Trocken und feinherb: süße Geheimnisse
17.08.2021 25 min
Zusammenfassung & Show Notes
Was bedeuten die Bezeichnungen trocken, feinherb und Co? Dieses Mal lüften Tobias und Michael einige süße Geheimnisse. Wie der Zucker in den Wein kommt, und was das mit dem Alkoholgehalt, dem Klima und den Qualitätsbezeichnungen von deutschen Prädikatsweinen zu tun hat, verrät die Podcast-Folge. „Bei Anruf Wein“ mit einigen trockenen Erkenntnisse und über das lebendige Mysterium der Säure.
>> WEINFREUNDE PODCAST HOMEPAGE
Produktion und Schnitt: Andreas Hagelüken
Transkript
Bei Anruf Wein.
Der Weinfreunde-Podcast.
Ich grüße euch, liebe Weinfreunde.
Mein Name ist Tobias.
Willkommen Bei Anruf Wein.
Neben den zahlreichen E-Mails, die unseren Podcast mittlerweile erreichen,
schauen sich Michael und ich natürlich noch anderswo nach Inspirationen für neue
Podcastfolgen um.
Zum Beispiel in der Rubrik Frag die Weinfreunde auf weinfreunde.de und dort ist
uns etwas sehr Interessantes aufgefallen.
Es werden nämlich immer wieder Fragen gestellt, die etwas mit dem Zuckergehalt
im Wein zu tun haben.
Also beispielsweise: Wann ist ein Wein eigentlich trocken?
Oder was bedeutet die Bezeichnung Feinherb?
Ja, für uns Grund genug, diese Folge genau diesem zuckersüßen Thema zu widmen.
Denn es ist in gewisser Weise ja auch wirkliche Grundlagenforschung in Sachen
Wein.
Also bleibt mal dran.
Ich ruf den mal an!
Hallo, mein Süßer.
Schön, dass du anrufst.
Du weißt ja, heute haben wir eine Folge, da steht unsere Rubrik Frag die
Weinfreunde, Pate.
Und apropos Pate, da habe ich dir auch eine Rolle jetzt zugedacht.
Ich möchte, dass du heute auftrittst als Lichtgestalt der Weinaufklärung.
Aha, Lichtgestalt?
Jo moi, i bin do ned der Franz Beckenbauer!
Was hast du dir denn jetzt schon wieder ausgedacht?
Weil ich dachte ja, wir reden heute über Dinge, die etwas mit Restsüße, also
Zucker, im Wein zu tun haben.
Ja, ja, du bist da auch genau richtig.
Und du sollst heute nämlich mal dafür sorgen, dass Licht ins gezuckerte Dunkel
kommt.
Ganz konkret lauteten ja die Fragen aus der Weinfreunde-Community: Woher kommt
eigentlich der Zucker im Wein?
Was sorgt dafür, dass mehr oder weniger Zucker nach der Vergärung übrig bleibt?
Was hat das mit den Geschmacksrichtungen zu tun wie trocken, halbtrocken,
lieblich, süß?
Du weißt schon Bescheid.
Also, da bist du jetzt gefragt.
Ja, Und es ist ja tatsächlich direkt eine ganze Reihe an Fragen.
Und da müssen wir uns jetzt erstmal ein bisschen sortieren und natürlich
einfach am Anfang beginnen, damit es jetzt nicht zu kompliziert wird, oder?
„Natürlich" ist das Stichwort, denn natürlich gilt hier im doppelten Sinne Es
muss ja erst mal gesagt werden: Zucker ist ein Bestandteil der Trauben.
Ja, Stopp, stopp, stopp!
Trauben, da muss ich jetzt mal reingrätschen, weil das so häufig falsch gemacht
wird.
Auch von dir, lieber Michael.
Zucker, wie auch alle anderen Bestandteile, lassen sich in den Beeren finden,
denn eine Traube besteht aus vielen Beeren.
Und ja, tut mir leid, Spitzfindigkeit, aber musste mal gesagt werden.
Ja meine Güte, da bekomme ich jetzt auch keinen Traubenzuckerschock von.
Aber lass uns einfach mal weitererzählen.
Je reifer die Beeren - richtig, ne?
- sind, desto mehr Süße, also mehr Zucker enthalten sie ja.
Das heißt doch potenziell aber auch, sie haben mehr Alkohol.
Ja, ganz genau.
Also nicht die Beeren, sondern der Wein.
Ja, exakt. Denn genau, Zucker heißt immer auch Alkohol, weil aus dem Traubensaft
wird ja erst Wein durch die alkoholische
Gärung und dort wird ja durch Hefen der Zucker in Alkohol umgewandelt.
Da gibt es dann noch Nebenprodukte, da entsteht auch noch Kohlendioxid und
Wärme.
Aber das ist der Prozess.
Uiuiui, da wird ja meine Lichtgestalt fast zum Lebensmittelchemiker.
Na ja, eigentlich ist es ja wirklich keine Rocket Science, denn dass man
irgendwelche Früchte vergären lassen kann und dass dann da Alkohol bei
rauskommt, kennen wir Menschen ja schon, ja, eigentlich seit Jahrtausenden.
Ich denke, es ist jetzt noch mal hilfreich zu klären, welche Faktoren sind
eigentlich für den Zuckergehalt, für die Zuckerproduktion in den Beeren
verantwortlich? Denn es geht ja dann auch um Reife der Beeren und dafür braucht
es Sonne, aber natürlich auch Wärme.
Und dann ist der Zuckergehalt natürlich auch davon abhängig, also zumindest die
Höhe dieses Gehalts, welches Wetter in dem jeweiligen Jahrgang herrscht und
natürlich auch, wo stehen eigentlich die Rebstöcke?
Also, wenn wir immer wieder über Weinlage und Mikroklima im Weinberg sprechen
usw., dann sind das halt sehr, sehr entscheidende Rahmenbedingungen.
Und da muss man eigentlich dann schon fast auch wieder über das Thema
Klimawandel sprechen, denn seit, weiß ich nicht, 30 Jahren oder was gelingt es
ja auch in Deutschland immer besser, vollreife Beeren zu produzieren, weil es
einfach ein bisschen wärmer geworden ist und weil es einfach deutlich leichter
den Winzern fällt, wirklich zuckerhaltige, schöne, reife Beeren zu ernten.
Okay, kann man das denn so abstrakt sagen oder ist das jetzt nicht auch eine
Frage nach der Rebsorte?
Ja natürlich, stimmt.
Also ich komme jetzt mal von der Ecke mit der Säure.
Da spiele ich jetzt mal auf meinen geliebten Albariño an oder Grünen Veltliner
oder auch eben Riesling.
Oder in deinem roten Falle sage ich mal Pinot Noir oder Mencia aus Nordspanien.
Die sind ja dafür bekannt, dass sie eher weniger süß sind und säurebetont.
Gibt es denn auch Reben, die eher dafür bekannt sind, dass sie viel Süße
liefern, also viel Zucker enthalten?
Ja, also so rum habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht.
Aber es gibt natürlich Rebsorten, die für einen vergleichsweise hohen
Alkoholgehalt stehen.
Und ja, ich sage mal, das muss ja dann eigentlich was damit zu tun haben, wenn
unsere Logik stimmt.
Und wenn du dir dann anguckst, Grenache, kennen wir aus unserer Côtes du
Rhône-Folge aus Südfrankreich, aber auch Pinotage aus Südafrika, Touriga
Nacional aus Portugal.
Das sind alles Rebsorten, wo man sagt, die sind eher alkoholreich.
Und selbst bei den weißen Rebsorten, Chardonnay, ja, kann dann, gerade wenn es
aus warmen Klimazonen kommt, schon ordentlich Alkohol haben.
Also da hatte ich glaube ich auch schon was mit 15 % Alkohol oder so was im
Glas.
Und bei solchen Weinen, und das ist, glaube ich, noch mal auch dir sehr, sehr
wichtig zu erwähnen, spielt der Säuregehalt wirklich eine Riesenrolle, denn die
Säure schafft so ein bisschen da einen Ausgleich zu schaffen.
Und wenn einfach nicht genug Säure im Wein ist, dann wirkt der sehr, sehr
schnell so, ja, man sagt dann müde, leblos, dem fehlt Spannung.
Das ist auch ein ganz, ganz wichtiger Faktor neben dem Alkohol.
Ja, und dieser Faktor wird besonders wichtig, wenn wir demnächst über Sensorik,
über das Verkosten sprechen.
Da geht ja dann meines Erachtens ohne Säure recht wenig.
Aber bevor wir jetzt zur Säure gehen, das...
Ist aber eine andere Folge, ne?
Genau, das ist eine andere Folge.
Noch einmal jetzt zum Merken, wir waren ja noch mal beim Zucker.
Also der finale Zuckergehalt in den Beeren ist jetzt nicht nur durch das Klima
und das Wetter vorgegeben.
Der Winzer hat ja auch Einfluss darauf.
Auch egal jetzt, welche Rebsorte das ist, das haben wir ja schon gelernt.
Allein dadurch, dass er entscheidet, wann die Trauben, darf ich jetzt, glaube
ich, wieder sagen, wann die Trauben gelesen werden.
Denn damit bestimmen wir ja auch, wie viel Zucker noch da ist, der in Alkohol
vergärt werden kann.
Genau. Und dann gibt es ja auch tatsächlich noch restsüße Weine, bei denen
einfach der Zucker nicht komplett vergoren wird.
Der Winzer hat dann die Möglichkeit, diesen Gärprozess auch einfach zu stoppen.
Das passiert heutzutage eigentlich immer durch das Herunterkühlen des gärenden
Mosts.
Dann hören die Hefen auf, den Zucker zu fressen und Alkohol zu produzieren.
Und ja, der Punkt ist jetzt natürlich noch mal ganz, ganz wichtig.
Der Winzer kann den Lesezeitpunkt bestimmen und da wird es durch Klimawandel
und Co tatsächlich auch immer schwieriger, einen Zeitpunkt zu finden, wo
dann am Ende die Weine nicht zu alkoholreich sind.
Also das heißt, gerade Rotweine, trockene Rotweine, die über 14 % Alkohol
haben, sind keine Seltenheit mehr, weil man möchte ja dann vielleicht den
trockenen Rotwein haben in den allermeisten Fällen.
Und damit der das auch wirklich wird, ja, entsteht einfach relativ viel
Alkohol.
Und vielleicht noch so eine Nerd-Sache am Rande: Einfach früher ernten ist dann
halt eben auch nicht so wirklich die Antwort, denn die Kerne beispielsweise in
den Beeren, die sind dann meistens noch nicht reif, die sind dann bitter.
Man spricht dann auch davon, der Wein schmeckt irgendwie noch so ein bisschen
grün.
Ja, und es geht eigentlich auch immer darum, dass die Beeren eine möglichst
lange Reifezeit haben.
Und das wird durch den Klimawandel auch weiter erschwert.
Ich habe jetzt aber auch von dir gerade gelernt, so zwischen den Zeilen, einen
Wein komplett durchgären, das sagt man, wenn man auf eine trockene Stilistik
abzielt und sozusagen ganz viel Zucker durch die alkoholische Gärung umwandeln
will, richtig?
Ja, ja, genau so kann man es sagen.
Dann gibt es das, wo man das nicht mag, und da will man die Restsüße erhalten.
In diesem Zusammenhang ein ganz kleiner Exkurs.
Zum Beispiel Beim Portwein will man ja eigentlich beides.
Da will man viel Zucker und viel Alkohol, damit er schön lange haltbar ist.
Ähnlich wie jetzt bei Sherry oder Madeira.
Da macht man das allerdings so, man stoppt tatsächlich die alkoholische Gärung
und erhält das Plus an Alkohol durch die Zugabe von Branntwein.
Und das wiederum in der Kombination erklärt dann diese ungeheure Lebensdauer
der Portweine.
Okay, aber anderes Thema.
Ja, genau das ist, glaube ich, sogar eine Extrafolge noch mal wert.
Und da lernen wir natürlich insbesondere, dass Alkohol auch ein
Konservierungsmittel ist und das natürlich in Kombination mit Zucker umso mehr.
Aber wie gesagt, das sind ja so diese fortified Weine, diese verstärkten Weine.
Oder man sagt ja auch, glaube ich, gespritete Weine.
Aber wir kommen jetzt vielleicht noch mal so auf die ganz klassischen Süßweine
zu sprechen, also beispielsweise ein Sauternes aus dem Bordeaux oder noch viel
näher liegender Trockenbeerenauslese, so Geschichten.
Die haben natürlich alle sehr, sehr viel Restsüße.
Und da gibt es dann auch ganz spezielle Herstellungsmethoden, um noch mal
diesen Zuckergehalt wirklich zu maximieren.
Ja, und zwar ganz traditionelle und ganz natürliche.
Weil wenn man sagt, man hat so spezielle Methoden, das hört sich immer so nach
Tricksen und Pfuschen an und das hat damit gar nichts zu tun.
Also beim Sauternes zum Beispiel sorgt ja ein bestimmter edler Schimmelpilz
dafür, dass den Trauben Flüssigkeit entzogen wird und dadurch der Extrakt
in den Beeren, darf ich jetzt, glaube ich, auch sagen, größer wird und einfach
der Zucker zurückbleibt.
Und bei der Trockenbeerenauslese geht die Flüssigkeit verloren, indem man die
Trauben einfach länger hängen lässt und dadurch eben dasselbe geschieht.
Beim Eiswein sogar werden die Trauben ja gefroren gepresst.
Ja, auch damit lässt man die Flüssigkeit außen vor.
Und das sind alles ganz traditionelle und früher sehr, sehr, sehr beliebte
Weine, die daraus entstehen.
Ja genau. Süßweine kommen ja so ein bisschen aus der Mode.
Aber genau, das hast du gut erklärt.
Es geht ja darum, den Beeren einfach Flüssigkeit zu entziehen.
Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und ich finde diesen Pilz, du
hattest noch gar nicht verraten, wie er heißt, Botrytis.
Das finde ich schon ziemlich spannend, weil man denkt dann erst mal irgendwie
so verschimmelte Beeren, das ist ja irgendwie jetzt auch nicht so lecker, aber
ja, Wahnsinnsweine. Und ich glaube, bei so was wie Trockenbeerenauslese oder
so, da spielt teils Botrytis sogar auch noch eine Rolle.
Ja, aber na ja, wir müssen uns aber jetzt trotzdem, glaube ich, noch mal so
einem Thema widmen.
Das habe ich lange auch irgendwie gar nicht verstanden, nämlich Begriffe wie
Mostgewicht und Oechsle.
Das müssen wir hier zur Sprache bringen.
Ja, du machst eine Pause und forderst mich also auf?
Ganz ehrlich, an der Stelle hatte ich jetzt eigentlich mit der Lichtgestalt
gerechnet.
Also bitte, lieber Weinlakai, trete noch einmal hervor und mach uns klug.
Ich wollte ja von dir auch eigentlich nur eine Bestätigung haben, dass wir das
hier erwähnen müssen, und erzähl dazu natürlich gerne etwas.
Ja, wir fangen mit was Klugscheißermäßigem an Oechsle wird fälschlicherweise
häufig mit Ö geschrieben, es wird aber mit Oe geschrieben, denn der Begriff
kommt schlichtweg von einem Menschen, der heißt Christian Oechsle.
Und der hat vor 200 Jahren eine Idee gehabt, nämlich das Gewicht der Trauben zu
messen und mit der Dichte von Wasser zu vergleichen, einfach
um eben zu wissen was ist da an Extrakt, aber vor allem halt eben auch an
Zucker drin.
Das klingt jetzt erst mal so ein bisschen kompliziert, wenn man es an einem
Beispiel erklärt, wird es ganz einfach.
Nämlich der Oechslegrad sagt nur, wie viel schwerer der Most im Vergleich zu
normalem Wasser ist.
Also das heißt, wenn 1 Liter Most jetzt beispielsweise 1 Gramm schwerer ist als
1 Liter Wasser, hat dieser Most 1 Grad Oechsle.
Ja, und wie gerade schon gesagt, da nun vor allem der Zucker für diese
Gewichtszunahme sorgt, ist das eine sehr, sehr gute Aussage über den
Zuckergehalt und eben auch den Reifegrad der Beeren.
Ja, das mit der Gewichtszunahme wegen Zucker, das kenne ich auch.
Aber erst noch mal danke sehr für die kenntnisreiche Ausführung.
Lassen wir doch mal den Kollegen Oechsle hinter uns und richten wir mal den
Blick auf das schöne, schwarz auf weiß geschriebene deutsche Weingesetz,
denn dort spielt Zucker auch eine Rolle.
Zumindest in Deutschland.
Allerdings.
Denn der Restzuckergehalt des Weines ist das Kriterium schlechthin, um in einer
bestimmten Kategorie zuzuordnen.
Ich erinnere noch mal an die Zuschriften aus unserer Schönen Fragt die
Weinfreunde-Rubrik.
Da hieß es ja immer: Was ist eigentlich jetzt ein lieblicher Wein?
Was ist halbtrocken?
Und - Achtung - was ist feinherb?
Ja, und das ist wirklich noch mal so ein Thema, da ist Deutschland ja auch so
ein bisschen speziell.
Denn nicht nur diese Unterteilung der Geschmacksrichtung in trocken,
halbtrocken, lieblich usw.
hat ja damit zu tun.
Nein, nein, auch wieder meine Säure.
Ja, genau. Aber bleiben wir jetzt erstmal beim Thema Zucker, denn der
entscheidet ja nun mal darüber auch, ob ein Wein als trocken, halbtrocken,
lieblich oder süß bezeichnet wird oder halt eben bezeichnet werden darf.
Und so ein Begriff wie feinherb, der taucht beispielsweise im Weingesetz
überhaupt nicht auf.
Aber wir müssen jetzt mal so ein paar konkrete Zahlen nennen.
Ich weiß nicht, ob man sich das jetzt wirklich merken möchte, aber ein
trockener Wein im deutschsprachigen Raum darf höchstens 4 Gramm Restzucker pro
Liter enthalten. Das heißt, da darf schon ein bisschen Zucker drin sein, und
zwar umso mehr, wenn dann deine geliebte Säure auch noch mit ins Spiel kommt.
Das heißt, wenn die Säurewerte eines Weines relativ hoch sind, wir denken mal
an Riesling, dann darf in diesem Wein auch mehr Zucker enthalten sein.
Schlichtweg weil man sagt, das wird dann auch so ein etwas harmonischer
Gesamteindruck.
Die Säure wird durch den Zucker so ein bisschen glattgebügelt und ja,
beispielsweise ist dann die aller aller maximalste Grenze für
Zucker 9 Gramm pro Liter.
Und das eben auch nur, wenn maximal, und das hört sich jetzt wirklich seltsam,
an maximal 2 Gramm weniger Säure enthalten
ist. Ja, dann muss man irgendwie sich das Gehirn erstmal so ein bisschen auf
links drehen.
Aber wieder konkretes Beispiel: Bei 9 Gramm Restzucker pro Liter, also dieser
Höchstgrenze, müssen 7 Gramm oder mehr Säure enthalten
sein, sonst geht das nicht.
Mein Gott, ich habe eigentlich gedacht, ein deutsches Gesetz, darauf ist
Verlass.
Aber ganz ehrlich, das ist ja doch relativ kompliziert.
Aber wir kommen nicht drum herum.
Wir brauchen jetzt auch die Zahlen für halbtrocken und so.
Dann legt doch bitte mal los.
Ja, gut, genau, halbtrocken.
Das Thema wird trocken, wenn ich das weiter mache.
Aber genau, es setzt sich dann im Grunde genommen so fort.
Ein halbtrockener Wein darf bis zu 12 Gramm Restzucker enthalten, darf aber
dann auch theoretisch sogar 18 Gramm haben, wenn halt eben der Säuregehalt
entsprechend hoch ist.
Und so geht das halt immer weiter.
Und ich sage mal so, was mehr als 45 Gramm Restzucker enthält, ist dann etwas,
was auf dem Etikett mit der Bezeichnung „süß"
gekennzeichnet werden muss.
Also das hätte ich jetzt auch ohne Weingesetz wahrscheinlich zu benennen
gewusst.
Aber ich muss jetzt doch noch mal den Quälgeist spielen.
Ich habe jetzt die schöne Vokabel feinherb vermisst.
Das ist ja eine Bezeichnung, die man immer öfter auf den Weinetiketten findet
und eine Bezeichnung, wie du gesagt hast, die im Weingesetz gar nicht vorkommt.
Da brauchen wir wieder deine Hilfe.
Ja, also ich sage mal so, feinherb ist als Bezeichnung auf einer Weinflasche
jetzt aber auch nicht wirklich verboten, sonst würde es das ja nicht geben.
Es ist aber eben auch nicht vom deutschen Weingesetz abgedeckt.
Und für mich ist eigentlich feinherb so der Versuch, diesen, ja, so ein
bisschen aus der Mode gekommenen Begriff halbtrocken zu ersetzen.
Und zum Zweiten wird der Begriff natürlich auch gerne für Weine genutzt, die
sogar teilweise noch ein bisschen süßer sind, aber wo der Winzer
sagt, ja, da ist so viel Säure drin, man merkt dem Wein eigentlich gar nicht
diese Süße an und dann möchte ich da jetzt ungern irgendwie den Konsumenten
verschrecken, weil ich habe es ja vorhin schon mal gesagt, Süßweine insgesamt
kommen ja eher so ein bisschen aus der Mode.
Ja, und das läuft jetzt alles, das verstehe ich jetzt auch besser, so in
Richtung Riesling.
Ja, kann man sagen.
Denn der schafft es ja wie kaum eine andere Rebsorte, sowohl Süße als auch Säure
in so einen Wein mit einzubringen.
Klar wird mir auch, denn da habe ich mal so ein bisschen recherchiert, warum
dann der Begriff feinherb eigentlich an der Mosel erfunden wurde, also im
Rieslinghochland, denn es war das Weingut Reichsgraf von Kesselstatt aus
Morscheid, das als Erstes dieses Wort auf die Flasche gebracht hat.
Ja, genau. Und dann landete das natürlich direkt vor Gericht, denn da haben dann
sowohl Winzerkollegen als auch natürlich die Aufsichtsbehörden gesagt, Moment
mal, das kannst du jetzt ja nicht einfach so machen und das auf das Etikett
drauf bringen.
Aber er war vor Gericht erfolgreich und konnte das durchsetzen.
Also das erklärt jetzt natürlich, warum dann auch andere Anbaugebiete
nachgezogen sind.
Da finden sich jetzt nämlich auch die einen oder anderen Vertreter, die sich
selbst feinherb nennen.
Ja, interessant.
Aber jetzt mal ganz persönlich nach all den Zahlen und Gesetzen.
Was heißt für dich eigentlich feinherb oder halbtrocken?
Kannst du damit was anfangen?
Ja, also ich sag mal so, es ist halt so eine Art Tarnung für diesen unliebsamen
Begriff, also feinherb für halbtrocken.
Es ist aber auch so, dass feinherbe Weine theoretisch ja sogar noch süßer sein
könnten wie halbtrockene Weine.
In der Regel, ich habe da schon mich mit Analysedaten usw.
auch schon mal beschäftigt, in der Regel sind das alles Weine, die so in diesem
halbtrockenen Spektrum sind.
Und ja, das kann schon mal so ein ganz harmonisches Trinkerlebnis sein, weil
wie gesagt, das alles so ein bisschen gefälliger wird.
Die Weine haben ja dann auch, das haben wir jetzt ja auch gelernt, weniger
Alkohol als ganz trockene Weine.
Ja, mein Fall ist es jetzt nicht so wirklich, auch wenn ich mir jetzt
beispielsweise so ein Kabinett doch ganz gerne mal gefallen lasse.
Und ich glaube, das ist schon wieder fast ein Übergang zu einem anderen Thema,
dem wir uns noch widmen müssen, oder?
Ja, ich kann auch die lieben Zuhörerinnen und Zuhörer an dieser Stelle leider
nicht entlassen, muss auch diesmal sie quälen.
Jetzt wissen wir zwar, was süß und was trocken ist und wir wissen sogar, was
feinherb ist, aber du hast es ja gerade gesagt, da gibt es ja dann noch so
Begriffe wie Kabinett und Spätlese und Auslese usw.
Das heißt, das Mostgewicht, mit unserem lieben Herrn Oechsle, und der
Restzucker bestimmen an dieser Stelle sogar über Qualitätsbezeichnungen von
deutschen Prädikatsweinen.
Ganz genau. Also Prädikatsweine ist genau das Stichwort.
Früher hat man ja in Deutschland irgendwie ein Fest gefeiert, wenn man halt
eben Beeren richtig schön reif bekommen hat.
Und deswegen war das im Grunde genommen auch immer so eine Qualitätsgeschichte.
Das heißt, wenn du wirklich so vollreife, zuckerreiche Beeren bekommen hast in
einem Jahr, dann wurde ganz klar nach dem Mostgewicht, nach
dem Oechslegrad dann das entsprechende Prädikat vergeben.
Wir hatten ja vorhin schon Trockenbeerenauslese, Eiswein, aber da gibt es dann
halt eben auch noch die Beerenauslese, die Auslese, die Spätlese und den
Kabinett. Ja, und das ist eigentlich so eine Geschichte, die komplett aus der
Zeit gefallen ist.
Denn andere Weinländer, insbesondere ja auch Frankreich, gehen ja schon ganz,
ganz lange eigentlich nach dem Herkunftsprinzip.
Ja, also das heißt, konkrete Weinlage usw.
und nicht nach dem Zuckergehalt.
Okay, aber da muss ich dich jetzt kurz noch mal bremsen und noch mal nerven.
Das machen wir später noch mal, wir müssen erst mal etwas aufbauen, bevor wir
es zerstören.
Wir müssen jetzt erst noch mal erklären, wie definiert sich denn jetzt ein
Kabinett oder eine Auslese?
Also kannst du mal ein Beispiel nennen, damit wir wieder ein paar Zahlen
bekommen?
Die man sich dann ja wahrscheinlich eh nicht behalten kann, aber wir müssen es
natürlich vollständig erklären, denn wir hatten die Stichworte Oechsle, ich habe
es eben auch noch mal gesagt.
Zu merken oder auch nicht: Ein Kabinett muss auch heute noch mindestens 73
Oechsle aufweisen und beispielsweise eine Trockenbeerenauslese sogar ein
Minimum von 150 Oechsle.
Okay, jetzt einfach noch mal zu merken, damit wir die Lektion nicht vergessen.
Das heißt, dieser Wein mit den 150 Oechsle, da wiegt 1 Liter Wein 150 Gramm
mehr als 1 Liter Wasser.
Richtig?
Genau. Also ich weiß gar nicht, ob der Wein dann tatsächlich auch noch 150 Gramm
schwerer ist als 1 Liter Wasser.
Aber der Most ist es ja, weil wir sind ja beim Mostgewicht.
Okay.
Das ist jetzt noch mal so eine Sache, also ob da dann der Wein immer noch genau
diese 150 Oechsle aufweist, ich habe keine Ahnung.
Aber gut gemerkt, das sind genau eben diese 150 Gramm Unterschied.
Und um es nur noch mal gesagt zu haben diese Weine sollten dann auch viel Säure
haben.
Haben Sie auch häufig, so eine Trockenbeerenauslese über 8 Gramm Säure pro
Liter.
Und der wirkt dann auch wirklich nicht süß oder klebrig.
Der ist immer noch irgendwie vital und spannungsreich, wie ich dann immer so
schön sage.
Das ist dann schon die hohe Kunst des Winzerhandwerks.
Dann können wir jetzt also für heute mal diese ganze Oechsle-Nummer hinter uns
lassen.
Und wenn ich recht informiert bin, du hast es ja eben schon angedeutet, lässt
auch das Weinland Deutschland irgendwann diese ganze Oechsle-Nummer hinter sich,
oder?
Ja genau. Ja, das dauert zwar noch ein paar Jahre, das ist aber jetzt schon
offiziell beschlossen.
Also auch in Deutschland wird zukünftig die Herkunft der Weine eine zentrale
Rolle spielen.
Das ist ja das, was der Verband Deutscher Prädikatsweingüter schon lange macht.
Die orientieren sich ja tatsächlich mit ihren Gutswein, Ortswein, Erste Lage,
Große Lage genau an diesem Vorbild aus
Frankreich mit Premier Cru, Grand Cru usw.
Das heißt, da geht es wirklich darum, aus welcher Ortsgemarkung stammt der Wein
oder halt eben aus welcher spezifischen Lage.
Also ich glaube, dem Verbraucher wird das gefallen.
Wir kennen das ja schon lange aus dem Ausland.
Ich erinnere nur an unsere schönen Folgen über die Côtes du Rhône oder über
Apulien und den Primitivo.
Ja, da ist ja allen klar, dass die Herkunft da ausschlaggebend ist.
Absolut.
Gut, dann, my Sweetheart, lass mich doch zum Schluss noch mal die letzten Worte
für heute übernehmen.
Herzlichen Dank für deine liebliche Rechtsberatung und die so wunderbar
erhellenden Ausführungen zum Zucker.
Das schätzen wir ja alle so an dir.
Nur noch eines: Wenn es euch da draußen auch so geht, dass ihr das schätzt,
dürft ihr mir natürlich schreiben.
Aber wenn ihr auch Vorschläge habt, mit denen ich den Tobias weiterhin quälen
kann, erst recht.
Ihr kennt die Mailadresse?
Bitte schreibt an podcast@weinfreunde.de.
Und gequält fühle ich mich natürlich nie.
Ganz im Gegenteil, denn ich freue mich natürlich darauf, wenn es beim nächsten
Mal wieder heißt: Bei Anruf.
Wein.
Tobias
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Michael
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Tobias
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Michael
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Tobias
00:02:11
Michael
00:02:24
Tobias
00:02:33
Michael
00:02:52
Tobias
00:03:08
Michael
00:03:09
Tobias
00:03:11
Michael
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Tobias
00:03:40
Michael
00:04:54
Tobias
00:04:59
Michael
00:05:00
Tobias
00:05:23
Michael
00:06:30
Tobias
00:06:41
Michael
00:06:42
Tobias
00:07:13
Michael
00:08:42
Tobias
00:08:56
Michael
00:08:57
Tobias
00:09:32
Michael
00:10:17
Tobias
00:11:04
Michael
00:11:49
Tobias
00:12:02
Michael
00:13:12
Tobias
00:13:33
Michael
00:13:34
Tobias
00:13:54
Michael
00:14:07
Tobias
00:14:09
Michael
00:15:43
Tobias
00:15:57
Michael
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Tobias
00:16:49
Michael
00:17:36
Tobias
00:17:40
Michael
00:17:41
Tobias
00:18:05
Michael
00:18:24
Tobias
00:18:44
Michael
00:19:35
Tobias
00:20:05
Michael
00:21:04
Tobias
00:21:21
Michael
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Tobias
00:21:57
Michael
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Tobias
00:22:08
Michael
00:22:42
Tobias
00:22:55
Michael
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Tobias
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Michael
00:23:50
Tobias
00:24:21
Michael
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