Kleines großes Franken: ein Besuch im Juliusspital
14.10.2025
59 min
Zusammenfassung & Show Notes
Für viele Weinfreunde ist Franken das eigenständigste aller deutschen Anbaugebiete. Geprägt von Silvaner, Bocksbeutel und einer Haltung, die sich bewusst vom Rest der Republik absetzt. Um dieses besondere Herkunftsgefühl zu verstehen, haben Tobias und Michael das Juliusspital in Würzburg besucht. Ein Weingut mit über 440 Jahren Geschichte und zugleich eines der größten Häuser Deutschlands. Mit Tanja Strätz sprechen sie über Frankens Identität zwischen Muschelkalk, Keuper und Buntsandstein, über die Rolle des Silvaners als Leitrebsorte und über das Spannungsfeld zwischen historischer Verwurzelung und moderner Interpretation. Ein kurzweiliger Talk, der Lust auf einen Schluck Franken-Wein macht.
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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken
Transkript
Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias.Willkommen Bei Anruf Wein. Franken gilt als eigenwillige Weinregion,
geprägt von Bocksbeuteln,Silvaner und einem Selbstverständnis, das sich gerne vom Rest Deutschlands
absetzt.Um diese Region besser zu verstehen, haben Michael und ich das Juliusspital in
Würzburg besucht,ein Weingut mit über 440 Jahren Geschichte und zugleich eines der größten
Weingüter des Landes.Dort sprechen wir mit Tanja Strätz über die fränkische Identität im Wein,
über Terroir und Stilistik zwischen Muschelkalk und Keuper,über die Rolle des Silvaners und darüber,
wie ein Traditionsweingut heute Moderne lebt.Bevor es aber losgeht, noch die Bitte an euch,
dem Podcast zu folgen und ihn auch zu bewerten.Zudem schaut doch bitte mal in den Shownotes nach unserer Umfrage.Und auf weinlakai.de erhaltet ihr alle Informationen zu meinen Weinseminaren und
-ausbildungen in der Weinlakai-Akademie.Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an!Ja, liebe Tanja, vielen Dank, dass wir hier sein dürfen im Juliusspital in
Würzburg.Um vielleicht so einen Einstieg direkt mal hinzubekommen,
erzähl uns doch bitte,du bist ja hier schon seit vielen Jahren tätig,
was genau deine Aufgabe ist und was dich hier eigentlich hergebracht hat.
Tanja
00:01:25
Ich bin wirklich schon sehr, sehr lange da und ab und zu,
wenn man Jahrgänge reflektiert,frage ich mich auch, Himmel, ich bin eine treue Seele einfach.Ich denke ja gerne in Jahrgängen. Und mein erster Jahrgang hier war der Jahrgang
2009.Und das finde ich immer noch einen riesentollen Jahrgang.Ich finde auch, dass das einer der großartigsten Jahrgänge war.Und wenn ihr noch irgendwo eine Flasche Juliusspital 2009 findet,
einfach blind kaufen.Das Ding wird großartig sein.
Tobias
00:02:02
Okay. So ein Weintipp direkt zu Beginn. Das finde ich gut.
Tanja
00:02:05
Ja, genau. Da sind wir auch schon dabei,
was ich eigentlich tue: Ich verkaufe Wein.Und ich bin für die Kommunikation zuständig.Ich bin Leitung, Vertrieb, was in so einem kleinen Haus einfach ist,
dass du Marketing,Kommunikation, ein bisschen Füllplanung,
Weinsortiment, so Sachen einfach mitgestalten darfst.Das ist vielleicht das richtige Wort, weil wir ein Team sind.
Tobias
00:02:30
Aber „kleines Haus" ist jetzt ein bisschen untertrieben,
oder?
Tanja
00:02:33
Ja, in der Weinwirtschaft sind wir sicherlich ein großes Haus.In dem Gesamtspiel, wenn man sich manchmal so die Industrie oder auch,
sage ich jetzt mal,die Bereiche Verkauf anschaut, sind wir,
glaube ich, schon einfach ein Mittelständler,ein kleiner Betrieb.
Michael
00:02:48
Ja, aber man muss das vielleicht mal einordnen. Offiziell glaube ich
zweitgrößtes Weingut in Deutschland,auf jeden Fall das größte Silvaner-Weingut in Deutschland.
Tobias
00:02:58
Der Welt, glaube ich.
Michael
00:02:59
Der Welt? Ich wollte euch jetzt nicht kleiner machen,
als ihr seid.
Tanja
00:03:02
Das stimmt. Das sagen wir immer auch: logischerweise,
wenn du in Franken der größte Silvaner-Hersteller bist,bist du es wahrscheinlich auf der ganzen weiten Welt.
Michael
00:03:11
Okay, dann haben wir diese Connection ja schon mal abgehakt. Aber ich möchte
noch einmal zurück ganz zum Einstieg.Tobias hat gesagt, wir sind hier im Juliusspital.Juliusspital - der Name klingt jetzt für mich nicht auf Anhieb nach Weingut.Ja, ist auch so. Was hängt an diesem Juliusspital eigentlich noch dran und hat
eine ganz enge Verbindung zu dem Wein,den ihr macht?
Tanja
00:03:34
Ja, ganz genau, wie es der Name schon verrät,
dieses Spital, von Hospital, oder wir würden es heutevielleicht eher mit dem Thema „Hospitality" übersetzen,
dass Menschen willkommen sind in diesem Haus und aufgefangen werden,damals wie heute. Eher in Bezug auf Krankheiten,
auf Missstände, Armut.Aus diesem Gedanken heraus hat eben Julius Echter,
und deswegen Juliusspital, das Haus gegründet.Und damals wie heute sind wir einfach eine soziale Stiftung mit einem
Krankenhaus,Palliativstation, einem Seniorenstift, also ein Altersheim,
aber mittlerweile auch einem Palliativhaus.Und so ist für uns Hospitality, glaube ich,
immer und ewig ein guter Begriff.
Michael
00:04:30
Und man muss sagen, seit fast 450 Jahren -
das Gründungsdatum ist 1576.Das darf man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen.Meine Frage: War von Anfang an der Wein eigentlich dabei?
Tanja
00:04:45
Ja, weil der Wein immer als Idee des Einkommens,
des Ertrages gezählt hat und immer wahnsinnig wichtig auch war.Wir haben 3 grüne Bereiche. Das ist die Landwirtschaft,
der Wald und eben der Weinbau.Diese 3 grünen Bereiche haben über die Zeit hin immer zur Finanzierung der
sozialen Aufgaben,der sozialen Seite beigetragen. Und das ist auch gut so und auch,
glaube ich, wichtig für das Juliusspital.
Tobias
00:05:15
Jetzt ist es ja so, ihr seid seit 1955 auch Mitglied im Verband Deutscher
Prädikatsweingüter,dem VDP. Das passt auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so zusammen,
wenn man weiß,dass ihr 180 Hektar Rebfläche habt. Da ist ja die erste Assoziation:
oh, die sind groß,das ist wahrscheinlich mehr Masse als Klasse.Wie schafft man es, als so großes Weingut trotzdem diese wirklich tolle Qualität
abzuliefern?
Tanja
00:05:41
Das ist unsere wirkliche, wirkliche Herausforderung,
die Qualität in der Konstanz.Ich glaube, das ist, was uns wirklich einzigartig macht.Das Geheimnis ist, glaube ich, dass wir einfach wahnsinnig viele Menschen sind
und als Team richtig gut funktionieren und wahnsinnig viel Knowhow inverschiedenen Bereichen da haben. Und auch Menschen,
die sehr, sehr lange und noch länger als ich in diesem Haus da sind.Unsere Winzermeister Peter Rudloff zum Beispiel,
der den Würzburger Stein und die Gruppe da verantwortet,der hat hier gelernt, der kennt jeden Weinberg,
jeden Zentimeter einfach wahnsinnig gut,hat neu gepflanzt, hat den sanften Rebschnitt ins Haus gebracht.Und das sind all diese Dinge in der Summe,
die Leidenschaft der Menschen mit Knowhow und dass wir so tun,als wenn wir einfach ein kleines Familienweingut wären und persönlich so mit
diesem Satz,„dafür stehe ich mit meinem Namen und meinem Gesicht",
so agieren wir.Und ihr seid mit mir ja durch den Keller zum Beispiel gegangen.Neben dem, dass wir viel Handarbeit, einfach durchdachtes Tun mit viel Stolz in
den Weinbergen haben,so arbeiten wir auch superkleinteilig in unserem Keller.Es ist, wie wenn 2, 3 Familienweingüter einfach mit genau dem Aufwand auch an
Menschen,die hier arbeiten, als Team diese Weine produzieren.Und wir geben zum Beispiel auch Wein richtig viel Zeit,
wenn wir denken, dass es so sein müsste.Wir bringen Weine nicht auf den Markt, wenn wir denken,
dass sie nicht gut genug sind.Wir machen kein rotes GG, weil wir denken,
dass es nicht gut genug ist.Das ist so zwischen Stolz, Ambition und Familie einfach,
dass wir dieses Label,was wir tragen, das soll auf jeder Flasche stehen und dann soll es auch verdient
so stehen.
Tobias
00:07:38
Ja, sehr schön. Jetzt muss man vielleicht auch noch mal was zu dem Ort sagen,
an dem wir uns hier befinden.Denn wenn man guckt, ihr habt 17 VDP Erste Lagen,
7 Große Lagen.Trotzdem sitzen wir hier in der Innenstadt von Würzburg.Erzähl doch ein bisschen was zu dem Ort mal hier.
Tanja
00:07:55
Ist crazy, oder?
Tobias
00:07:57
Ja, absolut.
Tanja
00:07:59
Es ist verwunderlich, und das ist natürlich manchmal weniger romantisch.Manchmal möchte ich auch mit euch einfach rauslaufen in den Würzburger Stein.Das ist halt so der Nachteil, das geht nicht.Aber wir sind auch, wir sind verwurzelte Menschen im Weinbau als auch hier in
unserer Heimat.Und es ist einfach hier auf dem Gelände,
das ist wirklich verrückt, aber wir sind hier gewachsen.Wir sind hier seit jeher, sagen wir gern,
wenn wir nicht mehr wissen, seit wann wir da sind,oder so. „Schon immer" auf Fränkisch, schon immer.Und da ist unser Keller und vor allen Dingen eben dieser historische
Holzfasskeller.Und das glaube ich, das ist so einfach,
ja, das ist der Herzschlag unserer Weine.Das ist, was wir so gerne tun und wo wir so stolz drauf sind.Und das lässt sich so nirgendwo anders bauen.Das ist ein Bauwerk aus anderen Jahrhunderten einfach.Und deswegen würde es uns wahnsinnig schwerfallen,
woanders hinzuziehen.Nicht, dass der eine oder andere Gedanke mal gefallen wäre,
weil jetzt zum Beispiel in der Lese,uns hasst ganz Würzburg, weil wir dann nämlich mit unseren Treckern und unseren
Anhänger,schippern wir halt mit 25 km/h durch die Innenstadt einfach,
gell?So, ja, und du kannst nicht raus aus deiner Haut.Also Parkplätze, Besucher, Baustellen. Es hat alles immer Für und Wider.Aber manchmal bist du halt einfach irgendwo zu Hause.Du bist da daheim, das ist dein Zuhause.Und solange es irgendwie geht, sind wir die Menschen,
die gerne hier bleiben.Es sei denn, das Krankenhaus wirft uns raus,
weil sie mehr Betten brauchen.
Michael
00:09:40
Juliusspital - ich möchte noch einmal darauf zurückkommen. Du hast ja eben
gesagt, wenn jetzt Juliusspital auf der Flasche steht, das ist was ganzBesonderes. Es fällt natürlich auf, dass da neben dem Juliusspital ganz oft
„Silvaner" steht.Kannst du uns mal was zu der Bedeutung des Silvaners für das Juliusspital und
vielleicht auch für Franken im Allgemeinen sagen?
Tanja
00:10:01
Ich glaube, es wird zu wenig gesagt. Wir sagen oft „unsere Lieblingsrebsorte",
aber das trifft es emotional nicht richtig,sondern das ist wie eine Identität. Das ist wie so eine,
das ist eine DNA für ein ganzes Gebiet und so die Leidenschaft auch diesesHauses. Das ist so, wenn so ein Staffelstab weitergegeben wird von Generation zu
Generation,dann war es immer ein Stück die Leidenschaft,
aber auch das Knowhow um Silvaner.Und wenn andere Regionen diesen Silvaner aufgegeben haben,
weil er nicht aromatisch genug war,weil er zu wenig Säure hatte, weil er vielleicht einfach nicht bekannt genug
war,nicht sexy genug, dann waren wir als Juliusspital,
auch als Franken, stur genug,einfach zu sagen: ja gut, aber wir mögen ihn halt.So, und deswegen ist es wirklich, ich glaube,
das, was wir am allerbesten können,durch die unterschiedlichen Qualitätsstufen,
unterschiedliche Weinarten, Stilistiken,wir machen das von ganz klein bis ganz groß,
von super drinky zu gereiften, riesigen Speisebegleiter.Und es ist, es reflektiert unsere Heimat.Es ist wie eine DNA. Das ist Charakter. Wenn du an Franken denkst,
denkst du meines Erachtens an Silvaner.Und wir sagen oft: egal, wie die Frage ist,
die Antwort ist Silvaner.
Tobias
00:11:31
Ja, sehr, sehr gut. Und es gibt ja tatsächlich auch schon eine Bei Anruf
Wein-Folge über die Rebsorte Silvaner,sollte man unbedingt mal reinhören, denn da spielst du ja auch eine Rolle.Aber deswegen vielleicht jetzt auch mal einen Blick über den Silvaner hinaus.Also gerade, wenn ich jetzt an eure Erste Lage-Weine denke oder auch Große
Gewächse,dann muss man vielleicht auch mal erzählen,
Franken ist nicht nur Silvaner, auch Juliusspital ist nicht nur Silvaner.Erzähl doch mal, was man hier noch so entdecken kann.
Tanja
00:12:02
Also Franken und auch das Juliusspital ist so ein Bauchladen der Möglichkeiten.Wir sind fokussiert auf Silvaner und das ist schon unser Hauptaugenmerk.Nichtsdestotrotz haben wir, zum Beispiel auch im Juliusspital ist die
zweithäufigste Rebsorte von uns der Riesling.Weil wir dann schon auch sagen, natürlich,
wenn du Säure magst, wenn du einfach ein bisschen so,so einen Nerv an Frische haben willst, dann ist es Riesling.Und auch da unterscheidet Juliusspital,
Franken einfach diese Mineralität-Griff,was du hast. Das ist dann, wie wenn die Säure ummantelt ist,
einfach von Mineralik und von so ein bisschen Stoffigkeit.Das mag ich auch ganz gern. Oder ich persönlich mag unsere Weißburgunder
supergerne.Einfach zu sagen, okay, wir haben da die Variante,
dass wir denen von früher, wir sind ja eigentlich ein eher kühles Anbaugebiet,deswegen haben wir oft Südlagen dem Weißburgunder gegeben,
um ihn am Ende auch richtig reif zu bekommen.Und jetzt ist es in der Situation zu sagen,
okay, du hast sehr aromatische Weißburgunder,die trotzdem wieder diese Stoffigkeit und diesen Griff auch ein bisschen durch
zum Beispiel BSA-Spiele,dann auch so ein bisschen Schmelz mitbekommen.Das mag ich als Weinstilistik sehr, sehr gerne.Oder wenn du einfach willst, dass die Flasche leer ist und du dich mit deinen
Freunden unterhalten hast und nicht über den Wein,ja, dann war es mal eben ein Müller-Thurgau.Und das ist manchmal so. Die Leute schätzen den Wein nicht unbedingt als
Prestigewein,aber ganz ehrlich, die Flasche ist einfach leer -
innerhalb von 15 Minuten und keiner ist es gewesen.So.
Michael
00:13:49
Jetzt haben wir über den Riesling gesprochen,
über den Silvaner und es gibt noch so ein paar andere Rebsorten. Da kommen wirgleich bestimmt noch mal zurück. Aber an der Stelle:
Rotwein.Die Bedeutung von Rotwein für euch?
Tanja
00:14:01
Das ist eine gute Frage. Wir mögen es, zu spielen.Jeder von uns mag Wein und wir spielen auch da mit Rebsorten,
so.Spätburgunder, wir gucken dann immer wieder,
dass wir zum Beispiel französische Qualitätsklone bekommen und machen offeneMaischegärung und wir spielen. Aber wir sind mit unseren 20 % Anteil auch
einfach nichtunbedingt das Rotweingebiet und nicht das Rotweinhaus.So sehr wir uns auch mühen, wir haben einen Kellermeister,
Nicolas Frauer, der hat im Burgund studiert.Der gibt wirklich alles und er möchte es wirklich so gerne.Und eines Tages gibt es auch immer mal einen Jahrgang,
wo wir sagen, oh wow, gut.Aber Konstanz und Verlässlichkeit, das,
was zu uns gehört, das kriegen wir da nicht so ganz gut hin.Wir schätzen aber die roten Sorten, um zum Beispiel,
also ich finde, wir machen klasse Rosé Sekt.Das wiederum können wir dann wieder besser,
Rosé Sekt.Oder wir machen auch so eine komische Zwischenform,
die aber so Franken-urtypisch ist,das heißt „Rotling". Ja, also wenn du irgendwie Frucht haben willst,
so Beerenfrucht und einfach nur Spaß,nicht so ganz trocken und nicht ganz ernst gemeint.Auf jedem Weinfest einfach diesen Rotling trinken.So, auch da - Flasche leer, Mensch glücklich.Schö, was?
Tobias
00:15:32
Sehr gut. Ja, ich schwenke gerne jetzt noch mal in Richtung Weißwein um,
denn ich habe immer gedacht,das ist was, was es nur in Österreich gibt,
nämlich den gemischten Satz.Ich habe aber jetzt gelernt, es gibt auch einen fränkischen gemischten Satz.Erklär uns doch mal bitte, was das ist.
Tanja
00:15:50
Also im Grunde war ja bis Ende des 2. Weltkrieges,
und darüber hinaus, hat man ja keinereinsortigen Weinberge angepflanzt. Sondern ganz,
ganz früher hat der Bischof ja irgendwann gesagt:So Leute, heute ist Lese. Und dann waren manche Trauben waren überreif,
andere Trauben waren so mittelgut reif und die anderen waren nochgar nicht reif. Und in der Kombination ist es dann schon auch mal was Leckeres
geworden.Das war die Idee, sag mal so, diese Bauernschläue,
um zu sagen, so komme ich durch mit diesem Lesezeitpunkt zurecht.Wir hatten so einen alten Silvaner-Weinberg und ein Winzermeister von uns hing
wahnsinnig an diesem Weinberg.Das ist, wenn man da so 40 Jahre drin arbeitet,
also in Franken, wenn man da drin schafft,ja, dann entwickelt man ja doch so eine Beziehung zu bestimmten Pflanzen,
Stückchen,Fleckchen Erde einfach. Und wir konnten ihn nicht roden,
weil Lothar einfach so sehr an diesem Weinberg hing.Und da war dann die Idee geboren, zu sagen,
na komm, dann lassen wir diese alten Silvaner-Rebstöcke stehen und setzen dannneu einen damaligen wertvollen, gemischten fränkischen,
alten fränkischen Satz auf.Eben mit Muskateller, Traminer, Riesling,
Gutedel, die Sorten.So, jetzt haben wir ganz normal gemischter Satz gemacht,
bis es sich in Wien quasi für schützenswert erachten ließ,und deswegen dürfen wir das auch gar nicht mehr sagen. Das ist jetzt ein alter
fränkischer Satz,weil es wirklich historisch so belegt ist.Wir dürfen aber den Begriff „gemischter Satz" nicht mehr verwenden.
Tobias
00:17:34
Alles klar, dann entschuldige ich mich jetzt schon mal vorsorgehalber,
dass ich das gerade so genannt habe.Nicht, dass ich jetzt noch irgendwie Ärger mit den Österreichern bekomme. Bevor
wir jetzt den Switch in Richtung Anbaugebiet Franken machen,unbedingt noch mal die Frage: Was macht für dich so die Juliusspital Handschrift
aus in Sachen Wein?Du hast einen Wein ja schon hier mit auf den Tisch gestellt,
und zwar ein Silvaner aus Iphofen,nämlich den Keuper Silvaner. Ist das ein Wein,
der für dich in besonderem Maße für das Juliusspital steht?
Tanja
00:18:09
Also, wenn ich die Wahl hätte, wenn ich mich für einen einzigen Wein entscheiden
müsste,was mir wahnsinnig schwer fallen würde,
natürlich...
Michael
00:18:18
Kommt noch die Frage, kommt noch.
Tanja
00:18:19
...dann wäre es für mich Würzburger Stein Silvaner,
Erste Lage, so.Die Handschrift des Juliusspitals ist für mich einfach.Kennt ihr, wenn was ehrliches Handwerk ist und auch tatsächlich mit Händen
gemacht wird?So dass du in einer Steillage einfach, sage ich jetzt mal,
Trauben halbieren musst,weil Silvaner ist nämlich ein großer Träubel und deswegen ist es immer gut,
wenn du da eine Grünlese durchmachst.Das macht keine Maschine, das ist deine Händetätigkeit.Wenn du dafür sorgst, dass die Blätter einfach zum richtigen Zeitpunkt an der
richtigen Seite weg sind,dass die Belüftung gut ist, dass dein Bodenmanagement gut ist,
so dass du keine,also dass du nur natürliche Düngung hast.All diese Dinge zusammen vereinen sich mit der Historie eines Weinbergs und dem
Image und auch dieser Ehrfurcht vordiesem Fleckchen Erde in Würzburger Stein Silvaner Handlese und dann
Spontanvergoren in alten,großen Holzfässern in einem Gemäuer aus dem Jahr 1576.Und aber mit einer Ausstattung und mit Menschen hintendran,
die einfach heute und hier sind.Ja, oft sind Leute total überrascht, wenn ich für das Juliusspital irgendwo
auftauche.Die haben wahrscheinlich was anderes erwartet.
Michael
00:19:45
Zu wenig Julius oder zu wenig Spital.
Tanja
00:19:47
Oder zu wenig von beidem.
Tobias
00:19:49
Aber wie leidenschaftlich du jetzt über diesen Wein sprichst,
das ist wirklich,glaube ich, die allerbeste Werbung. Und ich erwarte jetzt eigentlich deinen
Einsatz, Michael.
Michael
00:19:58
Welchen Einsatz? Jetzt verschlafe ich irgendwie gerade was?
Tobias
00:20:00
Ja, ich glaube schon. Du wolltest doch eigentlich darauf hinweisen,
dass es natürlich den Silvaner Erste Lage aus dem Würzburger Stein imweinfreunde.de-Shop gibt.
Michael
00:20:08
Ach so, mein Werbefenster!
Tobias
00:20:09
Ja, natürlich! Du hattest es jetzt...
Michael
00:20:10
Das wollte ich mir doch für später aufbewahren.
Tobias
00:20:11
...musste ich das übernehmen. Aber okay.
Michael
00:20:13
Danke, danke. Aber damit das jetzt nicht so auffällt,
vielleicht an der Stelle,Würzburger Stein sind wir jetzt ganz nah,
sag ich mal.Unser Thema heißt heute ja aber auch Franken.Kannst du uns allgemein noch mal darüber was sagen,
wo in Franken Wein angebaut wird,jenseits von Würzburg und was vielleicht all diese Weinbereiche verbindet?
Tanja
00:20:35
Ja. Franken ist so ein mittelgroßes Weinanbaugebiet.Wir haben so um die 6.200 Hektar. Ich finde,
das Prägendste an Frankens sind 3unterschiedliche Gesteinsformen, die fränkische Trias.Dem Alter nach geordnet ist es der Buntsandstein,
Keuper und Muschelkalk.Ich finde es spannend, quer durch Franken auf diesen Gesteinsarten,
welch unterschiedliche Stilistiken von Weinen dahervorkommen. Ich finde, Franken ist sehr klein strukturiert,
was die Betriebe angeht.Deswegen auch immer finde ich eine Reise wert.Wir haben über die Hälfte der fränkischen Betriebe sind kleiner als 0,5 Hektar.Und könnt ihr euch vorstellen, wie viel Herzblut,
welche Idee und wie crazy manche Sachen sein können,wenn du eben halt irgendwie nur so 2 kleine Weinberge hast,
aus denen du erfinden kannst und dir vorstellenkannst und dich neu erfinden kannst vor allen Dingen,
was immer du möchtest.Es gibt ganz historische Weingüter, viele,
viele gewachsene.Aber es gibt auch die jungen Wilden hier.Ich finde spannend, am Main entlang zu radeln,
da entlang zu reisen, weil ich finde,dass der Main so ein bisschen die Lebensader des fränkischen Weinanbaugebietes
ist und sich da die Weinhänge links und rechts entlangziehen.Es gibt eine wilde Mischung zwischen wirklich Steillagen,
also über 50 % Steigung,gerade um Würzburg herum, und dann aber zum Beispiel in Iphofen in der Ecke auch
die eher ländlich geprägteGegend, wo es flacher sein kann. Aber jetzt Leute aus Großstädten,
die fallen um vor Glück,was es für fränkische Gerichte, Hausmannskost und so einen fränkischen Schoppen,so ein Glas Wein, zu welchen günstigen Preisen das da die Mutter aus der Küche
rausbringt,so Sachen. Und manchmal ist es auch, glaube ich,
so, jetzt hinter Aschaffenburg über Bamberg,Würzburg, Iphofen, Randersacker, all diese Gemeinden,
die schon Gastlichkeit meines Erachtens und auch diese,diese fränkische Wein-Gastlichkeit großschreiben.Das macht wirklich viel, viel Freude.
Tobias
00:23:11
Und wenn ich dann an Gastfreundlichkeit und so diese typische Atmosphäre von
Franken denke,muss ich unweigerlich auch immer an den Bocksbeutel denken,
den man ja bei euch natürlich auch im Sortiment findet.Wie erlebst du den Bocksbeutel? Ist das jetzt,
sage ich mal, in Richtung Markt und Verkauf eher eine Herausforderung,weil zu sehr traditionell ist und die Leute dann vielleicht auch denken,
oh, was ist da eigentlich für ein Wein drin?Oder hast du eine ganz positive Beziehung zu dem Bocksbeutel?
Tanja
00:23:43
Also ich persönlich liebe den Bocksbeutel und es gibt für mich da auch,
das ist diese fränkische Identität.Ich finde auch als Frau, ganz ehrlich, ganz praktisch einfach,
ich habe relativ kleine Hände.Es gibt keine Weinflasche, die ich so gut festhalten und auf so kurzer Distanz
zielsicher einschenken kann.Das ist wahnsinnig gut. Der Bocksbeutel schafft Emotionen.Bei den einen Vorurteile, bei den anderen Neugierde.Und ich glaube aber, dass du, dass die Zeiten sich ändern und wir uns immer mit
ihnen.Aber dass wir manchmal so wie Bastionen von Wurzeln brauchen,
um nicht zu vergessen,wo wir herkommen oder wer wir sind. Und ich finde Weinbau und auch Essen und
Trinken,Kultur im Allgemeinen hat auch was mit Vergangenheit und mit Wurzeln zu tun.Deswegen glaube ich, lasst uns lieber gemeinsam daran arbeiten,
die Menschen davon zu überzeugen,dass der Inhalt eines Bocksbeutels alles sein kann,
von wirklich ganz traditionell bis irgendwie crazy,bis zum Anschlag. Und lasst uns doch mal lieber wieder um irgendwas kämpfen und
für etwas einstehen,statt alles immer in die Ecke zu stellen.Aber es gibt für mich einen Grund, warum ich es manchmal im Sortiment tue -
na ja,2 Gründe. Einmal die Gastronomie, die ist immer böse auf mich und den
Bocksbeutel,weil er 2 Stellplätze in der Kühlung braucht.Und das Thema Nachhaltigkeit. Wir haben auch eine Verpflichtung,
sage ich jetzt mal,in CO2-Footprint zu betrachten, und da ist der Bocksbeutel halt einfach eine
ziemlich schwere Flasche.Und das ist für mich der Grund, warum ich,
wenn ich andere Flaschen vorschlage im Haus,werde ich immer auf Leichtglasflaschen gehen.Damit schaffen wir so ein bisschen vielleicht einen kleinen Ausgleich zum
Bocksbeutel und so.Aber ich habe sehr gute Erfahrungen. Für manche ist es einfach wirklich,
dass es etwas völlig Neues ist.So kleine Asiatinnen finden den immer wahnsinnig witzig.Die wissen gar nicht, was das ist. Die sagen:
„Oh, how cute!".Sage ich immer: „Jo, wie cute, gell?" So,
und andere sagen, ja, das hat meine Oma schon getrunken.Aber auch das ist für mich eine Wertschätzung.Und ich glaube deswegen, dass wir ihn nicht kaputt machen dürfen.Und ich habe den wirklich sehr, sehr gerne in der Hand.Und wer von uns schon mal einen in der Hand hatte,
ich bin auch ein haptischer Mensch,wenn du dann über die Rundung so ein bisschen streichelst und dann an der Seite
ist noch ein Siegel von uns eingebrannt,also da ist unser Wappen mit den 3 Ringen wirklich noch da.Und manchmal erwische ich mich, wie ich so am Küchentisch sitze und so ein
bisschen die Flasche streichle.Vielleicht denken alle, ich bin wahnsinnig oder so,
aber ich mag das wirklich.Und ich mag auch diese Zeichen der Tradition.
Tobias
00:26:35
Ja, und Stichwort Tradition. Wir haben ja vorhin so eine Schnitzerei gesehen,
ich glaube,aus dem 16. Jahrhundert, und da war er auch schon zu sehen,
der Bocksbeutel.Also das ist jetzt keine irgendwie jüngere Marketinggeschichte,
sondern der sieht schon ganz lang so aus.Ich glaube, es gab mal so eine Art, ja,
wie sagt man?Genau, Facelift. Da ist er ein bisschen moderner,
glaube ich, ein bisschen kantiger geworden.
Michael
00:26:54
Facelift.
Tobias
00:26:58
Das hat ihm aber, glaube ich, auch gut getan,
also etwas moderner.Aber er hat wirklich diese lange, lange Tradition.
Michael
00:27:06
Ja, und für mich ist das ja ein Dreiklang eigentlich:
Franken, Bocksbeutel, Silvaner -gehört für mich in meinem Hirn unmittelbar zusammen.Und daher mal so eine komische Frage: Darf eigentlich jeder Wein in Bocksbeutel
hinein,Hauptsache er kommt aus Franken? Oder gibt es da bestimmte Regeln,
für was in eine Bocksbeutelflasche gefüllt werden darf?
Tanja
00:27:27
Da gibt es qualitative Regeln.
Michael
00:27:29
Qualitativ, aber hat nichts mit der Rebsorte zu tun?
Tanja
00:27:31
Nee, nee, das ist frei wählbar. Wobei sich Franken ja als Gebiet einfach auch
eine Struktur ähnlich dem VDPzumindest auf die Fahnen geschrieben hat und da politisch auch auf dem Weg ist
zu sagen,was ist wertvoll genug, um eine Lage zu sein?Bzw. dürfen Lagen auf auf Literflaschen oder welche Rebsorte sollte qualitativ
den höheren Anspruch haben?Also ähnlich der Qualitätspyramide des VDPs.
Michael
00:28:07
Das ist ja schon eine gute Überleitung. Ihr macht ja beides.Ihr habt auf der einen Seite die VDP Qualitätspyramide,
die er bedient, und, wenn ich das richtig weiß,Erste Lage Würzburger Stein Silvaner im Bocksbeutel,
und die Große Lage aber in der Schlegelflasche.Also so ein bisschen divers ist das dann ja schon an der Stelle.Aber ihr bedient ja auch teilweise die ganz klassischen
Prädikatsweinauszeichnungen.Also es steht dann manchmal noch Spätlese oder Auslese drauf.Wie schwierig ist das manchmal, den Leuten zu kommunizieren,
wenn die hier bei euch stehen,diese Begrifflichkeit? Hilft die oder steht die manchmal eher im Wege?
Tanja
00:28:46
Also ich glaube, dass Wein manchmal viel zu kompliziert ist für den
durchschnittlichen Weintrinker,aber auch für, sage ich mal, für den Weinfreund,
wirklich.Und man muss für sich immer selbst mal überlegen,
wenn man im Ausland vor einem Weinregal steht,verstehe ich das burgundische System oder kaufe ich halt,
weil das Etikett schön ist?Ich versuche oder wir versuchen, in unserer Kommunikation schon auch ein Stück
weit möglichst einfach strukturiert zu sein.Aber wir sind VDP-ler und deswegen sind wir natürlich innerhalb dieser Pyramide.Ich finde, dass die trockenen Weine mittlerweile gut geclustert sind.Aber glauben wir wirklich, wie oft ich irgendwie am Telefon höre:
„Ich nehme noch mal einen von deiner vordersten Lage".Ja, ganz vorne, die wohl...
Michael
00:29:40
...im Regal.
Tanja
00:29:41
Ja, aber als VDP sich Regeln zu geben, an die sich über 200 Mitglieder halten
und die qualitativ gutsind, das ist ein hohes Ansinnen. Und ich glaube auch,
dass diese Vierstufigkeit und auch in der obersten Spitze,diesem G0roßen Gewächs einen Rahmen zu geben,
der über Herkunft, Lesezeitpunkt,Ertrag, viele Dinge des Weinmachens und des Vermarktungszeitpunktes einschließt,das finde ich eine schöne Idee. Die Frage ist,
ob man immer alles erklären muss oder ob man am Ende nicht so weit sein müsste,dass die schmeckbare Weinqualität und die Ausstattung eigentlich dem Kunden
sagt,wo er hingreifen will oder nicht. So auch ein bisschen natürlich der Preis,
ganz klar.Und dann geht es für mich eher über Konsumanlässe.Die Prädikate, die sind nur noch für die restsüßen Weine.Die Umstellung war ganz schlimm. Dass ein Kabinett nicht mehr trocken sein wird,das war keine schöne Zeit. Ehrlich, das war keine schöne Zeit.Aber letztendlich gehen die Verbraucher,
die Kunden, die Weinfreunde und auch so ein bisschen die Juliusspital-Freunde,scheinbar gehen sie auch ein bisschen Leidensweg immer mit dem Haus mit.Und deswegen glaube ich, dass wir manchmal zu kompliziert sind,
sondern uns eher Gedanken machen müssen,wie wir unsere Qualitäten für uns sichern,
die Kommunikation aber einfacher werden muss.Nichtsdestotrotz, die trockenen Weine, dass die eine klare Vorstellung haben,
da kann ich sehr gut mitgehen einfach.Und in Konsumanlässen gedacht, ehrlich,
für mich ist ein Gutswein, das ist für mich wirklich,setz dich abends hin und hab Spaß. Das ist so der Feierabendschoppen.Und genau so sind sie gemacht. Der Ortswein eher,
wenn du noch eine kleine Vorspeise dazu hast oder ein bisschen was runderes,weicheres haben möchtest. Die Erste Lage,
wenn es ein bisschen Ecken und Kanten geben darf und dir irgendjemand wasLeckeres kocht, oder du es mal 2, 3 Jahre aufheben möchtest.Und das GG, wenn du für dich selbst, für einen besonders guten oder schlechten
Tag irgendwas mit richtig Ausdruck haben möchtest,wenn es dir mal, wenn der Wein auch mal ein bisschen anstrengend sein darf,
wenn du dem Wein mal zuhören willst und nicht irgendwie nur in derGesprächsrunde. Ich glaube, wenn wir so kommunizieren,
dann soll es den Leuten egal sein,wie viele Hektoliter Ertrag irgendwas hat.In meiner kleinen Welt.
Michael
00:32:18
Finde ich schön erklärt.
Tobias
00:32:19
Ja, finde ich auch. Noch mal auf das Anbaugebiet als solches zurückkommen.Würdest du Franken als so eine Art geschlossenes Herkunftsbild bezeichnen?Oder ist das doch, sage ich mal, so ein Stückwerk aus Subregionen,
die vielleicht auch durch ihre Bodenbeschaffenheit ganz unterschiedlicheStilistiken von Wein produzieren?
Tanja
00:32:41
Das tun sie, aber das würde meines Erachtens,
Unterschiedlichkeit kann auch immer menschengemacht sein.Zu einem Wein gehört ja nicht nur die Herkunft,
sondern auch der Mensch oder die Menschen,die dahinter stehen. Ich glaube am Ende,
dass wir schon uns alle sehr nah sind in dem,wie wir sind. Ob wir jetzt wilder und frecher oder traditioneller sind,
sprachlich als auch vom Charakter sind sichFranken schon auch ähnlich. Und uns eint diese Silvanerliebe.Also ich kenne kein fränkisches Weingut,
was den Silvaner nicht zumindest ein bisschen liebhat.Und auch, ob du entfernt bist, weiter oder ganz nah am Main,
auch das ist so was,wo wir eine Riesenidentifikation mit haben,
und mit bestimmten auch, was wir gerne essen.Und ich finde auch, dass Essen und Wein schon so ein Lebensgefühl und auch eine
Tradition,eine Kultur ist, die verbindet. Und deswegen,
ich sehe uns eher als Einheit als als Subregionen,mit unterschiedlichen Vorzügen vielleicht.
Tobias
00:33:52
Sehr schön ausgedrückt.
Michael
00:33:54
Jetzt haben wir die ganze Zeit über Tradition gesprochen,
was uns da verbindet,und du sprichst dann gerne über Wurzeln.Gleichzeitig sagst du aber auch, die Zeit verändert sich ja und wir müssen mit
der Zeit gehen.Was waren denn so die Herausforderungen der letzten 10,
15 Jahre?Was hat sich in Franken in dieser Zeit verändert?
Tanja
00:34:15
Das ist sehr, sehr vielseitig. Und je nachdem,
wen du aus den unterschiedlichen,sage ich jetzt mal, Bereichen um das Thema Wein fragen würdest,
also wenn ich jetzt anfange von den Wurzeln im Weinberg,dann sich schon die Gedanken zu machen,
Thema Wasser.Welche Rebsorten wirst du pflanzen? Wie wirst du weitergehen mit bestimmten
Steillagen?Was vielleicht heute komplett Südausrichtung deine tollste Lage war,
wird sie das in Zukunft sein?Sich zu fragen. Thema Sekt. Sekt ist ein Riesending,
was Deutschland meines Erachtens,nicht nur Franken, bewegt. Die Lesezeitpunkte in diesem Zusammenhang nicht nur
bei Sekt,sondern allgemein. Früher, kann ich mich erinnern,
da hast du halt einfach erst einen Gutswein,dann deinen Ortswein, dann deine Lage, dann dein Großes Gewächs.Manchmal lesen wir in der 3. Woche Großes Gewächs,
weil es das Wichtigste ist und wir einfach nicht so hohe Zuckerwerte am Endehaben wollen. Das ist sicherlich was, was die Menschen bewegt,
auch das Thema Bewässerung,ja, nein, wie man dazu stehen möchte. Im Keller ist es,
glaube ich, ein Stück weit nach dem Boom der 80er mehr Technik,mehr Kontrolle, dass wir versucht haben,
wieder zurück zu Handwerk zu finden und dabei Menschen ganz unterschiedlicheWege gehen und sich aber auch Gedanken machen,
was haben meine Vorfahren getan?Wie haben meine Vorfahren entschieden? Jetzt gibt es Betoneier und es werden
wieder mehr Holzfässer bestellt.Es gibt wieder mehr Barriques. Sonst war ja wirklich eigentlich dieser oxidative
Ausbau ein Stück weit,ja, fast brach gelegen. Reifezeit, man hat,
glaube ich, immer versucht, für den Markt zu produzieren und nicht mehr deneigenen Willen durchzusetzen. Also wird es individueller eigentlich im Keller
wieder.Mehr Manufaktur als breite Masse, so. In der Vermarktung liegen dann vielleicht
die Geschichten,die wir erzählen, die Bilder, mit denen wir arbeiten,
auch weniger Expertise, mehr Lebensfreude mal wieder zu haben.Das ist, glaube ich, was wir eher anders tun als die Generation,
die vor uns da war.Auch dieses, jetzt hört mir aber zu, ich spreche über Wein.Ja, so. Jetzt will man miteinander lachen und Spaß haben und dieses Infotainment
ein Stück weit mehr für sich auch in Anspruch nehmen.Einfach Spaß mit Freunden haben, mit Gästen,
mit Kunden.Und nicht nur immer so diesen erhobenen Zeigefinger.Das ist, was mir, glaube ich, zumindest bei uns im Haus sehr oft einfällt.Man macht sich auch mehr Gedanken über Gebindearten.So, ob es jetzt Magnumflaschen sind oder kleine Dosen.So vieles ist nicht. Also es ist nicht verboten,
zu denken und es ist erstmal nicht verboten,eine dumme Idee zu haben. Ob die immer umgesetzt wird,
bleibt dann mal die andere Frage.
Tobias
00:37:35
Und wenn du sagst, der Blick muss sich sozusagen auch nach vorne richten,
auch wenn man natürlich ein traditionelles Haus ist,gibt es da irgendwelche neuen, ich sag mal,
Rebsorten oder Macharten?Irgendwelche Trends, die momentan in Franken oder auch im Juliusspital eine
Rolle spielen?
Tanja
00:37:54
Also wir probieren immer viele Dinge aus.Ob die eine Marktreife bekommen, weiß ich einfach nicht.Aber wir haben zum Beispiel, probieren wir unterschiedliche Rebsorten aus.So diese pilzwiderstandsfähigen Sorten,
dass wir eben Sauvignac zum Beispiel im Anbau haben,immer mal in kleinen Teilen. Wir haben,
das weiß kaum jemand, wir haben 7 Hektar,die wir alleine biologisch bewirtschaften.Also wir haben wirklich gerade im Weinbau mit dem sanften Rebschnitt über alle,
über alle Hektar,die wir besitzen, hinweg sind wir einen Riesenschritt gegangen,
dass wir dieses Begrünungsmanagement,was wir betreiben, ist ein Wahnsinn. Wir versuchen zum Beispiel weniger
Durchfahrten zu haben und versuchen mal mit Drohnenunseren Pflanzenschutz zu machen. Was sich davon durchsetzen wird?Ich kann es nicht sagen, aber wir versuchen,
auf so unterschiedlichen Spielfeldern zu agieren.Wir haben im Keller Sachen, die wir komplett trüb einfach reinlegen in so ein
Fass und mal gucken,was passiert. Oder die neuen Rebsorten auszubauen in unterschiedlichen Gebinden.Wir haben zum Beispiel auch immer mal wieder,
dass wir unterschiedliche Sekte oder so dieses Thema Pét Nat ausprobieren.Wir sind eine der ersten VDP-Weingüter gewesen,
die alkoholfreien Wein ausprobiert hat.Wenn du entalkoholisierst, ich sage immer,
das ist, du machst Wein und dann schickst du es in so eine Black Box rein.Was da zum Schluss rauskommt, wird keinen Alkohol haben,
aber viel mehr weißt du auch nicht.So Dinge, also da sind wir trotz dem, dass wir ein historisches Haus sind und
ein traditionelles Haus,haben wir uns nie vor Neuerungen oder vor Ideen verwehrt.Und das finde ich immer ganz spannend. Und wer jetzt zum Beispiel in letzter
Zeit mal von uns eine Broschüre gesehen hat,wie wir Dinge darstellen, welche Bildwelten wir bedienen.Ich glaube, der wird nicht unbedingt darauf kommen,
dass wir irgendwie 450 Jahre alt sind.Ganz geschweige denn, wenn ihr unser Team kennenlernt,
dann denkst du auch okay,die sind ja crazy.
Michael
00:40:14
Und wenn man noch einmal kurz die Seite wechseln,
weg vom Wein-Erzeugen, hin zum Wein-Konsumieren.Also liegt mir persönlich ja eh mehr, aber hat sich was an den Zielgruppen
verändert?Trinken heute immer noch dieselben Leute Wein,
die vor 30, 40 Jahren Wein getrunken haben?
Tanja
00:40:32
Ja und nein. Also ich denke, dass vieles sich verändert und anderes auch
konstant bleibt.Und wir sind dann schon auch klein genug,
um zu sagen, wir sind dankbar für jeden,der mit uns Wege gegangen ist und diese Kundentreue noch hat.Das ist aber, glaube ich, ja auch, sage ich jetzt mal,
eine Klientel, die einfach -ich möchte es mal so formulieren - nicht jünger wird.Ich denke nicht, dass die zukünftigen Weintrinker,
die den Weg mit uns gehen, dass sie so treu sind.Sie sind vielleicht auch cool für Weinfreunde und alle anderen
experimentierfreudig.Die probieren das mal und das mal und das mal und finden es eben spannend,
Länder,Regionen. Konstanz hat da wahrscheinlich nicht die Wertigkeit wie vor 20,
vor 30 Jahren.Auf der anderen Seite treffe ich doch auch immer,
wenn ich unterwegs bin, ob es jetzt Köln,Hamburg oder sonst wo auf der Welt ist,
Menschen.„Ah - ich habe in Würzburg studiert und ich trinke immer noch den Wein,
weil ich,weil er mich an die Weinfeste von früher erinnert".Ich glaube, dass Menschen in Großstädten zum Beispiel ein ganz anderes
Konsumverhalten haben wie jetzt bei uns eher im ländlichen Bereich.Man sieht auch die Absatzzahlen natürlich von diesem alkoholfreien Wein,
wo du eine Nische hast,die einfach ein riesiges Wachstum hat. Ich glaube auch,
dass wir manchmal geduldig sein müssen mit unseren neuen Konsumenten und mitunseren neuen Weintrinkern, dass wir nicht sofort sagen können,
trink jetzt Würzburger Stein Silvaner und habe Freude daran.Lass sie doch erst mal Juliusspital Silvaner Gutswein 2 Jahre trinken und dann
wird es schon irgendwie.
Michael
00:42:25
Das wäre auch deine Empfehlung für den Einstieg,
so?
Tanja
00:42:28
Ja, absolut.
Michael
00:42:29
Ihr wollt den Weg gehen? Silvaner, Franken,
Juliusspital.Die Flasche bringt euch.
Tanja
00:42:35
Genau. Also Gutswein Silvaner, das macht so viel Freude,
da kannst du schier nicht Nein sagen.Und dann wird irgendwann der Tag kommen,
wo du vielleicht dich fragst: Was gibt es denn da noch mehr?Wenn die Neugierde geweckt ist. So glaube ich,
dass wir damals wie heute unseren Weg gehen werden.Nicht nur das Juliusspital, sondern alle,
die auch ehrlich handwerklich gemachte Weine produzieren.Ich denke, wir werden gemeinsam die Zeiten überstehen.Und das hat es schon immer gegeben, dass du mal ein bisschen mehr und ein
bisschen weniger Nachfrage hattest.
Tobias
00:43:08
Jetzt mit dem Blick in die Zukunft vielleicht ein Thema,
was ein bisschen besorgniserregender sein könnte,nämlich das ganze Thema, dass es wärmer wird.Du hast eben schon erwähnt, dass ihr euch von den südausgerichteten Weinbergen
natürlich nicht zurückzieht,aber natürlich auch darüber nachdenkt, was können Alternativen sein.Wie wichtig oder jetzt auch schon, sage ich mal,
prägend ist das Thema Klimaerwärmung für so ein Anbaugebiet wie Franken?
Tanja
00:43:34
Also es ist ein Thema, was natürlich immer wichtig ist und du musst dir Gedanken
machen,weil du musst es dir nicht für heute tun,
aber du musst es für deine zukünftigen Generationen tun.Ich denke auch immer, alle Menschen, die mit Natur arbeiten und von der Natur
abhängig sind,dass sie eine extreme Verpflichtung haben,
an morgen, übermorgen und die andere Generation zu denken.So ist halt der Weinbau, und diese Reben sind unsere Lebensgrundlage,
ohne die wird nichts möglich sein.Deswegen versuchen wir durch die Zeit immer gut damit umzugehen.Und dann sind die guten Ideen natürlich schon gefordert.Wir sind in Franken in der extrem glücklichen Situation,
dass wir im Moment noch ein bisschen die Nutznießer der Situation sind.Wir waren sonst ein sehr kühles Gebiet und haben jetzt einfach mehr
Sonnenstunden.Die Sonne und die Wärme ist es in weiten Teilen gar nicht.Es sind diese Starkregen. Es sind die die Spätfröste,
die wir haben.Und es ist das Thema Wasser im Allgemeinen.Ich denke, du musst deine Weinberge prüfen.Erst mal Zukunftsfähigkeit von der Ausrichtung her.Irgendwann wirst du dich in Steillagen vielleicht fragen,
ob eine Querterrassierung mehr Glück bringt oder mehr Zukunftsträchtigkeit hat.Ich bin jemand, der sagt: Kümmere dich um ein gutes Bodenmanagement und setze
nicht sofort auf Bewässerung.Weil meine Frage in dem Zusammenhang immer sein wird:
Wo bekommst du das Wasser her für deine Bewässerung?Und wenn du bewässern willst, dann musst du mir diese Frage erstmal beantworten.Dann brauchen wir Sammelbecken, dann brauchen wir alternative Ressourcen,
weil klar wird halt auch sein,du kannst es nicht aus dem Main ziehen. Irgendwann wird da einfach nichts mehr
sein.Wenn wir unsere Grundwasser verbrauchen,
dann werden wir nicht glücklicher werden.Und deswegen glaube ich nicht unbedingt nur an Bewässerung.Ich glaube auch daran, dass durch die Zeit hinweg die Reben so tief gewurzelt
haben und auch mal ein bisschen Mangel gespürt haben und dass daraus große Weineentstehen. Also es ist für mich, wie viel Monokultur ist für mich eine Frage,
weil man sich manchmal andere Anbaugebiete anschaut.Dann ist es vielleicht eine andere Erziehungsform,
die irgendwann bei uns sein wird.Oder ist es vielleicht auch so, dass wir einfach mehr Schatten brauchen?Beschattung wird vielleicht irgendwann ein Thema sein.Gucken wir mal nach Italien, wie zusammenhängend da zum Beispiel Flächen sind
oder ob da einfach Oliven dazwischen stehen,ob da Beschattungshölzer dazwischen.
Michael
00:46:14
Oder wieder Hecken gepflanzt werden oder dergleichen.
Tanja
00:46:16
Ja, auch die Steinriegel hatten dann irgendwann mal eine ausgleichende Funktion.Und das sind Dinge, wir können nicht einfach weiter so machen.So, wenn, dann brauchen wir wieder ein bisschen das Wissen von damals und von
neuer Forschung.Und das ist doch, was wir gut können. Wir haben die Wissenschaft auf unserer
Seite.Das heißt, wir können Dinge ausprobieren,
wir können sie überprüfen, können sie dokumentieren und werden dann genügendZeit für Veränderung haben. Aber nur, wenn wir uns drum kümmern und wenn wir
nicht einfach die einfache Lösung suchen,die es in dem Zusammenhang nicht geben wird.
Michael
00:46:52
Gehört denn zu diesen notwendigen Chancen,
die die Zukunft bringen wird, auch so eine Antwort wie „Mehr Bio" im Weinbaudazu und mehr Biodiversität im Weinberg?
Tanja
00:47:04
Also ich bin niemand, der Dinge so sehr verallgemeinern kann,
zu sagen, Bio wird die Welt retten,das kann ich nicht unterstützen. Aber ich sage immer gern mal so,
mitgedacht und mitgemacht.So was eben, was kann uns nach vorne bringen?Was ist sinnvoll, was ist nicht sinnvoll?Ohne, dass ich jetzt Labels unbedingt brauche.Biodiversität auf jeden Fall. Da glaube ich,
dass ein Schlüssel zu vielen Dingen ist der Boden,weil er eben der Grund, die Grundlage von allem ist.Und da eine gute Humuswirtschaft zu betreiben ist wahnsinnig aufwendig,
kostet wahnsinnig viel Zeit und du kannst esnicht gleich verkaufen, messen, irgendwas.Aber dieses Invest halte ich für wahnsinnig wichtig.Viele Dinge aus dem biologischen Anbau tun natürlich auch dem Bodenmanagement,
der Bodengesundheit,dem Bodenleben vor allen Dingen gut. Und diese Sachen wollen wir im Juliusspital
natürlich auch immer unterstützen.Und genau das ist ja, was das Ziel sein muss.Da verbieten sich eben bestimmte Behandlungen,
genauso Wie sich aber bestimmte Bodenbearbeitungsmaßnahmen verbieten.Weil wenn du zu tief gräbst, zur falschen Zeit,
dann ist das halt einfach kontraproduktiv.Also ich glaube wirklich, dass Boden ein Schlüssel zu mehr Wasserstabilität sein
kann und dass das Knowhowdazu vielleicht noch ein bisschen brach liegt und noch ein bisschen unentdeckt.Ich glaube, da sollten wir ein bisschen investieren,
um da voranzukommen.Allgemein ist es natürlich so, dass mir manchmal mancher Gedanke dann deswegen
von dem Label Bio nicht weit genug geht,weil es bringt mir überhaupt gar nichts,
wenn ich bestimmte Mittel nur zum Pflanzenschutz einsetzen darf,aber niemand sagt, pass auf, wenn du das nicht mit deinem Boden tust,
dann wirst du auch keine gute Humuswirtschaft haben.Deswegen bin ich da jemand, der eher so einen ganzheitlichen Ansatz und
ganzheitliche Gedankengänge hat.Ich finde, dass wir im großen Zusammenhang denken müssen.Und ich glaube, dass wir nicht nur in den Weinbau gucken dürfen.Wir müssen dann auch schon schauen, wo haben wir denn einfach,
wo brauchen wir viel Elektrizität,wie Temperatur zum Beispiel bei uns im Herbst?Wir brauchen wahnsinnig viel Kälte. Wir haben einen Wärmetauscher,
weil das Krankenhaus braucht zum Beispiel Wärme,während wir Kälte brauchen. Das ist ein super Deal,
alles gut.Aber das sind so bestimmte Sachen, wo du sagst,
okay.Oder Logistik. Logistik ist ja auch so ein wahnsinniges Thema,
wo man dann sagt,okay, auch da müssen wir uns auf den Weg machen und müssen dann halt einfach
schauen,wie bringen wir das dann möglichst gut vom Weingut zu den Verbrauchern,
zu den Händlern?Wir machen wahnsinnig schöne Kartonagen,
jetzt mittlerweile halt mit weniger Druck.Ich finde, dass die immer noch gut aussehen. Aber Menschen müssen auch ein
bisschen umdenken und es kann nicht einfach immer alles wunderschön präsentiertsein. Aber es darf kein Naturpapier sein und es darf nicht so viel braunes
Naturpapier durchgucken und die Geschenkkartons müssen möglichst viel Glitterenthalten. Ja, so werden wir alle miteinander nicht vorwärts kommen,
einfach.Und da haben wir schon, glaube ich, noch einige Aufgaben vor uns.Aber wenn Menschen es mit vorantreiben und mit dir diesen Weg gehen wollen,
auch da bin ich wieder mal so ein grundsätzlich durchweg positiver Mensch.Mitgedacht und mitgemacht. Einfach so, ja.
Tobias
00:50:48
Ja, absolut. Und du hast jetzt ganz viel Bezug auf Boden auch genommen.Wir sitzen ja hier in einem Raum neben eurer wunderschönen Vinothek.Also lohnt sich auf jeden Fall, hier auch mal vorbeizukommen.Und ihr habt hier so Mini-Rebzeilen vor der Vinothek und ich glaube,
die sind ja hauptsächlich dafür da,auch die unterschiedlichen Böden zu präsentieren.Erzähl uns dazu doch mal ein bisschen was und vielleicht auch wirklich zu den
Bodentypen,die es so typischerweise in Franken gibt.Also so was wie Muschelkalk und Keuper usw.,
das hat man ja mal gehört, aber die meisten wissen gar nicht,was ist das und was macht das eigentlich mit dem Wein?
Tanja
00:51:28
Ja, also wenn man Weinbau betreibt, dann ist es so,
dieses Fleckchen Erde wo du bist,ist dein Heiligtum einfach. Und da gehört als Erstes mal die Gesteinsgrundlage
dazu und dann eben,wie gesagt, über die Bodenpflege auch, wie viel Nährstoffe du dann als Auflage
da auf den Gesteinsarten hast.Und wir haben die fränkische Trias. Das sind drei unterschiedliche,
sage ich jetzt mal,Zeitalter in der Entstehungsgeschichte. Das Älteste ist der Buntsandstein.Da ist so ein bisschen Sand aus dem Jura zu uns ins Becken getrieben worden,
versteinert,wuff, war es halt Buntsandstein, gell? Ein paar Millionen Jahre später waren wir
eher so eine Sumpflandschaft mit vielen Farnen,und das wiederum in der Gärung dann, als es trockener geworden ist,
wurde dieses Pflanzenmaterial zu einem sehr dunklen,aber nicht festen Gestein. Das ist dieser Keuperboden.Und wir haben das große Glück, dass da Gipseinlagerungen und Gipsadern
durchzogen sind.Und das gibt den Weinen so, also es sind schwere Böden,
die dann so einen gewissen Schmelz einfach mit in den Wein geben,wenn man den Wein machen lässt, so. Und dann haben wir eben dieses größte
Gebiet,der Muschelkalk. Da waren wir so ein seichtes Fränkisches Meer.Und als dann wieder das Klima sich verändert hat und quasi dieses seichte Meer
verdunstet ist,ist all das lustige Getier darin auch ein bisschen eingetrocknet und aus den
ganzen Muscheln wurde dann Stein.Die Kurzfassung der fränkischen Trias, verteilt über 230 Millionen Jahre.
Michael
00:53:15
Jetzt waren wir ja gerade beim seichten Fränkischen Meer.Das fand ich ja schön. Das darf man jetzt nicht missverstehen. Denken wir doch
jetzt mal an das große, weite Meer. Und wir kommen jetzt zu einer Frage, die wirin diesem Podcast einfach lieben. Ich hatte das vorhin schon mal angedeutet,
es geht um den Inselwein.Also stell dir vor, du gehst auf eine Insel und du darfst einen Wein mitnehmen.Also die Menge, so viel du willst und es sind auch beste Bedingungen,
wie wir das vorhin bei euch im Keller gesehen haben,vorhanden, um den Wein zu lagern. Aber du darfst halt nur einen Wein mit auf
diese Insel nehmen.
Tobias
00:53:47
Ganz viele Flaschen. Aber auch der Jahrgang muss nur einer halt eben sein.Ich weiß, es ist schwierig und natürlich auf die Dauer wahrscheinlich ein
bisschen langweilig. Aber so sind halt die Regeln. Welcher Wein wäre es?
Tanja
00:53:59
Ihr wisst schon, dass ich erst mal verhandeln würde,
gell?
Tobias
00:54:02
Also, wir sind da sehr, sehr streng.
Michael
00:54:05
Willst einen Deal machen?
Tanja
00:54:07
Genau. Ja, aber ich würde gar nicht so ganz lange überlegen.Und wenn ich irgendwie verloren hätte und wirklich nur einen Wein mitnehmen
dürfte,dann würde ich Würzburger Stein Silvaner mitnehmen.Ganz klar. Weil es wird dann auf meiner einsamen Insel so sein,
dass ich immer an diesen Weinberg denke,der für mich und auch für dieses Haus die Welt bedeutet.Also es ist ein Weinberg, wo Goethe schon von Wein getrunken hat.Oder wenn du im Zug, wenn ich manchmal von Hamburg zum Beispiel komme und dann
warte ich auf den Moment,wenn ich mit dem Zug einfahre und auf der linken Seite der Würzburger Stein
auftaucht,dann geht mir das Herz auf und ich weiß,
ich bin daheim.Wenn du da innendrin mal gearbeitet hast,
das ist so steil und es verlangt dir so viel ab und es ist so warm und derAusblick ist aber so wunderschön über diese Stadt auch,
über die Reben, den Main.Alles liegt dir zu Füßen und du fühlst dich so ein bisschen wie der König der
Welt da oben.Und das finde ich einfach Wahnsinn. Es ist auch,
dass diese Lage einfach seit jeher,immer wenn wir keine Zeit wissen, also schon immer,
seit jeher wirklich große Weine hervorbringt.Dieser steile, steinige Berg, das ist für mich Herzensangelegenheit.Handlese, und dann ist er ausgebaut, eben an diesem besonderen Platz,
dieser Pulsschlag unserer Weinproduktion in diesem historischenHolzfasskeller, spontanvergoren und abgefüllt in so eine lieblich kleine,
halbrunde Flasche -den Bocksbeutel. Gell, Leute? Also, was soll ich denn mitnehmen?So, das ist meine Wahl.
Tobias
00:55:50
Also wer jetzt keine Lust bekommen hat auf Silvaner vom Würzburger Stein,
dem ist nicht mehr zu helfen.Wir müssen aber auch noch über was ganz Wichtiges sprechen,
denn ich glaube, die Franken, die essen auch gerne.Wie sieht das aus, wenn man jetzt so an Essensbegleitung denkt?Typischerweise beim Silvaner aus Franken,
was fällt dir da als Erstes ein?
Tanja
00:56:10
Für mich ist es, muss es ein kräftiges Gericht sein,
es braucht so ein Eigenleben und es braucht eine eigene Ausdrucksart.Wenn ich jetzt zu Hause bin oder wenn ich jetzt bei uns in der Weinstube essen
gehen würde,dann wäre es für mich Forelle Müllerin. Ihr wisst schon,
schön in Butter raus gebacken,gell? Und dann gibt es da oft ein Gemüse dazu.Ich finde Gemüse und Silvaner auch ein gutes Thema.Oder zum Beispiel, was man auch echt nicht unterschätzen darf,
wenn du Kalbfleisch hast und wenn du da so ein schönes Topping oder eine Soßedazu hast. Also ich bin eher immer so der Topping-Mensch,
so ein bisschen Kräuter.Also wenn du Kräuter, Weißbrot, was Frisches dazu hast,
dann hast du dieses Spiel aus diesen grünenAromen zusammen mit der Konsistenz und den Griff.Was dann der Silvaner dazugeben wird, finde ich immer wunderschön,
eine wunderschöne Kombination.
Tobias
00:57:07
Ja, und diese Kräuternoten, dieses Grüne,
das kann ja Silvaner durchaus auch.Das ist dann eine super Kombination.
Tanja
00:57:13
Die Standardantwort, die ich nicht vergessen darf,
sonst kriege ich nämlich Haue vom Fränkischen Weinbauverband ist:Spargel.
Tobias
00:57:20
Ah. Ja, ja, natürlich, stimmt. Der ideale Spargelwein,
natürlich.
Michael
00:57:24
Ist nur wegen der Jahreszeit uns durchgegangen.
Tanja
00:57:26
Ja, genau.
Tobias
00:57:26
Genau, finde ich aber, hört sich jetzt doof an,
aber finde ich bei Silvaner tatsächlich aber auch richtig.Also ich meine, in der Spargelzeit ist ja jeder Wein der perfekte Spargelwein.Aber wenn es eine Rebsorte verdient hat,
dann ist es wirklich Silvaner.Muss ich wirklich auch sagen.
Tanja
00:57:40
Und du kannst nämlich auch, das finde ich das Schöne daran,
wenn du so einen kräftigeren Silvaner hast wie Stein,Würzburger Stein Silvaner, dann kannst du halt auch eine Béarnaise oder eine
Hollandaise dazu.Für mich ist ganz oft gar nicht die Frage,
Spargel ist schön, ja, aber wie ist er denn zubereitet?Was gibt es denn dazu? Und in Franken gehen wir ja so weit,
dass wir dann zur Hollandaise auch noch Bratwurst dazu essen.
Tobias
00:58:06
Eieiei!
Tanja
00:58:07
Und dann brauchst du schon was Kräftiges. Da brauchst ein bisschen was
Kräftiges.
Michael
00:58:11
Liebe Tanja, herzlichen Dank für dieses Gespräch.Es war sehr unterhaltsam und gleichzeitig informativ.Ich denke, das ist ja auch das, was dir vorschwebt -
mir auch für den Podcast, hat ungeheuer Spaß gemacht.So viel Spaß, dass ich mich jetzt schon sehr darauf freue,
wenn es das nächste Mal wieder heißt.