Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

International, wiederentdeckt und PiWi: neue Rebsorten in Deutschland

19.09.2023 25 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Von Sankt Laurent und Elbling über Sauvignon Blanc und Merlot bis Solaris und Regent – Michael und Tobias sprechen in dieser Folge über neue Rebsorten in Deutschland abseits des Mainstreams. Dabei geht es um wiederentdeckte Rebsorten, aus anderen Ländern oder auch gänzlich neu eingeführte Sorten. Ein spannendes Thema, bei dem am Ende des Tages dann doch nur die Qualität im Weinglas zählt. Darüber sind sich Michael und Tobias genauso einig, wie bei der Feststellung, dass sich „Pioneer Wines“ besser anhört als „pilzwiderstandsfähige Rebsorten“.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Riesling, Spätburgunder und Co. kennt aus Deutschland wirklich jeder und es dürfte kaum Streit darüber geben, dass hieraus hervorragende Weine entstehen. Doch mittlerweile gibt es in den 13 Anbaugebieten auch andere Rebsorten. Internationale, neu entdeckte und sogar pilzwiderstandsfähige. Michael und ich finden das eine tolle Bereicherung unserer vinophilen Heimat und tragen in heutiger Folge zusammen, was man darüber wissen sollte. Apropos Bereicherung: Jede Rezension und Bewertung des Bei Anruf Wein-Podcasts ist gerne gesehen. Und abonnieren solltet ihr ihn natürlich auch. Merci! Jetzt aber auf in neue Rebsorten-Gewässer mit Michael. Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:03
Mein Weinfreund, Weinlakai Tobias in the Telefonhouse.
Tobias
00:01:08
Hallo.
Michael
00:01:08
Ich begrüße dich zur mittlerweile 65. Folge von Bei Anruf Wein. So weit haben wir es schon gebracht, Tobias. Und es ist für mich nach wie vor ein großes Vergnügen, mit dir ein paar Pfade in die große Weinwelt zu schlagen.
Tobias
00:01:23
Oh Gott, oh Gott. Also, ich muss ja gleich weinen, ja. Und dann auch noch so bildlich, Pfade in die große Weinwelt schlagen. Aber das wirkt mir schon wieder so ein bisschen sehr martialisch. Bist du irgendwie so ein bisschen auf Krawall gebürstet heute?
Michael
00:01:38
Nein, nein, nein, nein. Ich will keinem was Böses. Tobias, du kennst mich doch. Aber heute mal mit einem Thema kommen, das die Riesling und natürlich auch Spätburgunderhochburg Deutschland durchaus kontrovers diskutiert. Es geht darum, über neue Rebsorten in unseren Anbaugebieten zu sprechen, die in Deutschland bereits seit einiger Zeit Fuß fassen, wenn auch in einem bislang eher bescheidenem Maßstab. Mal griffig formuliert: Braucht das Land neue Rebsorten?
Tobias
00:02:08
Ja, das ist in der Tat eine gute Fragestellung. Und ich muss ganz ehrlich sagen ich bin schon wieder kurz davor, meinen Klimawandellied anzustimmen, weil das passt wirklich gut zu diesem Thema. Aber wir müssen vielleicht noch mal vorher differenzieren. Ja, also wir sprechen in dieser Folge von Bei Anruf Wein erstens über Rebsorten, die in Deutschland neu sind, also zumindest, wenn man mal so ungefähr 30 Jahre zurückblickt. Wir reden zweitens aber auch über im Grunde genommen alte Rebsorten, die neu entdeckt wurden. Ja, und drittens über Rebsorten, die wirklich ganz, ganz neu sind, also neue Züchtungen. Und diese 3 Dinge, die muss man eben sauber auseinanderhalten, und gut deine Frage muss ich jetzt natürlich auch beantworten. Ja, lieber Michael, neue Rebsorten können eine Antwort auf den Klimawandel sein.
Michael
00:03:01
Ja, dann beginnen wir doch mal mit deinem Ersten, also den Rebsorten, die in der Weinwelt ganz und gar keine Unbekannten sind, aber im Rebsortenspiegel der Weinnation Deutschland gerade erst mal angekommen sind, sage ich jetzt mal. Also das sind ja in erster Linie französische Reben, also so was wie Sauvignon Blanc, Chardonnay bei den Weißweinen sowie Merlot, Cabernet Sauvignon und Konsorten bei den Rotwein. Da haben wir, erinnere dich bitte, schon einiges Bemerkenswertes aus Rheinhessen oder der Pfalz im Glas gehabt. Also, was hältst du denn von diesen französischen Neuankömmlingen?
Tobias
00:03:39
Ja, ich empfange sie natürlich mit offenen Armen, ist doch klar. Denn auch bei Wein ist ja Diversität immer willkommen. Allerdings, ich sage jetzt mal, mit der Einschränkung, zumindest aus meiner persönlichen Sicht, dass ich es schade finde, wenn Winzerinnen oder Winzer mit einer internationalen Rebsorte oder einer Rebsorte, die eigentlich für eine andere Region typisch ist, nur imitieren, wofür daraus andernorts diese Weine geschätzt werden. Also das heißt, die Handschrift des Winzers und vor allem aber auch die Herkunft muss schon deutlich werden, weil sonst wird das irgendwie austauschbar. Ja, und natürlich die Rebsortencharakteristik an sich, die darf auch nicht verlorengehen. Nicht irgendwie überlagert werden durch zu intensiven Holzausbau oder so was in der Art. Ja, und du hast es ja gerade schon angesprochen. So ein paar Erfahrungen haben wir ja damit gemacht. Und als Positivbeispiel fällt mir da so ein Weingut wie Peth-Wetz ein, das ja mit Bordeauxreben in Reinform, ja in Reinform, aber auch als klassische Cuvée wirklich überzeugt. Also denk nur mal an diese Assemblage Réserve. Und in dem Fall liegt es dann eben auch nicht nur am Klimawandel, dass ein Weingut aus Rheinhessen wohlgemerkt auf diese Rebsorten setzt. Da hat es dann auch eben etwas mit dem Werdegang des Winzers, in dem Fall Christian Peth, zu tun, der ja aufgrund seiner internationalen Erfahrungen, die er gesammelt hat, auch einen ganz anderen Blick auf so Rebsorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hat. Und ja, trotz dieser Vorbilder macht er mit den Rebsorten sein ganz eigenes Ding. Und das finde ich klasse.
Michael
00:05:21
Ja, ja, ja. Und man muss ergänzen, auch einen Blick hat auf Petit Verdot und Malbec. Ja, gerade wenn wir über die Assemblage Réserve reden. Ich habe zuerst das Weingut Rings mit dem kleinen Kreuz und dem, in Anführungszeichen, großen Kreuz im Sinn gehabt, ja, und das erweitert jetzt mal direkt die Systematik, denn die französische Neuankömmlinge sind nicht nur reinsortig oder als Bordeaux-Cuvée, wie eben in dem Fall gefragt, nein, sie werden schließlich auch mit hier schon heimischen Reben vermählt. Also gerade die beiden Kreuzweine von Rings zeigen das. Da ist ja noch St. Laurent im Spiel. Ja, das bekannte Stichwort an dieser Stelle, und da kommen wir auf eine Bei Anruf Wein-Folge zum Nachhören, hört, hört, heißt er eigentlich Markus Schneider. Mit seinem Ursprung und dem Black Print.
Tobias
00:06:14
Ja, ja, genau. Das sind gute Beispiele und an denen erkennt man ja sofort, also diese Rebsorten sind bereits da, die spielen längst schon eine Rolle und das muss man eben immer dabei im Kopf haben. An gute Trauben kommt man eben nicht gerade, nachdem man einfach eine Rebe neu gepflanzt hat. Das geht nicht von heute auf morgen. Da braucht es einige Zeit, bis die Reben wirklich auch Trauben produzieren, die eine wirklich hohe Qualität haben. Und ja, deshalb sprechen wir eigentlich bei den genannten Weinen immer über so eine jüngere Entwicklung. Aber ja, Jung heißt dann in dem Kontext eben, da wurde schon früher die Basis für geschaffen und das liegt dann meistens so 20, 30 Jahre eigentlich schon zurück. Aber vielleicht reichen wir an der Stelle auch noch mal ein paar Zahlen nach, damit man so einen kleinen Eindruck davon gewinnt, worüber wir hier eigentlich sprechen. Nach Auskunft des Deutschen Weininstituts DWI, besetzt 2021 Merlot gerade mal 0,8 % der deutschen Anbaufläche, beim Cabernet Sauvignon sind es sogar nur 0,5 %. Wir reden hier also auf jeden Fall trotz dieser tollen Weine, die es daraus schon gibt, über eigentlich ein Nischenphänomen.
Michael
00:07:30
Ja, noch Tobias, würde ich sagen, noch. Man kann ja die Zahlen jetzt auch anders deuten. Du weißt, wie das mit den Statistiken ist. Denn andererseits, die Tendenz in den vergangenen Jahren ist eben deutlich steigend. Ja, also betrachtet man nur den Merlot, wächst die bestockte Fläche von 2020 auf 2021, also nur innerhalb eines Jahres, um fast 8 %. Wie gesagt, auf einem geringen Sockel, klar. Aber, wenn du jetzt mal die Tendenz siehst, dann ist 8 % schon ein Wort, finde ich. Und beim Cabernet Sauvignon sind es fast 5 % mehr. Und bei den weißen Rebsorten ist der Anteil von Sauvignon Blanc und Chardonnay darüber hinaus ja noch deutlich höher.
Tobias
00:08:11
Okay, okay, okay, dann auch noch mal dazu die Zahlen. Also 2021 waren 2,5 % der Rebflächen mit Chardonnay und 1,7 % mit Sauvignon Blanc bestockt. Ja, das ist mehr, deutlich mehr. Aber, ich muss es leider sagen, immer noch verschwindend gering. Denn Riesling nimmt immerhin fast 24 % der Gesamtrebfläche in Deutschland ein. Das sagt jetzt erstmal nichts über die Güte der Weine, ist ja logo. Insbesondere, weil ich schon tolle Sauvignon Blancs im Glas hatte. Ich denke da vor allem an die Pfalz. Und ja, Chardonnay wird ja sogar vom VDP mittlerweile als Großes Gewächs zugelassen. Denkt da mal an so jemanden wie Franz Keller in Baden, ja.
Michael
00:08:57
Ja, ja, okay, pass auf, dann lass uns doch jetzt mal eine weitere Kategorie aufmachen. Also die neuen alten Rebsorten, also gewissermaßen Wiederentdeckungen, das kennen wir ja aus Deutschland, das haben wir auch schon häufig auf unseren Reisen gehört. Weingärten mit alten Rebsorten, die früher nicht mehr den hohen Ertragszielen entsprochen haben, werden plötzlich aus so einer Art Dornröschenschlaf geholt und mithilfe von, sagen wir mal jetzt, aktuellem zeitgemäßen Winzer-Know-how, entstehen da plötzlich wieder ganz, ganz tolle Weine draus. Ja, also ich hatte da mal ein echtes Schlüsselerlebnis. Ist schon wirklich eine Weile her, aber ich habe an der Mosel einen Schaumwein aus Elbling probiert. Ja, ist jetzt nicht Herr der Ringe, der ist wirklich Elbling und der hat mir super gefallen. Also Elbling hat bis, ich glaube, so 1800 noch 3/4 der Rebfläche in Deutschland belegt.
Tobias
00:09:56
Wahnsinn.
Michael
00:09:57
Wurde dann aber kontinuierlich von Riesling oder auch Sylvaner verdrängt. Ja, da sagst du jetzt bestimmt: Und das ist auch gut so, oder?
Tobias
00:10:07
Nee, nee, ich bin da ja schon bei dir. Denk auch mal, du hast es vorhin schon erwähnt im Zusammenhang mit Markus Schneider, denk mal an die rote Rebsorte St. Laurent. Die stammt vermutlich aus Österreich, ja, und 1995 waren nur noch 68 Hektar in Deutschland damit bestockt und heute hat sich die Rebfläche fast verzehnfacht. Ja, es gibt da also durchaus Positivbeispiele. Und St. Laurent findet man vor allem in Cuvées, reinsortig jetzt eher seltener. Und ich muss da ganz spontan an diesen abgefahrenen Multijahrgangswein von Dreissigacker denken, Vintages heißt der, da geht die Rebsorte nämlich eine Ehe mit Spätburgunder ein und der ist richtig gut. Ja, und muss ich jetzt auch mal sagen, den habt ihr sogar im Weinfreunde-Shop. Wenn ich jetzt mal ausnahmsweise Werbung machen darf.
Michael
00:11:01
Danke, immer gerne, gerne. Aber weil ich ja jetzt schon das Thema neue alte Rebsorten eröffnet hatte, mache ich jetzt mal direkt weiter mit den wirklich neuen Rebsorten. Ja, und direkt vorab: Deren Anteil an der Anbaufläche fällt noch geringer aus als eben die französischen Rebsorten, die zu uns gefunden haben, ja. Und ich rede jetzt mal über solche Rebsorten wie, pass auf, Cabernet Blanc oder Cabernet Cortis oder Pinotin oder Souvignier Blanc, nicht Sauvignon, sondern Souvignier Blanc, aber auch, und jetzt fällt vielleicht bei dem einen oder anderen der Groschen, auch so was wie Solaris und Regent. Ja, wobei das mit dem Regent und den geringen Anteilen stimmt nämlich schon gar nicht mehr. Er bringt es immerhin auf 1,6 % der Rebfläche in Deutschland. Vergleich das mal mit den Franzosen.
Tobias
00:11:58
Ja, ja, ja, aber jetzt mal ganz langsam. Ja, die Zahlen, die lassen wir nämlich jetzt erstmal beiseite. Du hast nämlich noch gar nicht erklärt, über was für Rebsorten du hier gerade sprichst. Ja, da kommt jetzt nämlich ein Stichwort ins Spiel, das schon seit vielen Jahren durch die deutschen Weinlanden schwebt. PIWI heißt es und klingt ja eigentlich so ganz niedlich. Und das ist wahrscheinlich auch ganz hilfreich, denn PIWI ist eine gut gemeinte Abkürzung für pilzwiderstandsfähige Rebsorten, was ganz offensichtlich überhaupt nicht sexy klingt.
Michael
00:12:33
Nein, das klingt überhaupt nicht sexy. Das klingt eher wie so Betriebsanleitung oder wie so eine önologische Guerillabewegung, Pilzwiderstand.
Tobias
00:12:43
Ja, obwohl da ist, glaube ich, was dran.
Michael
00:12:45
Genau. Also im Ernst, PIWI, das sind neue Rebsorten, also richtig neue Kreuzungen, die einerseits auf robustere Reben abzielen und andererseits dennoch auf eine schöne Aromatik achten. Ja, also das sind oft Kreuzungen bekannter Rebsorten mit Wildreben, nicht selten amerikanischer Herkunft. Die Reben kennen wir sonst im Weinbau eher so nur als Unterlage, also als Wurzelaustrieb, auf den dann die Edelreben gepfropft werden. Aber da.
Tobias
00:13:17
Weil die resistent sind gegen die Reblaus, ne?
Michael
00:13:18
Genau. Und da sind sie jetzt mal sozusagen im Originalzustand im Einsatz. Und ja, wie du es gerade angesprochen hast, ist eine Konsequenz der großen Reblauskatastrophe, über die wir natürlich auch schon eine Sendung gemacht haben.
Tobias
00:13:32
Ja, und da lohnt sich wirklich auch noch mal reinzuhören. Natürlich erst nach dieser Folge. Also dann lass uns doch jetzt noch mal festhalten: Wir reden nicht über Neuzüchtungen von Reben, die ausschließlich, ich sage jetzt mal, die Aromatik im Blick haben, also so etwas wie die Scheurebe in Deutschland oder den Zweigelt in Österreich. Es geht bei den PIWI auch darum, die Reben weniger anfällig für einschlägige Krankheiten wie echten oder falschen Mehltau zu machen. Und das bedeutet automatisch weniger Chemie oder schöner formuliert weniger Pflanzenschutzmittel im Weinberg. Und das kann uns doch eigentlich allen nur recht sein, oder?
Michael
00:14:12
Ja, ja, da bin ich ganz bei dir. Also dieses Anlegen treibt uns ja alle um. Und ich erinnere jetzt noch mal an unseren Trip an die Nahe, ja, zu Georg Rumpf. Der hat ja dann erzählt, dass die Amerikaner das Kürzel PIWI ganz anders auflösen. Das sind dort nämlich Pioneer Vines, also das sind Rebsorten, die einfach im positiven Sinne die Grenze verschieben. Go west, ja, neuen Weinen die Bahn brechen, das klingt doch viel besser und attraktiver.
Tobias
00:14:42
Ja, auf jeden Fall. Das ist dann wieder irgendwie so typisch unsere deutsche Sprache, die das dann nicht so gut kann. Und das ist auch gut, dass du das ansprichst, denn viele Kritiker werfen den PIWI-Rebsorten immer noch vor, dass sie angeblich keine großen Weine hervorbringen, also sprich, in Sachen Weinqualität mit den bekannten und bewährten Rebsorten nicht mithalten können. Und ja, darauf haben wir ja bei unserem Besuch an der Nahe Georg Rumpf auch angesprochen. Und auch da war die Antwort eben so simpel wie einleuchtend, weil er sagte einfach: Schau dir doch mal an, in welchen Lagen diese Rebsorten gepflanzt werden. Also keiner setzt sich ja heutzutage Cabernet Blanc oder Solaris in seine wirklichen Spitzenlagen. Also ich sage jetzt mal so nach VDP-Nomenklatur Große Lage oder Erste Lage. Aber generell, die wissen natürlich, wenn ich da jetzt statt Spätburgunder oder Riesling jetzt auf einmal so eine PIWI-Rebsorte mir reinsetze, dann wird es tendenziell viel, viel schwieriger, die fertigen Weine zu verkaufen. Und da gehen, glaube ich, viele Winzer lieber noch auf Nummer sicher.
Michael
00:15:49
Ja, Nummer sicher, hört sich jetzt so ein bisschen konservativ an, aber du musst ja auch im Blick haben, bestimmte Rebsorten sind für bestimmte Qualitätsstufen gar nicht zugelassen. Also da wird das Verkaufsproblem ja dann noch größer. Das ist übrigens dann von Anbaugebiet zu Anbaugebiet sehr unterschiedlich. Aber, wenn es um die großen Prädikatsweine oder gar die VDP-Weine geht, da wird die Luft dann schon sehr dünn. Und generell darf man nicht unterschätzen, welche Rolle Weingesetz und Statuten eines Anbaugebiets beim Neustart einer Rebsorte überhaupt spielen. Das ist uns gar nicht so klar. Das ist ja jetzt nicht eine reine Entscheidung des Winzers. Nur mal zur Erinnerung, ja.
Tobias
00:16:31
Nein, nein. Das ist nicht so mit offenen Armen.
Michael
00:16:33
Frankreich war vor ungefähr 100 Jahren deutlich weiter, was jetzt diese ganzen PIWI-Rebsorten betrifft. Aber dann kamen die Regularien. Alles, was wir heute als AOC kennen oder AOP, ja, und die haben diese neuen Rebsorten eigentlich von der Bildfläche verschwinden lassen. Alles weg.
Tobias
00:16:56
Das ist mir jetzt ein bisschen sehr krass. Also ich verstehe natürlich das Argument, aber es erklärt eben auch nicht alles. Denn, wenn jetzt diese Rebsorten wirklich so toll sind, ja, dann könnte man doch auch einfach mal auf die Statuten pfeifen. Das kennen wir ja auch, das wird ja auch andernorts gemacht. Also man könnte quasi so eine Art Super-PIWI machen, in Analogie zu dem Supert oskaner. Also darüber haben wir ja auch schon gesprochen. Das heißt im Chianti Classico, man sagt jetzt, nein, ich will gar kein DOCG sein und macht vielleicht einen Wein mit Merlot und Cabernet Sauvignon, dann ist das nur noch ein Landwein, so ein IGT, aber nicht selten der beste Wein des Weinguts, also ein sogenannter Supertoskaner dann eben. Ja, das könnte man ja jetzt tatsächlich auch mit so einer PIWI-Rebsorte oder auch mehreren machen. Also deswegen bin ich da irgendwie noch nicht so ganz sicher, wie die einheimischen Winzer wirklich dazu stehen. Aber ich finde diese Offenheit, die sollte es geben und diese Idee mit Super-PIWI, das sollte man eigentlich mal diesem offiziellen PIWI-Verein vorschlagen. Ich finde das eine klasse Idee. Das ist ja diese internationale Arbeitsgemeinschaft und die gibt es auch schon bereits seit fast 25 Jahren, seit 1999.
Michael
00:18:16
Ja, ja. Vielleicht melden die sich jetzt einfach mal, wenn die das zufälligerweise hören, denn Tobias, ich finde es eine tolle Idee. Zumal es gibt ja schon eine PIWI International Wine Challenge, ja, also so ein Weinwettbewerb, um diese ganzen Rebsorten und die Weine bekannter zu machen. Und ich glaube, da lässt sich doch jetzt so eine Kategorie wie Super PIWI-aner oder was noch integrieren. Ja, und wärst du eigentlich tauglich, bei diesem Wettbewerb dann in der Jury zu sitzen?
Tobias
00:18:46
Ach, natürlich. Ja, also zumindest in Sachen Qualität. Aaber was die PIWI-Rebsorten dann betrifft, da gibt es bei mir durchaus noch Nachholbedarf. Aber daran kann man ja arbeiten. Da könnte ich mich jetzt noch mal schulen. Und bei dir so?
Michael
00:19:01
Ja, da muss ich eigentlich auch eher passen. Obgleich, ich hatte schon mal einen Cabernet Blanc im Glas, ja, und der hat mich wirklich überzeugt. Also nicht richtig begeistert, aber hat mich überzeugt. Und tatsächlich, der kam aus Frankreich und da war auf dem Label oder dem Rückenetikett nix von PIWI zu lesen. Also die haben einfach so getan, als wäre es eine ganz normale Rebsorte, die ich ebenfalls nicht kenne. Ja, die haben die einfach geschlabbert, diese Bezeichnung. Aber generell gilt doch, jetzt mal zu PIWI und Konsorten: Wer mitreden will, muss auch mittrinken.
Tobias
00:19:38
Ja, absolut ja, denn die Wahrheit liegt ja bekanntlich im Glas. Aber man muss ja schon sagen, ob jetzt vegan, bio oder biodyn und erst recht PIWI, das sind ja jetzt erst mal keine Qualitätsnachweise per se. Also da muss man dann eben tatsächlich genauer hinschauen. Deswegen ist das mit der Wahrheit und dem Glas schon nicht schlecht, denn man sollte sich generell eben von diesen Schlagworten, die ja dann teilweise auch sehr in Mode sind, sollte man sich nicht hinters Licht führen lassen und denken, ach, das ist automatisch ein guter Wein. Wirklich, ja, von Glas zu Glas probieren und sich selber ein Bild machen. Ich glaube, das ist der beste Rat.
Michael
00:20:21
Ja, ich folge dem ja. Woche für Woche sitze ich daran, arbeite ich hart daran, ja, einfach meine statistische Trefferwahrscheinlichkeit dadurch zu erhöhen, dass ich immer wieder Neues probiere. Allerdings, da muss ich auch meine Voreingenommenheit manchmal so ein bisschen hinterfragen. Ist mir letztens nämlich aufgefallen, denn kommen jetzt so französische Neulinge aus Deutschland bei mir ganz klar, also so gefühlsmäßig, eher ins Glas als PIWI-Weine aus aller Welt. Aber du hast es schon gesagt, auch daran kann man ja arbeiten.
Tobias
00:20:58
Ja, unbedingt. Und es ist, glaube ich, schon auch so, dass man nach PIWI-Weinen ein bisschen mehr suchen muss. Also die, sage ich mal, internationalen Rebsorten in Deutschland, die kommen einem dann schon eher ins Glas. Aber genau, es bleibt eine große Entdeckungsreise und die macht natürlich auch Riesenspaß. Und jetzt mal so ganz aktuell noch mal auf PIWI zurückzukommen: In Norditalien jetzt oder auch in Bordeaux, da gab es jetzt dieses Jahr viel Ärger mit eben falschem Mehltau. Die Lese geht da gerade so zu Ende. Und ja, da müssen wir mal sehen, was das für die Menge und Qualität dann bedeutet, beim 2023er-Jahrgang. Da würden dann so PIWI-Rebsorten wirklich helfen. Und noch mal, zum tausendsten Mal: Klimawandel! Ja, die Wetterverhältnisse werden immer extremer. Das wird wahrscheinlich jetzt die nächsten Jahrzehnte erst mal nicht besser. Und egal, ob da mehr Feuchtigkeit oder mehr Trockenheit eine Rolle spielt oder Hitze, wir müssen damit in Zukunft versuchen umzugehen. Und da bieten PIWI-Rebsorten einfach einen guten Ansatz.
Michael
00:22:09
Ja, und da gibt es ja dann auch unterschiedliche Strategien. Also das können dann eben Rebsorten aus südlicheren Gefilden sein, die besser mit Trockenheit und Hitze umgehen. Oder es können meinetwegen auch PIWI-Rebsorten sein, die dann mehr mit diesen Niederschlägen und dem gewachsenen Pilzdruck zurechtkommen. Also das sind alles einfach Optionen, darüber muss man nachdenken, gerade weil Wein so ein nachhaltiges Geschäft ist. Und okay, wir sind jetzt eher in einer konservativen Branche auch, muss man ja sagen, konservative Kunden in Deutschland, konservative Weintrinker in Deutschland, die tun sich mit so einer Neuerung beim Wein erstmal schwer. Das heißt, da ist einerseits Spannung vorprogrammiert, aber andererseits ist die Aufgabe auch klar definiert.
Tobias
00:22:56
Ja, Spannung vorprogrammiert finde ich super. Das ist eigentlich wie bei unserem Podcast, Michael, und da kann man vielleicht schon mal verraten: Beim nächsten Mal folgen wir wieder einem Vorschlag unserer Zuhörerinnen und Zuhörer. Aber wir verraten an der Stelle noch nicht, worum es genau geht. An dieser Stelle sei allerdings schon mal der Hinweis erlaubt, dass wir uns über weitere Anregungen natürlich immer freuen. Also mischt euch gerne ein über unsere Social-Media-Kanäle oder auch gerne per Email an podcast@weinfreunde.de.
Michael
00:23:31
Ja, und du hast die Bewertungen vergessen und die Kommentare auf den Podcastplattformen.
Tobias
00:23:36
Ah ja, natürlich.
Michael
00:23:36
Auch ganz wichtig für uns, denkt bitte dran, ja. Und nur mal so eine Bemerkung am Rande: Die Folge Südtirol war ja schon eine Anregung eines Zuhörers, mit dem verfolgen wir das jetzt auf der Mailebene weiter. Und so viel kann ich dann schon mal sagen, obwohl ich noch nicht verraten möchte, worum es in der nächsten Folge geht, ja, er hat den Vorschlag nicht gemacht. Es ist ein neuer Vorschlag. Und eins kann ich auch noch verraten: Für die nächste Folge werde ich mich ganz besonders gerne einlesen und eintrinken.
Tobias
00:24:11
Ja, das sollte eigentlich schon ein relativ guter Hinweis sein, wenn man dich kennt, weil das kommende Thema liegt ja wirklich voll auf deiner Wellenlänge. Aber bevor du dich jetzt noch vor lauter Begeisterung verplapperst, biegen wir jetzt mal schnell in die Schlusspirouette ab. Also, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir wünschen viel guten Wein und tolle Momente, bis es das nächste Mal wieder heißt.
Michael
00:24:36
Bei Anruf.
Tobias
00:24:37
Wein.