Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

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Spätburgunder alias Pinot Noir: die rote Spitze?

06.02.2024 33 min Weinfreunde.de

Zusammenfassung & Show Notes

In der heutigen Folge von Bei Anruf Wein dreht sich alles um die rote Rebsorte Pinot Noir, auch als Spätburgunder bekannt. Dabei wird schnell deutlich, dass Michael und Tobias wahre Pinot-Verehrer sind. Die beiden erklären ausführlich, warum das so ist und aus welchem Grund Pinot Noir nicht nur in Deutschland und im Burgund, sondern weltweit für reinsortige Rotweine steht. Außerdem lassen sie Weinkritikerin Jancis Robinson zu Wort kommen, die für deutschen Spätburgunder eine Art „Kaufbefehl“ ausspricht.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde-Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde, mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Heute ist es endlich an der Zeit, dass sich Michael und ich meiner Lieblingsrebsorte widmen: Pinot Noir, hierzulande auch als Spätburgunder bekannt. Ein unglaublich vielseitiges, aber auch empfindliches Pflänzchen ist Pinot Noir, und einige Weine, die daraus entstehen, zählen zu den besten der Welt. Diese stammen schon lange nicht mehr nur aus dem Burgund, sondern unter anderem auch aus Deutschland. Daher wurde es jetzt höchste Zeit, dass wir die Rebsorte im Podcast porträtieren. Unsere Begeisterung für Pinot Noir ist dabei hoffentlich ansteckend. Gutes Stichwort, denn begeistern tun Michael und ich auch Bewertungen von Bei Anruf Wein bei Spotify und Apple Podcast. Und bitte auch den Button „Folgen“ klicken. Danke! Also bleibt mal dran, ich ruf den mal an!
Michael
00:01:08
Hallo Tobias, mein allerliebster Weinfreund. Ja, mit der gewohnten Pünktlichkeit. So kenne ich dich. Ja, wunderbar. Pass auf, lass uns doch heute mal relativ schnell zum Thema kommen. Sollte dir eigentlich auch recht sein. Schließlich widmen wir uns heute deiner großen Liebe unter den roten Rebsorten, dem Spätburgunder oder auch Pinot Noir. Und? Bist du aufgeregt?
Tobias
00:01:35
Natürlich nicht. Ich bin einfach nur glücklich. Ja, weil der Spätburgunder jetzt in unserem Podcast endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die wir ihm eigentlich ja eigentlich schon von Beginn an schuldig sind. Denn es ist ja immerhin schon die 75. Folge von Bei Anruf Wein. Ist ja eigentlich auch so ein bisschen Jubiläum. Und über Grauburgunder haben wir beispielsweise schon ganz früh im Podcast gesprochen. Vom Primitivo mal ganz zu schweigen. Das passt eigentlich so gar nicht zu meinen persönlichen Weinvorlieben. Aber okay, jetzt haben wir die Gelegenheit, die Zuhörerinnen und Zuhörer an meiner Pinot-Begeisterung teilhaben zu lassen. Denn, muss ich ganz ehrlich sagen, ich bin wirklich der Meinung, jeder Weinliebhaber verliebt sich früher oder später in Pinot Noir. Ja, das geht praktisch gar nicht anders. Ja, andere halten das jetzt vielleicht für eine gewagte These, deswegen mach du mal lieber jetzt den Anfang.
Michael
00:02:36
Ist das schon eine Anspielung? Ne, ne? Also pass auf, wir fangen jetzt einfach mal mit der Herkunft der Rebsorte an. Also die einen sprechen von gut 2000 Jahren, die der Pinot Noir als Rebsorte schon auf dem Buckel hat. Andere nennen das vierte Jahrhundert, weil sie sich da auf irgendwelche Erwähnungen stützen können. Aber mal unberücksichtigt davon, wie alt jetzt diese Rebsorte wirklich ist, eines lässt sich festhalten: Unter den heute noch kultivierten Rebsorten und Spitzenrebsorten, muss man ja sagen, zählt der Spätburgunder oder Pinot Noir oder Pinot Nero, Blauburgunder, Clevner oder Schwarzburgunder, wie man ihn ebenso nennt, allemal zu den ältesten. Ja, also über seine Herkunft aus dem Burgund, da sind sich jetzt alle einig, ist doch auch schön, während es dann bei der genetischen Abstammung schon wieder etwas unübersichtlich wird. Also es scheint eine bewusste Züchtung zu sein, bei der aber eine nicht weiter bekannte Wildrebe beteiligt ist. Also ich sag mal, ungeklärte Familienverhältnisse sind da.
Tobias
00:03:48
Und darauf stoßen wir ja nicht das erste Mal. Also bei einer Rebsorte, meine ich jetzt. Aber es ist ja auch heute eigentlich gar nicht unser Thema. Wir wollen jetzt wieder zurück zum Spätburgunder. Endlich, denn der kommt angeblich 884 mit Karl dem Dicken - ja, der heißt wirklich so - an den Bodensee. Das habe ich jetzt auch mal recherchiert. Aber wichtiger für den Spätburgunder in Deutschland ist dann sicherlich das Wirken der Mönchsorden. Das hört man ja auch ganz häufig. Aber im Falle des Spätburgunders ist es vor allem das Wirken der Zisterzienser. Die hatten nämlich, wenn es um Neugründungen wie zum Beispiel das berühmte - Achtung - Kloster Eberbach geht, ihre Rebstöcke praktisch immer im Gepäck. Ja, und im Burgund spielt das Benediktinerkloster Cluny ebenfalls eine große Rolle. Weiß gar nicht, ob wir das in der Burgund-Folge gesagt haben, aber die sind da sozusagen ganz, ganz prägend für die Entwicklung von Pinot Noir. Die haben da den Stein ins Rollen gebracht.
Michael
00:04:53
Oh ja, das hast du jetzt aber schön gesagt, den Stein ins Rollen gebracht. Ja, immerhin ist er bis nach Deutschland gerollt. Das haben wir eben schon gesagt. Und selbst in die USA hat es der Rolling Stone geschafft. Ja, vor allem in Oregon entstehen ja ganz, ganz tolle Pinots.
Tobias
00:05:14
Ja, das stimmt.
Michael
00:05:15
Und noch weiter weg von der Heimat entstehen auch in Neuseeland hervorragende Weine aus der Rebsorte.
Tobias
00:05:23
Absolut.
Michael
00:05:23
Die eint jetzt alle zusammen, diese doch sehr verschiedenen Regionen, dass Spätburgunder klimatisch es eher mild mag. Also das ist eine echte, wie sagt man heute, Cool-Climate-Rebsorte. Und da sie sich eben auch durch diese Frische, Klarheit und, ich sage mal, Präzision auszeichnet. Ich meine, da muss ich dir jetzt gar nicht alles erzählen, vielleicht unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, dir jedenfalls nicht. Aber ganz eindeutig, Pinot Noir aka Spätburgunder ist längst eine internationale Rebsorte. Ja, und eines am Rande: Im weltweiten Ranking der Anbauflächen mit Pinot Noir steht Deutschland nach Frankreich und den USA immerhin auf Platz 3. Ja, das wird in Deutschland selbst oft übersehen. Und auch, welchen internationalen Stellenwert die deutschen Pinots mittlerweile besitzen.
Tobias
00:06:20
Ja und denk mal an diesen spanischen Pinot aus so einer Höhenlage, den wir mal im Glas hatten. Wie hieß nochmal das Weingut? Da warst du doch jetzt auch noch kürzlich.
Michael
00:06:29
Cortijo de Aguilares und das ist die Serranía de Ronda. Das Gebirge.
Tobias
00:06:36
Ja gut, also das werde ich mir jetzt, denke ich mal, nicht merken können. Aber das war auch faszinierend. Das hätte ich nie irgendwie nach Spanien gesteckt. Aber ja, Höhenlage dann halt eben auch wiederum sehr, sehr mild im Klima. Aber ehrlich gesagt bin ich jetzt ein bisschen enttäuscht, denn ich hatte gehofft, du führst in Sachen Charakteristik der Rebsorte noch weiter aus. Ich habe schon wieder so richtig irgendwie Druck an den Speicheldrüsen gespürt, als du von Frische, Klarheit und Präzision gesprochen hast. Aber wir müssen ja auch unbedingt noch mal auf die besondere Aromatik auch eingehen, denn das ist auf jeden Fall einer der ganz, ganz großen Vorzüge dieser Rebsorte. Da ist zuallererst dieser wunderbare Duft. Ich sage jetzt mal rote Früchte, insbesondere Kirschen und Erdbeeren in allen Varianten. Also Süßkirsche, Sauerkirsche, Herzkirsche, aber bei Erdbeeren dann auch gerne so Walderdbeeren. Das findet man insbesondere bei jungen Pinot Noirs natürlich, die noch so in dieser Fruchtphase stecken. Und wie bei anderen Weinen auch, das verliert sich dann so ein bisschen mit der Reife und dann kommen eben solche Tertiäraromen noch dazu. Das ist dann häufig so was wie Pilze, feuchte Erde, Wildkräuter. Oder auch bei vielen Wein aus dem Burgund sagt man irgendwie, die riechen so ein bisschen, als würde man die Tür von einem Metzger öffnen und so dieser Duft, der einem entgegenkommt. Also so was Fleischiges. Das hört sich spontan erst mal gar nicht so toll an, aber es ist wirklich klasse, weil es trägt zur Vielschichtigkeit des Dufts eines Pinots bei. Und ja, man nennt das ja auch Komplex. Und das ist etwas, ja, das habe ich bei einer anderen Rebsorte so noch nie wahrgenommen, dass man also eigentlich nur noch daran riechen möchte und immer wieder eine neue Ebene entdeckt. Und das eben im Zusammenspiel mit den Eigenschaften im Mund, die du eben schon genannt hast, ist super. Insbesondere eben diese Klarheit, die ist absolut irre. Ach Gott, ja, ich komme ins Schwärmen. Und genau, Pinots altern ausgesprochen gut. Und das glauben viele gar nicht, weil Pinot Noir hat ja eine relativ helle Farbe aufgrund der Dünnschaligkeit. Doch die Rebsorte, die liefert natürlich auch jede Menge Säure. Und diese Frische ist natürlich für das Thema Lagerfähigkeit sehr, sehr wichtig. Tannine sind auch vorhanden, aber eben sehr, sehr wohl dosiert. Und dann bleibt im Grunde genommen noch so dieses Thema Balance, Vielschichtigkeit habe ich schon gesagt, seidig, expressiv. Das ist alles bei guten Varianten dieser Rebsorte oder der Weine daraus vorprogrammiert. Ja, das liefern eben in dieser Zusammenstellung aus meiner Sicht nur Weine aus Spätburgunder.
Michael
00:09:33
Also wenn du mich nicht schon längst überzeugt hättest, jetzt hast du mich abgeholt. Ich liebe es auch, wenn du dich so begeisterst für deine Weinfavoriten. Ja, es erinnert mich auch an diese Schwärmerei von dir über die Romanée-Conti-Probe, in unserer Burgund-Folge kann man das schön nachhören. Das sind ja auch allesamt Pinot Noirs gewesen.
Tobias
00:09:53
Das stimmt.
Michael
00:09:54
Und selbstverständlich, ich sage es noch mal ganz offiziell, damit es jetzt alle mithören können: Ich teile dein Hohelied auf den Pinot Noir, damit hier gar keine Zweifel aufkommen. Aber ich muss zugeben, früher war ich so Spätburgunder-Wein gegenüber etwas skeptisch. Ich stehe ja eher auf so kraftvolle Weine. Und da hatte ich Pinot Noir immer im Verdacht, so leicht und nicht so die richtige Fülle im Mund zu haben. Fast wässrig, obwohl das jetzt weh tut. Entschuldigung, ne. Inzwischen sage ich: weit gefehlt, Michael. Man muss zu seinen Fehlern stehen. Ja, ich gebe das zu.
Tobias
00:10:31
Sehr gut.
Michael
00:10:32
Es ist nicht so! Ja, aber ich habe jetzt noch mal einen ganz anderen, wichtigen Punkt, denn Pinot Noir spielt ja auch für Champagner eine wirklich große Rolle.
Tobias
00:10:45
Oh, das stimmt.
Michael
00:10:46
Ich sage nur Rosé-Champagner und Blanc de Noir, oder man denke nur mal an die klassische, weiß gekelterte Cuvée mit Pinot Meunier und Chardonnay zusammen. Also, Spätburgunder hat auch eine prickelnde Seite.
Tobias
00:11:02
Das ist ein guter Hinweis.
Michael
00:11:03
Und tatsächlich haben wir es in Deutschland der Schaumweinerzeugung eigentlich zu verdanken, dass Spätburgunder ab dem 19. Jahrhundert vermehrt gepflanzt wurde.
Tobias
00:11:13
Das war jetzt wirklich ein ganz, ganz hilfreicher Hinweis. Das hatte ich jetzt gar nicht auf dem Zettel, aber ich muss jetzt trotzdem über diesen Champagner-Exkurs hinweggehen, so wichtig er auch war. Denn, ja doch, weil etwas wirklich Entscheidendes haben wir über Pinot Noir noch überhaupt nicht gesagt. Ich weiß, ich bin da mit meiner Meinung nicht allein, wenn ich behaupte, dass Spätburgunder die Rebsorte ist, die ist mit am besten vermag, die Bodenbeschaffenheit einer Lage, oder sagen wir mal einer Lage allgemein im Wein in den Vordergrund treten zu lassen. Ja, also das ist vielleicht auch noch mal ganz wichtig, denn das erklärt auch die große Vielfalt der Pinot Noir-Charakteristika, sage ich mal, bei aller Typizität, die sie dann eben doch auch wieder verbindet. Ich hoffe, das war jetzt nicht zu kompliziert. Aber guck nur ins Burgund, da gibt es so viele kleinteilige Appellationen und Lagen und trotzdem unterscheiden sich die Weine teilweise sehr, sehr stark. Und ja, wenn ich jetzt schon so dabei bin, es gibt eigentlich auch eine weiße Rebsorte, die so ein bisschen das Gegenstück dazu ist. Und das ist eben Riesling. Die Rebsorte schafft es eben auch, die Bodenbeschaffenheit sehr, sehr gut in den Weinen auch sichtbar oder schmeckbar zu machen. Und deswegen ist eben dieses Thema Cuvée hierzulande ja historisch betrachtet gar nicht so ein großes Thema gewesen. Nicht etwa, weil man immer nur sagt, na ja, die Deutschen, die brauchen es halt eben reinsortig, sondern es hat eben auch was damit zu tun, dass Riesling, aber eben auch Spätburgunder sehr, sehr gut die Bodeneigenschaften reflektiert.
Michael
00:12:57
Ja, ja, ich habe schon gesehen, du versuchst jetzt hier den Riesling einzuschmuggeln. Da gehe ich jetzt mal ganz stillschweigend drüber hinweg und verweise nur auf unsere Podcastfolge mit Roman Niewodniczanski zum Riesling. Und ebenfalls zu erwähnen, oder du hast es ja eben schon mal gesagt, zum Burgund und seiner aufwendigen Klassifizierung, anders kann man es ja nicht nennen, haben wir erst im vergangenen Dezember eine Folge gemacht.
Tobias
00:13:25
Stimmt.
Michael
00:13:26
Aber ich nehme jetzt noch mal Terroir, hast du gerade gesagt, ich nehme jetzt mal das Stichwort Boden auf, ja. Für den Spätburgunder sind am besten sicherlich so kalkgeprägte Böden, wie sie eben das Burgund ausmachen.
Tobias
00:13:41
Ja, ganz klassisch auf jeden Fall.
Michael
00:13:42
Und sorry noch mal, in der Champagne dann auch, sind die auch kalkig. Aber okay, auf anderen Böden, das setzt ja auch so ein bisschen voraus, du hast gesagt, die Rebsorte kann unterschiedliche Böden übersetzen. Das heißt aber auch, wir kennen sie auch von anderen Böden. Ja, also bei Becker in der Pfalz, da reden wir zum Beispiel von.
Tobias
00:14:05
Friedrich Becker.
Michael
00:14:06
Lehm und tonhaltigen Oberböden mit Kalkfelsen im Untergrund. Das spielt hier wieder eine Rolle. An der Ahr ist es dann oft diese Grauwacke oder auch Grauwackenschiefer mit Lehmanteilen. Also eigentlich was ganz anderes. Und was gibt es denn noch so? Keller am Kaiserstuhl, Fritz Keller, da sieht der Boden noch mal anders aus. Aber wie gesagt, da sind wir wieder beim Pinot Noir als Terroir-Übersetzer.
Tobias
00:14:36
Terroir-Übersetzer finde ich wirklich gut. Aber du weißt ja auch, als was man Pinot Noir oder Spätburgunder noch bezeichnet, nämlich als eine echte Diva. Denn die Rebe macht es den Winzerinnen und Winzern im Weinberg nicht immer ganz einfach. Also sie liebt zwar das kühle Klima, aber viel Hitze und Trockenheit, das macht diese filigrane, aromatische Vielschichtigkeit dann doch nicht mit. Also da entstehen dann auf einmal ganz andere Weine daraus. Außerdem ist die Rebe leider sehr anfällig für Pilzbefall. Also es ist anscheinend so das Gegenteil von einer PIWI-Rebsorte, haben wir ja auch schon drüber gesprochen. Und warum ist das so? Ja, ich hatte es ja schon erwähnt, die Trauben haben eine recht dünne Schale. Da geht natürlich der Pilz sehr, sehr gut durch. Und hinzu kommt auch noch, dass die Beeren an der Traube sehr dicht zusammenhängen. Und na ja, das ist dann wirklich gar nicht so witzig, insbesondere wenn eben dann auch Winzerinnen und Winzer keine, ich sage mal, chemischen Mittel einsetzen wollen. Da muss man sich dann schon wirklich was einfallen lassen. Aber es lohnt sich eben gerade durch diese filigrane Charakteristik der Weine, also ganz anders als so ein Cabernet Sauvignon, hat man eben auch diese schon gerade schwärmerisch beschriebene Stilistik.
Michael
00:16:08
Gut. Ja, nehme ich jetzt mal so hin. Ich will noch einmal zurückkommen auf deinen rollenden Stein. Ja, und bitte nicht als Musikanspielung verstehen, weil ich glaube, die Musik dieser Band passt einfach überhaupt nicht zu dieser Rebsorte. Entschuldigung, kann man mich jetzt für kritisieren, aber gehen wir noch mal auf diesen rollenden Stein zurück. Ja, ich durfte ja an diversen Stellen in diesem Podcast schon meine Freude an deutschen Spätburgundern zum Ausdruck bringen. Ja, und erinnere dich, wir waren auch mit Bei Anruf Wein schon bei solchen Weingütern wie Burggarten an der Ahr oder Rings in der Pfalz zu Gast. Ja, alles Top Spätburgunder-Adressen.
Tobias
00:16:52
Absolut.
Michael
00:16:52
Gerade die Rings-Brüder, ja, die haben im vergangenen Jahr richtig abgeräumt.
Tobias
00:16:57
2023.
Michael
00:16:57
Vom VINUM Weinguide zum Aufsteiger des Jahres gekürt und mit dem fünften Stern bedacht. Mehr gibt es nicht. Ja, muss man dazu sagen. Beim Meininger Rotwein-Preis in der Kategorie Spätburgunder Platz 1 erobert. Den Wein gibt es übringes bei uns. Ja, und zudem den Preis für die beste Rotweinkollektion auch noch erhalten. Also die machen nicht nur einen guten Wein, aber ich verliere mich jetzt im Rings-Universum. Worauf ich hinaus will, Tobias, Spätburgunder ist neben Riesling längst, längst zum internationalen Aushängeschild deutschen Weins aufgestiegen. Ja, ich glaube, so vollmundig kann man das jetzt wirklich sagen.
Tobias
00:17:43
Ja, also da sind wir natürlich mal wieder einer Meinung. Mein, wie war das noch mal, allerliebster Weinfreund. Wobei man ja aus eben diesem Grund noch ganz viele andere Weingüter nennen müsste. Also ich habe natürlich nichts dagegen, dass du jetzt hier Burggarten und Rings so featurest, aber es gibt natürlich wirklich ganz, ganz viele tolle Weingüter, auch abseits der der VDP-Klassifikation, die wirklich super Spätburgunder machen. Und ja, von den großen Pionieren bis zu anderen Aufsteigern in der Spätburgunder-Szene könnte ich jetzt dann auch mal welche beim Namen nennen, oder?
Michael
00:18:21
Hier besser nicht. Also klar, so Namen, die mögen immer Eindruck schinden, erklären sich ja aber nie von selbst. Wir haben hier eben über Vielfältigkeit, Vielschichtigkeit, Unterschiedlichkeit dieser Rebsorte gesprochen. Deshalb schlage ich jetzt mal vor, wir gehen besser auf deine Spätburgunder-Künstler ein, wenn wir da einen konkreten Anlass für haben, im konkreten Kontext, ja. Dann kann man sich das auch besser merken. Und ich sage mal so, deine Empfehlungen kommen dann viel besser an.
Tobias
00:18:53
Ja, ja, aber Künstler, hast du gerade gesagt, da ist ja schon ein konkretes Weingut mit tollem Spätburgunder beim Namen genannt. Aber mal im Ernst, deine Aussage über die Spitzen-Pinots aus deutschen Weinlanden muss man einfach so stehen lassen, das ist ganz klar. Um das jetzt mal mit einem Zitat von der unantastbaren Jancis Robinson aus England noch mal zu belegen, ich glaube, das stammt aus dem Jahr 2018, ist also schon ein bisschen her, aber das habe ich mir hier notiert, denn damals schrieb sie: „Buy German Pinot Noir now before it follows Burgundy into the unaffordable stratosphere“. Ja, also ich weiß jetzt nicht, ob meine Imitation von der guten Frau so gelungen war, aber es wird ganz deutlich, die hat das schon sehr, sehr früh erkannt und legt ja vor allem damit auch den Finger sozusagen in die Preiswunde des Burgunds, denn das kann sich ja kaum mehr jemand leisten. Geschweige denn, wenn man jetzt wirklich da noch Weine sucht, die erschwinglich sind, also da kommt sofort Verarmungsangst auf. Und da sind die deutschen Spätburgunder wirklich eine echte Alternative, wenn man über Preis-Genuss-Verhältnis nachdenkt. Ja, das wusste man außerhalb unserer Landesgrenzen schon viel eher. Wie generell, dass hier in Deutschland wirklich gute Weine entstehen. Da haben wir hier im eigenen Land viel länger dafür gebraucht. Aber ich glaube, das Bewusstsein ist mittlerweile da.
Michael
00:20:26
Okay, das hört sich nach einer deutschen Schamfrist an, aber es ist ja nie zu spät, Spaß mit deutschen Spätburgunder zu haben. Das kann man mal genauso kategorisch sagen. Ich sage immer: einfach mal einsteigen in die Materie. Ich bin ja eigentlich auch ein Spätberufener in Sachen Spätburgunder, haben wir eben darüber gesprochen, und du musstest mich tatsächlich so ein bisschen anleiten und hinführen.
Tobias
00:20:55
Musste sein.
Michael
00:20:56
Aber noch mal was ganz anderes, Wenn wir jetzt wirklich über die Anfänge des deutschen Spätburgunders reden, muss ich jetzt irgendwie mal eine ganz steile These unterbringen. Ja, pass auf. Ich glaube, dass der Aufstieg des Spätburgunders in Deutschland untrennbar mit der Einführung der Reife im Barrique verbunden ist. Also für mich hängen die beiden Dinge in Deutschland, Spätburgunder und Barrique, klar zusammen. So, wie sagst du immer? Basta.
Tobias
00:21:27
Ja, aber beim genaueren drüber Nachdenken ist die These ja gar nicht so steil. Also Barriquefässer, also diese kleinen Eichenholzfässer, die spielen immerhin schon seit, ich sage mal, Anfang der 1990er-Jahre in Deutschland eine Rolle, denn 1991 wird das Deutsche Barrique-Forum gegründet. Und das ist so ein Zusammenschluss, da sind Weingüter wie Dr. Heger mit drin, Bernhard Huber, Kessler oder auch Knipser. Und von Knipser weiß ich jetzt beispielsweise, dass die bereits in den 1970ern Spätburgunder gepflanzt haben. Ja, und der entscheidende, sage ich mal, Qualitätssprung, der kam dann erst, als die deutschen Spätburgunderreben durch Burgunder-Klone ersetzt wurden. Das heißt, müssen wir auch noch mal irgendwann eine Folge drüber machen, aber das meint eben Reben, die genetisch identisch mit den Originalen aus dem Burgund sind. Und ja, wie gesagt, das war schon in den 90er-Jahren. Und ich glaube ja, ab diesem Zeitpunkt fängt es halt eben auch an, dass es so eine gewisse Wahrnehmung für Spätburgunderweine aus Deutschland gibt. Also zumindest international. Und bei dem ganzen Thema 1990 muss ich dann auch noch an so eine Art, ja, eigentlich Schlüsselerlebnis auch für mich in Hinblick auf deutsche Spätburgunder denken. Denn bei einer privat veranstalteten Probe, das ist jetzt auch schon viele Jahre her, brachte jemand einen 1990er Spätburgunder von Friedrich Becker mit. Ich glaube, das war sogar der der Weinterminator. Den kennt man ja auch, wenn man ein bisschen im Netz unterwegs ist in Sachen Wein. Und ja, der war, wie gesagt, 1990, Spätburgunder und wir haben die Weine alle blind verkostet. Und ich habe den Wein eigentlich in die neue Welt verortet und ihn auch viel jünger geschätzt. Also der Wein war zu dem Zeitpunkt auch schon 20 Jahre alt, und das war ein wirklich richtig, richtig guter Wein. Und wie mir dann später gesagt wurde, angeblich der erste deutsche Spätburgunder überhaupt, der im Barriquefass ausgebaut wurde.
Michael
00:23:40
Mein Gott, da ist ja richtig Historie getrunken.
Tobias
00:23:42
Ich sag's dir.
Michael
00:23:44
Super, wenn ich das richtig im Kopf habe mit dem Barrique jetzt, ist es übrigens Fritz Keller am Kaiserstuhl, der schon 1979, 1978, ich weiß nicht genau, total sich Ärger eingehandelt hat mit der Aufsichtsbehörde, eben weil er einen Wein ins Burgunderfass, so hieß das dann damals, gelegt hat. Das war nicht vorgesehen. Das sollte so nicht sein. Gut, ja, Aber noch mal zu der internationalen Anerkennung. Ich glaube, so ein erstes, korrigiere mich bitte, aber so ein erstes großes Ausrufezeichen war der 1985er Assmannshäuser Höllenberg von August Kesseler. Aber das werden dann doch auch schnell wieder mehr Winzerinnen und Winzer, die entdeckt werden. Ja, und bis heute setzt sich das letztendlich fort. Also denke nur an den Aufsteiger des Jahres von eben aus der Pfalz. Kurzum man kann sagen, dieser Spätburgunder-Schub, der ist in Deutschland deutlich größer geworden.
Tobias
00:24:49
Ja, absolut. Und das, was wir gerade erzählt haben, ist ja auch wirklich witzig. Also Fritz Keller experimentiert schon Ende der 70er mit Fässern, mit Barriquefässern rum aus dem Burgund. 1985 gibt es mit dem Assmannshäuser Höllenberg, ich sage mal so, den ersten richtigen Qualitäts-Spätburgunder aus Deutschland. Ja, und 1990 habe ich dann sozusagen die Kombination in der Flasche zwischen Rebsorte und Fassausbau. Also das ist schon klasse. Und du weißt ja, ich liebe ja auch die Statistik und die Zahlen, die belegen eben diesen Aufstieg auch sehr eindrucksvoll, denn 1970 sind es gerade mal niedliche 3,6 % der Anbaufläche, die in Deutschland mit Spätburgunder bestockt sind. 2020 sind daraus dann schon 11,3 % geworden. Also ist fast das Dreifache. Aktuellere Zahlen, die gibt es da noch nicht, aber in der Größenordnung bewegen wir uns jetzt eben und die Tendenz ist durchaus steigend, denn es musste ja kommen - Achtung, mein Lieblingsthema: Der Klimawandel spielt den deutschen Anbaugebieten absolut in die Hände, wenn es um Rotwein geht. Und na ja, man muss sogar fast schon sagen, dieser Vorteil, der schmilzt langsam sogar dahin, insbesondere wenn man dann auf heiße Jahrgänge blickt und dann in so südliche Anbaugebiete wie Baden. Da wird es dann dem Pinot Noir schon fast ein bisschen zu warm.
Michael
00:26:19
Okay, pass auf, ich habe jetzt noch mal eine steile oder doch nicht so steile These und ich habe sogar einen Kronzeugen dafür. Louis Barruol vom Weingut Saint Cosme an der Rhône. Ja, und ich finde diese Kirscharomen, du hast eben auch noch Erdbeer ergänzt, das schweift ein bisschen ab, aber ich bleibe jetzt mal dabei, diese Kirscharomen verbinden den Pinot Noir tatsächlich mit dem Grenache oder dem Garnacha. Ja, selbst wenn die aus total unterschiedlichen Weinregionen und Klimazonen kommen. Ich will jetzt auch nicht Burgund versus Rhône aufmachen, da will ich gar nicht drauf hinaus, sondern mir geht es tatsächlich um die Kirsche als so einen gemeinsamen Fruchtgrundton.
Tobias
00:27:09
Ja, also ich finde das absolut richtig. Da musst du gar nicht so zurückhaltend sein. Ich finde auch diese Klarheit, von der ich immer wieder so gerne spreche, das haben diese beiden Rebsorten auch durchaus gemeinsam und das hat auch seine Gründe. Also neben diesen aromatischen Parallelen ist es eben auch so, Grenache hat auch eine sehr dünne Schale. Also auch daraus können sehr helle, fruchtbetonte Rotweine gemacht werden. Aber da muss man dann einfach sagen, Grenache fühlt sich im Vergleich zu Pinot Noir sehr wohl in etwas heißerem Klima. Und demnach findest du Grenache halt eben auch meistens in anderen Klimaregionen. Und das hat wiederum zur Folge, dass daraus eher kraftvolle Weine entstehen. Und so, dass dann ja, die fertigen Weine unterscheiden sich dann doch meistens relativ stark in der Stilistik. Aber du hast mit den Parallelen erstmal vollkommen recht.
Michael
00:28:07
Ja, Entschuldigung, ich bin es selber schuld. Also wir haben ja schon eine eigene Folge Bei Anruf Wein zu Grenache.
Tobias
00:28:14
Das stimmt.
Michael
00:28:16
Und ja, ich bin jetzt vom Spätburgunder abgekommen. Aber nun denn, ich ich habe eh so das Gefühl, dass wir uns heute ein wenig im Wein-Philosophieren verloren haben. Pass auf, deshalb frage ich jetzt ganz pragmatisch, auch eingedenk der lieben Zuhörerinnen und Zuhörer noch mal ab: Haben wir noch irgendwelche konkreten Daten und Fakten zum Thema Pinot Noir, die wir irgendwie nachtragen müssen?
Tobias
00:28:40
Ach, komm. Du versuchst mir doch jetzt nur irgendwie heimlich so eine Steilvorlage zu präsentieren, weil du willst so bestimmt jetzt auch noch was zu der Wortherkunft von Pinot Noir sagen. Das ist doch einfach dein Ressort. Komm, hau raus!
Michael
00:28:53
Ja, da pass auf, ich mache das jetzt gerne, aber ich mache es auch kurz und schmerzlos. Du hast ja vorhin schon mal so die Dichte angesprochen der Beeren an der Traube. Das Pinot kommt nämlich eigentlich von dem französischen Wort „pin", also was im Französischen „Pinie", also Kiefer bedeutet, und auf die Form der Traube abzielt, die dicht ist und geformt wie ein Kieferzapfen.
Tobias
00:29:20
Okay, das wusste ich auch noch nicht.
Michael
00:29:22
Ja, das war doch jetzt schon fast ein Merksatz für unsere kleine Zusammenfassung.
Tobias
00:29:25
Ja, für die Zusammenfassung am Schluss, genau. Du willst also jetzt hier schon Feierabend machen, ich weiß schon, aber du hast irgendwie noch nicht alles zum Thema Namensherkunft verraten, denn die Rebsorte heißt ja hierzulande auch Spätburgunder. Und dazu möchte ich dann jetzt vielleicht noch was sagen, denn diese Bezeichnung „Spätburgunder" ist eigentlich total irreführend, denn man kann überall nachlesen und das wird ja auch jeder bestätigen, die Rebsorte reift vergleichsweise früh und der Name ist dadurch lediglich eine Abgrenzung zur Rebsorte Frühburgunder, das ist ja so eine Mutation von Spätburgunder, und Frühburgunder reift tatsächlich noch mal, ich sage mal, so zwei Wochen vor dem Spätburgunder aus. Und ja, deswegen halt eben dieser eigentlich gar nicht so sich logisch zu erklärende Name. Genau, aber ich sage mal, das nehmen wir jetzt mal so als Auftakt zu den Merksätzen zum Schluss. Ich fange dann mal jetzt offiziell an. Also der Pinot Noir kommt ursprünglich aus dem Burgund, ist inzwischen aber eine international angebaute Rebsorte, die insbesondere in Deutschland ganz außergewöhnliche Weine hervorbringt.
Michael
00:30:41
Allerdings. Und hierzulande nimmt der rollende Stein des Spätburgunders Ende der 1980, Anfang der 1990 richtig Fahrt auf. Das deutsche Burgunderwunder verdankt sich der Option, für gleichfalls hervorragende Pinots deutlich weniger Geld auszugeben. Bedeutet aber nicht, dass die Preise für die Top-Spätburgunder aus Baden, der Pfalz, aus Rheinhessen und Württemberg, aus dem Rheingau oder von der Ahr, oder ja, ich könnte jetzt auch meinetwegen fast alle Anbaugebiete nennen, spürbar gestiegen sind in den vergangenen Jahren.
Tobias
00:31:20
Ja, das stimmt leider. Aber das sollte niemanden davon abhalten, sich auf deutsche Spätburgunder einzulassen. Denn zum einen gibt es von den großen Namen meist gute Einstiegsweine, zum anderen finden sich auch in der zweiten Reihe der öffentlichen Aufmerksamkeit grandiose Entdeckungen. Also einfach mal durchprobieren. Und das liegt dann preislich betrachtet alles im grünen Bereich. Zumindest meine ich das im Vergleich zu den Weinen aus dem Burgund.
Michael
00:31:46
Ja, und was wir an dieser Stelle nicht vergessen wollen: Tobias meint natürlich, dass die Rebsorte Pinot Noir besonders gut die Lage übersetzt, in der die Rebe wächst. Also das war's jetzt aber auch mit den Merkpunkten, bitte.
Tobias
00:32:01
Ja, das ist klar. Ich bin einverstanden. Und ich habe jetzt auch gar nicht noch irgendeinen Last-Minute-Punkt, der mir eingefallen ist. Ich sage jetzt nur an unsere Hörerinnen und Hörer, Michael und ich bedanken uns sehr für eure Aufmerksamkeit und wir wünschen euch natürlich weiterhin schöne Weinmomente, gerne natürlich mit Spätburgunder oder Pinot Noir, und zwar, bis es das nächste Mal wieder heißt:
Michael
00:32:25
Bei Anruf.
Tobias
00:32:28
Wein.