Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Die Mosel: zu Gast bei Ernie Loosen

26.12.2023 70 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Wer über Riesling spricht, kann die Mosel nicht unerwähnt lassen. Und wenn man sich dem Anbaugebiet seriös widmet, führt am Weingut Dr. Loosen kein Weg vorbei. Das wissen unsere Podcaster Michael und Tobias auch und so statten sie Ernie Loosen einen Besuch in Bernkastel-Kues ab. Wie der Tausendsassa vom Archäologie-Studenten zu einem der weltweit renommiertesten Weingutsbesitzer avancierte, ist eine wirklich hörenswerte und unterhaltsam vorgetragene Geschichte. Zudem tragen die Drei in dieser Folge alles Wissenswerte zu Mosel-Weinen zusammen.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Die Mosel ist das deutsche Anbaugebiet, wenn es um die Königin der Rebsorten Riesling geht. Das VDP Weingut Dr. Loosen mit seinem umtriebigen Inhaber Ernie Loosen steht wiederum emblematisch für eine Riesling-Stilistik, die die Mosel auf der ganzen Welt bekannt und beliebt gemacht hat. Michael und ich statten Ernie einen Besuch in Bernkastel-Kues ab, um mit ihm über seinen ebenso erfolgreichen wie ungewöhnlichen Werdegang zu sprechen und um die Faszination für Mosel-Riesling noch besser zu verstehen. Michael und ich fänden es übrigens faszinierend, wenn ihr den Bei Anruf Wein-Podcast bewertet und ihm auch folgt. Danke. Also bleibt mal dran, wir fangen direkt an! Ja, wunderbar, Ernie Loosen, hallo. Schön, dass wir hier sein dürfen.
Ernie
00:01:00
Ja, Hallo. Schön, dass ihr da seid.
Michael
00:01:03
Das ist eine große Ehre.
Tobias
00:01:05
Absolut. Also, wenn man sich jetzt hier umguckt, wir sitzen in einer sehr schönen Bibliothek, was in Sachen Ton für den Podcast natürlich hervorragend ist. Aber bevor ich jetzt auf das Weingut Dr. Loosen näher eingehen will und natürlich auch Fragen zu deiner Person habe, und da gibt es viel zu erzählen, sollten wir vielleicht den Hörerinnen und Hörern erst mal erzählen, ja, wir sind hier an der Mosel, Anbaugebiet und vielleicht sogar auch so das mit dem klangvollsten Namen in Deutschland. Erzähl uns doch mal ein bisschen was zu dem Anbaugebiet Mosel.
Ernie
00:01:40
Na ja, die Mosel ist ja, sagen wir mal, erstmal das nördlichste Weinbaugebiet in der Größe hier. Die Ahr ist natürlich noch ein bisschen nördlicher, aber in der Größenordnung ist es das nördlichste Anbaugebiet hier in Deutschland. Historisch gesehen war es eigentlich auch in der Größenordnung das nördlichste Weinbaugebiet Weinanbaugebiet hier in Europa. Ja, und ich glaube, die Mosel zeichnet sich durch, doch sehr, sehr speziell aus durch die Weine. Ich meine, Riesling ist die deutsche Rebsorte. 50 % der weltweiten Produktion wird in Deutschland produziert an Riesling. Kann man schon sagen, das hat schon für Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal. Aber der Riesling von der Mosel unterscheidet sich noch mal doch deutlich von den ganzen Rieslingen, sagen wir mal südlicher von uns. Und das macht wohl der Schiefer aus. Der Schiefer macht doch wohl eine ganz andere Art von Riesling. Sehr fein, sehr elegant. Sagen wir mal, der hat so eine mineralische Säure, egal ob es ein kleiner und großer Wein ist, da ist immer diese mineralisch getriebene Säure, dieses, weißt du, leicht, aber trotzdem eine gewisse, ah, wie soll ich sagen, Rassigkeit. Und wir haben ja auch ein Weingut in der Pfalz, so ist das nicht. Ich liebe die Weine da unten, ne? Aber das kriegen wir in der Pfalz nicht hin, ne? Ich möchte jetzt nichts gegen die Pfalz sagen.
Tobias
00:03:00
Besser nicht.
Michael
00:03:01
Machen wir auch nicht mit.
Tobias
00:03:02
Ne. Aber so Mosel-Kritiker, die würden jetzt sagen, ja, aber die Mosel ist auch, glaube ich, dafür bekannt. Die sind irgendwie alle total süß, die Weine.
Ernie
00:03:09
Ja, das hat natürlich eine historische, einen historischen Hintergrund. Das hat natürlich was zu tun jetzt mit Global Warming, haben wir es natürlich einfacher, schöne, also wirklich tolle, trockene Weine zu machen. Das war natürlich, sagen wir, in den 50er-, 60er-Jahren noch schwieriger. Da, wo die Reife für uns natürlich noch wesentlich schwieriger zu erreichen war als wiederum, wenn man jetzt in Pfalz oder Baden schauen, da haben wir natürlich schon neidisch, wenn ich so zurückschaue, so beim Vater, die haben da schon ein bisschen neidisch in die Pfalz geschaut, weil da immer die Reife etwas höher war und so. Und hier an der Mosel hat man natürlich immer gekämpft um die entsprechende Reife. Die Säuren waren immer hoch und das ist natürlich, irgendwo ist daraus natürlich resultiert, dass diese Weine dann mit etwas Restsüße wesentlich gefälliger waren, aromatischer, aber auch eine schöne Leichtigkeit dazu bekommen haben. Das war ja auch alles gar kein Problem, diese restsüßen Weine. Also wenn man da 50er-, 60er-, 70er-Jahre, die waren hochbegehrt und vor allen Dingen immer noch ist die Mosel am bekanntesten im Export. Wir machen ja 90 oder 80 %, als ich übernommen habe, mein Vater hat 95 % Export verkauft nach USA. Wir machen immer noch 80 % in 80 Ländern. Aber da wird vornehmlich, muss man ganz ehrlich sagen, der fruchtige Riesling gefragt. Und da ist die Mosel, und das verteidige ich auch, unschlagbar. Wir können Weine machen wie diesen fruchtsüßen Kabinett, der nur 8, 8,5 Alkohol hat, mit dieser rassigen Säure, wie sie so wunderschön, also mit einer, wie mein Großvater so pflegte zu sagen und das auch geprägt hat, mit einer dienenden Restsüße. Eine dienende Restsüße. Das ist aber schön. Das hat mein Großvater geprägt in den 50er-Jahren. Der Riesling von der Mosel braucht eine dienende Restsüße. Und damit hat er recht. Ich rede nicht von einer pappigen Süße, ne? Sondern einer, also so viel Restzucker, dass der Wein gerade, sagen wir mal, so mit gedient ist, dass er mehr aromatisch ist, fruchtiger, dieses Säurespiel mit der leichten Restsüße hervorragend ausbalanciert ist. Aber dann, natürlich hat man nur 8 Alkohol oder 8,5 Alkohol, was natürlich, sagen wir mal, international wird man sagen, das geht ja gar nicht. Aber die Mosel kann das. Und wenn das überhaupt einer kann, dann ist es die Mosel. Und das sind einfach tolle Weine und selbst, wenn man die im Alter trinkt, also ich habe ja selbst 60er-Jahre, 70er-Jahre Kabinett jetzt aufmacht, boah, fantastisch, ne?
Tobias
00:05:55
Ja, weil eben auch diese.
Ernie
00:05:56
Da kannst du 2 Flaschen saufen und bist immer noch besoffen?
Tobias
00:05:58
Ja, ja, exakt. Ja, das ist ja auch ein Vorteil. Und dieses Zusammenspiel von von Süße und Säure, wenn das gut gemacht ist, ist ja auch das fürs Alter dann auch.
Ernie
00:06:05
Das ist fantastisch und kann auch altern. Weißt du, der niedrige pH durch die hohe Säure, dann diese Restsüße, die die Weine und so, und dann der niedrige Alkohol, was natürlich auch eigentlich schön ist oder so, ne? ich meine, in England trinkt man mittags um 4:00 Uhr eine Tasse Tee, vielleicht mit ein bisschen Milch. Hier war die Tradition, hier hat man immer, wenn man Gäste bekommen hat, nachmittags um 4:00 Uhr, dann wurde eine gereifte Flasche Kabinett aufgemacht, also mindestens 10, 15 Jahre alt, ne? Und unsere Oma, die hat sogar gesagt, wenn die immer so, die hat immer ganz gern jemanden und so, die hat gesagt: „Jetzt brauch ich mal ein lecker Möselchen, ein Kabinettchen zum nüchtern trinken".
Michael
00:06:46
Heute heißt das dann nur mehr Kabis, heißt das genau.
Ernie
00:06:48
Ja genau, Kabinettchen.
Tobias
00:06:49
Ja, aber Michael, das hört sich auch nach einer Tradition an, die würdest du durchaus übernehmen.
Ernie
00:06:53
Und die würden wir auch nie aufgeben. Also wir haben natürlich die Tendenz, die Tendenz gehabt, so Ende der 70er-Jahre, da waren dann so diese Journalisten damals Paczensky, Siebeck und so, die dann nur noch trocken geschrieben haben. Der wahre Wein ist trocken, wenn wir französische Weine trinken, die sind trocken. Und warum sind die deutschen Weine restsüß? Alles schön und gut, aber für die Mosel muss ich ganz ehrlich sagen, da hat das , das funktioniert einfach hier. Und nirgends auf der Welt funktioniert es so gut wie an der Mosel. Diese leichten, restsüßen Kabinett oder Späties, auch eine Auslese ist elegant und fein. Selbst wenn die ein bisschen Botrytis hat. Aber durch die hohe Säure ist es immer ein eleganter, feiner Wein. Es ist nie diese, also wie die Australier sagen, sticky, sticky-sweet. Die Süße ist immer schön eingebunden und immer schön balanciert durch die Säure. Und dann macht so was Spaß, auch wenn es natürlich heute kein Trend gegen Reste gibt. Also auch die Sauternes oder Tokaj. Also die haben alle große Probleme, weil jeder, Mädels sind alle auf Diät und sonst was und so „Zucker, Halleluja", was weiß ich, ne, und so. Aber das sind, aber nichtsdestotrotz, das sind tolle Weine und der wird auch wieder kommen. Da bin ich mir so sicher. In Deutschland, klar, haben wir einen Trend zum trockenen Riesling, was ja auch toll ist. Gar kein Thema. Aber diese, Besonderheit hier an der Mosel, diese leichten Kabinett und Spätlesen mit etwas Restsüße und der schönen Säure, das ist einmalig.
Michael
00:08:33
Ja, ich finde auch wichtig, etwas Restsüße, auch bei den Süßwein. Es gibt süße Weine und Süßweine, da muss man ja auch mal so ein bisschen unterscheiden.
Ernie
00:08:41
Ja, und da kommt auch die dienende Restsüße. Und das meinte mein Großvater gerade so viel, dass es den Wein gefälliger macht, den Wein etwas aromatischer macht, weil Restzucker hebt ja, die Aromatik, kennen wir ja selber. Bei so unreifen Erdbeeren, Zucker, ne, das wird dann so, wenn die da ein bisschen stehen, wird direkt aromatischer. Also ist ja nicht nur, dass der Zucker also dazu dient, den Wein süßer zu machen, er hebt auch die Aromatik.
Michael
00:09:09
Und tut was für die Haltbarkeit. Muss man dann auch noch mal dazusagen.
Ernie
00:09:11
Natürlich und dann mit der niedrigen, mit der hohen Säure und dem niedrigen pH, da können die Weine wunderschön altern, ne? Gerade die Mosel Rieslinge.
Michael
00:09:20
Jetzt, wenn ich hier aus dem Fenster schaue, sehe ich dann Weinberge. Relativ steil. Ist auch ein bisschen Arbeit, hier Wein zu machen, oder?
Ernie
00:09:29
Ja, klar, das natürlich schon, das ist sicher. Natürlich haben wir hier natürlich einen wesentlich höheren Arbeitsaufwand aufgrund der Steilhänge. Und der steilste Weinberg der Welt ist hier an der Mosel, dieser Bremmer Calmont und so, wo wir auch 1,1 Hektar haben. Also das ist inasane, also die verrückt, also die Arbeit da.
Tobias
00:09:52
Da fallen auch Leute mal runter, oder?
Ernie
00:09:54
Sagen wir mal so, rutschen eher mal aus.
Michael
00:09:57
Rutschen länger aus.
Ernie
00:09:59
Rutschen aus, so, ne? Fallen mal hier und da auf ihren Hintern und so. Aber eigentlich bin ich schon immer erstaunt, wie wenig Unfälle oder eigentlich gar keiner, ne, also Unfälle sind. Aber gut, die Leute sind auch ein bisschen gewohnt. Die wissen, wie man sich damit auch fest hinstellt. Aber der Arbeitsaufwand ist natürlich wesentlich höher. Ich meine, man kann, also sagen mal so eine alte, so ein alter Weinberg, der noch so mit Einzelpfahlerziehung, Terrassen und so, da kann man sagen, hat man bis zu 3.000 Arbeitsstunden pro Hektar. Also das ist ja alles Handlese, Handarbeit, zur Not noch mit der Hand spritzen und so, wo man da teilweise noch Wasser oder riesige Metallschläuche ziehen muss und so, ne? Während man das dann, wenn man sagt, zum Beispiel bei uns im Weingut in der Pfalz, wo dann natürlich alles flach ist und so alles man mit Traktoren machen kann und mechanisieren kann, da liegt man dann mit Handlese bei 500 Arbeitsstunden.
Tobias
00:10:59
Okay, das ist ein großer Unterschied.
Ernie
00:11:01
Wir reden ja gerade. Also das sind mal einfach nur die Arbeitsstunden und das umgerechnet in die Löhne. Das heißt, wenn man nur Mindestlohn rechnen würde, ist das natürlich schon immer das 5- bis 6-fache. Aber selbst eine flurbereinigte Lage hier an der Mosel ist auch noch, auch wenn man ein bisschen mechanisieren kann mit Seilwinde usw., das ist auch immer noch 1200 Arbeitsstunden pro Hektar. Also auch dann liegen wir noch weit über dem Doppelten. Das ist natürlich, das ist, wie soll ich sagen, eine Herausforderung. Herausforderung deswegen, weil es natürlich schwierig ist, natürlich Arbeitskräfte zu finden.
Michael
00:11:36
Es heißt ja immer: ohne Fleiß kein Preis. Und wir haben eben gesagt, wir sind eigentlich das historisch nördlichste Anbaugebiet.
Ernie
00:11:44
Genau.
Michael
00:11:44
Und das hängt ja jetzt auch zusammen, die Steillage am Fluss.
Ernie
00:11:47
Ja, weil wir natürlich ein sehr enges Tal sind. Natürlich, die Ahr ist ja ähnlich. Und so teilweise auch an der Nahe und so, was dann direkt an der Nahe ist. Da gibt es auch Steillagen. Das ist natürlich eine Besonderheit, die auch eine gewisse Herausforderung also besitzt. Und da liegt natürlich, ist ja klar, dass da junge Winzer, aber auch, wenn dort kleinere Weingüter sind, dass die dann nicht unbedingt das spannend finden, einen ganzen Tag lang da in diesen Steillagen rumzukraxeln für relativ wenig Geld. Das muss man natürlich auch sagen. Das ist also keine.
Michael
00:12:24
Und viel Risiko jedes Jahr.
Ernie
00:12:25
Ja, ja, ja und das ist also deswegen haben wir natürlich hier auch das Problem, dass immer mehr Lagen brachliegen. Also speziell, wenn sie außerhalb der klassischen Mittelmosel sind, wo die Lagen nicht mehr so bekannt sind. Sagen wir, eine Wehlener Sonnenuhr, die wird nie brachliegen oder ein Graacher Himmelreich, Ürziger Würzgarten. Das werden, oder Brauneberger Juffer oder Piesporter Goldtröpfchen. Die werden nie brachliegen, weil das weltberühmte Lagen sind. Aber alles, was so drumherum ist, was schon nicht mehr so bekannt ist, da sieht man schon sehr, sehr viel Brachflächen, weil keiner, weil die Alten geben auf und die Jungen, die junge Generation, das ist, das gebe ich natürlich ehrlich zu, das ist perspektiv. Also die Perspektiven sind schwierig, schwierig.
Tobias
00:13:11
Aber trotzdem muss man ja sagen es ist einzigartig hier.
Ernie
00:13:15
Ja, einzigartig.
Tobias
00:13:16
Es gibt nur wenige Weinbaugebiete. Also ich, wenn wir am Douro sind, in Portugal, da haben wir immer am ehesten die Assoziation, es ist ein bisschen wie die Mosel, weil es ja im Grunde genommen auch wie so eine Art Lehrstunde in Bezug auf Mikroklima ist. Beschreib doch mal so ein bisschen, wir gucken auch direkt auf die Mosel, da kommt die Straße direkt, der Steilhang.
Ernie
00:13:36
Ja, genau.
Tobias
00:13:36
Was macht das?
Ernie
00:13:37
Das Mikroklima ist im Prinzip ja eigentlich überhaupt die Voraussetzung, sagen wir mal historisch gesehen, dass wir hier Weinbau betreiben können. Weil, wie gesagt, wenn ich hier hoch in den Hunsrück über die Eifel gehe, zwischen 400 und 800 Meter hoch, als höchste Erhebung der Erbeskopf, da oben ist es viel zu kalt. Also ist karg, kalt, da kriegen die ja kaum Kartoffeln reif da oben, ne? Und ohne dieses Tal, also im Prinzip hat die Mosel ja 200 Millionen Jahre gebraucht, um dieses Tal hier zu bilden. Dieses Moseltal, das sich ja wie eine Schlange hier durch dieses rheinische Schiefergebirge windet, und letztendlich die Mosel selber ist so 100, 110 Meter über Meeresspiegel. Dieses enge Tal ist halt, gibt den Schutz, ne? Und entsprechend auch die Wärme. Wenn es Südlagen oder südwestliche Lagen sind, die dann das beste Mikroklima geben. Steil, je steiler, je besser. Man kann sagen, je südlicher der Weinberg ist, je steiler er ist und je näher an der Mosel, je besser, je mehr Grand Cru. Je höher ich komme, ist es wie immer kälter, ne? Wenn ich natürlich Richtung, also sagen wir mal, östliche Lagen oder dann, die sind natürlich auch kühler, weil man natürlich nur in der Südlage natürlich von morgens bis abends die Sonnenscheinstunden hat.
Michael
00:15:05
Mit wenig Schatten auf die Reben.
Ernie
00:15:06
Ja, und das wärmt halt den Boden auf. Wenn er 100 % steil ist, gibt es keinen Schattenwurf. Und natürlich, wenn er mehr an der Mosel ist, ist es natürlich wärmer und höher, ist es kühler. Also dieses Mikroklima, diese drei Mikroklimafaktoren sind natürlich auch unglaublich wichtig in einer nordausgerichteten Lage. Da gibt es nur Wald, ist zu kalt, das ist auch heute noch so. Deswegen findet man ja eigentlich noch nur in den süd, südwestlichen, vielleicht noch leicht östlichen Lagen, findet man Weinbauern. Diese drei Mikroklimafaktoren halt, wie gesagt, Exposition, Inklination, je steiler, je besser und Elevation, Höhenunterschied, das sind die 3 also bedeutenden Mikroklimafaktoren, die über die Güte des Weinberges entscheiden. Und das findet man ja in dieser alten Karte von 1868. Da sieht man ganz genau, wo sie die dunkelbraunen, mittelbraunen und hellbraunen Flächen und alle dunkelbraunen Flächen, was die Franzosen Grand Cru nennen würden oder wir jetzt mit dem VDP große Lagen nennen, siehst du ganz genau auf diese alten, 1868er Lagenklassifikation, die übrigens älter ist als die Burgunderkarte, Siehst du ganz genau, All die dunkelbraunen Flächen, die da Grand Cru sind, sind die südlich ausgerechneten Lagen.
Tobias
00:16:22
Okay, aber ich muss ja jetzt mein Lieblingsthema hier noch mal kurz platzieren. Ich bin dafür bekannt im Podcast, Stichwort Klimawandel. Du hast jetzt gerade gesagt, die nach Süden ausgerichteten Lagen usw. stehen dann auch für Qualität, hast außerdem gesagt, gerade im Moselriesling ist die Säure ein extrem wichtiges Thema. Fährt euch da jetzt nicht auch langsam der Klimawandel in die Parade?
Ernie
00:16:46
Nein, also ganz im Gegenteil. Sagen wir mal so, habe ich eben ja schon mal bemerkt, darf man so wahrscheinlich gar nicht laut sagen, dass der Klimawandel der Mosel enorm geholfen hat. Also man muss ja mal so sehen, wenn ich zurückgucke in die 60er-Jahre, noch selbst in den 70er-Jahren, wenn ich ihn vor 10 Jahren eigentlich nur 3 trinkbare Jahrgänge hatte, 3 bis 4 untrinkbare Jahrgänge, 72, 74, 77, 78, 80. Also Entschuldigung, 5 Jahrgänge. Den 80er haben wir noch heute im Keller liegen. Der fängt jetzt so langsam an, trinkbar zu werden. Also Entschuldigung. Also ich weiß gar nicht, wie die das früher gemacht haben, dass die im Prinzip nur von 3 bis 5 Jahrgängen im Jahrzehnt gelebt haben, weil ja noch dann der dazu kam. Als VDP Mitglied durften wir ja gar keine Qualitätswein vermarkten, die durften ja nur, was die Natur, der hieß ja früher der Verband der Naturreinversteigerer, Naturweinversteigerer und so. Ich weiß gar nicht, wie die das gemacht haben. Aber man muss natürlich sagen, die Preise waren natürlich wesentlich höher seinerzeit, also auch in den 50er, 60er nach dem Krieg. Die Preise waren wesentlich höher und vor 100 Jahren waren ja Riesling von Rhein und Mosel die teuersten Weine der Welt. Dann konnte man auch mal von einem Jahrgang aussetzen lassen. Aber heute ginge das gar nicht mehr. Und deswegen, Entschuldigung, ich muss da jetzt ganz ehrlich sagen, ich bin froh, dass wir Klimawandel haben, dass ich jetzt jeden Jahrgang verkaufen kann. Ich sage der 80er-Jahrgang, der war unverkäuflich gewesen, der war wenig. Und mein Vater hat alles im Keller liegenlassen. Ja, heute ist er schön, da fängt er an jetzt. Aber ich meine, das ist ja kein Businessmodell, wenn ich 40 Jahre warten muss, bis der Wein trinkbar ist.
Tobias
00:18:36
Besser nicht.
Ernie
00:18:36
Und deswegen sagen wir mal so, und letztendlich muss ich ja mal ganz ehrlich sagen, wir haben immer noch keine Überreife. Das hat ja alles, Klimawandel hat natürlich auch damit zu tun, dass wir natürlich heute mehr Botrytis haben als früher. Früher, zu Großvaters Zeiten hat man ja diese feinsten und hochfeinsten Auslesen, eine Beerenauslese, da war ja the Pinnacle zu produzieren und Trockenbeerenauslese, da war natürlich, oho. Und das war damals aber unglaublich viel Arbeit. Man musste ja selektieren, man musste auf die Botrytis warten und dann, wenn man dann endlich so viel hatte, dass man überhaupt selektieren konnte, da hat man vielleicht 100 Liter Trockenbeerenauslese gehabt oder sonst, wenn überhaupt.
Michael
00:19:15
Oder mehrere Durchgänge auch, um wieder zu schauen.
Ernie
00:19:17
Und dann auch nur ein-, zweimal im Jahrzehnt und so.
Tobias
00:19:20
Jetzt müssen wir nur ganz kurz mal erklären, was Botrytis ist. Das wissen vielleicht nicht alle.
Ernie
00:19:24
Botrytis ist der Pilz, der die Trauben befällt, die Trauben dann zu Rosinen einschrumpfen lässt und das ist, was wir dann Edelfäule nennen. Diese Edelfäule, die letztendlich, da ist der Botrytis-Pilz für verantwortlich, der letztendlich Trauben zusammenschrumpfen lässt. Das haben wir mehr. Wir haben heute mehr Botrytis. Wenn unser Großvater oder Urgroßvater das sehen würde, was wir heute an edelsüßen Weinen produzieren können, weil wir einfach viel, viel mehr Botrytis und tolle Botrytis haben, so ist es nicht, tolle Edelfäule haben, der würde sagen: Wahnsinn, ist doch toll, ne? Heute ist es eher eine Bürde, ne? Heute selektieren wir eher die gesunden Trauben raus, weil wir die gesunden Trauben, ich möchte keine Edelfäule mit unseren Trockenweinen haben. Also immer schön nur die gesunden Trauben raus selektieren. Die Edelfaulen machen wir halt edelsüße Weine, da funktioniert das. Aber ich persönlich, ich möchte jetzt auch, jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Ich persönlich finde, dass man einen Trockenwein, muss aus 100 % gesunden Trauben gemacht werden, weil die sind am pursten, die sind am schönsten und daher. Und dann, wenn ich nur gesunde Trauben raus selektiere, da bin ich noch weit, weit weg von über Überreife, weit weg von Überreife. Natürlich, wenn ich Botrytis drinnen lasse, das macht natürlich, tut natürlich die Konzentration des Zuckers direkt nach oben schießen lassen. Wenn ich also nicht selektiere, ja, wenn ich nicht selektiere, habe ich natürlich sehr schnell große, hohe Reifen von 13, 14, 15 Alkohol. Aber wir nehmen ja nur die gesunden raus für unsere Trockenweine. Und da sind wir immer noch weit weg von Überreife, aber über 12,5 sind wir noch nie gekommen und so. Eher liegen wir bei 11,5 bis 12 und das ist, international gesehen liegen wir da ja niedrig. Wir haben ja auch noch ein Weingut, zwei, in Oregon, wo wir Pinot Noir machen, auch ein bisschen Riesling, aber vornehmlich Spätburgunder und Chardonnay usw. Na ja, da liegen wir dann eher mal bei 14, 14,5 und da bemühen wir uns auch schon, also niedrig zu bleiben. Da Habe ich Kollegen, die sind ganz schnell bei 15 halt. Da ist das Problem, haben wir ein größeres Problem. Aber hier an der Mosel, würde ich mal sagen, sind wir vielleicht einer der wenigen, wenn ich erstmal England und Schweden ausnehme, der Profiteure. Dass wir also jetzt auch trockene Weine machen können, die halt auch, sagen wir mal so, im internationalen Stil mithalten können, aber immer noch relativ niedrig liegen. Ich habe mal vor Kurzem einen neuen, habe ich Amerikaner, wir machen ja immer noch 80 % Export in 80 Länder und da habe ich den Amerikanern gesagt, oh, sie würden mal gern einen älteren, trockenen Wein trinken. Und ich habe 88 hier übernommen, habe ich gesagt, gehst jetzt mal in den Keller, guckst du mal, was du findest. Da habe ich 89er Bern, was war denn das gewesen, eine Bernkasteler Lay Spätlese trocken gefunden. Aufgemacht, 89, ist heuer schon 30 Jahre alt, jetzt noch mehr, ne? Und so aufgemacht, wunderschön. Na gut, die Säure und alles. Aber natürlich schon etwas leichter und so, aber wirklich schön. Also für einen 30 Jahre trockenen Wein, picobello, ne? Gucke ich auf das Etikette und sage: ach du Scheiße. Der hatte ja nur 10,5 Alkohol gehabt. Und da bin ich am nächsten Tag zum Kellermeister und habe gesagt: Bernie, ich habe mal unser Erstlingswerk hier, wir beide, unseren 88er Bernkasteler Lay Spätlese trocken aufgemacht, aber der hat ja nur 10,5 Alkohol. Da hat er gesagt: „Ja, weiß ich noch ganz genau, das war eine kleine Auslese, die wir abgestumpft haben", und die war genau an der Mosel damals mit 83 Grad Öchsle. So, genau so. Und dann sagt er noch: „Uh, kleine Auslese" und so. Da habe ich nur gedacht, siehste, das hat man auch vergessen, dass vor 30 Jahren, und heute liegen die dann, also der gleiche Wein liegt heute eher so bei 12 Alkohol. Klar, wir haben 1,5 Prozent, jetzt nur mit gesunden Trauben, war damals auch schon so, 1,5 Prozent, Volumenprozent Alkohol, mehr Reife. Aber von 10,5 auf 12, das ist nicht nur vertretbar, es ist auch schöner, es ist ein besserer Wein, als wenn ich jetzt seinerzeit schon 12 gehabt hätte, dann wäre ich jetzt bei 13,5, 14. Und das ist der Unterschied.
Michael
00:23:34
1988, hast du gesagt.
Ernie
00:23:35
Habe ich den Laden übernommen, ja.
Michael
00:23:37
Am Anfang nicht so ganz freiwillig. Eigentlich sollte es doch in Richtung Archäologie gehen, wenn ich richtig informiert bin?
Ernie
00:23:43
Ja, das war immer meine Leidenschaft. So hier, Archäologie, ne? Also ich habe Vor- und Frühgeschichte in Mainz studiert. Ja, aber dann wurde mein Vater sehr krank, also schwerkrank und ja, und dann, meine Mutter hat dann gesagt, also jetzt muss mal hier was passieren, irgendeiner muss den Laden hier übernehmen oder sonst verkaufe ich ihn.
Michael
00:24:05
Du hast aber noch Geschwister, ne?
Ernie
00:24:06
Ja, genau. Und meine Geschwister waren aber alle, die jüngsten haben noch Abitur gemacht und mein ältester Bruder, meine Schwester war verheiratet mit einem Diplomaten, die war sowieso unterwegs auf der Welt. Mein ältester Bruder, der ist Physiker, der hatte gerade einen Job, der ist da Mitgeschäftsführer geworden vom Fraunhofer Institut für Laserphysik und hat auch eine Professur dann begonnen in Aachen. Der hat gesagt Ja, also ich bin.
Michael
00:24:28
Ich bin raus.
Ernie
00:24:29
Und meine Schwester, die war irgendwo so, die war auf so einem Hippie-Trip und die war irgendwo, keine Ahnung, in Nepal oder transsibirischen Eisenbahn irgendwo Richtung, was weiß ich, keine Ahnung, wo sie war und so. Und ja, da blieb eigentlich nur noch ich übrig. Ich als Archäologe, oder war ja noch keiner, ich habe ja noch studiert, und da haben meine Geschwister gesagt: ja, du machst das mal besser, du übernimmst mal besser den Laden. Also die wollten schon nicht, dass der verkauft wird. Aber dann, mach du mal besser den Laden, du als Archäologe
Michael
00:25:00
Bist bodenständig.
Ernie
00:25:01
Das wird ja sowieso. Nee, das wird nicht. Nein, das wird, mit Geologie hatte ich ja nichts mit zu tun. Aber das wird ja sowieso nichts mit deiner Archäologie, hat er gesagt. Da hatte er ja nicht ganz unrecht, weil da gibt es zwei Optionen in Deutschland: Taxi, Taxifahrer oder Sozialhilfe. Aber viel mehr ist da nicht drin. Also ein Job ist so gut wie unmöglich, weil es gibt nur ganz wenige Jobs und viel zu viele, die ausgebildet werden. Also haben sie: „Machst du mal besser das, wir unterstützen dich nicht, ne?" und so. Ja, und dann habe ich den Laden, das war, ja, den habe ich ja dann übernommen, so. Ich hatte schon eine gewisse Leidenschaft immer dafür gehabt, aber ich hatte immer Probleme mit meinem Vater.
Michael
00:25:40
Aber hast du denn mitgearbeitet immer? Irgendwoher muss man ja auch wissen, wie es geht.
Ernie
00:25:45
Wenn du auf einem Weingut, wie das ja hier in Europa ist, in Amerika ist das ja ganz anders, dann sind das ja Entrepreneure, irgendwelche Leute, die das kaufen und so, die wohnen ja gar nicht. Aber hier in Europa. Wenn du auf einem historischen oder traditionellen und Familienweingut aufwächst, von klein auf, da passiert ja hier alles. Hier ist ja alles unten drunter passiert. Wir haben hier gewohnt und unten, jetzt eine Etage drunter, da war der Keller, da war der Betrieb, da war Außenbetrieb, da sind die Angestellten rumgelaufen, der Kellermeister ist da rumgelaufen, der Verwalter ist da rumgelaufen, die Angestellten sind herumgelaufen. Da waren ja alle so, als Pens, ne, ganz klein, waren das ja wie Onkels. Das war der Onkel Abi, das war der Onkel Soundso, ne? Und so. Und da hast du ja von morgens bis abends an mitbekommen, deren Fahrräder haben da unten gestanden im Etikettierraum und so. Und irgendwann musste, mein Vater war dann auch in der Richtung auch nicht zimperlich, dann durftest du da mittags dann immer mithelfen, wenn du aus der Schule kam, sagte: „Jetzt komm, hilf mal dem Ami da unten, der braucht Hilfe", oder: „Hier, komm doch mal hier, gerade heute Mittag müssen unbedingt 200 Flaschen etikettiert werden, die müssen raus", und so, „komm jetzt". Mein ältester Bruder nicht. Der könnte mal, weißt du, irgendwo kriegst du das ja alles mit von morgens bis abends. Und im Herbst musst du sowieso immer im Herbst helfen. Früher war es ja noch so, dass die Schulferien so gelegt worden sind, dass die auch in den Herbst passten. Also irgendwo kriegst du das ja schon sehr mit. Das ist, und du wohnst da und lebst auf dem Ding, kriegst von morgens bis abends das mit. Und so hinterm Haus wurde Eiswein gemacht, da wurdest du rausgeschmissen nachts. Jetzt Eisweinlesen, dann musstest du noch unten helfen keltern und so, ne?
Michael
00:27:23
Aber hat dir dieser Zugang vielleicht sogar eher geholfen? Also jetzt nicht so ganz klassisch Geisenheim studieren und machen und mit allem kommen, sondern?
Ernie
00:27:31
Ja, natürlich. Das hat ja viel geholfen, dass unsereins oft denkt: ja, da lässt er jetzt gerade, das ist ja jetzt keine Rocket Science, Wein machen, weil das ist ja in der Neuen Welt, da ist das ja dann immer, oh, Weinmacher, da sind wir Superstars und so, und so wie Köche und so. Weinmacher, ne? Ich meine, irgendwo hat unsereins gelernt, du musst erst mal Trauben produzieren, bevor du überhaupt Wein machen kannst. Und dass die Qualität erstmal im Weinberg gemacht wird. Aber in Amerika ist das Ding ein ganz anderes. Also so irgendwie diese, Viticultures, also die Leute, die im Weinberg und sonst was, die haben da ein stiefmütterliches Leben. Da ist der Weinmacher der Superstar, der scheinbar aus allem irgendwie einen großen Wein zaubern kann.
Michael
00:28:14
Ja, auch viele, die einfach nur Trauben produzieren.
Ernie
00:28:16
Ja, wo viele nur Trauben produzieren und viele Weingüter überhaupt keine eigenen Weinberge haben, sondern nur Trauben kaufen. Also wir sehen das ja auch in unserem Weingut da drüben. Ich habe, also das System hat mir nie so richtig, das gefällt mir nicht. Also ich sag mal, selber pachten und selber bewirtschaften, dann weiß ich, was passiert und wie man Trauben produziert. Weil da ist immer eine Diskrepanz zwischen dem Traubenproduzent, der ein anderes Interesse hat als der Weinmacher, der auch ein anderes Interesse hat. Der will die möglichst besten Trauben haben und der Traubenproduzent will, der möchte viele haben und den bestmöglichen Profit daraus machen.
Tobias
00:28:53
Aber man kriegt immer, immer trotzdem die Geschichte von den Winzern erzählt: ja, nein, das ist eine ganz tolle Zusammenarbeit und der macht das genau nach meinen Vorstellungen.
Ernie
00:29:02
Ja, über Geld geht immer alles. Also wenn du den Vögeln dann auch entsprechend Initiative gibst und so. Es gibt ja auch, das will ich ja jetzt gar nicht verneinen, es gibt auch vernünftige Traubenproduzenten, die mit einem sehr gut zusammenarbeiten. Aber der Gros, und ich meine, das ist ja hier auch in Deutschland noch so, das Gros ist ja Balgweinproduzenten. Ich meine, meinst du die, die Genossenschaften, die haben, die liefern da ab, was sie gerade rausholen und so versuchen, viel Menge reinzuhauen.
Tobias
00:29:31
Genau, also Balgwein muss man vielleicht auch noch mal kurz erklären.
Ernie
00:29:34
Das sind Offenweinproduzenten, die da im offenen Markt, werden die so, also das sind Winzer, die produzieren dann auch noch entweder nur Trauben oder sie produzieren noch den Wein und verkaufen ihn dann als Offenwein an die großen Kellereien.
Tobias
00:29:47
In riesigen, riesigen Kanistern.
Ernie
00:29:49
Oder an die Kellereien, die sie dann aufkaufen und so, das ist ein, das ist auch so ein vagabundierender Markt. Es ist schon besser, wenn man Verträge mit Leuten hat und sonst was und mit denen letztendlich dann auch, wenn er vernünftig ist. Die jüngeren Leute sind auch viel vernünftiger als die älteren. Die älteren haben das immer eher so gesehen, ja so viel wie möglich produzieren, dass man dann, da ging es ja eigentlich nur um die Menge, konnte man halt den Erlös erhöhen.
Tobias
00:30:18
Klar, ja.
Michael
00:30:18
Aber Wein ist ja auch ein sehr nachhaltiges Geschäft. Also ich glaube, das tut dann auch ganz gut, wenn man weiß, das sind jetzt hier meine Lagen, da kümmere ich mich in der und der Art drum und das zahlt sich dann auch irgendwann aus.
Ernie
00:30:30
Natürlich. Wir investieren natürlich in die Weinberge viel mehr. Also ich meine, weil wir natürlich über die Flaschenweinvermarktung natürlich auch einen höheren Erlös haben. Ich gebe ja natürlich auch ganz ehrlich zu, ich meine, das ist ein Umstand, dass hier an der Mosel, wo wir die höchsten Produktionskosten haben, letztendlich der Liter Riesling, offenriesling, Balg, genauso viel kostet oder sogar noch weniger als in der Pfalz, wo sie nur 1/3 der Produktionskosten haben. Dass da nicht unterschieden wird. Und wie soll denn einer hier leben? Ein Winzer, der nur, sagen wir mal, Trauben produziert und kriegt dann nur 1,20 € oder 1,30 € pro Liter? Wie soll das denn funktionieren? Da würde er ja besser Sozialhilfe beantragen, da kriegt er, da macht, ja Bürgergeld.
Michael
00:31:19
Oder studiert Archäologie noch vorher.
Ernie
00:31:20
Der macht ja an Umsatz weniger, als er als Bürgergeld bekommen würde, wenn einer so 1,5 Hektar nur hat. Die Betriebe sind ja an der Mosel auch sehr klein. Das sind ja keine Betriebe, wie wir sie aus der Pfalz oder sonst was kennen, oder Rheinhessen, wo ein Wochenendbetrieb schon 10 Hektar hat. Das gilt ja an der Mosel schon als riesiger Betrieb, weil man dann schon viele Angestellte haben muss. Und machen, kann man da mit Maschinen fast alleine machen. Oder am Wochenende halt.
Tobias
00:31:47
Aber deine, ich sag mal Voraussetzung, als du das Weingut übernommen hast, waren ja zumindest in Bezug auf die Lagen, die dir zur Verfügung standen, recht komfortabel, oder?
Ernie
00:31:56
Ja, natürlich.
Tobias
00:31:57
Jetzt zählen wir, glaube ich, 10 oder 11 vom VDP-klassifizierte große Lagen.
Ernie
00:32:01
Genau, 11 große Lagen, also ich.
Tobias
00:32:04
War das damals auch schon so?
Michael
00:32:05
Nein, war noch kein VDP Mitglied, ne?
Tobias
00:32:07
Nene, das nicht, aber die.
Ernie
00:32:07
Ne, da war ich noch gar kein VDP Mitglied. Aber als ich den Laden übernommen habe, da hatte ich sechs große Lagen gehabt, ne? Aber hier wirklich die Toplagen hier an der Mittelmosel von Bernkasteler Lay, Wehlener Sonnenuhr, Graacher Himmelreich, Ürziger Würzgarten, Erdener Treppchen, Erdener Prälat.
Tobias
00:32:26
Ja, alles schon.
Ernie
00:32:26
Das war alles da. Das waren alles alte Reben, weil mein Vater, wie mein Großvater dann da in der Hinsicht, kann man ja mal sagen, das war ja dann in dem Fall positiv, ziemlich geizig waren und nie neu gepflanzt haben. Deswegen war das alles noch Wurzel. Alte wurzelechte Reben, die ich auch nie neu gepflanzt habe. Wir haben hier noch, wir haben bestimmt noch 5, 6, 7 Hektar, auch mehr, noch alte wurzelechte Reben gepflanzt. Ja, also steht ja in der Weinbaukartei, steht dann vor 1944, weil man davor halt nicht mehr gezählt hat, aber ich ja die Sachen zurückverfolgen kann, wo ich durchaus sagen kann, die sind über 100 Jahre alt, ne?
Tobias
00:33:02
Wenn es hier übrigens im Hintergrund mal klimpert, das ist der Hund von Ernie Loosen.
Ernie
00:33:06
Der immer wieder mal nachschaut, was hier los ist.
Tobias
00:33:08
Wie heißt der eigentlich? Ich hab den Namen gar nicht mitgekriegt.
Ernie
00:33:11
Nyx. Das ist ja genau die Göttin der Nacht in der griechischen Mythologie. Ich habe immer unsere Hunde nach irgendwelchen Mythologien, davor, der hieß Freki und Geri. Das war der, das waren die Hunde von Odin gewesen.
Tobias
00:33:25
Okay, alles klar. So, aber um auf das Thema noch mal zurückzukommen, du hast gesagt, okay, du hast das 1988 übernommen, so mit so einem sanften Druck, weil einer muss es ja machen. Das klingt aber jetzt, finde ich, alles ziemlich bescheiden, weil 1990 hast du schon den Rieslingpreis vom Feinschmecker bekommen, 1993 dann schon die Mitgliedschaft im VDP. Was ist denn das Erfolgsgeheimnis von Ernie Loosen und dem Weingut Dr. Loosen?
Ernie
00:33:51
Also sagen wir so, letztendlich hatten wir, als ich, gut, als wir das übernommen oder ich das übernommen habe, und der Bernie ist ja heute noch Kellermeister bei uns, ein alter Freund, der mit meinem Bruder zusammen Abitur gemacht hat, den habe ich gefragt, also hör mal, du musst du das ja dann übernehmen. Im Herbst 1987 habe ich das schon übernommen, offiziell, aber überschrieben bekommen, gepachtet, Januar, Januar 1988, und so. Ja gut, wie man dann ist, dann ist man jung und man hat unglaublich viele Ideen und will vor allen Dingen alles verändern und alles anders machen. Und jetzt wird einfach mal alles anders gemacht. Also was heißt anders gemacht? Ich habe einfach gesagt, wir müssen irgendwie wieder dahin zurück zum Selektieren. Mein Vater hat jetzt nicht so groß die Selektion gemacht. Wir sind also, wir sind immer noch exzessiv, betreiben wir die Selektion im Weinberg. Wir machen das jetzt nicht auf dem Sorting Table, also so Selektier-Table. Wir machen das alles im Weinberg, unsere. Jeder Leser hat 3verschiedene Eimer, wo er dann direkt schon vom Stock da rein selektieren muss. Wir tun uns unten auf der Bütte noch ein bisschen nachselektieren, gerade wenn BA und TBA ist. Und diese Selektion wird eigentlich nie so gemacht. Dann waren das natürlich alles Angestellte, die waren schon 30 Jahre im Betrieb, schon bei meinem Großvater, dann bei meinem Vater und so, und die, die sich nicht drum gekümmert haben. Jetzt muss ich sagen, mein Vater und mein Großvater waren jetzt keine großen Winzer. Die haben sich also anderen Dingen gewidmet. Mein Großvater war ja Generaldirektor, ist ja noch schön, also von der großen Industriefirma Seitz-Werke. Und mein Vater war selber Jurist gewesen, auch dann in der Politik immer wieder tätig gewesen, wie mein Großvater auch. Und so, das war jetzt nicht so. Ich glaube, mein Vater hätte auch das Weingut verkauft, wenn er seinem Vater, er war Einzelkind gewesen, wenn er seinem Vater nicht auf dem Todesbett hätte schwören müssen, dass er niemals das Weingut verkauft und so. Und dann hat meine Mutter, war auch Einzelkind, hat auch ein Weingut geerbt und so. Und da kamen die 2 Weingüter zusammen. Und na ja, und ich habe gesagt, eigentlich, wir müssen eigentlich, was heißt, nicht alles anders machen, aber mehr präzise. Es gibt doch diesen schönen Designerspruch Less is more, ne? Und so, ne? Also letztendlich über die Selektion das bekommen, was wir haben wollen, und so in die Richtung zu selektieren. Ich weiß noch, 1988 haben wir die erste Auslese trocken gemacht, da habe ich, da hat der Stuart Pigott, dieser englische Weinjournalist, der hat jedoch auf der Bütte gestanden und da habe ich gesagt, nee, wir selektieren nicht nur die gesunden Trauben aus, weil wie gesagt, Reife war damals schwieriger. Ne, wir selektieren nur die von der Vorderseite raus und nur die gelben, die goldgelben Beeren und so. Und da haben wir das erste Fuder Auslese trocken gemacht. Das war damals dann 12 Alkohol, das war schon 88er, das war richtig, also das. Und dann nur gesunde Beeren und dann gar nicht lang rum, aber dann schön geklärt. Den Most dann natürlich vergoren. Teilweise haben die dann auch 6 Monate, 7 Monate gegoren bis die trocken waren und so. Manche sind natürlich auch stecken geblieben, wie das halt so früher war. Also einfach so wenig wie möglich dran machen, also man kann die ganzen Schönungs-Gedöns und sonst was alles weglassen.
Michael
00:37:10
Was eigentlich ja sehr traditionell ist.
Ernie
00:37:11
Ja, das ist im Prinzip so, wie es vor 100 Jahren gemacht worden ist. Und so mache ich ja auch wieder trockene Weine wie mein Urgroßvater väterlicherseits. Der hat nur trockene Weine gemacht zwischen 1880 und 1930 und so, ne? Und da habe ich mal einen 47er getrunken, von eben dem Würzgarten, trocken und so, weil er ja nur trockene gemacht hat. Das hat ein alter Kunde. Ich habe selber die Weine nicht mehr, ein uralter Kunde, der meinen Urgroßvater noch kannte, der hatte mir den vor 20 Jahren mitgebracht, so eine Flasche 47er. Hat er gesagt: „Ich weiß das, dein Opa, der hat aber nur trockene Weine gemacht", also der väterliche Opa, ne, und so. Ja, ja, damals habe ich noch gedacht, na ja, gut, trockene Weine können nicht. Da habe ich aber irgendwann mal aufgemacht. Boah, ich sage dir, Halleluja, das war eine Sensation. Ich hätte nie gedacht, dass so ein 50 Jahre alter oder 60 Jahre alter trockener Wein, so ein schöner, gereift natürlich, ist ja kein jugendlicher Wein mehr, aber perfekte Reife hatte. Hatte ich auch schon mal gehabt mit einem 59er Chardonnay, mehr so Charme. Ach fantastisch, ne? Und dann habe ich gedacht, Scheiße, was hat der alte Sack denn gemacht, dass er ja trockene Weine gemacht hat, die so altern konnten. Und dann haben wir angefangen. Dann bin ich zum Bernie gegangen und gesagt, was müssen wir da machen. Wir müssen wieder dahin zurück. Genau da müssen wir wieder zurück. Zurück ins Fass, raus aus dem Edelstahl, zurück ins Fass, natürlich vergoren. Und ich weiß auch, dass er, der hat alles nur 2 Jahre im Fass auf der Vollhefe liegen lassen. 3 Jahre, die besten Sachen, 8 Jahre auf der Vollhefe im Fass und das machen wir alles wieder. Und das ist sensationell. Learning by doing. Und hier, da hinten in dem Buch, da habe ich auch irgendwann mal, in 1981 habe ich dieses alte Weinmacher-Buch gefunden, hier in der Bibliothek von meinem Opa und so, wo drinnen stand, dass die damals sogar die Weine 20 bis 30 Jahre auf der Vollhefe im Fass liegen gelassen hat. Vor 200 Jahren, vor 200 Jahren. Habe ich 1981 gemacht, da habe ich 1981 genauso ein Fass, ja, kein Businessmodell. Den habe ich 27 Jahre am Fass liegen lassen auf der Vollhilfe.
Michael
00:38:57
Ja, das muss man sich leisten können.
Ernie
00:38:58
Ja gut, wie vieles und so. Und genau so ist es mit den restsüßen Weinen. Vor dem 71er Weingesetz waren die Restzuckerwerte ja gedeckelt gewesen, wesentlich niedriger. Das machen wir auch wieder, bleiben auch, also das ist dann. Das waren eigentlich die klassischen feinen, herben Weine. Ein Kabinett, hieß ja damals naturrein, war immer feinherb gewesen, der hatte niemals 50, 60 Restzucker gehabt, der hatte immer eigentlich nur so 20, 22 Restzuucker gehabt und so. Und dann machen wir auch wieder, der bleibt auch. Der Opa hatte ja auch relativ lange auf der Feinhefe liegen lassen, weil kann man noch ein bisschen Druck bringen, Süße und so. Und das machen wir auch wieder, das ist fantastisch. Ich habe jetzt, und die lasse ich 2 Jahre im Fass liegen und 10 Jahre in der Flasche. Gestern habe ich noch mit Chinesen einen 12er aufgemacht. Der kommt nächstes Jahr erst auf den Markt.
Michael
00:39:44
Wow! Man muss ja vielleicht auch sagen, der Ruf der Mosel war dann in der Zeit auch nicht der beste. Da gab es ja so den einen oder anderen kleinen Skandal und die berühmte Moselmafia, die sich da alle.
Ernie
00:39:56
Ja, in Deutschland hat man da immer die Skandale immer sehr hoch. In Italien gibt es jedes Jahr 20 Skandale, kein Schwein redet drüber, aber wenn, dann ja Damals der Glykol-Skandal, gerade als ich angefangen habe. 1987, dieser Glykol-Skandal. Mein Vater hat viel nach Japan damals verkauft. Die Japaner haben ja komplett den Markt zugemacht. Ich meine, noch viel schlimmer war ja eigentlich ein österreichischer Skandal, der aber beim deutschen Wein abgeladen worden ist und so. Und was hatten wir eben damit zu tun gehabt, mit dem Skandal? Aber diese Skandale sind halt gewesen, da kann man nichts draus machen, wie sie alle hießen. Germanisierungsskandal. Also wir reden ja von Anfang der 80er, gab es irgendwann 1982 oder 1983 gab es sp einen Germanisierungsskandal, dann gab es diesen Glykol-Skandal. Irgendwas gab das immer, aber die Sachen sind ja vorbei. Aber das, ja, keine Ahnung, das hat natürlich schon, da hat die Mosel gelitten unter dieser Reputation.
Michael
00:40:51
Und dann wurde es dir aber irgendwann an der Mosel auch zu klein. Dann ging es ja schon über den großen Teich, oder?
Ernie
00:40:59
Zuerst 1996 erstmal in der Pfalz dieses Weingut Johann Ludwig Wolf, was wir heute Villa Wolf nennen. Direkt gegenüber von Bürklin-Wolf. Was übrigens das original Weingut ja, also dieser Vater Johann Ludwig Wolf, wo eine Tochter den Dr. Bürklin geheiratet hat, der hat das Originalweingut ja den Bürklin gegeben und hat sich dann gegenüber diese tolle italienische Villa im norditalienischen Palladio-Style gebaut. Und das haben wir dann, 1996 haben wir das übernommen, und dann, ja stimmt, 1999 bin ich dann rüber nach USA. Also wir haben immer in USA Geschäft gemacht, schon mein Urgroßvater, aber ich habe dann seinerzeit dieses Château Ste. Michelle in Oregon, der zu der Zeit der größte Einzel-Riesling-Produzent der Welt war. Keine Ahnung, wie viel die damals gemacht haben, 200.000, 300.000 Kisten, ne? War noch größer als die Genossenschaft hier. Und ja, und diesen CEO habe ich damals kennengelernt und da habe ich gesagt, hör mal, wir waren ja in der Zeit, wo Riesling halt so nur dieses Billig-Image hatte, süß und billig. Und in England hat man Super Plonk genannt und so, ne? Dann habe ich gesagt ja, es ist ja nichts Falsches mit dem Riesling. Jeder, jeder Journalist weiß, dass der Riesling zu den großen Rebsorten der Welt gehört, zur Königin oder, ne, der Rebsorten gehört. Also der Riesling hat ja jetzt nichts verdorben, wie Chardonnay oder Sauvignon. Aber ist halt, nur leider ist dieses Image des Rieslings so schlecht und so. Und da habe ich gesagt, lass uns doch was zusammen machen. Die hatten natürlich das Geld, die waren riesig groß, ist ja das neuntgrößte Weingut Amerikas und so, ne? Da habe ich gesagt, lass uns doch mal zusammen, lass uns das Beste von der alten Welt mit dem Besten von der Neuen Welt zusammenbringen und versuchen. Lass uns doch zusammen versuchen, die Reputation des Rieslings zumindest mal in Amerika wieder zu renovieren, ne? Und da haben wir ein Joint Venture gegründet, das heißt Eroica, der Wein, der Rieslingwein. Und das hat aber wirklich geführt, ist heute noch von Château Ste. Michelle, seit 1999, fast 25 Jahren, war dieser Riesling, hat immer die meisten und höchsten Bewertungen bekommen von diesem ganzen Château, die eigentlich viel, viel mehr dann nachher Chardonnay, Cabernet, Merlot und alles so gemacht haben, weil 9 Millionen Kisten in der Spitze produziert. Aber das kleine Riesling-Projekt, das nur 25.000 Kisten waren und so, hat aber die höchsten Punkte bekommen. Hatte auch mal damals die höchsten Punktzahl von allen Weinen Washington States bekommen mit 98 oder 99 Punkte .
Tobias
00:43:47
Oh, dabei da ist es ja eigentlich ziemlich warm für Riesling, oder?
Ernie
00:43:50
Ja, das war da. Aber weißt du, heiß ist trotzdem Cool Climate, weil letztendlich, die Temperatur ist im Prinzip nur wichtig gegen den Herbst, ne? Im Sommer kann es so heiß sein, wie es will. Natürlich ist alles ein fucking desert, also muss alles bewässert werden und so. Das sind, ich weiß ja, die Mosel hat 1.100 Sonnenscheinstunden oder 1.200, keine Ahnung, und genau, aber 1.200 haben wir keine, 1.100 und so. Und da haben die 3.500 Sonnenschein und so, ne? Also, kein Regen und so, ne? Aber spätestens Anfang September sinken die Temperaturen drastisch ab in der Nacht. Und das ist ja das Wichtige für den Riesling. Der Cool Climate ist eigentlich nur, was den Herbst angeht. So im Sommer kann es so heiß sein, wie es will, da brauchst du halt nur Wasser. Aber dann, der Cool Climate fängt halt, und dann geht er fast auf deutsches Niveau runter. Dann haben die wirklich in der, in Kalifornien bleiben es immer 20, 22 Grad, 25 Grad in der Nacht, aber da sinken die Temperaturen dann bis zu 10 Grad, 12 Grad runter, wie bei uns.
Tobias
00:44:58
Das heißt, die Säure bleibt dann in den Beeren auch erhalten, die Aromatik?
Ernie
00:45:02
Klar, die haben natürlich immer noch, dann haben die, die haben den Walter Riester gar nichts gekostet 3,99, und da haben die natürlich nicht viel Effort reingesteckt, ne? Und so, da hab ich gesagt, wir müssen schon ein bisschen was ändern hier. Ihr tut den Riesling gerade im Columbia Valley, wo es am wärmsten ist, anbauen. Wir müssen höher gehen, rüber, rauf. Ancient Lakes, wo wir bis zu 1.200 Fuß hoch gehen und so, ne? Und dann, wir müssen ein bisschen mehr, die haben den Riesling angebaut wie den Rotwein, deficit irrigation, und ja, Phenole, was man natürlich mit Rotwein haben will, aber da nicht. Sun Exposure, also so aus der Sonnen aus, aber wir brauchen mehr Shading, also mehr, und dann müssen wir ein bisschen mehr Hedging, dass die ganze Kraft immer in die Laterals, also in die Geiztriebe geht und so, und nicht in die Trauben. Also alles versuchen, also deswegen, auch da habe ich viel gelernt. Also man muss jetzt auch sich nicht hinsetzen, die Hände auf die Schoß und sagen: Ich kann ja nichts machen. Global Warming, wird alles wärmer. Es gibt so viele Viticulture, also wie soll ich sagen, weinbautechnische Möglichkeiten, also auch Global Warming zu bekämpfen. Man muss nicht nur höher gehen, es gibt auch also Anbau, ne andere Trellis Systems und sonst was. Und also da habe ich gelernt, wie wir geschafft haben, die Hängzeiten, das ist ja, darum geht es ja, die Hängzeit vom Riesling so weit wie möglich auslangen, sodass sie lange Hängzeit haben, dass sie eben nicht so viel Petrol bekommen, ne? Je länger die Hängzeit, je weniger hast du diese petrolischen Aromen im Alter, ne? Und wir haben das geschafft, durch viele, viele, Schritte, also Viticulture, die Hängzeit um 4 Wochen zu erweitern, also wir lesen da jetzt so wie hier in der Mosel und manchmal später sogar. Das ist Wahnsinn.
Tobias
00:47:06
Und Hier gibt es ja in Baden schon Winzer, die dann jetzt über End Alkoholisierung nachdenken, weil sie es irgendwie nicht hinbekommen.
Ernie
00:47:12
Ja gut, ich meine, ja, gibt es. Also ich bin mir sicher, aber die.
Michael
00:47:17
Es gibt andere Möglichkeiten.
Ernie
00:47:18
Es gibt andere Möglichkeiten. Man muss aber auch auch mal nachdenken. Ich meine, natürlich kann ich nicht hingehen. Manchmal, weißt du, wenn du dann so hörst, ja, wir machen das immer schon so, das war schon immer so, meine Mutter auch. Wie, ihr seid schon am Lesen? Wir haben früher nie vorm 1. November angefangen. Habe ich gesagt, na ja, das ist nun mal jetzt anders. Du musst dich, also diese Zeiten, dass man jedes Jahr das Gleiche macht, das funktioniert ja doch mit dem Winemaking nicht, ne? Wir machen uns jedes Jahr Gedanken, wie wir uns jetzt hier einem gewissen, wie wir dieses Jahr dann handhaben im Weinberg, wie auch das Winemaking, weil jedes Jahr heute eine andere, eine viel größere Herausforderung ist als früher. Und da muss man sich anpassen. Aber wenn ich natürlich sage, wir sind nie vor, weiß ich nicht, Mitte Oktober gegangen, ja, dann muss ich mich nicht wundern, wenn alles faul ist, oder?
Michael
00:48:08
Es gibt Winzer, die sagen, früher haben wir im Anorak in der dicken Jacke irgendwo gelesen, heute stehen wir dann noch fast im T Shirt.
Ernie
00:48:15
Ja, genau, und so, ne? Und aber man kann, man muss sich Gedanken machen und dann kann man, wie gesagt, ich habe da viel gelernt in Amerika. Nicht nur so, dass die alte Welt da rüberkommt und denen sagt, wie sie was zu machen haben. Die haben auch ihre Erfahrungen, so ist das nicht. Da habe ich viel gelernt, wie man, gerade ist ja, das ist ja, Eastern Washington ist ja im Prinzip ein Gebiet, was schon immer Global Warming hatte, mit 3.000, über 2.000 Sonnenscheinstunden. Aber du kannst, die haben zwar nicht viel gemacht, weil die gesagt haben, ja, was sollen wir viel machen, kriegen ja nicht viel Geld. Aber mit dem neuen Projekt, was ja da so ein Vorzeigeprojekt für Riesling sein sollte und dann so 25 $ kosten sollte, was natürlich das Zehnfache ist zu dem, was sonst Riesling da gekostet hat, 2,99, konnte man ja auch mal investieren. Dann könnte man erstmal sich Gedanken machen. Dann haben wir vieles geändert und haben jedes Jahr mehr und mehr Erfahrung bekommen, wie wir die Hängzeit, wie wir mehr Hängzeit mit dem Riesling erreichen. Und das sind immer noch, sind elegante Weine. Der Eroica ist ein eleganter Wein, der hat manchmal, hat er wie unser Moselwein, eine tolle Säure, eine Rassigkeit, nie mehr als 12 Alkohol.
Tobias
00:49:24
Aber du bist, glaube ich, ja nicht nur dem Riesling verschrieben, sondern du hattest erzählt, du musst jetzt auch bald weg, weil du musst noch ins Burgund. Ich nehme an, da wirst du den Riesling nicht mit hingenommen haben.
Ernie
00:49:35
Ja, ich bin, ich bin ja, sagen wir so, natürlich, den Riesling liebe ich. Aber ich liebe natürlich auch den Pinot Noir oder den Spätburgunder, weil ich finde, dass der Spätburgunder und der Riesling viel Gemeinsames haben. Es sind beides ein Cool Climate Grape, sind alle beide ein Cool Climate Grape, die leben in der Jugend von der Frucht, können alle toll altern, haben sogar ähnliche Aromenstrukturen, speziell wenn alter Riesling, wenn ich einen alten, ganz alten Riesling Mosel-Auslese aufmache und ganz alten Pinot Noir von Burgund aufmache, haben die beide dieses, was die Franzosen sous-voir nennen. Sehr, sehr ähnliche Aromenstrukturen. Die haben so viel gemeinsam. Ich sage immer, das sind rote und weiße Twins, die Zwillinge und so. Dann deswegen, wenn du Riesling liebst, liebst du Pinot Noir, und weißt du Pinot Noir liebst, finde ich, liebst du automatisch auch den Riesling. Also ist es natürlich irgendwo im, ist es natürlich eine natürliche Entwicklung, dass du natürlich auch den Spätburgunder liebst. Jetzt hier an der Mosel sind wir ja noch nicht so weit. Ja, gibt es auch, aber vor 20 Jahren, vor 25 Jahren war das vielleicht noch nicht so die Nummer. Aber jetzt klar, durch durch Global Warming können wir hier mittlerweile auch, sind aber auch noch immer noch elegantere Weine, elegantere Pinot Noirs, die ja wunderschön sind. Heute wäre eher so wie ein guter Boden, ne? Aber da habe ich natürlich, so viel ich Burgund liebe und natürlich auch eine große Kollektion mittlerweile habe, 35 Jahre lang Burgunder gesammelt habe, war natürlich jetzt in Oregon, was ja als das Burgund Amerikas gilt und wir ja auch da schon 2 Firmen hatten oder 3 Firmen in den USA, und das Head Office von diesen Firmen ist in Portland, Oregon, habe ich natürlich, ja, 30 Jahre bin ich, da habe ich natürlich viele Winzer kennengelernt, viele Weine kennengelernt und so. Und dann irgendwann ist natürlich auch mal der Gedanke gereift, auch mal was dazu selber zu machen. Und 2005 haben wir dann den ersten Wein in Oregon produziert und haben 2009 Land gekauft, haben gepflanzt, haben eine Kellerei gebaut und so, haben unser eigenes Weingut jetzt in Oregon, 2 sogar, 2 Produktionen. J. Christopher und das High End ist Appassionata. Ja, und das jüngste Baby ist dann, ja, das ist dann jetzt in Burgund entstanden, vor 2, 3 Jahren. Reiner Zufall. Da habe ich was angeboten bekommen und da haben wir dann gesagt, dann machen wir da auch was, ne?
Tobias
00:52:04
Und die jetzt ganz Neue?
Ernie
00:52:06
Rust never sleeps.
Tobias
00:52:08
Genau. Aber man unterscheidet ja so zwischen Alte Welt und Neue Welt. Jetzt gibt es ja so eine ganz, ganz Neue Welt, wenn man guckt, wie sich Rebfläche in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. China, da wird ja ganz, ganz viel mittlerweile angebaut.
Ernie
00:52:22
Komme ich gerade her.
Tobias
00:52:23
Ja, ich wollte gerade sagen, das kann doch eigentlich nur.
Ernie
00:52:25
Da kam ich gerade aus China.
Tobias
00:52:26
Ja, das kann doch nur ein Land sein wo du auch irgendwie jetzt deinen Unternehmergeist spielen lässt.
Ernie
00:52:32
Haben wir ja, haben wir ja. Also wir haben gerade unsere eigene Importfirma da gegründet, im Mai diesen Jahres, und das war jetzt erste Mal da, habe das Office besucht, unsere Angestellten da besucht und so was, und so. Ja, ist natürlich ein spannender Markt. Es gibt ja auch schon viel Riesling. Ich glaube, mittlerweile gibt es auch schon in, was haben wir gelesen, 2000 Hektar Riesling in China. China ist sowieso schon ein riesiges Weinanbaugebiet und die, also die Kabinetts und so da aus dem Ningxia, also bis zu 1.000 € teuer. Ja gut, das ist natürlich auch wie den kalifornischen Weinen, hast du natürlich viel Chauvinismus dahinter. Reiche Chinesen, die wollen natürlich den Top haben.
Michael
00:53:16
Aber es gibt viele reiche Chinesen, die das dann eben auch zahlen.
Ernie
00:53:18
Ja, sehr viele. Sehr, sehr, sehr viele. Ja, es ist ein spannendes Gebiet, definitiv. Aber sagen wir mal, im Moment habe ich jetzt, ich habe auch noch einen Joint Venture mit einem Freund in Australien, wo wir einen Riesling zusammen produzieren, der direkt auf Anhieb der teuerste australische Riesling in Australien wurde. 100 $ und so. Dann haben wir natürlich noch einen, ja, wir machen noch ein bisschen mit Telmo Rodríguez machen wir ein Riesling zusammen in Spanien und so. Man kriegt dann hier und da mal noch mal eine Anfrage jetzt. Ich kenne eine gute Freundin, die macht in Ningxia, macht die Riesling. Die hat in, ich glaube, die hat in Aachen studiert. Ich glaube Maschinenbau oder so, ne? Der Vater war immer schon so Berater gewesen und sie ist so mit den bekanntesten Riesling-Produzenten. Crazy Fang heißt die. Wie heißt denn das Weingut noch mal? Keine Ahnung, da ist so ein Pferd drauf, ne? Und so, ne? Die ist bekannt für ihren Riesling. In Teilen Italien nicht so viel, aber die hat sich einen Namen für Riesling gemacht. Die ist super nett, Crazy Fang, die ist super nett und so. Und ja, die hat mich mal gefragt, ob man vielleicht irgendwann mal zusammen was machen kann und so, ne? Aber ich habe an so viele Dinge.
Tobias
00:54:34
Ich wollte gerade sagen, also umtriebig ist ja eine Untertreibung.
Ernie
00:54:36
Ich wüsste nicht mehr, wo ich alles noch hingehen soll und so, ne?
Tobias
00:54:40
Du machst ja auch mittlerweile nicht nur Wein, sondern auch Wermut, ne?
Ernie
00:54:44
Ja, wir haben Wermut, das kam irgendwie. Wie kam das denn mit dem Wermut? Weil ich dachte, Wermut ist ja ein Gewürzwein, ne? Und wir sind mal gefragt worden von diesem, der ist da beim Diageo verkauft worden, ob wir da Grundwein für die besorgen könnten für diesen Wermut. Und dann haben wir gesagt, wir könnten noch so einen Sommer Dr. Loosen Sommerwermut machen, Sommer-Riesling-Wermut machen, ne? Ja gut, dann haben wir aber natürlich, da haben wir eine kleinere Selektion von unseren eigenen Weinen gemacht, weil der dann auch teurer und so, ne? Und das kam unglaublich gut an, ne? Ja, aber dann ist der ganze Laden, haben diese, das waren wieder so irgendwelche Jungs, die dann da gegründet haben und dann wieder verkauft um so viel Geld. Dann haben die da an Diageo verkauft und mit Diageo war eine totale Katastrophe. Also mit so einem Riesenkonzern, Weltkonzern kannst du nichts machen, vergiss es und so. Dann habe ich gesagt komm, wir hören auf, das bringt ja nichts mit denen und so. Und da habe ich gesagt ja, komm, dann machen wir doch vielleicht einen eigenen Wermut. Und da habe ich gedacht, und jetzt kann man vielleicht auch mal diese, ich hatte immer so eine Idee, wollte ich aber nicht mit denen machen und so, ne? Dann habe ich gesagt, guck mal hier, Wermuth ist ein Gewürzwein. Wir haben einen Weinberg, der heißt Würzgarten. Perfekt. Dann normalerweise wird ja Wermuth immer, weißt du, eigentlich holst du ja den billigsten Wein, tust dann diese extrahierten Gewürze, die in Alkohol extrahiert werden, draufgeknallt, Zucker drauf gerührt und dann war's das. Und so habe ich gesagt, ne, wie können wir das dann ohne Zucker machen? Dann habe ich gesagt, komm, dann lass uns einen Ürziger Würzgarten klassisch als Spätlese ausbauen, also gestoppte Gärung. Der natürliche Zucker von der Traube und so, ne? Und dann haben wir auch, da gibt es auch so ein Gewürzgarten in Ürzig, und da haben wir gesagt, okay, wir übernehmen die Pflege. Das war alles verwildert, hat keiner mehr gemacht.
Tobias
00:56:37
Also ein echter Würzgarten, sozusagen?
Ernie
00:56:39
Ja. Und dann haben wir dann einen Großteil der Gewürze, die wir dazu extrahierten, haben wir da angebaut. Also im, so genommen im Weinberg. Die Zitronen kamen ja von der Terrasse und so. Und dann habe ich gesagt, komm, nehmen wir das doch, da haben wir also, und wir brauchen keinen Zucker drauf machen, ne? Und der Wein wird ein Jahr lang im Fuder ausgebaut, also das sind 1.000 Liter, wenn im Fuder, ein Jahr lang im Fuder gelegen. Und dann haben wir immer abgefüllt. Also der liegt immer ein Jahr im Fuder, ne? Also ein Großteil der Gewürze kommen aus dem eigenen, auch aus dem Weinberg da und dann, und das ist eigentlich ein Projekt geworden, das ist echt spannend und so, ne? Und wir haben auch viel, viel, viel gute, sagen wir mal so, ich kenne jetzt nicht so die Drinks-Industrie so sehr. Also wenn jetzt an Spritz und so was geht, ne? Aber haben ganz tolle, tolle Reviews bekommen, ne?.
Michael
00:57:31
Ja, Wermut ist im Kommen, Ungeheuer, ne?
Ernie
00:57:33
Und Würzgarten und er heißt Würzgarten. Und der Würzgarten, der Wermut ist Würzgarten.
Tobias
00:57:39
Michael, komm. Das ist doch jetzt Steilvorlage. Wo gibt es den zu kaufen, den Wermut?
Michael
00:57:43
Den gibt es natürlich bei uns zu kaufen, hier bei den Weinfreunden.
Tobias
00:57:46
Weinfreunde.de, ja genau.
Michael
00:57:46
Ja, im Shop haben wir den auf jeden Fall.
Ernie
00:57:48
Ah, ihr habt einen Weinshop? Prima, prima.
Tobias
00:57:50
Ja, und das ist auch.
Ernie
00:57:51
Ist auch ein tolles Etikett.
Michael
00:57:53
Wollte ich gerade sagen, auf die Gestaltung eingehen, ne?
Ernie
00:57:54
Wir haben gesagt, wir machen wie ein Herbarium und wie dieses Herbarium, sind all die Gewürze also abgebildet, die auch in dem Wermut drin sind.
Tobias
00:58:04
Ja, das sieht wirklich gut aus. Und das lässt mich auch automatisch zur Frage kommen, wenn man jetzt das Weingut Dr. Loosen kennenlernen möchte, über den Weg eines Weines natürlich, was wäre da so die Empfehlung für die, die vielleicht auch so ein bisschen kritisch sind? Mosel, und die schon angesprochenen Vorurteile haben. Welchen würdest du denen mit auf den Weg geben?
Ernie
00:58:27
Also gerade der Blauschiefer, unser Dr. Loosen Riesling Blauschiefer trocken, das ist ja unser Gutsriesling. Und für uns ist ja auch sehr wichtig, egal ob der Einstiegswein oder Gutsriesling bis zur Großen Gewächs oder Großes Gewächs Reserve, die kriegen alle die gleiche Aufmerksamkeit. Das ist ja, ich weiß auch noch von meinem Großvater oder zu Vater Zeiten, da hat man sich immer nur um die Spitzen, ne, hat man sich unglaublich gekümmert. Aber das kleine Zeug da unten? Na ja, das ist ja nix und so, ne? Aber ich finde gerade wichtiger, dass man sich um die Einstiegsweine eigentlich noch viel mehr kümmert, weil die Einstiegsweine sind in der Regel die Weine, wenn Leute mal was probieren wollen. Ist ja wie Mouton Rothschild. Keiner, der noch nie einen Bordeaux getrunken hat, der kauft sich ja nicht erstmal für 800 € einen Mouton Rothschild, um zu erfahren, wie Bordeaux schmeckt. Also der kauft sich eher den Mouton Cadet für 10 € oder 12 €.
Michael
00:59:20
Genau. Muss auch nicht schlecht sein, ja.
Tobias
00:59:21
Und so, sagt sich dann gucken wir mal, wie so Bordeaux schmeckt. Und so ist es ja genauso. Wenn einer Riesling von der Mosel noch nie getrunken hat, der sagt, ach komm, so 10 bis 15 €, bin ich bereit auszugeben, was kriege ich denn da? Und deswegen hast du ja hier auch nur eine einmalige, nur die eine Chance, wenn der Wein dem nicht schmeckt oder scheiße ist.
Ernie
00:59:41
Nee, sag mal so, da sagt er: oh, Riesling von der Mosel, das ist nichts für mich. Aber wenn der Wein überzeugt, dann sagt er: ach komm, da gibt's bestimmt noch was Besseres, da gucken wir mal! Und wenn der doch schon gut ist, und deswegen finde ich gerade unseren Blauschiefer Riesling trocken, das ist auch bei uns also wirklich ein sehr erfolgreicher Wein. Der kriegt genau die gleiche Aufmerksamkeit. Da wird genau die gleiche Selektion gemacht wie bei den großen Gewächsen. Da ist auch die 3 Eimer, nur gesunde Trauben werden rausgesucht, der wird genauso ausgebaut wie die großen Gewächse. Der wird mit natürlichen Hefen im Fass vergoren. Also bei uns. Alle trockenen Weine werden in Holzfässern, also in Fuder, die bei uns 1.200, 2.000 oder 3.000 Liter groß sind, also über 3.000-Liter-Fässer haben wir nicht, die werden in 3.000 Liter natürlich vergoren, bleiben auch, wie die großen Gewächse, 12 Monate auf der Vollhefe im Fass liegen. Also im Prinzip, die kriegen genau das gleiche Treatment wie unsere großen Gewächse. Wir machen uns unglaublich viel Mühe mit dem Blauschiefer und das ist wichtig. Deswegen ist das eigentlich im Prinzip ein Wein für den Preis, ein super Preis-Leistungs-Verhältnis.
Tobias
01:00:46
Und der hat dann auch die typische Moselschiefer-Stilistik?
Ernie
01:00:48
Genau, das eben, Blauschiefer. Deswegen, wir tun ja, weil wir machen ja nur eine Lage aufs Etikett, wenn die große Lage, das haben wir schon seit 1988 gemacht, nicht erst seit VDP, seit 20 Jahren, ne? Also wir haben das schon immer gemacht. Wenn die ganzen Vielzahl der verschiedenen Lagen, da wir ja immer Export gemacht haben, haben die im Export das ja gar nicht kapiert, diese vielen Lagen. Also hier allein in Bernkastel acht verschiedene Lagen. Also wir machen nur eine Lage aufs Etikett, wenn es eine Grand-Cru-Lage ist oder große Lage, heißt es ja heute, ne? Und so alles andere machen wir nur, tun wir abstufen zu Gutsriesling, Dr. Loosen Riesling trocken.
Tobias
01:01:26
Okay, also erste Lage gibt es bei euch gar nicht?
Ernie
01:01:28
Ne. Und nennen dann nur nach dem Boden. Es gibt einen Dr. Loosen Riesling Blauschiefer trocken und einen Dr. Loosen Riesling Rotschiefer trocken, ne? Und so, das sind unsere zwei Hauptböden, ne? Und so. Und es gibt dann mal hier und da mal einen Village oder ein Ortsriesling. Aber Ortsrieslinge machen wir nur aus den jüngeren Reben von großen Lagen. Also, wenn wir eine große Lage neu pflanzen, dann tun wir die dann, also in den ersten 20 Jahren geht es dann in den Gutsriesling und dann zwischen 20 und 30, 35 Jahren wird es dann Village genannt, Graacher. Und wenn er dann 35 Jahre alt ist, dann geht es wieder als Große Lage.
Tobias
01:02:11
Ah, okay, und dieser Blauschiefer Riesling, den es natürlich auch bei weinfreunde.de gibt, muss ich jetzt natürlich auch noch mal kurz sagen, diese Schiefer-Stilistik, wie würdest du das beschreiben? Ich höre da zum Beispiel den Vergleich mit Rauch.
Ernie
01:02:22
Zum Beispiel, der liegt auch ein bisschen niedriger im Alkohol. Das ist jetzt nicht so, die GGs liegen in der Regel bei 12 oder 12,5, der liegt so zwischen 11,5 und 12. Und gut, weil es ja dann auch die Village-Lagen und die Premier-Cru-Lagen sind, letztendlich, ne? Wird aber, wie gesagt, genauso ausgebaut. Aber der hat genau diese gleiche, diese Rassigkeit, diese mineralische Säuren, die dieses, und dann auch, dann ist diese Leichtigkeit, ne? Der ist zwar trocken, aber trotzdem wirkt er noch leicht, auch mit seinen 11,5, 12 Alkohol und so, ne? Ist ein, und deswegen machen wir das ja, dass wir die Weine 12 Monate auf der Vollhefe im Fass liegen lassen. Also kein Batonnage, also umrühren. Das halt einfach durch diese Mikrooxidation die leichte Autolyse, ich will halt nicht diese fette Autolyse durch Batonnage haben, diese leichte Autolyse, wo der Wein sich nur berührt mit den Hefen, die da unten sitzen, das gibt ja ein bisschen Autolyse, das gibt ein bisschen, und hat alles integriert. Die Säure ein bisschen stärker in diese Komplexität des Weines, dass die Säure da ist, aber nicht mehr, weil ja viele hier in Deutschland, oh, ich kann keinen Riesling trinken, oh, vertrage ich nicht mehr und bla, bla, bla und so ein Zug. Und so, dass die Säure zwar immer noch diese schöne Mineralik hat, aber dann doch nicht mehr so spitz ist. Ich sag mal so, das schleift so ein bisschen die Spitze ab. Also die Säure kann ja manchmal ein bisschen spitz sein, aber mit dieser Methode tun wir einfach die Spitze hier so, weißt du, ein bisschen abflachen, ne ? Ein bisschen so stärker integrieren und so. Also das ist ein Wein, der kommt so gut an, also wirklich, der ist auch.
Tobias
01:04:10
Genau, der Blauschiefer und Autolyse, nur noch mal kurz, müssen wir ja immer unseren Hörerinnen und Hörern auch erklären. Das ist ja dann letztlich, wenn es wirklich ausgeprägt ist, so ein bisschen so eine Hefeprägung. Man spricht ja dann auch so von warmem Gebäck.
Ernie
01:04:22
Ja, aber das ist mehr von der Batonnage, also dieses. Früher hat man ja diese, im Chardonnay, die alten Chardonnays aus Amerika, Australien, die hatten dann so eine Buttrigkeit bekommen, weil die dann wie die Bekloppten da aufgerührt haben. Das wollen wir nicht. Wir wollen ja nur ein bisschen, dass dann im Prinzip, die Hefe löst sich auf. Und die löst sich auf und gibt dann so ein bisschen mehr Komplexität.
Tobias
01:04:46
Genau, aber keine aromatische Prägung.
Ernie
01:04:48
Nein, genau, keine aromatische Prägung, ja.
Tobias
01:04:50
Ja, sehr gut.
Michael
01:04:51
Ja, danke erst mal jetzt an der Stelle. Wir haben noch eine schöne Schlussfrage für dich. Stell dir vor, du musst auf eine Insel und bist dort ganz allein und darfst einen Wein mitnehmen.
Ernie
01:05:03
Diese alte Inselfrage. Es ist egal, eine Inselfrage.
Michael
01:05:07
Es hat nichts mit Menge zu tun. Es hat nichts mit Geld zu tun, aber es ist ein Wein, den du mitnehmen darfst. Welcher ist denn das jetzt?
Ernie
01:05:13
Ja, das ist also im Prinzip eine Frage, die man überhaupt nicht beantworten kann, weil das wäre ja so, also ich meine, Entschuldigung, will ich den Rest meines Lebens nur einen Wein trinken? Mit einer Frau kann man es vielleicht ein Leben lang aushalten, aber nicht mit einem Wein!
Tobias
01:05:29
Gehen wir mal davon aus, es ist ein Muss.
Ernie
01:05:31
Ja, es ist ein Muss, ne? Und so, ne? Und da darf man nur eine Flasche mitnehmen. Ne, ne.
Tobias
01:05:36
Ne, ne ganzer Keller. Also, die Insel ist unterkellert, perfekt klimatisiert.
Ernie
01:05:38
Ja, und dann soll ich einen Wein mitnehmen?
Tobias
01:05:41
Ja, 20.000 Flaschen davon.
Ernie
01:05:42
Dann, ja, dann schließe ich mich lieber tot, ne? Also ein Leben lang nur noch den gleichen Wein trinken zu müssen, dafür gibt es ja auch, Wein ist ja so vielfältig und so. Wenn da eine heiße Insel ist und so, dann würde ich sagen, sagen wir, für die erste Woche würde ich mir einen schönen, leichten, frischen, trockenen, halbtrockenen Mosel mitnehmen, ne? Ja nur, was mache ich im Winter? Muss ich dann auch den Riesling trinken? Da würde ich mir dann wieder eher in einen gereiften Burgunder mitnehmen und sonst was. Deswegen, diese Frage wird ja einem oft gestellt. Da sage ich immer.
Michael
01:06:14
Ich sehe schon, du brauchst zwei Inseln.
Ernie
01:06:16
Also nein, ich brauche einen großen Keller mit 10.000 sehr, sehr vielen verschiedenen Flaschen, damit ich jeden Tag was anderes trinken.
Tobias
01:06:24
Aber dann nenn uns doch mal ein Beispiel von einem Wein, wo man so sagen kann, der hat mich praktisch zu Tränen gerührt.
Ernie
01:06:30
Ja, also da gibt es mit Sicherheit auch wieder nicht diesen einen Wein. Aber es gab diese Momente von Weinen, die ich getrunken habe, wo ich die, sagen wir mal, die 4, 5 Weine, die dir unvergesslich bleiben im Kopf. Das war bestimmt, das war, als ich das erste Mal wirklich einen großen Burgunder getrunken habe. Da erinnere ich mich heute noch und habe heute noch die leere Flasche. Das ist aber schon 20 Jahre her, glaube ich. Ja, und das war zum Beispiel 69er Chambertin von Armand Rousseau. Den habe ich heute noch auf der Zunge. Ja, der war einfach grandios. Aber von Mosel, ich weiß, mein alter Onkel, der hat mal aufgemacht einen neuen 49er Wehlener Sonnenuhr. Feinste Auslese von J. J. Prüm, seinen Großvater. Auch, das bleibt ein Leben lang in meinem Gedächtnis und so. Und das sind ja diese großen Weine, die hast du in deinem Leben getrunken hast, die dich ja permanent anspornen, besser zu werden. Du kannst niemals, wenn du einmal aufgehört hast und sagst, ich finde, wir sind schon so gut und so toll, dann geht es nur noch rückwärts. Natürlich wird es immer schwieriger, immer besser zu werden, weil das ist ja exponentiell. Die ersten 70 % sind einfach, die nächsten 20 % brauchst du genauso viel Zeit wie für die ersten 70 %. Aber die letzten, sagen wir mal, 5 % brauchst du exponentiell mehr und auch Erfahrung. Du versuchst immer und wird das überhaupt erkannt, dieses letzte Tüpfelchen mit so viel Aufwand, wo dann viele sagen das lohnt sich ja gar nicht. Aber wenn es du nicht danach strebst, wenn du danach nicht permanent strebst, irgendwann mal, und du wirst niemals den idealen Wein, weil du ja dann, der ideale Wein sagst du ja, ach, da kann man bestimmt, da kriegt man noch mal ein bisschen mehr rausgekitzelt. Also, also spätestens, hast du deinen idealen Wein, willst du noch mal wieder mehr und so. Und dieses Suchen immer nach noch besseren Wein, und du erfindest dich dann auch permanent neu, wie wir jetzt dann, sagen wir, seit 20 Jahren auf einmal die trockenen Weine meines Urgroßvaters entdeckt haben und Weine machen, wie gesagt, bis zu 27 Jahre auf der Hefe. Learning by doing. Das ist am Ende, das ist es. Und diese großen Weine, die du einmal in deinem Leben getrunken hast und die dir für immer im Gedächtnis bleiben, die sind auch irgendwo da oben und sagen, da willst du ja mal hin, Wie komme ich nur bloß da hin? Ich meine, man ist schon ziemlich weit, aber das war für dich Perfektion. Und danach strebst du dann. Scheißegal, ob das ein Rotwein ist oder ein Weißwein oder sonst was, die haben alle das gleiche Format. Ein großer Wein hat immer diesen Gegensatz von Konzentration und gleichzeitig Eleganz, Finesse und Komplexität, ne? Dieses, und das ist egal, ob das jetzt rot oder weiß ist, dieser Holy Grail, dieser perfekt geschliffener Diamant, ne? Das spielt keine Rolle. Das ist bei rot und weiß das Gleiche, ne? Und so, und das, die Dinger, die bleiben einem im Kopf und sagen, Mensch, Scheiße, das war da. Da geht man, da geht noch was.
Tobias
01:09:37
Und das kann auch nur Wein, ne? Das ist wirklich spannend.
Ernie
01:09:40
Jaja, ist schon irre, ne? Also deswegen, die hast du schon im Kopf und die vergisst du nie mehr in deinem Leben.
Tobias
01:09:45
Wow, das finde ich, war jetzt auch ein super, super Schlusswort Ernie Loosen, vielen Dank, dass wir hier sein konnten, mit dir sprechen konnten. Hat Spaß gemacht.
Ernie
01:09:53
War sehr schön.
Michael
01:09:53
Hat großen Spaß gemacht.
Tobias
01:09:55
Wunderbar.
Michael
01:09:55
Und wir wünschen dir auch heute großen Spaß im Burgund noch, ne?
Ernie
01:09:58
Danke, danke, danke.
Michael
01:09:59
Und eine gute Fahrt. Und selbstverständlich freuen wir uns, bis es das nächste Mal wieder heißt.
Ernie
01:10:04
Bei Anruf
Tobias
01:10:06
Wein.