Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Rhône-Reise: Weine, Winzer, Klimawandel

19.10.2021 25 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Ein ernstes Thema wie Klimawandel mit einer Reise in das sonnige Südfrankreich zu verbinden, erschien Michael und Tobias ein guter Plan zu sein. An der bereits in Folge 1 von „Bei Anruf Wein“ gepriesenen Côtes-du-Rhône treffen die beiden auf Winzerinnen und Weinmacher, mit denen sie über klimatische Veränderungen, Nachhaltigkeit und rauchende Heuballen im Weinberg sprechen. Zudem kommen in dieser Folge alle Spieler von Bullshit-Bingo auf ihre Kosten.

>> AUSWAHL VON ST. COSME WEINEN
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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:10
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. In dieser Folge sind Michael und ich ganz in unserem Element, denn wir durften nach Südfrankreich reisen und somit in eine unserer absoluten Lieblingsweinregionen an die Côtes du Rhône. Ihr erinnert euch vielleicht auch an unseren Bericht dazu in der allerersten Folge dieses Podcasts. Doch dieses Mal waren wir nicht nur wegen des guten Weines dort. Die großen und auch wirklich hochaktuellen Themen des Trips lauteten Klimawandel und Nachhaltigkeit. Im Folgenden berichten wir euch von unseren Erlebnissen und lassen dabei auch Winzerinnen und Winzer zu Wort kommen, die wir vor Ort getroffen haben. Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:00
Hallo Tobias, schön, dass du anrufst und ich hoffe, du bist wieder gut erholt von der Rückreise. Und ich freue mich umso mehr, dich jetzt zu einer ganz geruhsamen Therapiesitzung empfangen zu dürfen.
Tobias
00:01:11
Was? Was? Therapiesitzung? Was ist denn jetzt schon wieder los? Muss ich mich jetzt wegen eines Traumas auf die Couch legen, von dem ich noch gar nichts weiß?
Michael
00:01:19
Ja, du weißt schon davon. Und Trauma? Ne, keine Sorge. Denn tatsächlich, das müssen wir ja unseren Zuhörerinnen und Zuhörern jetzt mal sagen wir haben ja eher traumhafte als traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.
Tobias
00:01:33
Allerdings.
Michael
00:01:33
Noch mal unter uns: Waren das nicht fantastische Tage, die wir jetzt an der südlichen Rhône verbracht haben? Endlich wieder zurück in unserem Weinwohnzimmer.
Tobias
00:01:42
Ja, allerdings. Also ich schwelge noch in Erinnerungen und es hat sich wirklich ein bisschen angefühlt, wie nach Hause zu kommen. Und da muss man ja dazu sagen, wir hatten ja auch noch das Glück, quasi mitten in der Weinlese da zu sein. Und das auch nur, weil die dieses Jahr vergleichsweise spät begonnen hat. Und insofern war das auch gut, weil das Wetter mitgespielt hat. Wir hatten wirklich Sonnenschein, das war für uns toll. Das war aber natürlich auch für die Winzer bei der Ernte super gut. Und ja, wir haben von Gigondas bis Tavel, von Lirac bis Rasteau viele Winzerinnen und Weinmacher getroffen. Ich finde, wir haben wieder extrem viel dazugelernt. Wir haben natürlich wunderbare Weine verkostet und wir haben wieder sehr, sehr lecker gegessen. Also für mich ist Trauma das absolute Gegenteil. Von daher erklär mir das jetzt mal.
Michael
00:02:32
Ja, ich habe jetzt noch so einen bösen Hintergrundhammer, denn natürlich war das Trauma jetzt nicht auf unsere tollen Tage an der Rhône bezogen, sondern Trauma war für mich eher so die Erfahrung aus den Gesprächen mit den Winzerinnen und Winzern zum Thema Klima und Klimawandel und das, was sie dort erleben, was sich in den vergangenen Jahren wahrnehmbar verändert hat. Und wir wissen das ganze Thema Klimawandel in der großen Weinwelt wird dauernd diskutiert, aber in solchen warmen Regionen wie an der Rhöne ist es auch noch mal eine problematische Frage. Die haben zu kämpfen mit ganz konkreten Entscheidungen. Und die Gelegenheit war dann günstig, in Anführungszeichen, als wir dort waren, und das Thema hat sich aufgedrängt, einfach mal mit diesen Menschen zu sprechen, die mit dem Wein zu tun haben. Was hat sich verändert in den vergangenen 10, 15 Jahren? Was war an diesem Jahr zum Beispiel so besonders oder nicht besonders? Und dann landen wir schon bei traumatischen Erlebnissen.
Tobias
00:03:34
Ja, das kann man wahrscheinlich tatsächlich so sagen. Ja, das war wirklich spannend, hochaktuell. Und mich hat ja wirklich auch gefreut, dass Menschen, die wir dort getroffen haben, die im Weinberg stehen, eine ganz klare Haltung zum Thema Klimawandel haben. Also ein Klimawandelleugner wirst du da einfach nicht finden, ja. Ich erinnere dich dann nur an Anthony Taylor, diesem Mitbesitzer der Maison Gabriel Meffre in Gigondas. Der nahm da kein Blatt vor den Mund. Ja, der fand extrem klare Worte zum Thema Klimawandel.
Anthony
00:04:07
Look at the weather this year in Germany and all the desasters, that have happen, which are not common. It's hard to deny that there is not something happening with climate...
Tobias
00:04:17
Anthony berichtete zum Beispiel, dass die Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei.
Anthony
00:04:24
There's a substancial increase in temperature overall on an average scale which you can't deny, it's happening and of course in wine making, we're seeing it particularly...
Tobias
00:04:32
Deshalb laufe die Reife jetzt immer schneller ab, und die Lese müsse immer früher begonnen werden. Ja, nur dieses Jahr, wir hatten es ja gerade schon angesprochen, war ein besonderes, denn es war eigentlich so ein Jahr, wie man das von früher noch kannte, aus den 80er-Jahren oder auch sogar davor. Und so ist das, was irgendwann mal normal war, nun plötzlich die Ausnahme von der neuen Regel in Sachen Klima. Das ist schon verrückt.
Michael
00:05:07
Das ist verrückt. Aber es ist auch so ein bisschen bedrückend, weil ich erinnere mich noch an unser Gespräch mit dem Weinmacher von der Domaine de Mourchon in Séguret war das, Wie hieß er noch? Warte mal, ich muss mal gucken. Ich habe das vergessen. Hier. Sebastian Magnouac. Ich hoffe, ich spreche das richtig aus, weil der Herr hatte einen südfranzösischen Akzent.
Tobias
00:05:27
Ja, weiß ich auch nicht.
Michael
00:05:28
Da hatte ich Schwierigkeiten zu folgen. Egal, aber ich war total beeindruckt, als er dann irgendwie an konkreten Monatsdaten uns benannte, was die Veränderung von heute 2020, 2021 im Vergleich zu 2010 ist.
Sebastian
00:05:46
Climatique, eh, eh, sur, sur les 20 dernières années...
Tobias
00:05:49
Ja, und Sebastian spricht immerhin von fast einem Monat Unterschied beim Start der Lese. Ja, das musst du dir mal vorstellen.
Sebastian
00:05:58
Septembre et on finissait en Octobre...
Tobias
00:06:00
Früher hat man mit der Ernte so im, ja, letzten Septemberdrittel begonnen. Das zog sich dann häufig eben bis Anfang Oktober hin. Doch seit 2010 hat sich das einfach massiv verändert und die Lese startet eigentlich immer schon so Ende August. Ja, warum? Weil die Trauben einfach reif sind. Die müssen dann geerntet werden und ich finde, das macht das Thema Klimaveränderung extrem anschaulich.
Michael
00:06:28
Ja, also das heißt also, reif ist nicht reif, muss man ja einfach mal sagen. Und so jemand wie der Sebastian, der muss das wissen. Der macht seit 20 Jahren, macht er diesen Job als Weinmacher bei Mourchon. Der hat diese ganzen Veränderungen, diese kleinen Verschiebungen, die sich aufaddieren, quasi hautnah miterlebt. Und das muss man den Zuhörerinnen und Zuhörern hier einfach noch mal vermitteln. Es gibt keinen, der näher an den Reben, an den Trauben ist, als der Weinmacher, der auf den Lesezeitpunkt wartet. Der schläft quasi dort. Ja, der hängt mit den Reben dort ab. Und das muss man dann einfach jetzt mal ernst nehmen an der Stelle, wenn er das so ausdrücklich betont.
Tobias
00:07:10
Ja, und jetzt möchte ich kurz noch mal Bezug darauf nehmen, was du gerade anfangs sagtest, nämlich Reife ist nicht gleich Reife. Ja, das kennen wir ja beispielsweise auch von den Winzern, die in der glücklichen Situation sind, auch Rebflächen etwas höher zu haben. Ja, da reift nämlich alles ein bisschen langsamer. Da sind die Unterschiede zwischen Tag und Nacht, sind größer als unten in den Tallagen. Und das sind sehr gute Voraussetzungen eben für das Ausbilden von Aromen, aber auch dafür, dass die Säure in den Beeren bewahrt bleibt. Und nochmal zeig das aber auch, Reife ist nicht gleich Reife. Es hat nicht nur was mit dem Zuckergehalt in den Beeren zu tun, es gibt ja auch noch Tannine. Tannine, das sind diese Gerbstoffe, die einem im Mund teilweise dann so ein etwas pelziges, raues Gefühl geben, und die finden sich in Schalen und Kernen. Die müssen aber auch reif werden und das machen die nicht sozusagen parallel zu dem Zucker, also der eigentlichen Reife, sondern da, bei Schale und Kern, spricht man von einer phenolischen Reife. Und die kann man wirklich nur erlangen, wenn die Vegetationsperiode möglichst lang ist. Was heißt das jetzt konkret? Die Problematik ist für so einen Winzer an der südlichen Rhône häufig, ja, der Zuckergehalt in den Beeren ist so hoch, dass er eigentlich ernten muss. Du erinnerst dich ja an unsere Folge zum Thema, Zucker wird auch in Alkohol umgewandelt. Aber, wenn die Schalen und Kerne dann noch nicht reif sind, dann bringen die unweigerlich eine Bitternote in den Wein, so sogenannte grüne Noten. Und das möchte wirklich niemand haben.
Michael
00:08:51
Nee, ich auch nicht. Aber man muss auf der anderen Seite auch fairerweise sagen: Höhenlage ja, hat Anthony ganz toll betont, ist ein wichtiges Ding. Aber der hat auch gut reden, weißt du? Der sitzt mit seinen Rebflächen in der Appellation Gigondas, die haben eh Höhenlagen. So nennen die sich ja dann auch. Und wenn ich dann aber in der Ebene Hänge, also zum Beispiel Plan de Dieu oder Rasteau, ja, dann habe ich ja gar nicht die Chance, in die Höhe zu gehen. Und man muss auch dazu sagen, in der Höhe gehen sie jetzt ja sogar so weit, dass sie diese Rebflächen schon mit Nordwestausrichtung anlegen, also die Sonne meiden. Das ist ein Paradigma, was wir früher im Weinbau so nicht gekannt haben.
Anthony
00:09:35
Everyone here is trying to find solutions to continue to make wine of course.
Michael
00:09:41
So, aber ich, ich möchte mich jetzt wieder beruhigen. Nur eins kann man ja festhalten: In die Höhe auszuweichen ist eben nicht überall möglich und daher auch keine allgemeingültige Strategie, in so südlichen Weinregionen mit Klimawandel umzugehen. Leider nicht. Aber wir haben ja noch mal nachgefragt, Was kann man denn noch so machen?
Tobias
00:10:02
Ja, genau. Wir wollten nämlich zum Beispiel wissen: Kann man nicht auch mit anderen, mit neuen Rebsorten experimentieren? Wir kennen das so ein bisschen aus dem Languedoc, da ist Marselan momentan als rote Rebsorte sehr populär, weil die eben mit Hitzestress extrem gut umgehen kann. Und na ja, wir haben da bei unseren Fragen unterschiedliche Antworten bekommen. Der Anthony Taylor, der sagte, ja, das kann er sich durchaus vorstellen, der Sebastian, ja, er war ein bisschen zurückhaltend und hat gesagt, na ja, also da müsste man dann vielleicht auch noch andere Rebsorten finden als Marselan. Ja, hören wir mal rein.
Sebastian
00:10:40
Plus adapté eu que, que le Marselan maintenant.
Tobias
00:10:44
Ja, und natürlich kann man immer noch ein bisschen an dem Lesezeitpunkt drehen. Aber auch da gibt es Grenzen. Ich habe es ja gerade gesagt, phenolische Reife muss halt eben da sein. Und ja, man kann natürlich auch noch so den ein oder anderen Kniff dann im Weinberg anwenden. Wir haben beispielsweise die Geschichte gehört, man kann ein bisschen das Blattwerk so bearbeiten, dass das eigentlich wie so eine Art Sonnenschirm für die Trauben wirkt und dadurch eben die Beeren nicht so sehr bestrahlt werden.
Michael
00:11:13
Ja, aber vielleicht heißt ja da von Winzerinnen und von Winzern lernen, heißt siegen lernen. Was den Klimawandel betrifft. Die Aussage ist ja ganz klar, es gibt viele kleine Maßnahmen, mit denen man dagegen arbeiten kann. Und es gibt keine große, tolle Lösung. Und wir müssen reagieren. Es geht nicht darum, wie wir reagieren können. Wir müssen reagieren, um unsere tollen Weine einfach zu retten. Und genauso deutlich hat ja dann auch Louis Barruol von Château de Saint Cosme dafür Worte gefunden. Das fand ich auch noch mal sehr eindrucksvoll.
Louis
00:11:49
Try to have an action on, ah, many different details and you might, you might have a solution.
Michael
00:11:57
So, eindrucksvoll habe ich ja eben schon gesagt, das stimmt. Aber eine Frage bleibt ja jetzt irgendwie offen für mich. Es geht ja jetzt darum, auch zu fragen Hilft es zum Beispiel biologisch oder biodynamischen Weinanbau zu betreiben, wenn man mit dem Klimawandel umgehen will? Ist das eine adäquate Strategie, um ins Bessere zu kommen?
Tobias
00:12:22
Ja, richtig.
Michael
00:12:23
Wir haben ja zum Beispiel, erinnere dich, ganz am Anfang waren wir beim Weingut Montirius. Die haben uns so eine Geschichte erzählt, in der sie klar machen wollten, was der Vorteil des biodynamischen Anbaus ist. Wir waren auch bei der Domaine des Carabiniers, die auch biodynamisch arbeiten.
Tobias
00:12:42
Tütü, tütü-tütü.
Michael
00:12:44
Genau diese, wirklich aus Italien. Aber das ist eine andere Geschichte. Gut, wir brauchen keine Klimapolizei. Aber noch mal, wir haben lange mit denen gesprochen. Und was haben wir von denen erfahren?
Tobias
00:12:54
Ja, das war in der Tat spannend. Vielleicht vorausgeschickt ja, wir haben ja auch schon 2 Folgen über Bio und biodynamischen Weinbau gemacht. Da sollte man durchaus mal reinhören. Aber genau Montirius, da die, Christine Saurel hieß sie, sie erzählte, dass durch den biodynamischen Weinbau und die Maßnahmen einfach die Reben tiefer in die Erde wurzelten und dadurch eben auch unabhängiger von Niederschlägen seien und in Folge wiederum auch Hitzeperioden besser überständen. Das fand ich schon irgendwie ziemlich logisch. Und ähnlich war das ja auch bei Fabien Leperchois von der Domaine des Carabinier.
Christian
00:13:34
Donc la biodynamie cette année nous a apporté beaucoup de choses dans le sens où ça a été une année avec un gel tardif.
Tobias
00:13:43
Er spricht davon, wie er mit der Dynamisierung des Bodens und seiner Reben dafür sorgt, dass sich die Rebstöcke schneller und besser regenerieren. Also das heißt, das sind diese biodynamischen, homöopathischen Maßnahmen, die dafür sorgen, dass wirklich viel Energie wieder durch Erde und Pflanze fließt. Und das hat ihm in diesem Jahr nach diesen schweren Frösten wirklich viel gebracht. Und die gab es ja nicht nur in Lirac und Tavel, die haben überall, auch hier in Deutschland, ordentlich Schaden angerichtet. Und da fand ich auch noch mal besonders knifflig diesen Strohballen-Trick, von dem er uns erzählt hat. Erinnerst du dich noch?
Michael
00:14:22
Ja, ja, das fand ich auch sehr beeindruckend. Aber noch mal zu den Frösten. Wir kennen das aus dem Burgund, dann stellen die da ihre Feuerchen auf. Aber in diesem Jahr hatten wir an der südlichen Rhône Fröste, wir hatten sogar im Languedoc Fröste. So viel noch mal zum Klimawandel und so viel auch noch mal zu der Dringlichkeit, sich darüber Gedanken zu machen. Aber jetzt zu deinem Strohballen-Trick.
Tobias
00:14:41
Ich glaube, die hatten im Languedoc sogar Schnee, oder?
Michael
00:14:44
Ja, ja, ja, also es spielt verrückt. Und auf der anderen Seite erklären sie dann, das war wie vor 20 Jahren. Also wir sind gerade, es läuft gerade alles ein bisschen unrund und ich glaube, das ist auch so eine schöne Umschreibung. Und die armen Winzerinnen und Winzer, die müssen eben damit klarkommen, die müssen ja jedes Jahr neu reagieren. Und das mit den Strohballen, das fand ich jetzt auch, das war so ein kleines Highlight für mich, weil er hat ja erzählt, ja, der Frost hat ihm nicht viel ausgemacht, er hat auch nicht viel verloren und er hat auch super Trauben jetzt da hängen. Woran liegt das? Er hat gesagt, als die Fröste da waren, hat er einfach Strohballen genommen und hat die verschwelen lassen. Also nicht einfach verbrannt, sondern verqualmen lassen, sage ich jetzt mal. Und dieser viele Rauch hat dann dafür gesorgt, dass die eigentlich schon von Eis umgebenen Trauben, und dieses Eis schützt dann die Trauben, es tut ihnen nicht weh, dieser viele Rauch hat dafür gesorgt, dass die Sonne nicht diese Schutzschicht auflöst und die deutlich kältere Lufttemperatur, ich glaube, wir reden da über 7, 8, 9 Grad minus, dafür sorgt, dass die kompletten Trauben einfach erfrieren. Das hat super funktioniert und er hat ja auch ganz schnell Nachahmer gefunden.
Tobias
00:15:58
Ja, Nachahmer ist ein gutes Stichwort, denn Strohballen, die erst 1 € pro Stück kosteten, die waren dann in der Folgewoche direkt 2 € teurer. Und zudem hat er erzählt...
Michael
00:16:09
Angebot und Nachfrage.
Tobias
00:16:10
Ja, allerdings und zudem hat er erzählt, der Rauch, der zog sogar bis Châteauneuf-du-Pape und war noch in Avignon zu sehen. Also ich glaube zwar nicht, dass der Flugverkehr auch betroffen war, aber das war schon wirklich eine ziemlich eindrucksvolle Geschichte.
Michael
00:16:26
Ja, da geht ja so ein bisschen mein Redakteursherz auf und ich könnte jetzt sagen, Biodynamie macht Dampf. Aber ganz ehrlich, noch mal gefragt, wir müssen ja auch so ein bisschen kritisch zumindest bleiben bei unserer ganzen Begeisterung für die Leute, die wir getroffen haben, für diese tolle Weinregion. Ist das jetzt wirklich eine ausdrücklich biodynamische Idee, diese Strohballen verschwelen zu lassen? Oder noch mal genereller gefragt: Hilft es, biodynamisch oder biologisch Weinbau zu betreiben, wenn man mit Klimawandel umgehen muss? Ich betone das Muss noch mal. Und jetzt noch mal so ein bisschen Ketzer nebenbei. Was heißt denn dann eigentlich Bio? Biodynamisch, haben wir gelernt. Aber was heißt denn dann eigentlich das Label nachhaltig?
Tobias
00:17:13
Ja, das ist noch mal ein sehr, sehr gutes Stichwort. Also erst mal vielleicht, ich glaube ja schon daran, dass biodynamischer Weinbau oder auch biologischer Weinbau mehr Antworten bereithält in Sachen Klimawandel als konventioneller. Und da hilft dann irgendwie so ein Label wie nachhaltig, Nachhaltigkeit aus meiner Sicht relativ wenig. Wir haben Initiativen kennengelernt wie diese Vignerons Engagés. Da haben wir von Rhonéa, aber auch bei der Maison Brotte von erfahren und da ging es immer um HEV, also High Environmental Value. Und das hört sich jetzt erstmal nach Umwelt an, aber es ist eher so ein Ansatz, der auf die sogenannte Corporate Social Responsibility einzahlt, also das heißt, auch auf die Verantwortung für Ressourcen wie Mitarbeiter oder jetzt in so einem Fall Genossenschaftsmitglieder und deren Familien, also nicht nur Umwelt. Das hört sich zwar dann erst mal gut an, aber das heißt jetzt nicht gleichzeitig, dass da auch weniger Chemie auf einmal im Spiel ist. Ja, und von daher, wie gesagt, ich finde das so ein bisschen halbherzig. Und da sind natürlich die Winzer, die jetzt AB, also sprich, biologisch zertifiziert sind, erst recht dieser Meinung, geschweige denn, wenn sie biodynamisch zertifiziert sind. Ja, Louis Barruol vom Château Saint Cosme, erinnerst dich, der fand da sehr klare Worte.
Louis
00:18:38
I'm sorry to say that, this is bullshit. To make it short: they say we will use a little bit less of this chemical products, but they still use them. I think this is a big lie to the consumers.
Michael
00:18:53
Ja, mir gefällt das ja, wenn jemand so deutliche Worte findet. Und mir gefällt es, wenn jemand so eine klare Position hat. Und noch mehr natürlich, wie in dem Fall von Louis Barruol, wenn der auch wirklich so agiert und so handelt. Aber, muss ich mich jetzt doch noch mal auf die Seite der Genossenschaften dann zurückschlagen. Es ist natürlich eine andere Aufgabe, ob ich mein eigenes überschaubares Weingut auf Bio-Kurs bringe, ja, oder aber eine Genossenschaft, die 400 Mitgliederfamilien zählt, die zu den größten Erzeugern der Region überhaupt zählt, die aber auch, das muss man ja anhand der Punktewertung und Sonstigem einfach sagen, qualitativ tolle Weine macht. Ja, das ist ein Unterschied, wenn ich das umsetzen will und wenn ich darauf reagieren will. Und bei so einer Genossenschaft, da muss man ungeheuer viele Menschen mitnehmen, Man muss sie überzeugen, man muss ihnen auch konkrete Hilfe anbieten, man muss sie weiterbilden, man muss sie mit Rat und Tat begleiten. Wenn zum Beispiel so eine, so eine Frostgeschichte plötzlich einfällt. Und da denke ich mir, bei aller berechtigter Kritik, ich verstehe dich und ich, je mehr ich die Leute treffe, desto mehr bin ich auch Bio und biodynamisch. Aber CSR kann einfach ein Einstieg sein, wenn man ganz viele mitnehmen will. Und das ist nun mal die Aufgabe von so einer Genossenschaft.
Clément
00:20:16
Oui, bien sûr. C'est donc notre approche. C'est 400 vignerons, c'est 400 familles. Généralement, on a trois générations.
Michael
00:20:24
Und ganz schön, finde ich, hat jetzt auch noch mal Clémence Gros, die haben wir bei Rhonéa getroffen, genau diese Philosophie auf den Punkt gebracht. Den kann man jetzt kritisieren oder man kann ihn einfach mögen, den Punkt. Aber er ist ein Punkt. Und da hieß es ja, alleine sei man zwar schneller. Doch zusammen komme man weiter und man sei stärker.
Clément
00:20:48
Il y a un changement dans la mentalité des gens et l'avenir, c'est quand même la coopération ensemble. Enfin, tout seul, on va peut être plus vite, mais ensemble, on va plus loin, on est plus fort.
Michael
00:20:58
Und ganz ehrlich, da geht mir ja mein altes Herz dann auf. Das hat was. Also daran zu denken, dass man viele mitnimmt. Da muss man am Anfang vielleicht Kompromisse machen. Und deshalb bin ich da gar nicht so kritisch. Und noch mal jetzt an deine Richtung appelliert: Wenn wir mit dem VDP sprechen in Deutschland, ein Bekenntnis, das mehr sagt als „wir wollen alle nachhaltig sein", gibt es da auch nicht.
Tobias
00:21:24
Ja, das ist natürlich auch wieder wahr. Ja, und ich meine, klar. Man muss jetzt sagen, für uns ist es jetzt nicht irgendwie die Aufgabe zu sagen, was ist da jetzt falsch, was ist da richtig? Ich konnte jetzt den Punkt bezüglich der Genossenschaft und dass das dort ein viel komplexeres Thema ist, extrem gut nachvollziehen. Und das ist ja im Übrigen auch das Argument vom VDP, ja, da alle wirklich unter einen Hut zu bekommen. Aber davon mal ganz abhängig, glaube ich einfach persönlich, dass eine möglichst naturnahe Herstellung von Wein einfach, ja, besser ist als konventionelle Herstellung. Es ist ja relativ einfach eigentlich auch, zu dieser Erkenntnis zu kommen. Und ich glaube halt eben auch, dass sich das auf die Weinqualität ganz klar auswirkt. Ja, und in dem Sinne ist meine Vermutung schon auch, dass eben Bio-, biodynamische Winzer bessere Antworten auf das Thema Klimawandel finden. Weil die Antworten sind auf jeden Fall nicht chemischer Natur.
Michael
00:22:23
Genau das glaube ich auch. Also auf den Punkt können wir uns alle mal einigen. Und noch was an dieser Stelle: Wir reden immer so ganz abstrakt über Klimawandel Und was können wir tun. Wenn wir über Weine reden, da kriegen wir jedes Jahr einen neuen Beleg dafür, was Klimawandel mit uns anstellt. Und ich finde es total spannend, Leute zu begleiten, die damit zu tun haben, die Lösungen suchen, ja, die irgendwie uns etwas bieten wollen, was uns gefällt angesichts sich drastisch verändernder Umstände.
Tobias
00:22:56
Ja, und in dem Zusammenhang will ich aber jetzt auch einfach noch mal loswerden, wie toll es einfach war, dort unten unterwegs zu sein, sich mit diesem durchaus ernsten Thema zu beschäftigen. Aber halt eben auch zu sehen, dass da so viele Menschen versuchen, ja, mit umzugehen und irgendwelche neuen Möglichkeiten zu finden, die Situation zu verbessern oder sich darauf einzustellen. Das war wirklich eine sehr, sehr tolle Erfahrung. Und natürlich war es auch wieder eine tolle Erfahrung mit dir, endlich mal wieder unterwegs gewesen zu sein.
Michael
00:23:28
Danke, das tut mir jetzt gut. Und tatsächlich, ich habe jetzt, können wir ja am Rande nur erwähnen, ich habe mir eine ordentliche Grippe danach eingefangen, weil ich ja anderthalb Jahre hier in Quarantäne gelebt habe und plötzlich wieder auch real lebende Menschen getroffen habe. Aber genau darum geht es. Und das ist jetzt auch noch mal so ein Appell von mir. Ich würde gerne von unseren Zuhörerinnen und Zuhörern wissen: Gefällt es euch, wenn wir diesen Menschen auf die Pelle rücken, wenn wir nachfragen, wenn wir versuchen, ganz konkret vor Ort in Erfahrung zu bringen, was tut sich da? Ist euch das schon zu abgehoben? Oder ist es eigentlich ein ganz wichtiges Thema, weil wir als Konsumenten ja auch mit darüber entscheiden?
Tobias
00:24:08
Ja, genau, das ist eine sehr, sehr gute Fragestellung und schreibt uns doch einfach. Ja, die E-Mail-Adresse ist podcast@weinfreunde.de. Das mit dem „Lieben Michael" kennt ihr ja sicher schon. Und endlich fällt mir jetzt auch noch ein, was ich schon immer dazu sagen wollte in dem Podcast: Wenn ihr Bei Anruf Wein über Spotify, über Apple Podcasts hört, dann abonniert uns doch bitte, und dort, wo es möglich ist, hinterlasst doch bitte auch eine Bewertung für den Podcast oder eben eine konkrete Folge. Das würde uns auf jeden Fall sehr, sehr freuen.
Michael
00:24:43
Ja, und jetzt bleibt natürlich das noch übrig, was immer übrig bleibt an dieser Stelle, unser toller Abbinder. Und zwar wechseln wir den heute und wir tauschen einfach mal die Rollen. Bist du einverstanden, Tobias?
Tobias
00:24:54
Ja, machen wir gerne.
Michael
00:24:56
Dieses Mal freue ich mich nämlich, wenn es das nächste Mal wieder heißt: Bei Anruf
Tobias
00:25:02
Wein.