Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Die Côtes-du-Rhône und der Papst

27.04.2021 30 min Der Weinfreunde Podcast

Zusammenfassung & Show Notes

In der ersten Folge von „Bei Anruf Wein“ gehen Michael und Tobias auf Weinreise an die Côtes-du-Rhône. Die beiden wissen einiges über die drittgrößte Weinregion Frankreichs zu erzählen, denn sie waren oft gemeinsam dort und haben die Weine schon lange ins Herz geschlossen. Sie klären in dieser Folge des Weinfreunde Podcasts unter anderem die Frage, wofür die drei Buchstaben GSM stehen, und was der Papst mit dem prestigeträchtigen Châteauneuf-du-Pape zu tun hat.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:10
Liebe Weinfreunde, mein Name ist Tobias. Ich begrüße euch Bei Anruf Wein. Der ein oder andere hat vielleicht schon die Folge 0 gehört, das war ja so eine Art Über uns. Wir haben über den Podcast als solches gesprochen, wir haben verraten, wer hier hinter den Mikrofonen sitzt. Und ja, vielleicht, wer das noch nicht gehört hat, kann das ja nachholen. Jetzt geht es also mit der 1. offiziellen Folge los und Michael und ich wollen uns auf Weinreise begeben, und zwar an die südliche Rhône Frankreichs, eine Region, die uns beiden extrem am Herzen liegt. Und da werden wir unter anderem die Frage klären: Was hat eigentlich der prestigeträchtige Châteauneuf-du-Pape mit dem Papst zu tun? Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:06
Hallo Tobias, heute geht es ab in den Süden.
Tobias
00:01:09
So sieht es aus, Michael. Ich habe gerade schon in der Anmoderation gesagt, wir gehen jetzt auf Weinreise an die südliche Rhône. Ja, du bist unser Geografie-Experte. Sag mal, wo sind wir da jetzt eigentlich?
Michael
00:01:21
Ich nehme euch einfach mal mit auf die Autobahn, würde ich sagen. Wir fangen an in Lyon. Das kann man ja eigentlich ganz gut einordnen. Und wir fahren von Lyon runter Richtung Mittelmeer. Das ist, glaube ich, die berühmt-berüchtigte „Route du Soleil", die A7. Und zuerst durchqueren wir die nördliche Rhône. Heute nicht unser Thema, vielleicht später mal, und nachdem wir Valence passiert haben, kommen wir auf das Gebiet der südlichen Rhône.
Tobias
00:01:48
Okay, bei der Autobahn A7, hui, da muss ich immer ein bisschen schlucken, weil da stand ich schon richtig böse im Stau. Das ist jetzt verkehrstechnisch häufig nicht so die beste Strecke, vor allem in den Urlaubszeiten.
Michael
00:02:00
Nein, aber dir hilft die Autobahn. Man fährt den ganzen, ganzen langen Teil dieser Autobahn entlang der Rhône. Und da kann man nämlich noch direkt eine nächste Unterscheidung mitnehmen für unseren Weinbereich. Es gibt nämlich Gebiete, die links Rhône und rechts der Rhône liegen. Und damit wir uns hier alle richtig verstehen, wenn man von links und rechts bei Flüssen redet, guckt man immer von der Quelle in Richtung Meer, in Richtung Mündung, also in diesem Fall in Richtung Mittelmeer.
Tobias
00:02:27
Ja, das Thema kenne ich so ein bisschen aus dem Bordeaux, da gibt es ja auch irgendwie linkes und rechtes Ufer, Aber auch das wird wahrscheinlich mal eine spätere Podcastfolge, ähnlich wie die eben von dir schon genannte nördliche Rhône, denn da geht es hauptsächlich um reinsortige Rotweine aus Syrah. Da wird dann ab und an sogar noch mal was bei gemixt, nämlich Weißwein, ne?
Michael
00:02:49
Ja, da kommt gelegentlich ab und zu auch mal ein bisschen Viognier noch rein, um so ein bisschen Frische und Säure dazu zu tun. Ist da auch explizit erlaubt, gehört da zu der Stilistik. Aber ich glaube, wir verfransen uns jetzt an der Stelle und wir machen wieder mal den Sprung in den Süden. Wir wollten ja an die südliche Rhône eigentlich, oder?
Tobias
00:03:08
Ganz genau. Ja, und da gibt es ja schon auch so eine Stadt, die so gewissermaßen das Zentrum der Gegend ist. Und das ist Avignon.
Michael
00:03:16
Ja genau, um die geht es. Das ist die Papsthauptstadt. Das wird gleich noch mal eine Rolle spielen. Aber Avignon ist sozusagen die Hauptstadt der südlichen Côtes du Rhône.
Tobias
00:03:26
Genau. Und jetzt muss man ja erst noch mal überlegen, Côtes du Rhône ist ganz schön groß. 70.000 Hektar habe ich mir auf meinen Spickzettel geschrieben. Wenn man überlegt, ganz Deutschland hat etwas über 100.000 Hektar Rebfläche, dann merkt man schon, oh Herr, ist jetzt kein kleines Gebiet. Und ja, da muss man ganz klar sagen, dafür gibt es Gründe. Und zwar ziemlich gute Gründe. Angefangen beim Klima.
Michael
00:03:50
Ja, angefangen beim Klima. Also wir haben ungeheuer viele Sonnenstunden, wir haben ein trockenes Klima und wir haben noch einen ganz besonderen Umstand, und der heißt Mistral.
Tobias
00:04:02
Oh ja, der wirklich ordentlich kühle und auch teils sehr, sehr starke Wind. Als ich das 1. Mal im Mistral Wind stand, habe ich echt gedacht, das kann nicht wahr sein. Man kommt eigentlich aus einem warmen, schönen Wetter, biegt irgendwie um die nächste Kreuzung oder steht plötzlich irgendwie auf dem Weinberg und der pustet einen dermaßen durch, und zwar eiskalt. Das ist schon was Besonderes.
Michael
00:04:28
Ja, aber es ist, wir haben ja darüber gesprochen, was ist gut für den Wein? Dieser Mistral ist fantastisch für den Wein. Weil erstens kann er auch mal die Temperatur senken, wenn es zu heiß ist, zweitens sorgt er dafür, dass alles schön trocken bleibt, wenn es auch mal geregnet hat, und drittens ist sogar er dazu förderlich, sozusagen die Trauben in ihrer Entwicklung am Anfang ein wenig zu hemmen im Frühjahr, und dadurch wird die Gefahr, dass sie von Frost nochmal bedroht werden, deutlich geringer.
Tobias
00:04:58
Also eigentlich wie so ein Riesenföhn. Also mir hat ein Winzer auch mal gesagt, gerade in der Erntezeit, wenn es da Niederschlag gibt, ich glaube, das kennt jeder Winzer, dann ist das richtig doof, weil man möchte die Trauben auf keinen Fall nass ernten, weil das ja tatsächlich dann irgendwie die Maische verwässern würde. Und da ist natürlich so ein Wind klasse, weil der dann es noch mal schafft, selbst in so einer Ernteperiode die Trauben wieder trocken zu kriegen.
Michael
00:05:26
Ja, bei dem Mistral handelt es sich um einen sogenannten Fallwind. Und wenn man jetzt fragt: Wohin fällt er denn? Er fällt quasi das gesamte Tal der Rhône hinunter. Er wird wie in einer Wanne dieses Rhônetal entlanggeführt, und dadurch gewinnt er auch diese Stärke. Und das ist eigentlich auch eine gute Erklärung. Wenn wir uns jetzt mal erdgeschichtlich ein wenig in die Vergangenheit bewegen, dann gibt es diese Wanne auch für Gletscher. Die Gletscher aus dem Norden fließen hinunter Richtung Mittelmeer, formen das Rhonetal und stiften eigentlich die Geologie, stiften die Böden, über die wir heute reden.
Tobias
00:06:06
Ja, das ist eine sehr, sehr gute Überleitung zum Thema Boden gewesen, denn auch der ist ja in der Gegend besonders. Und zwar ist er wirklich auch besonders augenfällig, denn da liegen ja auf vielen Weinbergen riesen Kieselsteine, also jetzt nicht irgendwie so kleine, wie wir das von hier vielleicht auch ab und an kennen, sondern das sind teilweise richtige Wacker. Ich habe am Anfang wirklich gedacht, das haben die da extra hingelegt. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, dass das sozusagen so ein Überbleibsel eines urzeitlichen Meers oder Gletschers ist. Aber auch da, ähnlich wie auch beim Mistral, helfen die Steine beim Weinbau.
Michael
00:06:45
Erstens helfen sie und zweitens lernen wir noch was über Weinbau. Also früher wurde Wein ja vor allen Dingen dort dann angebaut, wo nichts anderes mehr ging, wo es zu trocken, zu steinig, zu karg war. Eigentlich alles Qualitäten, die wir heute sehr schätzen an guten Wein. Das muss man mal dazu sagen. Jetzt zu den Gallais, zu diesen großen Kieseln, die haben verschiedene...
Tobias
00:07:07
Ganz kurz noch mal! Wie? Du hast gerade Gallais gesagt. So heißen die, oder was?
Michael
00:07:10
Ach so, Entschuldigung, ja. Diese großen Kiesel, die dann die Böden bedecken, das sind die Gallais. Und die haben verschiedene, gute Funktionen. Also, zum einen halten sie den Boden fest. Wir haben eben schon über den Mistral gesprochen, bevor da was weggeweht wird, bei diesen Kieseln weht nichts weg. Das andere, sie sind sozusagen temperaturausgleichend. Sie nehmen Hitze am Tag auf und bewahren den Boden vor einer Überhitzung. Und gleichzeitig geben sie dann in der Nacht wieder ab und es sorgt für moderate Temperaturen.
Tobias
00:07:44
Tja, also das hätte sich irgendwie ein Winzer kaum besser einfallen lassen können. Also es wundert immer weniger, dass das so eine populäre Weinregion ist, weil alles irgendwie genau darauf ausgerichtet ist, den Reben irgendwie ein schönes Dasein zu bereiten.
Michael
00:08:00
Ja, also wenn man das anekdotisch wiedergeben will, es gibt eine Appellation dort, die heißt Plan de Dieu. Und das kann man jetzt in zweierlei Hinsicht aus dem Französischen übersetzen. Entweder behauptet man, das war der Plan Gottes, dass da so gut für den Wein einzurichten, oder man sagt etwas nüchterne, es ist einfach die Ebene Gottes.
Tobias
00:08:20
Und dieser ganze Bezug zur Kirche und auch zu den Päpsten, die wir schon haben anklingen lassen, die führen wir ja später sowieso auch noch mal etwas ausführlicher aus. So, aber jetzt müssen wir mal ein bisschen konkreter werden. Jetzt müssen wir ja mal darüber sprechen. Was wird da eigentlich für ein Wein angebaut? Was sind das für Rebsorten und wie schmecken die Weine überhaupt? Fangen wir doch mal bei dem Ersten an. Rebsorten, was ist da das Typische?
Michael
00:08:47
Also wiederum lustig formuliert, dass Rebsorten-ABC an der südlichen Rhône heißt GSM, und das steht für Grenache, Syrah Mourvèdre. Das ist ein Großteil der Produktion, das macht einen Großteil der Cuvées aus. Wolltest du nicht nachschauen, wie viel das genau ist?
Tobias
00:09:05
Ja, genau. Also Grenache, Syrah und Mourvèdre, die 3 Rebsorten machen 86 % der Weinproduktion an der südlichen Rhône aus. Das macht also den Stellenwert dieser Rebsorten extrem deutlich. Und jetzt von der nördlichen Rhône kommend mit dem Syrah als reinsortige Weine, ja, ist hier jetzt erst mal das Auffällige, wir sprechen über Cuvées und diese Cuvées enthalten in der Regel diese 3 Rebsorten. Aber ja, häufig auch nicht nur, ne?
Michael
00:09:35
Nein, es gibt noch, was noch bekannter ist, ist der Cinsault und der Carignan. Und wenn man diese Wissenschaft vertiefen will, dann müsste man in einige Châteauneuf-du-Pape-Weine hineinschauen, weil die sind bekannt dafür, dass die im Sinne von Cuvée sozusagen das Meisterstück der Region sind.
Tobias
00:09:53
Ja genau, also insgesamt sind es 23 Rebsorten, die zugelassen sind. Da sind natürlich auch ein paar Weiße dabei, also Grenache Blanc und Clairet, das sind so die weißen Rebsorten der Region. Daraus entstehen auch wirklich gute Weißweine. Und ja, von der nördlichen Rhône sind noch so Rebsorten wie Viognier, Roussanne, Marsanne nach unten geschwappt, haben aber jetzt auch nicht so eine wirklich riesige Bedeutung. Vielleicht noch mal zu diesem GSM. Das ist ja mittlerweile sogar ein weltweiter Erfolg. Also selbst Winzer in Australien machen GSM-Cuvées. In Kalifornien gibt es da ja sogar auch so eine Bewegung, ne?
Michael
00:10:30
Ja, ja, es gibt ja die berühmt berüchtigten Rhone Rangers, die sich dann mit ihren Weinen genau an solchen Dingen orientieren und dann eben auch GSM dort in Kalifornien versuchen. Hochinteressant. Kann ich jetzt einfach nur mal empfehlen. Aber ich will jetzt nicht nach Übersee reisen, sondern ich will einfach in der Nähe von Avignon bleiben. Und wie kann man denn eigentlich diese Weine beschreiben? Was macht den besonderen Charakter eigentlich dieser Weine aus für dich jetzt?
Tobias
00:10:57
Eine sehr gute Frage und der Antwort muss man eigentlich vorausschicken, GSM heißt ja nicht umsonst und nicht SGM oder SMG oder sonst irgendwas, weil es auch ein bisschen den Prozentsatz oder die Bedeutung der jeweiligen Rebsorte deutlich macht. Will meinen, G, Grenache ist in diesem Cuvées eigentlich immer am meisten drin. Immer sozusagen dann gefolgt durch Syrah und Mourvèdre ist dann nur noch ein kleinerer Teil. Vielleicht ganz kurz noch der Exkurs Wenn ich noch südlicher gehe und ich gehe ins Languedoc-Roussillon, dreht sich dann das Ganze. Die Weine sind Syrah-geprägt und dann kommt erst, sage ich mal, der Cuvée-Partner Grenache dazu. Also hier an der südlichen Rhône kann man sich merken: Immer am meisten Grenache. So, was bedeutet das jetzt konkret für die Weine? Spiele ich dir jetzt vielleicht direkt noch mal den Ball rüber, weil ich jetzt schon so lange erzählt habe.
Michael
00:11:53
Grenache ist Frucht, es sind Kirscharomen. Der Syrah bringt eine Würze, man sagt ja oft, so eine Pfeffrigkeit mit rein. Der Mourvèdre bringt eine schöne Farbe mit rein. Das kann man sich direkt im Glas ohne Riechen, ohne Schmecken mal bewundernd anschauen. Hilft aber auch bei der Struktur der Weine. Das heißt, dieses Gesamtpaket, wie man heutzutage sagt, wird durch diese 3 Rebsorten ganz prima abgedeckt.
Tobias
00:12:18
So, und dann ist da ja neben dem Pfeffrigen von dem Syrah noch so eine andere würzige Komponente, die man erst mal gar nicht erklären kann. Also das hat was Kräuteriges, so ein Gewürzton, den man in ganz, ganz vielen dieser GSM-Cuvées findet, insbesondere dann auch in den Châteauneuf-du-Papes. Und ich habe auch das Gefühl, je gereifter so ein Wein aus der Gegend ist, desto stärker kommt das raus. Und ja, das hat auch was mit der Region zu tun.
Michael
00:12:48
Mit der Region und vor allen Dingen mit der Vegetation. Man unterscheidet ja bei Weinen verschiedene Arten von Aromen. Wo kommen die her? Ein Teil der Aromen kommt natürlich direkt von den Rebsorten selber, von den Trauben, der Boden spielt eine Rolle, aber auch die Umgebung spielt eine Rolle. Und ich glaube, darauf wolltest du jetzt hinaus. Es geht um den Garrigue-Ton. Und Garrigue bezeichnet eigentlich so eine Art Vegetationsform. Das ist so eine Art Buschlandschaft mit vielen, wir würden jetzt sagen Kräutern, mit kräutigen Pflanzen. Ich sage mal, Rosmarin spielt eine Rolle. Thymian spielt eine Rolle, Lavendel spielt eine Rolle, Estragon spielt da. Also diese wachsen dort da und anscheinend stiften diese Pflanzen ein ganz besonderes Aroma im Wein.
Tobias
00:13:33
Ja, das ist schon verrückt. Liest man auch immer wieder in Verkostungsnotizen, Garrigue-Töne und würzige Aromen, die eben dann auch an die eben genannten Kräuter erinnern.
Michael
00:13:44
Aber jetzt sind wir sehr auf die Rotweine aus, ich persönlich ja auch immer, aber trotzdem der lieben Ordnung halber: Wie sieht es mit Weißwein an der südlichen Rhône aus?
Tobias
00:13:55
Genau, Wir hatten ja gerade schon was zu den weißen Rebsorten gesagt. Und ja, so stilistisch kann man sagen, klar, auch das sind fruchtbetonte Weißweine, einfach durch die klimatischen Bedingungen. Und es sind jetzt auch eher welche, die in Sachen Säure etwas moderater sind. Das ist jetzt nicht vergleichbar mit einem deutschen Riesling oder sowas in der Richtung. Das sind gefällige Weißweine. Ich finde die Klasse zu trinken, geraten aber automatisch immer so ein bisschen in den Hintergrund, weil eben ja die Gegend schon für Rotweine steht. Jetzt lass uns mal, Michael, doch zu dem etwas trockeneren Thema kommen, wenn man es so nennen mag. Die haben ja da auch einen Appellationssystem, also so Qualitätsstufen. Dazu müssen wir jetzt, glaube ich, auch was erzählen.
Michael
00:14:39
Ja, die Einstiegsqualität ist der ganz einfache Côtes du Rhône. Das steht dann auch immer auf der Flasche drauf. Aber das können rein theoretisch Weine sein, die sowohl von der nördlichen als auch der südlichen Rhône kommen, weil es bezeichnet eigentlich das gesamte Gebiet. Geht man jetzt eine Stufe nach oben, manche sagen, es ist auch nur eine halbe Stufe, muss man über die Dörfer gehen. Denn hinzu kommt jetzt das schöne französische Wörtchen Village, das steht für Ortschaften, für Dörfer. Das heißt, Weine von dort, die Côtes du Rhône Village draufstehen haben, sind schon etwas besser. Ich weiß nicht, Tobias, ist der Vergleich zu den Ortsweinen des VDPs, ist der verkehrt, falsch?
Tobias
00:15:24
Ja, so halb, einfach aufgrund einer Tatsache. Die Franzosen an der Cotes du Rhône machen es uns jetzt noch so ein bisschen schwierig, denn auf die Qualitätsstufe Côtes du Rhône Village folgt Côtes du Rhône Village mit der Berechtigung, den Ortsnamen zu führen. Ach, wie gerne ich das immer los werde. Will einfach meinen, auch da steht drauf Côtes du Rhône Village, aber diese Gemeinden, und das sind dann nur noch 20, die sind berechtigt, noch zusätzlich den Namen ihrer Gemeinde mit aufs Etikett zu packen. Und das ist dann tatsächlich, sage ich mal, wie auch ein VDP Ortswein in Deutschland, wo ja auch immer der Ort mit auf dem Etikett draufsteht. Ich habe jetzt gerade gesagt, es sind nur noch 20 Gemeinden, weil der normale Côtes du Rhône Village stammt immerhin noch aus 95 Gemeinden. Ja, und dann sagt man ja so schön, darüber folgt nur noch der bestirnte Himmel. Erzähl uns mal von dem.
Michael
00:16:21
Ja, das sind die sogenannten Crus von der südlichen Rhône. Um das jetzt mal logisch zu erklären, das sind Weine von der Rhône, aber die Rhône gar nicht mehr draufschreiben, weil der Name ihrer Einzel Appellation so bekannt ist, dass sie das nicht nötig haben. Und tatsächlich, wenn man sich diese Namen vorhersagt, dann klingt das für mich schon fast wie Poesie, oder?
Tobias
00:16:45
Ja, und diese Einzelappellation, diese Cru-Appellationen, das sind dann auch nur noch 9. Und das sind dann so Namen wie Gigondas, Lirac, Vacqueyras, Vinsobres, Beaumes de Venise, Rasteau. Also man hört schon, das ist, glaube ich, die angesprochene Poesie. Und da gibt es dann auch noch eine Appellation, die ist noch mal was ganz Besonderes.
Michael
00:17:06
Das ist Tavel. Tavel ist eine Appellation, die ist exklusiv für Roséwein vorbehalten und liegt, nur für Klugscheißer wie mich, am rechten Ufer der Rhône, genau wie Lirac. Und die anderen großen Appellation, die du eben so schön vorgetragen hast, liegen alle auf der linken Seite. Aber zu Tavel muss man sagen, das ist oft unterschätzt, weil das sind ganz, ganz tolle Rosés, die auch ein bisschen mehr Struktur mitbringen und als Essensbegleiter taugen und eben nicht so leicht sind wie die Brüder aus der Provence.
Tobias
00:17:38
Also nicht so ein Swimmingpool Rose mit leicht rotfruchtigen Bonbonaromen, sondern wirklich richtig, richtig ernstzunehmende Weine. So, aber wir haben jetzt den größten Namen eigentlich noch die ganze Zeit für uns behalten. Jetzt müssen wir mal raus mit der Sprache. Wir müssen über Châteauneuf-du-Pape sprechen.
Michael
00:17:59
Wir reden über Châteauneuf-du-Pape und den Schlüsseldienst des Herrn. Wieso der Schlüsseldienst? Also es gibt Flaschen, da werdet ihr sehen, die haben oben eine besondere Prägung drauf. Und diese Prägung zeigt einerseits die Mitra, also die Mütze oder Cap, würde man heute sagen, des Papstes, und darunter 2 gekreuzte Schlüssel, die immer für Petrus stehen. Papst Petrus, das ist ja irgendwie.
Tobias
00:18:24
Jetzt muss ich kurz klugscheißen, ich auch mal: Das ist keine Prägung, das ist ein Relief, Michael.
Michael
00:18:30
Entschuldigung, ein Relief. Auf jeden Fall alle Weine, die dies oben am Flaschenhals tragen oder da, wo der Flaschenhals ansetzt, die sind sofort als Châteauneuf-du-Pape erkennbar, selbst wenn man nicht lesen kann. Das kann man sogar fühlen. Und woher kommt das? Eine ganze Zeit lang haben die Päpste im Mittelalter in Avignon residiert, und die lieben Päpste wussten damals schon das gute Leben zu schätzen. Sie waren also tatsächlich, ich möchte mal sagen, verschrien für ihren hohen Standard an Hofhaltung und die Bewirtungskosten gingen da in exorbitante Höhen. Und dazu gehörte aber auch ein ganz besonderer Wein, nämlich der Châteauneuf-du-Pape.
Tobias
00:19:13
Genau. Und den haben die tatsächlich so aus Eigenmotivation dort entstehen lassen. Denn wie du schon sagtest, also Weine im 14. Jahrhundert irgendwie aus dem Bordeaux oder aus dem Burgund zu holen, das war aufwendig, das hat lange gedauert. Und ja, die Kirche hat eben auch dafür gesorgt, dass in der Region selbst Wein angebaut wurde bzw. auch wirklich ernster genommen wurde. Und ich glaube, das Châteauneuf, das kommt wiederum ja von der Bezeichnung der Sommerresidenz des Papstes damals. Also Châteauneuf-du-Pape ist ganz klar ein Produkt dieser Zeit. Und der wichtigste Wein dieser ganzen Region.
Michael
00:19:52
Ja, aber ich bin ja dann der Entmystifizierer. Tatsächlich waren die von den Päpsten am Anfang bevorzugten Weine diejenigen aus der Appellation Lirac. Später hat man jedoch eigene Weinberge dazu gekauft und dort eigenen Wein gemacht. Und der war dann tatsächlich im Châteauneuf-du-Pape. Und daher kommt dieser Ruhm. Und dieser Ruhm ist aber auch eine Bürde für die Region. Also diese Prägung Châteauneuf-du-Pape, die macht vielen, vielen auch was kaputt, möchte ich jetzt einfach mal so sagen. Tobias, denk mal an unseren lieben Freund Robert. Wie ergeht es dem?
Tobias
00:20:30
Ja genau. Also es geht um Geld, Es geht um Macht. Und unser Winzerfreund Robert vom Weingut Le Clos des Saumanes, der hat uns aus erster Hand berichtet. Der Ort Châteauneuf-de-Gadgane, wo sein Weingut liegt, stieg auf von einer normalen Côtes du Rhône Village-Appellation zu einer, die eben auch ihren Ortsnamen führen darf. Und dann heißt es eben auf dem Etikett Côtes du Rhône Village Châteauneuf-de-Gadagne. Da haben sie sich aber verkalkuliert, denn Châteauneuf-du-Pape als mächtiger Gegner hat gesagt: nix da, dann entsteht eine Verwechslungsgefahr mit uns, weil ihr ja auch Châteauneuf im Namen habt. Das läuft nicht. Ja, und es lief auch tatsächlich nicht. Jetzt steht da einfach nur Gadagne auf dem Etikett.
Michael
00:21:20
Ja, das sind die traurigen Geschichten am Rande. Aber wer das eben jetzt weiß, der darf sich davon nicht irritieren lassen. Aber bitte noch mal zurück zum Châteauneuf-du-Pape. Weil das ist ja nun wirklich eine regelrechte Legende in der Weinwelt. Und auch in der jüngeren Vergangenheit hat es da Impulse gegeben, die den noch mal bekannter gemacht haben. Also ich sage jetzt mal für dich, lieber Weinlakai, das Stichwort Château Beaucastel.
Tobias
00:21:44
Oh ja, einer der ja wahrscheinlich 2 bekanntesten und renommiertesten Châteauneuf-du-Pape-Produzenten überhaupt. Ich glaube, direkter Nachbar zu dem zweiten Namen, der wie ein Donnerhall erklingt, nämlich Château Rayas. Und ja, Beaucastel gehört ja zur Familie Perrin. Und das sind in der Region totale Tausendsassa, die auf ziemlich vielen Hochzeiten tanzen.
Michael
00:22:11
Also ich würde mich jetzt nicht auf eine Wette einlassen, aber ich glaube, es gibt weniger Appellationen an der südlichen Rhône, in denen sie nicht präsent sind, als Appellationen, in denen sie präsent sind. Und das ist neben Beaucastel und Châteauneuf-du-Pape, ist das zum Beispiel auch ganz witzig. Sie haben Weine, die entstehen direkt neben dieser Appellation und die heißen dann die Kardinäle.
Tobias
00:22:37
Les Cardinaux heißt der Wein, ne?
Michael
00:22:38
Genau.
Tobias
00:22:39
Also das ist auch von einem ähnlichen Terroir, ähnliche Rebsorten und ja, natürlich direkt einen Seitenhieb und auch direkt ein paar Euro günstiger als der Châteauneuf.
Michael
00:22:49
Ja, und was mir bei Perrin und bei Beaucastel eben noch einfällt, ich möchte mal daran erinnern, bereits Mitte der 70er-Jahre hat die Familie angefangen, auf biodynamischen Weinbau zu setzen. Das ist ein Zeitpunkt, da hat in Deutschland noch niemand so richtig daran gedacht. Das sind also tatsächlich Pioniere. Und egal, wie man jetzt über Biodynamie denkt, man muss sich fragen: Was hat das auch mit dem Qualitätssprung dieser Châteauneuf-du-Pape-Weine zu tun?
Tobias
00:23:18
Ja, auf jeden Fall. Man muss aber natürlich auch zur Verteidigung von Winzern in anderen Regionen sagen, wir haben ja viel über das Klima gesprochen, die Voraussetzungen für biologischen oder auch biodynamischen Anbau sind natürlich in der Region relativ gut. Denn das größte Problem ist eben Fäule, ist so was wie Mehltau. Da müssen die Winzer eben häufig dann noch zu irgendwas greifen, was jetzt nicht so wirklich Bio-konform ist. Und da haben es die Winzer da unten in der Region gut und da hast du absolut recht, die ganze Region ist ziemlich weit vorne, was biologischen Weinbau angeht.
Michael
00:23:55
Aber wir haben ja jetzt über die großen Namen gesprochen und die berühmten Weingüter. Mir ist noch mal wichtig, blickt auch mal auf die Kooperativen, die es dort gibt, auf die sogenannten Genossenschaften. Auch dort gibt es wunderbare Weine und zu oft günstigeren Preisen, oder? Du bist doch der Preis-Leistungs-Genuss-Spezialist in unserer Runde. Was sagst du zu Genossenschaften da unten?
Tobias
00:24:20
Ja, also da muss man dann erst mal so ein bisschen drauf klarkommen, weil wir sind ja teilweise ein bisschen geschädigt auch durch Genossenschaftserfahrungen aus Deutschland, die nicht immer positiv ausfallen. Und dort unten muss man lernen, dass es da wirklich ambitionierte Genossenschaften gibt mit Top-Önologen, die eine super Qualität auf die Flaschen füllen, teilweise sogar dann auch in Bioqualität. Und ich erinnere dich an eine Genossenschaft mit dem klangvollen Namen Cellier de Provence. Die machen halt sogar auch einen Gigondas oder einen Châteauneuf-du-Pape und das dann auch für vergleichsweise wenig Geld. Und da lohnt es sich wirklich mal nachzuschauen, denn da gibt es ja beispielsweise auch tolle Weine im Bag-in-Box-Format.
Michael
00:25:04
Ja, da möchte ich doch mal eine Lanze brechen, für viele ja nur eine Urlaubserfahrung, Bag-in-Box. Zum Winzer fahren und sich direkt so ein abgepacktes Stückchen tollen Wein holen. Aber, wenn man sich die dort anschaut, das lässt sich einfach sehen. Das kann man ohne Bedenken trinken. Das ist eine tolle Qualität. Da hätte ich jetzt an dieser Stelle nichts auszusetzen, Obgleich natürlich diese Verpackungsart und vor allen Dingen aufgrund der Menge, die da abgefüllt ist, hier manchmal so ein bisschen Probleme bereitet.
Tobias
00:25:35
Was ja komisch ist, weil man kann da ja Wein reinfüllen, was man möchte, der wird ja dadurch nicht irgendwie schlecht. Und ich finde klasse, insbesondere bei einem Weißwein, wenn man den länger im Kühlschrank hatte, in dieser Bag-in-Box und ihn dann rausholt, ja, der Weißwein bleibt richtig schön lange noch kalt. Finde ich auch eine ganz praktische Sache. Ja Michael, wenn ich auf die uhr gucke, dann muss ich mit Schrecken feststellen, wir haben jetzt schon relativ lange über das Thema gesprochen. Aber ich glaube auch, wir haben einiges behandelt und ich traue mich sogar zu sagen, ich glaube, da war das ein oder andere Wissenswerte jetzt auch dabei.
Michael
00:26:13
Allerdings, das ist ja auch ein Grund, warum wir hier miteinander telefonieren. Aber jetzt mal die Infos im Hintergrund beiseite. Ich möchte noch ein ganz persönliches Bekenntnis von dir. Côtes du Rhône, was sagst du dazu?
Tobias
00:26:26
Ja, also mein Fazit kommt dann natürlich auch so ein bisschen aus meiner Weinblogger-Ecke, denn ich versuche ja meinen Lesern vor allem Weine vorzustellen mit einem besonders guten Preis-Genuss-Verhältnis. Und ja, diese Art von Weine, die findet man in der Gegend wirklich, wirklich häufig. Habe ich in den vergangenen Jahren schon, ja, sehr häufig vorstellen können. Côtes du Rhône, insbesondere eben Rotweine. Und das macht für mich die Region besonders spannend.
Michael
00:26:54
Das fand ich jetzt aber echt fast ein bisschen langweilig.
Tobias
00:26:57
Na toll.
Michael
00:26:58
Also ich sage das jetzt mal anders. Für mich sind Rotweine von der südlichen Rhône, es ist eine Frage des Glaubensbekenntnisses. Wir reden über Châteauneuf-du-Pape, über Plan de Dieu, über die Kardinäle. Mein Gott, zu diesem Weinen muss man einfach stehen. Und für mich sind diese Rotweine wie Herzblut.
Tobias
00:27:15
Oh je. Ja, das war natürlich jetzt deutlich pathetischer als das, was ich von mir gegeben habe. Trotzdem müssen wir ja jetzt am Ende dieser Folge ganz klar noch mal bewerten. Weine aus der Gegend trinken, Empfehlung: Ja? Nein? Weiß nicht?
Michael
00:27:31
Auf jeden Fall: ja. Und ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Wenn es möglich ist, sofort da auch hinfahren!
Tobias
00:27:38
Oh ja, wenn das mal wieder möglich ist! In der Tat super Urlaubsregion. Und ich empfehle natürlich auch die Weine aus der Region uneingeschränkt. Ja, und es macht auch echt Spaß, sich so ein bisschen durch diese unterschiedlichen Qualitätsstufen zu trinken. Also man kann sich durchaus auch mal an einen Châteauneuf heranwagen, so wahnsinnig teuer sind die ja dann doch nicht, vor allem, wenn die von den Genossenschaften kommen. Ja, und dann das Vielleicht mal gegen so einen normalen Côtes du Rhône, der ja dann aus ähnlichen Rebsorten besteht. Also ich finde, es gibt da tolle Möglichkeiten, sich auch eine schöne Weinverkostung zusammenzustellen und vielleicht dann auch mal den ein oder anderen Weinfreund auf die Probe zu stellen.
Michael
00:28:17
Kann ich euch nur empfehlen. Tut es einfach. Und wenn ihr damit Erfahrung sammelt, schreibt es uns vielleicht. Dann, an dieser Stelle möchten wir ja auch noch mal sagen, alles, was ihr zu diesem Podcast anzumerken habt, bitte schickt es uns. Es gibt die Mail-Adresse podcast@weinfreunde.de. Und da bin ich persönlich für euch anzutreffen.
Tobias
00:28:38
Genau, also wenn ihr „Lieber Michael" schreibt, dann gibt es wahrscheinlich irgendwie auch noch Bonuspunkte und eure Anmerkungen werden besonders ernst genommen. Ja, aber ich würde sagen, podcast@weinfreunde.de sollte bitte die Adresse sein, die ihr nutzt, Denn wir sind natürlich auch auf eure Anregungen für kommende Folgen angewiesen, freuen uns darüber total. Insbesondere jetzt am Anfang, wo wir noch so als Podcastneulinge unsere ersten Schritte machen. Aber Michi.
Michael
00:29:08
Jetzt reicht es auch, ne? Ich muss direkt runter in den Weinkeller. Ich muss mir ein Côtes du Rhône Village Gadagne holen und mich jetzt endlich mal auf den wohlverdienten Feierabend freuen.
Tobias
00:29:20
Ja, Mensch, und den Wein, den du gerade erwähnt hast, den habe ich gar nicht mehr im Keller, verdammt. Aber ich werde hoffentlich auch was anderes Gutes aus der Region finden. Und ja, da sage ich einfach nur, ich hoffe doch sehr stark, dass es bei unserem nächsten Telefonat wieder heißt: Bei Anruf.
Michael
00:29:36
Wein.
Tobias
00:29:38
Alles klar, Michael. Wir hören uns, ne? Bis zur nächsten Folge. Mach's gut.
Michael
00:29:42
Ja, ich bin ab im Keller. Wir hören uns. Ciao.
Tobias
00:29:45
Ciao.