Bei Anruf Wein – der Weinpodcast

Weinfreunde.de

Steitz & Beck in Rheinhessen: Herbst im Weinberg

01.10.2024 37 min

Zusammenfassung & Show Notes

Mit einem Besuch in Rheinhessen präsentieren Michael und Tobias den letzten Teil ihrer Jahreszeiten-Reihe – Herbst im Weinberg. Christian Steitz und Michael Beck begrüßen die beiden inmitten der heißen Erntephase und erzählen von ihren Steitz & Beck Weinen, den Herausforderungen während dieser alles entscheidenden Phase des Jahres sowie dem Unterschied zwischen Hand- und Maschinenlese. Letzteres darf Tobias dann live miterleben, ein Namensvetter, der eigentlich Steuerberater ist, nimmt ihn auf einem Vollernter mit in die Rebzeilen.

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Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken  

Transkript

Michael
00:00:02
Bei Anruf Wein. Der Weinfreunde Podcast.
Tobias
00:00:09
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde. Mein Name ist Tobias. Willkommen Bei Anruf Wein. Die heutige Folge markiert den letzten Teil unserer Jahreszeitenreihe. Dabei ist der Herbst sicherlich das Highlight, denn Michael und ich reisen mitten in der Weinlese nach Rheinhessen. Hier treffen wir die beiden Winzer Steitz und Beck, um mit ihnen über diese heiße Phase im Weinberg zu sprechen. Das Beste: Ich darf zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Vollernter mitfahren. Eine großartige Erfahrung mit einem Namensvetter und Steuerberater. Hingegen berichtet uns Michael von der mühsamen Lese per Hand. Mühsam ist es übrigens gar nicht, den Bei Anruf Wein-Podcast zu bewerten oder auch eine Rezension zu hinterlassen. Bitte macht das nachher noch. Also bleibt mal dran. Wir fangen direkt an! Ja? Grüß euch. Neben mir stehen jetzt tatsächlich Steitz und Beck sozusagen, nämlich Christian Steitz und Michi Beck. Euch besuchen wir heute für unsere Folge Herbst im Weinberg. Aber eure Namen habe ich jetzt so betont, weil eure Weine, die ihr gemeinsam macht, die kennt man sogar aus dem REWE Supermarkt. Und da möchte ich euch jetzt erst mal bitten, ein paar Takte dazu zu sagen, weil wenn Michael und ich irgendwie Supermarktwein hören, haben wir nicht immer automatisch die besten Assoziationen damit. Aber ihr habt da ja wirklich sehr erfolgreiche Produkte lanciert.
Steitz
00:01:33
Also wir sind Christian Steitz und Michael Beck, betreiben das ganze Projekt seit 2011. 2011 war das erste Jahr im Frühjahr, wo wir gestartet sind und...
Beck
00:01:44
...Vielleicht ist zu erwähnen, dass der Christian sowie auch ich selbst ein eigenes Weingut haben. Sehr erfolgreiches Weingut, wir sind direkte Flaschenweinvermarkter, haben unsere eigene Vertriebsstruktur, sind im Mittelbereich von allen führenden Weinführer. Und die Idee war damals von Einkäufer REWE, einen eigenen Winzerwein zu machen, also einen Wein etwas mehr zu personalisieren. Aber die Grundidee ist wirklich das, dass wir sagen, wenn wir Wein machen, egal in was für eine Linie das geht, machen wir das so, als wenn wir es für uns machen würden. Aus diesem Grund auch unseren Fingerabdruck drauf.
Steitz
00:02:18
Also es sind beide Fingerabdrücke drauf und es sind einfach. Es sind klassische Rebsorten, wo wir uns unsere eigene Stilistik draufsetzen und auch nur abgefüllt wird, was uns wirklich gefällt, was uns schmeckt, wo wir zufrieden damit sind. Deswegen der Fingerabdruck.
Tobias
00:02:34
Unsere Folge heißt „Der Herbst im Weinberg" und wir sind besonders gerne heute bei euch, weil wir nachher, wenn wir sozusagen in den Außentermin gehen, die Möglichkeit haben, auch unseren Hörerinnen und Hörern mal den Unterschied zwischen Handlese und Lese mit einem Vollernter zu zeigen und vorzuführen sozusagen. Das wird spannend, da freue ich mich schon drauf. Aber wir müssen ja jetzt erst noch mal eins zurück. Die Lese läuft. Es ist der wichtigste Zeitraum, glaube ich, für ein Weingut. Und wir sind froh, überhaupt hier sein zu dürfen, weil viele ja sagen, da will ich mit niemandem sprechen in der Zeit. Aber vielleicht mal so, um den Auftakt hinzubekommen. Wie lief das Jahr 2024? Wir haben nämlich schon teilweise Storys gehört, die jetzt nicht so positiv waren.
Steitz
00:03:21
Also das Jahr 2024, ich habe ja vorhin schon erwähnt, wir sind so die Region, die ein Cool Climate ist, und wir hatten dummerweise so Ende April, 21., 22. April Cool Climate. Also wir hatten Frostnächte und hier die Region hat so 50, 60 % erwischt, dass viele Weinberge einfach erfroren sind. Und das war eine starke Herausforderung im ganzen Jahr, weil die alle ungleichmäßig gewachsen sind. Dann hatten wir noch ein bisschen recht feuchtes Jahr, was als Bio Weingut, was wir hier betreiben, schon eine Herausforderung war.
Beck
00:03:58
Wir sind also auch seit diesem Jahr Bio zertifiziert. Es war schon eine Herausforderung mit dem Feuchtejahr und die Alten haben früher immer gesagt, ich halte ein Halbjahr, und das trifft eigentlich schon so ein bisschen zu. Aber die andere Seite ist ja genau das, was uns eigentlich, die nördlichen Anbaugebiete, ausmachen, ist ja der jährliche Unterschied, da jährlich neu drauf einzugehen. Und ihr habt vorhin gesagt, ihr seid im Herbst. Ich weiß nicht, ob wir das jetzt persönlich nehmen dürfen, weil wir mittlerweile so langsam in unserem Winzerherbst sind, und die nächste Generation langsam übernimmt. Und es hat aber, so ein Winzerherbst hat aber schon seinen Vorteil, weil man hat nicht nur einen Herbst hinter sich. Bei mir sind es mittlerweile fast 40 und es sind schon, und da kann man schon ein bisschen aus der Erfahrung schöpfen und da kann man auch aus der Erfahrung von einem Jahr schöpfen, von dem Jahr, das sich anbietet, weil man es ähnlich schon mal erlebt hat. Und es tut teilweise halt eben auch ganz gut. Und dieses Jahr war viel Erfahrung gefragt.
Michael
00:04:57
Okay, Altweibersommer wäre ja jetzt auch nicht besser gewesen als Herbst, ne? Also wenn man bei dem Witz bleibt.
Beck
00:05:03
Aber auf den warten wir jetzt dringlich, den brauchen wir jetzt noch ein bisschen, den Altweibersommer. Der stellt sich ja momentan gerade ein und das ist ja ganz nett.
Michael
00:05:10
Aber du hast jetzt gerade deine langjährige Erfahrung angesprochen. Ganz viel ist ja die Rede von Klimawandel. Wie zeigt der sich? Du aus deiner persönlichen Erfahrung, was hat sich da so getan?
Beck
00:05:23
Also was für mich ganz wichtig ist, gegen jede Diskussion, den Klimawandel gibt es. Der ist da. Und das muss ich eigentlich immer wieder ganz deutlich sagen, auch deutlich Kollegen, all meinen Kollegen gegenüber. Wir sind als Winzer eigentlich, im Klimawandel waren wir die letzten 40 Jahre die Profiteure. Wir hatten kontinuierlichere Herbste gehabt, wir hatten höheres Mostgewicht gehabt, man hatte weniger Säure gehabt. Es gab, also ich kann mich an die 80er noch erinnern, 84 war mein erster Jahrgang. Das war einer der grausamsten, den ich jemals hatte. Da gab es Regionen in Deutschland, wir haben vorhin vom pH-Wert gesprochen, der war unter 3 und wir haben von Säure gesprochen, die waren nicht nur zweistellig, sondern da hat vorne die 2 davor gestanden und da hat man wirklich, ich hatte damals einen Zimmerkollege gehabt, auch von der Mosel, der hatte am 15. November angefangen mit der Lese. Also nur zum Thema Klimawandel. Natürlich hat sich vielleicht in den letzten 10 Jahren, also seit den 2010er, 2020er wieder ein bisschen was mehr eingestellt. Es wird alles Wärme. Die Trauben werden sehr reif, bekommen höhere Alkoholgehalte, bekommen weniger Säure. Man muss Lesetermine dementsprechend früher verlegen. Man liest nicht mehr. Unsere Großväter und Väter würden sich im Grabe umdrehen, wenn man sagt, okay, wir lesen jetzt nach der Säure. Wir lesen, dass das Mostgewicht nicht so hoch wird. Die würden sagen, ihr seid verrückt, seid froh, dass es so ist. Also Jahrgang 76 als der Jahrhundertjahrgang, wo es damals nur Süßes gegeben hat und nur so im Hinterkopf, und es ist selbst teilweise schwer, das aus meinem Kopf rauszubekommen, zu sagen...
Tobias
00:07:14
...dass das das Ziel sein muss, dass.
Beck
00:07:16
...dass das das Ziel sein muss, weil es halt eben noch andersherum kenne. Also weil ich halt noch das kenne, eher habe ich ein bisschen mehr Mostgewicht, also ein bisschen mehr Süße als zu wenig. Aber man, muss ich gerade, wir habe 70 % Burgunder, in diesem Bereich sich sehr, sehr stark umstellen. Man muss Blattmasse reduzieren. Das ist ein Punkt, wo man früher von einem Blattfruchtverhältnis, eine Traube zu acht Blätter. Die brauchen wir heute nicht mehr. Wir müssen höher gehen. Also es gibt Stellräder, das ist wirklich Erfahrung, an denen kann man drehen oder muss man drehen, aber das musst du ausprobieren. Das kann auch schiefgehen.
Tobias
00:07:56
Ja, ja. Spannend. Bevor wir jetzt weiter zum Thema Lese noch mal sprechen, was ja so total augenfällig ist im Herbst, gibt es noch irgendwie andere Tätigkeiten? Also jetzt Stichwort Weinkeller, die quasi parallel im Herbst, vielleicht kurz vor der Lese oder so was noch zu erledigen sind?
Steitz
00:08:16
Die meisten Winzer fahren Mitte August erst mal in Urlaub und dann spielt sich das Ganze ein. Fässer saubermachen, alles wird wieder auf Null gedreht. Man fängt wieder von vorne an, alles wird saubergemacht, von links nach rechts, nach hinten, vorne, Presse, Entrappe, Pumpen, Schläuche, einmal so eine Grundreinigung. Das läuft einmal im Jahr. Das ist immer kurz vorm Herbst. Und dann ist man hoffentlich rechtzeitig fertig und wartet dann gespannt auf die Lese, wann es losgehen kann. Letztes Jahr kam der Zeitpunkt ein bisschen holterdiepolter, da waren viele noch mit anderen Sachen beschäftigt. Dieses Jahr gab es uns ein bisschen mehr Zeit und wir konnten eigentlich sehr, sehr gemütlich in den Herbst reinlaufen. Wir haben jetzt für unser Projekt gestern die letzten Grauburgundertrauben reingeholt in die Kellerei. Das lief alles sehr, sehr, sehr reibungslos.
Tobias
00:09:10
Und kommt dann da Hektik dann auf im Keller, wenn die Trauben angeliefert werden, oder ist das irgendwie ein sehr einstudierter, ruhiger Prozess?
Beck
00:09:17
Also sollte eigentlich, sollte eigentlich nicht passieren. Also normalerweise sollte man wissen, was passiert. Es hängt natürlich wirklich dann von dem Lesetermin ab. Wie letztes Jahr, kommt schon Hektik, dann muss man schon die Hose wackeln lassen, um da eben wirklich die Menge zu bewältigen. Weil du bist dann halt eben mit Überkapazität. Du bist dann mit viel Menge dran, weil das dann wirklich, es geht dann wirklich um einen Tag oder um einen, um einen halben Tag, wo das Material reif ist und wo es gelesen werden muss. Und unser Ziel ist ja auch, wir wollen ja das hochreif bekommen, also auf den Punkt bekommen. Also da kann schon ein bisschen Hektik passieren. Dieses Jahr ist es eher ruhig. Also ich mache mir momentan mit meinem Handleseteam Gedanken, was die jetzt zwischenzeitlich machen können, weil mir eigentlich von der Reife noch nicht so weit sind, dass man, aus diesem Grund war der Ansatz Altweibersommer. Auf den Altweibersommer warten wir jetzt noch ein bisschen, dass man vielleicht noch 1, 2 Wochen, eine Woche schieben können. Ich habe gestern Riesling gemacht. Riesling sind eigentlich definitiv noch gar nicht. Die brauchen mindestens bei uns, selbst bei uns, wo es wärmer ist als beim Christian, braucht mindestens noch eine Woche bis 2, bis mir die echt mal anfangen kann zu lesen.
Michael
00:10:29
Also „Lese", das hört sich ja immer so schön romantisch an, und manche verbinden damit die Vorstellung einmal raus und fertig. Aber es ist ja ganz anders. Also ihr habt unterschiedliche Lagen, ihr habt unterschiedliche Rebsorten, die verlangen nach unterschiedlichen Termine aufgrund ihrer Reifeentwicklung. Eigentlich ist es ja so eine richtige Kampagne, die man planen muss und wo man auch das Personal vorhalten muss. Wie aufwendig ist es eigentlich, so eine Lese zu organisieren?
Steitz
00:10:56
Also diese Kampagne ist, also man macht einen Superplan. Man überlegt sich das, wie das wird, wie das Wetter wird, und dann überlegt man sich, macht eine Tabelle, wann wo gelesen wird. Und den Plan braucht man auch, weil sonst könnte man am nächsten Tag keinen umschmeißen.
Beck
00:11:14
Sonst kann man ja keine fortschmeißen. Also das kann man gar nicht falsch machen.
Michael
00:11:18
Das Wetter schlägt plötzlich um und schon geht was, ne?
Steitz
00:11:20
Es kommen immer wieder Sachen, die, dann doch, dass geerntet werden. Oder das mit der Hand und das mit der Maschine. Man braucht einen Plan, damit man immer wieder umschmeißen kann.
Beck
00:11:31
Na gut, du bist aber permanent, bist du am Kontrollieren, am Gucken, guckst dir die Weinberge an. Wie sieht's aus? Nimmst du den jetzt, nimmst du den jetzt? Muss das vorgezogen werden? Also wir hatten zum Beispiel letzte Woche das Thema Muskateller, das war innerhalb von drei Tagen total platt. Und da waren wir nicht die Einzigen, die am Sonntag Muskateller gelesen haben. Dann muss halt der Sonntag auch wirklich mal dran. Das ist so. Und es ist halt, wie der Christian sagt, es ist, wenn man einen Plan hat, damit man ihn umschmeißt oder wegschmeißt. Das ist, es ist halt individuell jedes Jahr, und jede Lage ist auch anders. Das ist, aber das ist doch unser Job, das ist doch das, was Spaß macht. Das ist doch, dieses Monotone ist ja das, die Abwechslung ist ja das, was wir, was ich mir damals in dem Beruf ausgesucht habe. Nicht jeden Tag das Gleiche zu machen und jeden Tag meinen Bleistift dreimal zu drehen, damit der spitz ist, um drei Stunden später das noch mal zu tun.
Tobias
00:12:23
Also man braucht schon dann auch so ein bisschen Geduld. Weil ich sag mal, jedes Jahr hat ja dann irgendwie so eine individuelle Prägung. Man kann nicht alles irgendwie beeinflussen. Und den neuen Versuch, den kriegt man dann manchmal wirklich auch erst ein Jahr später. Ist das...
Steitz
00:12:40
Das ist der entscheidende Vorteil von Köchen. Die haben jeden Tag den Versuch und die Möglichkeit, sich zu profilieren. Bei Winzern ist es so, dass wir einfach nur einmal im Jahr die Chance haben. Wir arbeiten auf diesen Herbst darauf hin, dass die Trauben, dass die Weinberge schön dastehen, dass wir eine gute Qualität ernten können. Das ist schon eine Herausforderung.
Tobias
00:13:01
Ja, da muss man schon die Ruhe behalten, auch wenn mal was nicht klappt. Weil sonst, glaube ich, wird es ja wahrscheinlich frustrierend. Aber ja, so schätze ich euch auf jeden Fall auch ein. Wenn man jetzt noch mal den Erntezeitraum sich in Gänze anschaut, wie lange dauert das jetzt eigentlich? Ihr fangt jetzt irgendwie Mitte September an und dann geht das wie lange?
Steitz
00:13:24
Es gibt Ernten, die dauern 3 Wochen, manchmal auch 2 Wochen. Und dieses Jahr, so wie die Riesling, der Michael hat schon gesagt, die Riesling sind noch ein bisschen, die brauchen noch ein bisschen Zeit, die sind noch recht sauer und auch von dem Reifezustand kann das noch ein bisschen, dann kann sich das nach hinten raus schon noch. Das kann schon 4 Wochen, 5 Wochen ziehen.
Beck
00:13:45
Ja. Letztes Jahr waren wir, bei mir in unserem Weingut in zweieinhalb Wochen fertig. Das ist das, was du als Stress gesagt hast. Dann musst du halt eben, da musst du dich auch organisieren, da musst du dich anders organisieren. Da bist du halt mit 2 Mann im Betrieb, und da schaffst du halt im Schichtsystem. Da muss der eine, der eine ist, Christian hat erzählt, er war heute Morgen um 5:00 Uhr draußen und hat mit dem Vorländer gelesen bekommen. Und dann bist du halt morgens um 3:00 und um 4:00 Uhr draußen und dann legst du dich mittags noch mal 2Stunden hin. Das sind aber nur zweieinhalb Wochen, die hält man auch, die hält man nun, die hält man schon mal durch. Also das geht, das geht schon mal. Mit viel Kaffee und viel Schokolade geht das schon mal. Und dieses Jahr merkt er auch, wir sind beide relativ entspannt. Es zieht sich halt. Es ist auch schön. Das macht auch Spaß. Das macht dir mehr Spaß. Du hast mehr Zeit. Ich habe 2015 irgendwann mal Trockenbeerenauslese gemacht, wo wir Rosinen gepickt haben. Und da hat meine Frau gesagt, die Herbste, die nicht in Stress ausarten, sind nicht gut für uns, weil der Michael kommt immer auf blöde Ideen, die viel Geld kosten.
Tobias
00:14:49
Ja, wunderbar. Vielen Dank für jetzt erst mal diese ganzen Basisinformationen. Wir sind aber natürlich jetzt besonders gespannt, mit euch rauszugehen, nach draußen zu gehen. Es ist herrliches Wetter. Ich glaube, es ist auch wirklich gutes Erntewetter. Und ja, ich denke mal, wir machen uns jetzt auf in den Weinberg. Wir müssen ja jetzt, glaube ich, den Vollernter erst mal suchen und dem hinterher fahren, denn das wird jetzt unsere nächste Station sein. Also bis gleich. So, krasser Szenenwechsel. Gerade waren wir noch mit Steitz und Beck unterwegs und schon sitze ich hier leibhaftig in einem Vollernter. Und der Fahrer, der neben mir sitzt, ist jetzt weder Christian noch Michi, sondern mein Namensvetter Tobias. Hi.
Tobias Vollernter
00:15:34
Ja, hallo Tobias, Freut mich sehr, dass du hier bist.
Tobias
00:15:37
Ja, also ich finde es wirklich spannend, weil auf einem Vollernter saß ich noch nie. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht mal so genau, wie der funktioniert. Aber zunächst mal vorneweg, wenn ich früher Vollernter gehört habe, habe ich immer gedacht: Oh Gott, oh Gott, das, was mit einem Vollernter irgendwie geerntet wird, das kann ja eigentlich nur zu minderer Qualität verarbeitet werden. Aber ich habe auch mitbekommen, es hat sich technisch in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel getan. Also demnach versuch mich doch mal davon zu überzeugen, dass Vollernter wirklich gute Arbeit leisten.
Tobias Vollernter
00:16:15
Ja, das ist natürlich schwierig. Aber sagen wir mal, ein Vollernter ist natürlich von außen eine imposante Erscheinung. Und wie du schon gesagt hast, die Entwicklung hat da viel getan und innen ist er sanft zur Rebe. Also das ist wirklich mittlerweile ein schonendes Lesen innen. Man hat mehrere Reinigungsstufen in so einer Maschine, wo, ich sage mal, unerwünschtes Blattgut oder was auch immer abgesaugt wird. Oder man hat Dinge wie eine Entrappe auf der Maschine, die einfach für ein extrem sauberes Lesegut sorgen können.
Tobias
00:16:47
Versuche uns doch mal so mit möglichst anschaulichen Worten zu beschreiben, wie so ein Vollernter überhaupt funktioniert. Ich stand ja jetzt eben schon mal draußen. Für mich ist das Prinzip jetzt so kurzgesagt: rütteln.
Tobias Vollernter
00:17:01
Ja, das ist schon mal gut zusammengefasst. Das hast du sehr gut beobachtet. Also im Prinzip macht sich so ein Vollernter ein physikalisches Gesetz zunutze: die Trägheit der Masse. Der bringt quasi den Stock ganz schnell in Schwingung und schüttelt. Und da dabei reißen dann die Trauben ab, fallen nach unten, werden dort aufgefangen, fallen dort auf ein Förderband. Das Förderband läuft an zwei sogenannten Sauggebläsen vorbei. Das ist, was ich vorhin kurz erwähnt hatte, dort werden dann Blätter abgesaugt, um möglichst, wie gesagt, sauberes Lesegut zu erhalten.
Tobias
00:17:39
Okay, und die Rebe? Nachdem du da jetzt hier drübergefahren bist? Und wie gesagt, es rüttelt hier eigentlich kaum, wenn wir hier oben sitzen. Der Rebe geht es danach auch immer noch gut?
Tobias Vollernter
00:17:49
Ja, also wie gesagt, das Schütteln, das findet sehr, sehr schonend statt. Die Rebe wird auch mehr so, ich sag mal, in die Mangel genommen. Also es ist kein Schlagen auf die Rebe oder so was, wo Verletzungen entstehen, sondern die wird umgriffen, schnell geschüttelt von den Stäben und dann geht es weiter. Also da, denke ich, entstehen keine Verletzungen an der Rebe und die kann normal weiterleben danach.
Tobias
00:18:14
Ja, eine Selektion ist jetzt hier natürlich nicht wirklich möglich, aber da gehen ja dann, sage ich mal, wenn wirklich das Lesegut sehr unterschiedlich noch am Stock ist, gehen die Winzerinnen und Winzer ja vorher auch, sage ich mal, bevor du kommst hier durch, damit du auch wirklich gleichmäßiges Lesegut ernten kannst, oder?
Tobias Vollernter
00:18:34
Ja, genau. Also das ist natürlich eine Sache. Selektieren kann eine Maschine am Weinberg nicht. Also sie fährt drüber und was ab ist, ist ab.
Tobias
00:18:41
Ja.
Tobias Vollernter
00:18:42
Können wir mal Pause machen? Sorry, weil ich muss, das kriege ich jetzt nicht hin.
Tobias
00:18:46
So, kurze Pause. Wir müssen wenden. Find ja, die Maschine, die hat auch so was, fast so was Tiermäßiges, wenn man die von außen sieht. Das ist irgendwie wie so ein, wie so ein Insekt.
Tobias Vollernter
00:19:05
Bei der Größe denkt man gar nicht, dass so eine Maschine so wendig sein kann und so um die Kurve gehen kann. Das ist schon beeindruckend. Und für jemanden, der das noch nie gesehen hat, unvorstellbar.
Tobias
00:19:14
Noch mal zurück zu dem Thema Vorselektion und Qualitäten.
Tobias Vollernter
00:19:19
Ja, genau. Also was so eine Maschine eben nicht kann, sie kann eben nicht am Weinstock selektieren, wie das quasi ein Mitarbeiter tun könnte, wenn er vor dem Weinstock steht und dann die Trauben rauslesen kann. Deshalb ist eine Vorarbeit vom Winzer hier entscheidend. Und je besser der Winzer vorarbeitet, desto besser auch das Leseresultat und das Ergebnis, was wir hier erzielen. Wenn der Winzer vorher durchgeht und faule Trauben oder unreife Trauben insbesondere auch rausschneidet und dann mit dem Vollernter nachgelesen wird, kann man natürlich ein Ergebnis erzielen, ähnlich wie bei einer Handlese.
Tobias
00:19:53
Ja, genau. Das relativiert eigentlich jetzt auch total meinen Vorbehalt, den ich hatte, weil es letztlich ja dann doch auch noch eine Zusammenarbeit ist zwischen Winzer und dem Vollernter. Er hat immer noch komplett in der Hand, was dann auch mit dem Vollernter gelesen wird. Bringt dann noch mal ein bisschen Mehraufwand, wenn man natürlich vorselektieren muss. Aber es ist natürlich allemal nicht so aufwendig wie eine Handlese.
Tobias Vollernter
00:20:15
Ja, definitiv. Und wie gesagt, es ist einfach schneller und man kann den Witterungsverhältnissen besser trotzen.
Tobias
00:20:22
Und sag mal, hast du jetzt irgendwie so ein Vollernter-Führerschein?
Tobias Vollernter
00:20:26
Nee, nee, ich habe eigentlich einen ganz normalen Autoführerschein.
Tobias
00:20:29
Und das reicht?
Tobias Vollernter
00:20:30
Ja. Damit kann man das Ding fahren.
Tobias
00:20:32
Okay. Und warst du denn jetzt sage ich mal auf so einer Vollernter-Akademie. Und wie kann man sich damit eigentlich seinen Lebensunterhalt finanzieren? Weil Ernte ist ja nur einmal im Jahr. Oder bist du dann irgendwie im Frühling in Südamerika unterwegs?
Tobias Vollernter
00:20:47
Ja, genau. Wir sind rund um den Globus tätig.
Tobias
00:20:51
Das glaube ich irgendwie nicht.
Tobias Vollernter
00:20:52
Die Dinge werden dann verschifft und dann geht es in Australien weiter. Und so weiter und so fort. Nein, nein, das ist eigentlich nur ehrlicherweise so ein kleines Hobby von mir.
Tobias
00:21:00
Okay.
Tobias Vollernter
00:21:01
Im wahren Leben mache ich was ganz anderes und sitze eigentlich auch eher am Schreibtisch. Und ja, die Leidenschaft, die hat mich so, ich sage mal, vor 20, 25 Jahren gepackt. Das war ein Studentenjob. Damit ging es los. Also ich bin hier in der Region groß geworden. Opa, Onkel hatten ein Weingut, damit kamen wir in Berührung. Und plötzlich war die Anfrage da, und die Semesterferien haben die Zeit hergegeben. Und plötzlich saß ich auf so einem Ding und es hat Spaß gemacht und hat mich mein Leben lang begleitet und ist irgendwie auch was, was ich im Leben nicht missen möchte. Also das heißt, um auf deine Frage zurückzukommen, mein täglich Brot verdiene ich damit nicht.
Tobias
00:21:36
Okay. Was machst du?
Tobias Vollernter
00:21:37
Vielleicht bessere ich die Haushaltskasse auf damit, aber mein eigentlicher Job ist, ich bin Steuerberater in einer Bank.
Tobias
00:21:46
Okay, das ist ja nun mal jetzt wirklich ganz, ganz anders.
Tobias Vollernter
00:21:49
Ziemlich konträr zu dem, was wir hier gerade erleben.
Tobias
00:21:52
Kann man wohl sagen. Und gehört dir denn diese Maschine hier?
Tobias Vollernter
00:21:55
Nee, nee. Also, da bin ich auch nur Angestellter. Die gehört im Nachbarort, das ist ein Lohnunternehmer, dem Jörg Zimmermann. Der hat insgesamt 4 davon. Und ja, da sind wir ganz gut ausgebucht.
Tobias
00:22:09
Und weißt du, was so ein Ding kostet?
Tobias Vollernter
00:22:12
Ja, die Preise können bis zu, je nach Ausstattung natürlich und Motorleistung, bis zu 400.000 € gehen.
Tobias
00:22:19
Boah! Da muss man dann schon auch ordentlich unterwegs sein. Also am besten ja dann irgendwie die komplette Erntesaison jeden Tag, solange es geht, von morgens bis, und der Job fängt ja, glaube ich, auch relativ früh an, ne?
Tobias Vollernter
00:22:35
Ja, das ist so ein Manko. Das...
Tobias
00:22:38
Dann warten wir kurz.
Tobias Vollernter
00:22:40
Tom?
Tom
00:22:41
Ja? Hallo, Tobi. Also, bis jetzt führt das hier unglaublich. Ich bin wirklich fertig in Bonn.
Tobias Vollernter
00:22:46
Alles klar, ich gebe es weiter.
Tom
00:22:48
Gib es weiter, genau. Also bis 5, ja.
Tobias Vollernter
00:22:52
Ja, ja. Bis dann! Ja, Das war live dabei, wie man hier quasi noch Aufträge managt. Aber ja, es geht morgens sehr früh los. Das ist ein Manko, oder das ist quasi der Unterschied zum Bürojob, wo man irgendwie um 9:00 Uhr am Schreibtisch sitzt und hier dann doch mitten in der Nacht. Heute Morgen beispielsweise musste ich um halb 3 aufstehen und war um 4:00 Uhr am ersten Weinberg, weil...
Tobias
00:23:19
Ist ja irre, da ist es ja noch dunkel.
Tobias Vollernter
00:23:22
Ja, da ist es noch dunkel, aber die Maschine ist mit sehr viel Licht ausgestattet. Die macht die Nacht zum Tag.
Tobias
00:23:28
Ja. Wahnsinn. Ja, super. Das hat mir jetzt hier einen klasse Eindruck gegeben. Vor allem, man kann ja hier auch irgendwie durch einen Glasboden schauen und sieht wirklich, dass die Rebe auch mittig durch die Maschine geführt wird. Und wie lange geht jetzt für dich die Saison noch? Kannst du das abschätzen?
Tobias Vollernter
00:23:47
Also die Saison geht sicherlich, ich würde mal sagen 3, 4 Wochen. Aber für mich nicht, weil mein Arbeitgeber mir so lange keinen Urlaub gibt und ich auch so lange keinen Urlaub habe.
Tobias
00:23:56
Ja klar.
Tobias Vollernter
00:23:57
Deshalb sind es bei mir nur 2 Wochen, aber die versuche ich dann schon intensiv zu nutzen, weil wie gesagt, es ist irgendwie dummerweise eine Leidenschaft geworden, die alle im Umkreis auch verstehen.
Tobias
00:24:09
So, jetzt pass mal auf, dass du nicht den Michael überfährst. Das wäre jetzt schade für den Podcast.
Tobias Vollernter
00:24:14
Das wäre doof, ja.
Tobias
00:24:14
Ich habe jetzt einen super Einblick bekommen. Ach so, jetzt kippen wir hier noch die Trauben in einen Anhänger, der hinter einem Traktor ist. Das müssen wir jetzt sagen. Ah ja, jetzt geht das da runter. Ist ja wahrscheinlich auch ein Zeitvorteil, ne? Also, ihr kriegt die Trauben ja wahrscheinlich relativ schnell dann auch ins Weingut, anders zur Handlese, sondern das geht ja hier alles logistisch relativ flott.
Tobias Vollernter
00:24:40
Ja, ich glaube, das ist auch ein Riesenvorteil von so einer Maschine, die einfach viel leistungsstärker ist und das relativ schnell abernten kann. Gerade in, sagen wir mal, wenn die Witterung oder die Wetterverhältnisse es nicht erlauben oder Zeitdruck dadurch entsteht, dass man schnell handeln muss, weil es irgendwie regnet oder so was. Und da ist halt so eine Maschine im Vergleich zur Handlese, und vor allem kriegst du heute auch das Personal gar nicht mehr dafür, um in der großen Mannstärke im Weinberg zu stehen, um die gleiche Flächenleistung zu bekommen, wie so ein Vollernter das macht.
Tobias
00:25:11
Ja, also herzlichen Dank noch mal, Tobias. Super! Ich gebe jetzt ab an Michael, weil der widmet sich jetzt noch mal dem Thema Handlese, um auch noch mal aufzuzeigen, was gibt es da für Unterschiede. Aber ja, ich bedanke mich auf jeden Fall sehr für diese einmalige Möglichkeit, bei dir mitzufahren. Und dir noch viel Erfolg!
Tobias Vollernter
00:25:28
Ja, vielen Dank! Es war mir auch eine große Freude, Tobias, dich hier auf der Maschine zu haben, dir das alles erklären zu können und weiterhin viel Spaß hier in Rheinhessen bei der Lese.
Tobias
00:25:36
Ja, danke dir. Ciao.
Michael
00:25:39
So, jetzt wird es Gott sei Dank etwas ruhiger. Nur der Wind, den kann man jetzt vielleicht ein bisschen hören. Es geht jetzt mal um die Handlese. Hört sich erstmal so einfach an, wenn ich jetzt hier so eine Traube vor mir sehe, wir haben jetzt Weißburgunder vor uns, eine wunderschöne Farbe. Was ist denn dann zu beachten?
Steitz
00:25:57
Also wir haben hier einen schönen Weißburgunder-Weinberg, den wir morgen mit der Hand lesen wollen. Es ist zu beachten, dass du einfach nur die gesunden, reifen Trauben erntest und alles, was so ein bisschen so grün ist wie hier oder angeschlagen ist, das soll nicht rein. Also nur die Guten ins Töpfchen, sagen wir mal. Die Schlechten kommen auf den Boden.
Michael
00:26:18
So, es bedarf eines geschulten Blickes. Was ist gut, was ist nicht gut? Sieht man ja nicht immer auf den ersten Blick. Je nachdem, wie das Wetter gerade war.
Beck
00:26:28
Du musst die Traube schon etwas drehen, um dir das wirklich anzuschauen. Lies dabei immer von beiden Seiten, da siehst du einfach mehr. 4 sind mehr wie 2. Und was man aber vielleicht noch mal kurz erwähnen sollte, es gibt eigentlich 2 Varianten der Handlese. Das ist einmal die Handlese, wie sie der Christian gerade beschrieben hat, dass du alles liest, schneidest das Schlechte bis sie weg. Aber du kannst aber auch hingehen und kannst dann die negative Auslese machen. Das heißt, du kannst die Schlechten wegschneiden, kannst eventuell auch für einfachere, mildere Weine nehmen, und liest dann quasi das Gute nachher mit dem Vollender weg. Weil du hast ja vorhin selbst eine Traube probiert, du hast ja gemerkt, dass die jetzt schon um diese Uhrzeit sehr warm ist. Wir haben jetzt 12:00 Uhr. 12:00 Uhr haben wir Mittag, jetzt geht es langsam so richtig in Richtung Mittag. Die Trauben werden warm, bisschen negativ für die spätere Standzeit. In der Regel liest man dann wirklich diese guten Geschichten, liest man die, fängt man morgens bei Zeit an, teilweise mit Stirnlampen, gehst dann hin und tust die dann bis um bis 12:00, 1:00 Uhr lesen und machst dann Feierabend, um dann wirklich zu vermeiden, dass die Trauben von der Außentemperatur zu warm werden.
Michael
00:27:45
Aber nur, um das noch mal klar zu sagen: Ihr macht dann auch mehrere Durchgänge. Also einmal eine Handlese, eventuell, um das Gute sozusagen zu ernten. Und danach geht es dann noch mal mit dem Vollernter durch, denn der kann ja nicht so selektieren wie dein Auge und deine Hand.
Beck
00:28:01
Ja, das ist richtig. Der kann nicht so selektieren wie dein Auge, wie deine Hand. Aber wenn er nur schöne Trauben hat. Der große Vorteil ist wirklich dadurch, Ich habe es vorhin erwähnt, Christian hat ja heute Morgen um 5:00 Uhr angefangen. Wenn du halt eben nachts liest, und das ist halt eben mit der Hand ein Problem, dann kannst du wirklich kalt lesen. Das heißt, du liest jetzt um die Jahreszeit, es rauscht, es fährt ein Traktor neben uns vorbei, liest jetzt um diese Jahreszeit, liest du quasi einstellig, liest du zwischen, sagen wir mal momentan zwischen 3 und 8 Grad und das ist halt ideal, wenn du die Trauben nachher etwas noch stehen lassen willst.
Michael
00:28:37
Wenn ich jetzt mir die Maschine eben angeschaut habe und ich sehe uns jetzt ganz alleine in diesem großen, weiten Weinberg. Das ist ja auch eine Frage von Zeit und Aufwand. Wie sieht denn euer Entscheidungskriterium aus für Vollernter versus Handlese?
Steitz
00:28:54
Es ist relativ einfach. Die Topqualitäten wie jetzt Orts- und Lagenwein werden bei uns im Weingut mit der Hand geerntet, auch mehrmals geerntet. Da wird auch mehrmals durchgegangen, vorher rausgeschnitten. Und die Gutsweine, die werden überwiegend mit dem Ernter gelesen.
Michael
00:29:11
Also ist Handlese auch ein ganz klares Qualitätskriterium?
Steitz
00:29:15
Handlese ist ein ganz klares Qualitätskriterium, ist sogar auch für manche Qualitäten einfach vorgeschrieben. Wie jetzt, einen Lagenwein musst du schon mit der Hand lesen.
Michael
00:29:25
Jetzt habe ich mal die etwas unangenehmere Frage für den Verbraucher und die Verbraucherin. Es ist ja auch ein Kostenargument,ne? Also wie viel kosten denn handgelesene Weine mehr als mit dem Vollernter gelesene Weine? Gibt es da irgendwie eine Formel, ungefähr eine Vorstellung?
Beck
00:29:44
Oh, das ist eine schwere Frage, weil da müsste ich jetzt im Kopf rechnen und das kann ich aus dem Bauch nicht so schnell. Aber du hast bestimmt das 5- bis fast das 10-fache bei der Handlese mehr als mit einer Maschine. Was kostet der Hektar Maschinelese? 400, 500 €. Ja, bei der Handlese, bis du ein Hektar, einen Tag, guten Tag mit 15 Leuten beschäftigt, 15 Leute mal, beim Tag rechnen wir nicht wie ein Beamter, sondern rechnen wir wirklich von morgens um 8 bis abends um 6 mit einer halben, mit einer Stunde Mittag, und dann kannst du ja 15 mal 8 Stunden, mal 10 Stunden, mal 12,50 €. Also da kannst du ja schon ausrechnen, was das, was der Unterschied ist. Also das kann man ja mal, wer den Podcast hört, der kann das ja mal schnell ausrechnen, der ist ein bisschen Geist, der kann ein bisschen mitdenken. Ja, aber es ist schon, es ist schon ein Riesen-, Riesenkostenfaktor und wir unterhalten uns ja jetzt auch, Steitz und Beck, ne Geschichte 4,99 €, das ist Einstiegssegment und dann ist das ein ganz anderes Thema. Dann kann ich nicht erwarten, dass so was mit der Hand gelesen wird, oder dann ist das schon die Maschinenlese drin. Das geht eigentlich fast gar nicht anders.
Michael
00:30:57
Als wir eben beim Vollernter waren, haben wir ja gelernt, da kann man das eine oder andere einstellen. Hier braucht ihr jetzt Leute. Ist es eigentlich mittlerweile schwieriger geworden, Personal zu finden für die Handlese?
Steitz
00:31:11
Man findet immer wieder Personal, die mitgehen. Manchmal sind es Rentner, die aus der Gegend mitgehen. Man hat auch viele Erntehelfer, aus Rumänien haben wir viele, die schon seit Jahren mitkommen. Familien, die hier sind, die jedes Jahr kommen. Das ist schon wichtig, dass die dauerhaft da sind, öfters da sind, dass einfach so ein geschulter Blick da ist, und muss man schon lernen. Praktikanten werden auch immer wieder gerne gesehen, die hier mithelfen können.
Michael
00:31:40
Und wenn ihr jetzt Handlese macht, wir laufen durch den Weinberg, wo kommen denn die gelesenen Trauben rein und was passiert dann? Also welche Transportbehältnisse benutzt ihr?
Beck
00:31:53
Ja gut, das ist eigentlich relativ einfach. Da gibt es eine ganz einfache Lösung, die sich, sage ich mal, in 90 % der Betriebe mittlerweile eingebürgert hat, durchhustet hat. Du hast einen kleinen Hänger hintendran und dann hast du solche Boxen dran. Die boxen, die halten so zwischen 600 und 800 Liter. Jemand ist in der Reihe, meistens von beiden Seiten, der hat einen Eimer, liest in den Eimer und wenn der Eimer voll ist, wird er ausgeleert. Also so wie früher, dass man die Lögel oder die Butten noch trägt. Das ist zum Glück nicht mehr so. Wir sind also auch schon ein bisschen bequemer geworden.
Steitz
00:32:26
Bei der Maschine hat sich klassisch ein Anhänger, die in den landwirtschaftlichen Betrieben vorrätig sind, mit einer Plane, das ist ein sehr, sehr schonender Transport. Es geht ja darum, dass die Trauben so schonend wie möglich transportiert werden. Deswegen ist da ideal der Anhänger mit der Plane. Und jetzt im Handlesenbereich sind es die kleinen Boxen, wo man halt sehr, sehr, sehr, sehr schonend damit umgehen kann.
Michael
00:32:48
Jetzt habt ihr ja das Glück Rheinhessen. Wir haben hier zwar Hügel, aber ich sehe jetzt weit und breit keine Steillage. Bei einer Steillage - doch? Du zeigst da in die Richtung?
Beck
00:32:58
Ich glaube, wir müssen etwas tauschen. Also wir brauchen uns nur zu drehen, dann haben wir sie schon.
Michael
00:33:03
Ah ja, das war es schon. Aber da hat man doch gar nicht die Entscheidung, Vollernter oder Handlese. Da geht es nur per Hand.
Beck
00:33:10
Ja, das ist richtig. Wobei es mittlerweile auch schon Steillagen-Vorländer gibt. Gerade in den Regionen, wo wirklich viel Steillage ist, muss man auch mittlerweile auch, muss man auch so ein bisschen an die Kosten denken. Es gibt mittlerweile auch schon Steillagen-Vorländer. Wie gesagt, man darf aber auch die Steillagen in Rheinhessen nicht unterschätzen, die es hier gibt. Und wir sehen sie jetzt hier, wir gucken jetzt hier.
Michael
00:33:32
Ja, ich drehe mich jetzt auch mal um.
Beck
00:33:33
Genau, wir sehen sie jetzt hier und es ist halt eben bei uns auch das Thema der Boden. Der Boden ist, wenn er sehr tonreich ist, ist er oft sehr glatt, sehr, sehr glitschig. Also bei uns sind mittlerweile, sind mittlerweile bei, sagen wir mal, so bei 30 % Hangneigung hat der Vorländer schon Probleme. Wobei er jetzt zum Beispiel auf Böden, die halt skelettreicher sind, viel steilere Berge bewältigen kann. Also man darf das nicht so ganz unterschätzen.
Michael
00:34:02
Okay, also da tut sich auch was in Sachen Technik. Aber jetzt habe ich mal eine ganz einfache Frage. Wir hören hier immer im Hintergrund so ein Knallen. Was ist das eigentlich?
Steitz
00:34:10
Hier in der Gegend stehen noch traditionell Schussapparate, die so ein bisschen die Stare fernhalten soll. Die knallen jedes Mal unterschiedlich und sollen die Vögel so bisschen weg halten, dass sie nicht unbedingt die ganzen Trauben essen.
Michael
00:34:25
Ja, die mögen natürlich auch die süßen Trauben.
Beck
00:34:28
Es geht jetzt wirklich nicht um die Trauben essen. Also das ist ja so ein bisschen, es geht einfach, weil sie sich draufsetzen und picken die Trauben an und die Trauben fangen dann an zu faulen. Das ist auch ein bisschen das Negative, was sie machen. Also sie verletzen quasi die Beerenhaut und Saft tritt aus und dann fängt die Traube an zu faulen. Und das wird bisschen belächelt, also man wird ein bisschen belächelt, aber es gab schon Starenschwärme, die waren wie Gewitterwolken. Mittlerweile haben wir von denen relativ wenige, weil es ein Zugvogel ist und der nicht mehr so oft zieht, sondern der sich eigentlich mittlerweile mehr in der Metropole festgesetzt hat und nicht mehr aufbricht zum Überwintern in den Süden, sondern überwintert bei uns im Warmen. Auch das Thema Klimawandel.
Michael
00:35:12
Gibt es noch irgendwelche anderen Tiere, die ihr hier im Weinberg fürchtet?
Beck
00:35:17
Also prinzipiell fürchten wir keine Tiere. Also ich bin auch kein Jäger und um deswegen, aber wir haben in Regionen Probleme mit Wildschweine. Das ist überall mittlerweile. Und dann, was wir hier, was wir hier haben, ist, ja, du, Christian, sagt gerade, Mäuse ist ein Thema. Die gehen halt eben, genau dasselbe Problem wie mit den Staren Die fressen nicht die Trauben, sondern fressen die Trauben an. Und was wir aber auch ein Problem haben, ein sehr starkes Problem haben, sind mit Rehe, die uns die Triebe abfressen und auch die Trauben abfressen. Aber auch hier habe ich persönlich eine Erfahrung gemacht. Das liegt auch teilweise an der Bewirtschaftung. Also durch die Bioumstellung oder auch das lange Arbeiten in diese Richtung haben wir ganz andere Vegetation eingesät. Es entstehen viel weniger Gräser, es stehen viel mehr Kräuter drin. Wir säen hier auch bewusst Kräuter ein. Wir sehen hier bewusst Kräuter ein, die gut riechen, wie Kerbel, Salbei, Dill, um halt einfach, es gibt auch so ein Wohlfühlklima, wenn man selbst in den Weinbergen arbeitet. Es ist gut für die Bodenstruktur und dementsprechend, Rehe fressen dann oft in der Reihe und nicht im, nicht den Weinberg, weil sie einfach eine Alternative haben. Wenn sie nur Gras haben, wenn ich eine Monokultur durch die andere ersetze, ist das nie gut für irgendwas.
Michael
00:36:46
Ja, wunderbar. Haben wir heute eine Menge gelernt. Waren ja vor Ort. Dank eurer Geduld durften wir uns das auch alles schön angucken. Wir sind beim Vollernter mit dabei gewesen. Großes Abenteuer für den Tobias. Aber das ist ja nicht das Letzte, denn ich freue mich, wenn es demnächst wieder heißt.
Steitz
00:37:04
Bei Anruf.
Beck
00:37:06
Wein.
Michael
00:37:07
Danke.
Beck
00:37:09
Bitte.
Steitz
00:37:10
Gerne.