Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Säure heißt nicht sauer: Frische im Wein

30.05.2023 27 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Wenn von Lebendigkeit und Klarheit zu lesen ist, wenn über Harmonie und Trinkfluss diskutiert wird, meint es meist die Säure im Wein. Für Michael und Tobias ein mehr als spritziges Thema, auch weil sie sich hier ausnahmsweise einig sind. Sie klären in dieser Folge, wie wichtig ein Mindestmaß Säure im Wein ist und welchen Einfluss die Rebsorte darauf hat. Dabei erhalten auch jene Weinfreunde wertvolle Tipps, die sich einen wenig säurebetonten Wein wünschen.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Wie sagt man so schön: Sauer macht lustig. Doch beim Wein ist das so eine Sache. Für den einen sind manche Weine zu säurebetont, für den anderen fehlt es an Lebendigkeit im Glas. Das Empfinden von Säure ist also sehr individuell. Doch in Bezug auf Wein heißt Säure keinesfalls sauer. In der heutigen Folge versuchen Michael und ich klarzumachen, warum es in Rot- und Weißweinen auf keinen Fall an Säure mangeln darf, es aber dennoch Weine gibt, die mit moderater Säure daherkommen und so Weinfreunden gefallen, die Säure weniger gut vertragen. Michael und ich vertragen uns übrigens besonders gut, weil ihr den Podcast schon so zahlreich bewertet habt und ihm auch folgt. Aber ein bisschen mehr geht noch, okay? Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:01:07
Einen wunderschönen guten Tag, Tobias.
Tobias
00:01:10
Ja, wünsche ich dir auch.
Michael
00:01:11
Was macht denn die werte Weinbefindlichkeit bei dir? Alles in Ordnung so?
Tobias
00:01:15
Ja, ja.
Michael
00:01:16
Na ja. Auf jeden Fall schön, dich in der Leitung zu haben. Wollen wir gleich mal direkt loslegen?
Tobias
00:01:21
Ja, gerne doch, natürlich. Du bist ja richtig gut drauf. Heute und mir gegenüber irgendwie richtig auf Schmusekurs. Das gefällt mir. So können wir weitermachen. Aber man muss ja auch mal ganz ehrlich sagen: Es gibt heute eigentlich sehr wenig zu streiten, weil beim Thema Säure sind wir uns endlich mal so richtig einig.
Michael
00:01:42
Ja, sehe ich auch so, deshalb wollte ich jetzt ja mal so eine ganz entspannte Plauderstimmung schaffen, ohne die großen Aufreger und Frotzeleien wie sonst immer. Obgleich das Thema ja für sich schon eine gewisse, sagen wir mal, Spritzigkeit und Frische nahelegt. Ja, aber pass auf, steigen wir jetzt einfach mal ein. Mein Satz: Für mich bedeutet das richtige Maß an Säure eben Frische und nicht sauer.
Tobias
00:02:13
Ja, absolut auf den Punkt gebracht, weil das hört man ja dann häufig, diese Gleichsetzung. Also rein auf die Inhaltsstoffe von Wein bezogen, ist es ja auch die Säure, die für, was du gerade auch schon sagtest, Anregung und Frische sorgt, die wir dann gerade bei Weißwein, aber auch Rosés so sehr lieben. Und ja, in etwas anderen Maßen gilt das aber auch für Rotweine. Denk nur mal an die von dir und mir so geschätzten Spätburgunder aka Pinot Noir. Ja, da braucht es einfach Frische. Und ja, die anderen Inhaltsstoffe von Wein, also Zucker, Alkohol, Gerbstoffe und Aromen, haben mit dem Frischeeffekt jetzt erstmal nichts zu tun, ja. Wobei man sagen muss, manchmal gibt es natürlich auch so was wie eine mineralische Frische. Das liest man ja auch immer wieder. Aber ich glaube, da sind wir dann schon wieder in einer anderen Folge. Das führt jetzt hier zu weit.
Michael
00:03:08
Oh ja, ich befürchte auch. Und ich muss da jetzt noch mal säuremäßig reingrätschen. Stichwort Rotwein. Da ist nämlich Säure nicht nur bei dem von uns so geliebten Spätburgunder wichtig. Ich sage mal, ein Mindestmaß an Säure braucht jeder Rotwein, sonst wirkt er einfach müde und schlapp. Und gerade bei denen, die dann so ein bisschen kräftiger sind, wird es dann richtig anstrengend. Das will man dann eigentlich nicht. Deshalb jetzt noch mal einmal zurück zu den Basics. Ja, Säure im Wein, muss man festhalten, zunächst gibt es erst mal 2 Säuren, die machen jetzt zumindest den Großteil der Säuren aus. Das ist einmal die Weinsäure und einmal die Apfelsäure. Allerdings gibt es jetzt einen Weg, die etwas spitzer, prickelnder wirkende Apfelsäure in die weichere Milchsäure umzuwandeln. Winzerinnen und Weinmacher sprechen da vom biologischen Säureabbau, kurz BSA.
Tobias
00:04:08
Da kann man sich merken.
Michael
00:04:09
Oder auch der malolaktischen Gärung, ja, liebevoll Malo abgekürzt. Ja, das wird bei Rotwein glaube ich, eigentlich immer gemacht, bei Weißwein dagegen eher selten, zum Teil aber auch. Ja, da fällt mir ein zum Beispiel, denk mal an die richtig schön cremigen, diese fetten Chardonnay aus Kalifornien, da kann man das regelrecht schmecken.
Tobias
00:04:35
Oh ja!
Michael
00:04:36
Und die mag ich ja ab und zu mal so richtig gerne, ne? Nachteil von dieser Malo ist natürlich, die kann auch mal spontan und ganz ungewollt geschehen. Da reicht es einfach, dass dieses entsprechende Bakterium in der Luft im Keller ist oder auch sogar im gebrauchten Fass liegt. Und ich sag mal, die Malo wäre jetzt bei so einem spritzigen Riesling nicht gerade hilfreich.
Tobias
00:05:03
Ja, ja, das stimmt allerdings. Und ich muss ja mal sagen, ich habe im Chemieunterricht aufgepasst und weiß, was ein pH-Wert ist. Das ist irre, ist aber wahrscheinlich auch das Einzige, was ich irgendwie mir noch behalten habe. Das geht ja mit Sicherheit auch so, aber nein, du weißt das natürlich auch, ne? Außerdem natürlich Schmusekurs. Ich möchte mich da jetzt dir gegenüber gar nicht wieder irgendwie so in Angriffslaune zeigen, denn, ich mache mal die Überleitung, die Säure von Wein, die kann man auch mit dem pH-Wert ausdrücken. Also mal ganz anschaulich: Wasser ist ja pH-neutral und hat damit den Wert 7. Kann man sich so merken. Und ein Weißwein, der liegt dann mit einem pH-Wert von so, ja ich sage mal, 3 bis 3,5 klar im sauren Bereich. Und die meisten Rotweine, die liegen dann so zwischen 3,5 bis, ja teilweise auch über 4. Das kommt ja auch auf die Rebsorte an, da sprechen wir ja gleich noch drüber.
Michael
00:06:02
Ja, vielleicht sage ich an der Stelle jetzt noch mal kurz was zu den Zahlen. Also diese pH-Skala geht von 1 bis 14. 7 in der Mitte ist das Neutrale, alle kleineren Zahlen drücken was Saures aus und alle Zahlen, die höher sind als 7, drücken dann basische Werte aus. Und bevor uns jetzt diese ganzen Profi- und Hobbychemiker auf die Pelle rücken, will ich auch noch eins kurz präzisieren. Also ganz genau genommen misst der pH-Wert eben nicht die Menge an Säure, das könnte man ja jetzt denken nach dem, was wir gesagt haben, sondern eigentlich nur die Menge von - Achtung - freien Wasserstoffionen, die sauer schmecken. Also ein feiner Unterschied. Aber ich glaube, alle anderen, also jenseits von Profi- und Hobbychemikern, die können jetzt dieses Detail auch schnell wieder vergessen. Ich wollte jetzt einfach nur keine wissenschaftlich empörten Mails und Kommentare auslösen.
Tobias
00:07:00
Okay, das habe ich jetzt natürlich im Einstieg völlig vergessen. Wir wollten nämlich genau zu diesen Zuschriften noch mal was sagen, die ja, Gott sei Dank, eigentlich nur positiv auffallen. Also Stichwort Post von Hörerinnen und Hörern, erst einmal Danke. Ja, denn eure Vorschläge für unsere Themenplanung waren genau richtig. Also zum Beispiel wurden da die Schweiz und Südtirol als interessante Regionen genannt, aber auch so etwas wie die Trinkreife von Wein oder die Rolle des Sommeliers bzw. der Sommelière sind auf die Wunschliste gewandert. Super!
Michael
00:07:36
Ja, danke, danke auch von meiner Seite. Und natürlich bitte weiter so! Ja, wir wollen ja schließlich wissen, was ihr wissen wollt. Dazu sind wir da. Aber ich glaube, ich mache jetzt einfach mal mit der Säure weiter. Wir waren beim pH-Wert ausgestiegen und im Chemieunterricht. Ja, und so ein bisschen geht es jetzt weiter. Aber es wird anschaulicher, denn alternativ zum pH-Wert kann man die Säure auch in Gramm pro Liter ausdrücken. Ja, das bevorzuge ich ganz klar. Dann kannst du nämlich ganz schön die Restsüße, die ja auch in Gramm pro Liter angegeben wird, dagegen rechnen. Das ist ganz schön und einfach dann, denn, das muss man an der Stelle ja nochmal betonen, das Verhältnis von Süße und Säure ist für die Wahrnehmung eines Weins ganz entscheidend. Da sollte man immer einen Blick drauf haben. Und an der Stelle, bei uns im Weinfreunde-Shop, ja, bei den Weinbeschreibungen kann man beide Werte stets nachlesen. Einfach mal auf den Reiter Steckbrief klicken, dort findet ihr beides angegeben, denn das ist vielleicht ganz interessant, da mal einen Blick drauf zu werfen, wenn man das nächste Mal seine Weine bestellt.
Tobias
00:08:48
Ja, das finde ich auch extrem praktisch, denn ich schaue mir eigentlich diese beiden Werte immer ganz genau an, wenn ich irgendwo auf Weinsuche gehe. Und ich ärgere mich dann eigentlich eher, wenn ich die nicht finde, weil die ja schon eben was über den Wein aussagen, was so die Stilistik angeht. Da geht es einerseits darum, was überwiegt, Zucker oder Säure, aber auch um die absoluten Zahlen, denn da kann man so manche Überraschung dann doch auch finden. Zudem erinnere ich noch einmal an unsere Podcastfolge, ja, trocken und feinherb, süße Geheimnisse. Da erklären wir ja schon, welche Rolle eigentlich diese beiden Werte bei der Etikettierung, der Geschmacksrichtung, also trocken, halbtrocken und lieblich, dann spielen. Ja, also da sollten die Zuhörerinnen und Zuhörer vielleicht nach dieser Folge dann noch mal reinhören.
Michael
00:09:37
Ja gut, aber vielleicht werden wir jetzt mal ein bisschen anschaulich und da tut ja so ein Beispiel immer gut. Ich habe extra vorher nachgeguckt hier und mein Haus und Hof Grüner Veltliner aus der Wachau stellt 1,3 g Restsüße immerhin 7,2 g Säure entgegen. Also alles pro Liter gerechnet. Ja, und da hat man den Wein noch gar nicht probiert, da weiß man eins, der hat einfach einen frischen Eindruck und der hat eine schöne Trinkigkeit. Das erklärt sich fantastisch. Die Säure lässt auch die Fruchtnoten so ein bisschen aufleben.
Tobias
00:10:16
Ja, Stichwort Säurezug.
Michael
00:10:17
Das spüre ich geradezu auf der Zunge. Ja, also alles ganz nach meinem Geschmack.
Tobias
00:10:24
Genau. Und vielleicht kann man das einfach mal so sagen, wenn jetzt Weinfreunde nach einem Wein mit wirklich dieser Lebendigkeit und Spannung suchen, und wir sprechen jetzt mal von einem Weißwein, ich denke, da kann man fast sagen, so ab 6,5, 7 g. Ja, da kann man davon sprechen, dass das schon ein frischer Weißwein dann sein wird. Und was mir da beim Thema Frische dann auch noch mal einfällt, Weinregionen wie die Wachau, wo die Temperaturunterschiede zwischen Tages- Und Nachttemperatur wirklich sehr, sehr groß sind, die stehen dann eben für mehr Frische im Wein. Und dabei spielt natürlich auch die Rebsorte eine Rolle. Das hatten wir vorhin schon mal anklingen lassen. Bei deinem zitierten Grünen Veltliner sieht man es ja. Ich nehme jetzt mal einen Riesling. Das ist auch so eine Rebsorte, die sehr säurebetont ist. Und wir waren ja gerade schon bei den konkreten Beispielen. Ich mag ja den einfachen Gutswein von Dönnhoff, von der Nahe. Da gibt es dann sogar schon 8,0 g Säure. Das ist dann wirklich schon ordentlich. Aber zum sozusagen Gegenfedern auch 5,5 g Restsüße. Und man würde den jetzt nie als leicht süßlich bezeichnen. Aber dieses, ja, manche nennen das ja Zuckerschwänzchen, bringt so eine gewisse Harmonie und lässt den Wein auf jeden Fall überhaupt nicht säuerlich wirken.
Michael
00:11:50
Stichwort Rebsorten einfach, man soll sich ja immer was merken, wenn man uns zuhört, und vielleicht, sagen wir mal an der Stelle überhaupt, welche weißen Rebsorten denn als gute Säurelieferanten gelten.
Tobias
00:12:03
Ja, gute Idee.
Michael
00:12:04
Also wir haben jetzt schon über Riesling und Grüner Veltliner gesprochen, klar. Aber auch die von mir über alles geschätzten Sorten Sauvignon Blanc und Albariño gehören auch dazu, aber auch so was wie Chenin Blanc.
Tobias
00:12:19
Ja, und vielleicht ergänze ich das jetzt mal mit roten Rebsorten, die irgendwie mit einem natürlichen, recht hohen Säuregehalt daherkommen. Und da muss man dann auch gleich ein paar Italiener nennen, also Sangiovese beispielsweise. Die ganzen Chianti, Chianti Classico bestehen ja hauptsächlich aus Sangiovese, aber auch Nebbiolo aus dem Piemont. Wir denken an Barbaresco und Barolo, aber auch Barbera. Und dann ist ja auch immer wieder von Barga zu lesen und das hat mich sofort an unseren Trip ins Alentejo erinnert. Ja, du erinnerst dich sicherlich. Also dieser Weinregion in Portugal, da haben wir die Gelegenheit, ach was, das Glück gehabt, muss man sagen, richtig gute Barga-Weine zu trinken. Also das ist jetzt an der Stelle so ein kleiner Geheimtipp aus Portugal. Alentejo Barga Rotwein, muss man sich merken, hat gute Frische. Sehr, sehr empfehlenswert.
Michael
00:13:15
Ja, schade. Also mit Barga kann der Weinfreunde-Shop leider nicht dienen, aber versprochen, ich arbeite dran. Hallo Sven, aber gut. Was haben wir denn jetzt gelernt? Noch mal kurze Zusammenfassung. Säure braucht es einfach, ja. Weine aus kühleren Regionen, ja, das hat ja dann auch manchmal was mit dem Unterschied von Tag- und Nachttemperatur zu tun. Vielleicht sagst du gleich noch mal was dazu. Die haben eigentlich auch eher mehr Säure. Und selbstverständlich hängt jetzt vieles von der Rebsorte ab. War's das? Haken dran?
Tobias
00:13:50
Tja, also noch nicht ganz. Ja, du kennst mich ja. Aber es gibt ja Weinfreunde, die säurebetonte Weine schlichtweg nicht so gut vertragen. Also Sodbrennen, sage ich jetzt mal. Ein Teilnehmer einer Rieslingprobe, auf der ich mal war, der sagte mir, er müsste vorher immer Protonenpumpenhemmer nehmen, also was für ein Wort überhaupt, um die Säure irgendwie in den Griff zu kriegen. Ja, und daher habe ich mir jetzt mal herausgesucht, welche Rebsorten von Natur aus mit weniger Säure ausgestattet sind. Danach suchen, glaube ich, Weinfreunde immer wieder mal. Und da fangen wir mal bei den Weißweinen an. Da ist es etwa Gewürztraminer, ja, dann auch Weißburgunder, wenig überraschend, aber auch Grenache Blanc, Marsanne und Meunier. Schöne Grüße in unser geliebtes Südfrankreich, sage ich da nur. Und bei Rotwein mit moderater Säure kann man sich meinen geliebten Primitivo, ja, bzw. Zinfandel merken sowie den südafrikanischen Pinotage und Dolcetto aus dem Piemont. So, das ist doch jetzt irgendwie so eine ganz gute Merkhilfe, oder?
Michael
00:15:00
Okay, ja, ich glaube, das ist noch mal hilfreich für alle, die weniger Säure im Wein schätzen. Aber lass uns noch mal eins sagen, so das Essentielle eigentlich an der Säure, wenn es um Wein geht: Wie zeigt sich überhaupt die Säure? Ja, im Duft zum Beispiel. Oder im Mund. Oder anders gefragt: Wie und wo schmeckt man Säure im Wein? Komm, Herr Weinlakai, Tobias, ein Fall für dich. Jetzt kannst du mal glänzen.
Tobias
00:15:30
So viel Druck. Ja, aber zunächst einmal, lieber Michael, Säure kann man nicht an der Nase wahrnehmen. Das geht einfach nicht. Die riechen nicht. Die Säuren, über die wir hier sprechen, sind einfach geruchlos. Sollte man wider Erwarten doch Säure riechen, dann ist tatsächlich Vorsicht vor dem Wein angesagt, weil dann verwechselt man das vielleicht mit Essig. Das ist aber nicht dann mit dem Geruch von Säure sozusagen gleichzusetzen. Kommt aber mittlerweile so gut wie auch gar nicht mehr vor. Man sagt ja dann immer, wenn der Wein zu alt ist, dann schmeckt er nach Essig. Ja, weiß ich nicht. Also Säure kann man nur schmecken. Und im Mund zeigt sie sich meist an den Rändern der Zunge. Da prickelt und kribbelt es ein wenig. Säure im Wein bemerkt man aber auch vor allem daran, dass der Speichelfluss einfach zunimmt. Also selbst, wenn die Säure von Süße überdeckt wird, denk mal an einen Süßwein, beispielsweise aus dem Sauternes, im Bordeaux, oder eine Riesling-Trockenbeerenauslese. Die sind zwar sehr, sehr süß, die haben aber auch einen hohen Säuregehalt, um das quasi zu kontern. Und da läuft einem schon ordentlich das Wasser im Mund zusammen. Also das, glaube ich, kann man relativ schnell beim Verkosten feststellen.
Michael
00:16:48
Ja, ja, ja, der Tobias und sein Riesling.
Tobias
00:16:50
Ja, ja, ja.
Michael
00:16:51
Gut, aber Riesling, hier, ich erinnere mal an einen uns beiden bekannten Moselwinzer, namhaften Moselwinzer und der über seine Probleme mit dem Zahnschmelz klagte. Ja, der hatte einfach zu viel mit seinen besonders frischen Rieslingen Kontakt und ja, das griff dann den Zahnschmelz an. Aber der hat das ja nur schmunzelnd als so eine Art Berufskrankheit weggetan. Aber ehrlich gesagt, so viel Säure im Langzeitversuch muss es bei mir nun auch nicht sein.
Tobias
00:17:23
Das stimmt. Also da tun einem direkt die Zähne weh. Den Zahnarzt freut's. Aber na ja, nachdem wir jetzt wissen, wie man Säure im Mund spürt, sagen wir vielleicht auch noch etwas über die Wirkung der Säure im Wein selbst. Ja, denn das reduziert sich ja letztlich nicht nur auf Frische. Du hast es vorhin, glaube ich, auch schon mal anklingen lassen, Säure hebt auch den Eindruck von Frucht hervor und sorgt damit auch so für mehr Körper eigentlich im Wein. Und das Spiel mit der Restsüße, was jetzt auch schon häufiger angesprochen wurde im Wein, ist gleichfalls total wichtig. Und zudem macht Säure einen Wein auch stabiler, also sorgt damit für ein längeres Leben des Weins, also sprich Alterungspotenzial. Ja, das wirkt einfach konservierend. Und Säure ist außerdem generell ja ein zentraler Bestandteil für die Qualitätsbeurteilung eines Weins neben Aromatik, Alkohol, Tannin und der Struktur. Ohne gut dosierte Säure gibt es keinen ausbalancierten Wein. Ja, so einfach ist das. Fertig.
Michael
00:18:28
Okay. Also nochmal zum Merken: Das richtige Maß an Säure ist einfach ein Qualitätsmerkmal von Wein. Ja, zum Thema Weinqualität gibt es ja auch schon eine Folge unseres Podcasts. Ja, da kann man auch noch mal gerne reinhören. Aber, wenn wir jetzt die Säure schon so hoch hängen, dann stellt sich doch die Frage, wie Winzerinnen und Winzer überhaupt Einfluss darauf nehmen können. Wir haben gesprochen Über das Klima. Können sie nicht steuern. Die Rebsorte, die bringt ihr eigenes Profil mit. Können sie auch nicht richtig steuern. Also was für Schrauben gibt es überhaupt, an denen man da drehen kann?
Tobias
00:19:07
Ja, das ist eine wirklich gute Frage. Sollten wir unbedingt klären. Also zuallererst geht es natürlich über den Erntezeitpunkt. Die Säure verliert sich über die Zeit der Reife ein bisschen und gleichzeitig wachsen dann die Zuckerwerte an und das bedeutet dann so ein bisschen, die erste große Entscheidung fällt im Weinberg und nicht im Keller. Das ist ja eigentlich immer so. Nimm nur mal die kühlen Nachttemperaturen, hatten wir ja vorhin schon bei der Wachau, von denen ist ja immer wieder in Weinbeschreibungen zu lesen. Kühle Temperaturen erhalten nämlich die Säure, weil die Rebe dann quasi in so einer Art Standby-Modus geht. Aber es geht ja auch anders. Wenn man den Säureeindruck reduzieren möchte, gibt es eben diese erwähnte Malo, also den biologischen Säureabbau. Und ja, wie kann man sonst Säure noch aussteuern? Das ist natürlich dann jetzt ein etwas unbequemes Thema. Da warten wir vielleicht mal auf unsere Folge zum Thema Zusatzstoffe im Wein. Ich sage jetzt nur mal ganz, ganz leise: säuern und entsäuern von Wein. Alles völlig legale Methoden, aber na ja.
Michael
00:20:19
Auch diese Folge, die ist ja wichtig. Ich merke jetzt noch mal, die schieben wir schon lange vor uns hin. Okay, da müssen wir jetzt bald mal ran, Zusatzstoffe im Wein. Aber stimmt schon, also die Möglichkeit hat man, also theoretisch. Durch die Zugabe von Weinsäure oder Apfelsäure kann man einem Wein in diesem Belang zumindest auf die Sprünge helfen. Und da frage ich mich jetzt, Klimawandel, gerade in den warmen Weinregionen mit den immer heißer und trockener werdenden Sommern? Da dürfte doch eigentlich die Versuchung groß sein, hier mal zu diesem Besteck zu greifen, ja? Oder wenn die Säure, weil man zu früh geerntet hat, vielleicht sogar zu spitz wirkt, kann man ja auch was mit Kalium oder Kalzium nachhelfen, um das Ganze wieder ein bisschen basischer zu machen.
Tobias
00:21:07
Ja, ja, genau. Kalium, Kalzium, extrem basisch. Aber für mich persönlich, ganz ehrlich, ist das ja ein No-Go, da so rum zufummeln. Da gibt es für mich eigentlich keine Diskussion. Ich möchte schon ein Naturprodukt. Also zumindest so viel wie möglich davon. Und da gibt es ja noch krassere Beispiele. Wie gesagt, ich will jetzt gar nicht diese Folge schon irgendwie durchgehen, aber um beispielsweise zu verhindern, dass Eisenverbindungen den Wein trüben, ja, darf man mit bis zu 1 Gramm pro Liter Zitronensäure eine sogenannte Schwermetallstabilisierung vornehmen. Ja, das klingt schon so was von schrecklich, hat aber dann eben auch den Nebeneffekt, ein bisschen an der Säureschraube zu drehen. Aber wie gesagt, das wird noch mal eine andere Folge.
Michael
00:21:57
Ja, ich glaube auch. Und ich sage jetzt mal, damit wir mal den Shift endlich hinbekommen, mein Restsüßer, haben wir denn nicht jetzt einen regelrechten Crashkurs in Sachen Säure da hingelegt? Ja, also ich kann mir jetzt wirklich nicht vorstellen, dass dir zum Schluss noch etwas einfällt, was wir jetzt vergessen haben. Deshalb von meiner Seite an dieser Stelle ein wenig Nebenwissen in Sachen Spirituosen.
Tobias
00:22:21
Na, wer hätte das gedacht?
Michael
00:22:22
Die Trauben für die Grundweine von Cognac, ja, die werden eben auch eher zeitig gelesen, um diesen guten Säuregehalt zu bewahren. Also das, was du vorhin als positive Effekte genannt hast, dieses Verstärken der Aromen und so ein Plus an Körper, sind eben in den Grundweinen auch schon erwünscht. Und das, obgleich er später noch mal destilliert wird, sogar zweifach.
Tobias
00:22:48
Ja, also du und deine Spirituosen. Ist zwar immer interessant, aber noch mal Bei Anruf Wein, ja, ist der Titel unseres Podcasts. Und ich habe ja schon fast geglaubt, wir kommen mal irgendwie ohne so ein Beispiel aus. Aber egal. Ja, vielen Dank. Wir sind ja nach wie vor in unserem versöhnlichen Modus. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, es gibt auch ein Weinbeispiel dazu. Hätten wir jetzt gar nicht über Spirituosen sprechen müssen, denn die Trauben für den Amarone, für den weltbekannten Amarone, also diesem kräftigen, ja geradezu fetten Wein aus rosinierten Beeren. Diese Trauben werden auch sehr früh geerntet, damit dieses Powerpaket genügend Frische entgegensteht. Das wissen die Winzer ganz genau, dass das einen dann wirklich guten Amarone auszeichnet. Und eingefallen ist mir jetzt direkt noch was. Ja, sorry, aber ich möchte noch mal unbedingt das Genüssliche, das Schmecken betonen und das daran auch einfach Freude-Haben. Ja, denn Weine mit spürbarer Säure gehören auch zu gutem Essen. Ja, dazu muss man auch einfach nur mal ein paar Worte verlieren. Das haben wir bisher ganz vergessen.
Michael
00:24:02
Ja, fantastisch. Da setze ich unseren Schmusekurs von heute einfach fort. Da bin ich auch ganz bei dir. Genuss ist ganz wichtig. Ich fange mal auch mit so was Einfachem an. Also auf jeden Fall sollte das Essen ja nicht mehr Säure aufweisen als der Wein, den man dazu trinkt. Ja, Ansonsten wird nämlich die Wahrnehmung des Weines quasi eingebremst, also dessen eigene Säure wird einfach überdeckt. Ja, und ansonsten generell kann man, glaube ich, noch sagen, Säure steht ja so für Lebendigkeit, für mich persönlich auch für so ein Stück Filigranität, Feinheit. Also heißt es im Umkehrschluss: bitte nichts zu Deftiges zu diesen Weinen.
Tobias
00:24:44
Ja, das stimmt. Und das mit zu viel Säure gilt übrigens ja auch umgekehrt. Also der Wein sollte mit seiner Säure auch nicht das Essen überlagern. Ja, aber Fisch, frische Salate, okay, aufgepasst so ein bisschen mit der Vinaigrette, aber sowas. Und auch gegrilltes Gemüse müssen unbedingt eben von ein bisschen Frische begleitet werden. Und da hilft übrigens auch ein Blick in die Küche der Region. Ja, das macht ja auch Spaß, dass man wirklich das so ein bisschen dem ausgewählten Wein anpasst. Und ja, die Menschen aus der Region wissen ja sowieso immer am besten, was besonders gut zusammen geht. Das fragen wir ja auch eigentlich immer in unseren Interviews mit Winzern. Und ansonsten gibt es für mich dann auch noch mal so eine Basisregel, das haben wir bestimmt auch schon mal in irgendeiner Folge erwähnt, man kann sagen alles, ja alles, was durch einen Spritzer Zitrone profitiert, passt auch bestens zu einem säurebetonten Wein, so.
Michael
00:25:40
Okay, also ich glaube, das kann man sich ganz gut merken. So Mensch, Tobias, ich meine, auch wir sind ja so richtig gut zusammengegangen. Jeder mit seinem kleinen Schüsschen Säure. Das war ja heute fantastisch. Ich hoffe, das war für die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht zu harmonisch, ja, und sie vermissen jetzt unsere kleinen, wie war das, Spritzer Zitrone? Also die kleinen Scherze. Na ja, ihr könnt uns das alles schreiben. Wie immer übrigens an die berühmtberüchtigte E-Mail-Adresse podcast@weinfreunde.de. Und zu den Themenvorschlägen, haben wir ja vorhin auch schon drüber gesprochen, gilt auch weiterhin: Die Tür ist offen, schreibt uns, was euch interessiert.
Tobias
00:26:24
Ja, sehr schön gesagt. Also habt alle ein paar schöne Weinmomente und bleibt uns bitte treu, bis es das nächste Mal wieder heißt.
Michael
00:26:35
Bei Anruf.
Tobias
00:26:37
Wein.