Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Schlegel und Goliath: Formen und Formate von Weinflaschen

09.08.2022 28 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

Dieses Mal nehmen sich Michael und Tobias das Kapitel „Weinflaschen“ vor. Wie die verschiedenen Flaschenformen entstanden sind und welche Vorteile Flaschen mit mehreren Litern bieten, verraten die beiden in Folge 36 von „Bei Anruf Wein“. Dabei lässt sich Tobias nicht von der Betitelung als „alte Flasche“ beirren und Michael gefällt sein neuer Spitzname „Methusalem“ sogar richtig gut. Für die Zuhörerinnen und Zuhörer gibt es neben harten Infos im leichten Plauderton erneut die Chance auf einen vinophilen Gewinn: Bis zum 23.08.22 läuft die Runde mit einer Magnum-Flasche in der Original-Holzkiste als Gewinn. Einfach den Post zur Folge auf Instagram oder Facebook kommentieren oder eine E-Mail an podcast@weinfreunde.de schreiben. Viel Glück und gute Unterhaltung!

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Glasflaschen sind seit Jahrhunderten das bevorzugte Behältnis für die Aufbewahrung von Wein. Doch Flasche ist nicht gleich Flasche. Zum einen existieren unterschiedliche Flaschenformen und zum anderen weichen viele hinsichtlich der Füllmenge vom 0,75-Liter-Standard ab. Warum das so ist und welche Vorteile diese Vielfältigkeit mit sich bringt, erörtere ich im heutigen Telefonat mit Michael. Dazu passend gibt es in dieser Folge eine edle Magnumflasche in der Holzkiste zu gewinnen. Also bleibt mal dran. Ich ruf den mal an!
Michael
00:00:54
Hi, Tobias, du alte Flasche. Schön, dich in der Leitung zu haben. Hast du dich nach deinem Urlaub hier wieder eingewöhnt in unseren Gefilden? Fällt ja manchmal so ein bisschen schwer, sich im Alltag wieder zurechtzufinden.
Tobias
00:01:06
Ja, das stimmt.
Michael
00:01:07
Aber du wirst bestimmt den passenden Wein dafür haben, denke ich.
Tobias
00:01:11
Ja, aber was ist das denn jetzt erstmal für eine Begrüßung? Alte Flasche? Also ich muss dich wohl nicht daran erinnern, zu wessen Gunsten der enorme Altersunterschied zwischen uns beiden ausfällt, du Methusalem, du!
Michael
00:01:24
Oh, das schon wieder. Mensch, das war doch nur ganz lieb und herzlich gemeint. Also, oder trinkst du etwa nicht lieber die alten Flaschen aus deinem Keller? Hm? Also, hinter meiner Flapsigkeit, zugegeben, verbirgt sich also eine grandiose Wertschätzung deiner Person. Ja, das wollen wir nicht verschweigen. Zudem wollte ich eigentlich nur eine kleine Überleitung zu unserem heutigen Thema schaffen.
Tobias
00:01:48
Ja, ja, alles gut. Aber den Methusalem, den lasse ich jetzt erst mal stehen, denn der Begriff hat ebenfalls was mit unserem Thema heute zu tun. Denn es geht ja um Flaschen, genauer gesagt um die unterschiedlichen Formen von Weinflaschen sowie um die verschiedenen Flaschengrößen.
Michael
00:02:04
Genau. Und damit passt eigentlich diese Podcastfolge jetzt sehr gut zu unserem Gespräch, das war, glaube ich, Folge 29 über Naturkorken und Schraubverschluss. Denn die Karriere von Flasche und Korken, sage ich jetzt mal, gehen quasi Hand in Hand. Das eine macht ja ohne das andere nicht so richtig Sinn. Und die technische Möglichkeit, Flaschen im großen Maßstab quasi industriell herzustellen, hat dann für den entscheidenden großen Schub gesorgt. Seitdem hängen wir an der Flasche, kann man so sagen.
Tobias
00:02:37
Ja. Und man muss ja sagen: Zuvor wurden die Flaschen mundgeblasen, also viel, viel aufwendiger, als das heute passiert. Aber auch die Form der ersten Flasche hat das natürlich beeinflusst. Also die Vorfahren unserer heutigen 0,75-Liter-Flaschen, die fielen allesamt etwas bauchiger aus, eben weil sie mundgeblasen waren. Und das wiederum war beim Transport und vor allem auch dem Lagern in der Horizontalen sozusagen eher unpraktisch. Da kippelten die die ganze Zeit. Und so entwickelten sich die uns heute bekannten Flaschenformen. So kann man das eigentlich zusammenfassen.
Michael
00:03:11
Hm. Aber ich denke, dass neben der Technik, über die wir jetzt gesprochen haben, auch so was wie Marketing eine Rolle spielt. Die besten Weinregionen setzen nämlich bald auf eine einheitliche Flaschenform, um damit ganz unmissverständlich zu signalisieren: Herkunft, Güte, das sind wir. Das funktioniert letztlich bis heute ja so. Die Nase ganz vorn, in diesem Sinne, hat übrigens dein so heißgeliebtes Burgund ja. Sie setzen als Erste konsequent auf die eigene Flaschenform. Also fangen wir doch mit der Burgunderflasche an. Tobias, das ist jetzt dein Einsatz.
Tobias
00:03:48
Ja, sehr, sehr gerne. Ja, also die heute als Burgunderflasche bezeichnete Flaschenform gibt es bereits seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und man kann sagen, so ab 1850 startet die Idee der einheitlichen Flasche dann richtig durch. Die Flasche selbst wird so zu einem echten Statement, du hast es ja schon erwähnt. Und andere Regionen und Winzer springen dann auch mit auf den Zug auf. Und so lässt sich dann eigentlich auch erklären, dass in anderen Weinländern ebenfalls Weine, die auf Pinot Noir oder Chardonnay setzen, eigentlich grundsätzlich in der Burgunderflasche abgefüllt werden. Also denk nur mal an deutsche Spätburgunder und andere Appellation wie Barolo oder Barbaresco in Italien, verwenden die Flaschenform ebenfalls. Dann natürlich ganz ohne Pinot Noir und dafür mit dem berühmten Nebbiolo. Und ich meine, noch viel naheliegender: Denk an unsere geliebte Rhône mit den leckeren, vorzüglichen Syrah- und Grenache-Cuvées. Die sind auch alle in der Burgunderflasche abgefüllt. Also da mag es vielleicht die ein oder andere Ausnahme geben, aber auch da findet man diese Flaschenform.
Michael
00:04:59
Okay, also klarer Vorteil beim Stapeln im Weinkeller, lernen wir, wenngleich mehrere Topregionen dieselbe Flaschenform benutzen. Ja, ne, Scherz. Also zumindest ein halber, ja. Aber wie würdest du denn eine Burgunderflasche beschreiben? Also bei den Flaschen spricht man ja gerne von Hals und Schultern oder auch vom Bauch, wenn es um die Form geht.
Tobias
00:05:23
Ja, prinzipiell schon. Aber gerade die Burgunderflasche hat nun keine richtigen Schultern, sondern fällt vom eher kurzen Hals schwungvoll zum Flaschenboden ab. Und ja, die Burgunderflasche wird daher oft als dickbauchig beschrieben. Das kommt dir bestimmt bekannt vor. Ich selbst sehe mich ja eher als Bordeauxflasche. Ja, und dann merkt man irgendwie mal wieder, wie gut wir uns eigentlich ergänzen, oder?
Michael
00:05:49
Ja, danke, danke für die Blumen, Tobias. Ich nehme jetzt einfach nur mal das Stichwort Bordeaux auf. Also im Bordeaux hatte man ja auch mitbekommen, wie gut eigentlich diese Idee einer markanten eigenen Flaschenform funktionierte. Und natürlich kam es für die bordelaiser Weingüter überhaupt nicht infrage, ihren Wein jetzt in Burgunderflaschen zu füllen. Also musste eine neue Flasche her, oder anders gesagt, eine neue Flaschenform und dann auch am besten gleich die ganze Weinregion als Namen mit auf den Weg geben. Also das ist die Geburt der Bordeauxflasche. Eigentlich dasselbe Muster wie bei der Burgunderflasche, also von der Entstehung, und mit mindestens genauso viel internationaler Ausstrahlung. Also wo immer auf der großen, weiten Weinwelt Cabernet Sauvignon, Merlot oder eben eine Bordeaux-Cuvée abgefüllt werden, ist die Bordeauxflasche erste Wahl.
Tobias
00:06:41
Ja, und diese Flaschenform weicht ja deutlich auch von der Burgunderflasche ab. Ich denke mal, das war ja dann auch wichtig, um sich ja auch zu differenzieren. Und die Bordelais, wie sie auch genannt wird, die hat recht ausgeprägte Schultern, ist dafür aber ganz gerade. Es gibt auch manche, die sind sogar leicht konisch, aber sie wirkt auf jeden Fall viel schlanker als die Verwandte aus dem Burgund, hat aber trotzdem natürlich die gleiche Füllmenge. Erwähnenswert ist dabei vielleicht noch die Wölbung nach innen im Flaschenboden. Sie dient angeblich dafür, um mögliche Ablagerungen im Wein am Boden zu halten. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass das eher so ein zufälliger Begleiteffekt des Designs ist. Das wäre doch auch was für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer, die an unserem Gewinnspiel zum heutigen Podcast teilnehmen möchten, oder? Fällt mir jetzt nur gerade ein. Also sagen wir mal, wer von euch weiß etwas über die Geburtsstunde von Burgunder- und Bordeauxflasche? Oder ja, was habt ihr sonst Besonderes zu Flaschenformen und -größen zu berichten? Denn heute, wieder echte Überraschung, finde ich, dazu passend gibt es immerhin eine Magnum des Sessantanni Primitivo di Manduria von San Marzano in Apulien zu gewinnen. Und was ich besonders schmuck finde, ist: Der Wein kommt mit Original-Holzkiste und 99 Luca-Maroni-Punkten, mehr als die vergibt der gute Mann gar nicht, zur Gewinnerin oder zum Gewinner frei Haus sozusagen. Ihr könnt uns wie immer per Mail an podcast@weinfreunde.de schreiben oder den entsprechenden Post zu der Podcastfolge auf Facebook und Instagram kommentieren. Geht also nach wie vor total einfach. Und ja, eure Zuschriften und Kommentare interessieren uns auch wirklich.
Michael
00:08:30
Allerdings so ist es. Und auch, wenn es um Vorschläge geht zu Themen, zu Kritik oder zu Korrekturen, immer her damit. Ja, und damit sind wir eigentlich schon beim Gewinner der vergangenen Runde, als es eigentlich thematisch um die Ahr und das VDP-Weingut Burggarten ging.
Tobias
00:08:50
Genau.
Michael
00:08:50
Dabei hat jetzt der Stefan, also Stefan, der Siegreiche, aus Homburg, nicht einmal was über die Ahr geschrieben. Vielmehr hat er uns auf einen Fehler in der Loire-Folge aufmerksam gemacht. Stichwort wäre hier, „Das ist das östlichste Anbaugebiet Frankreichs".
Tobias
00:09:07
Ja, ja, ja.
Michael
00:09:08
Und er hat uns auch noch einmal geholfen bei der Datierung der Bag-in-Box. Also solche Aufmerksamkeit loben wir uns. Vielen Dank dafür, Stefan, und ordentlich Spaß mit dem Blanc de Noir und dem Frühburgunder von Burggarten.
Tobias
00:09:23
Ja, man könnte auch anders formulieren: viel Spaß mit der Burgunder- und der Schlegelflasche. Ja, denn gerade Letztere müssen wir in Deutschland natürlich kennen. Ja, also so kurz nach 1900, hier sind wir wieder so zeitlich unterwegs wurde die Schlegelflasche an Rhein und Mosel, später dann aber auch im Elsass eingeführt. Und inzwischen kann man sagen, ist sie die weitest verbreitete Weißweinflasche im deutschsprachigen Raum. Also jeder Riesling wird eben aus dieser Flasche kredenzt. Sie ist deutlich höher als ihre Konkurrentin, ungefähr so schlank wie eine Bordeauxflasche, hat aber ebenso wenig Schulter wie eine Burgunderflasche. Also wirklich so eine ganz schlanke Form. Und eben schon erwähnt, ihr Statement heißt absolut eindeutig: Riesling. Das ist zumindest der Ursprung und bis heute international verstandenes Merkmal. Wusstest du übrigens, dass die Schlegelflaschen für Riesling vom Rhein braun sind, hingegen die Moselrieslinge in Grün daherkommen?
Michael
00:10:26
Ehrlich gesagt, ja. Aber weißt du eigentlich, wie man die Schlegelflasche oft auch im Englischen bezeichnet?
Tobias
00:10:35
Hui, oh, die sagen wahrscheinlich einfach Schlegel-Bottle oder so was. Oder sagen einfach irgendwie so traditionell high bottle, oder so was.
Michael
00:10:44
Ja, ja, das ist jetzt schon gar nicht so verkehrt, aber denke mal an unseren Podcast über kuriose und historische Namen von Weinbergen und Weinlagen. Da tauchte doch der „Hock" auf, also der englische Kosename für Riesling aus Hochheim. Da der natürlich in der Schlegelflasche abgefüllt wird, trägt diese Flaschenform auch den Namen Hock Bottle.
Tobias
00:11:07
Och, das merke ich mir aber jetzt mal, das ist eine tolle Geschichte, die kannte ich noch nicht. Allerdings, die wird noch von einer anderen, ganz typischen deutschen, genauer gesagt, fränkischen Flaschenform getoppt. Ja, du ahnst es, wir kommen jetzt endlich zum Bocksbeutel. Ja, den gibt es nämlich schon ganz, ganz sicher seit 1728. Da wurde diese Flasche urkundlich erwähnt und ich glaube sogar abgebildet. Und auch hier hatte die besondere Flaschenform den Zweck, vor Fälschern und Weinpanschern zu schützen. Ja, und zuerst war es übrigens das Würzburger Bürgerspital, das mit den neuen Flaschen arbeitete. Gibt es ja heute auch noch. Und mittlerweile ist der Bocksbeutel gemeinsam mit dem Silvaner eigentlich das Markenzeichen der Weinregion Franken schlechthin. So, wie diese Flasche, sieht einfach keine andere in Deutschland aus. Das finde ich, ist schon ziemlich interessant.
Michael
00:12:01
In Deutschland nicht, aber in Portugal gibt es einige Roséweine, die gleichfalls in diese Flaschenform kommen. Ich möchte jetzt keine Namen nennen. Nun liegen portugiesischer Rosé und fränkischer Weißwein tatsächlich ja weit auseinander, aber dadurch war letztlich dieses Alleinstellungsmerkmal ärgerlicherweise dahin. Das hat sich jetzt gerade geändert. Man hat vor wenigen Jahren ein Redesign des Bocksbeutels durchgeführt und den dann ein klein wenig kantiger gemacht. Und nun ist die Flaschenform wirklich einzigartig fränkisch und lässt sich, nur am Rande erwähnt, dank flacher Vorder- und Rückseite auch besser stapeln, ja?
Tobias
00:12:44
Du mit deinem Stapeln.
Michael
00:12:44
Aber, mein werter Weinfreund, du bist uns nur noch die Geschichte zum Namen des Bocksbeutels schuldig.
Tobias
00:12:49
Ja, vielleicht noch mal vorab. Also Bocksbeutel hat ja für viele noch so was sehr, ja, fast Folkloristisches, ja. Ich finde aber gerade jetzt diese etwas modernere Bocksbeutelform echt gelungen. Und mir macht vor allem auch das Ausschenken aus dem Bocksbeutel unwahrscheinlich viel Spaß. Also man kann die irgendwie ganz anders halten, auch so mit einer Hand. Das ist irgendwie extrem griffig. Ja, finde ich wirklich einen Versuch wert. Also ich habe es ja schon sehr häufig in diesem Podcast gesagt, Silvaner trinken lohnt ohnehin, und dann auch gerne im Bocksbeutel. Und genau, die Geschichte zum Namen ist sowieso lohnenswert. Beginnen wir mal mit der harmlosen, nüchternen Erklärung. Demnach ist der Bocksbeutel einer Feldflasche nachempfunden. Das kann man ja aufgrund der Form durchaus nachvollziehen. Oder der Name leitet sich vom niederdeutschen Bücherbeutel, dem Bocksbüdel ab. Ja, aber ich muss ja sagen, am anschaulichsten finde ich die Erklärung, die auf die Form des Hodensacks eines Ziegenbocks anspielt. Ja, also Bocksbeutel halt. Ja, klingt doch irgendwie passend, oder?
Michael
00:14:01
Och, keine Ahnung. Ich bin mit dem Intimbereich von Ziegen nicht so richtig vertraut. Das finde ich nicht so prickelnd. Ne, ich möchte jetzt mal ganz elegant auf die Champagnerflasche ablenken.
Tobias
00:14:15
Oh ja, sehr gut.
Michael
00:14:15
Die fehlt uns nämlich noch unbedingt in dieser Liste. Also von der Form her erinnert sie auch so an die Burgunderflasche, fällt aber deutlich schwerer und auch größer aus. Auch der Hals ist etwas länger. Ganz typisch, da gibt es auch eine ganz starke Wölbung unten im Flaschenboden und die dient eben nicht nur dazu, besonders galant einschenken zu können, indem man mit den Daumen hineingreift und in einer Hand die Flasche halten kann. Nein, alle diese Merkmale sind letztendlich den Besonderheiten des Schaumweins und, sagen wir mal, seinem größeren Druck auf der Flasche, aber auch bestimmten Schritten während des Produktionsprozesses geschuldet. Ich sage jetzt mal, Flaschengärung ist ein Stichwort, ein zweites ist der Verweis auf unsere Schaumweinfolge, ja?
Tobias
00:15:01
Ja genau. Und man sagt auch, die tiefe Einwölbung im Flaschenboden hat auch etwas mit dem Hefedepot zu tun. Das ist ja bei der traditionellen Flaschengärung wichtig und dadurch bekommt das wohl eine größere Oberfläche und somit kann es sich eben auch besser entfalten, mehr eben auch die Wirkung in Richtung des Weines abgeben. Zudem heißt ja Flaschengärung auch immer rütteln, ja Rüttelpult, Französisch auch Remuage, und in diesem Prozess konnte man durch das Ineinanderstecken des Halses der einen Flasche in den Boden der anderen dieses aufwendige, händische Rütteln etwas effizienter machen. Also man hat quasi direkt mehrere Flaschen auf einmal drehen können. Und ja, diese Flaschenform nennt man übrigens auch einfach Champenoise. Und allein das hohe Gewicht sollte jeder und jedem schon mal aufgefallen sein, denn die Glaswand, du hast es ja gerade auch schon angedeutet, ist wegen der Druckverhältnisse deutlich dicker und damit die ganze Flasche merklich schwerer. Der Großteil der Champagnerflaschen ist übrigens grün, aber es gibt auch weiße Exemplare, insbesondere bei den Roséschaumweinen, damit man das besser unterscheiden kann. Die kommen aber dann nicht selten in einer speziell gefärbten Schutzfolie daher, damit der edle Inhalt nicht durch Lichteinstrahlung Schaden nimmt. Aber na ja, das führt jetzt zu weit.
Michael
00:16:27
Ich glaube, jetzt reicht es auch mit den Flaschenformen, oder?
Tobias
00:16:31
Ja, das stimmt.
Michael
00:16:31
Also klar, wir könnten noch was über die traditionelle italienische Korbflasche Fiasco, daher kommt tatsächlich das Wort sagen, oder ja, die Sachsenkeule ansprechen und all die unterschiedlichen interessanten Sonderformen, die es ja mittlerweile gibt. Aber ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns endlich mal den Flaschengrößen zuwenden.
Tobias
00:16:54
Ja, also das mit den Flaschengrößen finde ich jetzt auch interessanter. Am besten, wir beginnen einfach mal mit dem Standard, der uns so vertrauten 0,75-Liter-Flasche. Dazu muss man wissen, dass diese Menge erst seit 1975 in der EU verpflichtend vorgegeben ist. Also anders ausgedrückt, ja, früher changierte das so ein bisschen zwischen 700 ml und 750 ml, und bei ganz alten Bordeaux-Jahrgängen kann man auch durchaus noch 0,73-Liter-Flaschen finden. Also da sollte man sich nicht wundern.
Michael
00:17:26
Ja, ja, aber interessant sind ja auch die Herleitungen, warum es denn nun gerade 0,75 Liter geworden sind.
Tobias
00:17:34
Ja, das stimmt.
Michael
00:17:35
Und ein voller Liter oder ein halber Liter, ne? Da gibt es jetzt zum Beispiel eine Idee, die sagt, römische Legionäre, die hatten täglich 3 sogenannte Acetabulum zum Trinken. Das ist ein kleines Gefäß, allerdings nicht aus Glas, von etwa 250 ml. Ja, und diese mal 3 genommen macht 0,75 Liter. Also das ist Version 1. Alternativ habe ich noch - Achtung, aufgepasst - die Lungenkraft der Glasbläser reichte in vorindustrieller Zeit einfach nicht aus, um größere Flaschen zu machen. Also denen ging bei 0,75 Litern quasi die Puste aus.
Tobias
00:18:20
Das kann ich mir nicht vorstellen.
Michael
00:18:21
Und zum Schluss noch, finde ich jetzt auch interessant, so eine eher, sagen wir mal, logistische Herleitung. Ja, und demnach sind die 0,75 Liter eine metrische Anpassung auf die britische Gallone. Aus Gewichtsgründen war nämlich damals eine Transportkiste auf 2 britische Gallonen begrenzt. Mehr durfte da nicht rein. So, und jetzt müssen wir noch mal rechnen. 12 Flaschen pro Kiste ergeben tatsächlich 2 britische Gallonen, sprich 9 Liter. Also wiederum geteilt bist du beim Ergebnis: Flasche 0,75 Liter.
Tobias
00:19:03
Wow. Also das ist jetzt für mich eigentlich die überzeugendste Erklärung, aber wer weiß. Wir rechnen einfach mal weiter. Also wer die 0,75-Liter-Flasche als den Standard kennt, versteht die 0,375 Liter Füllmenge bei den sogenannten halben Flaschen sofort. Und genauso einfach ist es mit der Magnum, weil das ist einfach das Doppelte des Standards, also 1,5 Liter. Und Doppelmagnum logischerweise dann 3 Liter. Ja, aber danach, wie es dann ja leider häufig in der Weinwelt ist, wird es etwas unübersichtlich, weil es für dieselben Großformate im Bordeaux, Burgund und in der Champagne unterschiedliche Namen gibt. Daran zeigt sich auch wieder, gerade Bordeaux und Burgund, die sind sich halt nicht so wirklich grün und da geht es halt eben dann schon mit der Einheitlichkeit in Sachen Flaschenform nicht so wirklich. Und ja, bei den Größen anscheinend auch nicht. Denn, ja, es existieren unter dem selben Namen sogar unterschiedlich große Flaschen. Also pass mal auf: Da heißt beispielsweise die 3-Liter-Flasche im Bordeaux Doppelmagnum, logisch, hatten wir gerade, im Burgund sowie in der Champagne allerdings Jeroboam. Ja, und Jeroboam ist hingegen im Bordelais die Bezeichnung für eine 5- Liter-Flasche, also für ein Format, das es im Burgund gar nicht gibt. Überhaupt nicht verwirrend. Nein, nein.
Michael
00:20:28
Ne, überhaupt nicht. Aber du hast mich ja zu Beginn als Methusalem lächerlich machen wollen. Aber im Burgund und in der Champagne verbindet man damit eben eine Flasche von 6 Litern, weißt du? Und das gefällt mir, deshalb konnte ich dir auch nicht so richtig böse sein.
Tobias
00:20:45
Das kann ich mir vorstellen.
Michael
00:20:46
Aber noch einmal zu den ganz großen Begriffen für die ganz großen Flaschen. Wir können ja mal versuchen, ein wenig Ordnung da reinzubringen. Also zuerst einmal, was die Namen dieser großen Formate betrifft, kommt man eigentlich ohne Altes Testament und die Namen von Königen aus dem Morgenland nicht weit. Hör mal zu, Jeroboam, Rehoboam, Methusalem, Salmanassar, Balthasar, Nebukadnezar, Melchior, Salomon. Also, da muss man schon echt bibelfest sein, ne?
Tobias
00:21:22
Allerdings. Etwas übersichtlicher vielleicht, wenn wir noch mal die reinen Literzahl nennen, um die es hier geht. Also nach der Doppelmagnum oder Jeroboam mit 3 Litern folgen 4,5 Liter Rehoboam mit Namen, das erwähntest du gerade schon, und das Bordeaux-Sonderformat von 5 Litern - Achtung - Jeroboam genannt, und als Nächstes das 6-Liter-Format, das im Bordeaux übrigens Imperial heißt und nicht wie im Burgund und in der Champagne Methusalem.
Michael
00:21:52
Ah ja, okay, das sage ich doch. Aber im 6-Liter-Format lässt sich leben. Da bin ich gerne Methusalem. Und ab jetzt wird es auch wieder einfacher mit den Flaschen und geht in regelmäßigen 3-Liter-Schritten voran. Salmanassar gleich 9 Liter, Balthasar gleich 12 Liter in der Flasche, Nebukadnezar gleich 15 Liter und zum Schluss Melchior, respektive Goliath, da gibt es wieder 2 Namen mit 18 Litern. Uff.
Tobias
00:22:26
Und an der Stelle muss man vielleicht noch einmal erklären, warum eine große Flasche bei Weinen, die lagern sollten, noch einen entscheidenden Vorteil bringt. Ja, simpel gesprochen, kann man sagen, ist das Verhältnis von Sauerstoff zu Wein besser. Also mehr Wein auf die fast gleich große Menge Luft im Flaschenhals bzw. in Richtung Korken, die man ja auch bei einer gebräuchlichen 0,75-Liter-Flasche findet, und dadurch läuft der Prozess der Oxidation langsamer ab. Und im Endeffekt lässt sich dann sagen, je größer die Flasche, desto länger bleibt der Wein trinkbar, desto langsamer verläuft der Reifeprozess.
Michael
00:23:04
Okay, da gehören dann also wirklich nur die ganz besonderen Dinge rein. Aber mir gefällt hier an diesen großen Flaschen, es müssen ja nicht direkt 18 Liter sein und auch nicht meine Methusalem 6 Liter, aber dass man in so einer größeren Runde und oder bei längeren Essen auch alle aus derselben Flasche bedienen kann, das ist, finde ich, immer ganz charmant und wichtig. Und da kann man sagen, zumindest eine Magnum oder Doppelmagnum ist in diesem Sinne auch einfach nur praktisch und nicht irgendwie Luxus. Ja gut, die noch größeren Formate sind dann halt eben eher Sammelstücke, auch wegen dieses Reifungsprozesses, den du beschrieben hast. Die kann ja auch kein Mensch mehr hochheben, geschweige denn daraus gezielt ausschenken. Das ist schon eine richtige Kunst für sich. Aber da du jetzt schon das Lagern und Reifen in der Flasche angesprochen hast, muss ich dir jetzt noch einmal bildlich zumindest auf die Schulter klopfen. Erkläre doch bitte mal, was es mit den Begriffen High Shoulder, Mid Shoulder, Upper Shoulder, Low Shoulder und Below Shoulder auf sich hat?
Tobias
00:24:13
Ja, guter Hinweis. Ja, das stimmt. Also dabei handelt es sich eigentlich um Begriffe, mit denen man den Füllstand alter Weine beschreibt, indem man die Schultern der Flasche quasi als eine Art Skala verwendet. Zwar sind die Weinflaschen, hatten wir ja auch schon, meist farbig, um die Weine gegen die UV-Strahlung zu schützen, aber hineinsehen kann man ja trotzdem. Und da reden wir jetzt über wirklich alte Weine, also 30 und noch viele Jahre älter. Ja, und High Shoulder ist dann ein sehr guter Füllstand, also quasi neuwertig, weil der Wein komplett oben über der Schulter steht. Bei Low Shoulder wird es dann schon kritisch. Also ich sag mal, bei einem, ja, gerne auch mal 100-jährigem Wein, kann das dann aber wiederum auch normal sein, weil ein bisschen Flüssigkeit geht ja dann schon immer verloren bzw. verdunstet und das muss dann nicht per se ein schlechtes Zeichen sein.
Michael
00:25:07
Okay, das geht jetzt weit zurück in die Vergangenheit, aber jetzt mal ganz aktuell noch: Es wird ja diskutiert, ob man nicht mehr Weinflaschen zukünftig aus Leichtglas herstellen sollte, also zum Beispiel der Verband der Deutschen Prädikatsweingüter, VDP, der hat jüngst beschlossen, dass zumindest die Gutsweine, also die Einstiegsweine in dieser VDP-Qualitätspyramide, dass zumindest diese Flaschen aus Leichtglas hergestellt werden sollen. Also normale Glasflaschen bringen schon mal leer, das muss man erst mal wissen, 750 Gramm auf die Waage, ohne Füllung. Und Champagnerflaschen, das haben wir ja vorhin gehört, die sind noch ordentlich schwerer, da müssen wir gar nicht drüber nachdenken. Wenn man jetzt zum Beispiel Leichtglas verwendet, dann kommt man nur auf 430 bis 450 Gramm, so ungefähr. Und das ist ja dann schon ein Riesenunterschied. Und denkt man dann mal, wie sich das pro Kiste und pro Palette dann aufaddiert, ist das schon eine massive Gewichtseinsparung. Und wir wissen heute, Gewichtseinsparung an der Stelle heißt dann auch immer wegen Logistik, transportieren, Auswirkung auf die CO2-Bilanz. Und das ist dringender denn je, dass wir daran denken.
Tobias
00:26:23
Absolut. Und es ist ja dann auf jeden Fall auch material- und ressourcenschonend. Ja, das kann man eigentlich nur gut finden. Ich kannte bisher jetzt so leicht Glasflaschen immer nur aus Kriegszeiten, wo man quasi dazu gezwungen war, darauf umzustellen. Aber das jetzt zu nutzen, um der Umwelt einen Gefallen zu tun, das finde ich wirklich mehr als sinnvoll. Zudem ist es ja auch ein Ansatz, der endlich mal dieser Wahrnehmung entgegentritt, eine schwere Flasche stehe für mehr Wertigkeit. Also ich habe da schon Flaschen auf dem Tisch gehabt, die waren schon leer und ich habe immer noch versucht, irgendwie meinen Gästen einzuschenken, weil die so, so schwer waren, dass ich mir sicher war, dass da noch mindestens 1/3 des Weines drin ist. Und ja, darauf können wir, glaube ich, allemal verzichten.
Michael
00:27:08
Ja, nichts dagegen, nichts dagegen, Tobias. Und mir ist auch lieber, wenn der Wein das eigentliche Schwergewicht ist. Und egal, um welche Form oder welche Größe es sich handelt, philosophisch betrachtet sind schließlich alle Flaschen zum Genießen und Austrinken da.
Tobias
00:27:26
Also das nenne ich doch jetzt mal ein passendes Schlusswort. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danke, dass ihr wieder dabei wart, vergesst das Gewinnspiel nicht und hinterlasst möglichst viele positive Bewertungen auf den Podcastplattformen für uns.
Michael
00:27:40
Ja, das wäre toll, allerdings. Ich setze darauf, dass ihr alle dabei seid, wenn es das nächste Mal wieder heißt.
Tobias
00:27:47
Bei Anruf.
Michael
00:27:49
Wein.