Der Wein muss an die frische Luft: Dekantieren und Karaffieren
23.01.2024 25 min Weinfreunde.de
Zusammenfassung & Show Notes
Nur zu gern werden Dekantieren und Karaffieren verwechselt oder die beiden Wörter gleichbedeutend verwendet: leider falsch. Ein weinglasklarer Fall für Michael und Tobias mal aufzudröseln, was sich hinter den hochtrabenden Begriffen verbirgt und was man damit bezweckt. Mit anderen Worten: Welche Weine gehören überhaupt in Dekanter und Karaffe? Ein Podcast mit Bodensatz und viel Sauerstoffzufuhr.
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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken
Transkript
Bei Anruf Wein.
Der Weinfreunde-Podcast.
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde.
Mein Name ist Tobias.
Willkommen bei Anruf Wein.
Ein Wein muss atmen.
Das hört man immer wieder.
Doch wie geht das eigentlich?
Und bringt es wirklich etwas?
Michael und ich erklären im Folgenden dieses luftige Thema inklusive der
wichtigen Unterscheidung zwischen Dekantieren und Karaffieren sowie einer
praktischen Aufklärung zu Sedimenten, Depot und Co.
Praktisch finden Michael und ich auch die Möglichkeit den Bei Anruf
Wein-Podcast auf Spotify und Apple Podcasts zu bewerten.
Nachdem ihr das getan habt, klickt bitte auch auf den Button mit der Aufschrift
„Folgen".
Danke!
Also bleibt mal dran.
Ich ruf den mal an!
Hallo, mein Guter.
Na, hast du es dir schön bequem gemacht?
Nach zwei Außenterminen an der Mosel und in der Pfalz fühle ich mich in meinen
eigenen vier Wänden auch wohler als sonst.
Gerade bei diesem Wetter, das sage ich dir.
Und weil wir heute Bei Anruf Wein einmal mehr eine ganz klassische Wissensfolge
präsentieren.
Ja, das geht mir ähnlich, also das mit dem zu Hause.
Und man muss ja sagen, das neue Jahr geht ja sowieso spannend weiter, also in
Sachen Podcast, so viel darf man dann ja doch auch schon verraten, oder?
Zumindest die nächsten paar Folgen stehen ja schon fest und auf die freue ich
mich auch schon richtig.
Genau, Tobias, geht mir genauso.
Aber lass uns mal im Hier und Jetzt bleiben und uns dem recht nerdig klingenden
Dekantieren und Karaffieren widmen.
Also heute reden wir darüber, was das ist und wann sich was für welchen Wein
empfiehlt.
Knapper geht die Ankündigung der Folge nicht, oder?
Ja, zu knapp, Michael, leider viel zu knapp, denn wir müssen ja von vorne mal
anfangen.
Und vor allem mit dem ganz Offensichtlichen beginnen.
Und das sage ich dir, das könnte für den ein oder anderen direkt geradezu
mindblowing sein.
Genau. Denn pass auf, Dekantieren und Karaffieren sind zwei unterschiedliche
Dinge.
Das muss ich immer ganz deutlich sagen, wird nämlich immer wieder verwechselt.
Und vor allem diese beiden Dinge verfolgen auch verschiedene Absichten.
Ja, also, und du kennst mich ja, da bin ich absoluter Pedant und das hört man
zu häufig falsch.
Und da müssen wir heute mal Aufklärung betreiben.
Uiuiui, heute recht energisch, der Weinlakai.
Nun gut, reden wir erst einmal über die beiden verschiedenen Begriffe.
Also das Karaffieren kommt von der Karaffe, einem ja, wie erkläre ich das
jetzt, flaschenähnlichem Behältnis von
mindestens gleichem Fassungsvermögen wie eine Weinflasche.
Ja, das wäre praktisch.
Und das im Kontext Wein eigentlich immer aus Glas ist.
Also das kann man so sagen.
Also, und das Dekantieren kommt dagegen von dem französischen Verb décanter, was
so viel wie umfüllen, umgießen,
abgießen heißt.
Und schon ist ja das Rätsel eigentlich gelöst.
Ja, da hast du ja wieder gut recherchiert.
Also war ja jetzt klar, dass du wieder mit dem Philologen um die Ecke kommst.
Ich trage dann mal was in Sachen Weinsachverstand bei.
Das macht ja hier sonst sowieso keiner.
Also umfüllen, umgießen, das ist gar nicht schlecht, das gibt schon sehr, sehr
guten Hinweis, denn eigentlich will man ja nur mögliche Ablagerungen in der
Flasche loswerden.
Nichts anderes.
Ja, wir sind beim Dekantieren, nichts anderes.
Ja, das ist der Hauptzweck des Dekantieren.
Und ja, ich glaube, das haben auch schon mal alle erlebt.
Es sammelt sich in der Flasche ein sogenanntes Depot an, das sind sozusagen
Sedimente oder man nennt es auch Bodensatz.
Und ja, aus eigener Erfahrung weiß ich, also das will man später nicht
unbedingt im Glas haben und wird dann, wenn man es übersieht, auch noch
unangenehmer im Mund.
Ja, ja. Wobei das Sediment per se nichts Schlechtes ist.
Das stimmt.
Also gerade bei unfiltrierten und oder älteren Rotweinen findet sich diese
Gratisbeigabe aus der Weinerzeugung, sag ich jetzt mal,
nicht selten. Aber stimmt, wollen wir nicht im Glas haben und noch viel weniger
im Mund.
Aber, das muss jetzt auch noch mal sagen, das sind übrigens alles Farb- und
Gerbstoffe, die bei dem Wein mit der Zeit der Reife
ausfällen. So, also nach unten trudeln, ja.
Ausfällen. Ach, das liebe ich.
Ja, gut. Gut erklärt auch.
Und noch mal zum Thema per se nichts Schlechtes.
Also ich habe auf Weinproben schon Leute erlebt, die auf dem Depot eines Weines
geradezu herumgekaut haben, um den Wein quasi in seiner ganzen
Bandbreite zu erleben, zu erforschen.
Und zu dem eignet sich das Depot angeblich hervorragend auch zum Ansetzen einer
Soße mit Rotwein.
Also allein wahrscheinlich so als farbgebende Komponente.
Na ja, aber so hardcore bin dann selbst ich nicht drauf.
Und wir müssen jetzt eigentlich noch mal zurück zu deinem „nach unten trudeln".
Das ist nämlich ein ganz wichtiger Punkt, denn Weinflaschen werden ja im besten
Fall flach, also sozusagen auf dem Bauch liegend gelagert, also in der
Horizontalen, und entsprechend setzt sich das Sediment eben auch dort in dieser
Bauchkuhle, sozusagen zwischen Flaschenrumpf und Flaschenhals ab.
Und da empfiehlt es sich schon mal generell, die Flasche ein paar Stunden
vorher in die Vertikale zu bringen, damit das Depot zum Flaschenboden wandert.
Das macht einfach generell Sinn.
Und für das Dekantieren, das heißt, wenn man das wirklich gänzlich loswerden
will, umso mehr.
Ja, ja, okay. Bauchkuhle, da hatte ich komische Assoziationen.
Aber Moment mal, ich sage jetzt einfach mal, eleganter, als einfach nur die
Flasche hinzustellen, ist es ja, wenn man sie in so eine Schräglage bringt.
Da hat das endlich mal eine positive Bedeutung.
Dafür gibt es in der gehobenen Gastronomie sogar so was wie einen
Dekantierkorb.
Oh ja, stimmt.
Das kennt man so ein bisschen, ja. Nennt man auch manchmal Dekantierwaage.
Und zwar bei den Geräten, wo du dann sogar die Schräge einstellen kannst, in
der die Flasche da abgelegt wird.
Habe ich gar nicht, so was.
Eieiei.
Ah ja. Wann hast du Geburtstag?
Nee, also das macht jetzt schon was her und verteilt die Sedimente ja
tatsächlich auf einer größeren Fläche.
Das ist später dann für das Dekantieren sehr, sehr hilfreich.
Aber wie das geht, erklären wir gleich noch mal.
Ja, das stimmt. Das fand ich jetzt auch noch mal gut.
Dekantierkorb. Ja, das kommt auf die Wunschliste.
Wir müssen aber noch mal einen Schritt zurückgehen, weil so, wie wir jetzt
geredet haben, klang das irgendwie bisher immer so nach „nur Rotweine werden
dekantiert". Aber man muss unbedingt sagen: nee, nee, nee.
Also auch bei einem gereiften Weißwein ist das wirklich angeraten, denn da geht
es dann in vielen Fällen um Weinstein, also um diese Verbindung von
Weinsäure mit Kalzium und Kalium.
Und auch der, du hast es eben schon so schön gesagt, fällt ja dann gleichfalls
aus und landet sozusagen unten.
Und an dieser Stelle noch mal ausdrücklich gesagt: Das ist kein Qualitätsmakel
oder so was.
Also gerade auch Weinstein, das hat überhaupt keinen entscheidenden Einfluss
auf den Geschmack des Weißweins.
Aber ganz generell gesprochen kann man sagen, auch bei gereiften Riesling oder
einem Burgunder unbedingt schauen, ob auch hier Dekantieren Sinn macht.
Oh Mann, ich habe es heute mit den Assoziationen.
Weinstein, da musste ich dann eben Harvey denken, aber okay.
Aber ich sage jetzt mal, wir sind jetzt mit dem Dekantieren zumindest
theoretisch durch.
Also sobald jetzt deine Sedimente oder das Depot durch das Umfüllen abgetrennt
wurde, alles paletti.
So, jetzt müssen wir aber noch was zur praktischen Umsetzung sagen.
Was muss ich denn bei diesem Umfüllen der Flasche betrachten?
Also wie erkenne ich überhaupt, wann das Depot, also das Zeugs, was ich nicht
haben will, im Flaschenhals erscheint?
Ja, sehr gute Frage.
Und da kann ich nur antworten: Es ward Licht!
Ja. Und ja, es geht um eine Lichtquelle.
Und früher hat man dafür eine Kerze verwendet.
Funktioniert natürlich auch immer noch.
Ich sehe jetzt häufiger so im Hausgebrauch, dass man dann doch eine
Taschenlampe zur Hand nimmt, weil die ist ja ganz praktisch an jedem Handy auch
dran. Und diese Lichtquelle muss man dann so unter dem Flaschenhals platzieren,
dass man sieht, wie der Wein durch selbigen fließt und was sich eben in der
Neige vor dem Hals ansammelt.
Und sobald es droht, dass das Sediment ausläuft, sobald das eben im Licht
erscheint, dann stoppt man ganz schnell das Ausgießen
und sofern man das Depot dann nicht weiterverwenden möchte, also nicht darauf
rumkauen möchte, dann spült man die Flasche einfach kurz mit Wasser aus.
Man muss aber natürlich sagen, in der Gastronomie ist das Dekantieren ein ganz
streng definiertes Ritual.
Also einem Sommelier wäre jetzt meine Beschreibung viel zu salopp gewesen.
Da geht es dann noch um reinweiße, akkurat gefaltete Servietten auf dem
Unterarm und solche wirklich sehr, sehr förmlichen Dinge.
Das musste ich mal für meinen WSET-Level 3, für die Prüfung.
Da musste ich das alles mal lernen.
Aber mit sowas halten wir uns jetzt nicht auf.
Ach, aber den Weinlakai mit Serviette?
Doch, das würde ich jetzt gern schon mal sehen.
Ja, ich sage dir.
Gut, jetzt sind wir wirklich durch.
Okay, Anschließend, muss man dazu sagen, serviert man den Wein entweder aus
dieser Karaffe, oder aber man füllt ihn wieder zurück in die natürlich
ausgespülte, saubere Originalflasche.
Dann können auch alle Mittrinkerinnen und Mittrinker das Etikett begutachten.
So mache ich es zumindest.
So. Ja, und dieses Zurückfüllen in die Flasche macht gleichzeitig eine ganz
wichtige Sache: klar.
Ja, jetzt kommen wir langsam zum Unterschied.
Beim Dekantieren geht es nicht darum, den Wein mit Sauerstoff zu versorgen.
Das ist doch jetzt eine Überleitung für dich, Tobias.
Komm, komm!
Ja, absolut. Denn das haben sich die Zuhörerinnen und Zuhörer bestimmt jetzt
schon die ganze Zeit gefragt: Wie ist das eigentlich mit dem Versorgen mit
Sauerstoff? Das ist doch auch ganz wichtig beim Dekantieren.
Nein, nein, nein, halt eben nicht.
Sondern da sind wir dann beim Thema Karaffieren.
Was mir übrigens eben noch zu dem Thema Depot eingefallen ist, da gibt es
natürlich auch so kleine Siebchen.
Damit kann man natürlich die Sedimente beim Ausgießen auch direkt auffangen,
dann kann man sich Taschenlampe und Kerze usw.
vielleicht auch sparen.
Okay, hier wieder so ein Weinlakai-Hack aus dem Weinlabor.
Tobias, ich Liebe zumindest diese pragmatischer Ader an dir.
Die ja Serviette nicht aus, aber egal.
So, aber kommen wir doch jetzt mal zum Karaffieren und damit zum Dekanter.
So verwirrend es sich auch anhören mag, tut mir leid.
Daher noch mal einmal zum Merken: Beim Dekantieren geht es um das Entfernen
eines möglichen Depots in der Flasche.
Und wie gerade beschrieben ist dies ruckzuck erledigt.
Dagegen geht es beim Karaffieren um die Dauer des Sauerstoffkontaktes mit dem
Wein.
Ja genau. Also das Karaffieren entscheidet letztlich, wie viel Luft ein Wein
zusätzlich eingehaucht bekommt und wie lange diese, ich sage jetzt mal,
künstliche Beatmung durchgeführt wird.
Und das Maß des Sauerstoffkontakts hat viel mit der Formgebung des Dekanters zu
tun.
Da beschäftigen sich dann teilweise Leute wirklich Monate damit, was die
richtige Form ist, insbesondere auch, wie groß dann die Öffnung ist.
Denn die gewählte Dauer an der Frischluft ist dann schon ein bisschen
schwieriger und vor allem letztlich auch Erfahrungssache, wie groß oder klein
der Dekanter ist und eben wie groß oder klein eben auch die Öffnung ist.
Und mit dem Karaffieren, das muss man jetzt noch mal auf den Punkt bringen,
will man den Wein öffnen.
Also man möchte ihn zugänglicher, expressiver und aromatischer machen.
Das ist vor allem wichtig im Kopf zu haben, wenn wir entscheiden, welche Weine
überhaupt karaffiert werden sollen.
Denn ein Luftüberschuss tut ja manchen Weinen eben gar nicht gut.
Insbesondere ältere Semester sollen ja dann jetzt nicht irgendwie
zwangsoxidiert werden.
Also das wäre dann wirklich der Tod eines Weines.
Ja, ja, ja. Jetzt bremse ich dich mal ein bisschen, ja, und ich will noch einmal
nachschieben, wie das Ganze jetzt konkret funktioniert.
Also der Wein aus der Flasche wird in einen Dekanter umgefüllt, haben wir
erzählt, eventuell nachdem er dekantiert wurde.
So viel Wortwitz muss jetzt erlaubt sein.
So, und dieses Behältnis, der Dekanter, sorgt dafür, dass mehr Sauerstoff an
den Wein kommt.
Einfach, indem die Oberfläche des Weines mit Luftkontakt viel größer ist.
Das ist jetzt wieder so eine Bauchfrage.
Ja, Tobias, also die ist viel größer und es findet mehr Austausch mit
Sauerstoff, mit Luft statt.
So, wenn man das so will, ist es eigentlich genau das, was auch passiert oder
was man erreichen will, wenn man sein Weinglas so ein bisschen schwenkt, oder?
Ja, in gewissem Sinne ja.
Allerdings schafft das Karaffieren mehr.
Mehr als das bloße Öffnen der Flasche oder auch das Schwenken im Glas.
Letztlich kann man den Wein auch im Dekanter noch mal schwenken, um noch mehr
Luftkontakt herbeizuführen.
Und beide Anforderungen bestimmen Größe und Form des Dekanters.
Aber nur mal so by the way, eine Karaffe?
Wir sprechen ja von karaffieren, eine Karaffe ist, glaube ich, nur so ein
Behältnis zum Ausschenken.
Deswegen benutzt man, glaube ich, keine Karaffe beim Karaffieren.
Habe ich mir das richtig gemerkt?
Ja, aber wieso heißt es dann Karaffieren, wenn man es in den Dekanter tut?
Ich glaube, da müssen wir noch mal eine Folge irgendwie machen.
Es ist schwierig. Wir versuchen die richtigen Begriffe zu nutzen.
Wir brauchen eine Eselsbrücke, irgendwie.
Ja, genau.
Und genau, wir haben ja schon über den Dekanter und die Form gesprochen.
Wie viel Oberfläche für den Luftaustausch bietet er?
Wie sehr verjüngt er sich zur Öffnung hin, um dann auch das Schlabbern beim
eventuellen Schwenken des Weins zu unterbinden?
Und ich habe es ja vorhin schon gesagt, deshalb gibt es einfach total viele
Dekanter-Designs.
Manche sind wirklich fürchterlich hässlich und andere sind sehr, sehr
formschön.
Und das ist auch, finde ich, ein gutes Stichwort, weil hier sollte man
unbedingt beachten: Form follows function.
Also beim Weinkaraffieren und der Auswahl der Dekanter auf jeden Fall.
Okay, okay, der Designexperte, wunderbar.
Ich gehe noch mal zurück in die Philologie jetzt, pass auf.
Dekanter, ja, das kommt eigentlich von dem lateinischen Wort cantus.
Und das bezeichnet den Schnabel.
Oder wir würden heute sagen, die Tülle eines Kruges oder Gefäßes.
Und dieser Schnabel erleichtert natürlich das Eingießen, indem er den Strahl
feiner und stärker macht, verhindert aber auch das Kleckern, was
du eben angesprochen hast, weil die Verengung beim Schwenken allen Schwung nach
oben schwerkraftmäßig ausbremst.
Also so ein bisschen wie so eine Schnabeltasse.
Weißt du, was ich meine?
Ja, super Vergleich, Schnabeltasse.
Und ich hänge auch immer noch irgendwie bei dem Strahl und Mittelstrahl, aber
na ja.
Also ich glaube, alle wissen jetzt, was du meinst.
Lass uns jetzt lieber noch mal darüber reden, welche Weine überhaupt für das
Karaffieren infrage kommen, denn es sind eben, das hatten wir ja schon, nicht
unbedingt die bereits lange gereiften Weine, die diesen Anschub immer
benötigen, die haben ja schon viele Jahre dann meist durch den Korkenverschluss
oder moderne Schraubverschlüsse auch so vor sich hin mikrooxidiert.
Und gerade bei den Kalibern muss man eben feinfühlig vorgehen.
Zu viel Luft kann solchen Wein geradezu das Rückgrat brechen.
Da fällt alles auseinander und alle Balance ist dahin.
Und ja, wenn man dann auch noch so einen sherryartigen Oxidationston hat, dann
ja, dann ärgert man sich unter Umständen ziemlich.
Genau, denn bei Altweinen sollte man erst einmal Vorsicht walten lassen.
Also ich habe letztens so einen 1999er Reserve aus dem Anbaugebiet Terra Alta
getrunken, also Spanien, und den vorab
nur dekantiert.
Hatte er aber auch echt nötig.
So, also da wäre aber Karaffieren gar nicht gut gewesen, weißt du?
Also der Wein mit ein bisschen mehr Luft, der hat da wirklich klar abgebaut.
Wirklich schade.
Ja, kann ich mir vorstellen.
Aber jetzt nur mal hier für die Seele; keine Sorge, wir haben einfach den Wein
ein bisschen schneller getrunken, um, ja, um ihn in seiner ganzen Pracht zu
retten. Ja, da haben wir uns eingesetzt.
Richtig aufgeopfert, ja.
Also noch einmal: nein, nein.
Also nicht alle gereiften Weine reflexartig zum Karaffieren in den Dekanter
stecken.
Bitte, bitte, bitte.
Sondern, ich sag mal, Respekt vor dem Alter zeigen.
Ja, ja, das ist dir ja ganz wichtig.
Aber wie triffst du eigentlich diese Entscheidung?
Ja, ganz, ganz pragmatisch eigentlich.
Also ich mache da ausnahmsweise mal nicht so eine wahnsinnige Wissenschaft
draus.
Wenn es um gereifte Exemplare geht, ja, bin ich vorsichtig auf jeden Fall.
Und das mache ich eigentlich so: Ich öffne die Flasche ein paar Stunden, bevor
sie getrunken werden soll, probiere dann direkt schon einen ganz kleinen
Schluck, um so ein bisschen den Status quo rauszufinden.
Und ja, wenn ich das Gefühl habe, alles ist soweit in Ordnung und der ist
eigentlich schon trinkbereit, dann lasse ich die geöffnete Flasche einfach
stehen. Und dann probiere ich vielleicht nach einer Stunde noch mal, um da
einen Vergleich zu haben.
Also hat er sich jetzt mit so einer ganz geringen Menge Sauerstoff schon
irgendwie entwickelt oder ist er gleich geblieben und ich habe vielleicht sogar
das Gefühl, ja, er zeigt sich schon verschlossen, zeigt kaum Aromatik.
Dann eigentlich entscheide ich erst so, jetzt muss der in die Karaffe bzw.
In den Dekanter zum Karaffieren, weil da kann man dann wirklich so eine Art
Schnelldurchgang-Reife mit der Luftzufuhr bewirken.
Das gilt unbedingt auch für Weißweine.
Also auch hier noch mal ganz, ganz klar unterstrichen, so ein Riesling, großes
Gewächs, aus einem aktuellen, neuen Jahrgang, muss man eigentlich fast immer mit
ordentlich Luft versorgen.
Da gibt es dann sogar Leute, die machen so verrückte Sachen wie, ich glaube,
das gibt es nur in Englisch, das Wort, splash-decanting.
Also die schütten das dann so richtig mit Wucht in den Dekanter rein, damit
wirklich auch schon durch das Ausschütten noch mal so viel Luft durch den Wein
geht. Ja, das mache ich jetzt nicht so, weil ich immer Angst habe, dass der
Wein irgendwie dadurch auch zu Schaden kommt.
Aber genau, man muss sich da einfach so ein bisschen rantasten und auch
Erfahrungen sammeln, natürlich.
Okay, Splash, das ist gut, da kann ich so eine kleine Anekdote zu beitragen.
Ich war mal bei einer Verkostung von, wie sage ich jetzt mal, naturbelassenen
Weinen oder vin naturel oder wie immer du jetzt diese Weine nennen willst.
Und da gab es so ein paar echte Stinker in der Flasche, weißt du?
Du hast da gerochen und den auch ins Glas bekommen und hast gedacht, oh Gott, oh
Gott, oh Gott.
Also die waren ohne ein deutliches Mehr an Luft einfach nicht trinkbar.
Ende, aus.
Ein Sponti-Stinker.
So, das wussten die Leute, die die Weine präsentieren, allerdings auch.
Und die gingen total rabiat mit diesen Weinen um.
Ja, rein in den Dekanter und dann war das kein Schwenken des Weines, sondern
das war so ein wildes Durchschütteln, fast
gewalttätig. Ja, unglaublich.
Also so grob habe ich das nie wieder gesehen.
Eieiei. Ja, diese Naturweinjünger, ne?
Da war ja mein splash-decanting noch irgendwie so eine ganz schonende
Geschichte.
Aber wie ich dich kenne, hast du wahrscheinlich den Wein ganz mitleidlos
getrunken.
Also wahrscheinlich war das dann auch egal.
Und der Stinker war dann wirklich weg, oder was?
Der war zum Großteil weg.
Ja, okay. Sehr, sehr vorsichtig jetzt ausgedrückt.
Zumindest der Effekt war verblüffend. Es war ein riesiger Unterschied.
Ja okay, alles klar.
Ja, und das waren jetzt natürlich schon so Extrembeispiele.
Also eigentlich sollte ja beim Karaffieren so eine gewisse Achtsamkeit gefragt
sein und da gibt es auch ganz schönes Zubehör.
Ist mir gerade noch eingefallen.
Ich habe zu Hause im Schrank so ein Ding, das heißt Aerator, ja, das ist so ein
Aufsatz.
Das kannst du im Grunde genommen auf die Öffnung des Dekanters stecken.
Und wenn du dann den Wein in den Dekanter schüttest, wird dieser Wein durch
dieses Gerät geleitet und da gibt es dann durch so einen Innenluftstrom, so
eine Verwirbelung und der Wein wird direkt beim Ausschenken noch zusätzlich mit
Sauerstoff belüftet.
Das ist dann auch so ein bisschen so eine Quick-and-dirty-Version, aber
wahrscheinlich besser, als Dekanter irgendwie hoch- und runterschütteln oder
splash-decant oder sonst irgendwas.
Und die Dinger gibt es dann im Übrigen auch schon mit so einem Siebeinsatz.
Und ja, kann man eigentlich irgendwie so dekantieren, karaffieren direkt
irgendwie in einem erledigen.
Finde ich sehr praktisch.
Okay, quick and dirty.
Also schon das Wort Aerator erinnert mich eher an Hygiene, sage ich mal, weißt
du?
Ja, dann solltest du die nicht die Form von den Dingern angucken.
Okay. Aber wollen wir denn beim Wein wirklich quick and dirty?
Weißt du, der ist gewachsen, der ist gereift, über Jahre hinweg.
Ja, das stimmt.
Mein Gott, da kann man sich beim Trinken doch auch ein wenig Zeit nehmen.
Zumal, ich finde das ja immer total spannend, wie sich Weine im Verlauf eines
Abends zum Beispiel entwickeln.
Total
Oder sogar, wie die sich dann am folgenden Tag zeigen.
Ich glaube, da haben wir schon mal drüber gesprochen in der Folge über
Haltbarkeit, ja?
Ja, genau, richtig.
Ja, Haltbarkeit. Okay, dann mache ich jetzt einfach mal Stopp hier.
Das kommt aber jetzt sehr überraschend, also auch noch freiwillig Stopp.
Also das kann ja bei dir nur heißen, dass dir jetzt nichts mehr einfällt und ich
mal wieder das letzte Wort habe.
Sehr gut. Also, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir danken für eure
Aufmerksamkeit bis an dieser Stelle und würden uns natürlich freuen, wenn ihr
uns mit Likes und Sternchen und Kommentaren unterstützt.
Ihr wisst ja mittlerweile, wie das geht.
Oder? So ungefähr, Michael?
Ohne Zweifel, Tobias, ohne Zweifel.
Und dabei hast du noch die Mails vergessen, die man uns schreiben kann.
Oh, stimmt.
Nämlich an podcast@weinfreunde.de.
Also wir freuen uns über Kritik, aber natürlich noch viel mehr über Lob und
Anregungen für neue Podcastfolgen.
Ansonsten sage ich mal, bleibt uns treu, bis es beim nächsten Mal wieder
heißt...
Stopp, Jetzt noch mal kurz, ne?
Was?
Wir haben die Merksätze vergessen.
Wir wollten noch zum Schluss immer noch mal so eine kleine
Schnell-Merk-Mini-Lektion zur Folge liefern.
Und da kann es eigentlich ja heute nur zwei geben, nämlich, Michael?
Dekantieren. Das ist das Umschütten des Weines in ein anderes Gefäß, um das
Depot, oder auch Bodensatz genannt, abzutrennen.
Daneben gibt es aber noch, werter Tobias?
Das Karaffieren.
Das meint die bewusste Sauerstoffzufuhr mittels Dekanter, um den Wein,
insbesondere wenn er jung ist, schnell reifen zu lassen sozusagen und dadurch
zugänglicher und aromatischer zu machen.
Okay, also Merksätze auch abgehakt.
Darf ich jetzt?
Check. Genau. Ja, sicher doch.
Also, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, bleibt uns wohlgesonnen, bis es beim
nächsten Mal wieder heißt.
Bei Anruf.
Wein.
Tobias
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Michael
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Tobias
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Michael
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Michael
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Tobias
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Tobias
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Michael
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Michael
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Michael
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