Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Riesling: der beste Weißwein der Welt?

21.09.2021 23 min

Zusammenfassung & Show Notes

Riesling ist das Sinnbild deutscher Weinkultur. Das Qualitätsniveau der Weine und die Anzahl der Riesling-Winzer ist nirgendwo auf der Welt so hoch wie in Deutschland. Dennoch gibt es – vor allem im eigenen Land – viele Skeptiker. Zu süß oder zu sauer seien die Weine. Michael und Tobias sind bekennende Riesling-Fans und liefern wertvolle Hintergründe, um den Reiz der Rebsorte besser zu verstehen. Mit von der Partie: Roman Niewodniczanski vom VDP-Weingut Van Volxem an der Saar. Ein wahrer Experte der Materie. Er berichtet Tobias bei einem Besuch vor Ort noch mehr über den Riesling – insbesondere über seine glanzvolle Zeit in den 1920er- und 1930er-Jahren.

>> AUSWAHL VON RIESLING WEINEN

>> WEINFREUNDE PODCAST HOMEPAGE


Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:11
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Riesling gilt als Königin aller Rebsorten und in Deutschland entstehen daraus die besten Exemplare. Davon sind auch internationale Weinkritiker überzeugt. Im eigenen Land gibt es trotzdem noch viele Riesling-Skeptiker. Dem einen sind die Weine zu süß, dem anderen zu sauer. Da heißt es für Michael und mich ganz klar: Wir müssen reden. Und für zusätzliches Know-how zum Thema habe ich in Vorbereitung auf diese Folge Roman Niewodniczanski vom Weingut Van Volxem an der Saar besucht. Er ist echter Rieslingexperte und so habe ich für Michael und euch interessante O-Töne mit im Gepäck. Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:05
Hm, hallo Tobias, da erwischte mich jetzt. Mein liebster Reisender in Sachen Wein, du bist zurückgekehrt. Du warst ja an der Saar oder doch an der Mosel, wie man heute sagt, dann wird ja diese Folge über Riesling für dich ein klares Heimspiel, oder?
Tobias
00:01:20
Ja, das hoffe ich doch. Also bei Van Volxem in diesem Verkostungsraum, in diesem neuen, zu sitzen und aus diesen gigantischen Panoramafenstern auf die Weinberge zu schauen, das war auf jeden Fall ein Erlebnis. Also ein Besuch dort kann ich allen Zuhörerinnen und Zuhörern nur wärmstens empfehlen. Und du hast recht, Früher hieß das Anbaugebiet ja Mosel-Saar-Ruwer und heute nur noch Mosel. Eigentlich schade für die Winzer aus den 2 anderen Gebieten.
Michael
00:01:47
Riesling, dir ist schon klar, dass wir uns da an ein deutsches Nationalheiligtum wagen? Ja, der Riesling ist doch Weindeutschland schlechthin. Das ist, wie heißt es immer so schön, unsere Königin der Reben, das Aushängeschild unserer Weinkultur. Und das dürfen wir jetzt an der Stelle nicht vergessen, mitunter ja ein verschreckend nerdig behandeltes Thema.
Tobias
00:02:11
Ja, also das ist absolut so, da bekommt man schon fast Angst, überhaupt über das Thema Riesling zu sprechen. Vor allem, weil einige es da auch wirklich ein bisschen übertreiben. Aber ich glaube, wir machen das jetzt einfach mal ganz locker.
Michael
00:02:24
Jupp, das machen wir jetzt wirklich. Also, wenn man jetzt über Riesling spricht, hört man immer wieder von den einen, er sei zu süß, und andere sagen, sie mögen keinen Riesling, weil er angeblich zu viel Säure hat. Ist unser Riesling wirklich so ein Fiesling? Und was ist er denn nun? Zu süß oder zu sauer?
Tobias
00:02:44
Ja, natürlich weder noch, ja? Es zeichnet die Rebsorte Riesling geradezu aus, dass sie sowohl tolle Fruchtaromen als auch eine lebendige Säure mitbringt, die dann mit der Restsüße wunderbar korrespondieren kann. Ja, also Stichwort Auslese oder gar Trockenbeerenauslese. Aber ich denke auch an ein Großes Gewächs. Ja, also ein Riesling, der per Definition trocken sein muss. Und der gehört ganz klar zur internationalen Crème de la Crème.
Michael
00:03:12
Internationale Crème de la Crème. Das hast du echt schön gesagt. Ich habe aber tatsächlich auch das Gefühl, dass jetzt deutscher Riesling eigentlich im Ausland besser ankommt als hier bei uns. Das Image scheint immer noch so ein bisschen überschattet von dieser „Masse statt Klasse"-Politik, die es ja in den vorangegangenen Jahrzehnten gegeben hat, und vielleicht muss man sich da ein neues Vertrauen aufbauen.
Tobias
00:03:35
Ja, ich glaube auch, ja. Und den Glykolskandal, den hast du ja jetzt noch nicht mal erwähnt. Aber das ist alles Geschichte aus meiner Sicht, ja. Also denk nur mal an die britische Weininstanz Jancis Robinson. Sie meint nämlich, Riesling sei schlichtweg die beste Weißweinsorte der Welt und deutsche Rieslinge seien wiederum die besten ihrer Art. Also was sagt sie eigentlich? Dass in Deutschland der beste Weißwein überhaupt entsteht. Und das ist schon ein Pfund. Ich würde das jetzt vielleicht nicht ganz so bedingungslos unterschreiben, weil für mich gehört da mit Sicherheit auch noch Chardonnay aus dem Burgund mit dazu. Aber immerhin, das ist doch mal eine Aussage.
Michael
00:04:14
Hui, hui, hui, schau an, schau an! Der Weinlakai auf Augenhöhe mit Jancis Robinson, Das ist doch toll. Aber du hast ja eben das Image schon angesprochen. Vor gut 100 Jahren galten deutsche Rieslinge als mit das Beste, Feinste, Edelste in der ganzen Weinwelt. Und man muss ja jetzt auch mal endlich die Katze aus dem Sack lassen. Das war ja auch ein Grund, warum du zu Van Volxem an die Saar gefahren bist.
Tobias
00:04:38
Richtig.
Michael
00:04:38
Genau über diese Zeit wolltest du so ein bisschen mehr herausfinden und auch tatsächlich anfassen.
Tobias
00:04:43
Ja, absolut. Ja, und da habe ich mit dem Eigentümer Roman Niewodniczanski gesprochen. Ein ganz sympathischer, eloquenter und sehr schnell sprechender Wein-Enthusiast. Er hat mir nicht nur seine alten historischen Weinkarten präsentiert, sondern mir auch etwas zum Thema Süße-Säure-Vorurteil erzählt. Und das fand ich ziemlich hintersinnig. Hör mal rein hier.
Roman
00:05:09
Ich hatte eine sehr kluge polnische Großmutter, die sagte immer, dass Vorurteile sehr wertvoll sind. Sie helfen, die Vielfalt und die Komplexität der Welt zu verstehen und einzuordnen, aber man muss sie regelmäßig überprüfen.
Michael
00:05:19
Also so eine polnische Großmutter habe ich nicht, aber ich finde das sehr treffend, die Formulierung, muss ich ehrlich sagen. Aber dennoch, man kann es ja nicht abtun. Einige Menschen haben so Probleme mit dieser Säure und machen den guten Riesling sogar für ihr Sodbrennen dann verantwortlich. Bei allen orientierungsstiftenden Vorurteilen, mal ganz ehrlich: Unser Riesling ist doch kein Schwerenöter!
Tobias
00:05:43
Nein, ganz im Gegenteil. Ja, in dem Gespräch hat Roman mehrfach darauf hingewiesen, dass Riesling eher für Bekömmlichkeit steht, eben weil er so schlank daherkommt, so wunderbar belebend mit seiner Säure wirkt und, nicht zu vergessen, auch noch mit vergleichsweise geringem Alkohol punktet. Also überschaubare 11 % sind bei einem Riesling ja keine Seltenheit. Ja, und dann hat der Wein selbst trocken ausgebaut zwar noch etwas Restsüße, doch die merkst du dem Wein eben wegen der guten Säure überhaupt nicht an. Und das Thema kennst du ja schon, das hatten wir ja auch schon in unserer Trocken-Feinherb-etc.-Folge.
Michael
00:06:21
Das stimmt und ich habe ganz doll aufgepasst, aber dennoch assoziiere ich jetzt persönlich mit Riesling tatsächlich eher Säure als Süße. Und es scheint auch historisch betrachtet so zu sein. Ich weiß ja nicht, ob du wusstest, dass zum Beispiel der nordspanische Albariño, in Portugal Alvarinho genannt...
Tobias
00:06:40
Der nun wieder, mhm.
Michael
00:06:40
...so heißt, weil man annahm, er sei ein - Achtung, wörtlich übersetzt - kleiner Weißer vom Rhein. Denn die hohe Säure machte es damals geradezu selbstverständlich, dass man das mit Riesling in Verbindung brachte.
Tobias
00:06:54
Ja, ja, ja, Aber das war jetzt nur der Versuch, mal wieder deinen heißgeliebten Albariño hier in den Podcast einzuschmuggeln. Das ist ja irgendwie so ein kleiner Tick, Trick von dir. Aber ja, mal zurück zu Roman Niewodniczanski. Der sagte mir nämlich auch noch etwas zum Thema Alkoholgehalt und da hat er eine klare Haltung, Klimawandel jetzt mal hin oder her.
Roman
00:07:17
Für mich ist 12,0 die absolute Grenze. Ich möchte keinen Riesling erzeugen, bei dem Alkohol schmeckbar ist.
Michael
00:07:24
Ja, das finde ich gut. Das ist eine tolle Aussage. Aber man muss ehrlicherweise auch dazu sagen, an der Saar ist das mithilfe dieses dort, sagen wir mal, vergleichsweise milden Klimas auch zu schaffen. Wenn ich jetzt mal an die Winzer in, so hieß das doch früher, von der Sonne verwöhnten Baden denke, ja, die können sich das ja nicht aussuchen, aber die haben dann eben andere Herausforderungen. Und Roman hat natürlich auch jetzt Weinberge in Steillagen mit diesen wunderbar typischen Schieferböden. Und das bringt uns doch eigentlich zu dem Begriff, der so gerne zitiert wird, wenn es um den Riesling geht, nämlich die Mineralität. Aber ich bin tatsächlich überzeugt, dass viele Weinfreunde gar nicht wissen, was damit gemeint ist und wieso Mineralität eigentlich riecht oder schmeckt.
Tobias
00:08:10
Ja, das ist eine super Gelegenheit, in dieser Folge darüber mal ein bisschen zu sprechen, Denn man kann wirklich Riesling nicht nur auf diese Süße-Säure-Nummer irgendwie beschränken. Ja, Mineralität ist ja auch ein sensorischer Einfluss und den hat man hauptsächlich eben, wenn die Böden, auf dem die Reben wachsen, sehr gesteinsreich sind. Bei Riesling ist es dann halt sehr, sehr häufig Schieferboden, zumindest wenn wir eben an die Mosel denken. Und das kann man wirklich relativ gut riechen und auch schmecken. Ja, das ist dann immer so ein leicht rauchig-würziger Ausdruck, wo sich viele Weinfreunde dann erst mal fragen: Hä, wo kommt das denn jetzt eigentlich her? Der war doch jetzt nicht im Holz oder sowas. Aber das ist eben diese Schieferprägung. Ja und dann, und das hört sich schon fast so ein bisschen komisch an, haben viele Rieslingweine auch so eine gewisse Salzigkeit. Ja, und das bringt Roman auch noch mal ganz gut auf den Punkt, wofür das wichtig ist, Denn da geht es jetzt auch so ein bisschen um, ja, Essensbegleitung. Also hör mal.
Michael
00:09:13
Gern.
Roman
00:09:13
Der Schiefer gibt dem Wein, Mineralität und Salzigkeit. Das ist gerade für das Essen sehr wichtig. Wenn ich den Wein jetzt gerade zum Kalbsgericht oder zu einem Geflügel oder zum Krustentier oder zum Fisch einsetze, das ist super, weil dann habe ich diese Verbindung der Salzigkeit aus dem Lebensmittel in Verbindung mit der des Weines. Das ist super. Und dann kommt eine tolle Frucht und dann kommt eine Länge und dann ist das schmeichelnd und cremig. Das ist einfach ein Erlebnis, das eigentlich jeder mal haben sollte. Und das hat mit dem sauren Bild, das viele Konsumenten im Kopf haben, nichts zu tun.
Michael
00:09:42
Okay, also Säure abgehakt. Der Punkt geht ganz klar an das Team Roman und Tobias. Aber da war jetzt ja noch was mit der Restsüße. Wir gehen noch mal auf die jetzt ein, die sagen, nein, ein Riesling, der ist einfach zu süß und das gefällt mir nicht. Und ich glaube, da sprechen wir wieder unsere schönen deutschen Prädikatsweine an in ihrer tollen Klassifikation nach Mostgewicht von Kabinett bis Trockenbeerenauslese und Eiswein. Übrigens, daran siehst du doch jetzt mal, wie gut ich die Folge über Restsüße und feinherbe Weine erinnere. Überzeugt?
Tobias
00:10:19
Ja, also da bin ich wirklich stolz auf dich, Michael. Wunderbar, an was du dich noch so alles erinnerst. Aber jetzt mal ganz ernsthaft: Was erwarte ich denn, wenn ich eine Auslese ins Glas bekomme? In den allerseltensten Fällen ist das ein trockener Wein. Ja, und man muss auch sagen, im Kern geht es ja gar nicht um Süße allein. Ja, viel wichtiger ist, dass süße Säure, Frucht, Mineralität, meinetwegen auch Alkohol im Gleichgewicht sind. Ja, nichts anderes ist ja auch mit dem Begriff Balance gemeint. Na ja, gut, das ist jetzt dann schon große Weinphilosophie, zumindest meine. Aber Roman hat auch noch mal erklärt, was das mit dem Anbaugebiet oder genauer gesagt auch mit Boden und Klima zu tun hat.
Roman
00:11:06
Wenn ich in der Pfalz Winzer bin und ich erzeuge einen Riesling mit 6, 7, 8 Gramm, so wie wir es tun, Restzucker, dann schmeckt der süß. Warum? Die Weine haben einen anderen pH-Wert und die Weine haben mehr Alkohol und die Weine haben eine, sind also deutlich breiter und der Wein wird dann sofort schon mit 6, 7 Gramm war es eine Toplage, vielleicht aus Deidesheim, schmeckt er süßlich. Das wird an der Saar nicht passieren. Wer Egon Müllers gereifte Weine kennt, dem kann es passieren, dass er mal einen 30 Jahre alten Kabinett mit 40 Gramm Restzucker trinkt und der Wein ist knochentrocken. Woran liegt das? Es ist die Harmonie der Inhaltsstoffe, und es gibt ein sehr trockenes Geschmacksbild. Und deswegen machen wir keinen Wein nach Zahlen, sondern wir wollen einen Wein erzeugen, der unsere Kunden begeistert.
Michael
00:11:45
Habe ich verstanden, trockenes Geschmacksbild. Aber halten wir doch jetzt mal fest: Saar-Mosel, das heißt Steillage, verschiedene Schieferböden, heißt natürlich auch mühsame Arbeit im Weinberg, wenn es um Steillage geht. Was heißt das jetzt noch?
Tobias
00:12:01
Ja, ja, das ist erst mal richtig. Und von Roman habe ich da eine alte Redensart gelernt, müsste dir eigentlich gefallen. Klingt zunächst etwas merkwürdig, aber tatsächlich war es auch an der Mosel so, dass Wein dort wächst, wo sonst nichts anderes mehr zu kultivieren war. Ja, gerade dieses Karge, Steinige, auch Trockene ist es, was bis heute einfach gute Lagen auszeichnet.
Roman
00:12:27
Ein alter Winzerspruch sagt: Wo ein Pflug kann gehen, kein Stock darf stehen. Und da ja im härtesten Stein den besten Wein wächst, so wie die Bauern und Winzer sagen, sind wir hier sehr glücklich über schiefer Steillagen, die auch entsprechend die Weine prägen.
Michael
00:12:40
Ja, das mit dem Stein und dem besten Wein, das ist ja jetzt wieder deine Mineralität. Ich finde ja so was toll, so Redensarten, so Sprichwörter. Und die sind ja auch immer so eine Art Wissensspeicher und halten irgendwas fest, was die Leute gelernt haben. Und gereimt merkt sich so was ja allemal besser, das kennen wir alles. Also, wenn ich jetzt mal in die Rolle des Volkskundlers schlüpfen darf, würde ich sagen, das ist sozusagen Stammeswissen von der Saar aus der Kultgemeinschaft der Winzer.
Tobias
00:13:10
Ja, ja, genau. Aber gut so und etwas Wahres ist halt dran. Ja, und was allemal wahr ist, ist, dass sich der Riesling im deutschen Mischwetter pudelwohl fühlt. Zu früh, zu viel, zu lange Sonne ist gar nichts für diese Rebsorte, deswegen passt sie wirklich gut nach Deutschland, denn es geht auch um langsame, allmähliche Reife. Das gefällt dem Riesling viel besser, als irgendwie so einen Hitzeschock zu bekommen. Und da muss man auch mal schauen, wie sehr das durch den Klimawandel in Schieferlage, ach, in Schieflage gerät. Roman weiß auch dazu mehr.
Roman
00:13:48
Fakt ist, dass Riesling eine Cool-Climate-Rebsorte ist, also eine Rebsorte ist, die von einem wechselhaften Wetter profitiert und die eine lange Reife benötigt. Und Riesling liebt es im Herbst dann bei bei 10, 12, 14 Grad eben lange mit Ostwind, Schäfchenwolken, hin und wieder mal ein Regenschauer, und dann langsames Ausreifen.
Michael
00:14:07
Schieferlage, Schieflage. Hast du heute einen Clown gefrühstückt? Also die ich nehme jetzt mal die Schäfchenwolken und ziehe die da vor. Aber das war ja nicht der eigentliche Grund, warum du zu Von Volxem gefahren bist. Du warst ja wegen Romans Sammlung von historischen Weinkarten vor Ort, also Weinkarten im Sinne von Speisekarten. Was für Schätzchen hat er denn da in seiner Sammlung, Schätzchen?
Tobias
00:14:31
Ja, das war wirklich klasse. Ich habe keine Ahnung, wie und wo er die alle aufgetrieben hat. Aber beeindruckend, sage ich dir. Und da haben wir beispielsweise in eine Karte aus dem Ritz in Paris aus den 1920er-Jahren geschaut und er hat ein bisschen darüber referiert.
Roman
00:14:51
Zu sehen, dass im Ritz in Paris, ein Lafite, ein Latour und ein Haut-Brion lagen bei 60, der Château Palmer aus Bordeaux lag bei 35, der Le Montrachet bei 35, 45 Franc, und der Gottesfuß aus Wiltingen lag bei 70, und der Marcobrunn aus dem Rheingau lag bei 140 Franc die Flasche. Selbst in Paris weniger nach dem Ersten Weltkrieg, waren die Weine zum Teil, nicht immer, aber zum Teil in der Phase so zwischen 1890 und 1940 Jahren teurer als die teuersten Bordeauxs. Und das ist etwas, was gerade die Sommeliers aus Frankreich, aber eben auch in der Welt, gerade in New York oder in der Neuen Welt immer wieder sehr fasziniert.
Michael
00:15:28
Mann, oh Mann, da scheint ja einer wirklich in seinem Element zu sein. Und du hast diese Originalkarte in Händen gehalten oder durfte er das nur machen?
Tobias
00:15:36
Ne, ne, also ehrlich gesagt, wir haben gemeinsam reingeschaut. Ich weiß gar nicht, vielleicht hätte sie mir tatsächlich nicht überlassen. Das kann schon sein. Aber ich muss noch mal weitermachen. Weil er hatte auch noch eine Weinkarte aus dem Ritz-Carlton diesmal, und zwar aus New York aus dem Jahre 1941. Ja, das war schon mitten im Zweiten Weltkrieg.
Roman
00:15:57
Die Großen Gewächse aus Bordeaux, alle für 3, 4, 5, 6 $ die Flasche. Dann kommt Burgund, dann sieht man 6 Weißweine aus Burgund und etwa 20 Rotweine aus Burgund. An der Spitze ist Romanée-Conti, damals mit 7 und 8, was haben wir hier, ich glaube, 8 $ die Flasche. Und auf der nächsten Seite sieht man dann einen Bernkasteler Doctor für 10 oder auch einen Schloss Vollrads Cabinet, geschrieben noch für 8,50. Und das heißt, 6 Weißweinen aus Burgund stehen 53 Weine von der Mosel gegenüber und aus dem Rheingau und Hessen und aus der Rhein-Ahr. Aber die dominierende Region war eben die Mosel.
Michael
00:16:32
Na, jetzt bin ich aber beruhigt. Riesling ist also doch unser Nationalheld und ich glaube, nachdem...
Tobias
00:16:36
Sorry, da muss ich jetzt gerade noch mal was sagen, ja? Hast du das gerade gehört, dass der gesagt hat Romanée-Conti 8 $? Ja, also, das ist schon, da habe ich irgendwie kurz Gänsehaut gekriegt, weil das sind ja Weine, die fangen heutzutage bei einem 4-stelligen Eurobetrag grad mal an, wenn man sie denn überhaupt zu kaufen bekommt. Schon irre, aber sorry, ich wollte dich nicht stören.
Michael
00:16:58
Ich war jetzt einfach überrascht von dem Verhältnis der deutschen Mosel oder der deutschen Rieslingweine, sagen wir es mal so, zu den ganzen internationalen Größen. Und ich glaube jetzt, ich weiß, wovon der VDP-Präsident nachts träumt. Aber egal. Gut, Riesling ist dann eben doch unser Nationalheld. Also ich kenne das ja von anderen Weinkarten, von diesen tollen Luxuslinern, die über den Atlantik geschippert sind, oder diesen berühmten, exklusiven Luxusreisezügen, die es gegeben hat. Ich weiß zum Beispiel auch, dass der Bernkasteler-Doctor-berg, also Mosel und Riesling, um 1900 die teuerste Immobilie in Deutschland war.
Tobias
00:17:39
Wahnsinn.
Michael
00:17:40
Also noch mal nachgefragt: Galt der Prophet Riesling im eigenen Land damals einfach mehr als heute? Denn am Ausland kann es nicht liegen. Also da ist, entschuldige bitte die saloppe Formulierung, da ist deutscher Riesling ja nach wie vor Top of the Pop. Ja, und ich glaube, das ist auch noch mal ein wichtiges Stichwort. Denn vielleicht sollten wir jetzt mal diese ganze Riesling-Ehrfurcht auch beiseitelassen, denn wir müssen ja daran denken, wir wollen ja Leute zum Rieslingwein trinken bringen. Also noch mal: Welches sind denn deine favorisierten Rieslingweine für Einsteiger?
Tobias
00:18:21
Ja, das ist eine super Frage, denn es sollte ja tatsächlich nicht gleich irgendwie ein Großes Gewächs sein, ja, sondern ich glaube, es macht wirklich Sinn, sich einem Wein zu nähern, der eben das Thema Säure mit dezenter Süße in Gleichgewicht bringt. Ja, also auch so ein bisschen als Beweisführung von dem, was wir jetzt hier die ganze Zeit proklamieren. Und da gibt es von Van Volxem auch ein tolles Beispiel, der heißt einfach VV. Und das ist, sage ich mal, offiziell ein feinherber Riesling. Ja, und den hat Roman Niewodniczanksi speziell für so eine jüngere Zielgruppe gemacht. Und ich sage mal, abseits der Mosel findet sich jetzt beispielsweise in Rheinhessen ein echter Favorit von mir. Da gibt es nämlich das biodynamische Weingut Schätzel und die haben einen super gemachten VDP-Gutswein Riesling und mein Herz schlägt ja eh für Gutsweine, weil ich finde, das sind so die Visitenkarte der VDP-Weingüter und da bekommt man ein ganz, ganz tolles Preis-Genuss-Verhältnis. Ja, und das wären wirklich meine klaren Empfehlungen für alle Riesling-Einsteiger.
Michael
00:19:31
Na, das Stichwort Preis-Genuss-Verhältnis finde ich jetzt genau richtig, denn das darf man eben nicht aus dem Auge verlieren jetzt. Preis spielt immer eine Rolle, gerade in Deutschland, gerade auch beim Wein. Und wenn man jetzt irgendwie neue Anhänger für die Rebsorte werben will, dann darf man das nicht außer Acht lassen. Denn ich glaube ganz ehrlich, denen ist das ganze historische Renommee letztendlich dann egal. Für die muss es auch auf keinen Fall direkt ein Großes Gewächs sein. Also überhaupt jetzt noch mal nachgefragt: Welche Riesling-Genießergeneration wächst denn jetzt eigentlich nach? Hat der Roman Niewodniczanski dazu auch eine Einschätzung?
Tobias
00:20:08
Also als hättest du es jetzt gewusst, hat er mir dazu auch noch seine Einschätzung geliefert. Das war jetzt wirklich geradezu hellseherisch. Da spiele ich dir jetzt auch noch mal was ein.
Roman
00:20:21
Junge Leute, also alle zwischen 25 und 35, die einfach gerne gut kochen, die eben nicht mehr die dicke Karre fahren mit einem V8-Motor, die sich nicht mehr profilieren über, die fahren keinen dicken, fetten Wagen mehr, sondern die haben einen Leihwagen oder kommen mit der Bahn und die haben eine tolle Küche und die profilieren sich. Die tauschen hier oben Rezepte aus und begeistern sich an Bioprodukten, begeistern sich an natürlichen Weinen, begeistern sich an Kochorgien. Und das ist das, was natürlich für unsere Weine toll ist. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass jemand, der gerade seine Uni abschließt, sich einen Wein, ein Großes Gewächs aus dem Scharzhofberg oder eben Altenberg für 60 € zu kaufen. Aber der fängt mit einem VV-Riesling oder mit einem Saar-Riesling an, der kostet 10 € oder 12 € und 13 Euro und das sind Weine, die schon einen Riesentrinkspaß haben. Wir bemühen uns extrem um das Einstiegspreissegment. Ich bin davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Marke, ein erfolgreiches Weingut muss Weine anbieten, die im Einstiegsbereich, die richtig viel Spaß machen. Also das ist eigentlich mit das Wichtigste.
Tobias
00:21:18
Ja, also damit fasst er das jetzt eigentlich noch mal super zusammen. Er hat auch eben den von mir schon zitierten VV erwähnt. Und ja, deswegen glaube ich, können wir jetzt auch mal so das Hohelied auf die ganzen Spitzenrieslinge außen vor lassen. Denn wir wollen ja genau, dass diese Ehrfurcht eigentlich genommen wird, und dass die Leute deswegen ein bisschen mutiger sich an Rieslingweine herantrauen. Und ja, das geht eben auch ganz, ganz unverkrampft. Oder, mein Kleiner, wie war das noch mal, mein kleiner Weißer vom Rhein?
Michael
00:21:53
Huiuiuiuiui erstmal, ich bin ja ganz deiner Meinung, du Großes Gewächs der Weinkritik. Aber das eigentliche Schlusswort, wenn es genau um dieses Thema geht und die ganze Nerdigkeit mal beiseitegeschoben wird, steht trotzdem Roman Niewodniczanski zu, oder? Der bringt das mit dem Spaß am Riesling, so kann man es ja auch nennen, einfach ungeheuer gut auf den Punkt.
Tobias
00:22:16
Ja, absolut. Und jetzt haben wir doch irgendwie verraten, dass ich dich schon vorher in meine O-Töne eingeweiht hatte. Ist aber jetzt auch nicht weiter schlimm, das werden uns die Zuhörerinnen und Zuhörer durchaus vergeben. Wenn nicht, dann schreibt uns doch bitte einfach an podcast@weinfreunde.de für alle Angelegenheiten, bei denen es darum geht, ob euch etwas gefällt, auffällt oder auch missfällt im Bei Anruf Wein-Podcast aber jetzt, wie vom Michael schon angekündigt noch das wirkliche Riesling-Schlussgebet von Roman Niewodniczanski.
Roman
00:22:55
Es gibt auf dieser Welt keinen Drink, der so viel Trinkspaß bereitet bei so wenig Alkohol.
Michael
00:23:01
Mein Gott, also wenn das so ist, freue ich mich ja umso mehr, wenn es das nächste Mal wieder heißt.
Tobias
00:23:08
Bei Anruf.
Michael
00:23:09
Wein.