Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Das weiße Bordeaux: ungeahnte Schätze

29.11.2022 42 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

In ihrer dritten Bordeaux-Folge tauchen Michael und Tobias mit Cédric Garraud ins weiße Bordeaux ein. Sie klären über die Region, Rebsorten und Klassifikationen auf – dabei erzählt der gebürtige Bordelais Cédric, warum auch die Weißweine im Bordeaux zumeist als Cuvée ausgebaut werden. Ein Appell, mehr weißen Bordeaux zu trinken und vor allem die grandiosen Süßweine kennenzulernen, unter denen sich der höchst klassifizierte Wein der ganzen Region findet.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken



Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:10
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. In unserer 3. Folge über die bekannteste Weinregion der Welt, dem Bordeaux, dürfen Michael und ich erneut vom Wissen unseres Weinfreunds Cédric zehren, selbst ein gebürtiger Bordelais. Dieses Mal verlassen wir die ausgetretenen Pfade und widmen uns dem weißen Bordeaux. Neben trockenem Weißwein finden sich hier sensationelle Süßweine mit beeindruckendem Alterungspotential. Einer davon trägt gar die höchste Klassifikation aller Weine aus dem Bordeaux. Ein spannendes Thema also, das eine lehrreiche Fortsetzung unserer Bordeaux-Reihe ist. Und bitte nicht vergessen, bewertet und abonniert unbedingt den Bei Anruf Wein-Podcast. Egal, ob auf Spotify, Apple Podcasts oder anderen Streamingplattformen. Danke sehr! Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an!
Michael
00:01:05
Wunderbar. Wir sitzen wieder in gewohnter Runde. Das freut mich. Cédric Garraud wieder bei uns und ihr mögt es ahnen: Es geht um das Bordeaux. Aber ein ganz bestimmtes. Erst mal hallo, Cédric.
Cédric
00:01:17
Hallo Michael, hallo Tobias. Ich freue mich auch sehr, wieder in dieser Runde zu sein. Finde ich immer sehr schön, sehr spannend.
Tobias
00:01:24
Ja, sag mal, der Michael hat es ja gerade schon anklingen lassen. Wir sprechen natürlich wieder über Bordeaux, das 3. Mal schon in diesem Podcast. Und jetzt geht es tatsächlich um das weiße Bordeaux.
Cédric
00:01:37
Ja, ich denke mal so, Weißwein aus Bordeaux ist ein wirklich großer, wichtiger Bestandteil der Weinproduktion, der Weinkultur, der Weingeschichte, Entstehung, also alles, was mit Wein zu tun hat. Aber die meisten Menschen denken bei Bordeaux immer sofort an Rotwein und eben nicht auch an Weißwein. Und bevor wir einsteigen, kann sich jeder mal selber testen oder hinterfragen. Und dann die Frage einfach mal an euch: Wann habt ihr denn das letzte Mal selber mal einen Weißwein aus Bordeaux getrunken?
Michael
00:02:07
Also bei mir ist es liegt ein bisschen zurück, war im Sommer. Das war so eine kleine Jugenderinnerung, möchte ich fast sagen, denn das erste Mal, dass mich dann Sauvignon Blanc richtig interessiert hat, war tatsächlich in einem Weißwein aus dem Bordeaux. Schon ein bisschen her.
Tobias
00:02:23
Ja, also bei mir ist es natürlich ähnlich. Man muss natürlich auch zugeben, als Deutscher greift man ja insbesondere beim Weißwein dann eher ins eigene Land. Aber tatsächlich auch diesen Sommer im Sommerurlaub in der Bretagne, gibt es ja auch eine Podcastfolge zu, da habe ich mir in einem Leclerc-Supermarkt eine Flasche weißen Bordeaux gekauft. Ganz bewusst, auch weil man ihn hier so einfach gar nicht kriegt.
Michael
00:02:50
Nein, aber du selber, Cédric?
Cédric
00:02:52
Ja, ich selber. Ich bin trotzdem.
Michael
00:02:53
Wann war denn dein letzter Bordeaux im Glas, weißer Bordeaux?
Cédric
00:02:56
Komme ich gerne gleich dazu. Aber ich bin trotzdem sehr, sehr positiv überrascht, weil das ist ja gar nicht so lange her. Das war ja jetzt alles so 1, 2, 3 Monate her, maximal. Und ich glaube aber, dass, es den meisten Weinfreunde-Zuhörern und -Followern eigentlich schon ganz anders geht. Ich glaube, Weißwein aus Bordeaux hat viel höheren Seltenheitscharakter. Das ist wirklich eher eine Rarität, obwohl in meinen Augen das wirklich also ein ganz klassischer Wein als Variante aus Bordeaux, der Weißwein, zu Bordeaux gehört. Bei mir war das so, ich hatte im Sommer auch noch eine Weißweinflasche von einem Weingut von einem Freund aus Bordeaux, der auch Weißweine nicht nur so trocken, sage ich mal, pure macht, sondern auch mit Barriqueausbau. Und da muss ich sagen, da ist wiederum dieser Weinstil für mich nach meinem Geschmack sehr geprägt von Sauvignon Blanc, nicht wirklich ideal in Kombination mit Barriqueausbau. Und deswegen hatte ich ihn einfach mal weggelegt und ich will sagen fast vergessen. Und ich dachte mir, so nach 2, 3 Jahren müsste das Holz mittlerweile vom Wein verarbeitet sein. Und das habe ich einfach mal probiert, weil dieser Wein hat auch, so ein bisschen außergewöhnlich für Weißwein aus Bordeaux, einen sehr schönen mineralischen Charakter und der konnte das gut kompensieren. Also war wirklich ein Weißwein aus Bordeaux, der mir persönlich sehr viel Spaß gemacht hat. Aus einem kleinen, ganz kleinen Anbaugebiet, Graves de Vayres, übrigens.
Tobias
00:04:27
Okay. Ja, Graves, ich glaube, den Namen, den hören wir heute noch ein paarmal. Aber wir müssen noch mal ein bisschen für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer zurück zu den Basics. Wir haben jetzt schon über Sauvignon Blanc gesprochen. Also das heißt, wir haben eine konkrete Rebsorte benannt. Und wir haben auch gesagt, ja, es steht so ein bisschen im Schatten eigentlich des roten Bordeauxs. Kann man auch ganz klar beziffern. Nur rund 10 % der Bordeauxproduktion ist überhaupt weiß. Also da merkt man die enorme Übermacht der Rotweine. Ja und dann haben wir jetzt, wie gesagt, gerade schon den Sauvignon Blanc genannt. Es gibt aber noch eine 2., ganz wichtige Rebsorte im weißen Bordeaux. Ja, Cédric, es ist an dir. Sag uns mal was zu dieser Rebsorte.
Cédric
00:05:10
Ich denke mal, das Modell von Weinmachen, Winemaking und Weinbau in Bordeaux ist bei Weißweinen eigentlich ähnlich dem für Rotwein. Das heißt, wir sprechen in der Regel über eine Assemblage, sprich die Verbindung, die Vermählung von verschiedenen Rebsorten. Und da, je nach Anbaugebiet, gibt es eben bedingt auch durch die Böden, die Unterböden, das Mikroklima, Rebsorten, die besser und andere, die nur ergänzend dazu passen, um den Charakter hervorzuheben. Und Sauvignon Blanc ist eine Rebsorte, die sehr, sehr gut zu Bordeaux passt, weil das ist natürlich am Atlantik auch immer ein schönes, kühles Klima. Dementsprechend ist Sauvignon Blanc eine sehr duftige, florale Rebsorte, die sehr, sehr stark duftet, die aber vom Körper her relativ schlank ist in der Regel und die dementsprechend solo oft schnell verfliegt. Und dass diese Rebsorte zu Bordeaux passt, kann man sich vorstellen. Immer wieder komme ich dazu, wenn man an die Frankreichkarte denkt, und Michael hat es ja selber gesagt, die großen Weißweine von der Loire sind natürlich auch Sauvignon Blanc. Und die Loire ist eigentlich nur 1, 2 Etagen höher Richtung Norden in Frankreich, Richtung Bretagne. Und dementsprechend sind ja auch, ähnlich wie an der Loire, diese Weinanbaugebiete entlang großer Flüsse. Da haben wir eben die, die die Loire als Fluss und bei uns die Garonne. Und genauso passt das. Das sind auch Böden, die sehr viel auch Kalk im Unterboden haben und wo der Sauvignon Blanc ideal passt. Aber eben, um ihm ein bisschen mehr Körperfülle und auch Rückgrat im Sinne von Standhaftigkeit oder Dauer.
Tobias
00:07:03
Struktur auch.
Cédric
00:07:04
Struktur und ein bisschen Dauer, dass er ein bisschen Alterungspotenzial bekommt. Das sind eben Rebsorten wie Sauvignon. Neben dem Sauvignon, Sémillon und Muscadelle. Muscadelle ist wirklich eine sehr unbekannte Rebsorte, ist aber wirklich noch mal vom Rebspiegel her in Bordeaux sehr, sehr klein, weil auch sehr, sehr schwierig jedes Jahr reif und sauber zu bekommen. Ist aber eine sehr, sehr wichtige Rebsorte, die auch da noch ein bisschen Säure, ein bisschen eben das, was ich mit Rückgrat meinte, da in den Sauvignon Blanc mit reinbringt.
Michael
00:07:35
Also tatsächlich, wenn man sich den RebsortenSpiegel mal anguckt, ich habe die Zahlen noch mal rausgekramt für heute: 45 % Sémillon, 43 % Sauvignon Blanc, die sind also quasi gleichauf, und wie du gesagt hast, Muscadelle 5 %, eher verschwindend gering dann im Vergleich. Aber es gibt sogar noch andere, die wir hier erst recht nicht kennen.
Tobias
00:07:57
Ja, das finde ich, ist doch jetzt eine gute Grundlage für das weitere Gespräch. Die Rebsorten, die kennen wir jetzt, und genau, Sauvignon Blanc kennen wir ja eigentlich aus der ganzen Welt. In Deutschland wird es auch immer mehr angebaut, insbesondere die Säure des Sauvignon Blancs spielt ja in Wein in Bordeaux noch mal eine besondere Rolle. Da kommen wir aber gleich noch mal zu, denn wir sind ja noch eigentlich bei trockenen Weißweinen. Ja, und dazu vielleicht dann auch jetzt noch mal so ein bisschen was, ja, Appellation-Spezifisches. Wir hatten ja in den anderen Bordeaux-Folgen schon drüber gesprochen mit Klassifikationen usw. Und vielleicht gibt es jetzt unter den Zuhörerinnen und Zuhörern noch am ehesten Menschen, denen die Appellation Entre-Deux-Mers etwas sagt. Die liegt zwischen den Flüssen Garonne und Dordogne und die gilt auch tatsächlich ausschließlich nur für Weißwein. Das ist ja für das Bordeaux erst mal eine ziemliche Alleinstellung. Kannst du uns noch was zum Entre-Deux-Mers sagen?
Cédric
00:08:56
Ja, das Entre-Deux-Mers ist eigentlich sogar ein von der Fläche her sehr, sehr großes und damit auch für die Weinbauproduktion in Bordeaux schon immer ein sehr bedeutsames Weinanbaugebiet gewesen, ist aber, gehört nicht zu den imageträchtigen Weinanbaugebieten. Eben Vielleicht auch, weil es eben als Entre-Deux-Mers, mit der Bezeichnung Entre-Deux-Mers in der Regel immer nur trockene Weißweine, einfachere Weißweine gemeint waren. Aber man muss auch an den Namen Entre-Deux-Mers denken, Was bedeutet Entre-Deux-Mers? Zwischen den 2 Meeren. Das heißt tatsächlich, dass das große Anbaugebiet Bordeaux, ja, mit dem linken Ufer von der Garonne und dem rechten Ufer von der Garonne. Das geht ja sogar darüber hinaus hinter die Dordogne. Und das Entre-Deux-Mers zwischen den 2 Meeren das ist eben das Gebiet, was man dann bezeichnet, was zwischen der Dordogne und der Garonne liegt, also zwischen 2 sehr, sehr großen Flüssen, die immer breiter werden, immer größer, weil sie finden dann irgendwann zusammen und bilden dann zusammen die Gironde. Das ist die Mündung dieser beiden großen Flüsse, die dann in den Atlantischen Ozean geht. So, und dieses Entre-Deux-Mers ist dementsprechend eher lehmhaltig, aber auch kalkhaltiger Boden, der vielleicht für Rotweinanbau nicht so prädestiniert ist wie die großen Anbaugebiete eben um Saint-Émilion oder im Médoc oder in Pessac-Léognan. Und daher gab es immer schon einen sehr, sehr hohen Anteil an Weißweinproduktion. Und vielleicht noch mal auch wichtig für euch zu verstehen, der Weinbau, der hat ja auch immer mit der Gastronomie zu tun. Und genau wie ich es gerade beschrieben habe, sind wir eigentlich gar nicht weit weg vom Atlantik. Das heißt, hier haben wir schon immer sehr viel Fisch und Meeresfrüchte, Seafood, wie man das heute bezeichnet, gehabt und passend eben zu diesen klassischen Lebensmitteln aus unserer Region, brauchten wir natürlich auch für uns selber immer viel Weißwein. Ja, und das kommt aus den Entre-Deux-Mers. Und man muss sagen, ich glaube, bevor ich geboren wurde, weit zurückliegend waren viele dieser Weißweine auch gar nicht so trockene Weißweine, sondern viele Weißweine waren auch mit Restsüße, weil das ist schon technisch anspruchsvoll, trockenen Weißwein zu machen. Und weil man da vielleicht auch teilweise versucht hat zu kompensieren, mit der Reife und mit dem Restzucker da gearbeitet hat. Und es gab da 2, so zumindest habe ich das immer als junger Kerl in Bordeaux kennengelernt, es gab da 2 junge Winemaker, die von der Önologiefakultät aus Bordeaux kamen. Das waren zum Beispiel der Jacques Lurton, das ist der eine der Söhne von André Lurton, eben aus dem Entre-Deux-Mers in Grézillac, und Hugh Reimann, dessen englische Eltern, ich glaube in den 60ern oder 70ern aus England rübergewandert waren und in Bergerac ein schönes Weingut hatten. Und diese beiden jungen Winemaker, die auch so ein bisschen diese französische Bewegungen der Flying Winemaker mitgeprägt haben, die haben wirklich diesen neuen Stil trockener Weißwein mit dieser großen Sauvignon Blanc-Dominante geprägt. Und es gab damals an der Fakultät den Denis Dubourdieu, also ein großer Spezialist des Weißwein-Winemaking, der selber auch Weingüter hatte und der das selber, also par excellence vorgeführt hat, wie man auch große Weißweine in Bordeaux machen kann. Und die sind mitverantwortlich eben für diesen sehr neuen, trendigen, modernen Sauvignon Blanc-Stil, der in Bordeaux wirklich dann auch im Entre-Deux-Mers einen Riesenerfolg hatte, gerade passend zu Fish, Seafood und alles, was dazu gehörte.
Michael
00:13:05
Cédric, ich habe aber noch mal eine Nachfrage zu diesen beiden großen Flüssen. Welchen Einfluss haben die denn auf den Weinbau und vor allen Dingen auf die Stilistik dieser Weißweine?
Cédric
00:13:15
Also wir reden also von der Dordogne, die nördlicher gelegen ist, und dann die Garonne, die durch die Stadt Bordeaux führt. Die Dordogne führt ja durch Libourne, also dort, wo sich eigentlich Saint-Émilion, Pomerol befinden. Und an Bordeaux grenzt er das Anbaugebiet und Pessac-Léognan, also ich sage, ich nenne das mal mit meinen Worten als kommunale Appellation der Graves, aus dem Anbaugebiet der Graves. Und diese Flüsse haben natürlich einen sehr großen Einfluss. Nicht nur geschichtlich, logistisch über die Handelswege usw., sondern ja, das hat auch tatsächlich eine große Rolle gespielt in dem, was aus Bordeaux heute geworden ist. Natürlich auch übertragen in kleinerem Maße auf Libourne und die Dordogne. Aber rein von den mikroklimatischen Verhältnissen hat das schon immer eine große Rolle gespielt. Das sind Flüsse, die sehr, sehr viel Wassermassen rauf- und runterspülen. Also nicht immer nur in eine Richtung, sondern, weil wir ja nur ein paar Kilometer vom Atlantik sind, von der Gironde, gehen auch die Gezeiten mit. Das heißt, das Wasser spült auch flussaufwärts sich wieder hoch, also mit den Gezeiten, und je nachdem, in welchem Zeitpunkt des Jahres wir uns befinden, sind diese Einflüsse der Gezeiten immer größer oder weniger. Das heißt Wasser bringt auch im Sommer Kühle, im Winter wärmere Luft. Diese Wasserbewegungen an den Ufern bringen auch Sedimente, ja, die sich dann die Reben auch zum Teil wieder holen. Also das beeinflusst schon extrem stark das Mikroklima. Und letzten Endes haben wir auch im Boden oder im Unterboden in diesen Flussbänken, würde ich das mal nennen, ich weiß, ich bin jetzt kein Geologe, aber ich glaube, jeder versteht das gerade, diese Flussbänke, unterschiedliche Gegebenheiten. Ja, und dementsprechend ist es immer so, dass dann der Typ Wein, den man da oder dort machen kann, etwas variieren kann. Und so ist wirklich tatsächlich ein Unterschied, glaube ich, zwischen dem Entre-Deux-Mers und dem Médoc, der vielleicht sogar näher an dem Atlantik liegt, aber der noch mal total andere Böden hat, ja, und wo man kaum Weißwein finden wird.
Tobias
00:15:38
Ja. Flussbank, Flussbett, bin ich mir jetzt irgendwie auch nicht so sicher, aber zumindest klingt das ja, wenn man sich das schon so vorstellt, irgendwie wirklich nach Weißwein und Frische und so einer gewissen Leichtigkeit. Ich finde, das passt wirklich sehr, sehr gut und ich kann mir jetzt irgendwie so merken Entre-Deux-Mers steht eigentlich vielleicht eher für unkompliziertere Weißweine. Du hast das ja so beschrieben, als wäre das auch sozusagen der Alltagswein bei euch schon früher in der Familie gewesen. Wenn wir aber jetzt bei den trockenen Weißweinen bleiben, dann gibt es ja, sage ich mal, auch das genaue Gegenteil von einfacher Alltagswein. Michael, es fielen, glaube ich, schon ein paar Begriffe eben. Mach uns doch mal schlauer.
Michael
00:16:18
Ja, der Cédric nannte schon Graves, der nannte auch dankenswerterweise schon Pessac-Léognan. Und da sind wir dann schon wieder in einem Thema drinnen, da können wir schon wieder über Klassifizierung reden.
Tobias
00:16:29
Ah, na, Gott sei Dank.
Michael
00:16:30
Da sind wir wieder zu Hause. Kannst du uns mal sagen, wie sieht die Klassifizierung denn für diese Weißweine aus?
Cédric
00:16:36
Also das ist eigentlich ein ähnliches Prinzip, dass das Weinanbaugebiet Graves ist ja ein relativ großes Anbaugebiet. Das liegt südlich, südwestlich der Stadt Bordeaux, also tendenziell auf dem linken Ufer der Garonne und im nördlichen Teil der Graves, also angrenzend an die Vorstädte Pessac-Léognan und auch Mérignac, quasi bis dahin ist eigentlich ein relativ junges, ich würde es als kommunales Anbaugebiet in Anlehnung an die aus dem Médoc mit Saint-Julien, Pauillau, Margaux usw. bezeichnen. Und in Pessac-Léognan befinden sich natürlich tolle Grand Cru Classé. Und dort in Pessac-Léognan haben wir ja auch einige der der Top Cru Classé aus Bordeaux und mit Château Haut-Brion ja sogar eins, was zu den 5 Premier Grand Cru Classé gehört.
Tobias
00:17:35
Das heißt, da darf Weißwein und Rotwein gemacht werden?
Cédric
00:17:38
Da darf Weißwein und Rotwein gemacht werden. Diese Weingüter sind aber nicht immer für beides klassifiziert. Es gibt, glaube ich, also ich würde sagen, ich habe das jetzt nicht genau im Kopf, aber ich würde sagen, so 10 von diesen Cru Classé-Weingütern sind für Rot klassifiziert und für Weißwein klassifiziert. Also da fallen mir so Beispiele ein wie Malartic-Lagravière, Smith Haut Lafitte, Château Olivier ein. Also da gibt es mehrere Weingüter, die für beides klassifiziert sind. Ich glaube, Pape Clément hatten wir vorhin auch, das Thema, ist für Rot, nicht für Weiß, obwohl Pape Clément für mich mit die allerbesten trockenen Weißweine überhaupt in Bordeaux macht. Ja, und genau das Gleiche gilt, glaube ich, auch für Haut-Brion, mit dem ich gerade angefangen habe. Die sind, glaube ich, für Rot klassifiziert, aber nicht für Weiß.
Tobias
00:18:31
Aber La Mission Haut-Brion, glaube ich, die dürfen auch weiß, oder?
Cédric
00:18:34
Die dürfen auch Weiß, ja.
Tobias
00:18:35
Genau, richtig. Und du hast gerade gesagt, Pape Clément, genau, das haben die Hörerinnen und Hörer jetzt nicht mitbekommen. Ich hatte ja vorhin schon erzählt, der letzte weiße Bordeaux wurde in der Bretagne getrunken und ich habe den beiden eben noch mein Instagram-Post dazu gezeigt. Und dann sah man ein Drittwein von Pape Clément war es, glaube ich. Ja, jetzt sind wir aber ja schon angekommen bei eigentlich so der Premiumkategorie, der trockenen Weißweine im Bordeaux und vielleicht noch mal jetzt so rein ausbautechnisch. Also es ist ja relativ einfach zu verstehen, dass Weine aus dem Entre-Deux-Mers ohne Holzeinsatz daherkommen. Wie gesagt, eher ja ein bisschen auf Frische und Frucht vielleicht getrimmt. Aber, wenn wir jetzt über Graves sprechen und wirklich über Premium Weißweine von ganz, ganz renommierten Château, da spielt ja wahrscheinlich dann auch immer Ausbau im Eichenholz eine Rolle, oder?
Cédric
00:19:22
Ja, Ausbau im Eichenholz ist ja nicht gleich Ausbau im Eichenholz, wenn ich mich so ausdrücken darf. Es geht natürlich immer darum, mit welchem Anteil an neuen Barriques man so was macht. Also ja, wo ist das Gespür des Winemakers? Mit welchem Fingerspitzengefühl geht er da vor? Natürlich spielt auch die Frage Trend eine große Rolle. Ich glaube, so in den 90er-Jahren war das wirklich immer sehr wichtig, möglichst viel Holz, neues Holz zu verwenden. Das ist natürlich auch da immer eine Geschmacksfrage. Ich fand das immer sehr, sehr schade. Es waren viele Weine, und mein Big Boss sozusagen, Jean-Michel Cazes auf Château Lynch-Bages, der hat den Blanc de Lynch-Bages immer, ich glaube, das war mit 100 % neuem Holz gemacht. Ich glaube, das ist dann in den Folgejahren auch revidiert worden. Nicht, weil ich das gesagt habe, aber weil ich wahrscheinlich für einen gewissen Standardgeschmack stehe. Das heißt, Sauvignon Blanc ist halt wirklich mit zu viel Holz nur sehr, sehr schwierig. Da geht diese sehr filigrane, florale Rebsorte, glaube ich, wirklich unter und das wird dann sehr, sehr schwer, den eigentlichen Charakters des Weines hervorzubringen. Da ist das Holz zu dominant. Und ich glaube, dass in den letzten Jahren immer mehr die Châteaus, die auch wirklich Holz zum Einsatz bringen, und das ist eben der Fall in Graves und speziell in Pessac-Léognan, dass da immer mehr auch Fingerspitzengefühl mit zu tun hatte.
Michael
00:20:51
Aber wir reden ja immer noch über Assemblage, wir reden immer noch über zumindest, sagen wir jetzt mal, 3 Rebsorten haben wir ja vorhin angesprochen. Gibt es da je nach Appellation, je nach Gebiet irgendwelche unterschiedlichen Verhältnisse? Wir hatten das ja zum Beispiel bei dem roten Bordeaux, dass die eine Seite eher auf Cabernet Sauvignon setzt und die andere eher auf Merlot. Gibt es etwas Vergleichbares in der weißen Welt?
Cédric
00:21:16
Also das würde ich jetzt, das würde ich jetzt nicht so eindeutig sehen. Ich glaube, der Part Entre-Deux-Mers, ja, das ist viel, viel mehr eben mit Sauvignon Blanc. Da ist die Dominanz von Sauvignon Blanc sehr, sehr stark geprägt. Und in den anderen Regionen, im Graves eher vielleicht mit Sémillon. So habe ich das eher in Erinnerung. Aber das ist jetzt mehr so ein, oftmals so eine Art Fifty-Fifty-Spiel und hat sehr viel auch mit Jahrgängen zu tun.
Tobias
00:21:47
Also ich weiß, Michael, als wir, ich glaube, 2018 gemeinsam im Bordeaux waren, haben wir zumindest für uns irgendwie festgestellt, es gibt immer mal wieder einen weißen Bordeaux, wo mehr Sémillon drin ist, und dann wiederum auch welche, wo mehr Sauvignon Blanc drin ist. Und ich war bei denen hängengeblieben, die von Sauvignon Blanc dominiert waren. Ich bin irgendwie nicht so der Sémillon-Typ. Zumindest, wenn wenn die Aromatik so dominant rüberkommt. Aber jetzt, liebe Leute, müssen wir ja eigentlich mal in einen Part einsteigen, der ja für mich eigentlich, sage ich mal, der wichtigste ist beim Thema weißes Bordeaux. Vielleicht ist das jetzt nur so eine persönliche Angelegenheit, aber ich denke natürlich spontan immer an Süßweine und vor allem an den großen Namen Sauternes, also die eigentlich ja wahrscheinlich bekannteste Süßwein-Appellation in Bordeaux, vielleicht sogar in der ganzen Welt. Da müssen wir jetzt mal irgendwie ran.
Michael
00:22:41
Ja, vor allen Dingen sollten wir zuerst mal erklären: Was ist das Besondere? Wieso heißt dieser Wein Süßwein?
Cédric
00:22:49
Also der, ich ich glaube, dass er so im normalen Sprachgebrauch als Süßwein bezeichnet wird, weil er eben sehr viel Restsüße hat und süß schmeckt. Ich glaube rein strikt genommen fällt das, glaube ich, in die Kategorie edelsüße Weine. Kann das sein?
Tobias
00:23:06
Ja, viel besser ausgedrückt.
Cédric
00:23:08
Das heißt, dass diese Weine, das ist ja ein Nischenprodukt, sagen wir es mal so, deswegen kennen das die wenigsten Leute. Das, wie du sagst, Tobias, das gehört wirklich zu der Identität der Weine aus Bordeaux, ist aber ein schwieriges Thema, weil das ist auch eine ganz andere Art, Wein zu trinken, Wein zu konsumieren. Das ist dann nicht wie bei den normalen Weißweinen oder Rotweinen, sodass man dann auch mehrere Gläser davon einfach zum Essen trinkt, sondern da muss man eher die passende Gelegenheit dazu finden. Entweder zum Aperitif mit den entsprechenden kleinen Häppchen was dazu finden oder eben zu bestimmten Käsesorten, die das gut vertragen können, wo die Balance eben sehr interessant wird, zu diesen sehr von der Restsüße und ihrer besonderen Aromatik geprägten Weine, eben das Zusammenspiel mit einem Stück Käse, wie zum Beispiel Blauschimmelkäse oder was auch immer. Viele Leute bezeichnen diese Weine ja auch als Dessertweine.
Tobias
00:24:15
Oh,ja.
Cédric
00:24:16
Also zu einem Stück, weiß ich nicht was, tarte chocolat.
Tobias
00:24:21
Scheint nicht so dein Ding zu sein wie ich das jetzt.
Michael
00:24:24
Ne, ich bestehe dann doch.
Cédric
00:24:25
Aber zum Dessert würde ich das, also ich persönlich jetzt nicht nehmen. Das fände ich persönlich ein bisschen arg schade. Und das ist dann irgendwie so, nur mal so doppelt gemoppelt, süß mit süß oder hypersüß mit supersüß. Also das ist, ich bin eh kein so süßer Typ vielleicht, also ich sage mal, ich will ja keine davon abbringen. Aber das ist jetzt, das ist jetzt eine reine persönliche Geschmacksgeschichte. Also ich wäre viel eher da zu einem Stück Käse dazu zu haben. Aber noch mal, das muss man jetzt hier auch noch mal vielleicht geraderücken. Das hört sich alles nach süß, süß, süß irgendwie an.
Michael
00:24:59
Genau, das ist mir jetzt ganz wichtig, dass wir das noch mal ausführen.
Cédric
00:25:00
Also man darf diese Weine jetzt nicht nur auf Zucker und Restzucker und Süß reduzieren. Das sind Weine, die aufgrund auch ihrer total besonderen und ich würde fast schon sagen, fast mit außergewöhnlicher Machart eben so auch eine wirklich extrem außergewöhnliche und fast extravagante Aromatik haben. Ja, und das ist eben das, was eben nicht jeder kennt und mit dem auch nicht jeder so einfach auf Anhieb von vornherein klar kommen würde. Aber wo man sagen muss, das ist tatsächlich mit einer der interessantesten Weinbereiche aus Bordeaux.
Tobias
00:25:40
Also, und man muss ja irgendwie dazusagen, wir nähern uns vielleicht noch mal so ein bisschen von den Hintergründen dazu, du warst jetzt schon beim Verkosten und beim Essen und Trinken. Finde ich grundsätzlich gut. Aber Michael, erzähl uns mal, weil Sauternes ist eigentlich eine neblige Angelegenheit.
Michael
00:25:57
Ja, und eigentlich brauchen die Weinmacher und Winzer dort etwas, was sie sonst eigentlich überhaupt nicht mögen, dass es nämlich irgendwann recht feucht wird, so zum Zeitpunkt Richtung Lese hin. Und dann passiert da etwas mit den Trauben. Wenn ein Laie vorbeigeht, sagt der: oh Gott, oh Gott, die Trauben sind eigentlich hinüber, da ist ja was drauf. Da entwickelt sich was. Was entwickelt sich denn auf den Trauben? Und was passiert da, Cédric?
Cédric
00:26:21
Ja, also noch mal auch da zum Verständnis für alle: Das ist was, was mit Nebel zu tun hat, nicht nebulös. Also keine nebulösen Praktiken, sondern da kommt tatsächlich Nebel, Nebelbänke kommen ins Spiel. Das hat damit zu tun, aber wir kommen da übrigens wieder zu deinem Thema Fluss von vorhin. Da kommt ein kleiner Fluss, ich glaube, so eher so aus den Pyrenäen, also mit kaltem Wasser, kaltem Bergwasser und kommt dann in die Garonne. Dieser kleine Fluss heißt Ciron, Le Ciron, und der fließt eben durch dieses Anbaugebiet Sauternes. Und zu dieser Jahreszeit führt das eben wirklich zu einer sehr starken Nebelbildung. Nebel ist halt Wasser. Ja, Wasser in der Luft. Das sind alles Wassertropfen in der Luft. Ich weiß jetzt nicht, wie ich es besser bezeichnen sollte. Und das ist genau das, was du meintest, Michael. Das fürchtet jeder Winzer normalerweise, weil es führt dazu, dass die Trauben am Stock faul werden, muss man so sagen. Und das entsteht eben durch einen Pilz, durch Pilzbefall, und da werden die faul. Und dann kannst du in der Regel davon ausgehen, dass, wenn du normalen, trockenen Weißwein oder Rotwein machen willst, dann werden diese Weine Fehltöne haben. Das hat Einfluss auch auf die Ertragsmenge, klar, es wird weniger, aber vor allem auf die Aromatik und auf die Qualität des Weines. Hier aber, und es entsteht auch so eine Art, wie so eine Art Schimmel auf diesen Trauben, die dann auch Wasser verlieren und die wie also ausgetrocknet am Stock dann etwas von diesem, wie so eine Art Schimmel.
Tobias
00:28:09
Ja, wie so ein bisschen Fell, ne? Und du sagst ja gerade irgendwie, die werden dann auch trockener, das hat einfach was damit zu tun, der muss sich ernähren und der ernährt sich halt eben von dem, was er in den Beeren auch vorfindet, hauptsächlich natürlich Wasser. Aber, und das kennen wir ja auch von anderen Beispielen, dafür ist ja das, was zurückbleibt, unfassbar konzentriert. Und ich glaube, darum geht es am Ende des Tages, genau.
Cédric
00:28:33
Und reichhaltig. Das heißt also, der Zuckergehalt, die Konzentration an Zucker ist dann umso höher als normal. Kommen wir wieder zurück zu den Basics der Vinifikation. Das heißt enormes Potenzial durch diesen Zucker am Stock, das heißt, diese edelsüßen Weine, dieser, der Schimmelpilz heißt übrigens Botrytis.
Tobias
00:28:52
Oh ja, wichtig.
Cédric
00:28:53
Also das sind edelsüße.
Michael
00:28:55
Edelsüße, haben wir eben gesagt, jetzt geht es ja um Edelfäulnis, sozusagen.
Cédric
00:29:00
Edelfäulnis.
Tobias
00:29:01
Edelfauler Wein.
Cédric
00:29:02
Aus dem Botrytis-Pilz entstandene Weine. Und die haben also die, diese Süße, von der wir sprachen und die ich ja wiederholt habe, wo ich das versucht habe, also das zu relativieren, das ist nicht, weil man da Zucker dazukippt, sondern das ist wirklich durch dieses Ergebnis, dass die Trauben so reichhaltig werden, das ist das eine. Und das zweite, und das ist sensationell. Das ist eben die Aromatik. Ja, weil das ist wirklich also etwas, auch was total auf natürlichem Wege dadurch entsteht. Und die großen Weingüter, die berühmten Namen, die gehen so weit, dass sie per Hand immer diese Trauben picken, wenn sie wirklich perfekt dafür geeignet sind. Und man sagt, also manche dieser Weingüter lassen ihre Leute bis zu 14-mal im Rahmen einer Ernte durch die Weinberge durchgehen. Und die lassen immer wieder das stehen, was aus ihrer Meinung nach nicht dafür geeignet ist und picken von Hand dann bis zu 14-mal, wie gesagt. Und dann, die Krönung ist, dass die Vinifizierung dann auf den Top-Weingütern in Sauternes im Barrique stattfindet.
Tobias
00:30:12
Genau.
Michael
00:30:13
Sogar teilweise sehr lange. Also so ein Yquem liegt erst mal 4 Jahre dann im Wein. Und wenn man so ein Yquem mal probiert, dann fragt man sich: Wo ist das?
Tobias
00:30:22
Also Moment mal, Michael, jetzt muss ich ja sagen, du hast jetzt gerade diesen Namen, diese Legende, Yquem, einfach so in den Mund genommen, ohne dass wir dieses Château überhaupt vorgestellt haben. Da würde ich gerne noch mal so eine Besonderheit eigentlich vortragen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer erinnern sich vielleicht an unsere, ich glaube, es war die 1. Bordeaux-Folge, wo es dann auch um die Klassifikation von 1855 ging, wo im Grunde genommen festgelegt wurde, was sind die hochwertigsten Weine im Bordeaux, also diese in 5 Kategorien eingeteilte Klassifikation. Und da muss man jetzt auch ergänzen: Sauternes war da auch mit dabei. Ja, also auch diese hochwertigen Süßweine haben da eine Rolle gespielt. Und da muss man sich jetzt noch mal auf der Zunge zergehen lassen: Château d'Yquem, heute noch mit Sicherheit das bekannteste Süßwein-Château der Welt, ist da nicht nur als Premier Grand Cru Classé klassifiziert worden, was ja schon eigentlich das Höchste überhaupt ist, sondern es hat noch einen extra Zusatz erhalten, nämlich: Superior. Ja, und das finde ich wirklich faszinierend. Kein Rotwein aus dem Bordeaux hat diese Sonderstellung. Ja, da ist dann so ein Mouton Rothschild ,die dann von Deuxième zu Premier noch mal aufgestiegen sind usw., alles wunderbar. Ne, ne, Yquem ist einfach Premier Grand Cru Classé Superior und das macht, finde ich, total deutlich, wie wichtig dieser Süßwein aus dem Sauternes in Bordeaux ist.
Michael
00:31:50
Ja und welche Tradition er hat. Denn der Ruhm, der Ruf des Sauternes ist natürlich viel, viel älter als diese Klassifikation. Also ich kann eine Anekdote beitragen. Thomas Jefferson war ja Botschafter in Paris während der Französischen Revolution. Und er hat sich ungeheuer für Wein interessiert. Und er hat eine Spritztour sozusagen ins Bordeaux gemacht und hat ganz genau Buch geführt über die Süßweine, die er getrunken hat. Er hat zum Schluss 220 Flaschen gekauft und 30 übrigens für George Washington mitgebracht.
Cédric
00:32:27
Nicht schlecht.
Tobias
00:32:28
Ja, und das, in der Tat, das war ja dann schon ein bisschen früher. Aber es gibt ja auch nicht nur Sauternes, sondern es gibt ja auch noch andere Süßwein Appellation, ne?
Cédric
00:32:36
Ja, die direkt daran angrenzen, also wie Barsac oder andere. Aber wo das Prinzip, die Rebsorten und die Ernte, die Vinifizierung alle identisch sind. Das ist wie in den anderen Gebieten von Bordeaux. Es gibt natürlich gewisse Teilanbaugebiete, die vom Renommee, der Reputation, der entsprechenden Wertigkeit immer höher angesiedelt sind. Aber das ist ja gerade das Interessante an so Anbaugebieten, ob das Bordeaux ist oder woanders, dass man sich da so ein bisschen damit beschäftigt, um das kennenzulernen. Und es gibt auch ganz, ganz, ganz tolle, ich nenne das mal, Sauternes-Weißweine, die nicht das Label Sauternes, die Appellation Sauternes tragen. Das hat sich fast als generischer Begriff etabliert, Sauternes, sondern die aber aus zum Beispiel Barsac kommen oder anderen. Ja, aber eigentlich kommen wir wieder zu dem Punkt, den ich am Anfang meinte. Das hat alles auch was mit der Gastronomie, mit der Esskultur, mit der Lebenskultur zu tun. Wir haben doch schon so eine kleine Rundreise gemacht. Wir sind übrigens noch nicht komplett durch mit Bordeaux. Es gibt natürlich viele Geschichten um das Thema Rosé in Bordeaux.
Tobias
00:33:47
Oh, Gott sei Dank, die 4. Folge ist gesichert, ich sehe schon.
Cédric
00:33:50
Aber ihr seht doch, dass es für jeden Anlass, für jedes Gericht, für jeden Moment einer Mahlzeit, von Aperitif, Vorspeise, Zwischengericht, Hauptspeise, Käse, Dessert unterschiedlichste Weine geben kann. Und das gibt es zum Beispiel in Bordeaux, wie ich sagte, auch das gibt es in anderen Anbaugebieten, aber alles in einer einzigen Region. Und das macht halt eben auch die Vielfalt von so einer Weinanbauregion wie Bordeaux. Und das macht es umso spannender.
Tobias
00:34:26
Ja, Cédric schwärmt von seiner Heimat.
Michael
00:34:29
Wir hatten ja auch mal eine Einladung von ihm bekommen.
Tobias
00:34:31
Ja, ich wollte gerade sagen, ich weiß auch nicht, was daraus geworden ist, aber ich meine, klar, wenn man aus dem Bordeaux kommt, wie sollte man dann nicht von der Heimat schwärmen? Aber ich fand jetzt noch mal gut, was du sagtest zum Thema Essensbegleitung, dass das so eine große Rolle spielt, weil ich bin ja, Michael weiß das, ich bin ja bei Wein so ein Säurefetischist. Und wenn ich dann höre, Sauvignon Blanc spielt da so eine große Rolle, dann finde ich, passt das zum einen zum Thema Gastronomie, weil ich finde, Weine brauchen natürlich Rückgrat durch Säure, um überhaupt gut Speisen begleiten zu können. Aber natürlich auch beim Thema Süßwein. Also was wäre ein Süßwein mit, ich weiß nicht, was haben die, 150 Gramm Restzucker pro Liter? So ungefähr.
Cédric
00:35:14
In Sauternes, ja.
Tobias
00:35:15
Genau. Was wäre so ein Wein, wenn er nicht ausreichend Säure hätte? Das wäre pappig, das wäre klebrig im Mund. Es würde komplett Spannung und Leben fehlen. Das machen sich ja viele Leute gar nicht so bewusst. Aber wir brauchen, Cédric, von dir jetzt noch mal so zum Schluss, glaube ich, dieser Podcastfolge so praktische Tipps. Ja, also wir wollen ja jetzt unseren Hörerinnen und Hörern nicht empfehlen: Kauft euch jetzt erstmal eine Flasche Yquem, dann wisst ihr irgendwie, wie die Region tickt. Was könnte man denn jetzt Leuten, bei denen wir hoffentlich das Interesse an das weiße Bordeaux geweckt haben, was kann man denen für einen Rat mit auf den Weg geben?
Cédric
00:35:51
Ich glaube, das fängt erstmal damit an, dass, bei vielen Leuten ist es so, dass sie eher lieber Weißwein oder Rotwein trinken. Das heißt, man muss von sich selber wissen okay, habe ich Lust, auch mal so Weißwein aus irgendeiner anderen Region, ob das Bordeaux ist oder eine Region aus Spanien, aus Österreich oder wo auch immer zu entdecken. Und wenn man sich wirklich für Weißwein interessiert, dann ist der 2. Step, dass man, wenn man, zum Beispiel du hattest es gesag, natürlich ist Deutschland geprägt von vielen tollen Weinanbaugebieten, wo Weißwein eine ganz große Rolle spielt, auch weil wirklich da sehr, sehr viel passiert ist in den letzten 20 Jahren. Und viele Winzer und Weinbaubetriebe tolle Weißweine hier in Deutschland machen. Aber die sind eben vom Stil doch anders als in einer Region Bordeaux. Also muss man erstmal die Bereitschaft haben. Wenn man sagt, okay, ich probiere jetzt mal einen Wein aus Bordeaux, dann muss man damit rechnen, das wird anders schmecken als das, was ich aus Rheinhessen, der Pfalz, Baden, der Mosel, aus dem Rheingau kenne, liebe, schätze. Ja, und ich begebe mich, so wie wir es hier verbal am Mikrofon tun, auf die Reise, dann mache ich das auch geschmacklich. Und dann kann ich, glaube ich, so eine Weinreise am Tisch eingehen und einfach mal gucken, wie passt was dazu. Was esse ich gerne an Fisch? Was könnte das richtige Foodmatching sein? Also ich würde sagen, so ein Sauternes auf einen gegrillten Fisch, das würde ich für mich jetzt tendenziell eher nicht probieren, ja, sondern zu einem gegrillten Fisch würde ich eher wirklich so einen schönen Entre-Deux-Mers oder einen Weißwein, zum Beispiel so einen Bordeaux-Weißwein aus dem Graves de Vayres, was übrigens mit Graves Richtung Pessac-Léognan nichts zu tun hat, sondern das Graves de Vayres-Anbaugebiet ist in der Nähe von Libourne, also zwischen Bordeaux und und Saint-Émilion. Aber Graves heißt nichts anderes als „Große Kiesel". Ja, das heißt, also auch da, viele dieser Namen haben was mit der geologischen Herkunft und Identität zu tun.
Tobias
00:37:56
Wie der Gravel Stone.
Cédric
00:37:57
Ja, genau. Und dann muss man sich erkundigen. Und welche Weine haben vielleicht dann ein bisschen mehr Fülle und vertragen ein bisschen Barrique-Ausbau. Und dann kann ich vielleicht auch mal so Gerichte mit weißem Fleisch oder Kalbsgerichte, die wirklich dann auch schon so ein bisschen einen kräftigeren Weißwein dazu verlangen. Das sind so meine Tipps. Und Sauternes natürlich, da komme ich immer in Deutschland auch selber ins Strudeln. Das ist natürlich der in unserer Region oder im Elsass, auch in Ungarn, in Portugal, wo es auch so ähnliche Weine gibt, der perfekte Begleiter für Entenstopfleber oder Gänsestopfleber.
Tobias
00:38:38
Genau da ist sie, die Foie Gras. Da muss man vorsichtig sein, mit dem Thema.
Cédric
00:38:43
Foie Gras ist natürlich in Deutschland immer ein schwieriges Thema. Aber, wenn wir hier drüber sprechen, den Stil der Weine, das Foodmatching, die geschichtliche Herkunft, wieso, weshalb, warum es solche Weine wo gibt, dann muss man ganz offen sagen, das hat damit zu tun. Und deswegen, du warst hier, Michael, vorhin in der Geschichte, in den Geschichtsbüchern unterwegs. Ich glaube, Ludwig der XIV., der sogenannte Sonnenkönig, sagte von Sauternes: „Der König der Weine, der Wein der Könige". Ja, ich glaube, das beanspruchen auch andere Weinanbaugebiete für sich, ich sag mal.
Tobias
00:39:21
Ja, der war auch Champagnerfan, meine ich.
Cédric
00:39:23
Ja, aber wie auch immer. Aber das hat natürlich auch was damit zu tun.
Michael
00:39:27
Ja, ich möchte aber jetzt trotzdem noch mal so eine Lanze für einen Sauternes auch ohne Essen brechen. Ganz zum Schluss. Ihr könnt mich ja gerne abwürgen, aber ja.
Tobias
00:39:35
Ich schalte einfach aus.
Michael
00:39:36
Was man da an Aromatik lernt, an so ein paar Schlückchen, das ist eine Tiefe, das sind Dimensionen. Da finde ich, muss man sehr, sehr lange suchen, wo man was Vergleichbares findet. Und dass das jetzt immer „süß" genannt wird, stört mich ungeheuer. Klar ist das ein hervorstechendes Attribut, aber es ist beileibe eben nicht alles.
Cédric
00:39:56
Ja, und wenn wir schon beim Thema Lanze brechen sind: Ich glaube, wenn der eine oder andere, der uns zuhört, von der Mosel ist oder aus dem Rheingau, der wird natürlich sagen: Jungs, das gibt es nicht nur in Bordeaux, also das ist jetzt keine Besonderheit, die ein Alleinstellungsmerkmal weltweit hat, sondern das zeigt eben, dass es von der weinkulturellen und gastronomischen Seite her seine totale Daseinsberechtigung hat, selbst wenn es nur eine Nische ist. Aber weil es eben nur eine Nische ist, ist es schwierig, auch für die Winzer, nur davon leben zu können. Deswegen hier mein offizieller Appell, mein Aufruf: Kauft euch auch solche Botrytis-Weine nicht nur, um selber mal so was total anderes, aber auch Hochwertiges zu entdecken. Begebt euch auf eine geschmackliche Weinreise und unterstützt damit die Winzer, die viel, viel Zeit, Arbeit investieren in den Ausbau solcher Weinberge und solcher Weine in ihrem Keller.
Tobias
00:41:01
Das finde ich ein hervorragendes Schlusswort, auch wenn es dann vielleicht eine Beerenauslese oder Trockenbeerenauslese wird. Aber auch damit lässt sich leben. Ja, Cédric, vielen Dank. Es hat wieder großen Spaß gemacht. Die Zeit ist verflogen. Ich hoffe, den Zuhörerinnen und Zuhörern geht das auch so. Und du hast jetzt schon die 4. Folge in Aussicht gestellt in Sachen Bordeaux. Das finde ich gut.
Cédric
00:41:22
Der Rosé, genau. Aber als Abschluss kann ich nur alle ermuntern. Wenn man sich damit beschäftigen will, muss man einfach in so eine Region reisen. Ihr habt selber gesagt, eure letzten Bordeauxs, das hatte auch was mit Weinreisen zu tun. Man muss zurück an die Wurzeln dieser Dinge. Und das sollte uns auch ermutigen, auf mein Versprechen zurückzukommen. Was du erwähnt hast, Tobias. Ein Mann sollte versuchen, auch ein Wort zu sein. Und ich lass mich da gerne dran messen und würde mich tatsächlich sehr freuen, weil ich merke schon, ihr habt da viel Spaß an dem Thema. Wenn wir es irgendwann mal schaffen sollten, das hinzukriegen.
Michael
00:42:02
Super! Ich glaube, wir können zwar noch stundenlang weiterreden, aber das Wichtigste ist wohl gesagt. Es bleibt jetzt also nur so eine kleine Verabschiedung und die heißt: Ich freue mich, wenn es das nächste Mal wieder heißt.
Tobias
00:42:14
Bei Anruf.
Cédric
00:42:16
Wein.