immer das ist eine Diva.
Georg
00:41:23
Ja, also das ist schon extrem bei St. Laurent, ja.
Tobias
00:41:27
Aber du bleibst dann sozusagen in Deutschland? Oder gibt es, sage ich mal, auch Weine von irgendwo anders, wo du sagst, das brauche ich manchmal auch?
Georg
00:41:36
Ja, ich brauche auch manchmal. Ja, also schon Deutschland-affin, ja. Jetzt muss ich überlegen. Also manchmal, ich habe einen guten Kumpel, der kommt in Frankreich immer rum und der bringt mir dann immer.
Tobias
00:41:49
Ist ja auch nichts Schlimmes zu sagen, ich trinke nur deutschen Wein.
Georg
00:41:51
Und dem sage schon immer, also wenn du einen Spätburgunder hast, wo du sagst, das ist jetzt mein Nonplusultra oder das schmeckt dir gut, dann bring es einfach mit. Und so flattert dann immer mal wieder was ins Haus. Also schon eher Frankreich-orientiert.
Tobias
00:42:06
Ja, hört sich auch fast nach mehr an.
Michael
00:42:07
In dem Haus würde ich auch gerne wohnen, wo immer mal wieder Spätburgunder reinflattert.
Tobias
00:42:11
Reinflattert, ja, allerdings, ja. Jetzt gibt es noch so eine andere Kategorie, die wir eigentlich nie auslassen dürfen im Podcast, wenn wir mit einem Gast zusammensitzen, und das ist schon sehr nah an dem Thema, wo wir gerade waren. Wir wollen immer den Einsame-Insel-Wein wissen. Und da gibt es auch gewisse Rahmenbedingungen. Du bist zwar auf dieser einsamen Insel, das ist natürlich irgendwie doof, aber die ist komplett unterkellert, also klimatisch perfekt. Aber es ist tatsächlich, und es sind auch unbegrenzt viele Flaschen in diesem Keller, aber tatsächlich nur ein einziger Wein aus einem einzigen Jahrgang. Welcher müsste es sein?
Georg
00:42:53
2012 Weißburgunder.
Tobias
00:42:55
Okay. Von dir, oder?
Georg
00:42:58
Von mir, ja.
Tobias
00:42:58
Ja, okay. Das ist ja immerhin selbstbewusst. Und der ist, den kann man jetzt auch noch gut trinken?
Georg
00:43:04
Den kannst du noch gut trinken. Ich habe aber nicht mehr viel davon, ich habe vielleicht noch 6Flaschen.
Tobias
00:43:08
Wie gesagt, das wäre ja auf der einsamen Insel kein Problem. Deswegen, das macht ja Sinn.
Georg
00:43:12
Der wird also gehütet wie ein Schatz.
Tobias
00:43:15
Okay. Wow, nur noch 6 Flaschen, dann können wir danach jetzt nicht fragen.
Michael
00:43:20
Das ist eine Insel. Ich möchte mal ein anderes Pairing jetzt abfragen. Welchen Stellenwert hat bei euch Musik im Haus? Also gibt es irgendeine Musik, wo du sagst, die passt perfekt zu meiner Scheurebe oder zu welchem Wein auch immer von dir? Fällt dir da was ein, wo du sagst, das ist wirklich, kann ich nur empfehlen?
Georg
00:43:44
Ja, also ich höre unheimlich gern Journey und das ist so, der hat so eine klare Stimme, so präsent. Und das ist bei uns manchmal auch immer das Urlaubslied, wenn wir dann in Urlaub fahren und dann hat das irgendwie so eine schöne Stimmung und das stelle ich mir auch gut vor, wenn du irgendwo da im Urlaub bist und hast eine Flasche Scheurebe oder Muschelkalk oder Grauburgunder samt Muschel dabei, das passt da richtig gut dazu, ja.
Tobias
00:44:10
Sehr gut, sehr gut.
Michael
00:44:12
Singen muss er jetzt nicht, ne?
Tobias
00:44:13
Ne, das kriegen wir dann vielleicht irgendwie noch nachträglich. Wobei, da muss man ja dann auch immer ein bisschen aufpassen. Ne, finde ich jetzt auch eine gute Antwort. Hätte ich jetzt so spontan nicht auf dem Schirm gehabt, aber das muss ich auf jeden Fall mal ausprobieren, unsere Zuhörerinnen und Zuhörer am besten auch, irgendwie eine Flasche Fogt aus Rheinhessen und dazu ein bisschen Journey hören. Cool.
Michael
00:44:32
Ja, Georg, dann haben wir den Inselwein abgehandelt. Wir wissen, was du zu Hause trinkst und welche Musik du hörst. Ich glaube, damit haben wir schon mal die wichtigsten Sachen für heute geklärt.
Georg
00:44:42
Das stimmt.
Tobias
00:44:43
Auf jeden Fall für den ersten Besuch.
Michael
00:44:45
Ich sage an dieser Stelle, ich freue mich ungeheuer, wenn es das nächste Mal wieder heißt.
Georg
00:44:52
Bei Anruf.
Tobias
00:44:53
Wein.