Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Naturprodukt Wein? Inhalts- und Zusatzstoffe

28.11.2023 29 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Verbraucheraufklärung oder bürokratische Schikane? Weinerzeugnisse, die ab dem 8. Dezember 2023 hergestellt werden, müssen aufgrund neuer EU-Vorgaben ihre Nährwerte und Zutaten ausweisen. Grund genug für Michael und Tobias darüber zu sprechen, woraus ein Wein von Natur aus besteht und welche Stoffe ihm zugesetzt werden dürfen. Das Thema ist aufgrund seiner Komplexität herausfordernd, doch genau das treibt die beiden Podcaster zur Höchstform.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Die heutige Folge hat es wirklich in sich, denn Michael und ich sprechen über die Inhaltsstoffe von Wein, vor allem aber auch über die erlaubten Zusatzstoffe, die demnächst neben den Nährwertangaben auf jedem Wein verpflichtend sind. Das schafft einerseits Transparenz, aber andererseits natürlich auch Verunsicherung. Man stellt sich unweigerlich die Frage: Ist Wein eigentlich das Naturprodukt, was es vorgibt zu sein? Michael und ich erklären im Folgenden ein recht kompliziertes und mitunter wissenschaftliches Thema auf hoffentlich gewohnt unterhaltsame Art und Weise. Ganz einfach hingegen ist es, dem Bei Anruf Wein-Podcast zu folgen und ihn zu bewerten. Schaut doch gleich mal, wie das bei Apple Podcasts, Spotify und Konsorten so funktioniert. Michael und ich sagen Danke. Also bleibt mal dran, ich ruf den mal an!
Michael
00:01:07
Oh, Monsieur Weinlakai. Bonjour. Wie geht es dir?
Tobias
00:01:11
Bonjour, mein Lieber.
Michael
00:01:11
Bist du auch so Bordeaux-beschwingt wie ich, ja?
Tobias
00:01:14
Bordeaux-beschwingt? Ne, Aber ich befürchte jetzt, ehrlich gesagt, du hast schon wieder irgendwie so ein Grand Cru Classé ganz ohne mich geöffnet.
Michael
00:01:23
Nein, natürlich nicht. Würde mir nie einfallen. Mich freut nur, wie gut die vergangene Folge mit Cedric über die internationalen Bordeaux Cuvées angekommen ist.
Tobias
00:01:33
Das stimmt.
Michael
00:01:33
Betrachtet man die ersten beiden Wochen, länger läuft die Folge noch nicht, zählt sie zu den erfolgreichsten von Bei Anruf Wein überhaupt. Das ist doch was.
Tobias
00:01:44
Ja, das ist schon verrückt, ne? Also die Bordeaux-Folgen insgesamt, die kommen immer gut an. Ich habe jetzt nur so die Vermutung, dass du mit deiner Lobeshymne so einen klitzekleinen Fauxpas verschleiern möchtest, der dir, glaube ich, während der Folge passiert ist. Na, Michael? Ich sag nur Tignanello. Ja, aber vor allem sage ich dem lieben Rainer an dieser Stelle Danke. Er hat uns nämlich auf einen Fehler hingewiesen, besser gesagt natürlich auf deinen Fehler aufmerksam gemacht. Ich denke, das ist dann jetzt mal dein Part.
Michael
00:02:15
Jaja, ist ja schon gut. Also es geht, wie du schon gesagt hast, und den Tignanello von Antinori, da hatte ich also im Eifer des Gefechtes, Entschuldigung, also da hatte ich zum Stichwort Supertoskaner eine komplett falsche Zusammensetzung der Cuvée genannt. Richtig ist, was uns auch der Rainer geschrieben hat, 80 % Sangiovese, 15 % Cabernet Sauvignon und 5 % Cabernet Franc, und zwar seit 1982 unverändert. Okay, also mehr Reue geht nicht. Zufrieden?
Tobias
00:02:50
Ja, okay. Das macht natürlich den Tinianello dann eigentlich gar nicht mehr zu so einem wirklichen Supertoskaner mit so viel Sangiovese, aber na gut. Also ich möchte dir jetzt auch überhaupt nicht die Laune verderben, weil unser heutiges Thema ist dafür viel zu wichtig. Da brauche ich dich an meiner Seite, da gibt es so einiges zu erklären. Und ja, wir müssen es ja vielleicht jetzt einfach auch mal sagen. Es geht um Dinge, die sich so in einem Wein finden lassen. Also ob natürlich, sozusagen, oder später von Menschenhand zugesetzt. Und das ist, denke ich mal, dann auch fast das spannendere Thema. Und da wird es richtig komplex und teils, zumindest für mich, auch überraschend. Also darauf musste ich mich tagelang in meinem Weinlabor vorbereiten.
Michael
00:03:36
Ja, klar. Ja, und das passt natürlich, denn ehrlich gesagt kommt man bei dem Thema nicht so richtig ins Schwärmen, als wenn wir jetzt über die Côtes Du Rhône oder Ribera del Duero reden würden. Aber es ist total wichtig, davon zumindest so ein bisschen Ahnung zu haben. Und ganz aktuell ist es auch. Ich sage nur mal 8. Dezember 2023. Aber das klären wir später noch mal auf. Also ich wage jetzt einfach mal einen Anfang. Wir sprechen ja zunächst über Wein als - Achtung - wässrige Lösung. Ja, so lautet nämlich eine chemische Umschreibung, die eines klar macht: Wasser ist der Hauptbestandteil eines Weins.
Tobias
00:04:21
Ja, absolut. Also muss man ja jetzt mal ein paar konkrete Zahlen nennen. Das ist ja nicht so dein Ding. Also 70 bis 85 % entfallen auf Wasser und dann kommt natürlich der Alkohol hinzu mit, ich sag mal so, 10 bis 15 %. Und ja, dann bleibt sozusagen noch der Rest mit immerhin noch mal so 15 bis 20 %. Und diese Stoffe wiederum fasst man dann unter dem Begriff Extrakt zusammen. Zwei davon sind die Säure und der Restzucker, ein bisschen davon ist ja in den meisten Wein noch zu finden. Ja, alles ja auch Themen, denen wir schon eine eigene Podcastfolge gewidmet haben. Aber da stand immer so ein bisschen das Sensorische, die Wahrnehmung im Mittelpunkt und das Zusammenspiel der Bestandteile natürlich auch im Wein. Also Stichwort Balance, Eleganz. Aber heute schauen wir jetzt wirklich notwendigerweise, 8. Dezember, du sagtest es schon, etwas genauer hin, ne?
Michael
00:05:15
Ja, okay, pass auf. Wobei jetzt die Sache mit dem Alkohol, also wir hatten jetzt erst mal das Wasser und dann kommt ja der Alkohol, wie du sagtest. Das ist ja fast noch das Einfachste, ja. Ethylalkohol heißt er mit chemischem Namen übrigens. Oder, wenn man es noch griffiger mag, C2H6O
Tobias
00:05:37
Griffiger? Na ja.
Michael
00:05:38
Und der Alkohol ist das Ergebnis der alkoholischen Gärung, ja, bei der spezielle Hefen den Zucker aus dem Most in Alkohol, Wärme und Kohlendioxid umwandeln. Ja, also das hatten wir auch schon mal erklärt an einer Geschichte. Es gibt sogar eine summarische Gärungsgleichung. Habe ich mir nicht ausgedacht. Es ist wirklich so und die beschreibt jetzt diesen Vorgang.
Tobias
00:05:59
Was haben denn die Sumerer damit zu tun?
Michael
00:06:01
Nein, wie folgt: C6H12O6 wird zu zwei C2H5OH plus zwei CO2. Klar doch. Also das Erste ist der Zucker, jaja, ist der Zucker, daraus wird der Alkohol, ja, und CO2. Das ist ganz einfach. Also aus Zucker wird Alkohol und Kohlendioxid und ja, mit Wärmeentwicklung. Ganz einfach. Basta.
Tobias
00:06:27
Also ernsthaft jetzt? Also ich hoffe ja jetzt ganz inständig, dass überhaupt noch jemand dieser Folge zuhört, ja, weil das ist doch ein bisschen sehr komplex. Aber egal, ich mache jetzt mal mit was ganz Süßem weiter, nämlich mit dem Thema Zucker. Denn je nachdem, wie lange die alkoholische Gärung läuft, bleibt ja auch etwas von dem Zucker aus dem Most im fertigen Wein zurück. Das kennen wir ja. Das nennt sich dann Restzuckergehalt oder auch Restsüße. Und chemisch betrachtet sind das Fructose und Glucose. Hat man ja auch schon mal gehört, Fruchtzucker. Allerdings, und das hast du eben leider beim Thema Alkohol vergessen, gibt es ja auch noch einen Stoff, der als Zuckeralkohol bezeichnet wird. Glycerin, ne? Also hast du ja bestimmt auch schon erlebt. Es gibt gerade bei restsüßen Weinen so den Eindruck, dass die ja geradezu ölig oder dickflüssig ins Glas kommen. Und das ist eben dieser Glycerinanteil.
Michael
00:07:27
Ja, ja, Glycerin, also das klingt eigentlich jetzt schlimmer, als es ist. Chemisch betrachtet ist es ein dreiwertiger Alkohol und hat die Formel C3H8O3.
Tobias
00:07:39
Uiuiui.
Michael
00:07:40
Ne, aber ich habe auch gelesen an einer Stelle, dass Glycerin für die sogenannten Kirchenfenster verantwortlich ist. Also diese kleinen, gotischen Bögen, die sich nach dem Schwenken des Weines so an der Glaswand zeigen. Aber ich glaube, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich weiß jetzt nicht, ob das sicher ist. Vielleicht wissen die Zuhörerinnen und Zuhörer ja mehr an der Stelle.
Tobias
00:08:01
Aber das mit den gotischen Fenstern, das kennen bestimmt viele. Und nur mal so by the way ja, keine chemische Formel jetzt bitte, weil sonst lege ich hier auf, mache alleine weiter. Jetzt lass uns lieber noch mal, um das zu komplettieren, über Säure im Wein sprechen. Das ist vielleicht anschaulicher. Also klar ist ja erst mal, die verschiedenen Säuren im Wein sind für den Frischeeindruck verantwortlich. Das hatten wir damals auch in der Folge. Aber es gibt eben auch verschiedene. Das ist die Weinsäure, aber auch die Apfelsäure. Ich glaube, man sagt auch Äpfelsäure, oder? Also hatte ich auch mal gelesen. Und zudem finden sich auch noch Zitronensäure und Milchsäure im Wein. Und dieses Thema Milchsäure hat noch mal eine Relevanz bei diesem sogenannten biologischen Säureabbau, der malolaktischen Gärung oder eben kurz BSA für biologischen Säureabbau. Dabei wird diese etwas spritzigere, ja, sage ich jetzt mal ganz bewusst unchemisch, Apfelsäure, wird dann in eine softere, so ein bisschen cremigere, kann man sich ja auch gut vorstellen, Milchsäure umgewandelt. Und ja, das merkt man den Weinen an, das wird bei Rotwein eigentlich immer gemacht und bei Weißwein nur, wenn man eben so dieses cremige Mundgefühl haben möchte und etwas moderatere Säure. Und die Weinsäure, die sorgt dann auch für den sogenannten Weinstein. Das kann man sich auch gut merken, insbesondere wenn Wein zu lange zu kalt gelagert wird, dann fällt das aus, sagt man ja so schön. Aber egal. Ach so, nee, weißt du was? Streng genommen gehört ja Kohlensäure auch noch dazu. Also ist ja Kohlen-Säure und bei Schaumwein nicht ganz unwichtig. Aber ja, das lassen wir jetzt erstmal weg.
Michael
00:09:47
Okay, ich weiß schon, was du weglassen willst. Mir fallen nämlich da noch mehr Säuren ein. Allerdings welche, die man nicht immer im Wein haben will. Also die flüchtigen Säuren, die sogenannten Flüchtigen Säuren, ja? Zum Beispiel Essigsäure, die zählt zu den flüchtigen Säuren und da ist sofort alles gesagt. Das will keiner, ja? Generell weisen die, sage ich mal, einen sehr starken Geruch auf, oft sehr einen scharfen oder einen, der so an Nagellackentferner erinnert. Und ja, in feinen Dosierungen ist.
Tobias
00:10:22
Woher weißt du denn, wie Nagellackentferner riecht? Wahnsinn.
Michael
00:10:24
Das ist jetzt, glaube ich, noch zu früh, darüber zu reden. Das bewahren wir uns mal für eine andere Folge. Nein, also so in feinen Dosierungen mag man ja sogar diese Stilistik, die gehört dann eigentlich dazu mit dieser Touch.
Tobias
00:10:36
Ja, das stimmt. Und ich muss jetzt schon mal sagen, also gut vorbereitet mit den Säuren, flüchtig und na ja, es ist halt so ein bisschen Rumstänkerei, das passt dann wieder. Aber natürlich nur bildlich, ist doch, ist doch klar. Und bei Essigsäure, da muss ich natürlich jetzt mal was Gesundes dagegen halten, nämlich Mineralstoffe. Die gibt es auch im Wein. Also denk nur mal dran, so viel Wasser ist da drin. Natürlich sind da auch Mineralstoffe enthalten. Ein ganzes Arsenal sogar, also Eisen, Magnesium, Zink, Kalzium, aber auch Phosphor und Mangan. Und da lässt sich auch noch mal merken: In einem Rotwein stecken immer ein bisschen mehr Mineralstoffe als in einem Weißwein. Und na ja, Spurenelemente gibt es natürlich auch noch.
Michael
00:11:22
Das sind ja richtig gute Nachrichten für mich, Tobias, ja, danke. Brauche ich gar nicht so eine Vitamintablette oder so was. Ne, ne, ne. Pass auf, dann biete ich jetzt mal was fürs Auge und nenne noch die Phenole als Stoff in einem Wein. Und zwar geht es da eher um den Farbstoff im Wein, also. Und überlege mal, was haben wir nicht schon für tolle Exemplare von Farbe im Glas gehabt?
Tobias
00:11:48
Stimmt.
Michael
00:11:48
Ich denke immer, diese Palette der Weinfarben ist ja eigentlich viel größer als das, was man so in den Verkostungsnotizen immer glauben machen will, die nach irgendeinem Schema laufen. Aber nun denn, auf irgendwas muss man sich halt einigen. Also beim Rotwein, ja, da machen es tatsächlich rote und blaue Farbstoffe, die uns das Rot sehen lassen. Und bei Weißwein geben gelbe, orangene und grüne Farbstoffe das Aussehen. Noch was in diesem Zusammenhang: All die Inhaltsstoffe von Wein, die wir bislang genannt haben, verändern sich mit der Zeit. Ja, betreffs der Farbe bedeutet das, die Farbstoffe tendieren so, ich sage mal, im Seniorenalter des Weins zu deutlichen Brauntönen. Sowohl die weißen als auch die roten.
Tobias
00:12:38
Jaja, das hat man ja bei Altweinen durchaus mal gesehen. Und ja, neben diesen Phenolen gibt es dann auch noch die Polyphenole, eine Bezeichnung vor allem für die aromatischen Bestandteile im Wein. Die sollte man ja auch wirklich nicht vergessen. Da wird es aber dann wirklich chemisch sehr komplex, müssen wir vielleicht noch mal eine Folge drüber machen. Jaja, Folge, nicht Formel, Michael, ne? Ist klar, aber egal. Ich habe auch noch zu den Polyphenolen etwas sehr Positives gefunden. Also sozusagen für das schlechte Gewissen. Viele Polyphenole gelten nämlich als Antioxidantien und sind damit klar gesundheitsfördernd. Du erinnerst dich an unsere Haltbarkeits-Folge. Antioxidantien, das ist immer gut im Zusammenhang mit Wein. Und vielleicht noch ein Hinweis zur Dosierung: In Rotweinen wieder sind bis zu 15-mal so viele Polyphenole enthalten wie im Weißwein. Also ich weiß schon, warum ich so eine Präferenz für Rotwein habe.
Michael
00:13:37
Ja, ja, ja, es ist einfach gut, ne? Okay, jetzt müssten wir eigentlich noch was zu den Gerbstoffen sagen, den Tanninen. Und wenn man es ganz genau nimmt, sogar was zu Vitaminen. Auch die gibt es nämlich im Wein.
Tobias
00:13:52
Mein Gott, ist das alles gesund.
Michael
00:13:53
Aber ich glaube ja, das lohnt jetzt nicht so richtig, denn ich denke, im Prinzip haben wir doch jetzt mal alle, ich sage mal, natürlichen Inhaltsstoffe ordentlich beieinander. Also da wird es jetzt Expertinnen und Experten geben, die das noch besser und genauer wissen. Aber wie sage ich das jetzt? Wir sind ja nur ein Podcast und keine Abschlussarbeit an der Fachhochschule Geisenheim.
Tobias
00:14:15
Genau, genau. Und man muss ja auch sagen, unsere Folge wird ja erst jetzt richtig spannend. Also du hast es ja vorhin schon betont, wir haben jetzt über natürliche Inhaltsstoffe gesprochen, aber es gibt ja auch noch Zusatzstoffe, die werden auch einfach Zutaten genannt, und das sind Sachen, die während der Weinerzeugung zum Einsatz kommen und im fertigen Wein dann auch verbleiben. Deswegen eben Zutat. Das unterscheidet sich dann tatsächlich auch von sogenannten - Achtung - Verarbeitungshilfsstoffen. Was für ein Wort. Die sind bei der Weinproduktion auch erlaubt, aber verbleiben nicht im fertigen Wein. Dazu sagen wir später noch was. Denn Ja, warum erzählen wir das eigentlich?
Michael
00:14:59
Ja, warte mal, Entschuldigung, Tobias, das ist mir jetzt ein bisschen zu unpräzise. Wofür sind diese Stoffe denn überhaupt da? Das ist ja jetzt mal ein ganz wichtiger Punkt. Wenn man weiß, dass der Wein, der nach dem 8. Dezember 2023 hergestellt wird, neuerdings Nährwerte und eben auch Zusatzstoffe ausweisen muss, das muss auf dem Etikett, auf dem Rückenetikett stehen.
Tobias
00:15:21
Ja, absolut. Das ist der springende Punkt. Deswegen erwähnen wir das mit den Zutaten und mit den Verarbeitungshilfsstoffen. Da geht es jetzt um das Thema Kennzeichnungspflicht. Denn alle Weinprodukte, die ab dem von dir genannten Stichtag im kommenden Dezember hergestellt werden, müssen wegen einer EU Richtlinie zur Verbraucheraufklärung, die schon von anderen Lebensmitteln bekannte Nährwerttabelle enthalten und zudem alle Zutaten aufweisen. Und Weinprodukte, das nur mal so ganz by the way, heißt nicht nur Wein selbst, sondern auch Schaumwein, natürlich, Perlwein, also der mit künstlich zugesetzter Kohlensäure. Entalkoholisierter Wein wird da auch nicht ausgespart. Und dann gibt es eben auch noch aromatisierte Weinerzeugnisse. Die sind alle betroffen. Und ja, ich kann dir eins sagen: Winzerinnen und Winzer sind mit diesem Thema gerade sehr, sehr beschäftigt, weil überleg mal, was diese Kennzeichnung für ein Aufwand sein wird. Jeder Wein eines Weinguts ist in jedem Weinjahr mit anderen Werten ausgestattet, also kann man auf jeden Fall von ausgehen. Also was heißt das? Du musst es auch jedes Jahr wieder neu anpassen.
Michael
00:16:31
Oh Gott, oh Gott. Und vor allen Dingen, jetzt muss auch noch daran denken, was jetzt mit der Neuregelung alles als kennzeichnungspflichtig gilt und daher auf dem Rückenetikett deklariert werden muss. Vorschrift, ja. Da frage ich jetzt mal ganz blöd: Passt das da überhaupt noch alles drauf?
Tobias
00:16:51
Ja, das fragen sich oder haben sich jetzt in Vergangenheit ganz, ganz viele Menschen natürlich gefragt. Da gibt es eine gute Nachricht. Und zwar, die heißt eigentlich einfach QR-Code. Die werden wir jetzt zukünftig auf vielen Weinflaschen auf dem Rückenetikett wahrscheinlich finden, denn es ist den Winzerinnen und Winzern erlaubt, durch den QR-Code auf eine im Netz befindliche Seite zu verlinken, wo dann eben diese ganzen Zutaten aufgeführt sind. Ob dem Verbraucher damit jetzt wirklich geholfen ist, das lasse ich jetzt mal diplomatisch dahingestellt. Aber so will es eben diese EU-Regelung.
Michael
00:17:31
Ja, ja, bei diesem Zweifel bin ich ganz bei dir. Also ich sage jetzt mal zum Beispiel die sogenannten Nährwertangaben jetzt. Klar, der Restzucker hat Kalorien, auch der Alkohol schlägt beim Brennwert zu Buche. Verstehe, ich ganz ehrlich. Aber so sehr ich Wein mag und Spirituosen natürlich auch, also so ein Spätburgunder aus der Pfalz oder so ein Sauvignon Blanc, das sind doch bei aller Begeisterung keine Grundnahrungsmittel. Die nehme ich doch in sehr geringen Mengen zu mir, ja? Also ich finde, da kann man die Kalorien-Kirche auch echt mal im Dorf lassen. Also ich sage das jetzt mal so salopp.
Tobias
00:18:13
Du darfst ja hier fast alles sagen, aber vielleicht hilft es jetzt auch unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, wenn wir noch mal zu den Fakten, also zu den neuen Vorgaben zurückkehren. Weil das ist ja wirklich was ganz, ganz Neues. Und am besten, würde ich sagen, ich steig da noch mal ein. Also deine Kalorien-Kirche, okay, alles klar, aber da gelten halt eben genau die gleichen Pflichtangaben, die wir bereits von anderen Lebensmitteln kennen. Also eine Nährwerttabelle mit Kohlenhydraten, mit Fett, mit gesättigten Fettsäuren, Zucker, Eiweiß und Salz pro 100 Milliliter. Ja, und in der Tabelle müssen diese Dinge dann eben auch nur ausgewiesen werden, wenn sie in einer gewissen Menge dann auch wirklich drin sind im Wein. Und ja, da bleibt realistisch betrachtet meist nur der Zucker übrig. Und auch der muss in der Nährwerttabelle nur mit der Grammzahl aufgeführt werden, wenn er 5 Gramm pro Liter übersteigt. Und das ist auch nicht bei allen trockenen Wein so der Fall. Aber Obacht, ja, es gibt dann auch ganz klar irgendwie noch mal eine Ausnahme. Ob QR-Code oder sonst irgendwas, der Brennwert und die Allergene, also zum Beispiel Sulfite, die müssen immer auf dem Etikett zu finden sein. Also QR-Code, Verlinkung usw. Gilt dann wirklich nur für die Zutaten.
Michael
00:19:34
Oh mein Gott, also da müsste ja auch noch draufstehen: Kann Spuren von Verwaltungsaufwand enthalten bei dem Ganzen. Aber nein, ich habe doch hier gelesen, warte mal, ich habe so einen Satz, habe ich mir extra aufgeschrieben. Hier, pass auf, man kann ja auch draufschreiben: enthält geringfügige Mengen von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker, Eiweiß und Salz. Habe ich das richtig gesagt?
Tobias
00:19:57
Ja, genau.
Michael
00:19:58
Damit du mit so einem Satz dann auch einfach fein raus bist.
Tobias
00:20:00
Ja, absolut. Damit diese Nährwerttabelle nicht so groß wird. Dadurch, dass, also zumindest, wenn auch vom Zucker unter 5 Gramm enthalten sind, reicht dann so ein Satz unter dieser dann sehr klein geratenen Nährwerttabelle aus. Ja, da geht es dann wirklich einfach auch um Platzsparen. Und ja, neben diesen Angaben der Nährwerte gibt es dann eben, wir haben es eben schon erwähnt, eben auch die Zutaten im Wein, angefangen bei logischerweise Trauben. Ja, das ist jetzt relativ wenig überraschend, ne? Und wenn nichts anderes im Wein enthalten ist, dann kann man sich diese Zutatenliste auch einfach sparen, weil beim Thema Wein, da sagen die, ja, da ist den Verbrauchern natürlich bekannt, dass das aus Trauben gemacht ist. Da musst du also gar nichts deklarieren. Aber das ist eben tatsächlich selten der Fall. Da müssen wir jetzt auch mal einfach realistisch sein und den Zuhörerinnen und Zuhörern die Augen öffnen. Denn meistens wird dann doch eben auch mit Zusatzstoffen gearbeitet, die im fertigen Wein auch verbleiben. Und die müssen jetzt eben unbedingt aufgeführt werden. Verbraucheraufklärung, wie gesagt, heißt das Thema. Ich gebe dir mal ein konkretes Beispiel. Das ist jetzt hier von einem Weißwein aus der Pfalz, sogar Bio zertifiziert. Die Nährwerte, ja, haben wir jetzt ja gelernt, was da stehen muss, die stehen daneben. Und dann kommt das Zutatenverzeichnis. Und dann steht da beispielsweise - Achtung - Trauben, ja okay, wenig überraschend, Saccharose, anscheinend wurde da dann noch mal mit Zucker auch nachgeholfen, Säureregulator, Weinsäure, ja, Stabilisator, Zitronensäure, Gummi arabicum, Konservierungsstoff und Antioxidantien, Sulfite und Ascorbinsäure, also Vitamin C. So, und das sind, sage ich mal, die Zutaten, die eben ausgewiesen werden müssen, weil sie im Wein verblieben sind. Und diese schon erwähnten Verarbeitungshilfsstoffe, und da ist die Auswahl, glaube ich, auch noch mal ein bisschen größer, ja, die müssen gar nicht deklariert werden, weil sie eben nicht im fertigen Wein verbleiben.
Michael
00:22:14
Okay, sie hinterlassen keine Spuren. Es ist ja wie bei der Kriminalistik hier. Ne, also gemeint, um das mal jetzt an der Stelle konkret zu machen, gemeint ist damit so was wie Bentonit und andere Klärmittel wie Gelatine, die aus Fischblase hergestellt wird, und was ja dann dazu führt, dass dieser Wein nicht mehr vegan sein kann. Aber das nur mal am Rande. Aber denken wir doch auch mal an Hefe und an Kupfersulfat. Das sind eben auch Verarbeitungshilfsstoffe. Da diese nicht ausgewiesen werden müssen, ist die Zutatenliste ja im Prinzip auch nur eine Teilzutatenliste, ja.
Tobias
00:22:53
Das stimmt. So wirklich alles kennt man nicht.
Michael
00:22:54
Also, welchen Effekt dann auch diese Angaben auf die Kaufentscheidung bei einem Wein haben, mag ich auch nicht so richtig beurteilen. Im Prinzip sage ich aber, gegen Transparenz kann man eigentlich gar nicht sein. Also gut. Und ich zum Beispiel freue mich ja immer, wenn ich Angaben über Restzucker eines Weines habe. Wobei das ehrlich gesagt jetzt weniger mit Gesundheitsbewusstsein zu tun hat und den Nährwertangaben als mit dem zu erwartenden Geschmack. Aber mal davon abgesehen: Was hältst du eigentlich davon, dass das Naturprodukt Wein so häufig korrigiert wird? Wenn man an die Mittelchen von oben denkt? Vor allem entsäuern oder auch säuern ist ja eine recht gängige Praxis.
Tobias
00:23:40
Ja, absolut. Und ja, ich sage mal so wenn man das Thema Wein jetzt ganz verträumt betrachtet, was ich ja auch gerne tue, ja, dann könnte man fast sagen, jede Korrektur ist eigentlich so was wie schummeln. Aber das ist Quatsch. Also zumindest, wenn die Winzerin oder der Winzer es halt eben nicht übertreiben. Also ich versuche es mal an einem Beispiel zu erklären. Genau, säuern. Also wenn ein Wein, besonders ein Weißwein, nur wenig Säure enthält, dann wirkt er schlapp am Gaumen, dann haben die keine richtige Spannung. Das haben wir in unserer Säure-Folge schon alles besprochen. In so einem Fall, finde ich, spricht eigentlich nichts dagegen, wenn man hier ein bisschen nachhilft. Denn selbst, wenn die zu geringe Säure zustande gekommen ist, weil der Winzer vielleicht den idealen Erntezeitpunkt verpasst hat, wie auch immer, das ist eigentlich egal, aber, und da habe ich eben schon was zu gesagt, nur wenn sich eben dann auch dieses Säuern in einem gewissen Rahmen bewegt, finde ich das okay. Denn zu viel zugesetzte Säure, die schmeckt man wirklich raus. Also finde ich zumindest. Man hat wirklich so das Gefühl, ja, als hättest du dir halt eben auch in dein Wasser ein bisschen Zitronensaft gekippt. Das wirkt nicht, ja, nicht echt, nicht wirklich integriert. Ja, aber wenn man hingegen nur ein bisschen Säure nachlegt, tut das dem Wein einfach gut. Warum sollte man das ablehnen? Und warum sollte der Winzer dann, sage ich mal, auch einen Wein in Kauf nehmen, mit dem er gar nicht so wirklich zufrieden ist?
Michael
00:25:08
Ja, das finde ich auch. Und es geht ja in den allermeisten Fällen nicht darum, einen schlecht geratenen Wein irgendwie aufpimpen zu wollen. Es geht eher um eine Art Abrunden eines schon fertigen Weins.
Tobias
00:25:22
Wie so eine Prise Salz auf dem Essen, sage ich mal?
Michael
00:25:25
Ja, ja, ja. Also schlimmer, ich persönlich finde es zum Beispiel deutlich schlimmer, wenn man mit speziellen Aromahefen arbeitet, die bei der alkoholischen Gärung ganz gezielt ihren aromatischen Einfluss, sage ich mal vorsichtig, ausüben. Da spielt dann letztendlich gar keine Rolle mehr, welche Rebsorte du hast, den Geschmack besorgt die Hefe. Ja, und das ist dann eben auch so ein Verarbeitungshilfsstoff, der gar nicht ausgewiesen werden muss.
Tobias
00:25:54
Wohl wahr, wohl wahr. Also deswegen ist halt eben auch so die Frage: Wie hilft diese Deklaration eigentlich wirklich weiter? Wie transparent macht sie das Ganze wirklich? Aber so oder so können wir festhalten, die Winzerinnen und Winzer, die können einem auf jeden Fall leidtun, denn die haben wirklich sehr, sehr viel Aufwand. Es ist allerdings noch ein bisschen hin auch für die, denn, das ist bei dieser Regelung ab dem 8. Dezember auch interessant, das betrifft alles nur Weine, die nach dem 8. Dezember 2023 hergestellt wurden. Und ja, ich sag mal, die Weine aus dem Jahr 2023 sind meistens schon hergestellt. Klingt jetzt erst mal so ein bisschen komisch, weil die meisten sind natürlich noch gar nicht auf dem Markt. Aber was heißt hergestellt? Hergestellt bedeutet in der Definition, auf die man sich geeinigt hat, dass ein Wein mindestens 7,5 % Alkohol enthalten muss, und zwar vor dem 8.12. Wenn das der Fall ist, dann muss er nicht mehr deklariert werden. Also das heißt mit anderen Worten, es betrifft eigentlich hauptsächlich die Weine aus dem Jahrgang 2024. Zumindest, wenn man jetzt bei so, ich sag mal, einem trockenen Qualitätswein bleibt. So was wie Eiswein ist dann noch mal was anderes. Der wird ja dann auch erst tatsächlich im neuen Jahr vinifiziert. Und dann gibt es dann wirklich auch noch so Stilblüten, die daraus entstehen. Denkt man an einen Champagner, der schlummert jetzt schon in seiner Flaschengärung, vielleicht sogar schon seit letztem Jahr, und da bleibt er jetzt aber auch noch 7 Jahre und reift auf der Hefe. Das ist ja durchaus üblich, teilweise sogar noch länger. Und dieser Champagner, der jetzt, sage ich mal, schon seit letztem Jahr im Keller ist und erst in 7 Jahren rauskommt, der muss nichts deklarieren, weil er ja schon vor diesem Datum als hergestellt galt. Wahnsinn.
Michael
00:27:56
Puh, jetzt haben wir uns wirklich alle Mühe gegeben, den doch recht komplizierten Sachverhalt halbwegs aufzuklären. Und ich glaube, es muss auch niemand davor Angst haben, was im Wein drin ist. Und andernfalls kann man ja immer noch Weine kaufen, bei denen wirklich nur Trauben drin sind.
Tobias
00:28:13
Genau so sehe ich das auch. Und ja, wenn euch gefallen hat, wie wir die heutige Folge umgesetzt haben, dann gebt uns doch bitte einen Like oder einen guten Kommentar auf den bekannten Podcast-Plattform. Und ja, dann auch noch ganz wichtig: Wenn ihr Fragen zu dem Thema habt oder auch zu anderen oder Anregungen oder was auch immer, dann schreibt uns doch bitte an Podcast@weinfreunde.de.
Michael
00:28:36
Guter Hinweis, Zumal die nächste Folge wieder auf eine Anregung aus dem Kreis der uns Lauschenden zurückgeht. Aber mehr will ich jetzt noch nicht verraten. Mir reicht es erst einmal, wenn du wieder mit Lust und Laune dabei bist, wenn es das nächste Mal heißt.
Tobias
00:28:53
Bei Anruf.
Michael
00:28:55
Wein.