Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Merlot: zwischen Segen und Fluch

29.04.2025 26 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Folge von Bei Anruf Wein widmen sich Tobias und Michael dem Merlot – eine der weltweit meistangebauten Rebsorten, deren Weine oft unterschätzt werden. Die beiden Hosts von Bei Anruf Wein beleuchten Herkunft, Verbreitung und die typische Stilistik eines Merlots, erklären die genetische Verwandtschaft zu anderen Bordeaux-Rebsorten und diskutieren, warum Merlot sowohl als reinsortiger Wein als auch als Cuvée-Partner glänzt. Dazu liefern die beiden einen kleinen Exkurs in die Vogelkunde.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Jede Menge Rebsorten waren bereits Thema in unserem Podcast. Merlot hatte es bisher nicht zu einer eigenen Folge geschafft. Vielleicht waren wir etwas zurückhaltend, weil Merlot von einigen Weinfreunden kritisch gesehen wird. Zu viel Frucht, zu wenig Charakter und erst recht keine komplexe Aromatik sagen sie der Rebsorte nach. Aber ihr könnt es euch schon denken. Völlig zu Unrecht existieren diese Vorurteile. Vielmehr gehört Merlot zu den bedeutendsten roten Rebsorten der Welt, wie Michael und ich gleich beweisen werden. Aber bevor es losgeht, schaut doch mal in die Shownotes zu dieser Folge. Hier ist ein Link zu unserer aktuellen Umfrage enthalten. Nehmt doch bitte daran teil. Das würde uns sehr, sehr freuen! Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:04
Bonjour, Monsieur Weinlakai. Ich hoffe, bei dir piepst wohl. Ja, also nicht übel nehmen. Ich meine das ganz positiv, denn für unsere heutige Folge habe ich mir eine ornithologische Einleitung
Tobias
00:01:08
Was?
Michael
00:01:17
ausgedacht. Pass mal auf.
Tobias
00:01:18
Sorry. Warte mal ganz kurz. Also, ich habe jetzt gerade schon mal auf meinen Zettel geschaut, weil ich gedacht habe, ich bin vielleicht im falschen Podcast. Ja, weil da steht nichts von Vogelkunde. Da steht was von Merlot und eine Folge, mit der wir unseren Rückstand in Sachen Bordeaux Rebsorten abarbeiten wollen. Wird ja höchste Zeit, denn jüngst haben wir uns ja erst um den Cabernet Sauvignon gekümmert. Nach mehr als 100 Folgen, muss man sagen, muss man sich ja schon fast schämen. Ja, und daher jetzt der Merlot Bei Anruf Wein. Und ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, warum du jetzt irgendwas von Vögeln erzählst.
Michael
00:01:53
Na ja, also nochmal. Eigentlich wegen der Amselmännchen.
Tobias
00:01:58
What?
Michael
00:01:58
Ein wenig aber auch wegen des Zilpzalp. Also du erinnerst dich doch hoffentlich noch an unsere Folge über den Grauburgunder?
Tobias
00:02:05
Ja, allerdings.
Michael
00:02:06
Da haben wir die Geschichte erzählt, dass der Zilpzalp, ein Singvogel, angeblich dafür verantwortlich sei, dass Samen der Grauburgunderbeeren aus der Pfalz ihren Weg nach Baden gefunden haben. Also eine Story, bei der es wirklich jetzt mal um Vogelschiss geht. Aber nun gut, lassen wir das mal weg. Also deshalb, ich komme jetzt noch mal zurück auf die Amsel, also genauer das Amselmännchen. Da gibt es auch kein Gendern, denn nur diese schwarz-blauen Federn, das kennen wir auch von unseren Amseln hier, nur die schwarz-blauen Federn des Männchen, die erinnern eben, oder sollen daran erinnern, an die Haut der dunklen Beeren des Merlot. Ja, denn Amsel heißt im Französischen nämlich „Merle", und davon leitet sich angeblich der Merlot ab.
Tobias
00:02:57
Okay, Zilpzalp, Merle, Fink und Star - alle Vögel sind schon da. Verstehe. Und nein, du singst jetzt nicht! Also, es ist alles, alles gut. Aber die von dir angesprochene dunkle Farbe der Beeren, das ist ja schon mal etwas, mit dem man arbeiten kann, mit dem wir weitermachen können. Ja, Vögel mal ausgeklammert. Denn diese Farbe ist ein Hinweis darauf, dass die Rebsorte eher dunkle Weine liefert, also Rotweine, muss man vielleicht auch noch mal dazu sagen. Und auch mit eigentlich Blick auf Fruchtkörper, Tannin und Alkohol ist Merlot ja kein Leichtgewicht unter den Rebsorten. Ja, Säure, das ist natürlich manchmal auch ein großer Punkt für Geschmack, für mich auch ein ganz kritischer Punkt. Aber ansonsten ist Merlot eine Rebe, die ja, man kann einfach sagen, die liefert ab. Ja, und das macht sie erst einmal sehr, sehr beliebt bei Winzerinnen und Winzern, und zwar in aller Welt. Und das wird auch noch mal dadurch unter Beweis gestellt, dass Merlot im Ranking der meist angebauten Rebsorten der Welt nur noch vom Cabernet Sauvignon getoppt wird. Also siehe unsere Folge aus dem März dieses Jahres. Aber ansonsten ist es halt tatsächlich die am zweitmeisten angebaute Rebsorte der Welt.
Michael
00:04:16
Allerdings, allerdings. Und Merlot ist dann eben halt nicht nur, und bitte jetzt das „nur" in Anführungszeichen verstehen, eine Rebe aus dem Bordeaux. Also im Merlot, ist international eine richtig große Nummer. Und du hast es schon gesagt, weltweit auf Platz 2 ist ja was. Ja, ja. Nach Frankreich als Merlot-Land Nummer 1, wen wundert es, sind jetzt noch Spanien und Italien, aber auch zum Beispiel Rumänien und Bulgarien zu nennen, das jetzt nur in Europa, ja . In der Neuen Weinwelt sind insbesondere die USA, aber auch Chile und Australien schon lange, schon ganz, ganz lange vor Merlot kolonialisiert und jenseits der relevanten Größenordnungen, über die ich jetzt gesprochen habe mit den Anbauländern. Tobias, ich kenn dich doch. An dieser Stelle willst du jetzt bestimmt noch etwas zum Merlot aus Deutschland sagen.
Tobias
00:05:11
Ja, das ist natürlich vollkommen richtig. Das ist zwar hier in Deutschland noch eine überschaubare Nummer mit dem Merlot, aber immerhin sind es knapp 1.000 Hektar, die in allen Anbaugebieten der Republik da zusammenkommen. Ja, mir fällt bei Merlotweinen aus Deutschland erst mal Rheinhessen ein, aber auch die die Pfalz. Denk an so Namen wie Peth-Wetz, Markus Schneider natürlich auch oder das Weingut Emil Bauer. Aber ich merke schon, jetzt habe ich irgendwie so unfreiwillig dein Werbefenster eigentlich übernommen. Deswegen muss ich gleich noch mal einen weiteren Wein einwerfen, nämlich den Hades Merlot von Ellwanger. Ah, ne, Ellwanger gibt es ja auch bei euch. Ja gut, den haben wir auch mit dem Podcast besucht. Aber egal, ich werde auf jeden Fall nicht müde, in dem Zusammenhang dann ganz klar noch mal das Thema Klimawandel erwähnen zu müssen. Denn Merlot wäre wahrscheinlich früher ja gar nicht reif geworden in Deutschland. Das beweisen auch die Statistiken vom Deutschen Weininstitut, wenn man da mal reinschaut. Ja, vor der Jahrtausendwende, da gab es einfach nix da Merlot, also niente, null. Und ja, mittlerweile reift die Rebsorte eben auch in Deutschland richtig gut aus, zumindest in den warmen Lagen. Ja, und deswegen gibt es auch konsequenterweise ganz, ganz ordentliche Merlotweine, auch reinsortige aus Deutschland. Und da muss man eigentlich so ganz zynisch sagen: So blöd das mit dem Klimawandel auch ist, dem deutschen Merlot tut es einfach gut.
Michael
00:06:51
Ja, beides. Also blöd und tut gut.
Tobias
00:06:55
Ja.
Michael
00:06:56
Ja, man muss ja sachlich hinterherschieben. Also Merlot zählt eher zu den mittel bis spät reifenden Reben. Also da braucht es im Finish der Saison noch mal richtig Sonne, ohne allerdings zu lange Trockenheit. Ja, das sagt man immer so, also mit zu viel Trockenheit komme Merlot angeblich nicht klar, heißt es da immer. Aber weißt du, wenn ich denke an diese ganzen Anbaugebiete in Spanien, wo Merlot wächst, da bin ich mir dann plötzlich ganz sicher, also so ein wenig Trockenheit kann er dann schon ab. Aber so weit sind wir ja dann nur manchmal in Deutschland, aber das auch schon. So viel zum Klimawandel. Ja, was gibt es noch zu ergänzen? Ja, man sagt auf der anderen Seite dem Merlot so eine gewisse Anfälligkeit für falschen Mehltau und für Botrytis nach.
Tobias
00:07:41
Okay, also Feuchtigkeit ist auch nicht so toll.
Michael
00:07:44
Nee. Also ich sage mal, die Winzerinnen und und die Weinmacher im Bordeaux, die wissen davon ein Lied zu singen. Wenn es feucht ist im Frühjahr, kriegen die ein Problem. Also zusammengefasst jetzt, alles ist jetzt nicht ganz so smooth wegen Klimawandel und Merlot in Deutschland. Da muss man sich wirklich jetzt die Jahrgänge anschauen.
Tobias
00:08:05
Ja, schön wär's, denn Merlot hat eben auch noch ein anderes Problem, nämlich ein Imageproblem. Das muss man ja auch mal zur Sprache bringen. Zumindest wenn er dann reinsortig gemacht ist und auch wirklich bei den Weinen im Vordergrund steht. Denn manche Menschen aus der Weincommunity schauen da nicht mal mehr auf das Herkunftsland, die Region oder den Jahrgang, weil die bei der Frage „Merlot?" sofort ein „Nein!" entgegnen, haben die keine Lust drauf. Ich muss dann da immer an diesen wirklich tollen Film „Sideways" denken. Das ist ja ein Film mit ganz, ganz viel Weinbezug. Und da gibt es eben das berühmte Zitat: „I'm not drinking any fucking Merlot!". Ich weiß jetzt gar nicht, ob das jetzt hier gepiept werden muss, aber so ist das halt. Die Beliebtheit einer Rebsorte bei Winzerinnen und Winzern entspricht manchmal eben auch einer gewissen Beliebigkeit der daraus resultierenden Weine. Und genau darum geht es eigentlich bei diesem Ausspruch des bekennenden Pinot Noir-Fans im Film. Das ist quasi so die etwas striktere Formulierung als das ebenso bekannte: „Anything but Chardonnay" als Auflösung des Begriffs „ABC-Trinker".
Michael
00:09:22
Okay, also zum Film noch mal . Ich kenne den. Ich bekomme immer so Phantomschmerzen, wenn ich sehe, wie Miles - ja, so heißt dein Pinot-Freund in dem Film - am Ende ein 1961er Château Cheval Blanc aus Saint-Émilion aus einem - Achtung - Pappbecher trinkt!
Tobias
00:09:42
Ziemlich lässig.
Michael
00:09:44
Also ich meine, auch darin drückt sich so seine Merlot-Phobie aus, denn schließlich ist in diesem Weltklassewein, muss mal sagen, neben Cabernet Franc eben doch auch eine ganze Menge Merlot. Ja, okay. Aber egal, es ist einfach ein Frevel, meiner Meinung nach, ne? Aber um das jetzt mal aufzuheitern, kurzer Funfact am Rande. Nach Erscheinen von Sideways, von dem Film, in den USA, sank der Verkauf von Merlot spürbar. Ja, und der von Pinot Noir stieg deutlich an. So viel zur Macht des Kinos.
Tobias
00:10:17
Ist schon irre, was da passiert. Damals war Social Media noch nicht mal so ein Thema wie heute. Das wäre wahrscheinlich heute sogar noch extremer. Aber ich muss dir ganz ehrlich sagen, ich mache beim Merlot-Bashing nicht mit. Ja, denn du hast es ja gerade schon mit Cheval Blanc und Saint Émilion erwähnt. Ich sage jetzt mal, ich lege noch eine Schippe drauf sozusagen, ich sage jetzt mal Château Pétrus aus Pomerol, ne? Das ist ein so unglaublich teurer Wein, der außerdem in fast jedem Jahrgang irgendwie 100 Punkte einsammelt. Ja, der wird mittlerweile aus 100 % Merlot gemacht. Also auch gar keinen Cabernet Franc-Anteil mehr, wie das früher noch war, sondern das ist wirklich 100 % Merlot. Und ja, da muss man jetzt kein großer Weinkenner sein, um zu wissen, dass das einer der besten Weine der Welt ist und auch einer der teuersten. Ich finde, das sagt dann viel aus. Und ja, deswegen bekommt Merlot-Bashing von mir ein ganz klares „Nix da".
Michael
00:11:20
Okay, ich drücke das jetzt mal versöhnlich aus. Also ich glaube fest an den Pomerol, den ich gerade bei uns im Shop gekauft habe, und an seine 60 % Merlot und 40 % Cabernet Franc. Basta! Ja, und lasst uns genau diesen Franc Beauséjour aus Pomerol mal zum Beispiel nehmen. Man muss ja klar die Fälle auch noch mal unterscheiden, in denen Merlot tatsächlich reinsortig vinifiziert auf die Flasche kommt, oder eben doch so als Teamplayer in so einer Cuvée gefragt ist. Du hast ja eben schon aufgezählt, Frucht und Körpergerbstoffe und Alkohol. Ja, also Merlot hat was zu bieten. Und gerade eben auch in Kombination mit anderen Rebsorten. Ich möchte jetzt nur die berühmte Bordeaux-Cuvée erwähnen, der wir gemeinsam mit Cédric schon in einer ganz eigenen Podcastfolge gehuldigt haben. Und nebenbei, was die internationale Dimension von Merlot- und Bordeaux-Cuvée betrifft, da geht es auch um Supertoskaner und Kap-Cuvée und all diese Dinge.
Tobias
00:12:21
Ja ja, und ich finde, das ist ein gutes Thema, denn Cédric hatte ja diese für mich wirklich geniale Analogie. Er bezeichnete Cabernet Sauvignon als das Knochengerüst einer Bordeaux-Cuvée, die dem Wein Halt gibt, und Merlot liefert dann sozusagen das Fleischige. Und das finde ich insofern wirklich treffend, weil es den Charakter von Merlot schon ziemlich gut beschreibt. Und ja, daher kommen, glaube ich, auch teilweise so ein bisschen diese Vorwürfe. Aber das erklären wir gleich noch mal. Lass uns jetzt erst noch mal in Frankreich bleiben, denn die erste Erwähnung, das habe ich hier recherchiert, der Rebsorte als Merlot, also unter dieser Bezeichnung, stammt von 1784 aus dem Libournais und unter anderem Namen war sie dann sogar schon im 14. Jahrhundert bekannt. Ja, Libournais kommt von der französischen Stadt Libourne, quasi einem direkten Nachbarn der beiden Appellation Pomerol und Saint-Émilion . Das hat vielleicht der eine oder andere schon mal gehört. Das ist also das Bordelais im weiteren Sinne und erklärt die Bezeichnung des Merlots als ganz klassische Bordeauxrebe. Das muss man so noch mal sagen. Und diese besondere Verbindungen unterstreichen dann auch übrigens die Familienverhältnisse im Hause Bordeauxreben. Und da kommen wir eigentlich zu deinem Spezialgebiet, weil du bist ja so eine Art Genetikexperte aus der 2. Filialgeneration. Ja, wie sieht es denn mit der Abstammung beim Merlot aus? Erzähl mal!
Michael
00:14:02
Ja, also glaubt man den DNA-Analysen - also es gibt ja auch heutzutage Leute, die glauben nicht mehr an DNA-Analysen, aber glaubt man diesen DNA-Analysen, ja, dann ist der Merlot aus so einer natürlichen Kreuzung aus Magdeleine Noire des Charentes und Cabernet Franc hervorgegangen. Also mit anderen Worten, er hat denselben Vater wie der Cabernet Sauvignon. Aber es wird noch besser, pass auf. Also, nach der Ansiedlung von Bordeauxreben in Südamerika, die Geschichte haben wir auch schon mal erzählt, da gibt es noch wurzelechte Exemplare, ja, da kam es ganz oft zu einer Verwechslung von Merlot mit Carménère. Ja, und gerade in Chile war das so eine Sache. Und eben dort gab oder gibt es sogar bis heute noch Weinberge mit so einer Art gemischtem Satz aus Merlot und Carménère. Und bei der DNA-Analyse des Carménère wiederum kam dann raus, auch sein Vater ist der Cabernet Franc.
Tobias
00:15:03
Spannend.
Michael
00:15:03
Das sind Geschwister. Also diese Ähnlichkeiten zwischen diesen 4 Bordeauxreben, die sind jetzt nicht zufällig und niemals auszuschließen.
Tobias
00:15:13
Ja, Ähnlichkeit ist ja das eine. Das andere ist halt, für mich erklärt es ein bisschen, warum die auch so gut miteinander harmonieren in Cuvées. Es sind eben Geschwister. Wobei, ja gut, so Harmonie ist ja auch nicht immer unter Geschwistern, aber egal. Also per DNA lässt sich das auf jeden Fall so sagen. Völlig jenseits von Jahrgang und Anteilen in der Cuvée, das ist ja auch mal klar. Und ich treibe das jetzt, glaube ich, noch mal so ein bisschen auf die Spitze. Denn eigentlich muss man den Malbec, der ja auch Côt heißt, auch noch dazurechnen. Denn - Achtung - er teilt mit dem Merlot wiederum die Mutter, also die heute so seltene Rebe, die du viel besser aussprechen kannst als ich.
Michael
00:15:58
Magdeleine Noire des Charetnes.
Tobias
00:16:00
Alles klar. Aber haben wir jetzt geklärt.
Michael
00:16:03
Ja, das sind echt enge Familienverhältnisse. Das ist mehr so ein bisschen, Historiker immer noch, und das ist ja geradezu wie bei den spanischen und österreichischen Habsburgern. Da haben nämlich irgendwann alle dasselbe Kind. Ja, das sieht wirklich immer gleich aus auf allen Portraits. Aber nun gut, vielleicht kann man jetzt Rebsorten und Sprösslinge des Hochadels jetzt nicht vergleichen. Oder haben etwa alle diese roten Bordeauxsorten ein ähnliches Fruchtaromen-Kinn? Ja, ich verliere mich auch, ich lasse jetzt mal, sorry. Wo wollte ich noch mal hin? Ah ja, genau, ich wollte eigentlich noch einmal auf den Sideways-Film und das eindeutige „I'm not drinking any fucking Merlot!" zurückkommen. Ja, also wir haben noch gar nicht geklärt, auf welche Art Weine dieses verheerende Urteil eigentlich abzieht. Also als Teilzeit-Cineast und Weinprofi, Tobias, welcher Merlot wird denn jetzt damit abgestraft?
Tobias
00:17:02
Ja, das ist eine sehr gute Frage, denn wir haben ja gerade schon die Positivbeispiele genannt und einige fragen sich jetzt ja, warum das dann eigentlich? Aber wir sind sozusagen wieder parallel zu den Chardonnay- und den ABC-Trinkern unterwegs. Es gab eine Zeit, vor allem so in den 1990er-Jahren, in denen einfach viele Weinmacher und Winzerinnen meinten, wir müssen jetzt irgendwie das Maximum aus einer Rebe rausholen. Und ja, das waren dann in der Regel sehr fruchtbetonte, aromatische Weine, die auch wirklich Einsteiger sehr, sehr schnell verstehen und auch gut finden. Da ging es wirklich darum, in die Vollen zu gehen, möglichst beeindruckend zu sein. Also so ein bisschen so eine Primitivo-Nummer, ne? Aber der Schuss, der kann dann eben auch nach hinten losgehen. Wenn man nämlich zu viel aus Merlot herauskitzelt, dann ist es halt eben auch einfach zu viel. Die Aromatik, die erschlägt einen nur noch und ist dabei aber vor allem auch eindimensional. Die Frucht zeigt sich eher eingekocht und nicht frisch. Zumindest, wenn es wirklich aus einer heißen Region kommt. Tannine und Alkohol treten dann häufig zu sehr in den Vordergrund, der Wein wird richtig spritig. Und ja, dann ist das Thema Balance, was wirklich für Weinqualität steht, dahin und man befindet sich dann in so einer Art Wettrennen der Weinparameter. Das ist dann im Fall von Merlot nicht nur einem passionierten Pinot Noir-Trinker wie Miles, sondern auch mir schlichtweg too much.
Michael
00:18:41
Ja, ja, ja. Also ich mag es ja ab und zu so eine Spur deutlicher und akzentuierter. Ja, du kennst meine Vorlieben, aber sobald es dann so breit und zu eingekocht und füllig wird, da steige ich dann auch aus. Und du hast schon recht. Also es geht auch bei den opulenten Weinen letztendlich immer um Balance. Da gibt es ja genügend Beispiele, wo das wunderbar funktioniert. Aber da jetzt gerade der Merlot jetzt nicht per se für Finesse steht, muss man halt eben dann auch bei Merlot immer ein wenig kritisch bleiben. Wie gesagt, ganz ohne Bashing, nur kritisch. Ja, weil wenn es um Bashing geht, ganz ehrlich, du hast ja eben schon drüber gesprochen, aber da fallen mir ganz andere Rebsorten und Regionen eher ein.
Tobias
00:19:28
Ja, absolut. Und es gilt halt immer die Devise, es ist dann doch der spezifische Wein, den man sich anschauen sollte, und nicht einfach nur die Rebsorte. Wir bleiben aber natürlich trotzdem bei Merlot und müssen jetzt unbedingt auch mal über die typischen Aromen sprechen. Also klassischerweise spricht man von dunkler Kirsche, von Pflaumen, aber auch von Brombeeren und Blaubeeren. Natürlich in unterschiedlicher, ich sage jetzt mal, Intensität und Zusammenstellung, je nachdem, in welcher Region man sich befindet oder selbst, aus welcher Lage der Wein stammt und vor allem, wie er dann auch letztlich gemacht wurde. Also Stichwort Holzfassreife beispielsweise. Und so kann man sagen, die üppigen Exemplare, die sind dann eher dunkelfruchtig, dunkelbeerig. Und wenn dann eben tatsächlich Holz eine Rolle gespielt hat, dann finden sich auch so Aromen wie Schokolade oder Zedernholz, Toffee oder Vanille. Das liest man dann ganz häufig in Verkostungsnotizen. Und ja, da gibt es dann schon in der Sensorik auch Unterschiede. Gerade wenn man sagt, der ist ein bisschen rotfruchtiger, der vielleicht ein bisschen schwarzbeeriger. Also da, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, lohnt es sich durchaus mal genauer hinzuriechen, hinzuschmecken, wenn der nächste Merlot im Glas landet. Das kann man beispielsweise auch gemeinsam mit Freunden perfekt mal in einer kleinen Merlot-Verkostung vertiefen.
Michael
00:20:58
Ja, ja, gute Idee. Also so zum Einstieg sage ich ja immer: Simplify your wine-life. Also für mich gilt immer so, die Merlot weine aus Frankreich oder Italien, die zählen jetzt eher zu den Roten. Ja, und so Herkünfte wie Australien oder Südafrika, aber auch Kalifornien eben zu den dunklen Merlot, also die dunkle Seite des Merlots. Ja, ich weiß, das ist jetzt wieder so eine Verallgemeinerung und du wirst jetzt bestimmt protestieren, aber ich sage mal so, als erste Arbeitshypothese, wenn man sich dem Glas nähert, taugt es auf jeden Fall, ja.
Tobias
00:21:35
Ja, das stimmt schon.
Michael
00:21:36
Wenn du dann verschiedene probierst, wirst du damit erstmal einen Schritt weiterkommen. Oder wenn du gar so eine eigene Verkostung dazu ansetzt, wo man das sucht. Ja, und da muss man auch noch mal eins sagen: Es müssen dabei nicht immer unbedingt reinsortige Merlots sein, also auch Cuvées, in denen Merlot das Sagen hat, die tun's auch. Also die Charakteristika sind dieselben.
Tobias
00:22:00
Ja, das stimmt. Also man muss dann ein bisschen genauer hinschauen. Meine Erfahrung ist, wenn Cabernet Sauvignon in einer Cuvée enthalten ist, selbst wenn es nur, was weiß ich, 20 % oder manchmal sogar nur 10 % sind, wirkt immer relativ dominant, lässt sich immer relativ schnell identifizieren. Also das heißt, der Merlot sollte dann schon auch, sage ich mal, sehr gut identifizierbar sein. Aber du hast recht, es ist teilweise noch nicht mal so einfach, reinsortige Merlots zu finden, weil er, da habe ich jetzt keine Statistik, aber mit Sicherheit häufiger in Cuvées eingesetzt wird als eben reinsortig. Da spricht ja alleine schon die Tatsache dafür, dass eben Frankreich Merlot-Land Nummer 1 ist. Aber das mit der Merlot-Verkostung, das lässt mich jetzt sowieso irgendwie nicht mehr los. Denn das wäre doch mal eine Idee für auch deine Kolleginnen und Kollegen von WEINFREUNDE+, oder? Denn wir schnüren ja mit denen immer zusammen so ein kleines Weinpaket und stellen dann die Weine in unserem Hörgenuss vor. Ach so - ich weiß gar nicht, ob ihr das schon kennt. Das ist unser sozusagen Mini-Verkostungs-Podcast. Michael und ich sind natürlich da auch am Start . Und den machen wir exklusiv im Bonusprogramm von Weinfreunde, eben WEINFREUNDE+. Könnt ihr eigentlich ganz, ganz einfach abrufen. Schaut einfach mal auf weinfreunde.de und loggt euch in euer Kundenkonto ein und dann müsstet ihr uns eigentlich auch schon begegnen.
Michael
00:23:27
Ja, macht das mal auf jeden Fall. Und ich verspreche dir, ich rede jetzt mal mit Andreas. Der kümmert sich nämlich bei Weinfreunde um dieses Bonusprogramm. Versprechen kann ich dir jetzt natürlich, oder kann ich euch natürlich nichts, aber vorsprechen werde ich auf jeden Fall. Ich finde die Idee nämlich auch wirklich gut und der eine oder andere Wein aus unserem Sortiment, der kommt mir da schon in den Sinn. Also wir halten euch auf dem Laufenden und erzählen in der nächsten Folge, ob was daraus wird. Hoffe ich doch, in der nächsten Folge. Und was ich jedoch auf jeden Fall versprechen kann, ist, dass wir jetzt wie immer eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Merlot-Fakten vorlegen. Also aufgepasst ihr da draußen, und Tobias - losgelegt.
Tobias
00:24:11
Ja, Merlot zählt zu den Bordeauxrebsorten, ist aber als zweitmeist angebaute Rebe längst auch ein internationaler Star.
Michael
00:24:20
Merlot ist mit Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, mit Carménère und Malbec genetisch verwandt. Nicht nur in Bordeaux trifft er in Cuvées auf seine Familienmitglieder, sondern Merlot geht auch international und sogar reinsortig .
Tobias
00:24:36
Merlot-Heimat Nummer 1 ist Frankreich mit deutlichem Abstand vor den USA, Spanien und Italien. Auch Chile und Australien sind wichtige Merlot-Herkünfte.
Michael
00:24:46
Merlot ist kein Leichtgewicht. Die Trauben liefern viel Fruchtkörper, Tannin und Alkohol ab. Das gilt es beim Weinmachen unbedingt zu beachten.
Tobias
00:24:55
Je nach Herkunft prägen rote oder dunkle Fruchtaromen den Merlot. Brombeeren, Kirschen und Blaubeeren geben den Ton an.
Michael
00:25:03
Angeberwissen am Rande: Der Name Merlot leitet sich vom französischen Wort für Amsel, „Merle", ab und spielt auf die dunkelblauen Federn des Vogels an, die der Farbe der Beeren gleichen.
Tobias
00:25:15
Tja, dann sind wir jetzt doch wieder bei den Vögeln gelandet. Du Schnapsdrossel, du!
Michael
00:25:21
Hat er sich aufbewahrt, mein Gott!
Tobias
00:25:24
Ich hätte aber als Fun Fact jetzt eigentlich lieber den Verweis auf Sideways und das legendäre „I'm not the fucking Merlot!" gebracht. Egal, ein guter Filmtipp bleibt das jetzt allemal. Also, wenn ihr euch bis zur nächsten Bei Anruf Wein-Folge langweilt, schaut euch unbedingt den Film an, ist wirklich sehenswert!
Michael
00:25:44
Ja, einverstanden. Und ihr erwartet es schon, natürlich freuen wir uns auch dieses Mal an dieser Stelle wieder auf den nächsten Podcast. Wenn es nämlich wieder heißt.
Tobias
00:25:56
Bei Anruf.
Michael
00:25:58
Wein.